Storybook
Preview 08.2017
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Content is king Kunden werden mit Informationen und Werbebotschaften überschüttet. Das führt dazu, dass sie viele Informationen, die Unternehmen verbreiten, nicht mehr wahrnehmen. Sie sind selektiver denn je. Um die Aufmerksamkeit und das Vertrauen der Zielgruppe zu gewinnen, brauchen Kommunikationsmittel deshalb relevanten Content: Inhalt in Form von Text, Bild, Audio- oder Videodateien, die dem Kunden mit wichtigen Informationen einen Mehrwert in einem bestimmten Zusammenhang bieten und gleichzeitig die kommunikative Strategie des Unternehmens unterstützen. Informationen, die in Form von Storytelling wiedergegeben werden, bleiben im Gedächtnis. Denn Menschen lesen nicht gerne reine Fakten, sondern Geschichten. Im SPOT Storybook haben wir eine Auswahl von Content- und Storytelling-Arbeiten in Form von Interviews, Reportagen, Porträts, Fotostories und Artikeln zusammengestellt.
THE STORY BOOK | Content, Text, Storytelling
ROCK’N’ROLL CUISINE | Interview für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
ROCK’N’ROLL
Cuisine
MIT DEM «W HOTEL» HAT VERBIER MODERNEN LUXUS UND NEW YORKER EXTRAVAGANZ IN DIE SCHWEIZER ALPEN GEBRACHT. EIN GUTER MIX. WIE AUCH DIE IBERO-ALPINE PICA-PICA-KÜCHE DES KATALANISCHEN STARKOCHS SERGI AROLA. AUF EINEN STIL WILL ER SICH NICHT FESTLEGEN.
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SPOTWERBUNG, St. Moritz | 2017
WIR HABEN SEINE KÜCHE PROBIERT UND SAGEN: WILD AT HEART.
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ROCK’N’ROLL CUISINE | Interview für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
Mich erinnert Sergi Arola irgendwie an Ruben Block von Triggerfinger. Mit seinen Tattoos, dem Lederarmband, dem rebellischen Look und seiner Rock’n’Roll-Attitüde. Unser Gespräch beginnt dann auch mit Abschweifungen ins Barcelona der 1980er Jahre, zu Drogen, Clubs, Gangs und Hafenkneipen. Zu Punk und New Wave, Liebe, Leidenschaft und dem wahren Leben. Später stellt sich heraus, dass Sergi tatsächlich auch Musiker ist – in den Achtzigern sang und spielte er bei den Los Canguros, einer respektierten spanischen Indieband. Noch heute übt er täglich auf einer seiner zwölf Gitarren. Die Leidenschaft für Musik führte ihn auf Umwegen zur Kocherei. Nicht, dass ihn das gross interessiert hätte. Koch war damals kein angesehener Beruf. Aber Ferran Adrià bot dem Jungspund einen Job an, der ihm genug Freiraum liess, weiter seinen Musikerambitionen nachzuhängen. Später folgte er Adrià ins legendäre «El Bulli» bevor er nach Paris und zu Pierre Gagnaire wechselte. Ein Schlüsselerlebnis war die Einsicht, dass man auch als Koch Grosses erreichen, quasi Rockstar werden konnte. Auf sein Gitarrenspiel habe er sich nie gross etwas eingebildet, wenn er dies so gut erlernt hätte wie später das Kochen, wäre er aber wohl eine Art spanischer Eric Clapton geworden.
Heute gilt Sergi Arola als einer der kreativsten Köpfe der spanischen Haute Cuisine, Starkoch mit zwei Michelin-Sternen, moderiert er TV-Sendungen und leitet Restaurants in Madrid, Barcelona, Istanbul, Mumbai, Santiago de Chile, Paris, London … und seit kurzem auch in Verbier. Das passt! Das «W Verbier» ist das erste alpine Ski-Resort der global aufgestellten Designhotelkette. Jung, chic, aufgeweckt trifft das kosmopolitische Lebensgefühl der Weltmetropole New York auf alpine Geradlinigkeit im Herzen der Walliser Berge. Als kulinarischer Pate bringt Arola die katalanische Kochkunst ein, mischt sein zeitgemässes Pica-Pica-Konzept mit dem Reichtum der alpinen Gerichte und Produkte. Nicht ohne vorher viel Zeit in der Gegend verbracht zu haben. Zusammen mit dem schwedischen Küchenchef Torsten Sällström, der bereits für Arolas Restaurant in Madrid zuständig war, haben sie lokale Produzenten besucht und sich von der Vielfalt des Terroirs und der Qualität der Alpenprodukte inspirieren lassen. Dies alles finden wir nun auf dem Teller wieder. Also: Game on! Es ist Spätherbst – Wildzeit!
ERSTER GANG: Jakobsmuscheln mit Blutwurst, Kürbischips und grünem Kardamom. «Sergi, du hast bei Ferran Adrià und Pierre Gagnaire, zwei der bedeutendsten Chefs der Gegenwart, gelernt. Was hat dich am meisten geprägt?» – «Das Wichtigste sind nicht etwa die Rezepte oder Techniken. Rezepte sind Bullshit, man kann sie einfach in einem Buch nachlesen, im Fernsehen oder auf YouTube anschauen. Das Wichtigste ist der Masterchef als Persönlichkeit. Mich haben immer der Instinkt eines Ferran Adrià und die Passion von Pierre Gagnaire fasziniert. Die Kombination von beidem finde ich perfekt. Wahrscheinlich kann ich meinen Meistern in den beiden Disziplinen nicht das Wasser reichen, aber ich habe immer versucht, diese beiden Aspekte in Balance zu bringen. Das finde ich übrigens auch im Leben wichtig.»
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ZWEITER GANG: Tataki vom Reh mit Rüben, Steinpilzen und Wacholder an Humagne-Rouge-Fonds. «Nein. Ich denke nicht, dass ich besonders kreativ bin. Wenn man über Kreativität spricht, verfällt man gerne in das tiefe Loch der Rezepte. Kreativ sein heisst nicht unbedingt gut sein. Auf die Musik bezogen war Mozart sehr kreativ, aber gleichzeitig auch sehr klassisch. Oder die Rolling Stones! Früher die absolut wildeste Band, wurde sie zum Mainstream. Wenn Kreativität zum Establishment wird, die wilde Küche der letzten Jahre zur Nomenklatur, was ist dann der Sinn der Kreativität? Was macht Punk für einen Sinn, wenn man die Nietenjacke und Doc Martens in den Galeries Lafayette kaufen kann? Man muss zurück zu den Wurzeln. Für mich ist es die Geisteshaltung. The attitude! Diese gilt im Leben wie im Business und im Umgang mit dem eigenen Staff.»
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DRITTER GANG: Gebratene Entenbrust auf Kohl und karamellisiertem Endiviensalat mit roten Beeren und Hibiskusblüten. «Mir fällt es schwer, meinen eigenen Stil zu definieren. Ich wollte nie so sein wie meine Meister. Bin wohl auch nicht so talentiert. Will mich nicht in eine Schublade stecken lassen. Es bereitet mir einfach grosse Genugtuung, meine Gäste glücklich zu sehen, ihnen eine gute Zeit zu schenken. Vielleicht ist es einfach Contemporary Cuisine. Manchmal bezeichne ich meinen Stil als ‹Complicity with my guests› … dann sind alle zufrieden.»
VIERTER GANG: Gams-Entrecôte im Gewürzmantel, Rotkohl und Kastanien. «Ich bin fasziniert von den Alpen. Allein die Aussicht! Wir verwenden allein aus Respekt alpine Produkte. Eigentlich verwende ich in all unseren Restaurants lokale Produkte. Was der Alpenraum hervorbringt, ist einfach unglaublich. Im Umkreis von vielleicht fünfzehn Kilometern finden wir hier die wohl einzigartigsten Weinbauern der Welt, grossartige Käse- und Fleischproduzenten, biologisch gewachsene Früchte und Gemüse … paradiesisch, ein einziges Schlaraffenland.»
DESSERT: Tartelette mit Birnen (im Vorfeld zusammen mit Sergi Arola zubereitet). Als ich nach den Zukunftsplänen fragte, kam es wie aus der Pistole geschossen: «Survive! In Spanien ist dies ein sehr verbreiteter Sport. Ein Extremsport – extremer etwa als Paragliding oder sich mit dem Wingsuit von einem Felsen zu stürzen. Der spanische Philosoph Gregorio Marañón sagte einmal treffend: ‹Wir sind, wer wir sind, und dann sind da noch die äusseren Umstände.› Die Krise in Spanien war und ist eine grosse Herausforderung: geschäftlich wie persönlich. Mit meinem Leben bin ich aber sehr zufrieden. Nie hätte ich erwartet, dass nur 98 Prozent der Ereignisse eintreten, die ich tagtäglich lebe. Ich habe Freunde, lerne interessante Leute kennen. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich versuche, alles so gut wie möglich zu machen und meinen Werten treu zu bleiben. Ich werde nie ein Genie sein, will nicht berühmt sein, nur ich selbst. Das ist schon ein sehr grosses Privileg. Wenn ich denke, wo ich herkomme, und sehe, wie viele meiner alten Freunde leben, dann muss ich schon sagen: ‹Fuck, ich habe sehr viel Glück gehabt!›»
INTERVIEW MIT DEM SPANISCHEN STARKOCH SERGI AROLA BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (NOVEMBER 2014) TEXT DARIO CANTONI FOTOS W HOTEL, VERBIER WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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DIABOLIK | Artikel für Booklet BCCM
DIABOLIK | Artikel für Booklet BCCM
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DIABOLIK
DER FINSTERE HELD MIT DEM JAGUAR E-TYPE Diabolik hat in der italienischen Populärkultur seit den frühen sech-
Seit seinem Erscheinen im Jahr 1962 verkörpert der charmante
durchaus mit Mickey Mouse oder Lucky Luke messen. Der Gentle-
prägten Comic-Heldenmoral. Mit Diabolik triumphiert nicht
ziger Jahren einen festen Platz und kann sich in puncto Bekanntheit
man-Gangster lebt von Juwelendiebstählen im grossen Stil, die er mit
seiner sexy Gefährtin Eva Kant plant und ausführt. Anders als sein italienischer Antipode Dylan Dog oder die amerikanischen Super-
Dieb einen Gegenmythos zur gängigen, amerikanisch genur das Böse – die saubere Welt der Supermänner wird zudem als schwächlich und wenig intelligent belächelt.
helden erweist sich Diabolik, wie es bereits im Namen anklingt,
Die 1962 von den beiden Schwestern Angela und Luciana Giussani
allerdings bei seinen Taten immer einen gewissen Ehrenkodex ein.
Fumetti-Neri-Tradition, die weitere beliebte Anti-Helden wie Kri-
damit als Vertreter des Bösen und der kriminellen Unterwelt, hält
Als Erfinder von hauteng anliegenden Gesichtsmasken kann er seine
ins Leben gerufene Comicfigur, steht am Anfang der italienischen minal und Satanik hervorbringen sollte.
Identität beliebig wechseln und entkommt damit ein ums andere Mal
Noch heute erscheinen die schwarz-weiss gezeichneten Diabolik-
lik über phantastische Gerätschaften wie seine wurfgeschossarti-
sind in Italien an jedem Kiosk erhältlich. 1968 wurde der Comic
seinem Gegenspieler Inspektor Ginko. Ausserdem verfügt Diabo-
gen Betäubungsspritzen und einen Jaguar E-Type aus den frühen sechziger Jahren mit allen erdenklichen Sonderausstattungen.
Diabolik und Eva Kant rauben grundsätzlich nur reiche, nicht
Hefte aus dem milaneser Astorina Verlag in hoher Auflage und
vom italienischen Regisseur Mario Bava auch verfilmt; die Filmmusik komponierte Ennio Morricone.
selten selbst kriminelle Personen der High Society aus, so dass ihr mitleidloses, kühles Auftreten gegenüber ihren Opfern den Anschein von ausgleichender Gerechtigkeit erweckt. Im Gegensatz zu anderen modernen Robin-Hood-Figuren wird das erbeutete Diebesgut allerdings nicht an Bedürftige weiterverteilt. Vielmehr ähnelt der skrupellos-geniale Edelgangster im schwarzen
ARTIKEL FÜR BCCM BOOKLET (MAI 2015)
Trikot hier dem französischen Schurken Fantômas, der in den Ver-
TEXT DARIO CANTONI ILLUSTRATIONEN DIABOLIK
filmungen mit Louis de Funès und Jean Marais in den 1960er- und 70er-Jahren Popularität erlangte.
WEITERE ARBEITEN GESAMTKOMMUNIKATION, REDAKTION UND GESTALTUNG BOOKLET, WEBSEITE www.bccm.ch
DIE ALPINE A 110 BERLINETTE WAR EINES DER ERFOLGREICHSTEN RALLYE-FAHRZEUGE DER MOTORSPORTGESCHICHTE, ABGELÖST WURDE SIE ERST VOM LANCIA STRATOS
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ALPINE A 110, A 310 | Artikel für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
Femme
Es heisst nicht der, sondern die Alpine, und der Unterschied in der Anrede sagt viel über ihren Charakter aus. Die kleine, flache Französin ist sinnlich und launisch, betörend und extravagant – und sie hat bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüsst.
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fatale
Da steht sie, mit leuchtendem Kleid in der Nachmittagssonne, und tut das, was sie am zweitbesten kann: wunderschön aussehen. Selbst die Insekten fühlen sich von ihr angezogen, so üppig sind ihre Rundungen, so verführerisch schimmert ihre gelbe Farbe. Aber ich kann mir nicht helfen, ich denke, was man praktisch immer denkt, wenn man einer Berühmtheit begegnet: Auf Fotos erscheint sie überlebensgross, in natura geradezu winzig.
Sie reicht mir bis zum Bauchnabel – und ich bin wohlgemerkt nicht mit Nadja Auermann'schen Beinen gesegnet. Trotz ihrer Zwergstatur entfährt mir jedoch kein «Jööö». Dazu ist ihr Renommee zu gross, die Liste ihrer Motorsporterfolge zu lang. Mehrmals triumphierte sie an der Rallye Monte Carlo, 1970 wurde sie Europameisterin, 1971 Markenweltmeisterin, 1973 RallyeWeltmeisterin, stets gewann sie mit ihrer zierlichen Statur und wilden Natur die Herzen der Zuschauer. Eine wie sie lehrt Demut. Und nebenbei lehrt sie auch ein wenig Grammatik: Das Auto, das Fahrzeug, der Sportwagen hin oder her – es heisst die Alpine, und sie ist eine Femme fatale. «Macht starke Männer schwach», hatten es zeitgenössische Werber ausgedrückt. Der Besitzer dieser 1969 gebauten, nachträglich zum Gruppe-4Rennfahrzeug aufgerüsteten A 110 1600 S kennt ihre Stärken und Schwächen schon seit 25 Jahren. Wobei Andy Wick nicht nur ein auf Veteranenfahrzeuge spezialisierter Garagist aus dem zürcherischen Nassenwil ist, sondern ihr zuliebe auch noch Schlangenmensch. Erst versorgt er das rechte Bein in der dunklen Höhle unter dem Lenkrad,
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ALPINE A 110, A 310 | Artikel für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
dann zwängt er umständlich den Körper durch die enge Türöffnung und zieht schliesslich das linke Bein hinterher. «Jeder hat da so seine eigene Technik», meint er lachend, während ich mich – ausnahmsweise dankbar für die Nicht-Auermann'schen Beine – relativ problemlos in den Schalensitz setze. Oder, besser gesagt, lege. «Eines Tages kamen sie in Frankreich auf die Idee, zwei liegende Männer mit Kunststoff zu überziehen und auf Räder zu stellen», lautet der vielzitierte Kommentar eines österreichischen Journalisten dazu.
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«Sie haben keine Angst, oder?», versichert sich Wick, bevor er seine Alpine das tun lässt, was sie am allerbesten kann: schnelle Kurven fahren. Es beginnt zu dröhnen. Zu brummen. Zu vibrieren. Ich werde einen Hörschaden erleiden, mit Sicherheit. Neue Plomben brauchen, nachdem das unnachgiebige Fahrwerk mit mir fertig ist. Vielleicht werde ich sogar religiös, wenn es weiterhin so rasant auf die engen Kehren zugeht. Aber Angst? Nein, für Angst ist in diesem 3,85-Meter-Zweisitzer, dem sogar ein Kofferraum fehlt, kein Platz. Angefangen hatte übrigens alles mit Jean Rédélé, einem Renault-Händler und Rallye-Fahrer. Ab 1955 baute er kleine, leichte Rennwagen mit Kunststoffkarosserie und bewährter RenaultTechnik. Zur Erinnerung an seinen Sieg beim Coupe des Alpes 1945 gab er ihnen den Markennamen Alpine. Als erstes Modell brachte er die A 106 mit Komponenten des 4CV heraus, darauf folgten die A 108 auf Basis der Dauphine und – daraus abgeleitet – die berühmte A 110 Berlinette. Sie war 1972 die Sensation auf dem Pariser Salon d’Auto-
mobile: flach wie eine Flunder, nur 575 Kilogramm schwer und mit dem modifizierten Vierzylinder aus dem Renault 8 immerhin 170 km/h schnell. Die Achsen waren durch ein zentrales Stahlrohr verbunden; der Einbau des Triebwerks im Heck bot Traktionsvorteile auch auf unbefestigten Strassen. Technische Perfektion? Mais non! Die Alpine war einfach nur klein, leicht, wendig und kompromisslos. Eine Gewalttäterin, wenn man ihr nach aussen drängendes Heck unterschätzte, eine Tänzerin, wenn man sie zu führen wusste. Allzu lange waren die Alpines nur in Frankreich bekannt. Erst Ende der 1960er – Renault hatte inzwischen den Vertrieb übernommen und bezahlte das Motorsportbudget – kamen die Dinger auf internationalem Asphalt, Schotter und Schnee und damit auch in den Zulassungsstastistiken ins Rollen. 1971, im neunten Produktionsjahr der laufend verbesserten und in unterschiedlichen Versionen erhältlichen A 110, verliessen 1029 Exemplare die Fabrik in Dieppe, so viel wie nie zuvor. Und dies, obwohl mit der A 310 bereits ein neues Modell am Start war. Erst die Ölkrise verdarb die Verkaufszahlen, der Lancia Stratos fuhr der Berlinette bei den Wettbewerben allmählich um die Ohren, und als die zunächst nur mit schwächlichem Vierzylinder ausgelieferte A 310 endlich mit einem anständigen V6-Motor erhältlich war, waren die Tage der legendären Berlinette erst recht gezählt. Im Juli 1977 rollte das 7489ste und letzte Exemplar von der Montagelinie in Dieppe – ausnahmsweise nicht in der französischen Rennfarbe Blau, sondern in Grün.
Die futuristische A 310 machte vor allem Männer mit gesteigertem Komfortbedürfnis schwach, denn aus der wilden Diva war nun eine vornehme Madame geworden. Die Kunststoffkarosserie und der Zentralrohrrahmen blieben ihr erhalten, doch sie war grösser, schwerer und fast zwei Drittel teurer als die Vorgängerin. Deren sportliches Erbe konnte sie nicht verwalten; nachdem Renault die Aktienmehrheit übernommen hatte, verabschiedete sich Alpine 1978 ganz aus dem Motorsport. Und dann wurde die A 310 V6 auch noch auf den erfolgreichen Porsche 911 angesetzt. Bei den Fahrleistungen – 7,5 Sekunden auf Tempo 100, 224 km/h Spitze – konnte sie mithalten, nicht aber in Sachen Qualität. Unsaubere Klebestellen, unterschiedliche Spaltmasse, improvisierte Schalter: Die schlechte Verarbeitung des Kleinserienmodells wurde legendär. Einzig beim Sex-Appeal hatte ihr teutonischer Widersacher das Nachsehen: Im Mai 1980 räkelte sich Brigitte Lohnmeyer auf dem Cover des «Playboy»-Magazins auf der Motorhaube einer Alpine. Schade nur, dass es zu jener Zeit auch als sexy galt, seine Alpine mit schrillen Farben, campingtischartigem Spoilerwerk und absurden Kotflügelverbreiterungen zu modifizieren. Obschon mit 9276 Einheiten das meistverkaufte Alpine-Modell überhaupt, soll es heute schwierig sein, eine originale, unverbastelte A 310 V6 zu finden. Was ab 1984 nach dem Ausstieg Rédélés unter Renault-Regie folgte, wird in der Alpine-Geschichte gerne unter «ferner liefen» abgehandelt. Die aufregende Form war verwässert, der V6-Motor wurde vielfach kritisiert, das Image litt.
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Daran änderte auch der MarketingSchachzug nichts, den Ende der 1960er eingeführten Doppelnamen Renault Alpine ab 1987 wieder zu streichen, um an die historischen Ursprünge der kleinen Marke aus Dieppe zu erinnern. 1995 wurde die Produktion des zuletzt 250 PS starken Sportwagens eingestellt. Respektive auf Eis gelegt, denn inzwischen ist bekannt, dass die Marke Alpine wiederauferstehen wird. Zum 50. Geburtstag der legendären A 110 schickte Renault 2012 die fulminante Studie Alpine A 110-50 über die GrandPrix-Strecke von Monaco, vor wenigen Monaten wurde auf dem Nürburgring ein als Lotus getarnter Versuchsträger gesichtet. Anders als ursprünglich geplant soll die Alpine zwar nicht in Kooperation mit dem KleinserienSpezialisten Caterham entwickelt werden – über die Gründe der Trennung
schweigen sich die Hersteller aus –, das lang ersehnte Revival dürfte 2016 aber dennoch stattfinden. Klein, leicht, wendig und kompromisslos soll der Sportwagen dann wieder werden und «mehr Fahrspass als pure Leistung» bieten. Apropos Fahrspass: Nach einigen Kilometern hält André Wick am Strassenrand an, zeigt beim Aussteigen wieder seine Schlangenmenschqualitäten und verkündet feierlich eine Premiere: «Ich bin noch nie auf dem Beifahrersitz meines Autos gesessen», sagt er, «und das Auto wurde noch nie von einer Frau gefahren.» Ich schlucke leer. Setze, nein, lege mich auf den Fahrersitz. Es beginnt wieder zu dröhnen. Zu brummen. Zu vibrieren. Die direkte Lenkung will gefühlvoll bedient werden.
Das schwer zu schaltende Getriebe ist eine Herausforderung, das Finden des fünften Ganges fast schon Glückssache. «Sie können sie ruhig härter anpacken», versichert mir Wick, während ich die Alpine das tun lasse, was sie nur am drittbesten kann: gemütlich dahingleiten. Ob ich Angst habe? Der Schub ist gewaltig. Der Grenzbereich liegt weit entfernt, die 13-Zoll-Michelins scheinen mit Sekundenkleber zu haften. Und ob ich Angst habe! Nicht vor der Alpine, eher vor meinem eigenen Übermut. Die A 110 kann durchaus auch Frauen schwach machen.
DIE ALPINE A 310 V6 GING ALS PORSCHE-KONKURRENTIN AN DEN START. MIT 225 KM/H WAR SIE SEINERZEIT DER SCHNELLSTE STRASSENSPORTWAGEN FRANKREICHS
AUTOMOBILGESCHICHTE BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (NOVEMBER 2014) AUTORIN NINA VETTERLI ILLUSTRATIONEN HELGE JEPSEN WEITERE ARBEITEN GESTALTUNG UND UMSETZUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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BAUEN FÜR DEN LUXUS | Artikel für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
BAUEN für den Luxus Die Bauwirtschaft boomt. In den Alpen wird investiert wie kaum zuvor. Allein im Oberengadin standen kurz vor der Saison ein halbes Dutzend Luxusbaustellen vor dem Abschluss. Das Carlton eröffnet nach 18-monatiger Umbauzeit und Investitionen von über 65 Millionen Franken als extravagantes Boutique-Hotel mit 60 luxuriösen Suiten, die selbst für St. Moritz neue Standards setzen. Das Badrutt’s Palace saniert den Beau-Rivage-Flügel komplett und verbaut so in sportlichen neun Monaten 25 Millionen Franken für 21 Zimmer und Suiten, Ladenflächen und Meetingräume. Der Wellnessbereich folgt in der nächsten Bauetappe. Im Nachbardorf Pontresina werden im Grand Hotel Kronenhof über 35 Millionen Franken in über 1000 Tonnen Eisen und Beton investiert. Das Resultat: eine eindrucksvolle Wellnessanlage, neue Luxussuiten und 100 Garageplätze. Dazu kommen weitere namhafte Beträge im Saratz, Kempinski, im The-Murezzan-Projekt, im Belvédère und in verschiedenen Nobelboutiquen. Ähnlich tönt es von Zermatt, Andermatt oder Gstaad. Doch wer schafft eigentlich diesen unermesslichen Luxus in den Alpen? Wer sind die Leute hinter den Kulissen des Hedonismus? Hat man die Möglichkeit, eine Baustelle zu betreten, kommt man sich
vor wie in einem Bienenhaus. Nicht selten schwirren 100 bis 200 Handwerker durcheinander. Gipser, Bodenleger, Elektriker, Steinmetz, Eisenleger, Liftbauer, Maurer und Maler, Sanitärinstallateure, Küchenbauer, Kältetechniker, Dekorateure und Teppichleger. Die Termine sind knapp gesetzt, die Zwischensaison ist kurz, das Klima rau. Nicht selten wird in Spezialschichten gearbeitet, 16 Stunden am Tag und über die Wochenenden – auf verschiedenen Baustellen gleichzeitig. Die Organisation und Koordination der Arbeiten mit Handwerkern aus unterschiedlichen Kulturen ist eine Parforceleistung sondergleichen, und manchmal zweifelt man, ob dann alles rechtzeitig fertig wird. Doch wenn der Vorhang aufgeht, die Saison beginnt und die Gäste über die wert-
vollen Teppiche schreiten, ist alles piccobello. Die Leute, die diesen unerhörten Wert geschaffen haben, sind dann längst über alle Berge. Sie feiern Weihnachten fernab von Extravaganz und Glamour – bescheiden in ihrer Heimat in Süditalien, Nordportugal oder den neuen Bundesländern. BIANCO war auf den Baustellen im Engadin unterwegs und hat verschiedene Arbeiter porträtiert. Die Bilder zeigen die Kontroverse der Situation, die unglaubliche Schere zwischen dem Laufsteg der Eitelkeiten und dem Leben hinter den Kulissen. Es ist aber auch eine leise Anerkennung für den neu geschaffenen Wert und für den Erhalt dieser grossartigen Luxusbauten, deren Grundstein vor rund 150 Jahren durch Pioniere des Tourismus gelegt worden ist.
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2008) TEXT DARIO CANTONI FOTOS DANIEL MARTINEK WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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ACHILLE PRUNERI, GROSIO (I), UND ENZO ARMANDO MATTI, BRESCIA (I), BEIDE MALER Seit Jahren ein eingespieltes Team
TINO KILIAN, VORARBEITER, LEIPZIG (D) Für ein Fünf-Sterne-Haus zu arbeiten, ist schon etwas Besonderes. Die ganze Atmosphäre auf dem Bau ist in der Schweiz viel angenehmer, und das bei bedeutend höherem Verdienst.
JOSE CARLOS FAUSTINO PINTO, HILFSARBEITER, SEBROSE (P) Die Abwechslung macht mir Freude. Jetzt helfe ich beim Mauern, in der Saison bin ich wieder Casserolier.
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RUSSISCHER WINTER | Fotostory für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
Russischer Winter
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Junge Russen lieben die Schweiz. Dass sie bei der Auswahl ihres Ferienortes ein ausgeprägtes «Markenbewusstsein» zeigen, zeugt nicht gerade von schlechtem Geschmack. So liegen die Schweizer Topdestinationen St. Moritz und Zermatt zuoberst auf der Liste. Drei Viertel der russischen Gäste übernachten übrigens in Fünf- und Viersternehotels. Während ihres Besuches wissen sie kostenintensiv zu feiern und gut zu leben. Das ist nicht neu. Auch nicht das Boutique-Hotel mit dem Doppeladler im Emblem, das Carlton Hotel in St. Moritz, wo BIANCO die erste Fotostrecke nach dem umfassenden Umbau realisieren durfte.
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RUSSISCHER WINTER | Fotostory für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
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FOTOSTORY FÃœR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2008) FOTOS FRANZISKA FRUTIGER PRODUKTION FRANZISKA FRUTIGER, DARIO CANTONI WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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EINSAME HELDEN | Artikel für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
Einsame Helden KEIN GELD, KEINE BREMSEN, KEIN LIMIT
Eisspeedway: Eine kleine Motorrad-Szene ganz ohne Allüren und Stars auf der Suche nach dem Ursprünglichen, nach Freiheit, Freundschaft und dem Rausch der Geschwindigkeit.
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Es ist kalt. Bitter kalt! Die Luft ist mit Methanol angereichert. Das Geknatter der 500 ccm Jawa-Maschinen ist ohrenbetäubend. Als das Startband hochgezogen wird, greifen 4 mal 500 spitze Nägel in den hartgepressten, eisigen Untergrund. Die vier Fahrer schiessen davon, schalten hoch, driften in die Kurve, um in der Geraden gleich nochmals zu beschleunigen. Jetzt jagt das Feld mit gut hundert Sachen an den Zuschauern vorbei, eine weisse Schneewolke nach sich ziehend. Vier Runden dauert der Nervenkitzel, dann werden die Punkte verteilt. Eisspeedway ist die wohl spektakulärste Art von Motorradrennen überhaupt. Begonnen wurde damit in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Schweden. 1963 fanden dann die ersten Europameisterschaften statt, die 1966 auf Wunsch der Russen zur Weltmeisterschaft ausgebaut wurden. Der exotische Sport wird heute vor allem in den skandinavischen Ländern, in Russland, Polen und in der Tschechei ausgeübt. Von dort stammen auch die mit Methanol betriebenen Viertakt-Motoren mit nur zwei Gängen – der erste zum Anfahren, der zweite zum Beschleunigen. Alle Motorräder sind 500er Jawas, die von den Rennteams individuell angepasst, frisiert und umgebaut werden. Je nach Fahrwerk kann so ein Töff dann schon mal bis 25’000 Franken kosten. Die Maschinen scheinen wie aus einer anderen Zeit: Null Hightech – nur Motor und Mechanik. Auch wenn die Renntöffs eher an eine Florett oder Zündapp aus den Kindertagen erinnern – man sollte sich auf keinen Fall davon täuschen lassen. Der Sport ist für harte Kerle. Spitzenfahrer erreichen gut und gerne 150 Sachen, Bremsen fehlen gänzlich
und Stürze sind im dichten Fahrerfeld nicht gerade selten. Da kann auch das Kettenhemd nur beschränkten Schutz gegen die 2,8 cm langen Spikes bieten, die gleich reihenweise in jedem Reifen stecken. Gerade mal sieben Fahrer üben in der Schweiz diesen Sport aus. «Da fühlt man sich schon als Exot», meint der junge Flimser Nachwuchsfahrer Thomas Cavigelli. «Aber genau das gefällt mir. Wie auch der Zusammenhalt der Leute in der Szene und, dass man ein bisschen in der Welt herum kommt.» Etwas Verrücktheit gehört schon dazu, um das ganze Jahr an seinem Motorrad rumzuschrauben und dann im kältesten und dunkelsten Finnland auf einem gefrorenen See seine Runden zu drehen. Ohne grosse Sponsoren und ohne viele Zuschauer. Aber vielleicht ist gerade dies Teil der Eisspeedway-Faszination. Den Fahrern geht’s nicht um Ruhm – eher um die wahren Werte in unserer Zeit: Ursprünglichkeit, Freiheit, Freundschaft. Und ein bisschen Geschwindigkeit.
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2009) TEXT DARIO CANTONI FOTOS GAUDENZ DANUSER WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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GITARREN PAGELLI | Artikel für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
Gringobeat, Ratocaster, Jazzability, Las Vegas Super De Luxe DIE GENIALEN GITARREN VON CLAUDIA UND CLAUDIO PAGELLI
Ich habe Claudio Pagelli in den tiefen 90ern kennengelernt. Er war Gitarrist und Mastermind der schrillen Combo «Este Rito Le Sugerimos». Sie spielte trocken, schnell, kompromisslos. Knochenhart vorbei am Schunkelrock anderer Schweizer Bands und exakt auf den Punkt gebracht. Seine Gitarre war bunt wie ein Lollipop und steckte an einem kitschig dekorierten Verstärker mit flimmernder Plastikgondel. Was mich neben der Musik und den energiegeladenen Songs faszinierte, war die geniale Mischung zwischen Anarchie, Witz und Spielfreude.
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Claudio beherrscht auch die leisen Töne. Im bündnerischen Scharans, fast schon verborgen und abseits der geschäftigen Metropolen, aber auch weg von Zürich oder Chur, wirkt er als ein grosses Talent des internationalen Gitarrenbaus. Claudio Pagelli gilt in Fachkreisen als einer der Grossen seiner Zunft. Seine Gitarren besitzen Kultstatus, werden von internationalen Stars gespielt und regelmässig in Fachmagazinen hochgejubelt. Doch das scheint ihn wenig zu interessieren. Über all die Jahre ist er sich treu geblieben, hat seinen subversiven Schalk bewahrt und wie nebenbei sein handwerkliches Können auf die Spitze getrieben. «Wiederholung langweilt mich», sagt Claudio Pagelli. «Es würde mir keine Mühe bereiten, ein Instrument zu bauen,
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GITARREN PAGELLI | Artikel für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
das jedem gefällt. Aber das interessiert mich nicht. Oft genug können wir nicht so weit gehen, wie wir es selber gerne möchten.» Claudio Pagelli ist ein leidenschaftlicher Perfektionist, ein Getriebener. Und so entsteht aus jedem Neuentwurf in stundenlanger, minutiöser Arbeit eine einzigartige Gitarre und ein grossartiges neues Instrument. In den knapp 30 Jahren seiner Tätigkeit ist eine grandiose Werkschau von vielleicht 200 Gitarren und Bässen zusammengekommen – akustische wie elektrische.
«Die schönste Gitarre, die ich in meinem Leben je gesehen habe. Gebaut vom kreativsten Gitarrenbauer, den ich je kennengelernt habe!» Der berühmte Jazzgitarrenbauer Bob Benedetto nach eingehender Begutachtung einer Pagelli-Gitarre
Pagelli ist bekannt für seine unkonventionellen Lösungen. Er ist ein Querdenker und schert sich als Desperado des Gitarrenbaus nicht um die Gesetze der Branche. Dort, wo jeder andere Gitarrenbauer das Handtuch wirft, kommt Pagelli erst richtig in Fahrt. Viele betrachten seine Gitarren als Kunstwerke, was sie zweifellos sind. Doch Pagelli sieht sich lieber als Handwerker. «Eine Gitarre ist ein Instrument, es muss in allererster Linie spielbar sein und gut klingen. Ich suche immer nach der perfekten Einheit zwischen Klang, Spielbarkeit, Design und Innovation. Ich mache Instrumente für Musiker, es sind keine Schmuckstücke für an die Wand.» Praktisch alle Pagelli-Instrumente sind «custom made», wundervolle Einzelstücke und ganz auf den jeweiligen Kunden zugeschnitten. Dies müssen keine Stars sein, auch ganz normale Musiker, die etwas Spezielles suchen, sind in der Werkstatt willkommen. Daneben entwerfen Claudio und seine Frau auch Prototypen, die von namhaften Gitarrenproduzenten in Lizenz hergestellt werden – unter dem Markenzeichen «designed by Pagelli».
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«Wir nähern uns jedem neuen Auftrag sehr behutsam an», sagt Claudia Pagelli, die massgeblich für das Design verantwortlich ist. «Man muss sich mit der Musikerpersönlichkeit auseinandersetzen. Ich will wissen, was sie denkt, was sie isst, wie sie lebt ... der ganze Shape der Gitarre kommt dann direkt aus dem Bauch.» Die Pagellis besitzen ein riesiges Lager an Hölzern. Teilweise schon vor Jahren eingekauft und kaum mehr zu bekommen, manches «zwischengelagert» in Möbeln, die bei Bedarf zersägt werden. «Das Holz ist wichtig für den Klang. Jeder Stamm, jedes Stück ist anders. Verbaut wird nur das Beste, und in Graubünden wachsen vorzügliche Fichten direkt vor der Haustür.» Neben den Hölzern lagern eine Eieruhr und die Regler eines alten Herdes. «Manchmal kaufe ich nutzlose, alte Apparate, nur um die Regler abzumontieren. Die kann ich dann als Potenziometer in meinen Gitarren verbauen.»
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2009) TEXT DARIO CANTONI FOTOS JUDITH STADLER & ANDRÉ USTER WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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DER BUCKEL DES ARCHITEKTEN | Artikel für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
Der Buckel des Architekten CHRISTIAN KLAINGUTI, ARCHITEKT UND AUTOLIEBHABER
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Seine Leidenschaft für Autos entspringt einer lebendigen Philosophie: der Begeisterung für das Schöne, das Substanzielle, das handwerklich Funktionale. «Nebenbei fahre ich einfach wahnsinnig gern schnell Auto». Christian Klainguti ist ein ruhiger Mann, der Passion und Begeisterung lebt, ohne unnötigen Wind darum zu machen (genau so, um schon vorzugreifen, ist auch sein Fahrstil). Der längst erfolgreiche Architekt, 1956 in Monaco geboren, aufgewachsen als Hoteliersohn in Menton, kam erstmals 1967 nach Zuoz, auf das Lyceum, nach dessen Absolvierung er in Zürich sein Architektur-Studium mit Diplom vollendete. Mit seiner hübschen, lebensfrohen Frau Ladina, der jüngeren Tochter Sofia, zwei liebenswerten Hunden und zwei abgeklärten Katzen belebt Christian ein altes Engadiner Bauernhaus, dessen massive Struktur er innerlich aufgelöst und erhellt hat, ohne den Charme und die Notwendigkeiten des alten Bauens zu stören. Ein ideales Showcase seiner Talente, die er (zusammen mit Partner Valär) schon an zahlreichen Projekten in naher und weiterer Umgebung beweisen konnte. Nächstes Projekt: Ein eigenes Hotel in Zuoz mit nur sieben Zimmern, exklusiv und voll der Kunst. Christians Vater, der Hotelier, war bereits ein ausgemachter Autoliebhaber und schneller Fahrer, der seinen interessierten Sohn jedes Jahr zum GP nach Monaco mitnahm. Christian besass dann auch schon mit 21 Jahren erste Oldtimer, wobei allerdings eher der billige Anschaffungspreis im Vordergrund stand. Seither (mit einer Ausnahme: Golf GTI) besass er immer nur alte Fahrzeuge: Renaults, MercedesLimousinen, selten Sportwagen. Was ihn daran so fasziniert? «Du erlebst das Fahren viel intensiver, direkter, und das begeistert mich heute immer noch. Ich fahre wahnsinnig gern schnell Auto. Wobei das ja relativ ist. Ich hab einen 1929er-Riley, einen wirklich sehr alten Roadster, und da ist das Geradeausfahren schon spannend.» Wie muss es erst rauschen, wenn er damit das Bergrennen in Arosa bestreitet, was ihm bereits zweimal erfolgreich gelang?
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CHRISTIAN KLAINGUTI: «BEI DEN RALLYES HABEN WIR KEINE SERVICEMANNSCHAFT. ALLES, WAS MAN FÜR 2000 KILOMETER IM RENNTEMPO BENÖTIGT, IST AN BORD: ZWEI ERSATZREIFEN, KEILRIEMEN, ERSATZTEILE – UND OBENDRAUF DER DUNKLE ANZUG FÜR DIE SIEGEREHRUNG IN MONTE CARLO.»
In der Garage der Passionen befinden sich noch ein 3-Liter-Healey (blau-beige), zwei Motorräder (eine Norton 1935 und eine vom Onkel geerbte Triumph 1947, mit denen er auch Rennen fuhr). Dann: Peugeot 404 Kombi Baujahr 68, ein dunkelroter Scheunenfund aus S-chanf. «Mein Vater hatte sicher vier davon gehabt. Auch den ersten Wagen meiner Mutter habe ich in ähnlicher Form wiedergefunden: Eine Vespa 40, ein seltenes Kleinauto mit vier Rädern.» Den Buckelvolvo Typ 544 Sport besitzt Klainguti schon geraume Zeit – er ist frisiert (im Sinne der damaligen Erkenntnisse), leistet also deutlich über 100 PS. «Keine moderne Technik! Ein Freund in Bern hat mir das Nötige gemacht: Differenzialsperre hinten, Scheibenbremse vom Amazon vorne, und einen grösseren Tank, denn die original dreissig Liter sind zu wenig. Den Volvo fahre ich häufig, im Winter weniger, wegen des aggressiven Streusalzes. In den letzten acht Jahren habe ich sicher 250’000 Kilometer problemlos abgespult. Er hat ja eine sehr einfache, robuste Technik, der funktioniert immer.»
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Eindrucksvolle Rallyefotos belegen, dass Christian einen gekonnten Kurvenstil pflegt (und wenn es bei Schnee bergab geht, ist Christian – nebenbei ein draufgängerischer Cresta-Rider – einfach nicht einzuholen). Den Buckelvolvo findet er toll – war auch gar nicht teuer. «Er ist laut, scheppernd, die Lenkung, die Schaltung sind alles andere als direkt – aber man kann wahnsinnig schnell um die Kurven kommen – auf der Rallye Monte Carlo im Schnee (für Oldtimer, Anm.) fahre ich den Lancia Fulvias und allen um die Ohren. Der Volvo-Spezialist hat mir gesagt, die Konfiguration sei ein glücklicher Zufall, dieses Konzept zwischen Radstand und Gewichtsverteilung ist genau wie bei einem Sportwagen – also ideal. Und wenn er auch etwas schwer aussieht – das Wagengewicht liegt unter einer Tonne.» Achtmal fuhr er bereits die Monte Carlo damit: «Ich bin immer angekommen, mit Ladina als Kopilotin habe ich einmal die Klasse gewonnen; es ist ja ein Gleichmässigkeitsrennen auf Waldwegen in Schnee und Eis. Ich hab nicht wie die anderen Tripmaster und das ganze Elektronik-Equipment – ich fahre nur nach Kilometerzähler und Stoppuhr. Denn im Grunde geht es darum, dass man wirklich schnell fahren muss, um die vorgegebene Zeitschnitte zu halten. Auf Schnee ist das eine ideale Voraussetzung für mich. Auch mein Sohn, der letztens dabei war, hat die volle Begeisterung geerbt.» Der Volvo bietet rudimentäres Autoerlebnis: keine Gurten und kein ABS und kein ESP, keine Schaltwippen und keine Airbags. Die Hosenträgergurte darf man im Strassenverkehr nicht anlegen. Dennoch hält das Auto gewisse Sicherheiten für ihn bereit: «Einmal musste ich ein Jahr lang mit dem Führerschein aussetzen, weil ich mit meinem 92er-Porsche zu schnell unterwegs gewesen war. Das wollte ich nicht mehr erleben. Deshalb liebe ich Autos, bei denen ich die Geschwindigkeit spüre, bei denen ich merke, wie schnell ich unterwegs bin.»
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Christian Klaingutis Philosophie reicht noch einiges weiter und verschränkt sich mit dem Beruf auf kohärente Weise: «Wie bei der Erhaltung von alten Häusern hat es auch bei den Autos mit Erhaltung von Kulturgut zu tun. Man versucht, das Authentische zu bewahren, nicht nur als Show, sondern um drin zu leben. Das interessiert mich bei den Autos genauso. Ich fühle mich gern zurück in den damaligen Stand der Technik. Schliesslich ist alles nur eine Sache der Gewohnheit. Alles Gewöhnung! Wenn mir Leute erzählen, was ihr neues Auto alles kann, dann sage ich: ‹Ja, aber dann kommst du nach Hause und musst genauso die Haustüre aufsperren und die Toilette benützen und so weiter, alles beim alten – nur das Auto muss wie ein Space Shuttle ausgestattet sein.› Das ist doch krank.»
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2009) TEXT DAVID STARETZ FOTOS PETER VANN WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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ALPENFLUG | Artikel für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
ARTHUR MEBIUS
ALPENFLUG Die Alpen von oben entdecken: ein lange gehegter Plan des holländischen Fotografen Arthur Mebius. In einer alten Piper Cub aus den 1940er-Jahren ist er letzten Februar rund um das Finsteraarhorn geflogen. Entstanden ist eine Reihe fantastischer Bilder von entrückter Ästhetik.
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Die Piper Cub ist ein leichtes, einmotoriges Flugzeug mit nur zwei Sitzen. Der Pilot sitzt hinten, die Flügel sind oben. Der Hochdecker gilt als gutmütig, fliegt langsam, erreicht mit seinen wenigen PS kaum 125 km/h. Die Fenster lassen sich hochklappen. Das Fluggerät scheint wie prädestiniert für das Unterfangen des Fotografen: «Ich wollte keine Scheiben zwischen meiner Linse und den Bergen. In diesem Propellerflugzeug erlebt man das Fliegen noch in seiner ganzen Ursprünglichkeit. Ständig ist man dem Auf und Ab der Thermik ausgesetzt. Und es ist kalt – verdammt kalt.» Der junge Pilot ist bemüht, die Koordinaten mit den schönsten Ausblicken anzufliegen, stellt die Maschine in den richtigen Winkel und hält sie möglichst ruhig – keine einfache Sache. Auf dem höchsten Punkt – dort, wo die Leistung der Piper nicht mehr ausreicht, um höher zu steigen – sind einige der Bilder entstanden. Die Alpen von oben einzufangen, war ein alter Traum des holländischen Fotografen. Die isolierte Landschaft appelliert an die eigene Vorstellungskraft. Immer besteht diese unüberwindbare natürliche Distanz zwischen dem Objekt und dem Betrachter. Mit «Alpenflug» konnte Arthur Mebius das erste fotografische Projekt dieser Art verwirklichen – ein ganz spezielles Ereignis, das ihm erlaubte, ein Stück Bergwelt von oben zu erobern.
Die Bilder sind im Gebiet rund um das Finsteraarhorn entstanden – mit seinen 4274 m ü. M. der höchste Gipfel der Berner Alpen, zudem höchster Berg des Alpenbogens östlich von Lötschberg und Simplon. Die markante, haifischflossenartige Zacke dominiert die Panoramen der gesamten Zentral- und Ostschweiz. Für Arthur Mebius eine der schönsten Bergspitzen überhaupt. Zuerst galt es, ein geeignetes Rollfeld und einen trainierten Piloten zu finden. Der erste Versuch wollte nicht richtig klappen: Am Anfang gab es Probleme mit dem Flugzeug, dann zog schlechtes Wetter auf. Erst zwei Monate später bei stabiler Wetterlage konnte das Projekt neu gestartet werden. Der erste Flug führte in das Gebiet rund ums Finsteraarhorn. Nach zwei Stunden mit aufgeklapptem Fenster auf rund 4000 Meter Höhe war man total durchfroren – trotz dicker Fellmütze und mehreren Schichten warmer Kleidung. In den nächsten drei Tagen fotografierte Arthur Mebius zuerst etwas östlich, dann westlich des Finsteraarhorns, sodass am Ende genügend Material für eine gute Serie zusammen war. Der erfolgreiche Werbefotograf arbeitet normalerweise sehr konzeptionell, komponiert seine Fotos bis ins kleinste Detail. Dieses Mal wusste er nicht richtig, welches Resultat er erwarten konnte. «Vor mir lag ein unbeschriebenes, weisses Blatt, und
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ich konnte kaum erwarten, was darauf alles entstehen würde. Bereits früher hatte ich Bilder von Berglandschaften geschossen und die Schwierigkeit erlebt, wirklich aussagekräftige Bilder zu erhalten. Interessante Bilder, die mehr sind als bloss schön oder dramatisch.»
werden. Für mich ist es immer eine ungeheure Entdeckungsreise. Ich sammle auch ältere Fotobücher über die Berge – vor allem farbige. Diese Bergbilder laden ein, die scheinbar unberührte Landschaft zu entdecken. Eigentlich ist es diese Aufforderung zur Entdeckung, die mich am meisten interessiert.»
Arthur Mebius ist zwar Holländer, aber er liebt die Berge – besonders die Schweizer Alpen. Mehrmals im Jahr weilt er hier: um Freunde zu besuchen, die Landschaft zu geniessen, zum Wandern im Wallis und rund um den Vierwaldstättersee und für die alljährliche Pässefahrt mit dem Lotus.
Und was ist eigentlich das perfekte Bild für Arthur Mebius? «Ein gutes Bild ist für mich wie eine Geschichte ohne Ende. Wenn die Geschichte, die erzählt wird, einen einlädt, die fehlenden Puzzlestücke selbst im Geist zu ergänzen. Dann erst ist es ein Bild von bedeutender Ästhetik.»
«Vielleicht haben wir Bewohner der Niederungen ein natürliches Verlangen hin zu den unerreichbaren Höhen. Was ich besonders mag, sind diese enormen Kompositionen von Höhe und Tiefe, die durch das Licht des Augenblicks noch akzentuiert
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2009/10) TEXT DARIO CANTONI FOTOS ARTHUR MEBIUS WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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DER PERFEKTE SCHNITT | Artikel für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
Der perfekte
SCHNITT
VOM IDYLLENBILDCHEN ZUM POLITISCHEN MANIFEST
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Der Scherenschnitt gilt mit seinen filigranen Motiven aus einer idyllischbeschaulichen Bergwelt als typisches Schweizer Kunsthandwerk. Doch die Schnitttechnik stammt aus dem kaiserlichen China, kam über den Seidenweg nach Europa und hat sich ständig weiterentwickelt. Das Zürcher Museum Bellerive zeigt Vielfältiges und Kontroverses in einer grandiosen Schau. Wann genau der Scherenschnitt erfunden wurde, ist nicht bekannt. Nur so viel weiss man: Die Technik stammt aus dem alten China, und irgendwann gelangte sie wohl über die Seidenstrasse nach Europa. Psaligrafie nennen Fachleute die Kunst, gefaltetes (und meist schwarzes) Papier in wunderbar filigrane Bildwelten zu verwandeln, die uns meist von unberührter und archaischer Berglandschaft, vom Einklang des Bauernstandes mit der Natur und von einer idyllischen Zeit berichten, als die Welt noch in Ordnung war (respektive man sich von ihr gewünscht hätte, dass sie es gewesen wäre). Doch der Scherenschnitt war schon immer mehr als blosses Kunsthandwerk im Dienste eines rückwärtsgewandten Weltbildes und eroberte von Anfang an unterschiedliche soziale Schichten. So schnitten beispielsweise Klosterfrauen feinste Spitzen aus weissem Papier und verwendeten diese zur Umrahmung von
Heiligenbildern. In bürgerlichen Haushalten war es schicklich, dass sich die Damen abends zusammensetzten, um gemeinsam das Papierschneiden zu pflegen. Im 18. Jahrhundert kamen dann die Silhouettenporträts in Mode, schwarze Schattenbilder, in denen man den Freundeskreis auf Papier bannte. Und immer wieder erlagen auch bekannte Künstler der Faszination der Psaligrafie, darunter auch Grössen wie ein Henri Matisse, der regelmässig zu Papier und Schere griff. So erstaunt es denn auch nicht, dass heute in der Scherenschnittkunst eine ungeheure Vielfalt herrscht. Die Palette reicht von der Tradition über die Anlehnung an den Jugendstil bis hin zur Abstraktion, der Karikatur und zum politischen Bild. Oft wird zudem die Symmetrie verlassen, filigrane Elemente verschwinden, geometrische (konkrete) Formen kommen hinzu. Und selbst mit Farben und der Dreidimensionalität wird experimentiert. Eine Ausstellung im Zürcher Museum Bellerive (ein Haus des Museums für Gestaltung Zürich) bietet nun bis Anfang April einen umfassenden Einblick in die Geschichte des Scherenschnitts und zeigt anhand von aktuellen Beispielen, dass es keinen begründeten Unterschied gibt zwischen Kunsthandwerk und Kunst (eine Unterscheidung liesse sich allenfalls in der unterschiedlichen inhaltlichen Herangehensweise der eher traditionell oder experimentell ausgerichteten KünstlerInnen aufrechterhalten). Die Schau zeigt aber auch eindrücklich, wie sich die Psaligrafie löst vom traditionalistischen Idyllenbild und wie scheinbar Harmloses auf den zweiten Blick zu politischem Zündstoff werden kann. Umrahmt wird die Ausstellung von Podiumsdiskussionen, Workshops, Fachführungen, einem Scherenschnitt-Atelier und weiteren Veranstaltungen.
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ARTIKEL FÃœR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2009/10) TEXT PHILIPP BITZER SCHERENSCHNITT MUSEUM BELLERIVE / SCHWEIZERISCHER VEREIN FREUNDE DES SCHERENSCHNITTS WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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RADICAL CUSTOM | Artikel für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
RADICAL CUSTOM HINTER DEN SIEBEN BERGEN Die radikalsten Harleys kommen nicht aus Kalifornien, sondern aus dem Alpenraum. Eine angefressene Bikerfamilie aus dem bündnerischen Landquart hat sich ganz dem Umbau der uramerikanischen Legende verschrieben. Auf Basis serienmässiger Harleys entstehen technisch perfekte Vollblut-Customs mit einem grimmigen Steinbock als Markenzeichen.
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Motorräder. Das grosse Gefühl der Freiheit. Outlaw. Rebell mit Stiefeln und Lederjacke, der die Passstrasse hochjagt. Steve McQueen und Marlon Brando. Born to be wild. Die Easy Rider Peter Fonda und Dennis Hopper. Das tiefe Bullern der Motoren. Serge Gainsbourg: Harley David Son of a Bitch. Und dann Brigitte Bardot, die ab den Vibrationen der Maschine in Wallung gerät. Bilder, die Generationen geprägt haben. Sprechen wir also über Motorräder. Ich meine richtige Motorräder. Nicht irgendwelche Zweiräder, die bloss so tun, als wären sie Motorräder. Jeder echte Biker weiss, was ich meine. Und eigentlich geht es hier nicht bloss um Motorräder, sondern um eine ganze Lebenshaltung. Nur. Da sich seit einiger Zeit die ganzen Frühpensionäre aus der Flower-Power-Generation nach Büroschluss auf eine Harley Davidson schwingen (Born to be wild 2 – saumässig unterwegs mit John Travolta), kann es diese nicht mehr sein. Also Umbau. Auf neudeutsch «Custom»! Doch Custom ist nicht gleich Custom. Da muss es schon etwas Besonderes sein. Radical Custom. Und so landen wir wieder beim Doppel-B. So herausragend und sexy die Bardot (BB) in den 50ern war, sind es heute die Vollblut-Motorräder von Bündnerbike aus dem herrschaftlichen Niemandsland bei Landquart – eine geniale Kombination aus handwerklichem Können, Eigensinn, Show-off und Strassentauglichkeit. Bündnerbike. Das ist zuerst eine total angefressene Bikerfamilie. Das sind Jürg Ludwig senior, der Visionär und Stratege, Jürg Ludwig junior, der Schrauber und Tüftler, sowie Mutter Heidi und Tochter Natalie, die auf charmante Art für ein Quantum an Bodenhaftung sorgen. Da sind aber auch noch fünf bis sechs weitere leidenschaftlich gute Spengler, Mechaniker und Lackierer (schwer zu finden) und der familieneigene Karosseriebetrieb, der die nötige Infrastruktur zur Verfügung stellt. Nach monatelanger Arbeit, nach minutiöser Planung, Entwicklung, dem Design, nach nächtelangem Schrauben, Blechbiegen und Lackieren rollt ein perfektes Highend-Bike aus der Werkstatt. Die Ludwigs haben es geschafft: ihre radikalen Customs gehören mittlerweile zum Besten, was es gibt – weltweit. Trotz allem bleibt Jürg Ludwig auf dem Boden. «Vieles, was sich Custom nennt, wird die Strasse nie sehen und ist eigentlich völlig unbrauchbar. Nicht so die Bündnerbikes: Ich will doch mit meinem Töff rumfahren. Und zwar nicht nur geradeaus auf dem Highway. Nein, hier, den Berg hoch, im Gelände mit all den Kurven. Bei uns ist jeder Töff komplett vorgeführt und 100% verkehrstauglich.» Die Bündner Customs basieren in der Regel auf einer serienmässigen Harley Davidson Softtail. Rahmen und Triebwerk sind original Harley. Doch da hört es bereits auf. Die Gabel ist eine Eigenkonstruktion und vom strengen Schweizer Dynamic Test Center in Biel zertifiziert (eigentlich eine Aus-
zeichnung). Genauso die Sechs-Kolben-Bremsanlage sowie die Bündnerbike-Lenker. Viele weitere Teile wurden von Grund auf selbst entwickelt. Es ist absolut erstaunlich, wie auf Basis einer eher schwerfälligen Softtail derart niedrige und lang gestreckte Chopper entstehen können. Typisch für Bündnerbike sind die geschwungenen Übergänge, fliessenden Kanten und die millimetergenaue Passform der eigens gebogenen Bleche. Und natürlich der absolut fette 300er- oder 330er-Hinterreifen (man soll gleich sehen, dass dies nicht ein hundskommuner Töff ist). Sonst gleicht kein Bike dem andern. Beim einen findet man ein Schweizer Offiziersbajonett als Teil des Schaltgestänges wieder, beim anderen ein winziges, im Lenker integriertes LED-Display, das dem Fahrer die wichtigsten Informationen anzeigt. Jedes Bike wird massgerecht für den jeweiligen Kunden hergestellt, samt perfekter Passform des Sitzes. Der erste Umbau von Jürg Ludwig geht auf das Jahr 2000 zurück. Mithilfe des Sohnes (damals noch in der Lehre) in der Freizeit zusammengeschraubt, wurde er an der Swiss Performance «Best of Show» – das hiess ein Ticket zur Daytona Bikeshow, wo der Newcomer auf Anhieb den vierten Rang erreichte. Das zweite Bike, die goldenfarbene Hot Flames, war dermassen aufsehenerregend, dass sie gestohlen wurde. Richtig los ging es, als der Junior 2005, nach abgeschlossener Lehre als Automechaniker und einer Zusatzausbildung als Spengler, voll in die Bikeproduktion einstieg. Sechs Personen bauen inzwischen 20 Customs pro Jahr, Preis ab 40’000 Franken. Für Schweizer Verhältnisse schon eine Grossauflage. Die neuste Entwicklung sind die Radikal Bikes, absolut phänomenale Motorräder, die ausgereifte Technik und Cutting Edge Design auf den Punkt bringen. Diese exklusiven Einzelanfertigungen kosten ab 100’000 Franken. Bei diesen Zahlen wird klar: Bündnerbike baut keine Töffs für die Masse, sondern richtige Motorräder für wahre Asphalthelden. Da gibt es für Jürg Ludwig keine Kompromisse. «Wir haben unseren eigenen Stil und verkaufen nicht um jeden Preis. Auch die persönliche Ebene muss stimmen. Produziert wird erst nach Bestellung und exklusiv für die Schweiz. Für mich ist Geiz nicht geil. Qualität ist geil!» Der Erfolg gibt ihm recht: Die Auftragsbücher sind voll.
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2010) TEXT DARIO CANTONI FOTOS GAUDENZ DANUSER WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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BLATTSCHUSS | Artikel für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
BlattSCHUSS Eine etwas tierische Fashionstory, die mitten ins Herz trifft
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BLATTSCHUSS | Artikel für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
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FASHIONSTORY FÃœR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2010) KONZEPT / PRODUKTION DARIO CANTONI / FRANZISKA FRUTIGER FOTOS FRANZISKA FRUTIGER WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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BODE MILLER – ZERO COMPROMISE | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
ZERO
Compromise BODE MILLER
Mit seiner unbändigen Leidenschaft und seiner ungezügelten Lust, neue Linien und Wege zu finden, elektrisiert Bode Miller seit Jahren die Massen. BIANCO traf den amerikanischen Skirennfahrer anlässlich des Weltcupfinales 2011 in Lenzerheide zu einem Gespräch über Gott und die Alpen. BIANCO Wir legen unseren Fokus klar auf die Alpen. Wenn Sie in
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wenigen Sätzen diese Region beschreiben müssten, wie sähe das aus?
Bode Miller: Im Gegensatz zu den Bergen, wo ich herkomme, verkörpern die Alpen für mich Geborgenheit – und Geschichte. Man spürt hier, dass alles einen Ursprung hat und eine über Jahrhunderte gewachsene Tradition. Ich meine längst nicht nur die Dörfer, die durch ihre Architektur, ihre erstaunliche Erreichbarkeit oder ihre zuweilen schräge Folklore bestechen. Ich meine mehr, und zwar unabhängig vom jeweiligen Land, dass diese engen Täler, diese steilen Berge, eine absolute Konzentration auf das Wesentliche darstellen. Alles ist so kondensiert hier. Und trotzdem wird das Nachbardorf, das Nachbartal, alles, was weiter weg ist als ein paar Kilometer, als Bedrohung empfunden. Und genau das gibt, zumindest mir, eine gewisse Sicherheit. Denn die Widersprüchlichkeit lässt Platz für neue Widersprüche. Nicht wie bei uns in Amerika, wo man von den Städten, die sich in den Tiefebenen befinden, viele Stunden hinauf in eine völlig andere Zivilisation fährt und diese sich dann gedanklich so zurechtlegt, wie sie einem grad passt. Die Alpen versperren sich einem so banalen Zugang. Sie wuchsen fernab vom urbanen Kontext auf. Wie entscheidend war das für Ihre persönliche Entwicklung?
Ich lebte nicht auf oder unter, sondern mit dem Berg. Wir hatten kein Auto. Kein fliessendes Wasser. Keinen Strom. Wir trotzten
dem Berg einen gewissen Komfort ab. Und die Natur trotzte uns ein beträchtliches Verständnis, oder besser gesagt, Respekt ab. Im Unterschied zu den meisten Menschen, die einen Zugang zur Natur suchen, gingen wir nicht zu ihr, um darin irgendetwas Überhöhtes zu finden, sondern wir lebten mittendrin. Und wir taten das, was zu tun war. Das heisst, wir arrangierten uns mit dem, was uns umgab. Und wir gaben uns Mühe, das richtig zu tun, weil wir wussten, dass wir nicht so wichtig waren und nur gut leben konnten, wenn wir das nicht nur empfanden, sondern auch danach lebten. Lassen Sie uns zurückblicken auf die Anfänge Ihrer sportlichen Karriere: Sie waren jung, sie kamen aus einer, wie man sagt, Hippiefamilie, die irgendwo «in the middle of nowhere» lebte. War das, im Rückblick betrachtet, eher ein Vorteil oder ein Nachteil?
Es war eindeutig von Vorteil. Wir lebten outdoor, weil wir ständig draussen waren – und nicht aus einer Mode heraus. Wir lebten die Bewegung, weil ohne sie kein Fortkommen war. Und wir trieben Sport, ohne dass wir das als Sport oder gar Lifestyle empfunden hätten. Wir lebten einfach unser Leben. Es war da. Vor unserer Tür. Und ich mag es, ehrlich gesagt, nicht mehr hören, dass ich anders sei als andere. Ich hörte das mein ganzes Leben lang. Ohne, dass es jemals gestimmt hätte. Denn ich vergleiche nie. Was soll das? Das bringt doch nichts. Ich war einfach, wie ich war und wie ich bin. Und das tun die anderen ja nicht anders, oder?
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BODE MILLER – ZERO COMPROMISE | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
Als Teenager waren Sie auch ein aussergewöhnlich begabter Tennis-
Legendär, wie Sie aus dem engen Korsett der offiziellen US-Skiver-
spieler. Und dennoch entschieden Sie sich für den Skirennsport.
bandes ausbrachen und mit ihrem eigenen Team im Wohnmobil
Und waren darin äusserst erfolgreich. Haben Sie damit eine Karriere
unterwegs waren. Sind Sie so etwas wie ein moderner Nomade?
als Tennisspieler vergeben? Oder anders gefragt: Was denken Sie
Nein, überhaupt nicht. Ich mag das Herumziehen überhaupt nicht. Es ist paradox: Ich mag die Kälte nicht. Ich mag nicht früh am Morgen aufstehen. Und ich mag es nicht, mich in ein System einzupassen. Und trotzdem tat ich die letzten 25 Jahre meines Lebens nichts anderes als genau das. Letztendlich deshalb, weil es ums Skifahren ging. Weil das Skifahren mir erlaubt, mich auszudrücken.
wieviel Anteil am Erfolg hat das Talent?
Das hängt ganz davon ab, wie man das Talent auslebt. Schauen Sie sich Roger Federer an. Er lebt Tennis. Für ihn ist es keine Kunst, sondern die Möglichkeit, sich optimal auszudrücken. Und deshalb tut er es auch. In Vollendung. Ausserdem ist Federer im Gleichgewicht mit sich selbst und ganz offensichtlich auch mit seiner Familie. Der Sport ist also nicht etwas Losgelöstes von der Persönlichkeit, sondern Teil derselben «Box» Mensch. Man kann das nicht einfach separieren. Oder mein Beispiel. Ob ich mehr Talent habe als andere, das kann man so nicht sagen. Aber ich mache keine Kompromisse. Weder im Sport noch im Privatleben. Natürlich braucht es auch Glück, in beidem, um das Richtige oder den Richtigen zu treffen. Ich habe allerdings auch die Erfahrung gemacht, dass man nicht so viel entscheiden kann, wie man das gerne hätte. Ich stand zum Beispiel als Bub jeden Morgen früh auf und tat das, was ich tun wollte. Als ich dann mit acht oder neun Jahren für mich völlig unerwartet zur Schule musste, war das wie ein Schlag mit dem Dampfhammer. Erstmals in meinem Leben mochte ich etwas nicht. Ich fühlte mich richtig schlecht. Vor allem, weil ich zum ersten Mal überhaupt etwas nicht gut konnte. Beim Skifahren war das anders. Der Erfolg kam dann praktisch von alleine. Nach sehr guten Resultaten in Nordamerika kamen Sie als blutjunger Skirennläufer in den FIS Weltcup. Sie waren gezwungen, viel zu reisen – auch ins Ausland. Wie war das für Sie, so alleine auf Tour?
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Trotz des maximalen Kulturschocks war das eine Riesensache! Ich legte riesige Distanzen zurück – auch mental. Ich musste offen sein für Neues. Und lernte deshalb wirklich viel dazu. Auch, dass es keine so grosse Rolle spielt, wo man auf dem Berg ist. Denn hier tat ich, was ich gerne tue. Hier fühlte ich mich entspannt. Und war frei. Unabhängig davon, wo wir uns gerade auf der Tour befanden. Aber ich gebe zu, es ist eine Herausforderung, wenn du ständig woanders bist als dort, wo dein Zuhause ist. Im Gegensatz zu den meisten meiner Kollegen war das Herumtouren für mich kein Stress. Im Gegenteil. Ich nahm auf Reisen mit, was ich für mich brauchte. Mein Gefährt, mein Essen, meine Freunde und was sonst noch zu einem guten Grundgefühl gehört.
Kommen wir noch einmal auf Ihre Karriere zurück. Dabei stechen vor allem drei Eigenschaften heraus: Sie nehmen immer volles Risiko. Sie gehen immer ihren eigenen Weg. Ihre Comebacks kommen immer dann, wenn man denkt, das sei es jetzt gewesen mit dem Bode Miller. Wo, denken Sie, liegt der Schlüssel zu dieser roten Linie oder besser gesagt zu diesen drei roten Linien?
Um diese Frage zu beantworten, muss ich etwas ausholen. Zunächst einmal sehe ich Risikobereitschaft nicht als unabdingbaren Faktor für den Erfolg. Denn schauen Sie, einmal geht man volles Risiko ein und verliert alles. Ein anderes Mal halten Sie sich bewusst zurück und gewinnen völlig unerwartet. Und beim dritten Mal dümpeln Sie irgendwo im Mittelmass, obwohl Sie mehr Risiken eingegangen sind und das Gefühl hatten, viel schneller unterwegs gewesen zu sein als jene, die auf dem Podest stehen. Aber dann ist da noch etwas anderes. Man hat mir immer nachgesagt, ich ginge mehr Risiken als andere ein. Das stimmt nicht. Mein Fahrstil schaut zwar nach Risiko aus, ist es aber nicht. Es ist einfach die Art, wie ich skifahren will. Ich möchte darin aufgehen. Mit jeder Faser meines Körpers. Wie ein Maler, der ja auch nicht mit einer einzigen Farbe malt und sich hingibt. Ich gebe Ihnen am besten ein Beispiel: Ich mag Physik, Technik, denke gerne logisch und bin überzeugt, dass sich sinnvolle Dinge und Gedanken durchsetzen. Das alles hat dazu geführt, dass ich zu den Carvern der allerersten Stunde gehöre. Oder besser gesagt bin ich eigentlich der erste Carver überhaupt. Denn ich entdeckte beim Snowboarden, dass es da noch etwas anderes geben müsse als diese langen, geraden Skier. Wenn man sich nämlich auf ein Snowboard stellte, konnte man ungebremst Kurven fahren, während man bei den Skiern in der Kurve stets querstellen und abbremsen musste, um sie zu kriegen. Das hatte mit nichts anderem als der taillierten Formlegung der Kanten zu tun. Ich betrieb eigene Studien und
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stritt mich ganze zwei Jahre mit meinem damaligen Ausrüster, einem kleinen amerikanischen Skiproduzenten, der zwar ebenfalls Forschung in dieser Richtung betrieb, aber nicht richtig vorankam. Als wir den Durchbruch erzielten, waren wir auf einen Schlag zwei Sekunden schneller als die gesamte Konkurrenz. Leider galt das nur für wenige Rennen, denn wir kamen mit der Neuerung erst spät in der Saison. Und über die Sommerpause zogen dann die grossen Skihersteller nach und machten es besser. So war aus unserem Vorteil über Nacht ein Nachteil geworden (lacht aus vollem Hals). Nein, im Ernst: Das Carven ist eine völlig neue Ausdrucksform des Skilaufens. Es kam meiner Philosophie entgegen. Und nicht nur meiner. Deshalb hat es sich auch im Breitensport durchgesetzt. Und das ist gut so. Sie sagten einmal, es wäre viel einfacher, wenn man das Doping im Sport zulassen würde. Nicht alle waren – verständlicherweise – happy über Ihre Aussage. Was wollten Sie denn damit erreichen?
Naja, ein grosser Teil der einst verbotenen Substanzen wurde ja inzwischen legalisiert. Ich denke da an Vitamine, Tabletten gegen Krankheiten et cetera. Meine Aussage war mehr ein Statement gegen die Doppelmoral. Denn was ist schon Fairness im Sport. Die österreichischen Skirennläufer beispielsweise haben viel die besseren Rahmenbedingungen, um ihren Sport auszuüben, als Rennfahrer aus anderen Weltgegenden. Das fängt bei der Ausrüstung an, geht über die Ernährung und endet weiss wo auch immer. Sport ist hochgradig unfair. Mit meinem Statement wollte ich den Finger auf einen wunden Punkt in der Dopingdiskussion legen. Denn es wird meiner Meinung nach viel zu wenig unterschieden zwischen gefährlichen und ungefährlichen Substanzen. Nehmen wir beispielsweise Kreatin. Das ist legal, obwohl niemand weiss, ob es für denjenigen, der es einnimmt, gefährlich ist oder nicht. An solchen Beispielen zeigt sich, dass wir ein schlechtes System haben.
Wie auch immer, Ihr Bekleidungsausrüster Kjus hat den Vertrag mit Ihnen in einem für Skirennfahrer doch recht fortgeschrittenen Alter verlängert. Wie erklären Sie sich das?
Offenbar ist für Kjus nicht das Alter, sondern die richtige Philosophie massgebend, der Stil, die Inspiration. Und das beruht auf Gegenseitigkeit. Ich lebe meinen Sport mit jeder Faser meines Ichs. Und da bin ich nicht der Einzige. Eine Lara Gut verkörpert das ähnlich wie ich und ist wohl deswegen auch bei Kjus untergekommen. Wo treffen wir Bode Miller morgen, in einem Jahr und in zehn Jahren?
(denkt kurz nach) Morgen werde ich in Kalifornien sein. Auf dem Flughafen zunächst, später dann auf meinem Boot. In einem Jahr, das ist schon schwieriger. Wenn ich gesund bin und mein Körper fit, dann könnte es gut sein, dass Sie mich nochmals an einem solchen Anlass wie heute antreffen werden. Was in zehn Jahren ist, nun, da habe ich keine Ahnung. Und möchte es auch (noch) nicht wissen. Welche Persönlichkeit, die aus den Bergen kommt, hat Sie am meisten beeindruckt?
Das ist Hermann Maier. Er war für mich der einzige Europäer, der sein innerstes Ich auf Skiern ausdrücken konnte. Seine Aggressivität, seine Wut – selbst im Siegestaumel – waren einzigartig. Er war der erste im Skizirkus, der so war. So finster. Natürlich war auch ein Alberto Tomba einzigartig. Oder in einem anderen Sinne eine Lara Gut. Sie hat so viel Intensität. Und ist immer happy, strotzt nur so vor Lebensfreude. Aber Hermann war wirklich krass. Und in seiner Art absolut eindrücklich. Bode Miller, vielen Dank für das Gespräch.
Sie sind 33-jährig und stehen am Ende einer äusserst erfolgreichen Sportlerkarriere ...
(unterbricht) Bin ich das? ... darf ich das als Indiz dafür verstehen, dass Sie noch eine weitere Saison anhängen wollen?
(zuckt vielsagend mit den Schultern und schmunzelt)
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KOCHEN WIE FRANK ZAPPA | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
Kochen
WIE FRANK ZAPPA
Seit einem Jahr kocht Mauro Buffo im Restaurant 1500 auf dem Vigiljoch. Nach Stationen in Barcelona und New York zapft er die Quellen seiner unterschiedlichen Lebensstationen an und giesst sie in eine kulinarisch intelligente Form, die nicht nur durch den Bauch, sondern auch durch den Kopf geht.
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«Was bringt einen erfolgreichen New Yorker Küchenchef dazu, in die totale Abgeschiedenheit des vigilius mountain resort zu wechseln?» Mauro Buffo schmunzelt. «Ich liebe Kontraste! New York liegt auf Meereshöhe, hier kochen wir auf 1500 m ü. M., in New York leben 12 Millionen Menschen, Lana im Tal unten hat gerade mal 12’000 Einwohner, in New York fuhr ich mit der Subway zur Arbeit, hier nehme ich die Gondelbahn.» Dass der gebürtige Veroneser auf Kontraste steht, werden wir noch später erfahren, wenn er seine kulinarischen Kompositionen auftischt. «Eigentlich verdanke ich es einer Verkettung von Zufällen, dass ich hier gelandet bin.» Mauro Buffo hat in jungen Jahren eine ganze Reihe aussergewöhnlicher Stationen durchlaufen, arbeitete in bekannten Dreisternerestaurants wie etwa dem Le Calandre von Massimo Alajmo oder in Barcelona bei Ferran Adria im El Bulli. Nach vielfältigen Erfahrungen in Europa wagte er den Sprung über den grossen Teich, liess sich von den kulinarischen Tendenzen in New York inspirieren und entwickelte als Chef zuletzt im Falai-Restaurant in Manhattans Lower East Side – seinen eigenen Stil. «Während ich in Europa zuerst das Handwerk erlernte und mir ein solides Fundament als Koch erarbeitete, öffnete mir New York den Geist für Neues. Die Metropole ist voller Emotionen und Leidenschaft, Kulturen treffen aufeinander und befruchten sich, alles ist offen, die Leute sind wissbegierig, und das Leben dort liefert einen unerschöpflichen Pool
an Ideen und Inspirationen. Du lernst aber auch, dich durchzusetzen. Du musst es selber packen. Ich habe mich in der Zeit in New York wohl weniger als Koch, denn als Persönlichkeit entwickelt, lernte interessante Leute kennen, wurde vielseitiger und dadurch reif für meine eigene Handschrift als Küchenchef.» Die Denk- und Arbeitsweise von Mauro Buffo, seine Art zu kochen, zeugt von einer differenzierten Perspektive. Er folgt einem ganzheitlichen gastronomischen Konzept, bekennt sich zur zeitgemässen Küche. Es entstehen Gerichte, die voller Heiterkeit, Herzlichkeit, Farbenpracht, Witz und tiefgründiger Komplexität stecken, ohne jemals die Bodenhaftung zu verlieren. Den kulinarischen Reichtum der Region erweitert Buffo mit fremden Zubereitungsarten und Zitaten seiner Lehrmeister sowie der kulinarischen Fantasie eines international erfahrenen Küchenchefs. Vielleicht hat in dem Jahr auf Vigiljoch eine avantgardistische Weiterentwicklung der klassischen Südtiroler Küche stattgefunden. «Ich will niemanden beeindrucken oder Preise gewinnen», sagt Buffo. «Ich sehe mich als Suchenden, experimentiere gerne mit Geschmacksnoten, möchte mit meiner Küche Gefühle vermitteln oder auch provozieren. Ausgangspunkt ist der wahre Geschmack, die Qualität der Produkte und die klassische Küche. Minimalismus gefällt mir. Das passt auch zum Vigilius. Less is more. Einfachheit kann aber auch komplex sein.»
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Das erinnert irgendwie an Frank Zappa. Kochen wie Frank Zappa: tiefsinnig, eigenständig, meisterhaft. Das gefällt mir. Auch die lockere Art, der verspielte Umgang in allem, der Schalk in seinen Augen. Das gesamte Küchenteam mit Carlo, Vincenzo und seiner israelischen Frau Gal ist ihm von New York gefolgt. Auch das will etwas heissen. Er fühlt sich wohl hier. Ulrich Ladurner, Besitzer, Unternehmer und Pionier in der Produktion von glutenfreien Nahrungsmitteln, ist ein Guter. Seine Ansichten sind fundiert, er weiss, wo er hin will und lässt den nötigen Spielraum. «Die Saisonalität und das Terroir sind wichtig», sagt er. «Wenn alles immer verfügbar ist, wird es langweilig, auch wenn immer nur das Erwartete eintrifft.» Das zeugt von Geist. Mit der Kochkunst von Mauro Buffo ist es ihm gelungen, den Esprit des vigilius mountain resort, die Authentizität des besonderen Ortes in inspirierender und abwechslungsreicher Weise zu bereichern. Es wird zu Tisch gebeten. Kulinarische Reise «Vom Vigiljoch in die Lagunenstadt», begleitet von ausgesuchten Weinen aus der Region. Das Menü beginnt auf 2300 Metern mit einer Latschenkiefergranita, schwimmt dann als marinierte Bachforelle mit Granny Smith, Rotkohl und Espuma von der Gurke den Bergbach runter und kommt als Kartoffelgnocchi mit Bärlauch, Wildragout und Ferrarisauce im Talgrund an. Zehn Punkte für die Gnocchi. Buffos Heimatort Verona ehrt das zur Hochform auflaufende Küchenteam mit Kalbsfilet und Spargel, Morcheln (eigenhändig gesammelt) an Marsala und Ziegenkäsekrokette mit Kamille. Das Dessert ist eine Referenz an die alte Handelsstadt Venedig: Bonbon von Trockenfürchten und leicht gesalzener Toffee Coffee. Süsssalziger Kontrast. Mauros Küche spricht nicht nur den Gaumen, sondern auch den Geist an. Man könnte fast von einer kulinarisch intelligenten Form des Genusses sprechen. Ein weiterer Beweis lässt nicht lange auf sich warten. Am nächsten Abend kosten wir «Mauro’s Favorites». Mille Feuille mit Austern und Avocado. Für einmal nicht die süsse Pampe. Tiefgrüner Petersilienrisotto mit BourguignonneSchnecken, Lammcôtelette umhüllt von Lardo und SchwarzeOliven-Pâte, Selleriepüree und Honig-Lavendel-Sauce. Bravo! Dann Zwischengang und Offenbarung: Mauro Buffos Ingwer-Margarita – bevor die Komposition aus süssen Früchten und Gemüse mit Holderblüteneis und Rote-Beete-Baiser zur Diskussion führt, ob die Tomate nun eigentlich ein Gemüse oder eine Frucht ist. «Der Liebesapfel ist ein Nachtschattengewächs», lassen wir uns belehren, «und damit eng mit der Kartoffel und der Tollkirsche verwandt.» Die Früchte dieses Gemüses sind demnach Beeren. Oder wie Frank Zappa schon sagte: «Ohne Abweichung von der Norm ist Fortschritt nicht möglich.»
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ASPHALT HEROES | Artikel für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
SNOWBOARD THE STREETS
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ASPHALT
Heroes
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Ein hoher alternierender Ton, einem Jodel nicht unähnlich, verkündet, dass die Bahn frei ist. Drei, vier, fünf Freeborder rauschen vorbei, ziehen in scheinbar halsbrecherischen Manövern ihre Schleifen in den Asphalt, driften in die Kurve und verschwinden mit einem Three-sixty hinter der nächsten Felskuppe. Freeborden ist Snowboarden auf der Strasse. Auf einem speziellen Brett entdeckt eine kleine Gruppe den Alpenraum als riesigen Freeride-Park.
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Mit über sieben Stunden blattgefedertem Jeep Wrangler in den Knochen kommen wir in Theys an. Das liegt in der HautDauphiné bei Grenoble. Arnaud und Nils warten bereits. Arnaud, der Smarte, 25 Jahre, ist einer der ersten Importeure von Freebords in Europa und betreibt einen kleinen Shop. Rund um diesen hat sich eine eingeschworene Szene von Freebordern gebildet. Fünfzehn Mitglieder zählt der harte Kern von CHoE, den «Crazy Hills of Europe». Jede freie Minute sind sie zusammen unterwegs – immer auf der Suche nach dem perfekten Ride. Auch Nils, 23, der Bodenständige, teilt diese Leidenschaft. Er ist Schneekanonen-Mechaniker. Für ihn ein Traumjob. Oft ist er die ganze Woche in den Bergen, mitten in der Natur. Wir haben uns zum Abendessen verabredet. In der Auberge les Palatières tischt uns Gastgeberin Claire Eymin Biofleisch vom eigenen Hof auf, dazu Bohnen und einen typischen Teigauflauf. Im Internet haben wir einige Clips gesehen. Absolut crazy! Wir wollen mehr wissen vom Freeborden. «Eigentlich ist es wie Snowboarden auf der Strasse. Der Flow, die Moves, das Sliden, Driften und Stoppen sind gleich. Der Unterschied: die Unterlage ist Asphalt. Wir wollten das gleiche Gefühl wie
beim Snowboarden auch im Sommer erleben, oder wenn es zu wenig Schnee hat.» Der Alpenraum mit all seinen Pässen, Kurven und Steigungen ist für den Freeborder ein gigantischer Playground. Interessant wird es, sobald es Gefälle zeigt und asphaltiert ist. «Plötzlich bekommt man eine ganz andere Sichtweise auf die Alpen. Oft brüten wir stundenlang über Landkarten. Suchen neue Strecken, geeignete Ziele für die Ausflüge.» Die ersten Freebords wurden 1996 von Steen Strand in Palo Alto, Kalifornien entwickelt. Während seines Masters in Produktedesign an der Stanford University suchte der Student nach einem Weg, das Snowboard-Feeling auf die Strasse zu bringen, und entwickelte Prototypen von Skateboards mit denen man rutschen, driften und stoppen konnte wie auf Schnee. Dies gelang ihm mittels zweier zusätzlicher, flexibler Rollen (Center Wheels) in der Mitte des Brettes. Steen liess das Design patentieren und begann in einer Garage die ersten Freebords zu verkaufen. Schnell ent wickelten sie sich, wurden kürzer, wendiger, leichter und bekamen eine einfache Bindung, um die Füsse des Riders beim Carven und Sliden etwas zu fixieren. Heute findet die Sportart vor allem in San Francisco, wo sich auch der Hauptsitz der Firma befin-
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det, in Kalifornien allgemein und in Colorado ihre Anhänger. In Europa gibt es bisher erst kleine Splittergruppen. Neben Frankreich auch in Österreich. In der Schweiz beginnt es erst. Das Freeborden befindet sich noch in der Pionierphase. Es ist recht schwierig abzuschätzen, wie stark und in welche Richtung (Freeride, Free style, Speed oder eine Kombination davon) es sich entwickeln wird. «Asphalt ist alles! Je nach Beschaffenheit fühlt er sich an wie frischer Pulverschnee, Sulz, Harsch oder nasser Neuschnee. Wir lieben die Schweizer Strassen, dort ist der Asphalt viel feiner als in Frankreich, fühlt sich an wie reinster Powder. Oder San Francisco, Lombard Street und die steilen Häuserschluchten – das ist wie durch ein offenes Tannenwäldchen Carven, nur dass alle Bäume sich bewegen. Etwas vom Genialsten ist das Fahren bei Regen: das Freebord dreht viel leichter, und man kann meterweit sliden. Vielleicht tönt das jetzt komisch, aber die Radfahrer sind unsere besten Freunde! Natürlich, was den Asphalt betrifft. In ihren Führern beschreiben sie jede Strasse im Detail mit Beschaffenheit und Zustand des Belages, Gefälle, Verkehrsaufkommen – für uns die beste Vorbereitung und eine wahre Fundgrube.» Ich zücke die letzte Ausgabe des Alpenstrassenführers von Denzel. Darin sind über 700 Pässe in Wort und Bild beschrieben. Ein entzückter Aufschrei: «Mais c’est du Freebord Porn!» Am nächsten Morgen weckt uns das gewaltige Panorama. Direkt gegenüber der Auberge taucht die Morgensonne die senkrechten Felswände der Chartreuse in farbiges Morgenlicht. Unten im breiten Tal der Isère liegt dichter Restnebel, aus dem üppige Baumkronen ragen. Der perfekte Tag, um die umliegenden Pässe zu erkunden. Punkt halb acht prescht das Freebord-Mobil vor: ein dunkler, abgewrackter Peugeot 806. Voller Sticker. «Freebord – Snowboard the Streets», steht da etwa zu lesen. Heute ist auch Ben mit von der Partie. Ben, 29 und Elektriker. Vor drei Jahren aus Paris in die Gegend gezogen. «Bezüglich Lebensqualität ein tolles Upgrade.» Gemeinsam gehts hinauf auf verschiedene Anhöhen, und die Jungs zeigen uns Freebord unplugged. Wegen der beiden Center Wheels kann man das Skate kippen, der Rider hat so viel mehr Kontrolle über das Board als bei einem reinen Skate- oder Longboard. Die Geschwindigkeit lässt sich besser kontrollieren, man kann abbremsen und anhalten. Das reizt natürlich auch zu schnellerem Fahren. «Geht es eigentlich um Geschwindigkeit?» «Nein. Vielmehr ist es das Erlebnis in der Gruppe, das Gemeinschaftsgefühl, zusammen den Pass runterbrettern, die Tricks, der ganze Lifestyle. Wir gehen jedes Wochenende auf Tour, meistens drehen wir dann auch einen Clip und stellen ihn auf Vimeo. Für uns die einzige Möglichkeit, den Sport bekannt zu machen.»
«Und das Gesetz?» «Hier in Frankreich drücken die ‹Poulles›, wie die Gendarmen von der Szene neckisch genannt werden, meistens ein Auge zu. Das Freebord bewegt sich noch in einem rechtlosen Raum, ist noch nicht so richtig in den Gesetzbüchern angekommen. In der Schweiz ist es strenger, die Leute alarmieren sofort die Polizei. Wir waren kürzlich in Lausanne. Eine geniale Stadt voller anspruchsvoller Abfahrten und super ausgebautem öffentlichem Verkehr, der einen wieder ruck zuck nach oben bringt. Aber du musst schnell sein. Verdammt schnell. Auch mit den Ami-Cops ist nicht zu spassen. Sowieso hat die Polzei aus Reflex die Mode, ihre Autos querzustellen, um uns aufzuhalten. Für uns der blanke Horror. So schnell kommen auch wir nicht zum Stillstand und nach zwei drei solcher Manöver kann man die Wheels wegwerfen. Obwohl die Cracks Vollprofis sind und ihre Bretter aus dem effeff beherrschen, kommt es manchmal zu brenzligen Situationen. «Wenn ein Auto auf dich zukommt, gibts nur eins, dich hauchdünn machen und seitlich vorbei … oder gleich ab in die Büsche.» Tragisch war der Unfall eines australischen Profifahrers, er stürzte in einer Standardsituation so unglücklich, dass er auf der Stelle verstarb. «Das ist ganz schlecht für den Sport. Darum tragen wir immer Helme.» Am Nachmittag gehts tiefer hinein ins Massif de Belledonne und hinauf auf den Col des Mouilles. «Einer unserer Lieblingsspots in der Umgebung. Mehr wegen der Landschaft. Du fährst durch all die kleinen Dörfer, und die Landschaft wechselt ständig.» Als letzter stösst Rémy zur Gruppe, 26 Jahre, der Tüftler und Draufgänger. Sein Brett hat er selbst geshaped und gebaut – aus Carbon, viel leichter. Freeborden hat sicher etwas Unvernüftiges, darum gibt es wohl auch keine Mädchen, die den Sport ernsthaft betreiben. Auf dem Niveau der Jungs von CHoE ist ihm aber die Faszination nicht abzusprechen. Es ist ein berauschender Mix aus Asphalt und Adrenalin, Geschwindigkeit, Geschicklichkeit und Abhängen mit Freunden. Arnaud, Nils, Ben und Rémy bringt man jedenfalls nicht mehr davon los. Das Virus hat sie befallen, es ist ihr Lifestyle, ihre Art, sich auszudrücken und sich zu verwirklichen.
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JAGEN STATT YOGA | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
JAGEN
statt Yoga
Sie sind selbstbewusst, scharfzüngig und gut aussehend – die Jägerinnen aus den Nockbergen. Und sie sind nicht die einzigen! Statt älterer, grauer Männer gehen mittlerweile immer mehr junge Frauen auf die Pirsch. Die meisten davon sind zwischen 16 und 30 Jahre alt. In Deutschland und Österreich dürften sie bereits zehn Prozent ausmachen. Tendenz steigend.
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Die Jagd gibt es, seit es Menschen gibt. Sie diente in der Altsteinzeit der Nahrungsversorgung und lieferte neben Fleisch wertvolle tierische Nebenprodukte wie Knochen für Werkzeuge, Felle als Bekleidung, für Schuhe, Decken und Taschen sowie Sehnen zum Nähen und für Bogen. Bis ins Mittelalter wurde das Jagen immer mehr zum Privileg des Adels und der kirchlichen Würdenträger. Es entwickelte sich ein jagdliches Brauchtum mit einer Fachsprache, traditionell grüner Bekleidung und auch eine typische Malerei. Wie nur wenige andere Berufsgruppen sind die Jäger in zahlreichen deutschen Märchen und Geschichten mystifiziert worden. Sie treten als edle Gestalten auf, die oft die Wende zum Guten herbeiführen (zum Beispiel Rettung vor dem bösen Wolf beim «Rotkäppchen»). Auch in den Heimatfilmen der 50er-Jahre tritt der Jäger als edler Kavalier auf und so gewissermassen als Nachfolger der mittelalterlichen Rittergestalt. Seit Anbeginn war die Jagd eine Männerdomaine. Wie passen also die neuen Jägerinnen in dieses tradierte Weltbild? Einigermassen erstaunlich dabei ist, dass bereits die Griechen mit Artemis und später die Römer mit ihrer Göttin Diana Frauen als «Jagdpatroninnen» verehrten. Dazu gesellt sich der Mythos der wehrhaften Amazonen. Erste Abbildungen von Jägerinnen lassen sich bereits im Mittelalter nachweisen. Damals hatte sich die Feudalordnung soweit entwickelt, dass an der Gesellschaftsspitze die Jagd als Vergnügen angesehen wurde – mit der entsprechenden gesellschaftlichen Repräsentation durch Frauen. In der Neuzeit sind die ursprünglichen Beweggründe der Jagd zugunsten des Aspektes Hege und Pflege in den Hintergrund getreten. In Kärnten, wo Petra und Elia Schneeweiss ihrer Passion nachgehen, ist die Jägerei streng reglementiert und liegt in den Händen des lokalen Jagdvereins. Dieser legt die Abschussraten fest, kontrolliert diese und erteilt die entsprechenden Patente. Zudem hat jede Wildart ihre festen Schonzeiten.
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Wir treffen die beiden Jägerinnen im entlegenen St. Oswald, einem Abzweiger bei Bad Kleinkirchheim in den Nockbergen. Petra und Elia Schneeweiss stammen aus einer Familie mit grosser Jagdtradition. Alle waren in den elterlichen Stammbetrieb mit Landwirtschaft und auch in die Jagd als Bestandteil der Kultur und des ländlichen Alltages eingebunden und wuchsen ganz natürlich damit auf. «Wir sind fünf Schwestern, und alle sind entweder selbst Jägerinnen oder mit einem Jäger liiert», sagt Petra. Sie kommt aus der Hotellerie. Ihre zwanzig Jahre jüngere Tochter Elia studiert BWL und Medienmanagement. Beide sind sie Jägerinnen und seit einem knappen Jahr Herausgeberinnen eines Jagdmagazins für die Frau. «Die Idee zum Magazin haben wir schon länger mit uns herumgetragen. Vielleicht wünscht sich die Frau etwas weniger technische Information zu Ballistik und dafür mehr Lebensart und durchaus auch modische Aspekte. Dem wollten wir Rechnung tragen.» Vom schnellen Erfolg ihrer Zeitschrift waren sie dennoch überrascht. Die erste Ausgabe liess sich über Inserate finanzieren, noch bevor jemand die Zeitschrift gesehen hatte. Nach der dritten Ausgabe haben sie neben Österreich bereits Abonnentinnen aus Deutschland, dem Südtirol, Slowenien, der Slowakei und der Schweiz. Die Zeit war anscheinend reif. Die Anzahl Jägerinnen steigt, aber auch jene der Frauen, die einfach zum Thema mitreden wollen.
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«Vielleicht haben wir Frauen einen etwas anderen Zugang zur Jagd», erklärt Petra Schneeweiss. «Gut, das Jagen an sich ist für alle gleich – ob Mann oder Frau. Aber ich denke, wir gehen es etwas ganzheitlicher an, mit mehr Gespür. Unsere Aufmerksamkeit gilt auch der Natur, manchmal komme ich mit Blumen nach Hause oder mit Gebirgskräutern. Ich bin immer mit allen Sinnen dabei, diese absolute Stille, dann ein Geräusch, der Duft des Waldbodens, ein spezieller Lichteinfall. Es ist eine Mischung von totalem Abschalten, höchster Konzentration und Naturerlebnis, die es ausmachen. Jeder Tag in den Bergen ist ein besonderes Erlebnis, auch ohne Abschuss. Wichtig ist der Respekt vor dem Tier, die Ehrfurcht vor der Natur. Es geht nicht um Trophäen.» Dann meint sie lachend: «Andere gehen zum Yoga, wir gehen jagen.» In ihrem Umfeld ist es mittlerweile völlig normal, dass Frauen jagen, und auch
die Anerkennung und Unterstützung durch die männlichen Jagdkollegen ist ihnen sicher. Anders ist es vielleicht in der Stadt, wo der Bezug oft komplett fehlt. Da legen sich schwindsüchtige Veganer als blutverschmierte Hirsche auf die Strasse oder spammen auch mal ihre Facebookseite. Völlig unverständlich sei das. Und wie erleben die Kommilitonen die Passion von Elia Schneeweiss? «Die Reaktionen reichen von ‹voll irre› über ‹geht gar nicht› bis zu skurril oder komisch. Doch wenn sie den ganzen Background mitbekommen, ernte ich eher Anerkennung», meint die perfekt gestylte Mittzwanzigerin. «Der Anteil der Frauen, die ein Jagdpatent besitzen, wird zunehmen», sind die beiden überzeugt. «Aus unterschiedlichen Gründen: Die einen wollen vielleicht einfach mitreden, weil ihr Partner Jäger ist. Die Jagd ist tief verwurzelt in unserer Tradition und im Brauchtum der Region. Viele Rituale ranken sich um die Jagd. Wenn es sie nicht mehr gibt, stirbt ein Teil unserer Kultur. Jagd hat es immer gegeben und wird es immer geben! Jagd hat mit Leidenschaft zu tun – auch bei uns Frauen. Wenn diese nicht voll und ganz gelebt wird, bringt das nichts. Jagd hat mit Verantwortung zu tun – gegenüber dir selbst, dem Tier, der Natur. Jagen aus Prestige oder aus gesellschaftlichen Aspekten wie es von der Wiener Schickeria gepflegt wird, ist nicht unser Ding.» Gejagt wird also ohne Handtäschchen, Schminkspiegel und Lipgloss. Die notwendigen Utensilien werden in die reichlich vorhandenen Taschen der Jagdweste verstaut, samt Flachmann versteht sich … und dieser ist gefüllt mit hausgemachtem Nuss-Schnapps aus dem Rosental. Die beiden Frauen vermitteln einen gesunden Schuss Bodenständigkeit, Herz und Verstand. Geistreich, selbstbewusst und charmant die Mutter, gewitzt und eine echte Naturschönheit die Tochter. Was sind nun eigentlich die wahren Waffen einer Jägerin, wollen wir noch wissen. «Das flotte Mundwerk!», kommt es wie aus der Kanone geschossen.
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DER KULINARISCHE SPITZBUBE | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
DER KULINARISCHE
Spitzbube
Klagende Wirte und muffige Mitarbeiter sind ihm ein Gräuel. René Schudel versteht die Gastronomie als Kunstform, betreibt sie mit viel Charme, Muskelkraft und Sinn für Abenteuer. Davon lebt auch seine TV-Sendung «Funky Kitchen Club».
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Dass er Koch wurde, ist purer Zufall. Damals, zum Ende der Schulzeit, war es eher eine Art Notlösung, dass man René Schudel zur Lehre ins Grand Hotel Victoria-Jungfrau schickte. Zu Hause hiess es, DJ sei kein Beruf, er müsse etwas Richtiges lernen. Dabei wäre René so gerne Entertainer geworden. Erst Jahre später, nach verschiedenen Stationen in Gastrobetrieben, merkte er, dass er eigentlich genau das ist: ein gastronomischer Entertainer oder «Unterhaltungskünstler» eben. «Zum Glück habe ich gute Leute getroffen, die mir die Wertigkeit in der Gastronomie zeigten», erzählt René Schudel. «So sah ich das Kochen plötzlich in einem anderen Licht: Es ist nämlich eine Kunst, Gastgeber zu sein.» Wenn er etwas nicht verputzen kann, dann die Haltung mancher Wirte, die meinen, der Job wäre so schön ohne Mitarbeiter und Gäste. «Es braucht ein gutes Team, viel Spirit und Fröhlichkeit», sagt Schudel. «Nur so kann es funktionieren.» René wendet sich wieder den dicken Côtes de Boeuf zu, die auf der Herdplatte brutzeln. Das Fleisch stammt von Metzger Lehmann aus dem Länggass-Quartier in Bern. Dani ist einer von Renés Glücksfällen, oder besser gesagt einer, der Dinge produziert und verkauft, die René glücklich machen. Lehmann ist Metzger mit Haut und Haar. Wenn er von «seinen» Charolais-Rindern spricht, gerät er völlig aus dem Häuschen. Er weiss, welches Gras die Rinder fressen müssen, damit sie sich optimal entwickeln, er kennt die verschiedenen Hanglagen der Wiesen und Weiden, die je nach Jahreszeit passend sind. So einen Freak muss man erst finden, aber wenn – dann ist es eine Sache fürs Leben. Es ist Renés grösster Antrieb, Menschen aufzuspüren, die mit Herzblut und Sorgfalt zur Sache gehen und Dinge pro-
duzieren, die schlicht umwerfend sind. Solche Trouvaillen sind das Rückgrat von René Schudels Küche und bieten zugleich viel spannenden Stoff für seine Kochsendung «Funky Kitchen Club» auf ProSieben Schweiz. Das Restaurant benacus ist Renés Homebase, der Dreh- und Angelpunkt für all seine Tätigkeiten. Das Lokal in den alten Stadtmauern verbindet Bergler-Charme und urbanen Chic zu einem spannenden Ambiente. Zwischen verschiedenen Polen bewegt sich auch die benacus-Küche, wobei René Schudels Kreationen stets ehrlich bleiben. Gutbürgerliches vermischt sich mit einer Prise Exotik, oberstes Gebot ist aber das Gespür fürs Unverfälschte. Dank dem Restaurant behält René stets den Bezug zum gastronomischen Alltag, auch wenn er oft tageweise Termine ausserhalb wahrnehmen muss. «Dieser praktische Hintergrund ist mir extrem wichtig, das erdet mich», sagt er und packt die fertig angebratenen Riesenfleischstücke in den Ofen. Die Restaurantküche ist seine Werkstatt. Hier kocht und tüftelt er. Gleichzeitig dient der Raum zwischendurch auch als Studio für den «Funky Kitchen Club». Hier werden die Kochsequenzen der meisten Folgen aufgezeichnet. Die Belper Knolle, die René jetzt über den fast gar gekochten Risotto raspelt, ist wie das Charolais-Fleisch so ein Fundstück einer kulinarischen Spritztour. Die Knolle ist eigentlich ein Missgeschick. Sie ist vor Jahren im Keller der Käserei Glauser in Belp vergessen gegangen. Als die Käser den nicht mehr frischen Frischkäse wieder fanden, staunten sie über das Ergebnis. Es war ein völlig neues, geschmacklich überaus
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interessantes Produkt entstanden. Unterdessen ist das Ding unter Käse-Freunden sehr beliebt. Die Belper Knolle wird zuweilen verglichen mit ihrer berühmten Namensvetterin, der schwarzen Trüffelknolle. Auch damit hat René kürzlich nähere Bekanntschaft geschlossen und zwar in einem Wald bei Bern. «Ich liebe solche Geschichten», schwärmt René. Die Begegnungen mit einzigartigen Rohstoffen und den Menschen, die dahinterstehen, inspirieren ihn für seine Küche und seine TV-Show. Auf den Fahrten kreuz und quer durch die Gegend lässt sich ausserdem die Lust auf Neues prima stillen. Wenn sich dabei sogar noch die Gelegenheit gibt, in einen Sportwagen von Mercedes AMG zu steigen oder auf einem alten Traktor zu fahren, umso besser. Alles, was rattert, brummt oder auch richtig aufheult, lässt Renés Herz höher schlagen. Über 100 Sendungen mit René Schudel sind schon ausgestrahlt worden, und soeben ist das Buch zur Sendung erschienen, in dem viele von Renés Abenteuer auf Papier festgehalten sind. Aus dem unmotivierten Bergbuben, der sich als Teenager am liebsten nach Ibiza abgesetzt hätte, ist also auf Umwegen ein Gastronom mit Herz und Seele geworden, eine Frohnatur der Gastrowelt, die viele Sympathien weckt. Dieser Popularität begegnet René mit einem einfachen Rezept: mit Bodenständigkeit. Er kehrt immer wieder zu seinen Wurzeln zurück. Die Natur der Bergwelt, das Wasser, aber auch der Dorfcharakter von Interlaken holen ihn auf den Boden zurück. «Dieses Gefühl von Heimat ist mir extrem wichtig», betont er. Und trotz aller ländlicher Idylle bieten sich auch hier interessante Gegensätze: «Durch die vielen Touristen sind wir bestens verlinkt mit der ganzen Welt. Das entspricht mir sehr und begeistert mich auch als Gastgeber und Koch.» Wenig später rast René mit Einsatzauto und Blaulicht zu einem Grossbrand. Die gesamte Umgebung ist aufgeboten, das Feuer bei anhaltendem Wind unter Kontrolle zu bringen. Was mit dem Risotto und dem Fleisch passiert, ist jetzt nebensächlich. Wenn es um die Feuerwehr geht, kennt Feuerwehrmann Schudel kein Pardon. Mit Eifer und Disziplin leistet er seinen Beitrag zur Allgemeinheit. Den Dienstzeiten und Übungen sind alle anderen Termine untergeordnet. «Klar, mich fasziniert auch die Technik», wird René später sagen. «Und der impulsive Charakter der ganzen Geschichte. In einer Minute kann es losgehen, man weiss nie, was passiert. Das macht die Sache doch einfach spannend.» Wenn die Feuerwehr ruft, kann es also sein, dass er auch mal an einem Samstagabend in seinem Restaurant fehlt, was sonst kaum je vorkommt. «Seit 18 Jahren hatte ich noch nicht manchen freien Samstagabend und sicher keinen freien Silvesterabend», überlegt Schudel. «Aber das bedauere ich kein bisschen.» Ein solcher Einsatz gehört zum Leben des Entertainers, einem ohne Hawaii-Hemd und Synthesizer, dafür mit Messer und Schürze.
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2011) TEXT ANNETTE MARTI FOTOS SARAH MICHEL WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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Mazza
FREESTYLE ALPENGOLF
Im Unterengadiner Dorf Ramosch wird jeweils im Frühling eine Urform von Golf gespielt. Was zählt, sind weniger Prestige und Platzreife als das gesellige Beisammensein und ein ganz besonderer Sportsgeist.
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Ganz nebenbei erfahren wir die bewegte Geschichte des trockensten Schweizer Ortes und bekommen allerlei Anekdoten um Kirchenhüter, Gemeindepolitiker und sogar einen Bären aufgetischt.
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Ostermontag. Es ist noch bitterkalt, als wir frühmorgens in Ramosch ankommen. Es ist die Zeit kurz vor dem Wiesenruf: das heisst, der Schnee ist bereits geschmolzen, das Gras auf den weiten Weiden hat aber noch nicht zu wachsen begonnen. Mario Oswald erwartet uns bereits. Wir wollen uns in die Geheimnisse des «Mazza» einweihen lassen, ein Spiel mit Schläger und Ball, das noch lange bevor das Golfspiel im Engadin Einzug hielt, in verschiedenen Bergtälern ausgeübt wurde. Im Unterengadiner 500-Seelen-Dorf Ramosch hat sich dieser Brauch erhalten. Mazza oder Kugelschlagen stellt quasi eine Urform des Golfspiels dar. Es wird, wie auch ähnliche Kugelspiele, den Kelten zugeschrieben. Im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit war es im nördlichen Mitteleuropa verbreitet – aber auch in Frank-
reich. Hier wird es Le Mail genannt und war unter Ludwig XIV. das Spiel der Adligen. Danach geriet es in Vergessenheit. Heute wird es nur noch in einzelnen Dörfern des Unterengadins, in Kärnten, im italienischen Aostatal und scheinbar auch in den Pyrenäen gespielt. Mario Oswald ist pensionierter Dorfschullehrer, Wahrer des lokalen Kulturgutes, Dorfführer, Förderer der heimischen Blasmusik, wandelndes Lexikon zur Dorfgeschichte und anekdotenreicher Erzähler. Vor kurzem wurde er in Abwesenheit zum Verantwortlichen für Wanderwege gewählt: «Damit du uns im Alter nicht komisch wirst», verlautete es aus dem Gemeinderat, bestehend aus ehemaligen Schülern, lapidar.
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Doch heute ist Mario ein Jauer. So werden im Unterengadin die Münstertaler genannt. Auf seinem Käppi ist dies in grossen, weissen Lettern zu lesen. Das ist beim Mazzaspiel wichtig. Früher haben oft die Nachbarsdörfer gegeneinander gespielt. Die Kugel von Gemeinde zu Gemeinde geschlagen. Noch heute tragen die Bewohner der einzelnen Engadiner Dörfer einen Übernamen. Mario ist Jauer und Bewahrer dieses typischen Brauchtums. Praktisch sein ganzes Leben hat er in Ramosch verbracht. Nur das Mazzaspiel habe er leider nicht mehr zur Perfektion bringen können, meint er bescheiden. Im Dorf wird dies von Kindesbeinen an geübt und gehört zum Schulturnen mit dazu. Ramosch, 1236 m ü. M., gilt als einer der trockensten Orte der Schweiz und im Sommer als wärmster des Engadins. Das milde Klima und die guten Bodenverhältnisse machten die Gegend einst zur Kornkammer des Engadins – davon zeugen noch die weiten Terrassen an den Hängen, wo Roggen angebaut wurde. Die Burgruine Tschanüff und die mächtige Kirche untermauern die einstige Bedeutung des Dorfes am Eingang zum Engadin und am Übergang zwischen dem Val Sinestra und dem Val d’Uina in Richtung Südtirol.
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Langsam treffen die Mazzaspieler ein und setzen sich in Pose. Das ganze Dorf rottet sich zusammen: Schüler, Jünglinge, stattliche Herrschaften, Frauen. Gespielt wird mit der Mazza. Diese besteht aus einem Stiel, an dem ein kantiger Klotz aus Hartholz befestigt ist. Früher wurde der Stiel aus den geraden Ästen des Wolligen Schneeballs geschnitten. Wegen seines faserigen Aufbaus ist der Strauch sehr elastisch und bruchfest. Daraus wurden und werden auch Pfeile für das Bogenschiessen gefertigt. Sogar die Pfeile, die bei der 5300 Jahre alten Gletschermumie Ötzi gefunden wurden, waren aus diesem Holz geschnitzt. Heute ist es nicht mehr so einfach, den Strauch und vor allem seine geraden Äste in der Umgebung zu finden. Man muss schon sehr genau wissen, wo suchen, denn jeder will ja die besta Mazza fertigen. Die Angefressenen montieren seit einigen Jahren den Keil auf eine Rute aus Karbon, ähnlich wie sie beim Hornussen verwendet wird. Mario hat eine Mazza mit langem für die weiten und eine mit kurzem Stiel für die nahen Schläge. Wurde früher noch auf grob geschnitzte Holzbälle geschlagen, tun es heute farbige Golfbälle. Diese werden in die Luft ge-
worfen und müssen während des Fluges getroffen werden. Kein einfaches Unterfangen! Ein guter «Mazzlist» schafft mit einem kräftigen Schwung gut und gerne 200 Meter. Gemäss einer Anekdote habe man früher zum Üben auch gerne mal über das Kirchendach geschlagen, wobei manches Kirchenfenster in die Brüche gegangen sei … darauf wurde das Spiel zwischenzeitlich von den Kirchenvätern verboten. Der Parcours besteht aus einem Rundkurs mit sieben «Holes» wie der moderne Golfer sagen würde. Einige zeigen bloss einen Richtungswechsel an, bei den anderen muss man in ein Loch treffen. Der Rundkurs verläuft querfeldein, über Stock und Stein, durch Wiesen, über Böschungen und ins Unterholz. Wer am wenigesten Schläge braucht, gewinnt. Aber darum geht es eigentlich gar nicht. Während man gemeinsam in Gruppen die Strecke abläuft, bleibt genügend Zeit zum Fachsimpeln über den Schlägerbau, zum Diskutieren der verschiedenen Schlagtechniken und zum Scherzen. Mit Jachen, einem Gast aus dem nahen Scuol, haben wir neben Mario einen weiteren erfahrenen Mazzaspieler in der Gruppe. Zwei kräftige Schwünge führen uns an einer Schafzucht vorbei. Das sei schon eine traurige Geschichte gewesen, beginnt Mario. Die arme Frau. Nachdem sie an einem tragischen Unfall ihren Lebenspartner verloren hatte, habe der Bär 27 Mutterschafe aus ihrer mühselig aufgebauten Zucht gerissen. Quasi ihr ganzes Lebenswerk zerstört. Damals habe auch er einmal eine Bärenspur entdeckt, unten am Fluss. Da sei es ihm ganz anders geworden, und er ist heute noch hundertprozentig davon überzeugt, dass der Bär ihn beobachtet habe. Das könne man sich in der Stadt kaum mehr vorstellen, wie unmittelbar man der Natur hier oben teilweise noch ausgeliefert sei. Nach gut zwei Stunden ist der Rundkurs beendet. Jachen und Mario zählen ihre Punkte. Sie einigen sich demokratisch auf ein Unentschieden. So genau will man das nicht nehmen. Ist ja nur ein Spiel. Und jetzt gibt es Stärkung mit Wurst, Bier und Blasmusik. Das ganze Dorf ist in den Einstellhallen eines heimischen Bauunternehmens versammelt und feiert dieses faszinierende Brauchtum, das in seiner unverdorbenen Ursprünglichkeit irgendwie gar nicht mehr so richtig in unsere Zeit passen will.
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2012) TEXT DARIO CANTONI FOTOS DANIEL MARTINEK WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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KOMPOST | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
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KOMPOST
Good concepts work without a because … Zwei Animationsspezialisten aus den Bergen produzieren Musikvideos, erfinden putzige Werbewelten für Giganten wie McDonald’s und leiten Hightech-Produktionen im Ausland. Die Resultate werden auf MTV gespielt und gewinnen internationale Auszeichnungen. Abgesehen davon ist das Team um Oliver Conrad und Gian Klainguti hierzulande noch wenig bekannt. Zu Unrecht.
Kompost. Das sind zuerst einmal Gian Klainguti und Oliver Conrad. Zwei Freunde, die sich mit 13 Jahren auf den Pisten des Engadins beim Snowboarden kennenlernen. Beide sind sie 1980 geboren und besuchen später das Lyceum Alpinum in Zuoz. Und beide haben sie keine Lust, nach der Matur an die HSG nach St. Gallen zu pilgern und dort Wirtschaft oder Jura zu studieren, wie die meisten ihrer Schulkollegen es tun. Oliver Conrad wollte schon früh im kreativen Bereich arbeiten, ohne genau zu wissen, was da alles möglich ist. Er besucht die Parson School of Design – zuerst in Paris, dann in New York. Gian Klainguti schnuppert etwas Wirschaftsluft, beginnt dann Kommunikation und Publizistik zu studieren … und macht schliesslich seinen Bachelor in Film. Kompost entsteht 2005 als Künstlerkollektiv in New York. Oliver Conrad und Gian Klainguti realisieren als Studentenarbeit ein erstes Videoprojekt mit Hip-Hoppern aus Brooklyn. Kompost: eine Kombination aus Komposition und dem Gedanken, dass aus Abfall Neues entstehen kann. International verständlich. Es folgen weitere Videoprojekte. Alles Low Cost. Oliver und Gian wohnen unter der Treppe, teilen sich ein Bett, leihen sich das Equipment von der Schule oder von Freuden aus und arbeiten mit ersten unbezahlten Praktikanten.
Kompost ist heute ein kreatives Studio für Design und Animation mit neun Mitarbeitern im Bereich 2D/3D und einem grossen Netzwerk an internationalen Spezialisten, die nach Bedarf zugezogen werden. Die Musikvideos von Kompost bekommen internationale Auszeichnungen. So wird Speedskater, ein Video für die Gruppe Airpushers (Musiker u. a. von Black Eyed Peas) 2008 in Barcelona am International Short Film Festival nominiert. Das Video «F@©k That» mit dem russischen Hip-Hopper Krussia wird 2009 gleich zweimal zum besten Musikvideo gekürt: am Independent Film Festival in Philadelphia und am San Francisco Frozen Film Festival. Für die Happy-Meal-Spots, die sie für den Giganten McDonald’s erschaffen, werden sie mehrmals für einen Annie Award (Oscar der Animationsbranche) nominiert und räumen verschiedene EDIs (Schweizer Preis für Werbefilme) ab. Plötzlich stehen sie in Kompetition mit den Topshots der Branche. Wir besuchen Oliver und Gian in ihrem grosszügigen Loftatelier im angesagten Zürcher Binzquartier. Mit offenen Armen und einem perfekten Cappuccino werden wir empfangen. Das Cappuccino-Know-how geht auf eine kürzlich realisierte Animation für die Grossbank UBS zurück und wurde im Atelier zur Perfektion getrieben – mit positivem Nebeneffekt auf die
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Kaffeekultur. Sonst überall vornehme Zurückhaltung, keine aufgepfropften EDIs, kein geschäftiges Getue – eher das für Bergbewohner typische Understatement. Dies sei nicht immer von Vorteil gewesen. Bei Präsentationen etwa oder Videokonferenzen mit den USA wurde die noble Zurückhaltung auch schon als Anflug einer leisen Depression verstanden. «Seither motivieren wir uns gegenseitig wie vor einem Fussballmatch», meinen sie belustigt. Nun. Geklappt hat es trotzdem, obwohl die ersten fünf Jahre ein steiles Stück Weg waren. «Eigentlich ist es wie eine Obsession», erklärt Oliver, «es wird Teil deines Lebens, schon auch Selbstverwirklichung, wo der kreative Prozess und der künstlerische Anspruch im Zentrum stehen. Geld oder Profit waren nie unsere Antriebsfeder, das kommt ganz weit hinten. Wir haben sogar Geld in Projekte gesteckt, nur um sie realisieren zu können. Wir gehen immer die Extrameile, und dies aus Leidenschaft – das unterscheidet uns vielleicht von anderen.» Und das Engadin, die Berge? «Künstlerisch hat das schon unseren Stil beeinflusst. Wir arbeiten gerne mit natürlichen Texturen, lassen auch das Raue, das Unperfekte zu, denken eher prozesshaft. Schlussendlich haben unsere Arbeiten eine ganz
andere Ästhetik als jene, die wir in der Kunstschule gelernt haben – in den 90ern war alles sehr clean und vektororientiert.» Die ersten Animationen und auch der eigentliche Durchbruch mit Spaceman Stu, dem ersten Clip für McDonald’s, sind im Engadin entstanden – genau gesagt in der guten Stube von Olis Grossmutter. Nach der New Yorker Zeit konnten sich die beiden so über Wasser halten, weil keine zusätzlichen Kosten für die Miete eines Studios anfielen. Drei Jahre ging das so. Zuletzt waren es fünf Arbeitsplätze im Wohnzimmer, Serverroom in der Küche und die Grossmutter, die das Kreativteam den ganzen Tag mit ihren Kochkünsten verwöhnte. «Die Entstehung der «Kompost Family» geht eigentlich auf diese Zeit zurück. Das gemeinsame Arbeiten, das Zusammensitzen am Abend mit einer Flasche Wein … dies wurde auch von den ausländischen Animationsspezialisten ungemein geschätzt. So was findet man in der Grossstadt eigentlich gar nicht mehr. Auch heute noch ziehen wir uns gerne nach St. Moritz zurück, um Energie zu tanken oder im kleineren Team neue Projekte anzugehen.» Mit der Zunahme der Kommunikation über Smart Phones und Social Media werden Animationen immer wichtiger. Sie
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erscheinen in crossmedialen Kampagnen, im Fernsehen, Internet und sind Bestandteile von Apps. Gleichzeitig sind die Animationsprogramme in den letzten Jahren massiv billiger geworden, was auch kleinen Agenturen dieses weite kreative Betätigungsfeld eröffnet hat. Die Happy-Meal-Kampagnen für das US-Fernsehen haben Kompost in die Topliga katapultiert. Die Spots liefen nicht nur landesweit und erhielten eine ganze Reihe von Auszeichnungen. Es entstand ein regelrechter Hype mit usergenerierten Facebook-Seiten, Posts auf YouTube, usw. Ganz nebenbei mutierte der Fast-Food-Konzern innert kürzester Zeit zum grössten Apfelabnehmer der USA. Jedenfalls pitchen Oliver Conrad und Gian Klainguti heute nicht selten gegen die Grossen der Branche wie Psyop, The Mill oder Superfäd. Das macht sie schon stolz. Und auch, dass sie im Vorfeld der Olympiade in England eine crossmediale Kampagne mit David Beckham realisieren dürfen. «Was kommt als Nächstes?», fragen wir zum Schluss. «Wir wollen vermehrt eigene Projekte realisieren, eigenen Content schaffen und Stories erzählen. Vielleicht einmal ein eigener animierter Film? Aber das sind alles Wünsche, von denen wir vor noch nicht so langer Zeit nicht einmal zu träumen wagten.»
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2012) TEXT DARIO CANTONI FOTOS PATRIZIA HUMAN WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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VOM FISCHERSTEG IN DEN YACHTHAFEN | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
VOM FISCHERSTEG IN DEN
Yachthafen
EIN MYTHOS WIRD 170
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Riva-Boote sind schwimmende Ikonen, ein unsterblicher Mythos aus den 50er- und 60er-Jahren, gelten als Rolls-Royce unter den Motorbooten. Dieses Jahr feiert das italienische Vorzeige-Label bereits sein 170-JahreJubiläum. Was weniger bekannt ist: Alles begann am Fusse der Südalpen, am Comersee und am Lago d’Iseo. Der Mythos der eleganten Boote mit der tiefroten Mahagonibeplankung und den mächtig blubbernden Innenbordmotoren begann während der Jahre des Wirtschaftswunders. Italien wurde weltweit geschätzt wegen seines Designs und der Qualität seiner Exportprodukte. Der Italian Style war in der Hochblüte – in der Haute Couture wie im Möbeldesign, in Architektur und Automobilbau. Grosse Namen wie etwa Zanuso und Bellini, Krizia und Missoni, Ferrari und «Pinin» Farina tauchten auf dem Weltparkett auf und schrieben Designgeschichte. Im Bootsbau war es zu jener Zeit Carlo Riva, eine Persönlichkeit mit grosser Intuition, stilsicherem Geschmack und herausragenden fachlichen und unternehmerischen Fähigkeiten, der eine unverkennbare Spur hinterliess. In jenem ausschweifenden Jahrzehnt voller Lebensfreude gelang es ihm, das Motorboot vom reinen Arbeits- und Transportmittel als Vergnügungs- und Luxusobjekt zu positionieren. Dabei verschmolz er Qualität, Seetüchtigkeit und eine einzigartige Formensprache. Die Liste der Besitzer von Riva-Booten liest sich denn auch wie ein Who’s who des Jetsets der 50er- bis 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts: Prinzessin Soraya von Persien, Sultan von Pahang (Malaysia), verschiedene italienische Prinzen, Blaublüter und Industrielle. Carlo Ponti, Peter Seller, Jean-Louis Trintignant, Roger Vadim, Sean Connery, Brigitte Bardot, Sophia Loren, Richard Burton, natürlich Gunter Sachs und so weiter …
Doch fangen wir ganz von vorne an: Carlo Riva war der Spross einer alten Familie von Bootsbauern aus Laglio am Comersee. Das Dorf war bekannt wegen seiner antiken Tradition im geschickten Umgang mit der Axt. Ein junger Mann namens Pietro Riva galt als besonders begabter Zimmermann und Kalafate. Und hier beginnt die Geschichte. Der damals zwanzigjährige Urgrossvater von Carlo Riva wurde 1842 von einem Fischer aus Sarnico am benachbarten Lago d’Iseo angefragt, ob er sich nicht selbstständig machen wolle, um die Fischerboote bei ihnen zu reparieren und zu unterhalten. Eine grosse Verlockung für den Jüngling, der schon bald in eine Hütte an der Mündung des Flusses Oglio einzog und begann, die Boote für die Fischer am Lago d’Iseo flottzuhalten. Dies tat er so gut, dass man ihn bald beauftragte, eigene Boote zu bauen. Mit den Kenntnissen aus seinem Heimatdorf baute er ein erstes «Spazierschiff», wie es auf dem Comersee für die englischen Touristen gebaut wurde. So wurde in dieser einfachen Hütte am Ufer dieses Alpensees der Grundstein gelegt für ein Unternehmen, das später Weltruhm erlangen sollte. Ernesto, der dritte Sohn von Pietro, trat einige Jahre später in die Fussstapfen seines Vaters. Nachdem er in Laglio, in der Werkstatt seines Onkels, die Lehrjahre absolviert hatte, unterstützte er seinen Vater und spezialisierte sich auf den Bau grosser Transportschiffe. Später kam das erste Dampfschiff dazu und
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gleich ein weiteres, mit dem er bis zu 80 Touristen auf dem Lago d’Iseo spazieren führte. Die Werft wurde ans andere Ufer transferiert, vergrössert und für die mittlerweile zahlreichen Arbeiter eine Trattoria del Cantiere eingerichtet, wo Carolina Malighetti, die Frau von Ernesto, kochte. Die Geschäfte entwickelten sich blendend, bis Ernesto Riva im Jahre 1907 in der Werft von einem Schiff erdrückt wurde und starb. Dies war nicht der einzige Schicksalsschlag, den die Familie hinnehmen musste: Von den vier Söhnen des Ernesto starben zwei im Ersten Weltkrieg und einer wurde von der spanischen Grippe dahingerafft. Blieb noch Serafino. Auch er, wie sein Vater, begeistert von Motoren und von jeder neuen technischen Errungenschaft. Als die ersten Motorboot-Wettkämpfe stattfanden, war Serafino mit dabei, sowohl als Konstrukteur als auch als Pilot. Von den Zwanzigerjahren bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gehörten die Riva-Boote zu den schnellsten, die Werft in Sarnico wurde zum internationalen Treffpunkt der Motorboot-Sportler und zum Austragungsort von Geschwindigkeitsrennen auf Wasser. Mitten in diese pulsierende Szenerie wurde am 24. Februar 1922 Carlo geboren – genau ein Jahrhundert nach seinem Urgrossvater, dem Firmengründer Pietro Riva.
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Seltsamer Zufall oder schicksalshafte Fügung? Im Nachhinein jedenfalls kann Carlo Riva als der zweite Gründer der Riva-Werft bezeichnet werden. Schon in seiner Jugendzeit interessierte er sich leidenschaftlich für alles, was Boote und deren Konstruktion betraf: die Technik, die Organisation der Arbeiten, das Design … und brachte schon mit sechzehn Jahren Vorschläge für die Verbesserung der Stromlinienform der Boote. Ihn interessierten weniger die Rennboote als die luxuriösen Schiffe à la Chris Craft. Doch es war nicht die Zeit zum Träumen. Der Zweite Weltkrieg fegte alles hinweg: Träume, die sportlichen Erfolge und die Geschäftsmöglichkeiten. Nach Ende des Krieges galt es, die Ärmel hochzukrempeln und anzupacken. Der Pragmatismus des Sohnes traf hier auf den sportlichen Idealismus des Vaters und sorgte über Jahre für familiären Zwist. Doch Carlo Riva blieb seinen Überzeugungen treu. Und als er um 1950 die Werft übernahm und seine Ideen und Visionen in die Tat umsetzen konnte, stieg der Absatz der Boote bereits im ersten Jahr um mehr als das Dreifache auf 54 Einheiten. Carlo Riva ging an Messen, investierte in Werbung, war immer auf dem neusten Stand, was technische Innovation und Materialien betraf, ver-
doppelte die Preise bei den Rennbooten (denn: «Con la gloria non si mangia!») und führte schliesslich die Serienproduktion für Luxusboote ein. Die Verfeinerung am Design und immer wieder an den Motoren, in Zusammenarbeit mit verschiedenen Produzenten, führte zum typischen Riva-Boot mit der markanten Stromlinie, der Verplankung aus slowenischer Eiche mit Mahagoniüberzug und den kräftigen Motoren. Mit dem Corsaro wurde das schnellste Motorboot jener Epoche gebaut. «Spider del Mare» wurde es genannt und in den Verkaufskatalogen als «freccia dei motoscafi entrobordo» angepriesen: «Dinamico, snello, elegante, velocissimo!» Ständige Entwicklung, Passion, Know-how und Handwerk auf höchstem Niveau brachte die legendären Modelle Ariston, Tritone und Aquarama hervor, gefolgt von Florida, Super Florida und Riva Junior. In den Sechzigern kletterten die Verkaufszahlen in die Höhe und der Kultfaktor ins Unermessliche. Die letzten Modelle Riva 220 und 320 oder Super Ariston erreichten eine Spitzengeschwindigkeit von über 80 km/h. Der Mythos war geboren. Gino Gervasoni, Schwiegersohn, Partner und später Nachfolger von Carlo Riva, erklärte einmal im «Corriere della sera»: «Wenn du am Morgen mit einer 25-Meter-Yacht in einen Hafen an der Côte d’Azur einläufst, fühlst du dich gross, weil alle anderen Schiffe daneben klein wirken. Aber am Nachmittag kommt eine 30-Meter-Yacht, und auch du bist wieder klein. Am nächsten Morgen liegt eine noch grössere Yacht vor Anker, nun zieht diese alle Blicke auf sich. Wenn du aber mit einer Aquarama in einen Hafen fährst, kannst du sicher sein, dass kein schöneres Boot dir die Schau stiehlt, denn die Aquarama ist einfach einmalig!» Heute gehört Riva zur renommierten Ferretti-Gruppe, einem weltweiten Leader im Bau exklusiver Luxusyachten in allen Grössen. Der ursprüngliche Standort in Sarnico, das eigentliche Herz des Unternehmens, besteht nach wie vor. Hier entstehen in Anlehnung an die glorreiche Vergangenheit weiterhin die kleineren Motorboote im typischen Riva-Design wie die Riva Iseo – benannt nach dem See, den die Alpengletscher nach dem Rückgang der Eiszeit zurückgelassen haben und wo diese sagenhafte Familiengeschichte ihren Anfang nahm.
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2012) TEXT DARIO CANTONI FOTOS ARCHIV RIVA WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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BASECAMP DES ENGADINS | Webseite Pontresina
Basecamp des Engadins
GIAN LUCK
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Kurze Hüttenzustiege, innerhalb einer Stunde auf dem Gletscher und bereits einfache Touren als Highlight. Der Aufwand für Bergsportgäste ist
“EIN GUTER BERGFÜHRER, IST EIN ALTER BERGFÜHRER.”
in Pontresina klein, der Spassfaktor gross. Gerade für Einsteiger herrscht ein breites Angebot. Aber auch ambitionierte Bergsteiger, die sich auf grosse Touren im Himalaya oder Patagonien vorbereiten, kommen hier auf ihre Kosten. Oder in Gian Lucks Worten: “Pontresina ist der Ort, der für mich als Ganzjahres-Bergführer am interessantesten ist.” Das Berninamassiv sei einfach Heimat. Und dann sei da noch die Liebe zu seiner Freundin, die ihn nach Pontresina gezogen habe. Wie auch immer: Bereut habe er es noch nie – ganz im Gegenteil. “Einen Gast zum Gipfel erfolg führen, ist einfach nur cool. Es ist ein Erlebnis, das bleibt”, fasst Gian Luck seine Begeisterung für den Bergsteigerberuf zusammen. Dabei geht er kein Risiko ein. “Denn ein guter Bergführer, ist ein alter Bergführer.” Rund 200 Tage pro Jahr ist er mit Gästen am Piz Bernina und Piz Palü –
GIAN LUCK ABENTEURER UND GIPFELBEZWINGER GIAN LUCK (1982) PRÄSIDIERT DEN BÜNDNER BERGFÜHRERVERBAND UND LEITET DIE BERGSTEIGERSCHULE
den zwei bekanntesten Gipfeln im Engadin – unterwegs. Viele kommen als Gäste und gehen als Freunde. Kein Wunder: So ein Bergerlebnis schweisst zusammen! Wer einfach mal reinschnuppern möchte, kann alles vor Ort mieten: von Bergschuhen bis hin zur kompletten Kletterausrüstung. Und auch die Hotels kooperieren: Sie bieten spezielle Lunch-Pakete für Touren an. Sportlichen
PONTRESINA. DIESE WURDE 1963
Anfängern rät Luck zu einer eintägigen Eisausbildung. Dabei lernen
GEGRÜNDET UND ZÄHLT MIT 86
Teilnehmer das Klettermaterial wie Steigeisen, Seile und die verwendeten
BERGPROFIS ZU DEN GRÖSSTEN UND ÄLTESTEN BERGSPORTANBIETERN GRAUBÜNDENS.
Techniken kennen. Am Abend geht’s dann auf die Diavolezza, um am nächsten Morgen bereits den Piz Palü zu besteigen. Für Leute mit Tourenerfahrung sei der Biancograt reizvoll. Und für Profis empfiehlt Gian Luck die anspruchsvollen Alternativen “Bumiller” und “Ostpfeiler”. Beide sind technisch schwierig und steiler als die normale Route.
PORTRÄT-TEXT FÜR WEBSEITE PONTRESINA TEXT FRANZ THOMAS BALMER FOTO DITO WEITERE ARBEITEN KONZEPT, WEBDESIGN UND PROGRAMMIERUNG WEBSEITE www.pontresina.ch
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GASTGEBER DER ERSTEN STUNDE | Webseite Pontresina
N U O T S A R AT Z
Gastgeber der ersten Stunde
Das Hotel Saratz in Pontresina ist eines der wenigen altehrwürdigen Schweizer Erstklass-Hotels, die bis heute in Familienbesitz geblieben sind.
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Mit Nuot Saratz als Verwaltungsratspräsident ist die 5. Generation am Ruder. Irgendwie typisch für Pontresina, schliesslich sind hier viele Hotels noch familiengeführt. Sie tragen damit zusammen mit dem intakten Dorfleben wesentlich zur familiären Atmosphäre bei, die von den Gästen so geschätzt wird. Für Nuot Saratz kommt das nicht von ungefähr: “Den Grundstein zum heutigen Erfolg haben wir bereits in den 60iger Jahren mit der Einführung
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der Hotelzone gelegt. Seither wissen unsere Hoteliers, dass es keinen Plan B gibt. Hotels können nicht einfach in gewinnbringende Wohnungen
“UNSERE HOTELS SIND EIN PARADEBEISPIEL FÜR DIE FERIENHOTELLERIE.”
umfunktioniert werden. Deswegen ist hier wahrscheinlich auch das Interesse an der guten Entwicklung des Dorfes ausgeprägter als andernorts.” Der Grundstein zum Erfolg des Hotels Saratz liegt dabei noch etwas weiter zurück. Er steht sogar am Anfang eines Stücks Bündner Geschichte: die Heimkehr der in der Fremde reich gewordenen Zuckerbäcker. Gian Saratz war ein solcher, und eigentlich hatte er es nicht nötig, in seinem gediegenen Pontresiner Haus Fremdenzimmer zu vermieten. Ihn interessierte aber der deutsche Landschaftsmaler Wilhelm Georgy als Gesprächspartner und so beherbergte er ihn zwei Sommer lang. Saratz fand Gefallen an seiner Gastgeberrolle und baute 1865 seinen Heustall in eine Pension aus, die zehn Jahre später zu einem Hotel erweitert wurde. Das Saratz empfing in der Folge viele berühmte Gäste. Der Komponist Richard Strauss schrieb
NUOT SARATZ 5. GENERATION EINER ENGADINER HOTELDYNASTIE NUOT SARATZ (1947) IST VERWALTUNGS RATSPRÄSIDENT DES HOTELS SARATZ
einmal, er fühle sich hier beinahe so wohl wie zu Hause. Zusammen mit dem Saratz erlebten auch andere Pontresiner Hotels eine Blütezeit. Nuot Saratz schreibt diesem Umstand zwei Ursachen zu: “Erstens haben wir viele heute selbstverständliche Errungenschaften den vielen Gästen aus ganz Europa zu verdanken, die das Engadin ab Mitte des
UND BILDET DIE FÜNFTE GENERATION
19. Jahrhunderts besuchten. Diese brachten ihre modernen Lebensweisen
DIESER ENGADINER HOTELDYNASTIE.
mit. Zweitens waren die Engadiner offen dafür, mit diesen umzugehen.” In der Tat: Viele Pontresiner waren zurückgekehrte Auswanderer, die in
ER BETREIBT IN PONTRESINA EIN
ganz Europa mit der modernen und vornehmen Gesellschaft in Kontakt
ANWALTS- UND NOTARIATSBÜRO.
getreten waren. Entsprechend weltoffen kommunizierten sie mit den Gästen und entsprechend verstanden sie schnell, was diese Gäste suchten. Dass dabei der mondäne Nachbarort St. Moritz in Sachen Berühmtheit Pontresina stets überragte, stört Saratz nicht: “Unserem Ort war immer eine gewisse Bodenständigkeit wichtig. Ohnehin ist die Distanz zwischen St. Moritz und Pontresina trotz räumlicher Nähe erstaunlich gross. Die grosse Welt unseres Nachbarorts war uns stets etwas fremd.”
PORTRÄT-TEXT FÜR WEBSEITE PONTRESINA TEXT FRANZ THOMAS BALMER FOTO DITO WEITERE ARBEITEN KONZEPT, WEBDESIGN UND PROGRAMMIERUNG WEBSEITE www.pontresina.ch
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BUCKET LIST | Webseite St. Moritz
30 things to do before you leave Super, haben Sie diese Liste gefunden! Damit wird Ihnen in St. Moritz garantiert nicht langweilig, denn die folgenden 30 Highlights sollten Sie bei einem Besuch auf keinen Fall verpassen. Sie bleiben nicht so lange, um alles zu erleben? Kommen Sie einfach wieder! Trinken Sie in der Lobby des Badrutt's Palace Hotels Tee
Besuchen Sie den «Kulm Country Club»
Erleben Sie historisch gewachsene Grandezza von einem beque-
denkmal im Zentrum von St. Moritz zu neuem Leben erweckt:
men Sessel aus. Das Badrutt's Palace Hotel ist wohl das berühm-
Der olympische Eispavillon von 1905 ist von Stararchitekt und
teste Hotel der Alpen und eine Ikone der St. Moritzer Fünfsterneho-
St. Moritz-Freund Norman Foster renoviert und erweitert worden.
tellerie. Die fantastische Lobby ist auch für externe Gäste offen. Sie
Als «Kulm Country Club» beherbergt es ein öffentliches Restaurant
sind auf den traditionellen Afternoon-Tea-Geschmack gekommen?
mit Terrasse, eine Bar-Lounge sowie einen Schlittschuhverleih.
Dann sollten Sie auch die Lobbies des Kulm Hotels St. Moritz und
Prädikat: herausragend! Wirklich.
Das Kulm Hotel St. Moritz hat auf die Ski-WM 2017 hin ein Bau-
des Suvretta Houses besuchen.
Gleiten Sie über Schwarzeis Ab auf den See!
Wenn im Dezember die ersten Seen zugefroren sind und es
Während der (gefrorene) St. Moritzersee im Winter zur Sport-
noch nicht geschneit hat, ist sie da: Die seltene Möglichkeit, auf
arena für Pferderennen, Polo- oder Cricket-Turniere wird, ist er
«schwarzgefrorenen» Seen Schlittschuh zu laufen. Dabei ist aber
im Sommer fest in der Hand von Ruderern, Seglern, Fischern
Vorsicht geboten: Die Seen werden nicht offiziell freigegeben,
und Stand-up-Paddlern. Ganz egal, welche Sportart Ihnen lieber
erkundigen Sie sich bitte bei der St. Moritz Tourist Information über
ist: Hauptsache Sie fahren raus. Am besten frühmorgens – wenn
den Eiszustand.
die ersten Sonnenstrahlen auf das Wasser treffen und alle noch beim Frühstück sitzen. Magisch.
Ride the Cresta Run Mutige Männer in Ganzkörperanzügen auf einem besseren Bügelbrett verwandeln sich hier zu menschlichen Torpedos. Die Rede ist vom Cresta Run in St. Moritz – eine Sportart, die als Vorläufer von Skeleton gilt und seit 1884 in der Eisrinne zwischen St. Moritz und Celerina praktiziert wird. Der Sport ist den Männern vorbehalten, eine Voranmeldung auf dem Cresta-Run-Sekretariat ist Pflicht, für
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Anfänger auch ein Trainingskurs.
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Lassen Sie sich von Giovanni Segantini inspirieren
Muottas Muragl sehen und sterben
Das monumentale Alpentriptychon «Werden-Sein-Vergehen» in
gen. Denn wer einmal hier oben gewesen ist, der will gar nicht
der Kuppel des Segantini Museums ist immer ein Besuch wert.
mehr weg. Von Muottas Muragl aus haben Sie die beste Sicht auf
Giovanni Segantini (1858–1899) gilt als bedeutender Künstler des
die Oberengadiner Seen – eines der schönsten Panoramen der
realistischen Symbolismus und als grosser Erneuerer der Alpenma-
Schweiz schlechthin. Hoch bringt Sie die bezaubernde und altehr-
lerei. Er zog 1894 ins Engadin, 1908 wurde ihm zu Ehren in St. Moritz
würdige Zahnradbahn Muottas Muragl. Im Berghotel lässt es sich
das Segantini Museum eröffnet.
essen und übernachten.
Essen Sie ein Stück Engadiner Nusstorte
So ungefähr könnte ein Werbespruch für Muottas Muragl klin-
Tanzen Sie im Dracula Club
Immer eine Sünde wert ist die Engadiner Nusstorte. Durch ein-
Der Dracula Club gilt als einer der geheimnisvollsten Orte in
heimische Zuckerbäcker wurde diese Spezialität verfeinert, mit
St. Moritz. Gegründet von Gunther Sachs 1974, wurden hier schon
Rahm-Caramel kombiniert und mit Baumnüssen abgerundet. So
immer die exklusivsten Partys gefeiert. Über den Club sprechen
entstand eine Tradition, die Gäste in die ganze Welt tragen. Gibt‘s
alle, obwohl kaum jemand Konkretes berichten kann. Nach wie vor
zum Beispiel in der renommierten Conditorei Hanselmann oder in
öffnen sich die Tore des privaten Clubs nur für Mitglieder und deren
der Confiserie Hauser. Lesen Sie dazu die New York Times oder
Freunde – im Sommer allerdings für jeden Besucher des Festival
eine andere gute Tageszeitung.
da Jazz. Wenn Sie also niemanden kennen, dann besuchen Sie das Festival da Jazz!
Erleben Sie frühmorgens den Stazersee Dank den vielen Sonnentagen im Engadin erwärmen sich im Som-
Gehen Sie shoppen
mer selbst Bergseen auf über 20 Grad. Der Lej da Staz oder Sta-
Was in Zürich die Bahnhofstrasse oder in Los Angeles der Rodeo
zersee gehört zu den Engadiner Badeklassikern. Moorwiesen und
Drive, ist in St. Moritz die Via Serlas. Nur eben auf viel kleinerem
Schilfbestände geben ihm sein besonderes Gepräge. Erfrischen
Raum. Von Jimmy Choo über Gucci bis Louis Vuitton reiht sich hier
Sie Geist und Körper mit einer morgendlichen Schwimm-Session
alles aneinander was Rang und Namen im internationalen Mode-
oder nehmen Sie sich Zeit für Yoga und tanken Sie neue Kraft und
geschäft hat. Die Reihe grosser Namen wird im Dorfzentrum noch
Inspiration.
bereichert.
Fahren Sie mit dem Bernina Express nach Italien
Fahren Sie Ski – nachts!
Die erlebnisreiche Fahrt mit dem Bernina Express über den Berni-
An der Corvatsch Snow Night fahren Sie im Winter jeden Freitag bis
napass (2‘253 m ü. M.) führt durch wildromantische Täler, vorbei an
nachts um 2 Uhr auf der längsten beleuchteten Piste der Schweiz
Gletschern und Gipfeln ins Puschlav bis nach Tirano nach Italien.
(4.2 km). Nach dem Skischwingen trifft man sich in der legendären
Kein Wunder ist 2008 die Berninastrecke der Rhätischen Bahn in
Hossa Bar, wo die Party mit Hüftschwüngen weitergeht. Sie fahren
die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen worden. Enjoy!
doch lieber tagsüber Ski? Dann sollten Sie ein Mal im Leben die 9 Kilometer lange Hahnenseeabfahrt vom Corvatsch runter nach St. Moritz Bad erlebt haben.
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Trinken Sie Whiskey
Unternehmen Sie einen Architektur-Spaziergang
Im Hotel Waldhaus am See finden Sie die grösste Whiskeybar der
Die Architektursilhouette von St. Moritz ist vielseitig, gegensätzlich,
Welt. Devil‘s Place, so der Name der hauseigenen Bar, hält 2‘500
aussergewöhnlich – und oft unterschätzt. Zu den Architekturhigh-
Whisky-Sorten bereit. Schon einige Male hat diese Whisky-Samm-
lights gehören Norman Fosters Chesa Futura, der schiefe Turm
lung einen Eintrag im «Guinness Buch der Rekorde» erhalten.
oder etwa das Olympia-Stadion von 1928 und 1948.
Machen Sie eine Taxifahrt – im Bobkanal
Singen Sie im Stübli
Der Olympia Bob Run St. Moritz-Celerina ist die einzige Natur-
Das «Stübli» im Hotel Schweizerhof ist eng, verraucht und legen-
eisbahn der Welt. Taxifahrten finden täglich im Anschluss an die
där. Das Publikum ist bunt gemischt und während der Hochsaison
Trainings- und/oder Rennfahrten statt. Für die 1‘722 Meter lange
heizen Live-Gitarristen die Stimmung an. Singen und tanzen Sie
Fahrt benötigen Sie ca. 75 Sekunden, im «Horse Shoe» erreichen
einfach mit!
Sie einen Druck von bis 4,5 G und vor dem Martineau Corner einen Top Speed von bis zu 135 km/h.
Erleben Sie die dolce vita auf dem gefrorenen St. Moritzersee Wandern Sie zum ewigen Eis
Der St. Moritzersee wird im Winter zu einer einzigartigen Sport-
Das Bernina-Gebiet zwischen Pontresina und Cavaglia besticht
arena in der die berühmten White-Turf-Pferderennen (Februar), das
schon seit jeher durch seine atemberaubende Schönheit. Im
Snowpolo-Turnier (Januar) oder Cricket-Turniere (Februar) stattfin-
Zentrum steht dabei das ewige Eis mit der einmaligen Aussicht von
den. Die Zeltstadt mit zahlreichen Attraktionen sorgt dafür, dass
der Bergstation Diavolezza auf das Bernina-Massiv, dem einfachen
es Besuchern hier nie langweilig wird. Geniessen Sie die Sonne,
Gletscherzugang zum Morteratsch-Gletscher über den Themen-
genehmigen Sie sich ein Glas Sekt und schauen Sie einfach dem
weg oder den sehenswerten Gletschermühlen in Cavaglia.
Treiben zu.
Fahren Sie den Corviglia Flow Trail runter Der St. Moritzer Hausberg Corviglia ist der Mountainbike-Berg
Nehmen Sie den langsamsten Schnellzug der Welt
schlechthin. Zu diesem Ruf haben unter anderem verschiedene
Eine 8-Stunden-Bahnfahrt über 291 Brücken, durch 91 Tunnels und
Flow Trails, gebaute «Mountainbike-Achterbahnen» mit Steilwand-
über den 2‘033 m hohen Oberalppass. Das ist der weltberühm-
kurven, Bodenwellen und Sprüngen, beigetragen. Der Corviglia
te Glacier Express von St. Moritz bis Zermatt. Der «langsamste
Flow Trail ist der berühmteste davon und gehört auf die Bucket List
Schnellzug der Welt» zeigt einen Querschnitt durch die vielfältige
eines jeden Mountainbikers. Achtung: Traumpanorama!
Schweiz und ist ein Stück echtes Reisevergnügen. Platzreservation
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SPOTWERBUNG, St. Moritz | 2017
ist in allen Zügen obligatorisch.
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Fahren Sie mit einem Klassiker über einen Alpenpass
Laufen Sie den Engadin Skimarathon
Viele Passstrassen in den Alpen eignen sich perfekt für genussvolle
onen die grösste Skilanglaufveranstaltung der Schweiz. Ein High-
Ausflüge ins Blaue. Ins Oberengadin führen gleich sechs davon:
light für Plausch-, Erlebnis- und Spitzenlangläufer gleichermassen.
die Pässe Albula, Bernina, Flüela, Maloja, Julier und Ofen. Reisen
Zeigen Sie es Ihrem inneren Schweinehund und wagen Sie es!
Der «Engadiner» ist mit gut 13‘000 Teilnehmern aus rund 60 Nati-
Sie stilvoll mit einem Oldtimer über einen dieser Pässe an – und fahren Sie danach alle ab. Oder nehmen Sie gleich an einem der St. Moritzer Automobilanlässe teil.
Lassen Sie sich in einem Spa verwöhnen Am besten im OVAVERVA Hallenbad, Spa & Sportzentrum St. Moritz, oder auch in den traumhaften Spas im Kempinski Grand Hotel
Versuchen Sie Ihr Glück im Casino St. Moritz
des Bains, Badrutt‘s Palace Hotel, Carlton Hotel oder im Kulm Hotel
American Roulette, Black Jack, Ultimate Texas Hold‘em Poker,
St. Moritz. Übrigens: Das originale St. Moritzer Quellwasser gibt‘s im
Slotmaschinen. Fühlen Sie sich ruhig wie James Bond, wenn Sie im
Heilbad St. Moritz, im Forum Paracelsus oder im Kempinski-Spa zu
Casino St. Moritz die Karten zücken.
trinken. Prost und auf Ihr Wohl!
Relaxen Sie auf der Terrasse der Alpina Hütte
Machen Sie mal nichts!
Die Alpina Hütte im Skigebiet Corviglia ist ein echter Hüttenklas-
Vergessen Sie nicht: Sie sind zum Spass da. Also nehmen Sie es lo-
siker. Auf der grossen Sonnenterrasse mit Schneebar lautet das
cker und machen Sie mal gar nichts. Auch nicht das, was auf dieser
Motto: Sehen und gesehen werden. Und wenn Sie schon mal hier
Liste steht. Geniessen Sie Ihr Hotelzimmer oder Ihre Ferienwoh-
sind: Machen Sie im Frühling beim Waterslide Contest mit.
nung, lassen Sie sich das Frühstück ans Bett bringen, schauen Sie aus dem Fenster und freuen Sie sich, hier zu sein.
Unternehmen Sie einen Ausflug an den Comersee Es ist ja schon superschön in St. Moritz und im Engadin. Aber nutzen Sie auch mal die zahlreichen Möglichkeiten für nahegelegene Ausflüge. Unser Evergreen: Die kleine grosse Reise durchs Bergell ins italienische Chiavenna zum Gelato und weiter bis Colico an den Comersee. In einer guten Stunde Fahrzeit erleben Sie so zwei Länder, drei Vegetations- und Kulturräume und viele kulinarische Highlights!
Schreiben Sie eine Postkarte Ja genau, keine SMS, keine WhatsApp-Nachricht, kein Facebookoder Instagram-Post. Sagen Sie es wieder mal ganz klassisch. In den St. Moritzer Buchhandlungen gibt‘s alte, historische St. Moritz-Sujets zu kaufen. Und am besten schreiben Sie die Postkarte in einer schönen Hotelhalle oder auf einer Sonnenterrasse.
Besuchen Sie eine Kunstgalerie Nirgends in den Alpen finden sich auf engstem Raum so viele Galerien wie in St. Moritz und dem Engadin. Immer ein Besuch wert sind die international beachtete Galerie Gmurzynska oder die Vito Schnabel Gallery. Die St. Moritz Design Gallery im Parkhaus Serletta
BUCKET LIST FÜR WEBSEITE ST. MORITZ
ist an 365 Tagen während 24 Stunden offen und zeigt jährlich wech-
TEXT FABRIZIO D‘ALOISIO FOTOS ARCHIV ST. MORITZ
selnde Ausstellungen. Sehenswert!
WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESTALTUNG UND PROGRAMMIERUNG WEBSEITE
THE STORY BOOK | Content, Text, Storytelling
HISTORIE | Webseite St. Moritz
D IE L E G E NDE: WIE ST. M ORITZ DE N WI N TE RTO UR I S MUS E R FA N D
Wiege der Winterferien Vor rund 150 Jahren ging der St. Moritzer Hotelier Johannes Badrutt mit seinen Sommergästen eine Wette ein. Und erfand damit die Winterferien. Der Winter im Engadin sei voller Sonnenschein und viel angenehmer als jener in England. Um dies selbst zu erleben, lade er sie in sein Hotel ein. Sollten sie nicht zufrieden sein, übernehme er auch die Reisekosten. Diesen Vorschlag machte der Engadiner Hotelier Johannes Badrutt im Herbst 1864 den letzten verbliebenen englischen Sommergästen. Die Engländer kannten den kalten und feuchten Winter insbesondere in London und konnten sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es in den Schweizer Alpen anders sein sollte. Sie kamen dennoch zur Weihnachtszeit ins Oberengadin – und reisten erst nach Ostern wieder heim: braungebrannt, erholt und glücklich. Sie waren die ersten Wintertouristen der Alpen und sie entdeckten eine neue Welt: die weissen Winterferien. In der Folge hinterliessen die Briten in St. Moritz ihre Spuren in Form von Curling- und Cricketturnieren, Eissport-Anlässen oder etwa dem Cresta Run und dem Bob Run.
E RFIND UNG DES M ODER N EN WINTE R S PO RTS
Wintersport 1.0 Immer mehr Wintergäste besuchten fortan St. Moritz. Der Engadiner Winter war wunderschön, aber auch todlangweilig. Es gab damals keinen Eventkalender und auch keine Flagship-Stores, um sich die Zeit zu ver-
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SPOTWERBUNG, St. Moritz | 2017
treiben. Aber wenn Briten und St. Moritzer zusammenkommen, bleibt es nie langweilig. Immer noch auf die Engländer ausgerichtet, entstand darum in St. Moritz der erste Curling-Platz der Schweiz. Danach folgte 1884 der Cresta Run. Der Bob Run von St. Moritz nach Celerina wurde 1904 in Betrieb genommen. St. Moritz wurde damit nicht nur die Wiege der weissen Winterferien, sondern auch des alpinen Wintersports. Die ersten Olympischen Winterspiele fanden nicht von ungefähr 1928 im Engadin statt.
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U NG E B RE MSTER P IONIER GEIST
Trendsetter St. Moritz Während St. Moritz zum beliebten Ausflugsziel von illustren und kultivierten Gästen wurde, entfaltete es einen bemerkenswerten Pioniergeist. Das erste elektrische Licht, die erste Skischule oder die erste elektrische Strassenbahn des Landes. Das progressive Bergdörfchen St. Moritz stand bei der Einrichtung vieler heute selbstverständlichen Errungenschaften an erster Stelle. Auch Grossveranstaltungen haben im Engadin eine lange Tradition: Zwei Olympische Winterspiele (1928 und 1948), fünf Ski-Weltmeisterschaften (1934, 1948, 1974, 2003, 2017) oder die ersten Snowboard-Weltmeisterschaften auf dem Kontinent (1987) zeugen davon. Solche Events und die berühmten St. Moritzer Gäste sind für den einmalig hohen Bekanntheitsgrad und Prestigewert von St. Moritz auf der ganzen Welt verantwortlich. Heute finden wir St. Moritz-Hotels, -Restaurants und -Geschäfte in Miami Beach, Dubai, Shenzhen, Los Angeles, Rio de Janeiro, Manila oder Tokyo. Um seinen Namen vor Missbrauch zu schützen, hat ihn St. Moritz – als erster Ort überhaupt – 1986 als Marke registrieren und seither in über 50 Ländern schützen lassen.
GESCHICHTEN FÜR WEBSEITE ST. MORITZ TEXT FABRIZIO D‘ALOISIO FOTOS ARCHIV ST. MORITZ WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESTALTUNG UND PROGRAMMIERUNG WEBSEITE
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FAMIGLIA NOSTRANA | Editorial für Buch
FAMIGLIA NOSTRANA Nostrano heisst «das Unsrige». Das von hier,
erhalten. Anderseits haben junge, innovative
vom heimischen Ort, das Selbstgemachte.
Produzenten vor Ort begonnen, alte Kultur
Der erdige, herbe Wein im Grotto wird etwa
pflanzen zu beleben, traditionelle Gerichte
als Nostrano bezeichnet, der grobe Salami
neu zu interpretieren und sich auf vererbtes
aus der Hausschlachtung oder der selbst her
Handwerk zu besinnen. Trotz unterschied
gestellte Käse. Nostrano bedeutet aber auch
licher Einflüsse hat der Südkanton vielerorts
rein, authentisch, unverdorben, der Tradition
seinen spezifischen Charakter bewahrt. Die
verpflichtet, überliefert von der Grossmutter,
althergebrachten Rezepte, Techniken und das
aus einfachen Naturprodukten erzeugt, biolo
Wissen drumherum finden zurück in den mo
gisch, nachhaltig, ethisch korrekt, «Chilometro
dernen Alltag und werden hier wegen ihrer
zero». Das Nostrano erlebt eine heimliche
Ursprünglichkeit und Qualität geschätzt.
Renaissance und ist längst als Mainstream auf dem Tisch des modernen Hipsters angekom
In «Famiglia nostrana» nehmen Juliette
men. Wir alle wollen gesund essen. Wissen,
Chrétien und Pepe Regazzi den roten Faden
woher unsere Nahrung stammt. Ein reines Ge
auf, den sie in ihrem ersten gemeinsamen
wissen haben … und mittlerweile können wir
Werk «Ticino ti cucino» aus dem Jahr 2012
es uns auch leisten.
zu spinnen begonnen haben, verlängern und
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SPOTWERBUNG, St. Moritz | 2017
verknüpfen ihn neu. Im Zentrum ihrer Recher Essen ist in aller Munde – es ist der neue Pop.
chen steht die Idee des Nostrano – des un
Für den fortschrittlichen Feinschmecker, der
verfälschten Tessiner Produkts. Daran knüpft
sich um die Balance zwischen Genuss und
eine ganze Reihe von Geschichten und Erleb
Gesundheit bemüht, sich für die kulturellen
nissen, aber auch die Menschen hinter den
Hintergründe des Essens, deren Herkunft und
Produkten, die reiche Kultur, die Traditon, Ge
Verarbeitung interessiert, hat sich mittlerweile
schichte und Lebensart des Tessins. Für das
der fast niedliche Begriff «Foodie» etabliert.
Zusammentragen der Informationen scheuen
Der Trend hat längst globale Ausmasse er
die beiden keinen Aufwand. Jedes Tal wird
reicht und beeinflusst verwandte Gebiete wie
besucht, jedes noch so abgelegene Gehöft,
etwa die Kleidung, das Wohnen oder die Mobi
Freunde werden befragt und die neuen
lität. Ironischerweise befriedigen die Nostrano-
Bekanntschaften, die sich im Laufe des Pro
Produkte, die im Laufe der Geschichte eigent
jekts ergeben haben. Bewusst verlassen sie
lich aus Notwendigkeit entstanden sind, die
dafür die ausgetretenen Pfade, nehmen Spur
heutige Sehnsucht nach einem bewussten,
auf – mit sicherem Instinkt, Euphorie und
gesunden und nachhaltigen Lebensstil.
grosser Liebe zum reichen Terroir.
Im kleinräumigen Tessin mit seinen weit ver
Im vorliegenden Nachschlagewerk sind sie
zweigten Tälern ist man nie richtig in die in
nun versammelt, die begeisterten Vertreter
dustrielle Produktion eingestiegen. So haben
des Tessiner Nostrano: Pioniere des Merlots,
sich altes Wissen und traditionelle Techniken
kompromisslose Metzger und Salumieri, be
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gnadete Bäcker und Confiseure, überzeugte Landwirte, Älpler, Hirten und Käser, geschickte Handwerker und Philosophen, spritzige GazosaProduzenten, die Nera Verzasca und andere Originale, herzliche Gastgeber in ihren ur sprünglichen Grottos und bodenständigen Osterias, aber auch wundervolle Palazzi und idyllische Landstriche im ganzen Tessin. Allen gemeinsam ist die Leidenschaft für das authen tische Produkt im Sinne des Nostrano. Entwe der weil sie das Erbe seit Generationen weiter tragen, oder weil sie aus Überzeugung zu den alten Methoden und Produkten zurück gefunden haben und diese nun auf moderne Art interpretieren. Dabei ist das Alte neu. Tradition plötzlich Trend. Die Auswahl ist eine subjektive Momentaufnahme und wertet den unerhörten Reichtum der ursprünglichen Pro dukte und der Tessiner Kultur im Allgemeinen – dies ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Einen wichtigen Teil des Buches machen die faszinierenden Bilder von Juliette Chrétien aus. Durch die analoge Fotografie auf Film entsteht eine ganz eigene, verklärte Optik. Subtil, zurückhaltend, mit subjektivem Auge vermitteln die Aufnahmen oft nur eine wage Idee, lassen mehr erahnen als sie zeigen. Wecken dadurch das Kino im Kopf und die un bedingte Lust, selbst aufzubrechen und diese wunderbaren Orte zu besuchen, die Produkte, das Tessin und den Nostrano zu entdecken – selbst Teil zu werden der «Famiglia nostrana». Ich denke, so will das vorliegende Werk in aller erster Linie verstanden werden … EDITORIAL FÜR BUCH FAMIGLIA NOSTRANA
Dario Cantoni
TEXT DARIO CANTONI FOTOS JULIETTE CHRÉTIEN
BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
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AMA, DIE MEERFRAUEN VON JAPAN | Hotellerie et Gastronomie Magazin
Ama,
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SPOTWERBUNG, St. Moritz | 2017
die Meerfrauen von Japan
Bis ins hohe Alter tauchen sie nach kostbaren Muscheln und Schnecken, trotzen der Tiefe nur mit der Kraft ihres Atems. Ihre Haut ist von Meer wasser und Wind gegerbt, ihre Stimmen tief und laut.
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Seit Jahrhunderten ist in Japan das Tauchen nach Meeres früchten Sache der Frauen. Ein harter Job. Manchmal beträgt die Wassertemperatur nur zehn bis zwölf Grad, wenn die Ama in den Fluten des Ozeans verschwinden, um Meeresschnecken, Muscheln, Seeigel und Algen vom Meeresgrund zu holen. Nur mit einfachen Taucherbrillen und Flossen ausgestattet, glei ten die Ama in die Tiefe, um mit einem Meissel beispielsweise Schnecken von den Felsen zu lösen. Ein gefährliches Unterfangen, das einige Meerfrauen schon das Leben kostete. Die Dramatik, aber auch die von Exotik und Erotik getragene Vorstellung von einst halb nackt, nur mit einem Lendenschurz bekleideten Frauen, die sich ins Meer stürzen, hat sich bis heute gehalten. Allerdings haben solche Beschreibungen wie in dem 1963 erschienenen Buch «Die Insel der Fischermädchen» des italienischen Ethnologen und Fotografen Fosco Maraini nur wenig mit dem heutigen Alltag der japanischen Meerfrauen gemeinsam. Im 21. Jahrhundert schützen sich die Ama mit Neoprenanzügen vor der Kälte des Meeres. Gefährlich und überaus anstrengend ist der Beruf indes immer noch, und der Verdienst viel zu gering, um allein davon leben zu können. Die jungen Frauen suchen deshalb Arbeit in der Stadt. Zurück blei ben deren Kinder und die Grossmütter, die wohl letzte Generati on der Meerfrauen. Im Sommer 2010 besuchte die Kölner Fotografin Nina Poppe für ein Buchprojekt mehrmals die Halbinsel Shima, um die Ama aufzuspüren. Eine davon war bereits 85-jährig. Mit dem Tauchen aufzuhören, dachte die alte Dame damals noch lange nicht. Wes halb auch? Beinahe ihr ganzes Leben hat sie nach Seeohren, Krei selschnecken, Trompetenmuscheln, Seeigeln getaucht und Meeral gen gesammelt. In der Saison von Mai bis September fährt sie jeden Tag mit ihren Freundinnen auf einem Motorboot hinaus zu den tiefen Fanggründen. Die Verwunderung der Besucherin können die alten Taucherinnen nicht nachvollziehen. Wie eh und je gehen sie ihrem Tagwerk nach.
Diese Unaufgeregtheit vermittelt sich in den distanzierten Fo tografien von Nina Poppe. Ein Bild ihres Buchs «Ama» wirkt den noch wie eine visuelle Ansage: Es zeigt die weite, ruhige Meeres oberfläche unter einem tiefen Horizont. Erst auf den zweiten Blick entdeckt der Betrachter einen roten Schwimmreifen mit einem kleinen roten Fähnchen, womit die Tauchstelle einer Ama mar kiert ist. Von der Taucherin selbst sind lediglich zwei Schwimm flossen zu sehen. Die Ama wirken auf den ersten Blick in ihrer vollen Montur schon ein wenig wie Wesen von einem anderen Stern. Sie quet schen sich in schwarze Gummianzüge und farbige Thermoleggins, sie ziehen orangefarbene Handschuhe über und umwickeln den Kopf mit einem weissen Tuch. Das soll Haie abschrecken und die Taucherinnen für die Bootsbesatzung erkennbar machen. Ohne Un terstützung einer Sauerstoffflasche tauchen die Ama in bis zu 30 Meter Tiefe nach den Abalone genannten Schnecken, die in Japan als Delikatesse gelten und dementsprechend teuer sind. Früher war das Geschäft so einträglich, dass die Frauen das Haushaltsgeld für die ganze Familie verdienten. Heute ist das anders. Aufschluss über die tatsächlichen ökonomischen und sozio logischen Strukturen der Ama geben die Berichte von Ruth Lin hart. Die Beiträge der Japanologin sind auf der Website der Auto rin nachzulesen. Ihnen verdankt Nina Poppe wichtige Informationen über das Leben der Ama. Etwa die Misere, dass billige Importe aus China und Korea, Überfischung und Umweltver schmutzung die Preise für Abalones inzwischen kräftig gedrückt haben.
Die alten Ama aber tauchen weiter
Wer nicht mit einem Boot rausfährt, taucht mit einem als Ab lage umfunktionierten Schwimmring in Ufernähe. Mühsam ist die Arbeit trotzdem. Männer scheint es in diesem Reich nicht zu geben. Nur alte Frauen und ihre Enkelinnen. Nina Poppe inszeniert die Dorfgemeinschaft in kurzen, intimen Momenten als matriarchale Utopie, ohne dass sich dem Betrachter feministische Theorie auf drängen würde. In ihrem Buch entwirft sie mit leichter Hand die Vision einer autarken Insel, deren Bewohner abgeschirmt von der Hektik und Grausamkeit der übrigen Welt leben und die Zeit wie stillsteht.
BERICHT FÜR HOTELLERIE ET GASTRONOMIE MAGAZIN TEXT JÖRG RUPPELT, MARKUS WECKESSER FOTOS NINA POPPE WEITERE ARBEITEN MAGAZINDESIGN UND UMSETZUNG
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LA REINE DE LA PORCELAINE | Hotellerie et Gastronomie Magazin
“LA REINE
de la Porcelaine”
Sylvie Coquet, die Königin des “weissen Goldes”
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Vor zehn Jahren eröffnete Sylvie Coquet im Hinterland von Limo ges ihr Atelier für Porzellangeschirr. Ihr Geschäftsmodell war so einfach wie bestechend: «Back to the roots» – also reine Handarbeit in höchster Qualität. Das berufliche Umfeld gab Sylvie Coquet höchs tens sechs Monate. Heute heimst sie Preise für innovatives Unterneh mertum ein und beliefert die besten Küchenchefs von Frankreich mit ihren Entwürfen.
Wer in der Gastronomie das Wort Limoges hört, verbindet damit automatisch hochwertiges Geschirr. 1768 waren im Umland der rund 400 Kilometer südlich von Paris gelegenen franzö sischen Provinzstadt grosse Kaolinvorhaben entdeckt worden. Diese seltene, eisenlose Tonerde braucht es, um zusammen mit Feldspat und Quarzsand Porzellan zu brennen. Die Kaolinfunde katapultierten die gesamte Region, Le Limousin genannt, aus einem jahrhundertealten Dornröschenschlaf in die Neuzeit, und Limoges wurde zu einem der europaweit führenden Produktionsstandorte für Erzeugnisse aus Porzellan. Vorausschauend hatte man sich hier schon sehr früh auf die Herstellung von hochwertigem Geschirr spe zialisiert, was sich als Glücksfall erweisen sollte. Denn es entzückte nicht nur die Könige und Edelleute an den europäischen Höfen, sondern wurde auch nach der französischen Revolution vom Bür gertum als Statussymbol verwendet und weiterhin zu Höchstpreisen gehandelt.
Die Herstellung von Porzellan war ursprünglich reine Hand arbeit. Gebrannt wurde das Steingut im Holzofen. Im Lauf der Zeit wurde die Produktionsweise rationalisiert und perfektioniert, indem man die einzelnen Fertigungsschritte so weit wie möglich mechanisierte. Dank gasbetriebener Hochleistungsöfen und neuer Fertigungstechniken wurden in der Produktion immer höhere Stückzahlen erreicht. Doch der vermeintliche Fortschritt hatte – wie so oft – auch seine Schattenseiten. Denn in dem Masse, wie die Quantität zunahm, verringerte sich die Qualität. Wertvolles Know-how ging verloren. Neue Anbieter (insbesondere aus Fernost) tauchten auf dem Markt auf und überschwemmten diesen mit Bil ligware. Gleichzeitig lockerten sich die Sitten am Tisch. Porzellange schirr galt als altväterisch. Die einst unverwechselbare Ware verlor ihren Wert und wurde austauschbar. Die Preise sanken ins Boden lose. Die Krise in der europäischen Porzellanindustrie kam zunächst schleichend, ab den 1980er-Jahren war sie dann total.
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In der Krise geborene Geschäftsidee Genau hier beginnt die Geschichte der Sylvie Coquet: Die heute 48-Jährige entstammt einer in den 1960er-Jahren aus Paris zugewanderten Porzellanproduzentenfamilie, deren Name in der Spitzengastronomie seit langem für höchste Qualität steht. Der Haken an der Sache war allerdings, dass das ehemalige Familienunternehmen schon längst in einer der grossen Porzellanfabriken aufgegangen war und der Familienname zwar als Marke weiter hin Bestand hatte (und noch heute mit Erfolg vertrieben wird), von der ursprünglichen Philosophie aber nicht mehr viel übrig blieb. Zwangsläufig. Denn es lohnte sich schlicht nicht mehr, teure und qualitativ herausragende Ware zu produzieren, wenn alle anderen kostengünstigere Produkte auf den Markt warfen, die fast gleich aussahen und deren minde re Qualität vom Laien nicht erkannt wurden. Coquet blieb, trotz dem Verkauf des elterlichen Betriebs, zunächst in der Firma und stellte ihre Kreativität in den Dienst der neuen Besitzer. Doch irgendwann, es war Mitte der 1990erJahre, merkte sie, dass es das nicht sein könne. Sie wollte selbstständig sein, und dieser für sie grundlegenden Fehlentwicklung etwas entgegensetzen. So gründete sie, zusammen mit Jean-Pierre Cagin, einem befreundeten Maschineningenieur, eine kleine Manufaktur. Oder eben ein Atelier, wie man hier sagt.
Traditionelles Handwerk trifft auch Hightech
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Das Atelier liegt leicht erhöht auf einer Kuppe mitten im Niemandsland des Limousin. Hier, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, freuen sich Sylvie und Jean-Pierre diebisch, wenn sie dem Besucher von ihren Anfängen erzählen: «Die Leute fragten uns zu Beginn auf offener Strasse, ob wir wahnsinnig geworden seien», erinnert sich Coquet. «Man schloss Wetten darauf ab, wie lange wir durchhalten würden. Die ganze Gegend lachte über uns. Es war ziemlich hart.» Und Cagin ergänzt schmunzelnd: «Sie bekamen auch fast recht. Denn obwohl wir uns beruflich sehr gut ergänzen, gerieten wir uns anfänglich aufgrund unserer Sturheit oft in die Haare. Unser grösster Vorteil war und ist aber, dass wir sehr viel wissen über Porzellan und unser Ofen, den ich mit Sylvies Vater entwickelt habe, der einzige weit und breit ist, der nicht mit Gas, sondern elektrisch betrieben wird. Dies setzt uns in die vor teilhafte Lage, praktisch jede Idee von Sylvie umsetzen zu können, auch wenn sie noch so abgefahren ist. Mit diesem Ofen sind wir in der Lage, viel gezielter zu heizen und die Brenn temperaturen viel feiner zu regulieren. Das ermöglicht es uns, auch sehr fragile Produkte her zustellen, die qualitativ trotzdem herausragend sind, einen wunderbaren Klang sowie eine tolle Haptik haben und von der Form her stimmen.»
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Französische Spitzenköche lieben Sylvie Coquet Die Marke Feeling’s hat sich inzwischen mehr als nur etabliert. Zum Kundenstamm von Coquet und Cagin gehören mittlerweile die besten Köche Frankreichs – wie beispielswei se Emmanuel Renaut, der soeben für seine Arbeit im «Flocons de Sel» in Megève mit dem dritten Michelin-Stern ausgezeichnet worden ist und nicht nur den grössten Teil seines Geschirrs, sondern auch das Gros seiner Restaurantdekoration aus filigranem Porzellan von Sylvie Coquet fertigen liess. Dabei gab es keine Halbheiten, wie immer, wenn sie sich auf eine Zusammenarbeit mit wem auch immer einlässt: Renaut musste ihr seine Philoso phie erklären, seine Lokalität illustrieren, seine Menüs auflisten. Seinen gesamten berufli chen, gesellschaftlichen und privaten Kontext schildern. Erst dann setzte sich Coquet hin, um zu skizzieren, zu entwerfen und zu verwerfen. Immer an ihrer Seite Jean-Pierre Cagin, der auch für die verrücktesten Ideen eine porzellantechnische Lösung findet. Bei dieser Hingabe und diesem gebündelten Know-how erstaunt es nicht, dass das Ge schäft blüht (und damit, ein erfreulicher Nebenaspekt, auch die Spötter verstummt sind). In einer kleinen, aber umso feineren Nische, die man mit Bravour besetzt. Wo altes Hand werk auf Spitzentechnologie trifft, und auch formal alles zusammenpasst: Die Produkte drücken Stil und Eleganz aus, werden als absolut hochwertig wahrgenommen und wirken nie protzig. Schnörkellosigkeit ist Markenzeichen. Und Manierismus (oder gar Kitsch) hat hier schlicht keinen Platz. Die Sujets sind reduziert und durchdacht. Filigranität kommt ausschliesslich da zum Zug, wo sie Sinn macht. Humor und Verspieltheit sind hingegen integraler Bestandteil des gesamten Unternehmens. Für die Bewahrung der alten Porzellanproduktion wurde Feeling's übrigens kürzlich vom französischen Staat mit dem Prädikat «Entreprise du Patrimoine vivant» ausgezeich net. Als Unternehmen also, das sich vorbildlich für ein lebendiges Kulturerbe einsetzt. Dass solches nicht rückwärtsgewandt sein muss, zeigen Coquets poetische Entwürfe, allen voran jene, die sie für die Präsentation von Seafood kreiert hat: teilweise vergoldete oder platinierte Seeigelschalen, Schälchen in Form von Krebskörpern, Muscheln als Besteckhalter. Wellen, die über runde Teller ziehen. Sie alle genügen höchsten ästheti schen wie auch funktionalen Ansprüchen. Denn trotz ihrer zuweilen schon bangema chenden Feinheit bewähren sich Coquets Kreationen im täglichen Gebrauch und lassen sich selbstverständlich im Ofen einsetzen und auch in der professionellen Spülmaschine reinigen. Adel verpflichtet schliesslich. Auch wenn dieser 1789 in Frankreich offiziell ab geschafft worden ist …
BERICHT FÜR HOTELLERIE ET GASTRONOMIE MAGAZIN TEXT PHILIPP BITZER FOTOS CHRISTIAN KETTIGER (PORTRÄT) / FEELING‘S (BILDER PRODUKTION) WEITERE ARBEITEN MAGAZINDESIGN UND UMSETZUNG
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MAÎTRE ANTONY | Hotellerie et Gastronomie Magazin
Maître
Antony
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Wer in der Gastronomie etwas auf sich hält, kauft seinen Rohmilchkäse bei Bernard Antony. Doch Achtung, der erlauchte Käse fürst sucht sich seine Kundschaft heute selber aus.
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Der Käsefürst residiert in Vieux-Ferrette. Einem verschlafenen, gleichwohl gemüt lich anmutenden Nest mit hübschen Fachwerkhäusern und gepflegten Gärtchen im elsässischen Sundgau, knapp eine halbe Stunde Autofahrt von Basel entfernt. Allerdings: Die 5 Rue de la Montagne, Wohnsitz von Bernard Antony, ist auf Anhieb nicht zu finden. Wer kurz anhält und nach der Strasse Ausschau hält, wird von den Einheimischen mit einem Lächeln bedacht. «Ah, le Fromager?», antwortet ein älte rer Herr auf unsere Frage nach der Rue de la Montagne. Natürlich, Fremde mit einem ausländischen Autokennzeichnen in der tiefsten elsässischen Provinz. Die können doch nur zu Maître Bernard Antony wollen. «Immer weiter geradeaus, rechts in die Rue de l’Eglise und nach gut zweihundert Metern links in die Rue de la Montagne.» Und da sind wir schon vor Hausnummer 5 beim Eleveur de Fromages. Dass man hier auch Deutsch, oder besser gesagt, Elsässisch spricht – darauf lässt eine einfache, in dunklem Holz gehaltene Tafel über dem Eingang von Maître Antonys Haus schliessen: «Sundgäuer Chäschaller» steht da geschrieben. Bernard Antony, der Maître Fromager, der unumstrittene Käsefürst, begrüsst seine Gäste mit einem freundlichen Lächeln. In Jeans, Hemd und heller Schürze. Kein prätentiöses Gehabe. Und auch sein Domizil: Kein Pracht bau, kein Palast, sondern ein typisches Bauernhaus der Gegend mit kleinem Verkaufsladen und Käsetheke, einem Degustationsraum im Stile der 1980er-Jahre (die opulente, mehrteili ge «Cérémonie de fromage» wird Besuchern hier für 59 Euro offeriert), sieben kleinen, gleichwohl modernen Reifekellern und einem Refugium mit ausgesuchten, zu seinen Käsen passenden Weinen. Urkunden an den Wänden und eine Pinnwand am Eingang des Hauses künden davon, dass hier allerdings ein Mann von Welt lebt und arbeitet. Mit Fotos und Grusskarten be danken sich Künstler und der europäische Hochadel bei Maître Antony für dessen delizi öse Käseauswahl. Prinz Albert von Monaco und seine Frau Charlène sind dabei und sogar Königin Elizabeth, die sich persönlich für dessen herzlichen Glückwünsche zum 60-jäh rigen Thronjubiläum bedankte. Auffallend viele Fotos und Briefe stammen von Otto von Habsburg, Schriftsteller, Publizist, Politiker und vor allem letzter Kronprinz von Öster reich-Ungarn. 50 Briefe wechselten der Käsefürst und der unlängst verstorbene hoch angesehene Blaublüter aus Wien. Zu Themen, die nicht nur den Käse, sondern auch Gesellschaft, Politik und Kultur berührten. «Uns verband eine Freundschaft», sagt Bernard Antony in aller Bescheidenheit. Zu Maîtres Kunden gehören nicht nur der blaublütige Adel, sondern auch der Hoch adel der Küche. 19 Dreisterne-, 27 Zweisterne- und 30 Einsterne-Restaurants. Maître Antony beliefert Alain Ducasse und Alain Passard, Pierre Gangnaire und Harald Wohl fahrt, Jean-Claude Bourgueil und Jean-Georges Klein. «Natürlich habe ich auch ehren werte Kunden in der Schweiz», betont der Maître. Mit Philippe Rochat hielt und hält er Kontakt. Und obwohl ihm der komplizierte Papierkram mit den Einfuhrbedingungen in die Schweiz ziemlich ärgert, ist er oft in der Schweiz unterwegs. Seine Käseauswahl und seine Künste in Sachen Buffet-Zeremonien sind weitherum gefragt: ob im Grand Hotel Les Trois Rois in Basel, bei Benoît Violier in Crissier, bei Roland Schmid in der Aebtestube im Quellenhof Bad Ragaz, bei Reto Mathis in St. Moritz oder im Waldhaus in Flims.
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Bernard Antony leistet sich den Luxus, seine Kunden selbst aus zusuchen. Plumpe Anrufe und Nachfragen bezüglich Sortiment und Preisliste beantwortet er charmant, aber bestimmt mit den Worten: «Ich habe keinen Käse und keine Preise.» Wer hingegen mit ihm das Gespräch sucht und den Eindruck erweckt, etwas von ausgesuchtem Rohmilchkäse zu verstehen und noch dazu eine vor zügliche Küche führt, ja der könnte womöglich von Bernard Antony in den erlauchten Kreis der Kunden aufgenommen werden. Gut 120 exquisite Rohmilchkäse vornehmlich aus Frankreich (ein Parmigiano Reggiano aus Italien sowie ein ausgewählter Gruyère AOC und ein Vacherin Fribourgeois sowie Stilton aus Eng land komplettieren das Programm) lagern und reifen in den mo dernen Kellern des Maîtres und stehen später bereit zum Verkauf. Dass es sich dabei um ausnahmslos unpasteurisierte Rohmilchkä se handelt, versteht sich von selbst. «Der Unterschied zwischen einem pasteurisierten und einem unpasteurisierten Rohmilchkä se ist in etwa der gleiche wie der zwischen einem Keyboard und einem Konzertflügel», diktierte Bernard Antony unlängst einer deutschen Journalistin ins Notizbuch. «Man kann es auch deftiger ausdrücken», sagt er bei unserem Besuch. «Pasteurisierte Käse ist wie ein kastrierter Mann!». Es ist auch nicht immer alles verfügbar. Käse ist wie Gemüse ein Saisonprodukt. «Hartkäse gibt es im Früh jahr bis Herbst, und wenn die Ziege im Mutterschaftsurlaub ist, gibt es im Januar und Februar eben keinen Ziegenkäse.» Auf die Frage, wer zu seinen Käseproduzenten gehört und wie er sie auswählt und wie betreut, hält sich der Maître bedeckt. «Sie können den Namen schreiben und die Region. Alles andere ist Be triebsgeheimnis.» Die Gunst des Affineurs erwerben sich grund sätzlich jene Käseproduzenten, die erst einmal zeigen, dass sie Re spekt vor den Tieren haben. Massentierhaltung und Zusatzfutter gehen gar nicht. Um den perfekten Rohmilchkäse-Geschmack her
vorzubringen, sei die Ernährung der Tiere wichtig. Etwa Bergkräu ter auf den Alpen im Sommer und reines Heu im Winter. Auch die Luft spiele eine Rolle. Und natürlich die Gegend, in der die Kühe, Ziegen und Schafe weiden. Zuletzt machen die Bakterienkulturen den wahren Geschmack eines Käses aus. Die frisch gemolkene Milch wird auf bis maximal 40 Grad Celsius erhitzt. Höhere Temperaturen sind in des Maîtres Augen Frevel. Was für die einen eine Delikatesse, ist für die Regierung der USA eine gefährliche Substanz und deshalb verboten. In der EU unterliegt die Herstellung von Rohmilchkäse strengen Hygiene vorschriften und wird in schönster Bürokratensprache als «unver ändertes Gemelk von Nutztieren» bezeichnet. Dass es Rohmilch käse in reinster Form überhaupt noch zu kaufen gibt, ist mit ein Verdienst von Maître Antony. Anfang 1990 entzündeten sich in Deutschland und Frankreich die Diskussionen um gefährliche Erre ger im Rohmilchkäse. 1992 stand in der EU zur Debatte, dem belieb ten Käse gänzlich den Garaus zu machen. Bernard Antony schaltete sich in die öffentliche Diskussion ein und kämpfte an der Seite von Prinz Charles, der sein Ansehen und seinen Einfluss überall geltend machte, gegen die drohende Beerdigung des wahren Rohmilchkä ses. Als das Syndicat des Fromages 1992 in Strassbourg ein grosses Buffet organisierte und Botschafter suchte, wandte sich Bernard Antony an seinen Freund, den ehemaligen französischen Präsi denten Valerie Giscard d’Estaing. «Ich erinnere mich noch, als ich bei ihm anrief. Monsieur le Président (damals war d’Estaing längst nicht mehr Präsident, in Frankreich ist es jedoch üblich, dass man auch die Alt-Präsidenten mit Präsident anspricht) habe keine Zeit, antwortete eine Sekretärin. Daraufhin sagte ich erbost: «Madame, auch ich habe keine Zeit, aber ich und der Rohmilchkäse brauchen ihn!» Wenig später habe dieselbe Dame zurückgerufen mit den Worten: «Monsieur Le Président hat selbstverständlich Zeit.»
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An jene Kämpfe, die nunmehr 20 Jahre zurückliegen, denkt Ber nard mit einem Schmunzeln zurück. Dass er selbst einmal zum be rühmtesten «Maître fromager affineur» aufsteigen sollte, hätte er in seiner Jugend nicht im Traum gedacht. Bernard Antony wächst als Sohn einer einfachen, elsässische Mundart sprechenden Bauernfami lie auf, die nicht mehr als drei Kühe und etwas Land für Getreideund Gemüseanbau besitzt. Mit 14 verlässt er die Schule und schuf tet für einen kargen Lohn in einer nahen Besteckfabrik. Nach der Militärzeit arbeitet er in einem Lebensmittelladen im Nachbardorf Riespach und macht sich wenig später mit einem eigenen Gemischt warengeschäft selbstständig. Mit einem umgebauten Bus fährt er von Dorf zu Dorf und verkauft Butter, Kaffee und Kleider. 1978 heiratet er. Seine Frau Jeanine wird bis zu ihrem Tod vor wenigen Jahren eine grosse Stütze in seinem Leben. Ende der 1970er-Jahre lernt er den bekannten Affineur Pierre Androuët kennen. Und der ermuntert den jungen Bernard, bei ihm zu lernen und fortan auf Käse zu setzen. Auf die Frage, weshalb er nicht selbst angefangen habe, Käse herzustellen, antwortet Bernard Antony: «Ach wissen Sie, es ist wie mit den Kindern. Sie in die Welt zu setzen ist einfach. Sie zu erzie hen ist schwierig!» Anfänglich verkauft Maître Antony sogar pasteurisierten Käse. Ein Faux pas – der ihm heute natürlich nicht mehr unterlaufen würde. Spitzenkoch Alain Ducasse entdeckt den begabten Maître und wird für den Elsässer «Türöffner» für die Sterne-Gastronomie. Auch Alain Passard, Harald Wohlfahrt und der deutsche Gastronomiekritiker und Buchautor Wolfram Sie beck entdecken das feine Händchen des Maîtres für Spitzenkäse und unterstützen ihn in der Startphase. Die ersten Häuser, die Ber nard Maître in der Schweiz beliefert, sind der «Teufelhof» und das «Stucki» in Basel. Heute ist Sohn Jean-François Antony dabei, in die grossen Fussstapfen seines Vaters zu treten. Wie der Papa ist auch er freundlich, weltgewandt, mehrsprachig. Und – wie es sich
für einen Antony offensichtlich gehört – diskret, was präzise An gaben über die Herkunft der verschiedenen Rohmilchkäse anbe langt. Ob es überhaupt noch etwas gebe, was ihn, den Maître, vom Stuhl hauen könnte, fragen wir Bernard Antony. «Natür lich», antwortet er. Erst gestern habe er in Paris im Drei-SterneRestaurant Le Pré Catelan einen St.-Nectaire-Rohmilchkäse aus der Auvergne probiert und gedacht, «Mensch, Bernard, ist der Käse gut!» Und er selbst in Vieux-Ferrette? Hat er womöglich ganz tolle, exklusive Käseneuheiten im Sortiment, von der noch niemand weiss? «Neuheiten?», fragt der Käsefürst naserümpfend zurück, «Neuheiten können Sie jeden Tag in der Zeitung lesen. Bei mir finden Sie Tradition.» www.fromagerantony.fr
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DAS MODEL UNTER DEN SOMMELIERS | Hotellerie et Gastronomie Magazin
Das Model unter den
Sommeliers
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Die Zürcher Sommelière Shirley A. Amberg kennt sich aus in der Welt der Weine. Sie weiss, was Trend wird und wie eine sorgfältig zusammengestellte Weinkarte aussieht.
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Die Liebe zum Wein wurde Shirley A. Amberg vererbt: Die Mutter der gross gewachse nen, schlanken Frau mit langen, schwarzen Haaren stammt aus Südafrika, ihr Vater ist halb Österreicher. Während andere in ihren Ferien im Sand buddelten, spielte sie zwischen den Rebstöcken in Stellenbosch, dem bekanntesten Weinanbaugebiet Südafrikas. «Meine El tern trinken oft und gerne Wein, und so kam ich früh mit dieser Welt in Verbindung.» Wei ne haben die 33-jährige Zürcherin schon immer fasziniert, es gebe immer etwas darüber zu reden. «Weine bieten unendliche Möglichkeiten.» Und so begann sie nach siebenjähriger Tätigkeit im Controlling der Credit Suisse mit der Ausbildung zur Sommelière in Lachen am Zürichsee.
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«Ich suchte nach einer Arbeit, die mir Freude vermittelt und die Möglichkeit gibt, mei ne Zeit selber einzuteilen, da wir ein Kind wollten.» Shirley A. Amberg ist seit 17 Jahren mit ihrem Mann zusammen und lebt am linken Zürichseeufer. Nun, ihr Plan ging auf: Ihr Sohn zählt heute viereinhalb Jahre, und kurz nach ihrer Ausbildung begann sie auch schon ihre erste Kolumne für die Frauenzeitschrift «Annabelle» zu schreiben. «Eigentlich war ich für ein Fotoshooting auf der Redaktion. Doch es kam anders», schmunzelt das ehemalige Teilzeit-Fotomodell. Und so machte sie die Schweizerinnen während eineinhalb Jahren mit der weiten Welt der Weine bekannt. Mit Witz lässt sie sich aus über Etiketten-Trinker, die Mär vom Männer- und Frauenwein sowie Weine, die sie kennt und die ihr gefallen. Dazu zählen sehr trockene Champagner, deutsche Rieslinge genauso wie der südafrikanische Pinotage oder Shiraz. Ihre Kolumnen kamen an. So waren journalistische Beiträge von Shirley A. Amberg unter anderem in den Magazinen «Bilanz» und «Marmite» sowie in der NZZ und «Welt woche» zu lesen. «Da ich am liebsten über Weine schreibe, plane ich nun, ein Buch darüber zu veröffentlichen», sagt sie und ihre Augen beginnen freudig zu glänzen. Gross, sexy und edel soll es daherkommen. Ihr schwebt ein Fachbuch mit persönlichen Anekdoten vor, das informativ, aber nicht belehrend ist. Ein Thema pro Seite möchte sie abhandeln. Ein Nachschlagewerk, eher für das jüngere und noch unwissende Zielpublikum gedacht, das gerne «auch was fürs Auge» hat. Zudem führt die Zürcherin schweizweit Tastings und Wine and Dines durch. Sei dies in der Buchhandlung Orell Füssli, im Zürcher Restaurant Seerose, in der Chefetage der CS oder in der Eidgenössichen Technischen Hochschule (ETH). Meist hat sie bei der Auswahl der Weine freie Hand. Da die Geschmäcker verschieden sind, erzählt die jun ge Frau vorwiegend über Winzer und Machart der Weine. «Die Freude am Entdecken von neuen Weinen und das Wissen darüber wächst.» Shirley A. Amberg denkt, dass die Leute deshalb künftig bereit sein werden, mehr für einen sorgfältig produzierten Wein zu bezahlen als bis anhin. «Der Markt ist übersättigt von Billigweinen.» Das neue Qualitätsbewusstsein und die damit verbundene Bereitschaft, etwas mehr für einen guten Tropfen zu bezahlen, fördere das Ansehen von traditionell hergestellten Weinen wie etwa des Burgunders oder Sangioveses. Der Trend gehe in Richtung elegante, finessenhafte Weine. Dazu zählt sie auch diverse autochthone Schweizer Weine und solche, die im östlichen Mittelmeerraum – Griechenland, Türkei, Zypern sowie Kroatien – hergestellt werden. «Die Zeit der opulenten, holzbetonten, Schoggi- und Fruchtbomben ist vorbei. Um sich auf dem Laufenden zu halten, liest Shirley A. Amberg viele Newsletters und Blogs zum Thema Wein und macht sich ständig Notizen: «Mein kleines, schwarzes Büchlein ist überall mit dabei.»
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Weine für den Geist Ein weiterer Trend sei der Vin orange, der schon seit Urzeiten um die Stadt Triest gekeltert wird. Der Wein hat seinen Namen von seiner Farbe, die sich ergibt, wenn Weisswein wie Rotwein herge stellt wird. Dazu bedarf es sehr reifer Trauben, die erst lange nach der in der Weinbauregion üblichen Ernte gelesen werden. Nach der Lese werden sie bis zu einem halben Jahr mitsamt der Schale vergoren. Dabei bilden sich ein hoher Tanningehalt und eine spe zielle Textur. Die überwiegende Mehrzahl der Orange-Vin-Winzer arbeitet biodynamisch, alle vermeiden den Einsatz von chemischen Substanzen wie Pestiziden, Fungiziden, Herbiziden, sowie Rein zucht- und Aromahefen. Auch Zusätze wie etwa Konservierungs stoffe sind unerwünscht. Die sparsame Verwendung von Schwefel vor der Abfüllung in Flaschen ist diesen Winzern sehr wichtig. Manche verzichten vollkommen auf eine Schwefelzugabe. Diese Weine sind grundsätzlich unfiltriert und kommen somit natur trüb in den Handel. Als sehr süffig, eher wie Rotwein als wie Rosé, beschreibt die Sommelière diese Weine. «Weine mit der vierten Weinfarbe sind etwas für den Geist.»
Gefragt sind biologische, vegane und vegetarische Weine Kein Wunder, kommen die Vins oranges gerade jetzt auf den Markt. Die Vins naturels, also Weine ohne Zusatzstoffe, sind hoch im Kurs. Auch biologische, vegetarische und gar vegane Weine sind je länger desto mehr gefragt. Doch oft verfügen biologisch produ zierte Weine über mehr Schwefel im Wein und Kupfer in der Erde, als solche, die nach herkömmlichen Methoden hergestellt werden. Weil Weine mit Schweinegelatine, Fischschleim oder Eiweiss ge klärt werden können, fragen Vegetarier und Veganer immer mehr nach Weinen, die ohne tierische Zusatzstoffe verarbeitet werden. Bald werden sie es einfacher haben: «Weil die Winzer vermutlich
bald genau deklarieren müssen, welche Stoffe sie ihren Weinen bei fügen, werden künftig mehr Vegi-Weine auf den Markt kommen.» Shirley A. Amberg vermutet dies, weil sie für das vegetarische Re staurant Hiltl in Zürich das Weinsortiment zusammengestellt hat. Dieses beinhaltet nun rund 30 vegetarische und vegane Weine. Die junge Sommelière ist der Meinung, dass eine Überarbeitung der Weinkarte vielen Restaurants gut täte. Nicht nur, weil die we nigsten über vegetarische Weine im Angebot verfügen. «Ich emp fehle Geschäftsführern, sich bei der Zusammenstellung der Wein karte von ihren persönlichen Vorlieben zu trennen und ein Angebot an verschiedenen Weinen bereitzuhalten, die jeden Geschmack tref fen.» Grosses Potenzial sieht sie in asiatischen Restaurants. Diese bieten oft keine Weine an, welche ihre Speisen optimal ergänzen. Dabei würden sich Rieslinge oder Gewürztraminer zu eher würzi gen, scharfen Speisen geradezu anbieten. Weiter rät sie Gastronomen, ihre Mitarbeiter in Sachen Wein zu schulen: «Die Mitarbeiter sollten Bescheid über die Weine wissen, die sie verkaufen.» Sommeliers sind in den wenigsten Be trieben vertreten. Deshalb bietet Shirley A. Amberg auch Mitar beiterschulungen an. Davon machte beispielsweise die Bar 0815 in der Nähe der Zürcher Bahnhofstrasse Gebrauch. Ebendort war die Sommelière an der langen Nacht der Mode bei PKZ Women prominent mit dabei. Im Schaufenster des Kleidergeschäfts machte sie ein Rioja-Tasting. Könnte sie aber wählen, würde sie gerne ein eigenes Weingut in Südafrika betreiben. «Oder die erste Master of Wine der Schweiz werden», wie sie mit einem Augenzwinkern sagt. www.orange-wine.eu www.shirleyamberg.com
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DER KRABBENKÖNIG | Hotellerie et Gastronomie Magazin
Der
Krabbenkönig
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Die Wellen des Silsersees plätschern sanft ans Ufer. Die Sonne strahlt vom wolkenlosen Engadiner Himmel. Auf dem Teller liegen schön angerichtet zwei rohe Scampi. «Roh gegessen sind Scampi eine wahre Delikatesse», schwärmt Heike Walther, Gastgebe rin im Restauant Murtaröl in Plaun da Lej. «Aber nur, wenn sie ganz frisch sind», schränkt Ehemann Antonio Walther, Gastronom und Seafood-Liebhaber, ein. Im «Murtaröl» be deutet «ganz frisch»: Das Tier wird erst bei erfolgter Bestellung durch den Gast vom Koch aus einem der Meerwasserbecken gefischt und à-la-minute zubereitet. Zwei Mitarbeiter sind eigens dafür im Einsatz. Ihr Arbeitsplatz befindet sich nicht in der Hauptküche, son dern in einer direkt ans Restaurant angebauten «Pescheria». Dieser Fischverkaufsraum hat einen separaten Eingang, ist aber auch von der Küche aus über einen Raum, in dem die Aquarien und Wasserbecken stehen, erreichbar. So haben Köche und interessierte Re staurantgäste, aber auch Fisch- und Seafoodkonsumenten aus der Umgebung je einen di rekten Zugang zu den Aquarien und Wasserbecken. «Bei uns ist es üblich, dass die Gäste und Käufer jederzeit einen Blick in die Aquarien werfen dürfen. Gäste, die das erste Mal bei uns sind, fordern wir sogar explizit dazu auf», erklärt Heike Walther. Diese Massnah me schafft Vertrauen und ist gleichzeitig gästebindend und verkaufsfördernd. Besonders, wenn Antonio Walther mit vor Begeisterung leuchtenden Augen erklärt, was da gerade vor beischwimmt, wo die Tiere ursprünglich leben und wie man sie am leckersten zubereitet.
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Salziges Bergquellwasser
Damit es den Meerfischen, Muscheln und Krustentieren bis zu ih rem Verzehr hier, auf 1800 Meter über Meer, möglichst gut geht, legt Antonio Walther grossen Wert auf die perfekte Wasserqualität. «Wir machen unser Meerwasser selber. Dazu mischen wir unserem Quell wasser eine Salzlösung bei», erklärt der ehemalige Biologielehrer. Das sei eine Wissenschaft für sich, und er habe am Anfang teures Lehr geld bezahlen müssen. So sei ihm einmal eine Lieferung Krustentiere eingegangen. Mittlerweile hat Antonio Walther 15 Jahre Erfahrung im Umgang mit den sensiblen Meeresbewohnern und weiss, dass man Krustentiere, die ausserhalb des Wassers transportiert wor den sind, zuerst waschen und dann mit dem Hinterteil voran in die Aquarien setzen muss. «Sie müssen beim Eintauchen Luft ablassen, um auf die Wasseratmung umstellen zu können», erklärt Antonio Walther. Wirft man sie kopfüber ins Wasser, können sie ersticken.
Die Bestellung aufnehmen ist Chefsache
Die Faszination, die Crevetten, Jakobsmuscheln und Stein butt auf Antonio Walther ausüben, ist auch nach fünfzehn Jah ren ungebrochen. Sie ist sogar so gross, dass der Gastronom die Bestellungen seiner Gäste jeweils selber am Tisch aufnimmt. Einerseits, weil ihm das fachmännische, persönliche Beraten grosse Freude bereitet, andererseits weil der Chef am besten über das aktuelle Seafood-Tagesangebot Bescheid weiss. Kein Wunder, denn meist hat er die Fische, Muscheln und Krustentiere vor wenigen Stunden erst selber auf dem Fischmarkt in Mailand eingekauft.
Erholung zwischen auf Eis gelegten Fischen
Bis zu viermal pro Woche fährt Antonio Walther oder einer seiner Mitarbeiter morgens um 2.30 Uhr über den Malojapass nach Mailand, um sich mit frischen Fischen und anderen Meeresbewohnern einzudecken. Drei Viertel der Ware ist vor bestellt und muss nur noch abgeholt werden. «Ich arbeite eng mit Mittelsmännern zusammen, die suchen für mich die bes te Ware und machen sie transportbereit.» Einen Gang durch die grosse Markthalle, von Fischhändler zu Fischhändler, lässt sich Antonio Walther aber nicht entgehen. «Ich fühle mich
hier wie zu Hause», sagt der Bergler, während er zwischen den Schachteln mit auf Eis gelegten Fischen und den Paletten mit in Säcken abgefüllten Muscheln wandelt, hier einen kritischen Blick in eine der Kisten wirft, dort kurz schnuppert oder einen Fisch prüfend in der Hand wiegt und gleichzeitig mit den Fischhändlern auf Itali enisch fachsimpelt, feilscht und per Handschlag die nächste Liefe rung klarmacht. «Für mich ist die Fahrt zum Fischmarkt kein Stress, sondern ein Vergnügen. Ich liebe alles, was mit Fisch und Seafood zu tun hat. Auf dem Markt gehe ich quasi meinem Hobby nach und tanke neue Energie», schmunzelt Antonio Walther. Etwas ernster gibt er zu: «Wenn es nur um den Verdienst gehen würde, müsste ich zugeben: Der Zeitaufwand lohnt sich nicht.»
Bei Seafood ist Geiz nicht geil
Der «Svizzero» ist bei den Fischhändlern als guter, aber an spruchsvoller Käufer bekannt. Mindere oder alte Ware braucht man ihm gar nicht erst anzubieten, er will nur Topqualität. Das weiss hier jeder. «Ich bezahle lieber etwas mehr, dafür kann ich voll hinter dem Produkt stehen», sagt Antonio Walther. Er kauft prinzipiell nur Fische und Seafood mit klarer Herkunftsbezeichnung und achtet auf die Fangart. «Ich bin gegen das Fi schen mit Schleppnetzen», sagt der Engadiner Wirt und Fischimporteur. Wo immer möglich kauft er Meerestiere aus nach haltiger Produktion oder weniger überfischten Fanggebieten wie dem Nordostatlantik oder der Nordsee. «Am besten schmecken die Fische und Krustentiere, die in kaltem Wasser leben. Sie wachsen langsamer als ihre Artgenossen in der Karibik und haben dadurch das festere, aromatischere Fleisch.» Die meisten Tiere kauft Antonio Walther lebend und transpor tiert sie in speziellen Wasserbehältern ins Engadin. Gewisse Fisch- und Crevettensorten sind aber nur auf Eis erhältlich. Ob das Produkt frisch ist, sieht der Fischprofi aus den Bergen mittlerweile schon auf den ersten Blick. Klare Augen, rote Kie men, Glanz und Farbe der Schuppen, des Panzers oder des Fleisches sind wichtige Merkmale. «Ich kaufe nie Fische, die den Schwanz hängen lassen. Die sind mir nicht frisch genug.»
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Echte Produkte ohne Schickimicki-Chi-Chi
Antonio Walther ist nicht nur der einzige Schweizer, der eine Zu lassung für den Mailänder Fischmarkt hat. Er ist schweizweit auch der einzige Importeur von lebenden Königskrabben. Diese Krabbenart kann bei einer Körpergrösse von 25 Zentimetern und einer Beinspannweite von bis zu 180 Zentimetern schon mal 10 Kilo schwer werden. Gleich drei dieser riesigen Krabben sit zen im Restaurant Murtaröl im Meerwasserbecken. Ihr Genuss ist ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann. 100 Gramm Königs krabbe schlagen mit 42 Franken zu Buche. Da man das Tier nur als Ganzes haben kann, sollte man mit gut gefülltem Portemonnaie ins Murtaröl kommen. Für den Service spielt die Höhe der Kon sumation keine Rolle. Heike Walther sagt: «Bei uns wird jeder Gast gleich zuvorkommend behandelt – ob er nun ein Bauarbei ter oder König von Brunai ist.» Antonio Walther bestätigt: «Ich bin, wie ich bin, und mag mich nicht verstellen. Mir ist es wichtig, dass ich den Gästen meine Freude an Seafood weitergeben und ih nen erstklassige und ehrliche Produkte auftischen kann.» Und so gibt es im Murtaröl Mittagsmenüs für Arbeiter ab 15 Franken ge nauso wie Sashimi vom Hummer und Languste für 240 Franken. Diese unkomplizierte und gelebte Gastfreundschaft kommt bei den Gästen gut an, und das «Murtaröl» ist als Fischrestaurant weitherum bekannt. Doch das war nicht immer so. Das «Murtaröl», seit 1951 im Besitz der Familie Walther, wurde als reiner Sommerbetrieb ge führt. Als Antonio Walther 1984 das Restaurant von seinen Eltern übernahm, musste der Wirtesohn und Biologielehrer mit seiner Frau zusammen viel Aufbauarbeit leisten. «Uns war klar, wenn wir vom Restaurant leben wollten, mussten wir es als Jahresbetrieb etablie ren», erinnert sich Heike Walther. Nur durch die Strasse vom Sil sersee getrennt, lag es für Antonio, der schon als Bub eng mit dem See und seinen Fischen verbunden war, auf der Hand, dass er sich auf Fischgerichte spezialisieren wollte. «Anfangs wehrte ich mich, Meerfische aufzutischen. Ich dachte, das passt doch nicht in unsere Gegend.» Die Nachfrage der Gäste nach Seafood war aber so gross, dass Antonio Walther ihr gerne nachgab. Die ersten Jahre waren hart. Es galt, den Betrieb baulich auf Vordermann zu bringen, sich gleichzeitig in die Materie Seafood einzuarbeiten und nebenbei den Fischimport und -handel aufzugleisen. Antonio Walther lacht: «Ich musste sehr viel lernen. Ich konnte ja nicht mal Fische korrekt filettieren.»
Dass er es heute kann, stellt er immer wieder unter Beweis. Zum Beispiel, wenn er die Engadiner Hausfrauen in einem Kochkurs auf den Fischgeschmack bringt. Für Antonio Walther schmecken Fische und Krustentiere am besten, wenn man sie möglichst pur geniesst. «Statt Saucen lieber ein paar Tropfen gutes Olivenöl» und «statt ver schnitten totbraten lieber am Stück garen und erst beim Servieren zerlegen.» Zwar ist er selbst kein Koch, eine Koryphäe in Sachen Seafood und Meeresfisch ist er allemal. Und so kommt es immer wie der einmal vor, dass Berufsschullehrer mit einer Kochklasse oder Küchenchefs mit ihren Lernenden in der «Pescheria» stehen, um sich den richtigen Umgang mit den Köstlichkeiten aus dem Meer erklären zu lassen. Antonio Walther ist immer wieder erstaunt, wie wenig selbst ausgewiesene Berufsleute über diese Pro dukte wissen. «Es gibt ausgelernte Köche, die können Scampi nicht von Crevetten unterscheiden.» Für seine Kinder ist das kein Problem. Sie sind von klein an im Betrieb und lieben genau wie ihre Eltern Meeresfrüchte über alles. Ob eines der drei Walther-Kinder dereinst in die Fussstapfen der Eltern treten und den Familienbetrieb in vierter Generation wei terführen wird, steht allerdings noch in den Sternen.
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BELGISCHE PRALINEN | Hotellerie et Gastronomie Magazin
Belgische
Pralinen
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Im Schokoladenland Schweiz ist die Milchschokolade erfunden worden. Die Praline, eine der häufigsten Formen von Schokolade, hat ihren Geburtsort jedoch in Belgien. Dort sind derzeit neue Strömungen in der Pralinenvielfalt auszumachen, wie ein Besuch in Antwerpen zeigt.
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Wer in Antwerpen nach einem Schokoladengeschäft sucht, muss nicht weit gehen. Praktisch an jeder Ecke gibt es eines. Die meisten bieten traditionelle Pralinen an mit einer Ganache, Nougat, Nüssen, Pistazien, Likör oder Marzipan. An der Korte Gasthuisstraat treffen wir auf ein Geschäft, dessen Name Pralinenkennern ein Begriff ist: Neuhaus. 1857 gründete der aus dem schweizerischen Le Locle stammende Jean Neuhaus in der edlen Brüsseler Galerie de la Reine, der ersten gedeckten Verkaufsgalerie Europas, eine «confiserie phar maceutique», die Hustenbonbons, Lakritze und Riegel aus Bitter schokolade anbot, die im Keller der Boutique hergestellt wurden. Unter seinem Sohn Frédéric, einem ausgebildeten Konditor, verla gerten sich die Geschäftsaktivitäten mehr und mehr auf Genusspro dukte. 1895 wurde das Unternehmen deshalb in «Confiserie et Chocolaterie Neuhaus-Perrin» umbenannt. Nach Frédérics Tod übernahm 1912 der Enkel des Gründers, der nach seinem Grossva ter Jean benannt wurde, das Geschäft. Prompt gelang ihm eine Erfin dung mit Weltruf: die Praline. Zwar gilt als Urvater der Praline der Koch des Grafen César de Choiseul von Plessis-Praslin, Marschall von Frankreich und Minister des Sonnenkönigs Ludwig XIV. Dieser eigentliche Erfinder der Praline benannte sein Konfekt aus Mandeln und Zucker nach seinem Herrn und Gebieter. Doch mit der heute bekannten Praline hatte diese erste Kreation wenig gemeinsam. Bei jenem Verfahren wurden Nüsse oder kandierte Früchte in Caramelsirup eingetaucht. Doch in Belgien entwickelte Jean Neuhaus die heute übliche Vorge hensweise, bei der Metallförmchen mit flüssiger Schokolade ausge gossen, mit Nüssen, Trockenfrüchten oder Likör gefüllt und mit ei nem Schokoladenplättchen verschlossen werden. Noch heute wird das Rezept der Neuhaus-Schokolade streng gehütet, und seit der Unternehmensgründung ist es praktisch unverändert geblieben. Es gibt einerseits Traditionspralinen wie «Bonbon 13» und «Astrid», die 1937 zu Ehren der zwei Jahre zuvor in Küssnacht am Rigi tödlich verunglückten belgischen Königin geschaffen wurde. Andererseits gehören aber auch exotische Schokoladenkreationen mit frischer Minze aus Marrakesch, Sambal aus Bali, Kokosnuss aus Tahiti, Va nille aus Madagaskar oder Sesam aus Costa Rica zum Sortiment. Neuhaus-Pralinen werden übrigens auch im belgischen Königshaus genossen, denn der Pralinenhersteller ist seit jeher Hoflieferant.
Pralinen als Mitbringsel Im Antwerpener Geschäft von Neuhaus ist an diesem Vormittag gut zu erleben, welchen Stellenwert Pralinen in der belgischen Le benskultur haben. Sechs Kunden teilen sich den engen Ladenraum von gut zwölf Quadratmetern Fläche. Behutsam, mit weissen Hand schuhen legen zwei Verkäuferinnen die ausgewählten Pralinen in sogenannte Ballotins, kleine, elegante Kartons, die eigens zu diesem Zweck geschaffen wurden. «In Belgien ist es üblich, zu einer Einladung statt Blumen eine Schachtel Pralinen zum Kaffee oder Dessert mitzubringen», weiss die Geschäftsführerin Els de Visscher. Zum Valentinstag werden Prali nen in Herzform, zu Ostern kunstvoll geschmückte Ostereier ver schenkt. Im Sommer werden Pralinen mit einer Basilikum- oder Thy mianfüllung bevorzugt, im Herbst solche mit einer Waldbeeren- oder Gewürzfüllung. Doch der Schokoladenhersteller Neuhaus, der heute mehrheitlich zur Compagnie du Bois Sauvage gehört, lanciert auch immer wieder Neukreationen in limitierter Auflage. So etwa hat er zusammen mit neun weltbekannten Pâtissier-Chefs eine eigene Kollektion herausgebracht. Dabei mitgewirkt haben Christoph Adam aus Frankreich, Oriol Balaguer aus Spanien, Bernd Siefert aus Deutschland, Dominique Ansel aus New York, Martin Chiffers aus London, Koji Tsuchiya aus Tokio, Joost Arijs und Raphaël Giot, beide aus Belgien sowie Louie Ye aus China. Belgien, das mit seiner Vielsprachigkeit und seiner geringen Grös se von nur 30.000 Quadratkilometern viel mit der Schweiz gemein sam hat, geniesst in Sachen Schokolade einen genauso guten Ruf als Schokoladennation wie die Eidgenossenschaft. Diesen Ruf verdankt die belgische Schokolade einer strengen Gesetzgebung, bei der die meisten handwerklichen Schokoladenfabrikanten dem Vorsatz «100 Prozent Kakaobutter» treu bleiben. Um diese Vorgehensweise her vorzuheben, schuf die belgische Regierung ein Gütezeichen mit dem Namen Ambao. Dies als Antwort darauf, als in der Europäischen Union die Verwendung von Kakaobutter-Austauschfetten erlaubt wurde.
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Das Reich des «shoc-o-latier» Unser Weg führt uns vom Neuhaus-Geschäft ein paar Strassenzüge weiter, und wir kommen zum Paleis op de Meir. Im schönen Barockhaus aus dem 18. Jahrhundert, in dem bereits Napoleon residierte, hat sich vor vier Jahren Dominique Persoone mit seinem Geschäft The Chocolate Line eingemietet. Wer in Antwerpen in Sachen Scho kolade die neusten Kreationen von Pralinen kennenlernen will, muss hierher. In den stil vollen Räumen verkauft der Chocolatier, der sich gerne als «shoc-o-latier» bezeichnet, seine Eigenkreationen, die zum Teil in der dahinter liegenden Showküche hergestellt werden. Darunter gibt es Klassiker wie «Snobifram» mit einer Schlagrahm-Himbeer-Füllung oder «Lac d’Amour», eine Haselnuss-Praline mit karamellisierter Kokosnuss. Doch es gibt auch die Linie «My Way». Und «sein Weg» ist sehr eigenwillig. Die Sorte Atlanta ist beispielsweise eine Ganache aus Cola, Haselnuss und Popping Candy. «Green Tokyo» ist aus bitterer Schoko lade, Marzipan und Wasabi. «Monkey’s Favourite» beinhaltet eine Füllung aus Caramel mit Koriander, kombiniert wird die Schokolade mit gesalzenen Erdnüssen. Wem das noch nicht genug verrückt ist, sollte die Sorte «Asian Confetti» versuchen, wo bei der Füllung Cara mel mit Reisessig und Soyasauce und beim Schokoladenmantel Sesamsamen, Samsho-Pfeffer und Popping Candy aufeinandertreffen. Oder «Cebolla», eine Mandelpraline mit knackig ge bratenen Zwiebelstückchen. Auch «Italiaanse Javanais» ist eine Erfahrung wert mit weisser Schokolade, frischem Basilikum, Marzipan und einem Chutney aus getrockneten Tomaten und schwarzen Oliven. Oder «Miss Piggy», Milchschokolade mit Mandeln und knusprig gebratenem Speck und Quinoa. Und zu guter Letzt die «Havana», eine dunkle Schokolade mit dem Geschmack von Tabakblättern.
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Bevor Dominique Persoone 1992 ins Schokoladengeschäft einstieg und in Brüssel The Chocolate Line gründete, absolvierte er eine Kochlehre, einen Beruf, mit dem er sich noch heute verbunden fühlt. «Ich bin kein echter Schokoladenhersteller, sondern immer noch Koch», so der 45-Jährige. «Für mich ist Schokolade nur eine andere Abteilung der Küche.» Eine Abteilung, die er kreativ umzusetzen weiss. So schafft er mit einer eigens hergestellten Malschokolade ganze Kunstwerke, einerseits auf Leinwand, andererseits aber auch als In szenierung, von der vor Ort ein Bild an der Wand hängt: Ein Hinterhof ist gefüllt mit lie genden, nackten Menschen, die mit Schokoladenstrichen kunstvoll «dekoriert» sind. Auch andere Meilensteine zeugen von der Kreativität Persoones: Als Überraschung für die ge meinsame Geburtstagsparty der Rolling-Stones-Musiker Ron Wood und Charlie Watts er fand er auf Bitten der Ehefrauen der Musiker den «Chocolate Shooter», eine Vorrichtung, mit der man sich Schokoladenpulver in die Nasenlöcher schiessen kann. Nach den Entwür fen des Starmodisten Stephen Jones entwarf der «shoc-o-latier» eine Hutkollektion aus Schokolade. Und zur Eröffnung des Choco-Laté-Festivals 2011 in Brügge schuf er mit dem Designer Nicky Vankets ein 20 Kilogramm schweres Schokoladenkleid, das von der damals amtierenden Miss Belgien getragen wurde. Dass Persoone mit seinem eigenwilligen Weg Er folg hat, zeigt, dass er bereits 2004 in den «Guide Michelin», in dem Chocolatiers selten aufgeführt werden, aufgenommen wurde.
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Die Wurzeln der belgischen Schokolade In den Geschichtsbüchern Belgiens werden Anfang des 17. Jahrhunderts erste Chocolatiers erwähnt. Diese versorgten den Adel mit den Köstlichkeiten, für die breite Bevölkerung war das Luxusprodukt erst zwei Jahrhunderte später erschwinglich, als Kakao und Zucker wesentlich billiger wurden. In der Anfangs zeit der belgischen Schokoladenkunst war die Schweiz das Mass aller Dinge. So wurde von den Produzenten der ersten Stunde immer wieder das Personal im helvetischen Alpenstaat rekrutiert. Nach dem Ersten Weltkrieg brach ein neues Zeitalter der Schokolade an. Die Belgier begannen, ihre Produkte in tensiv zu vermarkten und gaben sie an verschiedenen Veranstal tungen gratis ab. Mit dem Verkauf von Sammelbildchen schuf die belgische Schokoladenindustrie schliesslich eine grosse Fan gemeinschaft. Bis in die 1960er-Jahre boomte die Branche, im mer wieder neue Betriebe entstanden. Ausländische Investoren begannen sich für die belgische Schokolade zu interessieren. Immer mehr Firmen kamen so in den Besitz dieser ausländischen Konzerne. Eine davon ist Callebaut, 1911 in Belgien gegründet und heute Teil des Schweizer Konzerns Barry Callebaut. Das Unterneh men ist einer der weltweit grössten Kakaoverarbeiter und stellt hauptsächlich Kuvertüren und Industrieschokolade für andere Her steller und Chocolatiers her. Durch die Übernahme der traditionellen Schokoladenproduzen ten durch ausländische Investoren eröffneten sich neue Weltmärkte, sodass die belgische Schokolade rund um den Globus bekannt wur de. Dafür aber litt die Kreativität und Schaffung von Neuprodukten. Diese Nische haben unabhängige Chocolatiers wie Dominique Per soone übernommen.
BERICHT FÜR HOTELLERIE ET GASTRONOMIE MAGAZIN TEXT RUTH MARENDING FOTOS FLANDERN.AT WEITERE ARBEITEN MAGAZINDESIGN UND UMSETZUNG
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NEED FOR SPEED | Booklet BCCM St. Moritz
GESCHICHTE DER CAFE RACER
NEED FOR SPEED IM TAKT DES
ROCK’N’ROLL Alte englische Motorräder sind ebenso legendär wie unsere geliebten British Classic Cars. Namen wie Triumph, Norton, BSA, AJS, Ariel, Matchless, Sunbeam, Velocette, Vincent oder Royal Enfield tönen wie Musik in unseren Ohren. Ihre Beliebtheit ist bis heute ungebrochen. Mehr noch: Mit dem Revival der
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SPOTWERBUNG, St. Moritz | 2017
Cafe Racer finden die alten Maschinen zurück auf die Strasse und die wohl einflussreichste MotorradBewegung der Geschichte ihren Weg zurück in unser Bewusstsein. Was in den 1950er-Jahren als Subkultur auf den Strassen Englands seinen Anfang nahm, hat nachhaltige Spuren hinterlassen. In der Entwicklung des Motorrads, in Mode, Kunst und Lifestyle. Und dies obwohl die meisten von uns den Begriff Cafe Racer vielleicht noch gar nie gehört haben.
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Cafe Racer heissen sie beide: die Maschine und der Biker. Mit seinem spartanisch aggressiven Look gehört der Cafe Racer zu den auffälligsten Motorrädern. In seiner Reinform ist es ein zur Rennmaschine umgebautes Serienmotorrad der 50er/ 60er-Jahre. Vorbilder für die Umbauten waren die damals aktuellen Rennmaschinen der berüchtigten Tourist Trophy auf der Isle of Man.Stilprägend für die Subkultur der Rocker waren die Cafés in den Vororten der englischen Grossstädte – allen voran das legendäre Ace Café in London. Von hier aus machte die Szene die Strassen der Umgebung unsicher, was zugleich eine Auflehnung der Jugend gegen die damalig engen Gesellschaftsnormen bedeutete. Während in den USA direkt nach Elvis die Hot-Rod-Kultur mit ihren Strassenrennen aufflammte, mauserte sich in England das Motorrad zum wichtigsten Szene-Element. Verbindende Merkmale waren der Rock’n’Roll und die Jukebox. Die Maschinen wurden nach allen Regeln der Kunst aufgemotzt und individuell umgebaut. Was dabei rauskam, waren tief geduckte Renner mit schnörkellosen Tanks, Stummellenker und mäch-
tigem Einzelscheinwerfer. Do the Ton: Mit offenem Schalldämpfer wurden Geschwindigkeiten von über 100 mph (entsprechend 160 km/h) erreicht. Dies auf unebenen, kaum beleuchteten Strassen, wo hinter jeder Ecke der Tod lauerte. Die klassische Strecke führte vom Ace Café zum nächsten Kreisverkehr und wieder zurück. Dabei musste die Renndistanz zurückgelegt werden, bevor die aufgelegte Single in der Jukebox zu Ende gespielt war. Mutig? Einfach verrückt? Visionär? Stilprägend? Die Rockerkultur hatte von allem etwas, und die Café Racers haben sich von den Quartierstrassen Londons längst über den ganzen Erdglobus verteilt. In Garagen und Hinterhöfen schrauben Enthusiasten an alten Motorrädern und lassen so die Tradition der Café Racer aufleben. Moderne Interpretationen finden sich heute auch beim deutschen Motorradhersteller BMW oder bei der italienischen Kultmarke Ducati mit dem brandaktuellen Ducati Scrambler.
Kate Moss anlässlich der Lancierung einer Mode-Kollektion des ältesten britischen Motorrad-Labels Matchless im Jahr 2013/14. Das Motorrad ist fast so berühmt wie das Topmodel. Es ist die Maschine, die Marlon Brando im Hollywood-Klassiker «The Wild One» aus dem Jahre 1953 fuhr. © Matchless/ www.matchlesslondon.com
ARTIKEL FÜR BCCM BOOKLET 2017 TEXT DARIO CANTONI FOTO MATCHLESS WEITERE ARBEITEN GESAMTKOMMUNIKATION, REDAKTION UND GESTALTUNG BOOKLET, WEBSEITE www.bccm.ch
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P I E R R E -Y V E S R O C H O N | Engadine Times (Hauszeitung Kulm & Kronenhof) 4
ENGADINE TIMES - S TA R A R C H I T E K T P I E R R E -Y V E S R O C H O N -
«Unser Design steht immer im Dienste des Gastes» Nach dem gelungenen Umbau von 26 Zimmern im Kulm Hotel in den letzten beiden Jahren nahm der weltbekannte Innenarchitekt Pierre-Yves Rochon auf diesen Winter die Gestaltung von insgesamt 13 neuen Zimmern und Junior Suiten im Grand Hotel Kronenhof in Angriff. Der auf Grand Hotels spezialisierte Innenarchitekt zählt mit rund 60 Mitarbeitern und Büros in Paris und Chicago zu den weltweit renommiertesten. In seinen Detail getreuen, luxuriösen Gestaltungen verbindet Rochon historische Elemente und die lokalen Traditionen mit modernen Komponenten. Wir treffen Rochon Ende November in St. Moritz.
M
onsieur Rochon ist ein distinguierter
Und wie sehen nun die neuen Zimmer im Grand Ho-
Herr, feinfühlig, unaufgeregt, mit klarem
tel Kronenhof aus, Monsieur Rochon? «Im Kulm be-
Blick und scharfem Verstand, … und er ist
stand bereits eine alpine Sprache bezüglich Farben
ein faszinierender Gesprächspartner. Wir treffen ihn
und der gewählten Materialien Holz und Stein. Diese
in der ehrwürdigen Halle des Kulm Hotels, wo er über
wurde bewusst in den Vordergrund gerückt und mit
den Plänen für den Umbau im Kronenhof brütet. Be-
modernen Akzenten bereichert. Beim Kronenhof ist
reits auf dem Weg in eines der neuen Kulm-Zimmer
das Alpine weniger dominant. Also haben wir die Ei-
lässt er uns an seinen Gedanken teilhaben. «Ein Hotel
che als Holz genommen und es in weisser Farbe la-
ist immer voller Gänge und jedes Zimmer wird über ei-
siert. Im Kronenhof scheint alles heller und leichter.
nen Flur erreicht. Zuerst muss also die Gesamtsituation
Das gesamte Gebäude wirkt so. Wir haben einfach
chen. Ein praktischer Eingangsbereich, komfortable
erfasst werden. Die ursprüngliche Substanz des Kulm
die bestehende architektonische Sprache aufgenom-
Bäder, die sich zum Schlaf bereich öffnen und schlies-
Hotels ist sehr alpin mit viel Stein und Holz. Dies haben
men und in die heutige Zeit übersetzt.»
sen lassen, ein grosszügiger Dressing-Raum, das Licht,
wir beim Umbau wieder stärker herausgearbeitet. Der
die Aussicht … Die neuen Hotelzimmer im Kulm und
Kronenhof ist anders. Klassischer. Eleganter. Die bei-
Kronenhof sind eigentlich wie kleine Wohnungen oder
den Häuser sind unterschiedlich, also haben wir nicht
Studios gestaltet – luxuriöse, kleine Hideaways in den
das Gleiche gemacht. Bei einem neuen Projekt studiere
«Creat iv it y does not exist
ich die vorhandene Architektur, die Charakteristik des
w ithout dreams. The capacit y
Ortes, wie die Leute in den Bergen leben, die typischen
to dream about our projects
kannte St. Moritz vorher nicht. Ich respektiere in erster
enables us to create
gerne noch realisieren möchten? « Es würde drei Leben
Linie die Geschichte des Ortes und dessen Tradition.
hotels that st imulate, sur round
brauchen, so viele Träume habe ich noch! Im Mini-
and soothe all the senses.»
zwar viele Hotels, aber nicht nur. Ich zeichne auch für
– die ja genau dieses Haus ausgewählt haben und die
ohne Träume nicht existiert. Gibt es Projekte, die Sie
mum (schmunzelt). Alles interessiert mich. Ich mache
dieses Haus lieben – noch besser gefällt. Das Design
Privathäuser. Im Moment entwerfe ich eine Möbel-
muss immer im Dienste des Gastes stehen und ist nicht
kollektion. Sicher einer meiner Träume, den ich nun
für das Ego des Innenarchitekten gedacht.»
SPOTWERBUNG, St. Moritz | 2017
Herr Rochon, Sie haben einmal gesagt, dass Kreativität
Materialien, usw. – ich stamme aus der Bretagne und
Dann hoffe ich, etwas zu schaffen, das den Hotelgästen
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Bergen.
realisieren kann. Ich habe Lust, für die Mode zu arIn seinem Hotelzimmer will sich der Gast wohlfühlen
beiten, als Gegensatz dazu vielleicht für ein Spital …
Beobachten, nachdenken, Inspiration suchen. Bevor
– sei es für eine Nacht oder für einen längeren Aufent-
oder einen Bahnhof gestalten. Wieso nicht das Dekor
Pierre-Yves Rochon ein neues Projekt beginnt, ste-
halt. Wie muss also ein Zimmer oder eine Suite gestal-
für einen Film oder für eine Oper entwickeln? Ich den-
hen viele Fragen im Raum. Aus welchen Gründen will
tet sein? Für Pierre-Yves Rochon zählt in erster Linie
ke, gute Innenarchitektur steigert die Lebensqualität.»
man renovieren oder umbauen … und für wen? Wieso
die Wertigkeit. Wenn man ein 5-Sternhaus betritt,
wurde gerade ihr Büro ausgewählt? Wie hoch ist das
muss die Qualität sofort spürbar sein – dies unabhän-
Die Hotelzimmer von Pierre-Yves Rochon sind durch-
Budget? Wer sind die Mitbewerber? Was will man mit
gig von Stil und persönlichem Geschmack. Ist es ech-
dacht, ruhig, elegant und zeitlos. Die Bewohner auf
dem Umbau erreichen? Erst dann nimmt er das be-
ter Luxus oder falscher Luxus? Qualität ist unabhängig
Zeit fühlen sich darin einfach wohl. Das gefällt Ro-
rüchtigte, weisse Blatt Papier zur Hand und beginnt
vom Stil. Sie kann nie falsch sein. Dann kommen die
chon, steht doch bei seinen Entwürfen der Gedanke an
zu träumen.
Details, die den Aufenthalt im Zimmer angenehm ma-
die zukünftigen Gäste an erster Stelle.
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WINTER 2016/17
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In seinen Umbauten respektiert Rochon in erster Linie die Geschichte des Ortes und ergänzt sie mit modernen Elementen – im Zentrum steht das Erlebnis für den Gast.
english STAR ARCHITECT PIERRE-YVES ROCHON
Committed to the guest’s needs After the renovation of the 26 rooms in the Kulm Hotel, the wellknown interior
Guests want to feel at home in their hotel rooms, whether it’s for one night or a
designer Pierre-Yves Rochon designed the 13 new rooms and junior suites at the
longer stay. That’s why Rochon is focused on quality. If you enter a five star hotel,
Grand Hotel Kronenhof. Rochon specializes in interior design for Grand Hotels.
the quality has to be perceptible immediately, no matter what your personal style
Rochon and his renowned designs are detailed and luxurious and combine histori-
and taste is. Is it true luxury or false luxury? Quality does not depend on style. It
cal elements, local traditions and modern components.
can never be false.
We met Pierre-Yves Rochon in November in the Kulm Hotel. «A hotel has many
And of course there are details that make a stay in the room more pleasant. A
hallways and every room can be reached by a corridor. First you have to be aware
practical entry area, comfortable bathrooms that open towards the sleeping area
of the overall situation. The essence of the Kulm Hotel combines alpine details
and can be closed, a generous dressing space, the light, the view... The new hotel
with wood and rock elements. We emphasized this during the renovation. The
rooms of the Grand Hotel Kronenhof are designed like apartments or studios.
Kronenhof is different, more classical and elegant. With every new project, I look
They are luxurious, small hideaways in the mountains.
at the existing architecture, the environmental characteristics, the local people’s way of life, typical materials, etc. I’m from Bretagne and didn’t know much about St. Moritz. I respect the village’s history and its traditions. And then I hope to create something that will amaze the hotel guests that choose and love this house and make them like it even more. The design has to be committed to the needs of the guests and should not reflect the ego of an interior architect.»
www.kulm.com
www.kronenhof.com
ARTIKEL HAUSZEITUNG KULM & KRONENHOF TEXT DARIO CANTONI FOTOS GIAN GIOVANOLI, FILIP ZUAN WEITERE ARBEITEN GESAMTBETREUUNG, WEBSEITEN www.kulm.com, www.kronenhof.com
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SPOTWERBUNG, St. Moritz | 2017
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EINMAL VOLLTANKEN, BITTE | Booklet BCCM St. Moritz
VOLLTANKEN, bitte
EINMAL
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1888 organisierte Bertha Benz mit ihren Söhnen heimlich eine 100-Kilometer-Fahrt von Mannheim zur Oma nach Pforzheim und schrieb damit Automobilgeschichte. Da der Patent-Motoren-Wagen ihres Mannes Carl Benz wohl kaum mehr als fünf Liter Treibstoff fasste, plünderte sie unterwegs mehrere Apotheken und kaufte flaschenweise Ligroin, ein Leichtbenzin, das sonst für Reinigungszwecke verwendet wurde. Noch heute wird deshalb die Stadtapotheke in Wiesloch als erste «Tankstelle» der Welt bezeichnet. Das erste Tankstellenverzeichnis Deutschlands aus dem Jahre 1909 ist eine Auflistung von rund 2500 Drogerien, Kolonialwarenhändlern, Hotels und Restaurants. Der Sprit wurde damals in beliebige Behälter wie Flaschen oder alte Milchkannen abgefüllt, was beim Hantieren nicht selten zu schweren Explosionsunfällen führte. Mit der Zunahme des motorisierten Verkehrs entstanden die ersten Zapfsäulen und Autowerkstätten. Am Anfang kamen einfache Fasspumpen, später Handpumpensäulen mit unter dem Boden eingelassenen Benzintanks zum Einsatz. 1917 stellte die «Standard Oil of Indiana» den ersten Einheitstyp der Tankstelle vor, der in Abwandlungen bis heute bestehen geblieben ist. Merkmale sind das Tankstellenhäuschen mit dem frei stehenden Dach über den Zapfsäulen, das die tankenden Kunden vor Regen und Wetter schützt. Auch die Funktion des Tankwarts entwickelte sich vom Zusatzverdienst zur Vollzeitstelle. In der Bundesrepublik Deutschland wurde 1952 Tankwart zum Lehrberuf mit einer dreijährigen Lehrzeit erklärt. Der Liter Benzin kostete damals nur wenige Rappen und die Angestellten trugen schicke Overalls, Schlips und das obligate Käppi. Das Sortiment umfasste neben Treibstoff auch Schmieröle, Reifen, Zündkerzen und weiteres Zubehör – manchmal war auch eine Werkstatt angegliedert. Erst 1973 mit der Ölkrise erhielt der Traum von der grenzenlosen Mobilität einen nachhaltigen Dämpfer. Die Kraftstoffpreise blieben danach hoch, die Autoverkäufe brachen ein und das Tankstellennetz wurde löchriger. Selbstbedienung hiess nun die Devise. Damit wurde dem Beruf des kundenorientierten Tankwarts mit Rundum-Versorgung, der während dem der Tank voll lief, den Reifendruck kontrollierte, den Ölstand prüfte und die Scheiben wischte, das Grab geschaufelt und ein Sterben der kleineren Stationen setzte ein. Zählte man 1965 in der damaligen Bundesrepublik noch 41’000 Tankstellen, verschwanden in den 1970er-Jahren rund 20’000 davon. Das Netz wurde praktisch halbiert und 44 Prozent der Tankstellen boten 1980 nur noch Selbstbedienung an. Gleichzeitig wurde der Umsatzanteil an Nebenprodukten in den Tankstellen-Shops immer grösser. Wie ein Supermarkt bieten sie mittlerweile alles für den schnellen Einkauf … und dies auch abends oder am Sonntag. An vielen Tankstellen machen diese Zusatzverkäufe den Hauptanteil des Umsatzes aus. Auch das Auge hat sich mittlerweile an das Einheitsbild der Grosstankstelle gewöhnt. Selten entdeckt man noch historische Tankstellen aus der Blütezeit der Mobilität, die mit ihren geschwungenen Vordächern und der extravaganten Architektur verblüffen und faszinieren. Es sind die letzten Zeugen aus einer Zeit als Volltanken noch Spass machte.
ARTIKEL FÜR BCCM BOOKLET 2017 TEXT DARIO CANTONI FOTOS BP EUROPA, PFISTER SAMEDAN WEITERE ARBEITEN GESAMTKOMMUNIKATION, REDAKTION UND GESTALTUNG BOOKLET, WEBSEITE www.bccm.ch
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KALT GEPRESST | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
KALT GEPRESST
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Olivenöl vom Alpensüdhang
Die nördlichsten Olivenbäume Europas wachsen am Alpensüdhang. Dort wurden sie vor über 2000 Jahren von griechischen Sklaven gepflanzt. BIANCO reist an den schönen Comer See, entdeckt das Dorf Lenno, malerische Olivenhaine und erlebt bei Vanini in der Ölmühle, wie ein ganz spezielles Olio Extra Vergine gepresst wird.
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Vom Oberengadin hinunter an den Comer See braucht es gerade mal anderthalb Stunden. Der klimatische Sprung könnte aber kaum grösser sein und würde in der horizontalen Ausmessung wohl zwei- bis dreitausend Kilometer betragen. Vom montanen Alpenklima auf 1800 Meter über Meer gelangen wir hinunter auf 199 Meter und finden an diesem frühen Novembertag ausgeglichen mildes Südwetter vor. Der Comer See liegt in einem Zungenbecken des ehemaligen Addagletschers. Im Norden von knapp 3000 Meter hohen Gipfeln umrahmt, ragen seine beiden Arme wie ein auf den Kopf gestelltes Ypsilon in die obere Poebene. Der fjordartige Alpensee ist rund 55 Kilometer lang und maximal 4,5 Kilometer breit. Er gilt als der schönste unter den oberitalienischen Gebirgsseen und ist nach Lago di Garda und Lago Maggiore der drittgrösste. Mit seinen 410 Metern ist er zudem der tiefste See von ganz Europa. Wir halten uns an die rechte Seite und fahren dem westlichen Seeufer entlang. Etwa in der Mitte vereinigen sich die beiden Seearme. Hier liegt der landschaftliche Höhepunkt mit dem Dreieck Menaggio, Bellagio und Varenna. Der westliche Arm des Sees, der sich nach Como erstreckt, ist der touristisch erschlossenere. Die prächtigen Villen und gepflegten Gartenlandschaften am Seeufer zeugen vom Reichtum der Lombardei des 18. und 19. Jahrhunderts. Doch schon früher wurden die zauberhafte Schönheit, das milde Klima und die üppige, fast schon mediterrane Pflanzenwelt geschätzt. Der Lario (lat. Lacus Larius), wie die Region um den Comer See auch genannt wird, war schon zu prähistorischer Zeit besiedelt, danach zog es Ligurer und Etrusker ebenso an seine Gestade wie Griechen und Römer. Zudem war der von seiner majestätischen Alpenkulisse dominierte See bereits in diesen frühen Zeiten ein vielbefahrener Handelsweg. Unser Ziel ist Lenno, wo das nördlichste Olivenöl Europas gepresst werden soll. Lenno ist ein anmutiger Ort mit rund 1700 Einwohnern. Der Name ist griechischen Ursprungs und stammt ab von Lemnos, einer Insel des hellenischen Archipels. Griechische Sklaven waren es denn auch, die unter der römischen Herrschaft in der Gegend die ersten Olivenbäume setzten. Diese sind mittlerweile recht verbreitet und verleihen der alpinen Landschaft diesen unverwechselbar mediterranen Touch. Eine traumhafte Kulisse, die auch Hollywood verzaubert hat. So ist die Villa Balbianello Schauplatz der Romanze zwischen Anakin Skywalker und Padme Amidala in «Star Wars» Episode 2 (Angriff der Klonkrieger). Auch der James-Bond-Film «Casino Royale» wurde teilweise in Lenno gedreht, wie auch verschiedene Filmszenen aus «Ocean’s Twelve» mit George Clooney, der gleich mit Julia Roberts, Brad Pitt, Matt Damon und Catherine Zeta-Jones im Schlepptau auftauchte. Eine Ecke weiter ein Gedenkkreuz an den italienischen Diktator Benito Mussolini: Am 27. April 1945 wurden er und sein Gefolge auf der Flucht in die Schweiz von kommunistischen Partisanen abgefangen und hier in Giulino di Mezzegra bei Lenno erschossen.
Doch kommen wir zum Olivenöl. Auch die Ölmühle der Fratelli Luciano und Pietro Vanini befindet sich in Lenno. Als wir ankommen, herrscht bereits reges Treiben. Leute aus der Umgebung bringen Oliven vorbei und erhalten dafür Olivenöl. Das Verhältnis wird mit etwa fünf zu eins berechnet. Den ganzen Monat November werden die Oliven gepflückt und geerntet. Die Olivenhaine liegen überall verstreut auf kleinen Parzellen und werden von den jeweiligen Familien gepflegt. Die Früchte werden schonend von Hand gelesen. Die regional verbreitete Sorte heisst Frantoio und hat sich über die Jahrhunderte optimal an den Mikrokosmos angepasst – so ist sie beispielsweise kälteresistenter als jene aus der Toskana. Es sind Oliven mit eigenem Charakter, geprägt von einem alpinen Terroir südlicher Ausprägung und vom milden, belüfteten Klima am Berghang. Die Verarbeitung in der traditionellen Ölmühle wurde von Generation zu Generation weitergegeben und geschieht mit der gleichen Sorgfalt und Leidenschaft wie zur Gründerzeit im Jahre 1850. Davon zeugt auch die vom Urgrossvater entworfene Produktetikette, die sich im Laufe der Zeit kaum verändert hat. Einzig die Namen wurden angepasst. Zuerst Giuseppe, dann Plinio, dann Osvaldo. An der Expo 1905 in Paris wurde das Olivenöl vom Alpensüdhang sogar mit einer Goldmedaille ausgezeichnet, was die Brüder noch heute mit Stolz erfüllt. Die Verarbeitung der gewaschenen Oliven findet wie früher mechanisch mit zwei grossen Mühlsteinen im traditionellen Kollergang statt. Dabei werden die Oliven samt Stein zuerst zerschlagen, in einem zweiten, modernen Werk nochmals mechanisch verkleinert und zuletzt kalt gepresst. Das so erhaltene Olivenöl ist, nachdem sich das Wasser gesetzt hat, ein reines Naturprodukt und kann als Extra Vergine bezeichnet werden. Das Olio Extra Vergine der Vanini-Mühle kann nur bedingt mit anderen Olivenölen verglichen werden. Geprägt vom Terroir weist es einen charaktervollen Olivengeschmack auf, ist erfreulich fruchtig mit Noten von Artischocken, süsser Mandel und einem leicht pikanten Abgang. Insgesamt 28 Tonnen Olivenöl kommen aus der Mühle. Ein Olivenbaum kann bis zu 300 Kilogramm Oliven tragen, wobei die natürliche Alternanz sehr gross ist. Im Schnitt rechnet man daher mit 20 bis 30 Kilogramm pro Baum. Fünf Kilogramm Oliven ergeben einen Liter Öl. Zum Vergleich: Weltweit beträgt die Produktion rund drei Millionen Tonnen. Olivenöl ist ein wesentliches Element der mediterranen Kultur. Noch heute stammt der Grossteil der Oliven aus den Ländern rund ums Mittelmeer, wo sie auch überdurchschnittlich genutzt werden. Italien allein verbraucht rund 30% der jährlichen Olivenproduktion oder rund 13,1 kg pro Kopf. In Deutschland sind es gerade mal 400 Gramm. Im Mittelmeerraum unterscheidet man etwa 1000 Olivensorten, allein in Italien sind es über 300, dazu kommen rund 250 Marken italienischen Olivenöls. Eine davon, eben jene der Fratelli Vanini, ist besonders speziell, kommt aus den Alpen und macht gerade mal einen Zehntausendstel der Weltproduktion aus.
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2013) TEXT DARIO CANTONI FOTOS FILIP ZUAN WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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JAMES B. GLATTFELDER | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
Von der Komplexität
DER EINFACHEN DINGE James B. Glattfelder ist in St. Moritz aufgewachsen. Mit seiner Studie “Das Netzwerk der globalen Kontrolle erregte der 40-jährige Physiker und Komplexitätsforscher im Umfeld der globalen Wirtschaftskrise internationales Aufsehen. In der Quintessenz geht es darum, wem die Welt gehört. Dass einfache Dinge sehr komplex sein können, erklärt er uns in einem
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exklusiven Interview.
Glattfelder steht in St. Moritz für Kaviar. Der Familienbetrieb hat sich auf den Import von Kolonialwaren spezialisiert und versorgt die internationale High Society vor Ort büchsenweise mit den schwarzen Perlen vom Kaspischen Meer. Prägende Persönlichkeit war der ebenso charismatische wie stattliche Jakob B. Glattfelder, bekannt als Tazi bis weit über die Landesgrenzen hinaus. Doch heute wenden wir unsere Aufmerksamkeit nicht dem unlängst verstorbenen Kaviarkönig zu, sondern James B. Glattfelder, dem jüngsten Spross der Familie. Das verbindende B. steht für Batrumieu, den Namen eines lokalen Heiligen. Ansonsten lassen sich nur wenige Gemeinsamkeiten ausmachen. James ist eher zurückhaltend, sitzt am liebsten vor dem Computer und tüftelt, auch ist er ein nur mittelmässiger Skifahrer, findet erst später mit dem Aufkommen des Snowboards richtig Zugang zum Wintersport. Er verbringt eine unbeschwerte Jugend in den Bergen. Erst als er an der ETH in Zürich studiert, wird ihm bewusst, dass sich seine Kindheit komplett von jener seiner Kommilitonen aus der Stadt unterschieden hat, auch beginnt er die Kraft und Schönheit seiner heimatlichen Bergwelt zu schätzen.
Doktor James B. Glattfelder Heute ist James B. Glattfelder Physiker und Komplexitätsforscher, hält einen Master of Science in theoretischer Physik und einen Doktortitel in Complex Systems. Bei der Zürcher Olsen Ltd., einem Finanzinstitut, das sich mit der Automatisierung von Real-Time-Systemen im Finanzmarkt auseinandersetzt, besetzt er die Stelle des Head of Quantitative Research. Ende Oktober 2012 referiert er am TEDxZurich vor 500 Leuten über die organisatorischen Prinzipien hinter unserer Ökonomie. Eine ähnliche Studie hatte James B. Glattfelder und die beiden Co-Autoren Stefano Battiston und Stefania Vitali ein Jahr zuvor ins Rampenlicht der globalisierten Öffentlichkeit katapultiert. Ein helles Köpfchen. Nein, nein, meint James bescheiden, das Thema habe ihn einfach interessiert, und wenn einen etwas interessiere, so könne man es auch leicht verstehen. Was bei der Physik auch der Fall sei. Begonnen hat alles mit fünfzehn Jahren, als James einen Chemiekurs in London besucht. Das fasziniert ihn. Die Chemie erklärt sich über die Atome, dies führt über die Quantenmechanik schliesslich zur Physik. Also beschliesst er in diesem zarten Alter, Physiker zu werden. Daneben interessiert sich James für gesellschaftliche Fragen, Philosophie, Umwelt und Subkultur. Mit der Physik können Teile der Realität in Formeln beschrieben werden. Lange reduzierte die Wissenschaft die Wirklichkeit auf einzelne Elemente und die (vier) Kräfte, die auf sie wirken. Die Formeln wurden überprüft, Gesetze davon abgeleitet und daraus Vorhersagen gemacht. Nur: Bei komplexen Systemen funktionieren die Vorhersagen nicht mehr. Wie können zum Beispiel die Flugbahn eines Vogelschwarms beschrieben werden, die Entstehung eines Termitenhügels, der Verlauf einer Krankheit oder das Auf und Ab an den globalisierten Finanzmärkten? Mit dem Studium der einzelnen Termite wird man nie verstehen, wie ein so komplexes Gebilde wie ein Termitenhügel entstehen kann. Die Realität beinhaltet neben den einzelnen Elementen eine ganz andere subtilere Dimension. Dinge sind nicht isoliert. Sie interagieren, sind voneinander abhängig und entwickeln eine kollektive Intelligenz – unabhängig davon, ob es sich um Menschen, Tiere, Zellen oder Datenflüsse handelt. Die bare Menge simpler Aktionen führt zur Komplexität. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile. Eins und eins ist nicht gleich zwei. Diese Erkenntnisse führen zu einem Paradigmawechsel in der Wissenschaft, James B. Glattfelder zum Studium komplexer Systeme und schliesslich in die Finanzwelt. «Finanzsysteme sind die perfekten komplexen Systeme», sagt James B. Glattfelder. «Niemand versteht sie richtig. Wir wissen heute paradoxerweise mehr über die Entstehung des Universums als über die Funktionsweise der Systeme, die wir selbst geschaffen haben.»
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JAMES B. GLATTFELDER | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
Das Netzwerk der globalen Kontrolle Komplexe Systeme werden nicht mit der Reduktion auf Formeln untersucht, sondern durch Simulation am Computer. Dies geschieht schon seit Jahren in den Bereichen der Biologie, in den Sozialwissenschaften oder bei Klimamodellen. In der Wirtschaft gehörten Glattfelder und sein Team zu den Ersten, die dies auf einer länderübergreifender Ebene gemacht haben, obwohl die Daten eigentlich schon lange vorhanden sind. In ihrer Studie analysierten die drei Forscher die Daten von rund 37 Millionen Firmen, Stiftungen und Investoren aus 194 Ländern. 43’060 Unternehmen agieren auf internationaler Ebene in mindestens zwei Ländern, was in einem komplexen System aus rund 600’000 Knoten mit über 1’000’000 Links dargestellt werden kann. Dafür wäre vor noch nicht so langer Zeit die gesamte Rechenleistung der ETH absorbiert worden. Im Innern lässt sich ein Kern mit 1’318 Firmen ausmachen, die im Durchschnitt rund 20 Beteiligungen halten. Im Zentrum wiederum sitzt eine Superzelle aus nur 147 Akteuren, die knapp 40 Prozent des gesamten Vermögens kontrollieren könnten. Es sind vor allem Banken und Finanzinstitute. Obwohl man diese Verteilung überall in der Natur findet, waren die Forscher erstaunt: «Dass der Kern so klein und so klar zu erkennen ist, hat uns wirklich überrascht. Die Konzentration ist viel grösser als etwa bei der Wohlstandsverteilung.»
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SPOTWERBUNG, St. Moritz | 2017
Werden wir also von wenigen internationalen Multis beherrscht? Jedenfalls fühlten sich viele Globalisierungkritiker darin bestätigt, als mitten während der Occupy-Wallstreet-Bewegung der «New Scientist» titelte: «Revealed – the capitalist network that runs the world». Es gab einen totalen Knalleffekt. Veröffentlichungen in Zeitschriften, im Internet, auf unzähligen Blogs und während rund dreier Wochen Anrufe aus aller Welt rund um die Uhr. James B. Glattfelder glaubt nicht an eine Absicht oder Verschwörung. «Was von weitem nach einer hochkomplexen Ordnung aussieht, kann sich von nahem als die Folge simpler Aktionen und Verhaltensweisen entpuppen. Das Perfide ist, dass solche Machtkonzentrationen sich völlig selbstständig bilden. Es ist eine Gesetzmässigkeit innerhalb komplexer Systeme, die sich überall in der Natur und selbst im Universum findet. Und es ist für unser Verständnis völlig undemokratisch.» Die Studie zeigt lediglich ein Röntgenbild der globalen Wirt-
schaft. Eine derartige Vernetzung birgt aber «systemische Risiken» wie die Ereignisse rund um die aktuelle Finanzkrise bestätigen. Es geht nicht bloss um das «Too big to fail», sondern auch um das «Too connected to fail». Wir müssen uns entscheiden, ob wir eine Weltwirtschaft wollen, die abhängig ist von einem kleinen Kern von Finanzfirmen. Erst mit der Finanzkrise kam in der Politik Interesse auf, die Funktionsweise unserer globalen Wirtschaft besser zu verstehen. Doch hier stehen wir noch am Anfang. Die EU hat beispielsweise 10 Milliarden Euro über die nächsten zehn Jahre gesprochen, nur für das Sammeln von Daten, die dann noch analysiert werden müssen. Die Frage lautet, wie schafft man eine gerechtere Verteilung? «Der Lösungsansatz ist bei komplexen Systemen ein ganz anderer als gewohnt. Er funktioniert nicht über Hierarchien (also Verordnung von oben), sondern dezentral durch kleine Regeländerungen am System. Kleine Änderungen können eine grosse Wirkung entwickeln. Das System reagiert emergent, also unvorhersehbar. Systeme entstehen von selbst, das Universum hat die Eigenschaft, Strukturen zu bilden. Wir wissen nicht wieso, aber wir können es beobachten, können Veränderungen simulieren und schauen, was passiert, wenn wir die Regeln anpassen. Es bedeutet eigentlich die Änderung des ganzen Weltbildes. Die Realität ist viel zu komplex für Dogmatismus. Wir müssen lernen, in Interaktionsschemen zu denken. Nicht mehr: wer? Sondern: wie!»
... und die Alpen «Das Aufwachsen in den Bergen hat mein Denken sicher irgendwie geprägt. Jedes Tal gleicht einem Mikrokosmos mit eigenen Gesetzmässigkeiten. Wenn man rausgeht, ändern sich diese unter Umständen komplett. In Zürich galten andere Normen und auf meinen Reisen rund um den Globus sowieso. Also sind Regeln beliebig? Die Alpen können, systemisch gesprochen, auch als Modell für Stabilität gelten. Die Täler bilden kleinere Systeme, die untereinander nur lose verbunden sind. Zentrale Strukturen mit einer Megalopolis oder Monokulturen sind viel anfälliger auf Bedrohungen. Gesund ist Dezentralisierung und Diversität.»
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2013) TEXT DARIO CANTONI ILLUSTRATION SARAH BEETSON WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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LODEN | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
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Loden
Der Stoff, aus dem Helden sind.
Der Jäger. Der Bergsteiger auch. Das Wiesn-Madl selbstverständlich. Die Businessfrau. Und Michelle Obama. Alle haben Sie eines gemeinsam: Sie tragen Kleider aus Loden. Der Naturstoff mit seiner jahrhundertealten Tradition ist so modern wie nie zuvor und erobert die Modewelt. Zwei Betriebe in Südtirol zeigen, wie sie seine weltweite Erfolgsgeschichte innovativ weiterführen. Extrem wasserabweisend, multidirektional dehnbar, hervorragend isolierend, körperfreundlich, strapazierfähig, schmutzabweisend, atmungsaktiv, luftdurchlässig und windbrechend. Was sich wie die Beschreibung eines Hightech-Kampfanzuges aus dem neuesten JamesBond-Streifen anhört, sind in Wirklichkeit die vielen Attribute eines jahrhundertealten Stoffes: Loden. Dem althochdeutschen Wort «loda» entstammend, bedeutet Loden so viel wie «grobes Wolltuch». Er entstand der Überlieferung nach vor etwa sechshundert Jahren rein zufällig, als eine Bäuerin das Wolltuch ihres Mannes zu rigoros mit Seifenwasser gereinigt hatte. Das Walkverfahren war erfunden und findet bis heute seine Anwendung: Schafwolle wird durch Stauchen, Drücken und Kneten – dem sogenannten walken – in warmen Laugebädern so verfilzt, dass die urspüngliche Webbindung kaum noch oder gar nicht mehr zu erkennen ist: im Gegensatz zu Filz wird ausschliesslich gewebter Stoff verarbeitet. Die hierbei entstehenden Lufteinschlüsse verleihen dem Naturmaterial seine besonderen Trageeigenschaften und machen ihn ideal als Stoff für Kleider. Mit einem groben Wolltuch haben diese schon lange nichts mehr zu tun. Der dunkelgrüne Lodenmantel ist das klassischste Südtiroler Kleidungsstück. Er wurde ursprünglich von Hirten getragen, gewann aber im 19. Jahrhundert in der Habsburger Gesellschaft an Beliebtheit. Sie machten ihn zum Teil ihrer Jagdausrüstung. Im Laufe der Zeit war er zahlreichen Verwandlungen unterworfen, avancierte zum raffinierten und teuren Stoff und wurde bald salonfähig. Weltweite Beliebtheit erfuhr Loden durch die Trachtenmode. Zu Lederhose oder Dirndl ist die Lodenjacke – auch «Janker» genannt – ein absolutes Muss. Man trägt sie mittlerweile allerdings auch als stylisches Mode-Statement zu Jeans und weissem T-Shirt. Gewalkt oder nicht gewalkt, gekämmt oder nicht gekämmt, in knalligem Königsblau, rassigem Rot oder punkigem Pink – Loden ist hip und hat seinen rein volkstümlichen Charakter längst verloren. «Vielleicht ist die Tracht am lebendigsten dort, wo diejenigen, die sie tragen, keine Tracht darin sehen, sondern einfach ihre Kleidung.», sagt Michael Klemera vom Modelabel Luis Trenker.
Die Erfolgsgeschichte des Lodens ist noch lange nicht zu Ende. Im Gegenteil: Der Stoff, aus dem die warmen Jacken sind, erlebt einen Boom. Das erkannte Heiner Oberrauch früh. Der Chef des Modehauses Oberrauch-Zitt unter den Bozner Lauben liess 1999 in Vintl die Lodenwelt bauen – und vereinte dort Produktionsstätte, Geschäft und ein Museum unter einem Dach. Weit über 40’000 Menschen besuchen das Museum pro Jahr und erfahren, wie aus Schafwolle Loden wird und wie dieser früher verarbeitet wurde. «Es ist ein natürlicher Stoff, der seinen Charme nie verlieren wird», sagt Sara Smaniotto, Geschäftsführerin in Vintl. Ihr royalblaues Lodensakko sitzt so perfekt, dass man es gleich selber tragen und nie mehr ausziehen möchte. Den Grossteil der Stoffe bezieht Oberrauch-Zitt von der Tuchfabrik Moessmer im neunzehn Kilometer entfernten Bruneck. Es ist eines der wenigen Textilunternehmen, das nach wie vor in vollstufiger Produktion anfertigt – von der Wolle bis zum hochwertigen Stoff. Seit 1894 stellt die Firma auf dem 50’000 Quadratmeter grossen Firmengelände Loden her. Schon Kaiser Franz Joseph machte Moessmer zum Hoflieferanten. Daran hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert: Sogar der Schneider von Michelle Obama bestellte in Bruneck einen eleganten Tweed-Stoff für die amerikanische First Lady. «Zukunft braucht Herkunft», erklärt Geschäftsführer Walter Niedermair den Erfolg der Firma, die zwei Weltkriege, mehrere Eigentümer und wirtschaftlich schwierige Zeiten überstanden hat. Der 51-Jährige mit dem schnellen Gang und der auffallenden Brille kam vor zwölf Jahren, um den Betrieb gegen die steigende Konkurrenz aus China zu etablieren. Viele schüttelten den Kopf über seine Entscheidung, die Produkte fortan vor allem im Premium-Segment zu positionieren. Heute ist Moessmer Kreativ-Partner und Lieferant von Premium-Modelabels wie Prada, Etro, Brunello Cuccinelli, Armani, Dolce & Gabbana, Louis Vuitton und vielen mehr. Die Zahlen sprechen für ihn. Moessmer ist Weltmarktführer beim Strickwalk. «Und die Chinesen kaufen mittlerweile unsere teuersten Stoffe», sagt er und lacht zufrieden. Also, verehrter James Bond, wie wäre es denn jetzt mit einem massgeschneiderten Anzug aus Loden?
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2013) TEXT ALEXANDRA KNETSCH WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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SPEED, SPIKES & SLIDES | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
Speed,
BOLIDE AUS EIGENBAU, 19642
SPIKES & SLIDES
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INTERNATIONALE EISRENNEN VON ZELL AM SEE
Zell am See im österreichischen Salzburger Land steht heute für Skifahren, Snowboarden und Langlaufen. Von 1952 bis 1974 war es auch für waghalsige Automobil- und Motorradrennen auf dem gefrorenen Zeller See bekannt. Eine Hommage an vergessene Helden vergangener Zeiten.
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Autos sind nicht nur da, um uns von A nach B zu bringen. Sie geben uns ein Gefühl von Freiheit. Die meisten jedenfalls. Sie entfachen Emotionen. Okay, nicht alle. Sie sind Kunstobjekte und Zeitzeugen alter und moderner Technik. Okay, auch nicht alle. Und Autos sind vor allem da, um gefahren zu werden. Vor allem im Winter. Wenn wir in die Fünzigerjahre des letzten Jahrhunderts zurückblicken, öffnet sich eine vergessene Epoche, in der Autofahren, Geschwindigkeit und Risikobereitschaft eine ganz andere Bedeutung hatten. Eine Welt, in der man seine automobile Sehnsucht im Winter nicht im Internet stillte, sondern auf vereisten Strassen und gefrorenen Seen. Die technologische Aufbruchsstimmung der wilden Nachkriegsjahre brachte viele Mythen und Legenden des Automobilsports hervor. Es war die Zeit, in der James Dean mit seinem Porsche 356 auf den staubigen Strassen Kaliforniens Rennen fuhr. Was Dean wohl nicht wusste: Dasselbe Modell bestritt auf dem alten Kontinent ebenfalls Rennen – auf dem gefrorenen See von Zell am See bei Salzburg. Dabei war es in bester Gesellschaft weiterer Sportwagen und Motorräder, die sich alljährlich an den Internationalen Eisrennen in memoriam Ferdinand Porsches duellierten. Ja, genau der Ferdinand Porsche, der die gleichnamige traditionsreiche Automobildynastie begründet und sich 1945 nach Zell am See zurückgezogen hatte. 1952 war er bereits seit einem Jahr verstorben, als zu seinen Ehren das erste Eisrennen auf dem gefrorenen Zeller See stattfand. Ihm wurde durch eine Minute Motorstille die Ehre erwiesen. Eine Stille, die sich in tosendes Motorgeheule verwandeln sollte. Dutzende Autos und Motorräder brausten am 10. Februar 1952 erstmals drauflos. Porsches, VW Käfer, DKWs, BMW-Motorräder. Nicht zu unterschätzendes Detail: mit Skifahrern im Schlepptau! Denn die ersten Eisrennen von Zell am See fanden als Skikjöring-Wettbewerbe statt. Eine Sportart, die man eher von Pferderennen kennt. Es erübrigt sich zu sagen, dass die Rennen insbesondere für die Skifahrer hinter den archaischen Rennmaschinen äusserst gefährlich waren. Denn während heutige Skikjöring-Pferderennen in der Regel im Rundkurs verlaufen, waren bei den Eisrennen auch anspruchsvolle Haken und Kurven zu bewältigen. In diesen brauchten die Skifahrer viel Glück und Geschick, um nicht von Kontrahenten, Autos oder Motorrädern erfasst oder gestreift zu werden. Glücklicherweise ereignete sich während der Eisrennen nie ein folgenschwerer Unfall.
Später erweiterte man die Rennen um reine Auto- sowie Motorradwettbewerbe. Mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 121,9 km/h – erreicht von Walter Wartbichler 1971 – krallten sich die mit Spikes aufgerüsteten Räder der Boliden in die mindestens 20 Zentimeter dicke Eisschicht. Zur Freude der wagemutigen Zuschauer, die jeweils zu Tausenden an den Zeller See pilgerten, um sich das Spektakel nicht entgehen zu lassen. Aus nächster Nähe staunten sie über die in den Kurven slidenden Fahrzeuge, die sich ihren Weg, je nach Wetter, mal über klirrend festes Eis oder knöchelhohe Pfützen und Nassschnee erkämpfen mussten. Eine Sensation war 1956 die Tagesbestzeit des einarmigen Innsbrucker Rennfahrers Otto Mathé auf Porsche-Spezial. Wegen zu schlechten Eisverhältnissen mussten die Rennen in ihrer 22-jährigen Geschichte mehrere Male abgesagt werden. Wer je mit seinem Auto auf schneebedeckter Fahrbahn schnell gefahren ist, weiss, wie sehr die Fahrer in ihren Fahrzeugen durchgerüttelt werden. Und wer je Snowkiten ausprobiert hat, kann erahnen, dass die rasante Fahrt im Schlepptau eines Autos oder Motorrades auf die Fahrer wie eine Droge gewirkt haben muss. Wie Stuntmänner eines JamesBond-Films rutschten die bloss mit Helm – wenn überhaupt! – und Fliegerbrille geschützten tollkühnen Sportler in die Kurven des Eisrennen-Ovals. Natürlich nicht mit Carvingskis, sondern mit primitiven Holzlatten ohne Kanten. In Hockeposition, um den Luftwiderstand so gering wie möglich zu halten. Die Eisrennen von Zell am See wären heute undenkbar. Nicht nur wegen vieler Sicherheitsbedenken, sondern auch aus ökologischen Gründen. Kein Umweltverband würde wohl seinen Segen zu Auto- und Motorradrennen auf einem gefrorenen See in den Alpen mehr geben. Seinen unglaublichen Reiz hatten die fast schon vergessenen Wettbewerbe, die 1974 nach dem tödlichen Unfall eines Pistenbulli-Fahrers bei der Rennbahn-Präparierung gestoppt wurden, aber allemal. Sie sind Zeugen einer anderen Zeit, in der man mehr gemacht und weniger gesprochen hat, in der man mehr draussen war und weniger auf Facebook. Auch im Winter.
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2013) TEXT FABRIZIO D’ALOISIO FOTOS BEZIRKSARCHIV ZELL AM SEE, SALZBURGER AUTOMOBIL, TOURING CLUB, JOSEF FAISTAUER WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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HEISSES EISEN | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
HEISSES EISEN Thomas Lampert und seine Messer
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Das Schmiedehandwerk gehört zu den ältesten Arbeitstechniken des Menschen. In der Fuschina da Guarda lässt sich die mysteriöse Kunst im Umgang mit dem Feuer hautnah miterleben. Thomas Lampert schmiedet hier seine Messer aus rohem Stahl – jedes Stück ist einzigartig.
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Guarda gilt als Vorzeigedorf des unteren Engadins. Prächtige Bauernhäuser prägen das Dorfbild auf der nach Süden ausgerichteten Terrasse. Mächtige Bogentüren, Sgraffiti von kulturhistorischem Wert, neckische Erker und schön geschmiedete Fenstergitter mit Blumendekos. Hier liess sich Alois Carigiet zu seinen Schellen-Ursli-Illustrationen inspirieren, das Dorf galt dem Heimatschutz lange als Verkörperung Engadiner Baukultur und erhielt 1975 den Wakker-Preis sowie eine Erwähnung im Inventar der Kulturgüter von nationaler Bedeutung. Gleich am Dorfeingang, leicht versetzt auf der linken Seite, befindet sich auch die alte Schmiede. Die Fuschina da Guarda, wie sie hier genannt wird. Anno 1836 prangt über dem Eingang, und seither hat sich auch kaum etwas verändert. Russgeschwärzte Wände mit allerhand grobem Werkzeug – Hämmer in allen Grössen, Zangen, Meissel. Mittendrin das Schmiedefeuer, der Amboss und ein urtümlich wirkender Krafthammer. Die offene Struktur in einem Rundbogen lässt auf die ehemalige Funktion schliessen. Hier wurden Pferde beschlagen, bevor die Landwirtschaft mechanisiert wurde und die Dorfschmiede jahrelang ungenutzt blieb. Dies also ist das Reich des Thomas Lampert. Der stämmige Mann mit den kräftigen Oberarmen und den groben Händen begrüsst uns mit einem verschmitzten Grinsen und in breitem Basler Dialekt. Seit 2002 betreibt er an diesem abgelegenen Ort seine kleine Bau- und Kunstschmiede. Aus Berufung, wie er sagt. Und aus der beständigen Faszination für das Schmiedehandwerk. Dass alles so gekommen ist, ist eigentlich purer Zufall. Lampert absolviert Ende der 80-Jahre eine Lehre als Metallbauschlosser bei Walter Suter in Muttenz, damals eine Koryphäe der Metallgestaltung. Im Anschluss folgten eine Zusatzausbildung als Kunstschmied und ein Lehrgang am europäischen Ausbildungszentrum für Handwerker im Denkmalschutz in Venedig. Nach einem weiteren Studienaufenthalt in Prag legte er die höhere Fachprüfung als eidgenössisch diplomierter Schmiedemeister ab, holte die mathematische Matura nach, begann ein Studium in Physik und Philosophie, landete schliesslich im Kosovo bei der Swisscoy, welche die internationalen Friedensmassnahmen der KFOR unterstützt. Doch eigentlich wollte Lampert zurück an den Amboss, zum Feuer und zum Schmiedeeisen. Die Fuschina da Guarda gehört der Gemeinde, und der Zufall wollte es, dass der Gemeindepräsident der Sohn des letzten Dorfschmiedes ist. So fiel eine Anfrage auf fruchtbaren Boden. Bald war man sich handelseinig, ein Wohnhaus wurde gefunden, unten in Giarsun an der Hauptstrasse, im Schatten, wo Lampert mittlerweile mit seiner fünfköpfigen Familie lebt. Seither wird in der alten Schmiede wieder gehämmert, werden Geländer fabriziert, Zäune, Fenstergitter, Gebrauchsgegenstände und schmiedeeiserne Grabkreuze für Tarasp, die einzige katholische Gemeinde des Engadins. Doch uns interessieren die handgeschmiedeten Messer von Thomas Lampert. Diese archaisch anmutenden Urstücke aus einer anderen Zeit. Deshalb sind wir gekommen. Wir wollen miterleben, wie aus einem rohen Stück Eisen ein Messer wird.
Früher wurden den Schmieden übernatürliche Kräfte nachgesagt. Das Wissen um die Metallgestaltung und die Beherrschung des Feuers wurde mit Magie verbunden, die Hitze der Flammen konnte Materie verändern. Das Feuer war das Agens der Wandlung. Im Christentum steht es für die Liebe und den Heiligen Geist, aber auch für Hölle und Teufel. Lampert wirft Kohle ins Feuer. Setzt den Blasebalg in Betrieb, fräst ein exakt bemessenes Stück Messerstahl von einem stabförmigen Rohling ab. Eisen ist eines der 118 chemischen Grundelemente – ein Urstoff, der in fast reiner Form in Meteoriten vorkommt, aber in erster Linie vermischt mit anderen Elementen in Form von Eisenerz. Liegt der Gehalt an Kohlenstoff unter 1,7 Prozent, ist das Eisen schmiedbar. Messerstahl enthält 0,5 bis 1,5 Prozent Kohlenstoff sowie circa 13 Prozent Chrom für die Rostbeständigkeit. Reines Eisen schmilzt bei 1536 Grad Celsius. Das Feuer hat nun die richtige Temperatur erreicht, der Rohling kommt ins Feuer, bis er glüht. Mit einer Zange holt Thomas Lampert das Stück aus dem Feuer, legt es auf den Amboss, schlägt zu. Kräftig und gezielt. Kontrolliert das Resultat. Legt das Werkstück unter den brachialen Krafthammer, dann wieder ins Feuer. Es ist laut. Es ist heiss. Es ist russig. Nach einigen Durchgängen zeigt sich langsam die Grundform des Messers. Rohe Gewalt, Timing, Konzentration, Kraft und präzise Schläge sind hier gefragt. Das wirkt auch heute noch faszinierend. Kein Wunder, wurde der Schmied in den antiken Mythen als Götterwesen angesehen. Seine Macht bestand darin, Schwerter herzustellen, die den primitiven Waffen überlegen waren. Dabei verarbeitete er seine gesamte magische Kraft in das Werkstück. Das Rohmesser wird mit einer Fräse zurückgeschnitten, danach fertig geschmiedet. Mit dem Trethammer bekommt es noch den Stempel der Fuschina, bevor es zum langsamen Abkühlen in den Sand gesteckt wird. Es folgen ein Tag im Säurebad, anschliessend der Grob- und Feinschliff. Das erste Messer entstand auf Anregung von Albi von Felten, Preisträger des Premio Slow Food vom Landhotel Hirschen in Erlinsbach. Ein Jahr hat Lampert getüftelt, bis die Grundform stand und das erste AlpSbrinzMesser geschmiedet war. Es folgten ein spezielles Salsizmesser, verschiedene Messer mit Holzgriffen und Griffen aus Hirschhorn, Klappmesser und aufwändig hergestellte Messer mit Klingen aus Nickeldamaszenerstahl. Stolz präsentiert uns Lampert seinen neusten Prototypen: eine massive, eiserne Bratpfanne – ein richtiger Totschläger. Aber wie eine Rösti darin schmeckt? Unvergleichlich! Wie auch der Gegensatz zu einem industriell gefertigten Messer. In Lamperts handgeschmiedeten Objekten ist noch das ursprüngliche Handwerk sichtbar, jeder Hammerschlag findet sich im Unikat wieder. Dazu kommt die philosophische Komponente: einer toten Materie wie Eisen wurde neues Leben eingehaucht.
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2013) TEXT DARIO CANTONI FOTOS FILIP ZUAN WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, GESAMTREDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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BIBI VALPLAN | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
FREIHEIT DER EIGENEN
Sprache
Nach einer langen musikalischen Odyssee hat Bibi Vaplan zurück im Engadin den Schlüssel zur eigenen Muse gefunden.
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Am Anfang stand das Heimweh. Fast eine Dekade lang hatte Bianca Mayer vor allem mit Klavier und Schlagzeug munter im Musikleben von Zürich mitgemischt. Sie hatte Musik studiert und unterrichtet, in vielen Bands mitgewirkt, Film- und Theatermusik komponiert, gehörte, wie man so schön sagt, dazu. Zwei Jahre lang habe sie mit sich ringen müssen, ehe sie endlich den Schritt zurück – und vorwärts – ins Engadin wagte. Die Heimkehr erlebte sie wie einen Rausch: «Der Moment vom Wieder-im-Engadin-Sein und wieder die Sprache zu benützen, mit der ich aufgewachsen war, hat mich extrem berührt», sagt sie. Im Dorf, wo sie nun wohnte, gab es wenig Ablenkung, und auf einmal stürzten die Songs nur so aus ihr heraus. Und wenn sie um drei Uhr früh damit fertig war, ging sie hinaus an die frische Luft und spazierte durch die Nacht, bis sie müde genug war fürs Bett. «Ich habe jeden Abend Lieder geschrieben und musste mir nicht überlegen, ist das cool oder nicht. Es war eine grosse musikalische Befreiung.» Auch die sprachlichen Fesseln hatte sie mit dem Umzug abgeworfen. Früher hatte sie wie alle anderen englische Texte geschrieben: «Ich war ja auch in Amerika gewesen, es ist nicht so, dass ich es nicht könnte. Aber die Texte auf Englisch waren Zangengeburten. Auf Romanisch haue ich die Worte einfach hin. Sie sind nicht mehr so ausstudiert.» Eigentlich hätte Bianca Mayer malen wollen. So war es auch noch, als sie mit siebzehn Jahren ein Auslandsemester in der GrungeStadt Seattle einschaltete. Zur Musik bekehrt wurde sie mit achtzehn Jahren durch die Chopin-Balladen in g-Moll und das Requiem von Mozart: «Endlos habe ich das gespielt, ganz laut, so wie andere Punk gehört haben.» Dabei hat die Musik Familientradition. Der Vater ist passionierter Volks- und Blasmusiker. Das Verhältnis zu ihm wurde auf die Probe gestellt, als die Tochter von der Klassik über Jazz, Rock und Folk ausgerechnet dann in einer verspäteten Punkphase landete, als sie in ihre Engadiner Heimat zurückkehrte. Ein Album unter dem
Namen Alba da la Clozza dokumentiert diese Neuorientierung. «Es war für ihn eine Überraschung, dass die Tochter nicht Blasmusik dirigierte, sondern Punk machte. Und erst noch über Dinge sang, über die man nicht hätte singen dürfen. Ich habe halt immer über alles gesungen, was mir durch die Finger oder durchs Herz ging. Und dann noch auf Romanisch! Auf Englisch kann man sich besser verstecken.» Auf den Sturm folgte die Ruhe. Seit vier Jahren musiziert Bianca Mayer unter dem Namen Bibi Vaplan. «Bibi» ist ein Spitzname aus der Kindheit, «Vaplan» heisst auf Romanisch «mach langsam». «Am Anfang dachte ich, dass Bibi Vaplan ein neues Kostüm zum Anziehen sei, eine Kunstfigur», erklärt Bianca. «Aber dann merkte ich, dass ich mir damit eine extrem schöne Aufgabe gestellt hatte. Bei mir musste ja immer alles schnell gehen. Ich konnte nirgends ruhig sitzen. Dabei ist es sehr wertvoll, sich Zeit zu lassen in der heutigen Zeit, wo eh alles nur noch schneller, grösser und besser werden muss.» Vaplan heisst es auch in der Musik. Ihre Lieder lassen sich nun Zeit, sind luftig, auch wenn die Texte durchaus auch von schwierigen Emotionen handeln. Fürs dritte Bibi-Vaplan-Album, «Sdruogliar» (2012), liess Bianca sich und ihr Klavier von der Kammerphilharmonie Graubünden begleiten. Mit den fein gesponnenen Arrangements und der speziellen Melodik des Romanischen ist «Sdruogliar» ein faszinierendes Album, das entfernt an Künstlerinnen wie Regina Spektor oder Agnes Obel gemahnt, dabei aber ganz die eigene Sprache spricht. Im März erscheint ihr nächstes Werk, «Cul Vent». Diesmal hat sich Bibi Vaplan mit dem Bassisten Reto Claudio Gaffuri und dem Schlagzeuger Michael Nobel zusammengetan. Im Vordergrund stehen weiterhin Klavier und Stimme, aber die Dynamik ist dringlicher geworden, ohne allerdings je in Hast zu verfallen. «Bibi Vaplan ist das Resultat von allem, was ich je ausprobiert habe», sagt Bianca. «Es ist das Resultat einer lebenslangen Suche nach einem Ausdruck, den ich jetzt wie ein bisschen gefunden habe.»
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ARTIKEL FÃœR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2015) TEXT HANSPETER KUENZLER FOTOS JOS SCHMID WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, REDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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CONRAD JON GODLY | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
BERGE SEHEN – BERGE MALEN Stehen wir vor einem Bild von Conrad Jon Godly, wissen wir, was ein Berg ist. Archetypisch leuchten die Berge in seinen Gemälden. Warum aber wissen wir in Anbetracht dieser Bilder plötzlich so genau Bescheid über die Berge? Im Nachhinein erst beginnen wir uns vielleicht Rechenschaft darüber abzulegen, was es denn auf sich hat mit den Bergen, die uns in Godlys Malerei so unmittelbar ansprechen. Seine grossen und kleinen Leinwände ergreifen uns nicht anders als wirkliche Berge. Es muss wohl mit jener zeitlosen Erhabenheit zu tun haben, mit der stummen Ewigkeit, der Indifferenz der Berge auch gegenüber allem menschlichen Treiben weit unten in den Niederungen. Und natürlich ist es der Zauber der Naturgewalt – einer Macht, die alles menschliche Mass übersteigt. Solch inneres Wissen um das Wesen der Berge jedenfalls steigt in uns auf beim Betrachten von Godlys Bildern. Und genau ein solch verinnerlichtes Wissen hat der Bündner Künstler immer wieder auf die Leinwand gebracht. Godly malt ausschliesslich solche Bilder, im Grunde immer dieselben – Bilder von Bergen, in allen Wetterlagen, grosse, kleine, ganz grosse und ganz kleine Bilder. Selber in den Bergen aufgewachsen, folgte er eines Tages ihrem Ruf. Und wenn er heute nun Berge malt, wie es viele andere Schweizer Künstler auch getan haben, so malt er sie – doch ganz anders. Conrad Jon Godly benutzt ausschliesslich Pinsel, Ölfarbe und Leinwand, die klassischen Utensilien der Malerei. Dennoch versteht er sich keineswegs als klassischer Maler von Bergen, wenn auch seine Malerei in ein und derselben entwicklungshistorischen Linie mit Ferdinand Hodler, Giovanni Segantini oder Giovanni Giacometti gesehen werden muss.
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Seine Malerei ist nicht Landschaftsmalerei vor dem Sujet und auch nicht Studiomalerei aus der Erinnerung im strikten Sinn. Wenn Godly malt, geschieht dies aus einer «Erinnerung zweiten Grades»: er hat das Bild vom Berg gleichsam verinnerlicht. Von seinen ausgedehnten Wanderungen im Hochgebirge, bei welchen er sich als unermüdlicher Beobachter übt, hat sich Godly sozusagen ein ganzes «Skizzenbuch» von Bergbildern angelegt. Was er schliesslich auf die Leinwand bringt, ist das, was sich in seinem Inneren sozusagen als Sediment abgesetzt hat – und vielleicht ganz einfach als die reine Vorstellung von einem Berg beschrieben werden kann. Daher wohl wollen einem Godlys Bergbilder stets bekannt vorkommen - als realistische Malerei erscheinen. Reduktion auf das Wesentliche. Die Abstraktion indes ist nie weit in seiner Malerei. Im Gegenteil: Gerade das unablässige Bemühen des Künstlers, die Essenz dessen, was ein Berg ist oder sein kann, auf die Leinwand zu bannen, zwingt ihn unweigerlich, auf eine im Grunde abstrakte Malweise zurückzugreifen. Reduktion auf das Wesentliche des Sujets verlangt nach Eingrenzung des Gestaltungsspielraums. Dies führt nicht nur zu einem auf wenige Gesten reduzierten Einsatz des Pinsels. Mit diesem Konzentrationsprozess geht auch die Unterordnung der Farben einher – bis hin zum völligen Verzicht derselben. Dann entstehen etwa ganz monochrome Bilder. Mit dieser radikal abkürzenden Maltechnik gelingt es Godly, alles vom Kern der künstlerischen Aussage Ablenkende zu eliminieren.
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Sein Verfahren wird deutlich bei extremer Nahansicht der Leinwände: Tritt man an ein Bild nur nahe genug heran, löst sich die dargestellte Bergwelt in ihre Bestandteile aus Farbfeldern und Pinselstrichen auf. Gerade bei den Grossformaten fühlt man sich vor solch zerklüfteter Farbmaterie, die eine eigentliche Topografie auf der Leinwand bildet, an geologische Prozesse erinnert. Ganze Ladungen von Farbe schaufelt Godly bisweilen auf die Leinwand, um sie dort zu schichten, zu wälzen, ineinanderzuschieben und miteinander zu vermengen. Der sehr dicke Auftrag trocknet dabei im Innern niemals vollständig aus, sondern bleibt stets etwas flüssig – nicht anders als das Magma im Erdinnern: eine Vorstellung, die dem Künstler übrigens gefällt.
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Spiritueller Raum. Das Bild wird in einem einzigen, zeitlich relativ kurz andauernden Malakt unmittelbar vor der Leinwand vollendet. Keine Vorskizze, kein Raster wird zu Hilfe genommen, Godly kommt ganz ohne solche Hilfsmittel aus. Dass dabei insbesondere im Fall von Riesenformaten mit Ausmassen von mehreren Metern nicht der Sinn für die richtigen Proportionen verloren geht, grenzt an ein kleines Wunder. Von nahe gesehen eine Geröllhalde von Ölfarbe, fügt sich alles aus der Distanz betrachtet wie selbstverstänlich zu einem stimmigen Bild zusammen. Dabei scheinen die einzelnen Bildelemente weniger einem rational kalkulierten Kompositionsschema zu folgen, als vielmehr einer inneren Logik zu gehorchen. Godlys Vorgehensweise erinnert geradezu an die fernöstliche Kunstform der Kalligrafie.
Wie in der ostasiatischen Mal- und Kalligrafie-Praxis bedarf der relativ kurze und einmalige Malprozess auch bei Godly höchster Konzentration. Im Nachhinein korrigiert der Künstler nichts mehr. Gerade weil Ölfarbe ein sehr geschmeidiges Material ist und lange nicht trocknet, muss er genau wissen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, ein Bild zu beenden. Die Gefahr des Zermalens ist gross. Nicht anders auch als in der fernöstlichen Kalligrafie und Malerei geht bei Conrad Jon Godly dem Bild stets eine innere Vision voraus. Interessant ist übrigens, dass nicht nur Godlys Riesenformate – etwa einzeln in einem schlichten Raum präsentiert – eine geradezu sakrale Wirkung entfalten können, wie dies etwa auch für Gemälde von Mark Rothko oder Barnett Newman gilt. Selbst bei seinen ganz kleinen Arbeiten ist dies der Fall. Diese handtellergrossen Werke weisen eine erstaunliche Monumentalität auf und stehen in ihrer Wirkung den grossen Formaten (die allerdings eine Distanz von bis zu zwanzig Metern vertragen) in nichts nach. Godly lässt diese Kleinformate oft in kastenartigen Holzrahmen fassen. Nicht nur sollen die tiefen Rahmen in ganz praktischer Hinsicht die pastose, oft auch über den Bildrand hinausragende Farbschicht schützen. Auch erhalten die Werke dadurch einen ganz einzigartigen Objektcharakter. Sie können gestellt werden wie ein Gegenstand und erinnern darüber hinaus nicht zuletzt auch wieder einmal daran, dass ein Bild in seiner materiellen Beschaffenheit immer auch ein Ding ist.
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In äusserstem Gegensatz zu solcher Dinghaftigkeit steht allerdings der Bildraum dieser Gemälde in seiner geistig-spirituellen Schwebe zwischen Abstraktion und monumentaler Gegenständlichkeit. Mit diesem Antagonismus spielen Godlys kleine Kunstwerke auf geradezu geniale Weise.
Philipp Meier (Auszug aus dem Katalogtext in «Conrad Jon Godly – Works +-», 2014)
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2014/2015) TEXT PHILIPP MEIER BILDER CONRAD JON GODLY WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, REDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
Wenn Gemeindearbeiter die ersten Schnee zeichen setzen, ist der Winter nah. Die Tem peraturen sinken langsam, aber sicher gegen den Nullpunkt. Am Morgen liegt erster Rau reif, und beim Ausatmen bilden sich lustige Nebelfahnen.
SCH N EE ZE ICH E N
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SCHNEEZEICHEN | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
Die Reihenfolge ist klar: Zuerst werden die Alpenpässe ausgesteckt, dann folgen die Haupt strassen, am Schluss sind Winterwanderwege und Loipen für die Touristen dran. Schneestangen sind wie Leitplanken. Teil der winterlichen Strassenausstattung. Den Ver kehrsteilnehmern wie dem Räumungsdienst dienen sie als Orientierungshilfen, wenn die Landschaft in zauberhaftem Weiss versinkt. Wurden für die Markierung früher einfach dicke Holzstecken verwendet, stellte man mit dem Aufkommen des motorisierten Verkehrs extra Schneestangen mit Warnfarben zur bes seren Erkennbarkeit her. In der Schweiz ist das «Schneezeichen-Wesen» nicht reguliert. Weder was das Material, die Farben noch den Einsatz betrifft. Jede Gemeinde folgt ihren eigenen Prinzipien. Die Holzstan gen, oftmals nur grob zugehauen, sind unten zugespitzt und rund zwei Meter hoch. Vor allem: Sie sind in allen möglichen Farbkombi nationen bemalt. Gelb, Schwarz, Rot, leuchtend Orange, Pink – gestreift oder einfarbig. Patrik Fuchs ist ein fotografischer Sammler. Ihn fasziniert visuelles Gemeingut. Er spürt Alltäglichem nach, sucht im «Gewöhnlichen» nach ästhetischen Eigenheiten. Findet Schön heit. Über einen Zeitraum von vier Jahren hat Fuchs unzählige den Weg markierende Ste cken zusammengetragen. Ohne auf ihre Her kunft allzu viel zu geben. Fundstücke. Urtypen der visuellen Kommunikation. Schneezeichen, die auch in Zeiten des satelli tengestützten GPS nicht ausgedient haben.
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2015) TEXT DARIO CANTONI / WOLFRAM MEISTER FOTOS PATRIK FUCHS WEITERE ARBEITEN GESTALTUNG UND UMSETZUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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GESCHICHTE DER SKIBEKLEIDUNG | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
S herlock
Holmes,
Batman und ein Taucheranzug
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Die ersten Briten stürzten sich in edlem Tweed die Hänge hinunter, und Frauen durften die Skihose höchstens unterm Rock tragen. Der Weg zur stromlinienförmigen Funktionsbekleidung auf zwei Latten war ein weiter, und so manchem wurde auf dem langen Weg dorthin wohl ziemlich klamm und feucht um die Waden.
«Mein Schneider hatte mir versichert, dass Harris-Tweed nicht zer-
man ohnehin in den Wintermonaten am Leib trug, denn spezielle
schleisst. Dies ist pure Theorie und hält wissenschaftlichen Experi-
Wintersportbekleidung gab es Ende des 19. Jahrhunderts noch gar
menten nicht stand. Er wird auf dem ganzen Weg von der Furgga bis
nicht. Knickerbocker mit hochgezogenen Socken, darunter lange
nach Arosa Warenmuster seines Stoffes zur Ansicht finden.»
Unterwäsche und obenrum ein dicker Wollpullover, bei besonders
Der ehrwürdige Sir Arthur Conan Doyle, geistiger Vater von Sher-
garstigen Temperaturen mit einem kurzen Wintermantel drüber –
lock Holmes, der diese Zeilen schrieb, war der erste Skifahrer in den
das war um die Jahrhundertwende das Outfit für den Herrn.
DER VON THOMAS BURBERRY ENTWICKELTE FESTE «GABARDINE»-STOFF WURDE BEREITS 1894 PATENTIERT. DER DURCHBRUCH KAM ABER ERST 1910, ALS BURBERRY GLEICH BEIDE KONKURRIERENDEN EXPEDITIONEN ZUM SÜDPOL AUSRÜSTETE. IM BILD DER BRITISCHE POLARFORSCHER ERNEST SHACKELTON, SPÄTE 1920ER JAHRE. (ARCHIV BURBERRY)
Schweizer Alpen. 1893 kam er erstmals nach Davos, weil seine Frau an Tuberkulose erkrankt war und sich dort auskurieren sollte. Das
Frauen auf Ski waren, anders als man vermuten könnte, keine
Dorf und der Schnee gefielen ihm, also kam er wieder und bestellte
Seltenheit in jener Zeit, und viele Damen aus der britischen Ober-
bei einem einheimischen Schlittenbauer namens Tobias Branger
schicht wagten sich mit Begeisterung auf die zwei Holzlatten. Im
ein paar norwegische Ski. Es waren über zwei Meter lange, dünne
Rock natürlich, denn Frauen in Hosen wurden gar nicht gern ge-
Holzlatten, und bis Doyle auf ihnen einen Hang hinuntergleiten
sehen. Da es aber der bodenlangen Röcke wegen immer wieder zu
konnte, dauerte es mehrere Wochen.
schweren Stürzen kam – sie verhedderten sich in den hochgebogenen Skispitzen – einigte man sich schon bald auf einen Kompromiss:
Als es endlich gelang, wurden Doyle, Branger und dessen Bruder
Zum Skisport trugen nun auch die Damen Knickerbocker, bedeckt
Johann etwas vorschnell sehr wagemutig. Sie stiegen die Maien-
von einem gekürzten, knapp über die Knie reichenden Rock.
felder Furgga hinauf, die Davos mit Arosa verbindet. Oben ange-
Ebenso wie die ersten Wintertouristen kam auch die erste Innova-
kommen wurde allerdings klar, dass der Hang auf der anderen Seite
tion im Bekleidungsbereich von den Britischen Inseln; die von
viel zu steil war, als dass die Ski-Novizen ihn meistern könnten. Die
Thomas Burberry entwickelte «Gabardine». Der sehr dicht und in
Branger-Brüder schnallten kurzerhand die Ski ab, banden sie zu-
diagonalem Muster gewebte Baumwollstoff wurde als wasserdicht
sammen und glitten, auf diesem «Ski-Schlitten» sitzend, gen Arosa
und dennoch luftdurchlässig beworben und bereits 1894 patentiert.
hinab. Conan Doyle hatte weniger Glück. Seine Ski rutschten unter
Ihren Durchbruch erlebte die Gabardine aber erst nach der Jahrhun-
ihm weg und er purzelte wenig elegant talwärts, bevor er erst viel
dertwende, als Burberry im Jahr 1910 gleich beide konkurrierenden
weiter unten seine Latten aufs Neue befestigen konnte.
Expeditionen zum Südpol – die siegreiche des Norwegers Amundsen
Doch auch wenn diese erste Skitour mit einigen Beulen und Krat-
sowie die fatal endende des Briten Scott – mit Schlittenanzügen und
zern endete, war Conan Doyle sicher, dass Skifahren dereinst einen
Zelten aus seinen Stoffen ausrüstete.
Boom erleben würde: «Ich bin davon überzeugt, dass eine Zeit kom-
Amundsen erreichte Ende 1911 als Erster sein Ziel, und um die
men wird, in der Hunderte von Engländern zur Skisaison in die
Welt ging nicht nur die Nachricht seines Erfolges, sondern auch der
Schweiz fahren werden.»
gute Ruf von Burberrys Stoffen. Der Skitourismus hatte in der britischen Oberschicht bereits viele Anhänger gefunden, und für diese
Conan Doyle verschätzte sich um mehrere Stellen. Nicht Hunderte,
war in den folgenden Jahren ganz klar Burberry der Bekleidungs-
sondern Hunderttausende würden folgen, ja sogar Millionen. Und
ausrüster erster Wahl.
schon wenig später würden sie nicht mehr im Tweed die Pisten hinabsausen, sondern in Stoffen, die weit härtere Belastungen aushal-
Der Erste Weltkrieg brachte vor allem für die Damen unter den
ten konnten – auch wenn es bis zur Entwicklung von synthetischer
Sportsleuten eine entscheidende Veränderung. Weil während des
Funktionsbekleidung noch einige Jahrzehnte dauern sollte.
Krieges aus Mangel an männlichen Arbeitskräften weibliche Land-
Viele der ersten Skifahrer setzten auf Loden und Wolle, wenn sie
arbeiterinnen in Hosen ein relativ alltägliches Bild gewesen waren,
sich die Hänge hinabschwangen. Oft trug man auch einfach das, was
stieg die allgemeine Toleranz gegenüber Frauen in solcher Beinbe-
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1
kleidung – solange diese einen praktischen Nutzen darstellte. Während also im städtischen Alltag weiterhin die unausgesprochene «Rockpflicht» galt, konnten weibliche Sportlerinnen bei den ent-
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sprechenden Leibesübungen nun ganz ungeniert und ungehindert
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Hosen tragen. Einen echten Boom in der Wintersportbekleidung lösten wenig
Statt der Kniebundhose trugen stilbewusste Skifahrer und Skifah-
später die ersten Olympischen Winterspiele von 1924 in Chamonix
rerinnen inzwischen die langen «Norwegerhosen», die etwas
aus. Nicht nur Burberrys schärfster Konkurrent in Sachen Trench-
sackartig daherkamen und in Sachen Luftwiderstand eindeutig
coat – die britische Firma Aquascutum – wagte sich nun auf die
Optimierungspotenzial besassen.
Pisten, sondern auch etablierte französische Modehäuser wie Patou,
Während es untenrum flatterte, waren dagegen die Oberteile – Bluse,
Lanvin und natürlich Hermès.
Weste und kurze Jacke wurden im Schichtenlook getragen – körper-
Im italienischen Monza begann die kleine Firma Colmar (ihren
nah. Zu verdanken war diese knackige Kürze auch einer Münchnerin.
Namen verdankt sie nicht dem französischen Ort, sondern den
Maria, die Braut des Sporthändlers und Nordisch-Kombinierers
jeweils ersten drei Buchstaben im Vor- und Nachnamen ihres Grün-
Willy Bogner, hielt nur wenig von den weiten und übers Gesäss rei-
ders Mario Colomba), die eigentlich auf die Herstellung von Arbeits-
chenden Anoraks, die ihr zukünftiger Mann für sein Sportgeschäft
uniformen spezialisiert war, mit der Anfertigung von Skimode aus
aus Skandinavien anliefern liess. Sie versah die Jacken mit ein paar
behandelter Baumwolle. Ihr spektakulärstes Kleidungsstück war
Abnähern, kürzte sie beträchtlich und machte aus dem abgeschnit-
der «Thirring», eine Art Fledermausmantel für die Piste, der den
tenen Stück einen Steppgürtel, so dass die Skifahrerin fortan mit
Skifahrer im Luftwiderstand segeln liess. Entwickelt wurde dieser
schmaler Wespentaille die Pisten hinuntersausen konnte. So erfolg-
für den Österreicher Leo Gasperl, der 1932 in St. Moritz einen neuen
reich waren die Bogners mit ihrer Skibekleidung, dass sie wenig
Geschwindigkeitsrekord auf Skiern aufgestellt hatte – 136,3 Kilo
später, 1936, gar die deutsche olympische Wintermannschaft aus-
meter pro Stunde!
statten durften.
1814
1837
1864
1894
1894
In Schwabmünchen wird der Strickwarenhersteller Schöffel gegründet
Gründung von Hermès in Paris
Die ersten Wintertouristen aus Grossbritannien verbringen aufgrund einer Wette des Hoteliers Badrutt die Wintermonate in St. Moritz
Thomas Burberry lässt seine Gabardine patentieren
Sir Arthur Conan Doyle beschreibt das Skifahren in einem Artikel im «Strand Magazine» und weckt das Interesse vieler Briten
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1 AM ANFANG GAB ES KEINE SPEZIELLE WINTERBEKLEIDUNG FÜR DEN SPORT. MAN NAHM EINFACH DAS, WAS MAN OHNEHIN TRUG. DIE FRAUEN ANFANGS EINEN LANGEN ROCK, FRAUEN IN HOSEN WAREN NICHT GERN GESEHEN. HIER EINE NOSTALGISCHE FOTOPOSTKARTE AUS DEM STUDIO, DIE DIES DOKUMENTIERT. CIRCA 1910. (KEYSTONE) 2 JET-SET-OVERALL UND -JACKE AUS DEN 1980ER JAHREN. (ARCHIV JET SET) 3 SKI-OUTFIT VON JEAN PATOU, CIRCA 1929/30. BREITE, WEITE HOSEN WAREN NUN AUCH FÜR FRAUEN MÖGLICH. (ARCHIV JEAN PATOU) 4 DER VON COLMAR FÜR DEN ÖSTERREICHER LEO GASPERL ENTWICKELTE FLEDERMAUSMANTEL. 1932 STELLTE GASPERL MIT DIESEM IN ST. MORITZ EINEN NEUEN GESCHWINDIG KEITSREKORD AUF SKIERN AUF: 136,6 KM/H. (DOKUMENTATIONS BIBLIOTHEK ST. MORITZ, AUTOR: HANS STEINER)
3
4
Doch die Spiele von Garmisch-Partenkirchen markierten auch den
seine bunten, psychedelischen Muster bekannt. Der Skimode blieb
Beginn einer dunklen Ära. Der Siegeszug der Nationalsozialisten
er aber weiterhin treu, und seine dem weiblichen Körper schmei-
und der folgende Zweite Weltkrieg brachten den alpinen Winter-
chelnden Entwürfe galten über Jahrzehnte als das Schickste, was
tourismus zum Erliegen, und nicht wenige Skilehrer aus Deutsch-
der Winter einer Frau von Welt zu bieten hatte.
land, Österreich und der Schweiz verliessen Europa, um auf der
Andere Auswanderer blieben gleich ganz «drüben» und sind heute
anderen Seite des grossen Teichs ein neues Leben zu beginnen.
in Europa weitgehend in Vergessenheit geraten. Klaus Obermeyer
Während die alte Heimat im Chaos versank, schossen im Westen der
zum Beispiel, ein Bayer aus Oberstaufen, der in den 1940er Jahren
USA die Skiresorts wie Pilze aus dem Boden. Im aufstrebenden Win-
nach Aspen kam, wo sein bester Freund aus Kindertagen soeben die
tersportort Mount Hood in Oregon sorgte Ende der 1930er Jahre ein
lokale Skischule eröffnet hatte. Obermeyer wurde Skilehrer und
gewisser Emilio Pucci für Aufsehen. Der Student am Reed-College
verkaufte nebenbei die passende Bekleidung – das von ihm gegrün-
in Portland – als Mitglied der italienischen Nationalmannschaft
dete und in den USA nach wie vor erfolgreiche Unternehmen wird
hatte er doch tatsächlich ein «Ski-Stipendium» bekommen – trai-
heute von seinen Nachfahren geführt.
nierte die College-Skimannschaft. Weil er sich über die zwar war-
Der Schweizer Auswanderer Frederic Picard wurde in den 1940er
men, aber unansehnlich sackartigen Anzüge seines Teams fürchter-
Jahren von amerikanischen Modemagazinen gar als «internationale
lich aufregte, entwarf er kurzerhand neue, stromlinienförmige
Autorität für Glamour im Schnee» gefeiert. Seine Designs verkaufte
Outfits. Diese gefielen dem ebenfalls in Portland ansässigen Sport-
er im eigenen Geschäft in Sun Valley und stattete als Kostümdesig-
und Outdoorbekleidungshersteller White Stag so gut, dass er einige
ner die ersten Ski-Spielfilme wie «Sun Valley Serenade» aus. Doch
Jahre später Puccis erste Skikollektion herausbrachte.
in den 1950er Jahren verpasste er einen Trend, als er nicht wahrhaben wollte, dass die Damenwelt nun nach einer körpernahen
Nach dem Krieg gründete Pucci auf Capri unter eigenem
Linie und sexy Schnitten verlangte. «Wenn Skihosen zu eng und aus
Namen eine Boutique und wurde in den 1960er Jahren vor allem für
elastischem Material sind, könnten sie einen gegensätzlichen Effekt
1911
1923
1924
1932
1932
Amundsen erreicht den Südpol – in einem Schlittenanzug und mit Zelten von Burberry
In Monza wird Colmar gegründet
In Chamonix finden die ersten Olympischen Winterspiele statt
Leo Gasperl stellt einen Geschwindigkeitsrekord auf Ski auf – 136 km/h.
Der Nordisch-Kombinierer Willy Bogner gründet in München ein Import geschäft für Ski- und Strickwaren aus Norwegen
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5 FUTURISTISCHER LOOK VON BOGNER 1980ER JAHRE. (ARCHIV BOGNER) 6 WEISSER PULLOVER MIT ZOPFMUSTER UND ELASTISCHE GABARDINE-HOSEN AUS DER HERBST/WINTER-KOLLEKTION VON EMILIO PUCCI 1957. (EMILIO PUCCI ARCHIV, FLORENZ)
haben und Beulen und Dellen offenbaren, die man besser verstecken sollte», sagte er in einem Interview. Die Damenwelt sah das aber offenbar anders, und Picards Designs gerieten in Vergessenheit. In der Nachkriegszeit prägten genau die von Picard so verschmäh-
Ganz allgemein entwickelten sich ab den 1950er Jahren zwei Ten-
ten schmal geschnittenen Designs die Skimode, und auch diesmal
denzen in der Skibekleidung – die durch den Wettkampfsport ange-
war Maria Bogner an vorderster Front mit dabei. Viele Hersteller
triebene Funktionsbekleidung, die nach immer besseren Zeiten und
boten nun eng ans Bein geschneiderte Keilhosen an. Doch Maria
noch höherer Performance strebte, und die luxuriöse Pisten- und
Bogner machte sie zum Verkaufsschlager – sie entwarf ein Modell
Après-Ski-Mode des Jetset, der ab den 1960er Jahren in die Winter-
aus dehnbarem Material, das durch einen angenähten Fusssteg
sportorte strömte und Alpendörfern wie St. Moritz, Gstaad und
straff gezogen wurde. So gross war der Erfolg dieser Hose, dass die
Kitzbühel zu Weltruhm verhalf.
amerikanische Skimannschaft sich bei den Olympischen Spielen
In den 1960er Jahren dominierten die grossen Pariser Designhäuser
von 1956 weigerte, heimische Designs zu tragen – man wollte statt
die Kleiderwahl der wohlhabenden Wintertouristen. Dior, Chanel,
dessen in Bogner-Hosen an den Start gehen.
Courrèges, Pierre Cardin und viele mehr wollten ein Stück abhaben vom verlockenden Kuchen der Skioutfits für die oberen Zehntau-
Aber auch die Konkurrenz machte von sich reden. Bereits 1952 hatte
send. Alle waren sie nun auf der Piste oder in den Bars und Restau-
Colmar eine fast hautenge Skijacke aus Nylon vorgestellt, die in den
rants der mondänen Alpenresorts anzutreffen; Grace Kelly ebenso
folgenden Jahren für professionelle Skiläufer fast schon zur Pflicht
wie Jackie Kennedy und Brigitte Bardot, und Audrey Hepburn fuhr
wurde, weil sie eine schnellere Abfahrt ermöglichte. Kein Wunder,
sogar im Film Ski – in «Charade» aus dem Jahr 1963 trug sie, wie
wurde Colmar noch im gleichen Jahr zum Ausstatter der italie-
könnte es anders sein, auch im Schnee ihre Hausmarke Givenchy.
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nischen Mannschaft berufen.
1932
1934
1936
1946
1947
Emilio Pucci reist 17-jährig als Teil der italienischen Skimannschaft an die Olympischen Winterspiele von Lake Placid, startet aber nicht
In Davos wird der erste Bügelskilift eröffnet
Bogner stattet erstmals die deutsche Mannschaft für die Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen aus
In Oslo wird Odlo gegründet – als Hersteller von Damen unterwäsche.
Emilio Pucci eröffnet in Capri sein erstes Geschäft
PAGE 137
7 AUCH DER DIRNDL-HERSTELLER SPORTALM ZEIGT SICH IN DEN 80ER JAHREN FUTURISTISCH. 8 EIN BILD AUS DEM ERSTEN SKIMODE-KATALOG VON SPORTALM. (BEIDE ARCHIV SPORTALM)
Doch nicht nur die arrivierten Modehäuser mischten mit bei den
nicht glamourösen Extremsport. Der Markenname ist eine Abkür-
Skioutfits mit dem gewissen Chic. In den Wintersportorten mit
zung von Monestier-de-Clermont, einem französischen Bergdorf in
finanzkräftiger Klientel nutzte auch so manch Einheimischer die
der Nähe von Grenoble, wo ab 1952 gefütterte Schlafsäcke und Zelte
Gelegenheit, die Popularität des eleganten Skisports zu Geld zu ma-
für Bergsteiger genäht wurden. 1954 folgte die erste Daunenjacke,
chen. So übernahm 1973 der Ski-Unternehmer Franz Kneissl den
wenig später rüstete Moncler damit italienische und französische
Strickwaren- und Dirndl-Hersteller Sportalm und versuchte sich in
Expeditionen in den Himalaya aus.
der Entwicklung von Skimode. Doch erst sein Nachfolger Wilhelm
Die warmen Jacken waren schnell auch bei Skifahrern beliebt, aber
Ehrlich schaffte es, die Symbiose aus traditionellen Trachten-
wirklich praktisch waren die doppellagigen und schweren Stücke
elementen, alpinem Glamour und schmal geschnittenen Funktions-
nicht. Erst als Moncler für die Olympischen Winterspiele von 1968
materialien flächendeckend an den Mann und die Frau von Welt zu
in Grenoble das französische Skiteam ausstatten sollte, folgte ein
bringen.
schmaler geschnittenes, einlagiges Modell, das sich auch wirklich für diesen Sport eignete.
Auch ein junger Mann aus St. Moritz witterte seine Chance. Kurt Ulmer definierte seine Zielgruppe bereits im Namen, als er seine
Solche Innovationen waren wichtig für jene Hersteller, die im Wett-
Marke bei der Gründung 1969 ganz selbstbewusst Jet Set taufte. Tat-
kampfsport mitmischen wollten. Und dort dabei zu sein, erhöhte
sächlich gehörten schon bald Gianni Agnelli, Gunter Sachs und
wiederum die Chancen auf einen guten Absatz bei den unaufhalt-
Brigitte Bardot zu seinen Kunden. Ulmers Designs, die immer ein
sam zahlreicher werdenden Hobbysportlern.
wenig bunter und auffälliger als jene der Konkurrenz waren, trafen
Die norwegische Marke Odlo hatte sich bereits seit den späten
vor allem in den 1970er und 1980er Jahren, als knallige Farben die
1940er Jahren mit Kälteschutzhosen für Lang- und Eisschnellläufer
Pisten dominierten, den Geschmack der gutbetuchten Skitouristen.
einen Namen gemacht. Ab 1964 stattete die Firma die norwegische Ski-Nationalmannschaft aus, acht Jahre später in Sapporo trugen 22
Moncler erscheint mit seinen in den Nobelskiorten fast allgegen-
Nationalmannschaften – vor allem im Skilanglauf – die Anzüge von
wärtigen Daunenjacken heute ebenfalls eher als Marke für die kauf-
Odlo. Durch ihren technischen Vorsprung beim Kälteschutz
kräftige Oberschicht, doch seine Anfänge liegen im ganz und gar
wurden die Norweger auch bei Alpinskifahrern zum Bestseller –
1952
1952
1954
1963
1964
Die Firma Moncler aus einem Dorf nahe Grenoble fertigt die ersten Schlafsäcke und Zelte
Colmar stattet erstmals die italienische Ski-Nationalmannschaft aus
Moncler fertigt die ersten Daunenjacken
Audrey Hepburn trägt in «Charade» einen Skianzug von Givenchy
Odlo wird Ausstatter der norwegischen Nationalmannschaft
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10
9
allerdings trug man sein «Odlo-Leibchen» dort lieber drunter als
für das Schweizer Team eine verbesserte Version namens «Kris
drüber. 1973 machte die Marke das Drunter schliesslich zum Pro-
Cut». Die Schweizer fuhren im hautengen Dress gleich zweimal zu
gramm, als sie mit «Odlo Termic» die erste voll synthetische Funk-
Abfahrtsgold: Bernhard Russi und Marie-Theres Nadig siegten in
tionsunterwäsche auf den Markt brachte.
Outfits, deren Prototyp einst ein Taucheranzug war.
Immer dünner, immer leichter – das galt gerade im Ski-Rennsport nicht nur für die Unter-, sondern auch für die Oberbekleidung.
Doch nicht alle Innovationen in der Skimode sind so eindeutig ei-
Doch den ersten Renndress, der als Vorläufer der auch heute noch in
nem Erfinder zuzuordnen. So proklamiert zum Beispiel Descente,
internationalen Skiwettkämpfen eingesetzten Ganzkörperanzüge
mit seiner «Demo Pant» die Hose erfunden zu haben, die sich über
gilt, entwickelte keine der grossen Firmen, sondern ein Schweizer
dem Skistiefel tragen lässt. Ähnliches behauptet andererseits aber
Taucher.
auch Schöffel. Das Familienunternehmen aus Schwabmünchen bei
Hannes Keller hielt den Weltrekord im Tieftauchen, als er sich bei
Augsburg feiert heuer seinen 210. Geburtstag. Mit Skibekleidung
einem Tauchgang im Lago Maggiore mit seinem weit geschnittenen
hatten die Bayern allerdings lange nichts am Hut. Strumpf- und
Anzug verhedderte und nur knapp dem Tod entkam. Das brachte
Strickwaren waren der Anfang, später fertigte man erfolgreich
ihn auf die Idee, einen enganliegenden, elastischen Taucheranzug
Wander- und Outdoorbekleidung. Erst in den 1970er Jahren des ver-
zu entwickeln, in dem ein solches Verheddern unmöglich wäre.
gangenen Jahrhunderts kam mit der «Jethose», der Skihose mit
Ein weibliches Model, an dem er erste Masse für diesen hautengen
schmalem Bein, die sich nach unten weitet und über dem Skischuh
Anzug nehmen wollte, schlug Keller vor, die Technik doch auch auf
befestigen lässt, der Durchbruch im alpinen Bereich.
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den Skisport anzuwenden. Der fackelte nicht lange, investierte Geld, das er aus einem Forschungsauftrag abgezweigt hatte, und
Gegen Ende der 1970er Jahre zeichnete sich für die Skimode eine
brachte 1969 den «Skin»-Skianzug auf den Markt. Die Erfindung
Wende ab. Statt der Farbe stand nun die Funktion im Vordergrund.
war ein Renner. Für die Spiele in Sapporo 1972 entwarf der findige
Wasserdichte und ultraleichte Synthetikstoffe eroberten den Markt,
Taucher in Zusammenarbeit mit der japanischen Marke Descente
und statt eng am Körper zu liegen, versprachen die neuen Designs
1969
1969
1972
1973
Kurt Ulmer gründet in St. Moritz die Marke Jet Set
Der Schweizer Taucher und Tüftler Hannes Keller lanciert den «Skin»-Skianzug
Die Schweizer gewinnen in einem neuartigen Skianzug, einer Zusammenarbeit von Hannes Keller und dem Hersteller Descente, in Sapporo zweimal Abfahrtsgold
Der Kitzbüheler Strickwaren- und Dirndl-Hersteller Sportalm fertigt erstmals Skimode
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9 SAPPORO 1972: BERNHARD RUSSI AUF SEINER SIEGESFAHRT ZU OLYMPIAGOLD. DIE SCHWEIZER TRUGEN ZUM ERSTEN MAL DEN HAUTENGEN «KRISCUT-DRESS». ENTWICKELT WURDE ER VON EINEM SCHWEIZER TAUCHER, HERGESTELLT VON DER JAPANISCHEN MARKE DESCENTE. (KEYSTONE) 10 AUS BESTEM GABARDINE-STOFF LÄSST BOGNER EINE ERSTE KEILHOSE, DIE «BOGNER SPEZIAL», SCHNEIDERN. DAS MODELL IST SO ERFOLGREICH, DASS KEILHOSEN IN DEN USA ALS «BOGNERS» BEZEICHNET WURDEN. (ARCHIV BOGNER) 11 JET SET WURDE IN DEN 1970ER UND 80ER JAHREN DURCH DEN EINSATZ VON HIGHTECHMATERIALIEN UND INNOVATIVEN DESIGNS ERFOLGREICH. TYPISCH DIESE JACKE AUS DER WINTERKOLLEKTION 2006/07. (ARCHIV JET SET) 12 EIN MODEL POSIERT 1962 IN WINTERKLEIDUNG DES SCHWEIZER SKIRENNFAHRERS ROGER STAUB. GEBLIEBEN IST DIE NACH IHM BENANNTE MÜTZE. (KEYSTONE) 13 AUS DER AKTUELLEN SKIKOLLEKTION VON HERMÈS IM RETROLOOK.
12
11
Bequemlichkeit und Atmungsaktivität. Das Markenangebot wuchs
Die grösste Überraschung lieferte aber wohl das Pariser Traditions-
ins Unübersichtliche – und viele Namen, welche die ersten Jahr-
haus Hermès, als es im Winter 2013 mit einer luxuriösen Ski-Kollek-
zehnte der Skimode mitgeprägt hatten, konnten den grossen Kon-
tion im Retro-Stil von sich hören machte. Die neuen Stücke sind –
zernen, die nun vom Ski und von der Schneebrille bis hin zum
abgesehen von ihrer zeitgemässen Funktionalität – kaum zu
Anorak die komplette Ausrüstung anboten, kein Paroli bieten.
unterscheiden von den frühen Modellen aus den 1930er Jahren und
Snowboardsport und Freeski propagierten «Baggy Pants», sack-
lassen einen von den Abenteuern der ersten Männer und Frauen auf
artige Ungetüme, in denen die Körperformen kaum mehr erkenn-
Skiern träumen. So gut verkaufte sich die Kollektion, dass die Fran-
bar waren.
zosen sich auch heuer mit einer neuen Kollektion auf die Pisten wagen. Mit Entwürfen, in denen bestimmt auch der den Hügel hin-
Doch auch in der Skimode hält kein Trend ewig an. Funktionale
unterpurzelnde Sir Arthur Conan Doyle eine gute Figur gemacht
Stoffe lassen sich heute eng an den Körper schneidern, sind elastisch
hätte – und von denen wir gerne auf der Piste ein paar Warenmuster
und dennoch wind- und sogar wasserdicht. Und so erstaunt es nicht,
aufsammeln würden.
dass manche der Pioniere unter den Herstellern den Weg zurück zum Skisport finden – oder, wenn sie gar nie weg waren, sich neuer Beliebtheit erfreuen. Bogner feiert 2014 25 Jahre seiner «Fire+ Ice»-Kollektion, und Jet Set meldet sich nach einer Übernahme und mehreren Jahren voller Auf und Abs in diesem Winter mit einer vielversprechenden neuen Kollektion zurück.
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2015) TEXT KATHARINA BLANSJAAR FOTOS PRODUZENTEN DIV. WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, REDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
1973
1989
2011
2013
Odlo präsentiert mit «Termic» die erste voll synthetische Funktionsunterwäsche
Bogner lanciert die «Fire+Ice»Kollektion
Schöffel wird Ausrüster von Team Austria und stattet die österreichischen Skifahrer auch an den Winterspielen 2014 in Sotschi aus
Hermès lanciert eine Skikollektion im Retro-Stil
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SUPERBUG RELOADED | Artikel für BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
W O LF G A N G U L Z
SUPERBUG
reloaded
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DER 1303 S GILT ALS BESTER KÄFER. WOLFGANG ULZ HOLT IHN MIT SEINEM EIGENBAU IN DIE GEGENWART UND MICH AUF DEN BEIFAHRERSITZ. DAS KÄFERFIEBER ALLERDINGS BEGANN BEREITS VIEL FRÜHER: AN SEINEM 18. GEBURTSTAG.
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Beetle, Bug, Kever, Maggiolino, Coccinelle, Buba, Escarabajo … oder eben Käfer wird er liebevoll genannt. Als erschwingliches, sparsames und robustes Gebrauchsauto ist der luftgekühlte Vierzylinder mit Boxermotor nach dem Zweiten Weltkrieg populär geworden und mit über 21,5 Millionen gebauten Fahrzeugen das meistverkaufte Automobil der Welt – bis es im Jahr 2002 vom Golf aus dem gleichen Konzernüberholt wurde. Der Hecktriebler galt in den Alpen als das Winterauto schlechthin, mit dem man jeden Alpenpass problemlos erklettern konnte. «Der Käfer hat einen extremen Reiz, auch heute noch», schwärmt Wolfgang Ulz und tritt beherzt in die Pedale, «jeder kennt ihn, ist schon in einem gesessen. Egal, wo man hinkommt, weckt er Erinnerungen an früher, entweder hatte der Grossvater einen, der Onkel oder die Eltern, und alle sind sie damit in die Ferien gefahren. Und mit unseren Modifikationen sieht er einfach genial aus!» Unterwegs sind wir in einem mausgrauen VW 1303 S, dem Topmodell der Käferreihe, das von 1972 bis 1975 gebaut wurde und als ausgereiftester Käfer gilt – in den USA nannte man ihn daher auch Superbug. Trotz seinen 40 Jahren ist der Buckelporsche flott unterwegs, und wir können im Feierabendverkehr gut mithalten. Am Heck der typische Käfer-Sound. Das Fahrzeug ist komplett neu aufgebaut, aber mit gesundem Menschenverstand. Die originalen Bauteile lassen den typischen Spirit der siebziger Jahre aufkommen. Eine Kraftspritze erhielten Motor und Antriebsstrang. Der 1,6-Liter-Sauger wurde auf zwei Liter aufgebohrt, bekam geschmiedete Kolben, was sich in der doppelten Leistung niederschlägt (100 anstatt 50 PS). Dies bei einem Leergewicht von nur 850 Kilogramm. «Wir ändern nichts am Charakter des Autos, wir machen es nur besser!», präzisiert Wolfgang Ulz. «Es werden keine fremden Motoren eingebaut, wie es etwa gemacht wird. Es ist immer noch ein luftgekühlter Boxermotor wie damals, sowieso bleibt die Form und der Käfer tönt wie ein Käfer – einfach ein bisschen satter im Sound. Alles ist etwas edler, auch sind die verfügbaren Ersatzteile heute besser als vor 20 Jahren, weil weltweit immer noch sehr viele Leute am Käfer rumbasteln. Ein gutes Drehmoment ist wichtig, damit man entspannt fahren kann. Der nächste Umbau wird sicher ein Cabrio, ebenfalls aus der 1303er-Reihe. Ich glaube, der VW 1303 wird in nächster Zeit eine Wertsteigerung durchmachen, wie alle älteren Autos. Im Moment ist er noch unterbewertet, aber die Leute wollen etwas Spezielles – am liebsten einen Oldtimer mit moderner Technik.» Wir lenken auf die Passtrasse ein, Wolfgang Ulz und der Käfer fühlen sich im Element, mit Vergnügen steigen wir in die Kurven, krallt sich der Superbug in den Asphalt. Das macht Laune, Gokart-Feeling, Wolfgangs Ulz’ Rennfahrer-Vergangenheit blitzt kurz auf, ein verschmitztes Lächeln. Der Käfer war sein erstes Auto, ein Geschenk seiner Eltern zum 18. Geburtstag. Anfänglich hatte er keine grosse Freude daran, doch als er merkte, was man alles aus dem Auto rausholen kann, hat ihn der Virus befallen. Er begann sich mit dem Käfer ausei-
nanderzusetzen, bastelte die ganze Nacht, modifizierte dieses und jenes. War dann Gründungsmitglied des Käferclubs Graubünden, fuhr an alle Käfertreffen und am Schluss sogar Rennen am deutschen Käfer-Cup. Von dieser Zeit zeugt ein Ordner voller Zeitungsausschnitte. Wolfgang Ulz posiert vor seinem orangen Käfer. Fachartikel seines Umbaus, der später als «German Style» bezeichnet wurde, in deutschen und Schweizer Zeitschriften. Hier ein Frontcover. Eine Story in Frankreich – sogar in den USA erschien ein Artikel. Auftritte im Fernsehen, Käferrennen wurden anno dazumal noch zu besten Sendezeiten übertragen. «Ich habe in jener Zeit meinen Käfer komplett neu aufgebaut, in einem ganz modernen Stil, was damals absolut uncool war. Man orientierte sich eher retro am sogenannten California Style. Doch am ersten Käfertreffen – ich hatte gar nichts erwartet – räumte ich gleich zwei Preise ab: «Best of Show» und für das schnellste Auto in meiner Kategorie. Da wurde mir bewusst, dass ich etwas gut gemacht hatte. Ein Jahr später gründete ich mit Pieder Decurtins, einem Kollegen aus dem Bündner Oberland, ein Käfer-Racing-Team, und ich bestritt mit ihm als Fahrer verschiedene Rundstreckenrennen in Berlin, Hockenheim, auf dem Nürburgring, aber auch Bergrennen wie jenes von Trier (Europameisterschaften). Wir hatten als Einsteiger zwar ein paar Probleme, aber wenn wir durchkamen, fuhren wir durchaus schnelle Zeiten. 1996/97 war schon ein geniales Jahr – wenn auch ein sehr teures.» Präzise und routiniert schaltet Wolfgang Ulz in den zweiten Gang zurück und beschleunigt dann rasant aus der nächsten Kurve. Das Fahrfeeling ist wie anno dazumal. Der 1303 S hat kein ABS, kein ESP, das Sportlenkrad keine Servo-Unterstützung. Dafür brilliert der kleine Flitzer mit einem besseren Fahrwerk, Recaro-Sitzen, rassigen Felgen, LED-Licht sowie Scheibenbremsen vorne und hinten. «Nach diesem turbulenten Jahr habe ich den Rennkäfer instand gestellt, in der Tiefgarage versorgt und nie mehr angefasst. Es folgten die Firmengründung und der Aufbau unserer Garage in Chur. Erst letzten Winter, nach bald 20 Jahren, habe ich mir gesagt: Mit dem Käfer müsste man wieder mal was machen!» Seither haben die Tuner Rusconi & Ulz zwei Fahrzeuge gebaut: den mausgrauen Vorführwagen und einen 1303 RS mit 180 PS, der auf dem ehemaligen Rennauto von Wolfgang Ulz basiert. Das erste Kundenfahrzeug, ein automobiler Wunschtraum in leuchtendem Hellblau, steht kurz vor der Fertigstellung. Der neue Käfer erntet überall verzückte Blicke. «Er kommt bei den Leuten super gut an», bemerkt Wolfgang Ulz. «Es ist ein altes Auto, aber modern. Es ist alltagstauglich, macht Spass beim Fahren, hebt sich ab, ist total Kult. Wir haben auch sehr gute Reaktionen von der Fachpresse, die sind begeistert von der Technik und von unserem Finish. Natürlich ist so eine Spezialanfertigung nicht gerade billig, dafür aber absolut einzigartig. Mein Ziel ist es, jährlich zwei bis drei solcher Käfer zu bauen.»
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2014/2015) TEXT DARIO CANTONI FOTOS CHRISTOF R. SCHMIDT WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, REDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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AM HOSENBUND DES WAHNSINNS | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
AM HOSENBUND
des Wahnsinns
Herbert Lipah ist der Mann für die Lederhose. Rund 2’500 teils antike Beinkleider hängen in seinem Münchner Geschäft. Dabei ging er selbst früher in Jeans aufs Oktoberfest.
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«Eigentlich bin ich ja gar nicht so der Trachten-Typ.» Der Mann, der gerade diesen Satz gesagt hat, steckt in bayrischen Lederhosen, komplett mit allen nötigen Accessoires. Ein lebkuchenherzförmiger Anstecker an seiner Weste zeichnet ihn als «Lederhosenkönig» aus. Um ihn herum Trachten, so weit das Auge reicht. Lederhose um Lederhose an bis zum Bersten gefüllten Kleiderstangen, links, rechts, oben, unten. Dazu Lebkuchenherzen, Hosenträger, Hemden, Charivaris, Hüte, Socken und Schuhe. An den Wänden allerlei königlich-kaiserlicher Kitsch aus mindestens drei Jahrhunderten. Willkommen im «Lederhosenwahnsinn» in der Münchner Borstei, unweit des Olympiastadions. «Um 2’500 Stück» habe er wohl hier hängen, sagt Herbert Lipah. Fast alle sind sie gebraucht, was nicht etwa das Gleiche ist wie secondhand, denn diese Stücke sind echte Handwerkskunst, viele davon über 100 Jahre alt. Stolz zupft der Hausherr an der einen oder anderen Hose. Das sollte der Besucher besser nicht nachmachen, stecken doch an den Regalen lauter bunte Schilder mit Sprüchen wie «Bitte nicht fummeln!» oder «Hände weg!». Überhaupt scheint Lipah seine Gedanken gerne handschriftlich kundzutun. «Die Deutschen sind Europameister im Jammern. Drum hier bei mir schon seit Jahren jammerfreie Zone», steht auf einem Stuhl geschrieben, ein offenbar antikes Schild bittet darum, das «Politisieren in diesem Lokale zu unterlassen», und im Schaufenster baumelt ein neonfarbener Aushang: «Haus oder Heisl direkt am Wörtsee zu mieten oder kaufen gesucht.» Als sei das alles noch nicht genug, hat Lipah ausserdem den hinteren Bereich des Ladens mit Damenschlüpfern dekoriert. Rot und berüscht baumeln sie von der Decke, allesamt bedruckt mit Werbung für sein Geschäft. Die habe es früher als Geschenk zur Hose gegeben, erklärt er, damit die Frau des Käufers auch etwas vom Einkauf habe. Bei dem ganzen Sammelsurium fällt es einem schwer zu glauben, dass der «Lederhosenkönig», der da vor einem steht, eigentlich Antiquitätenhändler ist, studierter Elektrotechniker und ausserdem seit 30 Jahren Gutachter – hauptsächlich für alten Schmuck und Diamanten – am Amtsgericht München. Aber dieses «Gschichterl», sagt Lipah, müsse er ganz von vorne erzählen. Schon als kleiner Junge war der heute 67-Jährige fasziniert von der Schmuckschatulle seiner Grossmutter. «Damals hat sich irgendwas in meinem Hirnkasterl festgesetzt.» Mit 13 kaufte er den ersten antiken Schmuck, mit 15 den ersten Diamanten. Er handelte neben der Schule, zum Schmuck kamen bald auch Antiquitäten. Eines Tages, er war schon mitten im Studium, bot ihm jemand ein freies Ladenlokal in Schwabing an. Das lief so gut, dass er bald ganz auf die Antiquitäten setzte. «Mit Lederhosen war da noch nix», stellt Lipah klar. In Jeans sei er damals auf die Wiesn gegangen, so wie die meisten. «Das mit den Trachten, das haben die Leute erst später wiederentdeckt – und da habe ich auch meinen Anteil dran.» Aber ein Sammler, das sei er eben immer schon gewesen. «Kein fanatischer, aber ein leidenschaftlicher.»
Er greift zur Bierflasche und will weiter erzählen, da geht die Tür auf. Der Besucher, mit Lederhose unterm Arm, ist offenbar ein alter Bekannter. «Du, dia taugts net», sagt er und zeigt seine Hose her. Vor einigen Wochen hat er sie hier gekauft, doch so richtig zufrieden scheint er nicht. «A geh», sagt Lipah, ist aber sichtlich in seinem Element, als er an der Stange nach einer Alternative sucht. «Probierst’s halt die ah!» Der Kunde greift zu und verzieht sich in den hinteren Bereich – eine Umkleidekabine gibt es hier nicht. «So, wo war i in meinem Gschichterl?» Lipah siedelte wenig später mit seinem Antiquitätengeschäft an den Nymphenburger Schlosskanal um, eine schicke Gegend, bediente im Massanzug seine wohlhabende und adlige Kundschaft. Als eine Nachbarin ein paar alte Sachen loswerden wollte, ging er zu ihr in den Keller, um die Dinge zu begutachten. Und da hing sie: eine alte Lederhose. Lipah war auf den ersten Blick verliebt. Doch die Nachbarin wollte andere Dinge loswerden, die Hose war ein Erbstück. Er bat sie, ihm doch Bescheid zu sagen, falls sie sie doch einmal verkaufen sollte. Am nächsten Morgen, erzählt Lipah, habe er nicht schlecht gestaunt, als unter seinem Fenster plötzlich die Nachbarin stand – mit der Hose. «Gschenkt hat sie’s mir, genau die hier», ruft er aus und klopft mit beiden Händen auf die Hose, die er trägt. Es war die Initialzündung. Auf der nächsten Auer Dult, dem traditionellen Münchner Jahrmarkt mit den vielen Antiquitätenständen, hatte er bereits ein Schild an seinem Stand hängen, «Kaufe alte Lederhosen».
In neun Tagen, erzählt Lipah, habe er 349 Hosen gekauft und 128 verkauft. Dann kamen immer mehr Hosen – und immer mehr Anfragen. Im Hinterzimmer seines Antiquitätengeschäfts stellte Lipah einen Ständer mit den Hosen auf, «aber das war schwierig. Vorne standen die feinen Kundinnen mit den Diamantringen, und hinten standen meine Spezis in der Unterhose, um meine Lederhosen anzuprobieren.» Jener Spezi, der gerade ebenfalls hinten in der Unterhose gestanden hat, präsentiert inzwischen die neue Hose. «Taugt’s?» Der Kunde nickt. «Da musst du mir aber noch was draufzahlen», sagt Lipah, «das ist eine bessere als deine.» «I lass doch eh schon mei ganzes Geld bei dir, du verreckter Hund», scherzt der andere. Eine gute Lederhose ist ein teurer Spass, auch oder sogar gerade dann, wenn sie gebraucht ist. Ab 200 Euro kosten sie bei Lipah, manch besonders edles und altes Stück wechselt auch einmal für einen fünfstelligen Betrag den Besitzer. Es sind Hosen wie jene, die Lipah jetzt vom Tisch nimmt. «Feinstes Gamsleder, keine 400 Gramm wiegt das.» Tatsächlich ist die Hose federleicht, das Leder fühlt sich eher an wie ein zarter Samtstoff. «Die ist aus meiner Sammlung, verkaufen tu ich so etwas nicht.» Pilar von Bayern habe ihm die gegeben, vor vielen Jahren, sie sei Kundin in seinem Antiquitätengeschäft gewesen. «Das ist eine Wittelsbacher Hose, das sieht man an der Verarbeitung. So etwas Edles konnte sich nur der Adel leisten.» Wer weiss, fügt er hinzu, vielleicht habe darin sogar einmal ein König gesteckt. Er, der selbst ernannte Lederhosenkönig, führt dieses Geschäft hier inzwischen seit 20 Jahren. Nebenan hat er noch ein kleines Lokal für Antiquitäten, aber das sei, so sagt er, «eher ein Schaufenster», seine Stammkundschaft von früher komme ohnehin mit spezifischen Anfragen zu ihm.
Mit den Jahren wurde aus dem ehemaligen Trachtenverweigerer ein Experte. Jede Region, jedes Dorf habe andere Stickereien und Fertigungsweisen, erklärt Lipah, «so eine Hose ist fast wie ein Personalausweis». Was, so will Lipah betont wissen, aber noch lange nicht heisse, dass die Lederhose nur etwas für Einheimische sei. Seine Kunden kämen aus der ganzen Welt, Japaner, Chinesen, Amerikaner – er kleide sie alle ein. Und natürlich auch Frauen, wenn sie lieber die Hosen anhaben, als ein Dirndl zu tragen. «Jeder hat das Recht auf eine Lederhose.» Und er sei auch nicht sektiererisch, wenn es um die Hosenmodelle in seinem Laden gehe: «Ich verkaufe österreichische Hosen ebenso wie bayrische.» Ans Aufhören denkt Lipah noch lange nicht, auch wenn er schon im Pensionsalter ist. «I möcht mei Freid so weiterhaben», sagt er in breitestem Münchner Dialekt und erzählt von seinem Ausgleich, dem Häuschen am Ammersee, das er eben lieber – daher das Schild im Fenster – gegen eins am Wörthsee tauschen würde. «Aber nur direkt am See», denn er wolle seinen Eissegler ins Bootshaus stellen und im Winter damit hinaus. Am Ammersee gehe das leider nicht, «der gfriert ja kaum mehr zu». Zum Abschied überreicht Lipah ein riesiges Lebkuchenherz. Er will gerade die Tür aufhalten, da kommt eine feine Dame herein, in der Hand eine Tüte. «Ich hätte da eine Hose, die ich Ihnen gern anbieten würde.» In Lipahs Augen flackert plötzlich etwas auf. Es muss wohl der Lederhosenwahnsinn sein.
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2015) TEXT KATHARINA BLANSJAAR FOTOS ANDREAS FUCHS WEITERE ARBEITEN ENTWICKLUNG, REDAKTION UND GESTALTUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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RAPID S SPEZIAL | BIANCO Alpine Lifestyle Magazine
VOM GRASSCHNEIDER ZUM
ALLESKÖNNER
Dieses Gefährt ist Kult. Der Rapid ist zwar nicht schnell, dafür umso vielseitiger. Mit seinen Qualitäten hat der kurlige Einachser nach dem Zweiten Weltkrieg massgeblich zur Entwicklung der Schweizer Berglandwirtschaft beigetragen.
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Rapid ist heute Synonym für den Einachsmäher. Der Rapid Typ S war zum Zeitpunkt seiner Einführung die am universellsten einsetzbare Landmaschine, die je gebaut wurde. Das «S» steht je nach Typ für Super oder Spezial. Der Rapid ist zwar nicht schnell, aber durch seine geniale Einfachheit hat er nach den 1950er Jahren entscheidend zur Mechanisierung der schweizerischen Berglandwirtschaft beigetragen. Es gibt wohl keinen Schuppen im Schweizer Berggebiet, wo nicht einer dieser grün-roten Vehikel steht. Auf YouTube kursieren Dutzende Videos mit Ausfahrten auf dem Rapid, in ländlichen Gegenden finden regelmässig Rapid-Treffen statt, Ersatzteile und Zusatzmaschinen werden rege gehandelt. Der höchst erfolgreiche S-Typ wird durch einen Gegenkolbenmotor mit vier Vorwärts- und zwei Rückwärtsgängen angetrieben – mit Geschwindigkeiten zwischen 3,1 und 16,5 km/h. Trotzdem: Die Konstruktion vermag auch noch den heutigen Maschineningenieur zu faszinieren. Mit dem entsprechenden Zusatzgerät können der S-Super und der S-Spezial mähen, eingrasen, transportieren, hacken, zetten, ziehen, über einen Riemen andere Geräte antreiben, häufeln, graben, pflügen, spritzen, eggen und rechen. Ausgerüstet mit dem Treibachsanhänger, wird jeder S-Typ zum idealen 4WD-Transportfahrzeug mit herausragenden Offroad-Qualitäten. In Versuchsfahrten wurden bis zu 88 Prozent Steigung überwunden. Zum Vergleich: Die steilste Standseilbahn der Schweiz, die Stossbahn im Kanton Schwyz, hat eine Steigung von 78 Prozent. Erstmals war es nun möglich in den Berggebieten, alles Futter dort abzuholen, wo es gewachsen war und ins Tal zu fahren. Genial ist auch die Achskonstruktion. Die Radspur kann durch einfaches Wenden der Räder von 52 auf 60 oder sogar 68 cm verbreitert werden. Auch die Bodenfreiheit lässt sich durch das Verstellen der Radachsen schnell und leicht variieren, auch einzeln, was das Fahren und Mähen in steilem Gelände quer zum Hang erlaubt. Der Vorgänger des Rapid S war der Rex. Speziell für den Einsatz in den Berggebieten entwickelt, wurde er zwischen 1953 und 1981 an eine Vielzahl von Klein- und Bergbauernbetrieben geliefert. Dank seinem tiefen Schwerpunkt war er ein richtiger Bergkletterer und wurde bis nach Mexiko exportiert. «Der schweizerische Motormäher für den Schweizer Bauern – einfach in Bedienung und Unterhalt, robust und
leistungsfähig!», hiess es in einschlägigen Werbeanzeigen. Auch die roten Nachfolgemodelle Rapid 303 und 306 erwiesen sich als perfekte, weil relativ leichte Bergmäher und -heuer. Sie waren wendig, hatten eine Differentialsperre und schafften im dritten Gang 12,5 km/h. Die Nachfrage war so gross, dass sie bis ins Jahr 2000 produziert wurden. Das erfolgreichste Modell und der eigentliche Inbegriff von Rapid bleibt bis heute der Type S. Im Jahr 1949 lanciert, wurde er von 1950 bis 1978 gebaut und konnte mit den unterschiedlichsten Zusatzgeräten kombiniert und erweitert werden. Aus Anlass der Auslieferung des hunderttausendsten Rapid S im Jahre 1957 brachte es der Thurgauer Bauer Jakob Krüsi, selbst stolzer Besitzer eines S-Spezial, mit folgenden Zeilen auf den Punkt: «Wenn ich de Spezial nüme het, ich wörs bedure. I glaub, i hörti uf mit Buure.» Die Geschichte des Rapid ist eng mit jener des Motormähers verknüpft. Das Mähen von Hand war eine der mühevollsten und zeitintensivsten Arbeiten der Landwirtschaft. Im Roman «Uli der Knecht» beschreibt Jeremias Gotthelf die Vorbereitung des Werkzeugs, das Dängeln, bevor dann grössere Grasflächen mühevoll mit der Sense geschnitten wurden. Um 1900 setzten grössere Betriebe der Graswirtschaft von Pferden gezogene Mähmaschinen mit einem seitlich angeordneten Mähbalken ein. 1926 entwickelte Rapid den ersten Motormäher. Damit ersetzte der Bauer zwei Pferde und erlangte die gewünschte Unabhängigkeit, da er nicht mehr auf die Unterstützung von Nachbarn oder dem Knecht angewiesen war. Mit der Vergrösserung der landwirtschaftlichen Betriebe nach dem Weltkrieg wurden die Einachstraktoren im flachen oder hügligen Mittelland durch grössere Traktoren mit zwei Achsen abgelöst. Dies gab Rapid den entscheidenden Anstoss, speziell an die Berglandwirtschaft angepasste Geräte und Maschinen zu entwickeln. Rapid setzt noch heute auf das gleiche Erfolgsrezept: Die Herstellung von technologisch und qualitiv führenden, einfach zu bedienenden, multifunktional einsetzbaren Einachsgeräteträgern mit Anbaugeräten und ist damit zum euro-päischen Marktführer avanciert. Aktuell liesse sich der Rapid Super als effizienter Entwicklungshelfer für die Modernisierung der Landwirtschaft in Dritt-Welt-Staaten einsetzen.
ARTIKEL FÜR BIANCO ALPINE LIFESTYLE MAGAZINE (2015) TEXT DARIO CANTONI ILLUSTRATION HELGE JEPSEN WEITERE ARBEITEN GESTALTUNG UND UMSETZUNG DES MAGAZINS www.biancomag.ch
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BÜNDNERFLEISCH | Berggeschichten für Repower
Bündnerfleisch Von der Notration zur Delikatesse
Wo die Vegetationsperioden kurz und die Winter lang und hart sind, waren Vorräte an Essbarem Überlebensbedingung. Also wurde im Alpenraum seit eh und je haltbare Nahrung benötigt.Entsprechend der Region waren dies Mehl, Mais, Kastanien, getrocknete Früchte oder Gemüse wie Bohnen, ein gekellerte Kartoffeln und Rüben, gesäuertes Kraut, Käse. Und natürlich durf te Fleisch, zumindest als Bestandteil einer Festtafel, nicht fehlen. Schon im Mittelalter weit verbreitete Konservierungsmethoden dafür waren das Sal zen, Räuchern und Lufttrocknen. Besonders für letztere Methode war die Wohnlage der Alpenbevölkerung prädestiniert. Das Lufttrocknen von Fleisch setzt nämlich spezifische klimatische Bedingungen voraus: Temperaturen zwischen acht und zwölf Grad Celsius und eine relative Luftfeuchtigkeit von 75 Prozent. Diese Voraussetzungen sind in Höhenlagen ab 800 Meter über Meer gegeben, ideal sind 1200 bis 1300 Meter. Durch das Lufttrocknen kann Fleisch mit einem Maximum an Eigenaroma und frei von Rauchgeschmack konserviert werden. Als festliche Hauptspeise oder als eher alltägliche Ein
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lage in der Suppe war dermassen getrocknetes Fleisch in den Alpen recht verbreitet. Wann und wo die Technik des Trocknens von Fleisch an der Luft erfunden wurde, ist nicht zu sagen. Gewiss ist jedoch, dass die uralte Kon servierungsmethode im Lauf der Zeit immer raffinierter wurde. Heute ist das Kriterium der Haltbarkeit zugunsten des Aspekts Essgenuss in den Hin tergrund gerückt.
Nördlich der Alpen wurde das Fleisch in der Regel geräuchert, während im Süden und im Alpenraum selbst das Fleisch getrocknet und so dessen Ei gengeschmack besser bewahrt wurde. Das Schwein war als wichtiger Fleischlieferant auch im alpinen Gebiet das meistgeschlachtete Tier. Wäh rend der Schinken seit jeher ein überregionales Produkt ist, gilt getrockne tes Rindfleisch wie die Bresaola oder das Bündnerfleisch als Exklusivität aus dem Alpenraum. Seit 1999 ist Bündnerfleisch als Geschützte Geografische Angabe (GGA) eingetragen, das heisst, dass es nur in Graubünden herge stellt werden darf. Vor kurzem wurde der Schutz der geografischen Herkunft auch von der Europäischen Union anerkannt. Die geografische Herkunft der verwendeten Rohstoffe ist hingegen nicht vorgeschrieben. Sie soll sich auf die Produktequalität weit weniger stark auswirken als die fachkundige Veredelung in der trockenen und frischen Luft der Bündner Bergtäler. So wird für die Produktion von Bündnerfleisch auch Fleisch aus Argentinien oder Brasilien importiert. Dieses wird aber nach der Veredelung in der Regel wieder exportiert. 90 bis 95% des in der Schweiz verkauften Bündnerfleischs stammen heute von Schweizer Rin dern, meint Ludwig Hatecke, erfolgreicher regionaler Metzger aus Scuol im Unterengadin.
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Ludwig Hatecke ist ein Verfechter des reinen Geschmacks. «Je weniger man daran macht, desto bes ser wird das Produkt», sagt er. Das beginnt schon bei der Auswahl der Tiere. Diese stammen zum weit aus grössten Teil von den umliegenden Alpen und haben den Sommer lang saftige Gräser und Kräu ter gefressen und sich in der frischen Luft bewegt, was sich positiv auf deren Fleischqualität auswirkt. Das Fleisch von Alptieren enthält viel höhere Anteile an natürlichen Mineralstoffen, Eiweissen und Vitaminen, zudem ist der Gehalt an gesättigten Fettsäuren geringer. «Die Qualität dieses Fleisches lässt sich eigentlich mit jenem von Wildtieren wie Reh oder Hirsch vergleichen», meint Ludwig Hate cke. Die Schlachtung erfolgt möglichst schonend, ohne lange Transportwege, und das tote Tier wird dann nur langsam auf die erforderlichen zwei Grad heruntergekühlt. Während beispielsweise ein fri sches Steak zwei bis drei Wochen abhängen muss, wird das spätere Bündnerfleisch sofort weiterver arbeitet. Dafür werden nur die besten Stücke der Rinderkeule ausgewählt – Bäggli, Nuss, Unterstück und Fischli. Diese sind kompakt, zart, leicht marmoriert und nur mit wenig Sehnen durchzogen, die sorgfältig entfernt werden. Die Arbeitsschritte bei der Herstellung des Trockenfleisches sind Pökeln, Trocknen und Pressen. Das mutet einfach an, ist aber ein Prozess, der vier bis fünf Monate dauert und bei dem jedes einzelne Stück gut und gerne 50 Mal in die Hand genommen wird. Dabei ist auch das genaue Einhalten der Zeiten und Temperaturen für die Qualität sehr wichtig. Bei Hatecke wird das Fleisch nur im Winter halbjahr getrocknet, so wie es seit Generationen Brauch ist. Die genaue Gewürzmischung, mit der das Fleisch zu Beginn eingerieben wird, ist das gut gehütete Geheimnis jedes Produzenten. Maldon Sea Salt, schwarzer Penjapfeffer aus Kamerun, Wacholder, Lorbeer, Knoblauch und etwas Zucker, um das Nitratpökelsalz abzubauen, das sind die Hauptzutaten bei Ludwig Hatecke. Das so behandelte Stück wird rund drei Wochen bei fünf Grad gelagert und immer wieder gedreht, damit die Gewürz mischung gleichmässig ins Fleisch einziehen kann. Während dieser ersten Lagerung verliert es be reits einen Teil seiner Flüssigkeit. Nun folgt die eigentliche Trocknungsphase. In Netze eingebunden
werden die abgewaschenen Fleischstücke in die Trockenkammer gehängt. Den Rest besorgt der kühle Bergwind, der ganz sanft um die Delikatessen streift und ihnen so langsam Flüssigkeit entzieht. Die ideale Luftfeuchtigkeit liegt dabei bei 75 bis 78 Prozent und die Lufttemperatur bei 16 bis 17 Grad, ver gleichbar mit jener eines guten Weinkellers. Ausgeglichen wird diese durch geschicktes Öffnen und Schliessen der Fenster je nach Wetterlage. Schon bald bildet sich ein weisser, penicillinhaltiger Edel schimmel auf der Oberfläche das Bündnerfleisches. Dieser schützt es vor zu starkem Austrocknen. Sinkt die Luftfeuchtigkeit unter 70 Prozent, entsteht kein Edelschimmel, über 78 Prozent wird er grün lich, dann grau und ungeniessbar. Während des drei- bis viermonatigen Trocknungsprozesses wird das Bünderfleisch dreimal über die Dauer von 48 Stunden leicht gepresst, damit sich die Flüssigkeit gleichmässig im Gewebe verteilt. Am Ende des Reifungsprozesses hat das Bündnerfleisch rund die Hälfte seines Gewichtes verloren, aber ein Vielfaches an Geschmack und wertvollen Inhaltsstoffen dazugewonnen. Bündnerfleisch ist leicht und praktisch frei von Kohlenhydraten, enthält wichtige Vitamine, ist reich an wertvollen Mineralstoffen und Spurenelementen und hat einen hohen Anteil an hochwertigem Protein und Eisen. Früher half dies, den entbehrungsreichen Winter zu überstehen. Heute, da Rindfleisch ein re gelmässiger Bestandteil der Speisezettel zahlreicher Kulturen geworden ist, kommt es überall auf der Welt als schmackhafte und fettarme Delikatesse auf den Tisch und zeugt von der Tatsache, dass Al penluft gutes Fleisch nicht nur konserviert, sondern aufs Feinste veredelt.
ARTIKEL BERGGESCHICHTEN FÜR REPOWER TEXT DARIO CANTONI FOTOS FILIP ZUAN WEITERE ARBEITEN KONZEPT, GESTALTUNG UND UMSETZUNG
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GIAN-MARCHET COLANI | Berggeschichten für Repower
Gian-Marchet Colani Es gab eine Zeit, da wurden herausragende Jäger wie Popstars gefeiert. Auch in Graubünden, wo Gian-Marchet Colani wie kein anderer den unangefochtenen Superjäger verkörperte. Eine Retrospektive
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auf den wohl wahren «König der Bernina».
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Wer einen Bündner Jäger kennt, der weiss: Die Hochwildjagd ist nicht irgendein Hobby, sie ist eine Passion. Deshalb präsentieren Jäger auch heute noch nach erfolgreicher Jagd stolz ihre Trophäen und erzählen an Stammtischen leidenschaftlich ihre auf der Pirsch erlebten Geschichten. Aussenstehen de mögen das vielleicht dann und wann mit einem Schmunzeln quittieren – nicht so vor 200 Jahren. Damals genossen besonders gute Jäger in breiten Teilen der Bevölkerung Kultstatus. Und einer der grössten Schweizer Jäger überhaupt war der Engadiner Gian-Marchet Colani (1772-1837). Von diesem sagenumwobenen Menschen wird berichtet, dass er 2700 Gämsen, dazu einige Bären und anderes Alpenwild erlegt habe. Sein Ein-Tages-Rekord soll sage und schreibe 93 Gäms-Abschüsse betragen haben. Dabei kam ihm eine von ihm selbst entwickelte – Colani war ausgebildeter Schlosser – neue Jagdwaffe mit zwei Hahnen am Abzug zugute. Diese erlaubte es ihm, in kürzestem Abstand zwei Schüsse nacheinander abzufeuern. Über Colani selbst wurden schon zu Lebzeiten viele Halb- und Unwahrheiten erzählt, was seine Po pularität nicht schmälerte – im Gegenteil. Beispielsweise soll er Jäger-Konkurrenten kaltblütig ermor det haben, die sich in sein Revier im Pontresiner Rosegtal gewagt hatten. Dieses Gerücht entstand durch einen Zeitungsartikel im Stuttgarter Morgenblatt – Colani habe demnach fremde Jäger in sei nem Gebiet getötet und deren Leichen beseitigt. Belegt ist allein, dass Colani sich unerwünschte Frem de mit Warnschüssen vom Leib hielt. Über seine beispiellose Schiesskunst kursierten ebenfalls Ge schichten in bester Billy-the-Kid-Stories-Manier. So soll er einem Jungen aus grosser Entfernung eine Tabakpfeife aus dem Mund geschossen haben. All diese Überlieferungen wurden von Colani selbst nie dementiert oder bestätigt. Mit gutem Grund: Dank seinem gefürchteten Image wagten sich an dere Jäger aus Angst nicht in sein Jagd-Revier. Wegen seiner Verschwiegenheit wurde Colani von seinen Zeitgenossen als manchmal finsteres und unheimliches Wesen beschrieben. Der gebürtige Pontresiner und Vater von sieben Kindern war aber kein ausgesprochener Einzelgänger und nahm auch Freunde mit auf die Jagd. Beim Volk war er als
bester Jäger und Schütze weit und breit anerkannt. Dass er Menschen umgebracht haben soll, ist aus heutiger Sicht undenkbar. Dass er andererseits unter Einsatz des eigenen Lebens zahlreiche La winenverschüttete gerettet hat, belegen verschiedene Quellen. Colani liebte Herausforderungen: So soll er im August 1835 als erster Alpinist die Ostflanke des Piz Palü zusammen mit Oswald Heer bestiegen haben. Damit wurde er Vorbild für die Figur des Mar kus Paltram in Jakob Christoph Heers bekanntem Roman «Der König der Bernina» (1900). Für eine andere Herausforderung bezahlte er allerdings mit seinem Leben: 1837 ging Colani die Wette ein, dass er alleine in der gleichen Zeit eine Wiese mähen könne wie die zwei besten Tiroler Mäher. Die Wette gewann er zwar, doch wurde er als Folge der Anstrengung krank und starb. Nicht wie er es sich gewünscht hatte in seinen Bergen, sondern im Bett in seinem Pontresiner Zuhause. Seine sa genumwobene Geschichte lebt indes heute noch weiter.
ARTIKEL BERGGESCHICHTEN FÜR REPOWER TEXT FABRIZIO D’ALOISIO FOTO BIBLIOTHEK ST. MORITZ WEITERE ARBEITEN KONZEPT, GESTALTUNG UND UMSETZUNG
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DIE SCHÖNE TEUFELIN | Berggeschichten für Repower
Diavolezza
Die schöne Teufelin Der Bündner Aussichtsberg Diavolezza ist für das Panorama des Bernina-Massivs und seine wilden Gletscherlandschaften bekannt. Was Wenige wissen: Diavolezza ist auch ein Berg mit teuflisch schöner Vergangenheit – zumindest einer Sage nach.
Die Diavolezza, Italienisch für Teufelin, ist in vielerlei Hinsicht eine Versuchung. Da ist die Sicht auf mehrere Dreitausender, darunter die berühmten Piz Bernina und Palü, dann die beeindruckenden Gletscher Pers und Morteratsch, das eindrucksvolle Berghaus auf 2978 m ü. M. von wo zu Hochge birgstouren, Gletscherwanderungen und Skiabfahrten gestartet wird. Die herbe Schönheit der Land schaft. Und die Bergbahngondeln, die in jedem James-Bond-Film eine gute Figur abgeben würden. Wer aber schon mal bei Vollmond den Berg alleine mit den Skis bezwungen hat oder bei verhange nem Wetter an einem stillen Sonntagmorgen über den Morteratschgletscher gewandert ist, der weiss: Da ist noch was. Nichts Fassbares, nur ein Gefühl. Etwas Flüchtiges, aber deswegen nicht Unbedeu tendes. Der Berg scheint seine Geheimnisse noch nicht ganz preisgegeben zu haben. Und diese mys tische Aura, welche die Diavolezza heute noch umgibt, könnte seinen Ursprung in einer Sage haben. Nach dieser von Generation zu Generation mündlich überlieferten Erzählung, wohnte vor vielen Jah ren beim «Munt Pers» (zu Deutsch: verlorener Berg) ein weibliches Wesen von unmenschlicher Schön heit. Dort, wo – eingefasst von Felsentürmen und grossen Geröllhalden – ein tiefblauer See die Sonne widerspiegelte. Hier pflegte das herrliche Weib, so wie es Gott – oder wer auch immer – geschaffen hatte, ein erfrischendes Bad zu nehmen. Und hier wollte es das Schicksal, dass es einige seltene Male von jungen Jägern flüchtig erblickt wurde. Kurze, fliehende Momente reichten aus, um die Jäger ganz vernarrt und unvorsichtig werden zu lassen. Einige folgten der verlockenden Schönheit, die stets von einer Gämsherde bewacht wurde, über die Felsen bis hinüber zu ihrem Felsenschloss. Was dort ge schah, weiss niemand. Denn ein Jäger nach dem anderen verschwand oder verlor sich am Munt Pers. Keiner kam je zurück. Auch «Aratsch» nicht, ein stattlicher Jüngling aus dem Dorf. Überall wurde vergeblich nach ihm ge sucht und schliesslich musste man annehmen, er sei in die Gletscherbrüche am Pers gefallen oder ir gendwo abgestürzt. Dann geschah Erstaunliches: Wer sich damals bei Einbruch der Nacht in der Re gion des Bernina-Massivs aufhielt, hörte – vom Winde getragen – eine Klagestimme folgende drei Worte ausrufen: «mort ais Aratsch, mort ais Aratsch…», was so viel heisst wie «Aratsch ist tot», was der Ursprung des Namens Morteratsch ist. War es die hübsche Teufelin «Diavolezza», die wegen ihrer
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unfassbaren Schönheit mehrere Jünglinge in den Tod gerissen hatte? Beklagte sie den Tod Aratschs? Der Sage nach ja. Es heisst, dass Diavolezza keine Ruhe fand – bis der Gletscher vorrückte und die ganze Alp bis hinunter ins Tal mit Eis und Geröll zugedeckt war. Danach wurde sie nie mehr gehört oder gesehen. Was aber nicht unbedingt heisst, dass sie nicht doch noch irgendwo am Munt Pers zu finden ist...
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ARTIKEL BERGGESCHICHTEN FÜR REPOWER TEXT FABRIZIO D‘ALOISIO ILLUSTRATION JESSINE HEIN WEITERE ARBEITEN KONZEPT, GESTALTUNG UND UMSETZUNG
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HARVEY WADE | 101 Zimmergeschichten für den Schweizerhof Luzern
Auf jedem Zimmer eine eigene Geschichte…
Lieber Schweizerhof-Gast, Jeder Gast teilt mit dem Hotel Schweizerhof einen Teil seiner Persönlichkeit. Jeder Gast ist verbunden mit der Geschichte anderer Gäste, die hier logiert haben. Und das seit über 160 Jahren. Deshalb dürfen Sie sich auch ein bisschen wie grosse Denker, Künstler, Politiker, Sportler, Musiker und königliche Hoheiten aus Vergangenheit oder Gegenwart fühlen, wenn Sie zu uns kommen. Ein Teil aller Schweizerhof-Besucher lebt in diesen Mauern weiter. Sie als Gast bereichern mit Ihrer heutigen Anwesenheit das reiche Schweizerhof-Erbe. Herzlich willkommen! Und wenn Sie möchten, fühlen Sie sich doch für einen Tag wie…
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HARVEY WADE US-amerikanischer Folk- und Rockmusiker
Es ist Juni 2011. Sie sind seit 1988 auf Ihrer „Never ending Tour“ in der ganzen Welt unterwegs. Taiwan, Peking, Shanghai, Australien, Neuseeland waren Ihre letzten Stationen. Jetzt halten Sie auch am Summer Sound Festival in Sursee eine Performance. Niemand weiss, dass Sie im Hotel Schweizerhof Luzern logieren. Sie machen es Ihren Fans auch nicht gerade einfach. Da ist zuerst Ihr Deckname, Harvey Wade, der nach einem Tankstellenbetreiber in Minnesota tönt. Dann schlafen Sie am Tag und sind wach in der Nacht. Und selbst bei Dunkelheit wagen Sie sich nur durch den Hintereingang ins Hotel. Benutzen nur den Warenlift, hinterlassen keine Spuren. Ihre Band „Harris Group“ ist gut versteckt. Ihr Management sagt, Sie seien nicht hier. Nicht mal Anastacia, die zwei Zimmer neben Ihnen wohnt, weiss etwas von Ihnen. Die Zurückgezogenheit im Schweizerhof gefällt Ihnen, ja sie inspiriert Sie sogar. Sie schätzen die Nähe zum See, an dem Sie nachts Ihre Mundharmonika zücken und zur Altstadt, auch
wenn Sie sie nie bei Tageslicht gesehen haben. Aber Sie waren schon immer anders als alle anderen. Sonst wären Sie nicht zu einem der einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts geworden. Und dazu noch Schauspieler, Dichter, Maler. Sie hätten nicht über 500 Songs geschrieben, darunter Perlen wie „Knockin On Heaven‘s Door“, „Mr. Tambourine Man“ und „Blowing In The Wind“. Und Sie wären nicht bei jedem Ihrer Konzerte mit folgenden Worten eingeführt worden: „Ladies and gentlemen, would you please welcome the poet laureate of rock ‚n‘ roll. The voice of the promise of the 60‘s counterculture. The guy who forced folk into bed with rock. Who donned makeup in the 70‘s and disappeared into a haze of substance abuse. Who emerged to find Jesus. Who was written off as a has-been by the end of the 80‘s, and who suddenly shifted gears releasing some of the strongest music of his career beginning in the late 90‘s. Ladies and gentlemen – Columbia recording artist Bob Dylan!“
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ROGER MOORE Britischer Schauspieler
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Es ist ein lauwarmer Abend des Sommers 2005. Der Vierwaldstättersee glitzert in der Abendsonne. Ihr weisser Lotus Esprit Turbo bringt Sie und Ihre Herzdame mit unverkennbarem Motorsound zum Hotel Schweizerhof Luzern. Bei der Ankunft geniessen Sie den leicht verdutzten Blick des Pagenjungen, der sie sofort als Geheimagent 007 identifiziert und ihren Esprit in die Garage fährt. Sie halten heute anlässlich der 45. Rose-d’Or-Verleihung als Unicef-Botschafter eine Laudatio. Im Publikum sind auch Sir Peter Ustinov’s Sohn Igor Ustinov sowie die Unicef-Botschafter Harry Belafonte, Nana Mouskouri und Nina Ruge – allesamt ebenfalls Schweizerhof-Gäste. Nach einem Erfrischungs-Martini an der Schweizerhof Bar – geschüttelt, nicht gerührt – möchten Sie auf Ihr Zimmer, um Ihren Smoking überzustreifen. Wegen eines technischen Defekts am Hauptaufzug lädt Sie der Hoteldirektor freundlich ein, die Treppen zu benutzen. Eine Einladung, die Sie mit einem eleganten Sprung in den Warenlift höflich verneinen, schliesslich sind Sie James Bond und gewöhnt, aussergewöhnliche Entscheidungen zu treffen. Und auch wenn Sie Warenlifte sonst nur auf der Flucht vor Ganoven benutzen oder wenn Sie Ihre weibliche Begleitung unbeobachtet küssen möchten – heute machen Sie eine Ausnahme, um unerkannt auf Ihr Zimmer zu gelangen. Trotz stilvoller Atmosphäre und fantastischer Aussicht auf See und Berge müssen Sie schon bald wieder gehen – der weisse Smoking steht Ihnen, natürlich, wie angegossen. Ihre Laudatio im Konzertsaal des Kultur- und Kongresszentrums Luzern (KKL) ist einfach nur perfekt, das Publikum ist begeistert und applaudiert. Dann ein Schuss! Sie gehen in Deckung, schliesslich lebt man nur zweimal. Der Scharfschütze flüchtet, Sie hinterher. Auf dem roten Teppich im Entrée des Hauses stehen Sie sich gegenüber. Ihr Bösewicht ist Christopher Lee, selbst Unicef-Botschafter und auch mal für einen Spass aufgelegt. Mit Blick auf die Kerzen und Rosenblätter am Boden sagen Sie mit einem Lächeln zu ihm: „Oh, it looks like your wedding.“ Und Lee antwortet mit britischem Humor: „…or it could be my funeral!“
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SIR CHRISTOPHER LEE Britischer Schauspieler und Sänger
Es ist ein lauwarmer Abend des Sommers 2005. Sie sitzen an der Schweizerhof Bar, geniessen einen vollmundigen, dunkelroten Tropfen, Ihre hinreissende Begleiterin hängt förmlich an Ihren Lippen. Sie beugen sich zu Ihr vor, berühren zärtlich Ihren Hals und… beissen zu! Zugegeben, manchmal fühlen Sie sich immer noch ein wenig wie Graf Dracula, den Sie so oft im Film personifiziert haben. Sie sind eben ein Vollblut-Schauspieler, der in 275 Streifen eine Rolle gespielt hat. Das weiss auch Ihre Frau, mit der Sie seit über 40 Jahren verheiratet sind. Sie verzeiht Ihnen deshalb Ihre spielerische Dracula-Interpretation von gerade eben mit einem Augenzwinkern. Heute Abend werden Sie als Unicef-Botschafter anlässlich der 45. Rose-d’Or-Verleihung eine Laudatio halten – engagiert und mit jener Leidenschaft, mit der Sie auch schauspielern und Heavy Metal singen. Rasch möchten Sie noch einmal auf Ihr Zimmer, um sich frisch zu machen. Da der Hauptaufzug ausser Betrieb ist, nehmen Sie den Warenlift. Das ist ganz nach Ihrem Geschmack, fühlen Sie sich doch gleich wieder in eine Ihrer Parade-Filmrollen versetzt: In Francisco Scaramanga aus dem 007-Klassiker „Der Mann mit dem goldenen Colt“. Als Gegenspieler von James Bond bauen Sie darin vor Ihrem Opfer eine eigenartige Pistole zusammen. Sie besteht aus einem Füllfederhalter (Lauf), einem Zigarettenetui (Griff), einem Feuerzeug (Verschluss) und einem Manschettenknopf. Alles Dinge, die sich auch jetzt in Ihrem Hotelzimmer befinden. Eine Stunde später. Im Entree des Hauses treffen Sie tatsächlich James Bond! Argwöhnisch mustern Sie Ihn zunächst aus einiger Distanz. Warum haben Sie nicht eben auf dem Zimmer eine Waffe zusammengebaut? Hat er eine dabei? Das dezente Kneifen Ihrer Frau bringt Sie wieder in die Realität zurück. Herzlich grüssen Sie Ihren alten Freund Roger Moore, der heute Abend ebenfalls als Unicef-Botschafter eine Laudatio hält. Mit Blick auf den mit Kerzen und Rosenblättern geschmückten roten Teppich sagt Mr. Moore mit einem Lächeln zu Ihnen: „Oh, it looks like your wedding.“ Worauf Sie mit britischem Humor antworten: „…or it could be my funeral!“
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LEO TOLSTOY Russicher Schriftsteller
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Es ist der 7. Juli 1857. Sie kommen aus Russland und heissen mit vollständigem Namen Graf Lew Nikolajewitsch Tolstoi. In knapp zwei Monaten werden Sie 29, Sie sind noch nicht verheiratet und leben meist als Gutsherr in Jasnaja Poljana. Ihre Hauptwerke „Krieg und Frieden“ und „Anna Karenina“, mit denen Sie Weltruhm erlangen werden, sind noch nicht geschrieben. Es ist Ihre erste Reise in westeuropäische Länder, die vor allem pädagogischen Zwecken dienen soll. Nach Stopps in Paris, Genf und Bern sind Sie in Luzern angekommen. Hier wimmelt es nur so von Touristen. Es sind vor allem die Engländer, die Sie mit ihrem steifen, hochnäsigen Auftreten etwas irritieren. Sie steigen im erst zwölf Jahre zuvor eröffneten Hotel Schweizerhof Luzern ab – dem besten Hotel am Platz. Als Sie in Ihr Zimmer hinaufkommen und das auf den See gehende Fenster öffnen, werden Sie „von der Schönheit dieses Wassers, der Berge und des Himmels buchstäblich geblendet und erschüttert…; überall Bewegung, Asymmetrie, abenteuerliche Formen, ein unendlich mannigfaltiges Gemisch von Schatten und Linien, und in allem die Ruhe, die Weichheit, die Einheitlichkeit und die Notwendigkeit des Schönen.“ Lediglich der „dumme, künstliche weisse Quai mit den gestützten Lindenbäumchen“ widerspricht Ihrer Meinung nach der natürlichen Harmonie und Schönheit. Um halb acht werden Sie zum Essen gerufen: Im grossen, prächtigen
Parterresaal speisen Sie zusammen mit anderen Hotelgästen an zwei langen Tafeln. Mit dabei sind wieder Ihre ungeliebten Engländer. Sie ärgern sich über die teilnahmslosen Gesichter und wünschten sich leidenschaftliche Gespräche, Scherze und Wortspiele. Der Verdauungsspaziergang durch die Gassen der Luzerner Altstadt bringt auch keine Befriedigung. Bis Sie plötzlich die Stimme eines Sängers hören, die Ihnen sofort das Herz öffnet. Es ist „ein winziges Menschlein“, das unter den Fenstern des Schweizerhofs zur Gitarre alte Lieder aus Tirol singt. Die Menschenmenge lauscht gebannt, versagt dem Sänger aber am Ende seiner Darbietung eine Spende und verspottet ihn gar noch. Sie hingegen laden den Strassenkünstler ein - zu einer Flasche Champagner. Nur widerwillig lässt man Sie mit Ihrem armselig bekleideten Musiker in der Gaststube des Hotels Platz nehmen, wo Ihre Begleitung zudem noch verhöhnt wird. Das Erlebte wühlt Sie derart auf, dass Sie sich noch mitten in der Nacht in Ihrem Zimmer an den Schreibtisch setzen und die Ereignisse als sozialkritischen Reisebericht unter dem Titel „Luzern“ niederschreiben. Über anderthalb Jahrhunderte später, im Jahr 2010, werden Ihr Neffe und der Direktor des Tolstoi-Museums in Moskau dieses Zimmer besuchen. Beide tragen unter dem Arm eine Ausgabe der „Volkserzählungen“ von Ihnen - Leo N. Tolstoi, einem der grössten Denker und Schriftsteller seiner Zeit.
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ROBERTO BENIGNI Italienischer Regisseur und Schauspieler
„And the Oscar goes to...Roberto!!“ Dieser Satz von Sophia Loren initiiert 1997 Ihre bis heute unvergessene Dankesrede an den 71. Annual Academy Awards. Ihr Film „La vita è bella“ gewinnt den Oscar für den besten ausländischen Film und die ganze Welt staunt minutenlang über ihrer herrliche Lebenslust. Nicht genug, dass Sie auf den Sesseln wandern und auf Ihrem Weg zur Bühne über Steven Spielberg stolpern. Was und vor allem auch wie Sie Ihre Worte mit breitem italienischem Akzent an das Publikum richten – das ist mehr als filmreif. Ihre toskanischen Eltern hätten Ihnen das grösste Geschenk mitgegeben, sagen Sie: Armut. Das Publikum liegt Ihnen zu Füssen. Sie erobern als Regisseur und Schauspieler nach Italien und Europa auch Amerika. In Ihrem Heimatland begeistern Sie als Improvisationsdichter die Massen. Ihre aus dem Gedächtnis gehaltenen Vorträge aus Dantes Göttlicher Komödie ernten grossen Beifall. Gleichzeitig sind Sie als scharfer Kritiker von Ministerpräsident Silvio Berlusconi gefürchtet – wobei die Fernsehstationen, die ihre Kritiken ausstrahlen, riskieren, ihre Lizenz zu verlieren. Zehn Jahre nach Ihrem überragenden Oscar-Erfolg besuchen Sie im August 2007 in Luzern ein Konzert Ihres Freundes Claudio Abbado, einem der bedeutendsten Dirigenten unserer Zeit. Sie übernachten, wie auch Abbado, mehrmals im Hotel Schweizerhof und das Hotel-Personal staunt darüber, dass Sie in natura genau so sind wie im Fernsehen: Freundlich, herzlich, lebensfroh. Sie winken spontan allen Gästen auf dem vorbeifahrenden Citytrain zu. Sie lächeln auch, als das bestellte Taxi nicht kommt. Der Concierge schiesst ein Polaroid-Foto von Ihnen, das er sein Leben lang in Erinnerung bewahren wird. Mit gutem Grund: Sie sind schliesslich mehr als ein erfolgreicher Schauspieler, Regisseur, Dichter, Kabarettist und Politkritiker. Sie sind auch ein grossartiger Erzähler, der den Italienern mehr über Italien beibringt als die Schule. Anlässlich der 150-Jahr-Feiern Ihres Landes erklären Sie 2011 einem gerührten Millionenpublikum in einem einstündigen TV-Monolog die italienische Geschichte. Dabei haben Sie den Mut, Ihre Nationalhymne a capella zu singen. Studenten erklären Sie, dass es nur etwas braucht, um Poesie zu schreiben: alles. Sie sorgen als Redner vor dem europäischen Parlament für Freudentränen. Und ein Satz Dantes begleitet Sie überall hin: „Amor, ch‘a nullo amato amar perdona“ – es gibt keine vergeudete Liebe, deshalb liebe und kümmere Dich nicht drum, etwas kommt immer zurück. Und wenn es nur ein Funken ist.
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QUEEN ELIZABETH II. Königin des Vereingten Königreichs von Grossbritannien und Nordirland
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Es ist der 2. Mai 1980 und das Team des Hotels Schweizerhof Luzern steht Kopf wegen dem hohen Besuch. „The Queen is not amused.“ Diesen berühmt-berüchtigten Satz möchte heute niemand hören. Sie sind ungewohnt entspannt und freuen sich sehr auf Ihren Aufenthalt, schliesslich hat hier bereits Ihre Ururgrossmutter, Königin Victoria, Urlaub gemacht. Am 21. April 1926 in Mayfair, London, als Her Royal Highness Princess Elizabeth Alexandra Mary of York geboren, werden Sie 1952 mit gerade einmal 25 Jahren zur Königin des Vereinigten Königreichs Grossbritannien und Nordirland gekrönt. Dazu werden Sie aber auch Oberhaupt der heute 54 Commonwealth-Staaten, zu denen grosse Länder wie Australien, Kanada, Indien, Neuseeland, Pakistan und Malaysia gehören, aber auch kleine Staaten wie Barbados, Grenada, Kribati, St. Lucia, Tuvalu und Nauru mit seinen bloss 13‘000 Einwohnern. Seit nunmehr 28 Jahren – und es sollen noch viele mehr werden – prägt Ihren Tagesablauf strengste Pflichterfüllung für das Königreich. Ob Sie auf dieser Reise von Basel – wo Sie die Gartenausstellung „Grün 80“ besucht haben –
nach Luzern tatsächlich im Bett des Hotels Schweizerhof Luzern übernachtet haben, bleibt „top secret“. Kein Geheimnis hingegen ist Ihr Ausflug auf der „Stadt Luzern“, dem Flaggschiff der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees. Es ist das letzte für einen Schweizer See gebaute Dampfschiff, mit Seitendampfrad und grossem Salonaufbau auf dem Oberdeck. Hier speisen Sie zusammen mit Ihrem Mann Prinz Philip. Die Schifffahrtsgesellschaft hat zu Ihren Ehren den Panoramaraum gänzlich erneuert und sich „royales“ Besteck und Geschirr vom Hotel Schweizerhof Luzern ausgeliehen. A propos: Der deutsche Starkoch Peter Nöthel, der später (2012) im Schweizerhof kocht, hat auch schon für Sie gekocht – bis heute ist es für ihn sein Karrierehighlight. Zurück an Bord: Der Speisesalon des Schiffes wird zu Ehren Ihres Besuches in „Queens Salon“ umgetauft. Sie geniessen das königliche Mahl und die atemberaubende Aussicht auf Ihrer Fahrt zum Rütli. Sie lächeln – so wie nur Sie das können. The Queen is amused. God save the Queen!
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NEIL ARMSTRONG US-amerikanischer Testpilot und Astrnaut
Es ist der 1. Juli 1972. Normalerweise wären Sie zu Hause geblieben – in Cincinnati, wo Sie als Uni-Professor Luft- und Raumfahrttechnik lehren, seitdem Sie nicht mehr selber im Weltraum unterwegs sind. Öffentliche Auftritte sind Ihnen unangenehm, Ehrungen gar ein Gräuel. Sie sind wortkarg, leben sehr zurückgezogen und präsentieren sich nur ungern als amerikanischer Nationalheld. Aber Ihr guter Freund und Astronauten-Kollege John Glenn hat Sie überzeugen können, zur Eröffnung der Raumfahrthalle im Verkehrshaus nach Luzern zu kommen. Das Verkehrshaus hätte sich keine prominenteren Vertreter der Raumfahrt zur Inauguration wünschen können: John Glenn, der erste amerikanische Astronaut, der 1962 die Erde in einem Raumschiff umkreist und damit zum amerikanischen Idol wird. Und Sie, Neil Alden Armstrong, der als Kommandant der Apollo 11 zusammen mit Buzz Aldrin und Michael Collins zum Mond fliegt. Am 21. Juli 1969 betreten Sie als erster Mensch die Mondoberfläche. Ihr Worte sind legendär: „Ein kleiner Schritt für den Menschen, aber ein gewaltiger Sprung für die Menschheit.“ Die Stadt Luzern und auch das Hotel Schweizerhof Luzern scheinen ein besonders attraktives Reiseziel für Moonwalker zu sein. Es gibt nicht viele berühmte Astronauten nach Neil Armstrong, aber die Wenigen sind alle hier gewesen: Alan Bean kommt bereits im Juni 1971. Er fliegt in der Apollo 12 als vierter Mann nach Ihnen zum Mond (19. November 1969) und verewigt sich
im Hotel-Gästebuch mit den Worten: „A most wonderful visit to Switzerland“. Zehn Jahre nach Ihrem Besuch weilt James A. Lovell im Hotel. Auch er ist ein alter Bekannter von Ihnen. Als Kommandant der Apollo 13 ist er vorgesehen, als fünfter Mensch den Mond zu betreten. Wegen einer Explosion muss am 11. April 1970 der Raumflug auf dem Weg zum Mond jedoch abgebrochen werden (1995 wird dieses Ereignis mit Tom Hanks in der Rolle als Lovell verfilmt. Legendär wird die Meldung: „Houston, we have a problem“.). Die Besatzung entgeht nur knapp dem Tod, Lovell betritt dadurch nie den Mond. Er hält allerdings andere grossartige Rekorde: er ist der erste Mensch, der viermal im Weltraum war, und der einzige Mensch mit zwei Mondflügen (Apollo 8 und Apollo 13), ohne auf dem Mond zu landen. Er schreibt im Mai 1982 in das Gästebuch: „To all the personnel of the Schweizerhof. Thank you for your wonderful hospitality. I had a wonderful time.“ Im März 2007 übernachtet schliesslich Claude Nicollier im Hotel Schweizerhof Luzern. Er ist der erste und bis heute einzige Schweizer, der den Weltraum besucht hat. Sein Gästebucheintrag ist besonders herzlich: „Very pleasant (but short) stay at the Schweizerhof Luzern – the very best Hotel in this corner of the Galaxy! Thank you very much and I will be back. 20.3.2007 ESA Astronaut, SIS-46, 61, 75, 103.“
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EPHRAIM KISHON Istraelischer Satiriker
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Es ist der 28. April 2002. Sämtliche Sitzplätze im legendären Zeugheersaal des Hotels Schweizerhof Luzern sind besetzt. Das Publikum hängt förmlich an Ihren Lippen und löst seine konzentrierte Haltung lediglich, um laut aufzulachen. Sie sind nicht nur einer der erfolgreichsten Satiriker des 20. Jahrhunderts, sondern auch ein herausragender Regisseur und Philosoph. Aber Sie stellen sich am besten selber vor: „Am 23. August 1924 in Ungarn geboren, neugeboren 1949 in Israel. Zu viele Schulen. Zu viele Arbeitslager: ungarische, deutsche, russische. Verheiratet. Drei Kinder. Sechs Theaterstücke, die ausser in Israel auch in mehreren anderen Ländern aufgeführt werden, zum Beispiel in Deutschland und sogar in Japan. Bücher in insgesamt 33 Sprachen, darunter hebräisch, englisch, deutsch, ungarisch, italienisch, türkisch, dänisch, holländisch, chinesisch, japanisch etc. Schrieb regelmässig satirische Glossen unter dem Titel „Chad Gadja“ (das Lämmchen) für Israels meist verbreitete Tageszeitung „Ma‘ariv“. Leitete eine eigene Kleinkunstbühne, die „Grüne Zwiebel“. Schreibt Theaterstücke aus Liebe. Macht Filme als Hobby. Liebt Schmiedearbeit, Schach und Torbergs deutsche Übersetzungen seiner Geschichten. Lebt in Tel Aviv als freier Schriftsteller, nachdem er sich zuvor als freier Schlosser im Kibbuz, freier Garagenbesitzer und in einer Reihe anderer freier Berufe betätigt hat.“ (Aus den Klappentexten der Bücher „Drehn Sie sich um, Frau Lot!“, 1971, und „Nicht so laut vor Jericho“, 1977) Das sind Sie also - als Ferenc Hofman geboren, als Ephraim Kishon bekannt geworden. Humor, Satire und Karikatur sind Ihre literarischen Werkzeuge. Weltweit sind etwa 700 Bücher (darunter viele Kompilationen) von Ihnen erschienen, mit einer Auflage von 43 Millionen. Ihre Filme wurden zweimal für den Oscar nominiert und dreimal mit dem Golden Globe bedacht. Ihre „Familiengeschichten“ sind weltweit der meistverkaufte Titel. Und neben der Bibel das bestverkaufte Buch in hebräischer Sprache.
Ihr wohl bekanntestes Werk ist „Der Blaumilchkanal“. Vor einem Monat, am israelischen Unabhängigkeitstag, sind Sie für Ihr Lebenswerk mit dem Israel-Preis, der höchsten Auszeichnung des Staates Israel, geehrt worden: ein Höhepunkt in Ihrem Schaffensweg. Seit den achtziger Jahren leben Sie abwechselnd in Tel Aviv und in Appenzell, in der Schweiz. Deswegen dürfen heute Abend in Ihrem Programm auch leichte Spitzen über Ihr helvetisches zweites Zuhause nicht fehlen: „Die Schweiz ist ein dreisprachiges Land. Die Deutschen sprechen französisch und italienisch, die Franzosen sprechen Französisch, und die Italiener sprechen über die Arbeitsbedingungen. Die Deutschen verachten die Franzosen, die Franzosen verachten die Deutschen, beide verachten die Italiener, und alle drei verachten die Ausländer.“ Tosendes Gelächter und Applaus aus dem Publikum. Der erfolgreichste Satiriker der Gegenwart strapaziert auch mit 78 Lenzen die Lachmuskeln seines Publikums, genauso wie vor knapp dreissig Jahren bei seinem letzten Besuch im Hotel Schweizerhof Luzern 1975. In das Gästebuch schrieb er damals „Thankfully“ auf Hebräisch. Heute Abend verabschiedet er sich ganz ohne Dolmetscher mit den Worten: „Merci vielmol und uf wiederluege!“
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In den 101 Schweizerhof-Zimmern finden Sie 101 verschiedene Geschichten wie diese. Sie beruhen alle auf wahren Begebenheiten und sollen Ihnen den ideellen Reichtum unseres Hauses näher bringen, in dem seit über 160 Jahren herausragende Persönlichkeiten aus der ganzen Welt zu Gast sind.
ARTIKEL 101 ZIMMERGESCHICHTEN FÜR DEN SCHWEIZERHOF LUZERN TEXT ALEXANDRA KNETSCH ILLUSTRATIONEN STEPHANIE MEIER WEITERE ARBEITEN WEBSEITE
www.spotwerbung.ch
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SPOT Werbung SPOT Werbung wurde 1990 von Dario Cantoni und Werner Pircher gegründet. Was damals als Studio für die Konzeption und Produktion von Radiospots seinen Anfang nahm, ist heute die grösste Fullservice-Kommunikationsagentur Graubündens mit Hauptsitz in St. Moritz sowie einer Filiale in Lugano. Wir denken, reden, schreiben, gestalten, fotografieren, beraten und programmieren. Damit Sie gehört, gesehen und letztendlich Ihre Produkte gekauft werden. Kurz: Wir kommunizieren – auf allen Kanälen. Besonders gut und gerne für Tourismus, Hotellerie und die Freizeitbranche, Sport und Lifestyle – aber auch für alle anderen innovativen Kunden. Aktuelle Informationen und weitere Referenzen sind jederzeit auf unserer Webseite verfügbar. www.spotwerbung.ch