ST. MORITZ SHORT STORIES

Page 1





EDITO Editorial

International bekannt und gefragt sind die ikonischen St. Moritz-Plakate aus dem frühen 20. Jahrhundert, von namhaften Grafikern entworfen, Sinnbilder eines selbstbewussten Kurorts. Der Entwicklung weit voraus waren die Arbeiten von Walter Herdeg, der die Sonne von St. Moritz und den Schriftzug in den dreissiger Jahren etablierte. Mit ihm die ganze Riege der bekanntesten Schweizer Grafiker und Plakatkünstler wie Diggelmann, Laubi, Giacometti und Carigiet. Die Sammlung der Dokumentationsbibliothek St. Moritz umfasst die wunderbarsten dieser Werke. Ganz und gar nicht bekannt sind die in diesem Büchlein abgebildeten Plakate. Sie kamen unverhofft ans Tageslicht, als uns eines Tages Hugo Wetzel von der gleichnamigen Druckerei anrief: “Ich habe in meinem Keller noch alte Plakate aus unserer Druckerei, wollt ihr die?” Dreissig Rollen mit Plakaten von 1950 bis 1985 durften wir mitnehmen. Rund 2000 Beleg-Exemplare, welche · 03


die Druckerei Wetzel in all den Jahren gesammelt hatte, lagen in zusammengehefteten Bündeln und nach Jahren sortiert vor uns. Ein einzigartiges Konvolut! Der Zustand für einen Archivar haarsträubend: voller Risse und Wasserflecken. Mit grossem Aufwand wurden die Plakate restauriert und so gut wie möglich in den Originalzustand zurückversetzt. Sie repräsentieren keine grossartigen künstlerischen Finessen, sie sind aber typografische Dokumentationen, zeigen elementares Grafikhandwerk, kühne Farbgestaltungen und eine lebhafte Sicht auf das Geschehen im Kurort St. Moritz. Denn das Plakat ist ursprünglich ein vergängliches Medium. Oft weist es auf eine aktuelle Veranstaltung hin, hält eine Information oder Weisung fest. Nach dem Event verschwindet es wieder, wird zerrissen und weggeworfen. Mit der Sammlung dieser neu gefundenen Plakate erschliesst sich im Nachhinein eine verloren gegangene Geschichte der Ereignisse.

04 ·


Die Begeisterung für diesen Fund steckte den Kommunikationsverantwortlichen der Gemeinde St. Moritz an. Er war auf der Suche nach unbekannten Plakaten für den St. Moritz-Kalender 2021. Es wäre aber viel zu schade gewesen, diese Plakate ohne passende Geschichten zu veröffentlichen. Deshalb stiess Autor Helmi Sigg zum Team und aus dem Kalender 2021 wurde dieses Büchlein. Ein Büchlein voller Erinnerungen an ein St. Moritz, das es vielleicht einmal genau so gegeben hat. Zwölf Geschichten wollten wir erzählen, für jeden Kalendermonat eine – denn wenigstens das sollte an den ursprünglich geplanten Kalender erinnern. Aber St. Moritz war schon immer anders, und wenn es einen Ort gäbe, an dem das Jahr 13 Monate hätte, es wäre wohl St. Moritz … Viel Spass beim Lesen und Träumen! Dora Filli Dokumentationsbibliothek St. Moritz

· 05


EIN AUGUST-MÄRCHEN An August Fairy Tale

Erschöpft sank Louisa Perret auf einen Stuhl. Bald hatte sie es geschafft. Seit Tagen war sie damit beschäftigt gewesen, Kostüme herbeizuschaffen oder solche aus dem eigenen Fundus des Kulm Hotels auszusuchen. Der Maskenball des 16. August rückte immer näher und sie hätte nie geglaubt, dass so viele Menschen mit dabei wären. Nonstop waren Gäste, aber auch Auswärtige gekommen, um sich ein geeignetes Kostüm auszusuchen. Und natürlich sollte es gleich passen! Drei Schneiderinnen standen ihr zur Verfügung und auch sie arbeiteten rund um die Uhr. Louisa atmete tief durch. Fünf Minuten Pause mussten doch drin liegen! Doch da ging auch schon wieder die Tür auf und herein trat ein gutaussehender Mann. Louisa sprang auf und errötete, als er ihr galant die Hand gab und sich vorstellte. Er wolle etwas Spielerisches, etwas Gewagtes, sagte er und seine Augen blitzten. Louisa führte ihn durch den Fundus, wo in langen Reihen Kostüm an Kostüm hing. Er griff nach einem Kleidungsstück an 06 ·



der Stange, nahm es herunter und hielt es vor sich hin: “Was meinen Sie?” “Ich? Ähh ...”, erneut überzogen sich ihre Wangen mit einer leichten Röte. Oh verflixt, sie musste antworten, ihre Verlegenheit überspielen. “Nein, das passt nicht zu Ihnen, es ist zu wenig ...”, schon wieder geriet sie ins Stottern. Er lächelte ihr charmant zu: “Zu wenig ... was?” “Na, zu wenig ... Sie wissen schon.” Himmel, sie benahm sich wie eine dumme Gans! “Zu wenig ...? Zu wenig aristokratisch?”, half er ihr. “Ja, genau, für einen Mann wie Sie ...”, erneut verhaspelte sie sich, am liebsten hätte sie den Raum verlassen und sich vor lauter Scham verkrochen. Sogar eine der Näherinnen kicherte leise. “Na gut, was würden Sie denn vorschlagen?”, fragte er neugierig. Louisa hatte das Gefühl, dass er mit ihr flirtete. Ausgerechnet mit ihr! Natürlich gefiel ihr das, aber andererseits machte es sie extrem verlegen. Und sie fürchtete, dass er dies bemerkt hatte. Sie drehte sich weg und zwängte sich durch die Kleiderständer.

08 ·


Schon bald stand sie vor einem Rokokokostüm mit wunderbaren Rüschen. Sie zog es heraus und er nickte beeindruckt. “So also sehen Sie mich in einem Kostüm. Ich danke Ihnen! Ich werde es gleich anprobieren, vielleicht muss es ja noch angepasst werden.” Er sah fantastisch darin aus. Louisa schluckte leer und holte tief Luft. Die kleinen Änderungen würden sie bis am Nachmittag hinbekommen. “Jetzt habe ich noch eine Bitte, suchen Sie ein weiteres Kostüm aus, für meine weibliche Begleitung …”, er musterte sie einen Moment lang, “sie hat in etwa Ihre Grösse. Ich komme am Nachmittag um drei Uhr wieder vorbei. Au revoir, meine Damen.” Ein kleiner Stich durchfuhr Louisa, als sie die letzten Sätze hörte. Dann wurde ihr die Situation wieder bewusst. Sie schalt sich leise selbst, riss sich zusammen und machte sich an die Arbeit. Um Punkt drei Uhr stand der Mann wieder zwischen all den Kleidern und sah sie fragend an. “Haben Sie ein passendes Kleid für meine Begleitung ausgesucht?”

· 09


Sie führte ihn nach hinten, wo das Kleid hing. Ein Ausruf des Erstaunens kam über seine Lippen. “Es ist die Nachbildung eines Kleides, das Marie Antoinette getragen hat”, erklärte sie. Fasziniert starrte er das Kunstwerk in Rot und Gold an. “Und wo ist die Dame, die Sie heute Abend begleitet?”, fragte sie neugierig. Er schwieg einen Moment, seine Augen strahlten sie an, ein Lächeln huschte über seine Lippen: “Sie steht vor mir.” “Was …?”, Louise wurde von einem leichten Schwindel erfasst und sie glaubte, sich verhört zu haben. “Sie steht vor mir!”, wiederholte er fröhlich. “Aber das geht doch nicht!”, stammelte sie verwirrt. “Und ob das geht, wenn Sie möchten. Mein Vater ist der Bruder des Direktors und ich habe schon alles arrangiert.” Als sie am Ball den Eröffnungswalzer tanzten und sich ihre Lippen zum ersten Mal fanden, war Louise immer noch nicht klar, ob sie das alles nur träumte.

10 ·


DIE BESTEN LIEDER KOMMEN IMMER AM SCHLUSS The Best Songs Always Come Last

Für einen Augenblick herrschte Stille, dann brandete Applaus durch den Saal des Kulm Hotels. Assia de Buzny hatte ihr letztes Chanson vor der Pause beendet. Der Star stand vor einem dunkelroten Vorhang, im weissen Samtkleid voller funkelnder Diamanten, breitete beide Arme aus und verbeugte sich vor dem begeistert applaudierenden Publikum. Erneut genoss sie die Ovationen; sie konnte keinen Unterschied zum französischen Publikum im Casanova de Paris feststellen. Begeisterung pur. Trotzdem wäre sie jetzt gerne hinter die Bühne gegangen, aber der Applaus hielt sie im Scheinwerferlicht. Es war Sonntagabend, ihr letzter Auftritt in St. Moritz. Vor drei Tagen war sie angereist und hatte den speziellen Ort, genau wie man ihr zuvor versprochen hatte, genossen. Endlich wurde das Licht im Saal hell und sie konnte sich in den Backstage-Bereich und in die Garderobe zurück· 11



ziehen. Auch hinter der Bühne wurde ihr leise applaudiert, als sie sich mit ihrem langen Kleid zwischen den Kulissen hindurchzwängte. Sie lächelte allen zu und schlüpfte in den Umkleideraum. “Das war eine wunderschöne Vorstellung, Mademoiselle”, sagte eine männliche Stimme aus einer dunklen Ecke. “Mordko!”, entfuhr es ihr erfreut. “Du bist also doch gekommen.” “Für dich, mein Schwesterherz, reise ich bis ans Ende der Welt.” “Naja, so weit musstest du ja nicht fahren”, antwortete Assia leicht spöttisch, aber er sah ihr die Freude an. Sie setzte sich vor ihren Spiegel, nahm ein dünnes Papiertaschentuch und tupfte sich vorsichtig die kleinen Schweissperlen vom Gesicht. “Das Publikum hat dich wie immer auf Händen getragen.” “Warte nur ab, die besten Lieder kommen immer am Schluss.” Sie griff nach dem schwarzen Fettstift, zog die Linie unter ihren Augen nach und blickte prüfend in den Spiegel. “Da braut sich etwas zusammen”, sagte er unvermittelt und blickte sie ernst an. Sie drehte sich auf ihrem Sessel · 13


und musterte ihn genauer. Mordko sah müde und abgekämpft aus. “Was ist los?” “Blum wird Sarraut ablösen. Hitler hat das Rheinland besetzt. Der Faschismus und der Antisemitismus werden immer spürbarer, auch in Paris. Es ziehen dunkle Wolken auf ”, er starrte ins Leere. “Was ist mit Mutter und Vater?”, fragte sie besorgt. “Die werden wahrscheinlich bald nach Argentinien abreisen und dort bleiben.” Ein kaltes Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus. Es klopfte an der Tür: “Noch fünf Minuten bis zu Ihrem Auftritt, Mademoiselle de Buzny.” “Wohin willst du jetzt?” “Ich fahre morgen nach Davos und treffe dort David Frankfurter.” “Und was macht ihr dort?”, ihre Stimme klang beunruhigt. Ihr Bruder sah ihr kurz in die Augen, dann blickte er weg: “Ein wenig skifahren, was denn sonst?” “In einer Minute geht’s los!”, tönte es dumpf durch die Türe.

14 ·


Assia de Buzny stand auf, kontrollierte ihr Kleid, schaute in den Spiegel und verliess die Garderobe. Das helle Scheinwerferlicht blendete sie für einen kurzen Moment. Sie setzte ihr schönstes Lächeln auf, die Musik begann zu spielen. Dann erhob sich ihre Stimme und für eine weitere Stunde entführte sie ihr Publikum in eine andere, sorglosere Welt. Zwei Tage später, am 4. Februar 1936, erschoss der Student David Frankfurter den Leiter der NSDAPLandesgruppe Schweiz in Davos.

· 15


WER ZAHLT, BEFIEHLT

He Who Pays, Commands Mit einem dumpfen Plumpsen landete der leblose Körper in der Abstellkammer unter der Treppe. Maria von Schönfeld, von allen nur Mitzi genannt, sah sich um. Niemand war in der Nähe, also hatte auch niemand etwas mitbekommen. Die lange Nadel, die sie dem Opfer durch die Maske, durchs Auge und bis ins Gehirn gestossen hatte, wischte sie kurz ab und steckte sie dann wieder in ihr aufgetürmtes dunkles Haar. Perfekt. Sie rückte ihre eigene Maske zurecht, kontrollierte ihr farbenprächtiges chinesisches Kostüm, konnte aber nichts Verräterisches entdecken. Sie wandte sich um und ging zurück in Richtung des grossen Saales, wo alle bunt verkleidet “Une Nuit de Chine” feierten. Die Kostüme für ihren Liebsten Werner von Moeller und ihren verhassten Onkel Gustav von Schönfeld hatte sie selbst ausgesucht. Zwar hatte sie für ihren Onkel nur Verachtung übrig, trotzdem musste sie nach seiner Pfeife tanzen. Als ihr geliebter Vater gestorben war, gelang es seinem 16 ·



Bruder Gustav durch Betrügereien, das gesamte Vermögen und auch die Vormundschaft für Mitzi an sich zu reissen. Mutter war schon ein paar Jahre vor ihrem Mann einer heimtückischen Krankheit erlegen und eigentlich hätte das ganze Erbe an Mitzi gehen sollen. Hätte! Doch Onkels Verbindungen reichten hinauf bis in die höchsten Kreise. Auch dort war man grossen Geldbeträgen nicht abgeneigt und so fielen die Ländereien im Pfälzischen sowie die Fabrik für Zuckerwaren in die Hände von Gustav. Schlimmer noch: Wenn sie die lüsternen Blicke bemerkte, die er ihr heimlich zuwarf, konnte sie sich eines leichten Grauens nicht erwehren. Auch die Beziehung, die sie nach dem Erreichen der Volljährigkeit mit Werner von Moeller einging, änderte nichts. Ihr Onkel schwebte wie ein grosses, schwarzes Phantom über ihr und sie war seinen Launen machtlos ausgeliefert. “Wer zahlt, befiehlt”, war seine Devise. Lange hatte sie auf den Moment gewartet, sich endlich von ihm und seinen besitzergreifenden Berührungen befreien zu können. Sein Vorschlag, dass sie alle zusammen an den “chinesischen Ball” ins Suvretta House gehen sollten, liess in ihr einen verzweifelten Plan reifen. 18 ·


In Kostümen und Masken hatten sie schliesslich das Hotel an diesem Abend betreten und mischten sich unter die Gäste. Für kurze Zeit verlor sie ihren Onkel aus den Augen, als sie von einem imposanten Mandarin zum Tanz aufgefordert wurde. Eine halbe Stunde liess sie sich treiben, bis sie ihn ebenfalls tanzend wieder in der Menge erblickte. Sie tanzte sich an ihn heran und tippte ihm dann leicht auf die Schulter. Partnerwechsel. Sein Griff war von Anfang an fordernd und er zog sie bis zur Unschicklichkeit nahe an sich heran. Sie spürte seine Lenden und die Hand am Rücken presste sie an ihn. Noch drehten sie sich im Kreis, doch die Bewegungen wurden fordernder. Darauf hatte sie gewartet. “Nicht hier”, flüsterte sie. Sie nahm seine behandschuhte Hand und zog ihn durch die feiernde Menge. Er liess sich von ihr führen, an der leeren Bridge-Ecke vorbei zur Treppe, wo versteckt die Abstellkammer lag. Dort endlich hielt sie an. Seine Hände wanderten über ihren Körper. “Einen Moment noch”, hauchte sie, während sie unbemerkt nach oben griff, die lange Stahlnadel aus ihrem Haar zog und sie dem chinesischen “Gongzhu” ins Auge stiess. Der kostümierte Körper sackte leblos zusammen, · 19


sie versteckte ihn, so gut es ging. Mit zitternden Händen und einem Gefühl des Triumphs eilte sie zurück in den Saal. Die Musik hatte eine Pause eingelegt, alle begaben sich an ihre reservierten Tische. Werner, in der Verkleidung eines chinesischen Opiumhändlers, wartete maskiert am Tisch. Er stand auf und hielt ihr den Stuhl hin. Als beide sassen, entledigte er sich seiner Maske. Mitzi erstarrte. Vor ihr sass Onkel Gustav. “Aber, aber ...”, war alles, was sie über ihre Lippen brachte. “Da staunst du jetzt aber! Werner war das Kostüm zu unbequem und da haben wir getauscht. Er sagte zu mir, das würde dich sicher überraschen.” Er sah sich suchend um: “Wo ist er eigentlich?”

20 ·



FAITES VOS JEUX Faites vos jeux

Im Saal des Casinos hatte der Saxophonist sein Solo beendet, das Publikum klatschte frenetisch. Georges Maycock stimmte wieder in den Refrain des Blues ein: “I’m the loneliest man, I’m the loneliest man in town.” Der Mann, der sich Luc Demain d’Etoile nannte, trat an einen Tisch, an dem schon mehrere Spieler und Spielerinnen sassen, die ihn ungeduldig anblickten. Sie konnten es kaum erwarten, ihr Geld zu verlieren, nur für einen kurzen Augenblick des Nervenkitzels, den “Kick”. Seit vielen Jahren war er Croupier hier im Casino und eines wusste er mit Gewissheit, Sieger war immer das Haus. Klar gab es manchmal Gewinner, aber die meisten spielten nach ihrem Reibach weiter, bis sie alles verloren hatten und mit gemischten Gefühlen das Etablissement verliessen. Alles hier roch nach grosser Tragödie, parfümiert und überdeckt mit einem Hauch der Hoffnung. Das würde auch an diesem Abend nicht anders sein. Er würde die Menschen verführen, sie locken, falsche Hoffnungen in ihnen aufflackern lassen, nur um diese 22 ·


dann in Tränen zu ersticken. Das war seine Arbeit, sein Auftrag. Nach aussen blieben die meisten Spieler ruhig und gelassen, aber er spürte, wenn sie innerlich zusammenbrachen, spürte, wie ihre Verzweiflung wuchs und wie sich am Ende ein Schatten über ihre Seele ausbreitete. Er musterte seine Gegenüber, nahm die Kugel geschickt in die Hand, gab ihr Schwung und liess sie rollen. Eifrig wurde gesetzt, die Augen glänzten, die Hände zitterten. “Rien ne va plus”, er sprach die Worte leise, aber bestimmt. Alle verharrten im Augenblick der Spannung. Die Kugel rollte langsamer, immer weiter zur Mitte, dann holperte sie über die Zahlenfelder und kam schlussendlich zur Ruhe. Die Blicke trübten sich, Luft wurde ausgestossen. “Trois rouge.” Er nickte zum Saladier, dieser sammelte die Jetons ein und legte sie in die dafür vorgesehenen Ablagen zurück. Danach zahlte er den einzigen Gewinn dieser Runde aus. “Faites vos jeux, s’il vous plaît!” Erneut begannen die Augen der Spieler zu leuchten und Luc fühlte ihre · 23


Erregung. Umso grösser würde die Enttäuschung sein. Er musterte die Einsätze, die am Spielrand lagen, ein paar würden sich bald verabschieden, drei würden noch länger hier verweilen. In ihren Gesichtern sah er eine Gier und Sehnsüchte, die sie hier nie befriedigen konnten. Im Gegenteil, am Ende des Abends würden sie das Casino als leere Hüllen verlassen, würden sich betrinken oder gar ins Auge fassen, ihr Leben zu beenden, nur um am nächsten Tag doch wieder wie Marionetten an diesem Tisch zu sitzen und erneut auf ihr Glück zu hoffen. Die Musik drang schwermütig und leise an den Tisch. Wie er vorausgesehen hatte, sassen bald nur noch drei Spieler vor ihm. “Faites vos jeux, s’il vous plaît!” Ihre Augen wurden immer matter und dunkler, ihre Bewegungen langsamer. Es schien, als würden sie sich in Zeitlupe bewegen. Er sah ihnen ihre inneren Kämpfe an. Mit munterer Aufforderung lenkte er sie, liess ihnen Getränke kommen, schenkte ihnen ein Lächeln oder hob bedauernd seinen Blick. Wie Ertrinkende klammerten sie sich an die Hoffnung, an seine Mimik, sein Spiel. Ein kleiner Gewinn zur Aufmunterung und schon waren sie wieder überzeugt, 24 ·


endlich den grossen Schatz zu heben, nach dem sie so lange gegraben hatten. Bald hatte er sie so weit. Er genoss seine Macht über diese Menschen, er labte sich an ihrem Unglück. Die Frau gab als Erste auf. Sie erhob sich mit einem lauten Schluchzen, stiess den Hocker hinter sich um und verliess wankend den Platz. Die beiden anderen sahen ihr mit dumpfen Blicken hinterher. “Faites vos jeux, s’il vous plaît!” Die Kugel rollte. “Rien ne va plus.” Der jüngere Mann krallte sich am Tisch fest und blickte fassungslos auf den Roulettekessel. “Zero!” Der andere Spieler stand auf. Er hatte alles verloren. Alle Kraft schien aus seinem Körper gewichen. Er sah den Spielmacher an, Speichel hatte sich um seine Mundwinkel gebildet: “Sie sind der Teufel!”, flüsterte er und blickte in die Augen des Croupiers. Ein Funke glomm darin auf. Der ruinierte Spieler wich zurück. Ein böses, kleines Lächeln spielte um Lucs Lippen, als er sich dem letzten verbleibenden Mann am Tisch zuwandte: “Faites vos jeux, s’il vous plaît!” · 25


MOI J’PRÉFÈRE LA MARCHE À PIED Moi j’préfère la marche à pied

Der Direktor wartete am Eingang. Er wollte seine beiden Gäste persönlich empfangen. Diese hatten darauf bestanden, dass sie vom Bahnhof zu Fuss ins Carlton kommen wollten, ihr Gepäck stand schon seit einer halben Stunde am Empfang. Endlich sah er ihre Gestalten die Via Johannes Badrutt heraufkommen, Henri Salvador und seinen Freund Boris Vian. Der Mann aus Französisch-Guyana lief leichten Schrittes, der Franzose schnaufend, immer wieder kleine Pausen einlegend. Er ging ihnen entgegen, grüsste sie herzlich und begleitete sie an die Rezeption. Staunend schauten sich die beiden Gäste um. “Merde!”, entfuhr es Vian bewundernd und Henri klopfte ihm grinsend auf die Schulter. “Sein Herz ist ziemlich ramponiert”, erklärte er dem Direktor. “Würden Sie uns heute Abend die Ehre geben, mit uns zu speisen? Meine Frau hat mich dringend darum gebeten”, fragte dieser.

26 ·


“Dann wollen wir Madame auch nicht enttäuschen”, antwortete Henri mit einem Lächeln. “Sie treten auch unter dem Pseudonym Henri Cording auf?”, fragte die Frau des Direktors, als sie schliesslich an diesem Abend zu dritt am Tisch sassen. “Oh ja, Boris und ich haben etwa vierhundert Songs komponiert. Er wird übrigens ein wenig später kommen, er fühlt sich nicht so gut.” Salvador tippte auf seine linke Brustseite. “Oh!” “Während Henri Salvador für seine swingenden Lieder bekannt ist, setzt Cording eher auf den aufkommenden Rock’n’Roll.” Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu. “Was werden wir denn morgen von Ihnen zu hören bekommen?”, fragte der Direktor. “Viel Salvador und ein wenig Cording.” Alle lachten erheitert. Henri wandte sich an den vorbeigehenden Kellner und sagte leise: “Bevor Sie die Suppe servieren, würden Sie bitte an Monsieur Vians Zimmer klopfen und ihn fragen, wann er kommt?” Der Mann nickte und

· 27



entfernte sich. Das Essen wurde serviert, das Gespräch floss vergnüglich. Doch immer, wenn er sich von seinen Gastgebern unbeobachtet fühlte, warf Henri einen besorgten Blick auf seine Uhr. Wo blieb Boris nur? “Das war ein schöner Abend”, sagte die Gattin des Direktors, als die Schnapsgläschen mit dem Digestif weggeräumt wurden: “Schade, dass Monsieur Vian unpässlich war.” Henri verabschiedete sich und eilte hinauf zum Zimmer seines Freundes. Er klopfte nervös. “Herein”, sagte eine fröhliche Stimme. Salvador betrat die edle Suite. Boris sass am Schreibtisch und blickte ihn begeistert an. “Du hast dir hoffentlich keine Sorgen gemacht? Ah, du hast. Schau, ich habe einen neuen Song für dich geschrieben. ‘Moi j’préfère la marche à pied’ und an einem weiteren für Cording arbeite ich noch: ‘Dis-moi que tu m’aimes Rock’. Die können wir gleich morgen im Laufe des Tages mit der Band proben.” Als sich der Vorhang am nächsten Abend hob, dauerte es nicht lange und im Saal des Carlton Hotel herrschte eine Stimmung, wie sie das Haus schon lange nicht mehr · 29


erlebt hatte. Es schien, als brenne die Begeisterung die letzten dunklen Schatten aus der Vergangenheit weg. Ganz hinten im Saal drückte der Direktor seine Gattin an sich. “Das war eine wundervolle Idee, diesen Künstler für unser Haus zu buchen. Danke!” Die Musik durchdrang das ganze Haus, füllte es mit Energie und Freude, selbst der Chefkoch musste seine Mitarbeiter zu Disziplin auffordern, weil sie, zum Sound wippend, einige Gerichte überschwappen liessen. Doch es packte auch ihn, er rief nach seinem Stellvertreter und schlich sich aus der Küche zum Saal, um dem Künstler und seiner Band zuzuhören. Ganz vorne sass Boris und hatte Tränen in den Augen. Henri hatte alles so umgesetzt, wie er es sich vorgestellt hatte. “Mon Dieu, ich liebe diesen Kerl”, dachte er voller Glück. Es war ein rauschender Abend, der nicht nur in die Geschichte des Hotels, sondern auch in die Herzen aller Gäste und Angestellten einging. Noch lange würde man darüber erzählen, aber was sich wirklich in all den beglückten Gästen abspielte, konnte man nicht in Worte fassen.

30 ·


Boris Vian starb ein Jahr später an der Premiere des Films, der nach seinem Roman ‘J’irai cracher sur vos tombes’ gedreht worden war, vor Aufregung an einem Herzversagen.

“ANDIAMO!” “Andiamo!”

Die Sonne bescherte St. Moritz ein Bilderbuchwetter. Überall im Dorf sassen glückliche Menschen und genossen die warmen Strahlen. Der Himmel präsentierte sich in leuchtendem Blau, es hatte genügend Schnee und sogar der Malojawind verzichtete auf einen Streifzug durchs Engadin. Ray Martino, ein sportlicher Mann kurz vor seinem vierzigsten Geburtstag, verliess in warmer Kleidung das Palace Hotel. Diese Saison hatte er die künstlerische Leitung des Hotels übernommen. Das war angenehm, denn im Gegensatz zu einer hektischen Tournee blieb ihm so die Möglichkeit, längere Zeit an einem Ort zu verweilen und das Leben zu geniessen. Er wandte sich nach rechts und ging an den gefrorenen, mit Schnee bedeckten See hinunter. · 31



Auf der grossen Fläche tummelten sich die Menschen und am Ufer wurde das Pferderennen auf dem Eis vorbereitet, ein Höhepunkt der Wintersaison. Ihn jedoch zog es Richtung Lej da Staz, dem kleinen See mitten im herrlich verschneiten Wald. Der Schnee knirschte unter seinen gefütterten Stiefeln, als er plötzlich ein aufgeregtes Rufen vernahm. Er drehte sich um und ein kleiner weisser Hund raste auf ihn zu, dahinter ein korpulenter Mann mit einem zweiten an der Leine. Martino stellte sich dem rennenden Hund entgegen, beugte sich nach unten und erwischte ihn im letzten Moment am Halsband. Beruhigend redete er ihm zu. Schnaufend und keuchend näherte sich der Mann. Schon bald erkannte Ray, mit wem er es zu tun hatte: Es war der berühmte Regisseur Alfred Hitchcock. Schwer atmend blieb er vor ihm stehen und rang nach Worten. “Danke!”, war das Erste, was er über seine Lippen brachte, immer noch stiess er heftige Atemwolken aus. “Irgendetwas hat Geoffrey erschreckt und er ist panisch geworden. Dann hört er auf niemanden mehr”, sein Atem hatte sich etwas beruhigt, ging aber immer noch stossweise. “Danke, Mister Martino!” · 33


“Sie kennen mich, Mr. Hitchcock?”, fragte Ray erstaunt. Hitchcock sah ihn mit hochgezogenen Brauen an und sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. “Wer kennt ihn nicht, den berühmten Ray Martino, den Mann, der mit Louis Armstrong ein Duett gesungen hat und mit Satchmos All-Star Band aufgetreten ist? Oder mit Jack Teagarden, Earl‚ Fatha‛Hines und Cosy Cole, um nur ein paar zu nennen.” Ray bekam warme Ohren, dies von einem Mann wie Alfred Hitchcock zu hören, war reine Wonne. “Wollen wir ein Stück zusammen gehen?”, fragte er den Regisseur und war selbst ein wenig erstaunt darüber, wie selbstsicher ihm das über die Lippen gekommen war. “Ja gerne, mit jemandem, den ich kenne und der mir meinen Geoffrey zurückgebracht hat, ist mir das ein Vergnügen. Meine beiden Sealyham Terrier brauchen Bewegung – und ich auch, sagt meine Frau Alma. Sie hat natürlich recht, wie immer.” Als sie später das Palace Hotel betraten, wusste Martino alles über das neueste Filmprojekt des Meisters und dieser wusste alles über den Anlass dieses Abends, den Ray nicht nur konzipiert, sondern auch von A – Z organisiert hatte. Das Thema Mexiko zog sich nicht nur durch den 34 ·


Show-Act, sondern auch durch das Essen und die aufwendigen Dekorationen. Als der Abend begann, füllten Gäste und externe Besucher die Hallen, fröhliche Musik erschallte von überall her, es wurde gefeiert und getanzt. Obwohl Ray schon lange im Showbusiness war, hatte er stets Lampenfieber vor seinen Auftritten. Und natürlich konnte er es nicht lassen, selber als Show-Act zu erscheinen. Martino hatte in den Katakomben des Hotels fleissig seine Stimmübungen gemacht, der Tuxedo sass perfekt, die Schuhe glänzten, die Fliege richtete er im letzten Augenblick. Für den Auftritt hatte er sich einen kleinen Gag ausgedacht und sich einen mexikanischen Sombrero aufgesetzt. Die Band, Los Aguilillas, hatte ihr Intro-Set fertig und setzte zur Musik an, zu der er die Bühne betreten würde. “Andiamo”, dachte er, schlug ein Kreuz, setzte sein bestes Lächeln auf und betrat die Bretter, die die Welt bedeuten. Ein donnernder Applaus empfing ihn, das Licht war grell, er blinzelte. Als er sich daran gewöhnt hatte, sah er ihn. Alfred Hitchcock sass am ersten Tisch. Er hatte genau den gleichen Sombrero an wie er, lächelte breit, hob ein Tequilaglas und prostete ihm zu. · 35


DIE VORSTELLUNG SEINES LEBENS The Performance of a Lifetime

Der stellvertretende Direktor stand händeringend vor dem Haupteingang. Immer wieder spähte er die Via Maistra hinunter und ging ums Haus zum Lieferanteneingang. Im Moment ging alles drunter und drüber. Nichts funktionierte, obwohl alles im Voraus genau geplant und organisiert worden war. Es war zum Aus-der-Haut-Fahren! Endlich sah er den hauseigenen Lieferwagen die Strasse hochrollen und vor der Türe anhalten. “Luigi, warum hat das alles so lange gedauert?”, fragte er aufgebracht. “Sind die Pakete wenigstens eingetroffen?” “Ja Chef, alles da. Und die Herrschaften habe ich ebenfalls gleich mit hochgefahren.” “Albert Brunner”, stellte sich der Mann vor, der soeben ausgestiegen war und zeigte auf die drei bärtigen Männer, die ihn begleiteten, “und die Hackbrättlers.” Das Unterhaltungsorchester war bereits am Vortag eingetroffen, nun war auch die Ländlergruppe für den ersten Stock da. Wenigstens das! 36 ·


· 41


“Chef, wohin mit den Kartons?” “Hinauf ins Dancing!” Luigi nickte und schulterte eines der Pakete, während der Direktor sich an die Musiker wandte: “Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen Ihre Unterkunft und den Ort, wo Sie heute auftreten werden.” Das ganze Haus summte wie ein Bienenstock. Überall wuselten die Angestellten durch die Räume, es wurde dekoriert, Tische wurden aufgedeckt, er hörte, wie eine Anzahl Gläser zu Bruch ging, seufzte und wünschte sich, dass die ganze Festivität schon vorbei wäre. Alles lastete auf seinen Schultern, seit der Direktor mit einer heftigen Grippe im Bett lag. Eigentlich war er nur noch damit beschäftigt, Fragen zu beantworten, dabei müsste er bereits Bestellungen fürs neue Jahr machen, einzelnen Kundenwünschen nachgehen und die Abrechnungen vom letzten Abend kontrollieren und an die Buchhaltung weiterleiten. Nachdem er die Ländlergruppe zu ihren Zimmern begleitet hatte, ging er in die Küche, auch hier war der Teufel los. Es schepperte und klapperte, der Chef schrie aufgeregt einen Commis an und eine Köchin verliess händeraufend und in Tränen die heisse Küche. Es war ein Tollhaus, aber irgendwie liebte er die38 ·


ses Tohuwabohu auch. An der Rezeption instruierte er die Anwesenden: “Alle externen Gäste zahlen Eintritt, die Herren 2.20 Franken, die Frauen 1.10 Franken”, er hob beschwichtigend die Hände, “kommt von ganz oben, also keine Fragen bitte.” Wieder etwas erledigt. Für einige Augenblicke zog er sich in sein Büro zurück und trank den mittlerweile kalten Espresso, den er vor ein paar Stunden vergessen hatte. Draussen wurde es immer kälter, man hatte am Abend Minustemperaturen von unter zehn Grad angekündigt, zum Glück würde es nicht schneien. Er machte es sich auf der kleinen Couch gemütlich und schloss die Augen, es würde eine lange Nacht werden. Ein aufgeregtes Klopfen an der Tür liess ihn aus seinem traumlosen Nickerchen aufschrecken. Er blickte auf die Uhr, es war beinahe Abend. Natalie, die Haushälterin, stand im Türrahmen und sah ihn mit entsetzter Miene an. “Unser Conférencier ist stockbetrunken die Treppe hinuntergestürzt und hat sich den rechten Arm gebrochen.” Er wollte etwas sagen, doch sie war schon wieder weg. “Hoffentlich wird das neue Jahr weniger hektisch”, dachte er. · 39


Am Abend, als die Gäste eingetroffen waren, erschien er im Tuxedo, schmückte sich mit einem Hütchen und ein paar Papierschlangen und streute sich ein wenig Konfetti auf die Schultern. Er würde improvisieren müssen. Er nahm ein Glas Champagner in die Hand und begrüsste alle mit einer schwungvollen Rede, scherzte, brachte alle zum Lachen und gab die Vorstellung seines Lebens. Man klopfte ihm anerkennend auf die Schulter, Frauen küssten ihn auf die Wange und als am Ende alle gegangen waren, sass er zufrieden an einem Tisch und gönnte sich eine kleine Zigarre. Unbemerkt hatte sich das ganze Personal eingefunden und spendete ihm einen grossen Applaus. Er stand auf, verbeugte sich artig. “Happy New Year euch allen. So, und bis morgen muss hier alles wieder blitzblank sein. Wir wollen unsere Gäste mit einem unvergesslichen Neujahrs-Kater-Frühstück begrüssen!”

40 ·


MAD MILLER Mad Miller

Die Augusttemperaturen waren perfekt, wäre es wärmer geworden, hätte man das erste grosse internationale Windhund-Rennen hier in St. Moritz absagen müssen. Graf Peppi von Radowitz, ein Adliger, der schon bessere Tage gesehen hatte, entfernte sich vom TotalisatorHäuschen. Das letzte Geld hatte er gesetzt, nun konnte er nur noch beten. Seit dem Kriegsende hatte er nichts unterlassen, um das Vermögen, das der Familie noch geblieben war, zu verprassen. Peppi, den alle nur als reichen Lebemann kannten, war ein Glücksspieler, Trinker und Frauenheld. Wobei Letzteres schon lange nicht mehr aktuell war. Es hatte sich herumgesprochen, dass der gute Peppi pleite war. So logierte er auch nicht mehr in einem der feudalen Hotels, sondern in einem günstigen Gasthaus. Aber er blieb St. Moritz treu, man kannte ihn und man mochte ihn. Für manche war er eine Lachnummer, für andere eine tragische Gestalt. Auch ihm war bewusst, dass man bestens über ihn Bescheid wusste, aber das liess er sich · 41



nicht anmerken und trat immer noch auf, als hätte er Geld wie Heu. Er ging am Zelt vorbei, in dem der teure Champagner ausgeschenkt wurde, und genehmigte sich dahinter einen Schluck Slibowitz aus dem beinahe leeren Flachmann. Lange hatte er mit sich gerungen, in welchem Rennen er wetten wollte. Zur Auswahl standen die Kategorien Greyhounds, Whippet und Barsoi. Die Greyhounds waren die Schnellsten, hier wurde wahrscheinlich am höchsten gesetzt, bei einer Siegwette war am Ende aber der Gewinn kleiner. Es konnte sogar zu einem Minuspool kommen, dann erhielt man weniger als den Einsatz. Trotzdem – er war nun mal ein Spieler! Ein verrückter Gedanke packte ihn, warum nicht einmal, statt auf strategische Überlegungen zu setzen, so wetten, wie man eigentlich gerne wollte? Auf einen Aussenseiter, wie er selber einer war? Wenn schon verlieren, dann im angesagtesten Rennen! Sein Verstand sagte ihm, dass dies Wahnsinn sei und er lieber sein letztes Geld zusammenhalten sollte. Aber da war dieser kleine Funke.

· 43


Peppi hatte sich für die Greys entschieden und alle Namen ausführlich studiert. Da liefen Ballylanigan Tanist, Schwarze Mire, Rushton Smutty, Atomic Line, Schnelle Wahl und Mad Miller. In einem anderen Rennen hatte Ballylanigan Tanist mit zweieinhalb Längen gewonnen. Je länger er auf die Liste starrte, umso weniger konnte er sich entscheiden. Er nahm eine Münze aus der Hosentasche. Kopf oder Zahl. Bei Kopf würde er auf den Favoriten setzen, bei Zahl auf das Schlusslicht des vorherigen Rennens. Er warf die Münze, fing sie und schloss für einen Moment die Augen. Langsam hob er seine Hand und schielte darauf: Zahl. Graf Peppi von Radowitz atmete tief durch und machte die Wette. Die Bahnlänge betrug wie üblich vierhundertachtzig Meter. Die Hunde warteten bereits aufgeregt in ihren Boxen, noch ein letztes Mal wurde die Vorrichtung des falschen Hasens getestet, die Hunde jagten auf Sicht. Start! Die Klappe öffnete sich und wie der Blitz stürmten die Hunde los. Schon nach kurzer Zeit führte der Favorit Ballylanigan Tanist. Peppi ballte die Fäuste zusammen. Mad Miller bildete das Schlusslicht. Verdammt! Nach

44 ·


zweihundert Metern löste sich etwas vom Hasen und die Hunde stürzten sich darauf. Nur Mad Miller blieb auf der Spur. Die Menge begann zu schreien. Die Hunde bemerkten Mad Miller und hetzten hinter ihm her. Sie alle schienen zu fliegen und rückten wieder gefährlich näher. Peppi konnte sich nicht mehr halten, er schrie, wie er es in seinem Leben noch nie gemacht hatte. Wie ein Ball hüpfte er auf und ab und fuchtelte mit seinen Armen, als müsste er einen Schwarm wütender Hornissen verscheuchen. Schaum bildete sich an seinen Mundwinkeln. Applaus brandete auf und Graf Peppi von Radowitz lachte wie von Sinnen. Er hörte die Durchsage und ihm war klar, dass er ab heute wieder im Suvretta House logieren würde.

· 45


BENZ’ NACHT DAVOR The Night Before

Sie hatten noch ein Glas zusammen getrunken. Josef “Sepp” Benz und Erich Schärer übernachteten diesmal in Samedan. Schärer hatte vor dem abendlichen Umtrunk Bedenken geäussert, aber der Anschieber Sepp brauchte ein Bier, um danach gut zu schlafen, wie er dem Steuermann erklärte. Dieser hatte sich damit abgefunden, begleitete ihn, trank selber aber nur ein alkoholfreies Getränk mit Milchsäure. Nun lag Benz im Bett und wälzte sich hin und her. Gerne wäre er einfach eingeschlafen, aber er hielt sich strikt an seine Methode, die er schon als Leichtathlet angewendet hatte: Vor jedem Wettkampf ging er alle Abläufe mehrmals und bis ins Detail im Kopf durch. Im ersten Moment wollte ihm das gerade überhaupt nicht gelingen. Er erinnerte sich, wie sich im Jahr davor bei einem Wettkampf beide Beine so verkrampft hatten, dass er beinahe nicht mehr gehen konnte. Er hatte sich in eine Ecke gesetzt und als ihn der Trainer ansprach, warum er so bleich am Boden sitze, hatte er als Ausrede geantwortet, 46 ·



dass er sich in der Konzentrationsphase befinde. Damals war er beim Viererbob an dritter Position gewesen. Er hatte sich vorgenommen, beim Start zwei, drei Schritte zu machen und sich dann in den Schlitten zu schwingen. Doch es kam anders. Das Adrenalin tat seine Wirkung und er zog den Startsprint voll durch. Von der Fahrt bekam er allerdings nichts mit, denn er war damit beschäftigt, den Krampf, der ihn mit voller Härte packte, in den Griff zu bekommen. Er schob diese Gedanken beiseite, sie würden ihm jetzt nicht helfen, im Gegenteil. Mental war er schon immer stark gewesen. Erneut begann er sich zu konzentrieren, was gar nicht so einfach war, denn das Bier entfaltete seine Wirkung. Er hatte einen kleinen Schwips und lag locker auf dem Bett, die Gedanken drehten sich im Kreis. Das konnte er jetzt nicht brauchen, auch wenn die Versuchung einzuschlafen gross war. Er stand auf, trank ein Glas Wasser und legte sich wieder hin. Wie er es früher bei den 110 m-Hürdenläufen oder beim Stabhochsprung immer getan hatte, musste er die Abläufe im Geist durchgehen. Armbewegung, Beinbewegung. Zuerst einzeln, dann zusammen. Winkel und 48 ·


Abstand der Füsse zum Schlitten. Wieder und immer wieder. Wie ein Mantra wiederholte er die Abläufe, bis sie automatisch abliefen. Er brauchte sich nicht mehr angestrengt zu konzentrieren. Schärer vorne, er hinten. Der Countdown: Drei – zwei – eins – go! Lange hatte er trainiert und sich vorbereitet, der Wettkampf morgen war erst der zweite in dieser Kombination. Es hatten hitzige Diskussionen stattgefunden, ob er der richtige Mann für Schärer und die Schweizermeisterschaft sei. Benz hatte sich nie in diese Diskussionen eingemischt. Er hatte einfach ruhig abgewartet, bereit, jeden Entscheid zu akzeptieren. Denn er wusste, jedes Sandkorn im Getriebe konnte alles zunichtemachen. Natürlich hatte es ihn gefreut, dass man sich dann doch für ihn entschieden hatte. Schon vor der Saison hatte ihn die Boulevardpresse als schnellsten Postboten der Welt gefeiert. Auch das liess er an sich vorbeiziehen. Er hatte schon immer sein eigenes Ding durchgezogen. Wenn er das konnte, sich auf sich selbst konzentrierte, dann war alles möglich. Angst vor dem morgigen Tag hatte er keine, Respekt schon. Auf dem Eis hatte er so gut wie keine Rennerfahrung, dazu kam, dass der morgige · 49


Wettbewerb auch als Qualifikation für die Olympischen Spiele zählte. Irgendwann hörte er das leise Schnarchen seines Teamkollegen. Er drehte sich auf die Seite und schlief ein. Erich Schärer und Sepp Benz gewannen am nächsten Tag die Goldmedaille im Zweierbob. An den Olympischen Spielen in Innsbruck belegten die beiden den dritten Platz und an der Europameisterschaft im gleichen Jahr holte Erich Schärer mit seinem Bruder Peter die Goldmedaille, Sepp Benz im Vierer als Bremser die bronzene.

50 ·


CHANDRAJITS RUN Chandrajit’s Run

Lange hatte er darauf gehofft. Chandrajit Singh, den hier alle Charlie nannten, war froh, dass die Zeit des Wartens ein Ende hatte. Er, der Urenkel des ehemaligen Maharadscha Sawai Madho Singh II. aus Jaipur, hatte dafür gekämpft, um an diesem Ort zugelassen zu werden. Jetzt stand er, ein Mitglied des exklusiven St. Moritzer Tobogganing Clubs, auf 1722 Meter über Meer im festgestampften Schnee, ausgerüstet mit Ellbogen- und Knieschonern, auf dem Kopf einen Helm und vorne an den Schuhen lange eiserne Spitzen, die Rakes. Vor ihm lagen der schwere Flat-Top-Schlitten und der Eiskanal, der ihn entweder nach unten oder ins Nirvana befördern würde. Er sah die amüsierten Blicke, die ihn streiften, aber er war entschlossen, es allen zu zeigen! Der Holzbalken vor ihm im Schnee wurde angehoben, die Glocke gab die Bahn frei und jemand tippte ihm auf die linke Schulter und schrie seinen Namen. Er schwang sich bäuchlings auf den Schlitten, die Eisenkrallen an den Schuhspitzen kratzten laut übers Eis. · 51



Chandrajit Singh sauste in die Tiefe. Das Eis gab ein sirrendes Geräusch von sich und wenn der Stahl an die Banden schlug, schüttelte es ihn bis ins Innerste durch. Wusch! Eine Linkskurve trieb ihn die Wand hinauf, der Gegenschwung zwang ihn wieder in den Kanal. Da, der Besen! Das Signal für den gefürchteten Shuttlecock. Wer hier hinausflog, und das waren viele, wurde Mitglied im Shuttlecock Club. Er stiess seinen Atem aus, bis jetzt hatte er ihn angehalten. Es sauste und rüttelte, Chandrajit befürchtete, seine Zahnplomben zu verlieren. Nun begann der Schlitten zu schlingern, mit aller Kraft rammte er die Rakes ins Eis, dennoch schien es, als beschleunige sein Gerät. Sein Herz hämmerte wild. Elegant sauste er unter der Roadbridge und der Railwaybridge hindurch. Der Eiskanal fühlte sich nun anders an, das Sirren hatte sich deutlich verändert, dann prallte er gegen die Eisbande und der Gegenschwung knallte ihn auf die andere Seite. Nur mit Mühe gelang es ihm, wieder die Mitte der Spur zu finden. Der Schlitten bockte wie ein wildgewordenes Pony. Gewichtsverlagerung und schwungvoll in die lange Rechtskurve. Sie war überdacht, so dass er sich in einem · 53


Tunnel wähnte, dann wurde es hell und schon prallte er in ein paar Schaumstoffkissen und kam abrupt zu stehen. Mit Tränen in den Augen dankte er den Göttern, vor allem Brahma, Vishnu, Ganesha und Shiva. Er würde sie mit langen Gebeten ehren. Das Adrenalin pumpte durch seinen Körper und liess ihn beben. Keuchend stand er auf, die Augen weit aufgerissen. Jemand klopfte ihm aufgeregt auf die Schulter, von Weitem drangen Worte an sein Ohr: “Charlie, jetzt musst du aber endlich runter, die anderen warten schon! Oder sonst gib den Start frei!” Chandrajit Singh, dessen Mutter ihn immer ein sanftes Lämmchen nannte, realisierte, dass er immer noch am Junction Start stand. Er schwang sich bäuchlings auf den Schlitten, die Eisenkrallen an den Schuhspitzen kratzten laut übers Eis. Der Schlitten sauste in die Tiefe. Das Eis gab ein sirrendes Geräusch von sich und wenn der Stahl an die Banden schlug, schüttelte es ihn bis ins Innerste durch. Wusch! Eine Linkskurve trieb ihn die Wand hinauf, der Gegenschwung zwang ihn wieder in den Kanal. Da, der Besen, dann der Shuttlecock. Chandrajit Singh wurde leicht wie eine Feder, hob sich in die 54 ·


Lüfte, liess den Schlitten los, überschlug sich ein paarmal heftig und landete in einem Haufen Strohballen. Aus dem Lautsprecher ertönte: “Chandrajit Singh in the straw!” Jemand hieb ihm auf die schmerzende Schulter: “Willkommen im Shuttlecock Club, Charlie!”

· 55


ERINNERUNGEN Memories

Der Chauffeur hielt die Tür auf. Auf ihren Stock gestützt quälte sich Sophie de Croix aus dem Bentley. “Madame, soll ich helfen?” “Es geht schon”, sagte sie mit brüchiger Stimme. “Holen Sie mich in einer halben Stunde wieder ab.” “Sind Sie sicher, Madame?” Mit einer harschen Bewegung und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wandte sie sich ab. Langsam machte sie die wenigen Schritte bis zur Bank und setzte sich vorsichtig. Alles hatte sich verändert hier, auch das Gebäude war nicht mehr dasselbe wie in ihrer Erinnerung. Rückblickend hatte sie hier den wohl schönsten Monat ihres Lebens verbracht. Damals war sie noch jung und wild gewesen. Die Tochter einer reichen Industriellenfamilie, die vier Wochen in St. Moritz weilte. Jeden Abend hatte sie mit René verbracht. Ach, René! ... und plötzlich fühlte sie sich zurückversetzt. “Willst du nicht mal verschnaufen?”, fragte René. 56 ·



Sophie lachte. “Nein mein Lieber, ich will deinen Körper an meinem fühlen. Halt mich einfach fest. Bis in alle Ewigkeit.” Seine starken Arme umfassten ihren zierlichen Körper und gemeinsam bewegten sie sich im Rhythmus der Musik. Sie vergassen Zeit und Raum, es schien, als schwebten sie in einem eigenen Universum. “Lass uns etwas trinken”, schlug er vor und fasste sie am Ellbogen. Willig liess sie sich an die Bar führen. Erst jetzt merkte sie, wie durstig sie war. Der Barkeeper stellte zwei Cocktails auf den Tresen. “Nicht so schnell, meine Liebe, das Zeug hat es in sich”, warnte René, “und der Abend ist noch lang.” Er küsste sie auf die weichen Lippen und sie erwiderte die Berührung voller Glückseligkeit. “Schöpfen deine Eltern keinen Verdacht, wenn du Abend für Abend ausgehst und erst nach Mitternacht zurückkehrst?” Sophie schüttelte den Kopf. “Das Arrangement mit meinem Bruder Bodo ist perfekt. Sie glauben, dass wir beide den Abend zusammen verbringen und er auf mich aufpasst. Sie ahnen nicht, dass Bodo seinen eigenen Leidenschaften nachgeht. Ausserdem vergnügen auch sie sich an 58 ·


‘wichtigen’ Anlässen, bei denen der Alkohol in Strömen fliesst. Das macht sie ziemlich entspannt und am Morgen beim gemeinsamen Frühstück ist der Vortag meist vergessen. Auf der Piste verlieren wir uns sowieso aus den Augen. Alles läuft gut.” “Du weisst schon, dass ich in dich verliebt bin”, flüsterte er ihr zu. Sophie warf ihren Kopf in den Nacken: “Küss mich, René, so wie du mich noch nie geküsst hast!” Nach einem langen, atemlosen Kuss blickte sie verträumt in sein schönes, markantes Gesicht. Ein Schatten hatte seine Miene verdüstert, seine braunen Augen wirkten auf einmal traurig. “Was ist, mein Liebster?”, fragte sie besorgt. Er schwieg. Sie wiederholte die Frage. “Was machen wir, wenn die Zeit um ist? Wenn ihr wieder in eure Welt zurückkehrt, in der ich keinen Platz habe?” Sie kämpfte gegen die Tränen an, die ihr bei diesem Gedanken unter den Augenlidern brannten. Mit einer entschlossenen Bewegung stürzte sie den Rest des Cocktails hinunter, fasste ihn am Arm und floh mit ihm wieder auf die Tanzfläche, wo die Zukunft zwischen den Rhythmen und Melodien keinen Platz hatte. · 59


“Tanz mit mir, mein Geliebter, tanz mit mir, als gäbe es kein Morgen. In unseren Herzen vergraben wir unsere Liebe wie Piraten einen Schatz. Auch wenn wir sie nicht greifen können, wissen wir immer, wo sie ist!” Einen Moment lang starrte die alte Dame ins Leere, dann hörte sie das leise Brummen des Bentleys. Die Tür ging auf und der Chauffeur stieg aus, trat zu ihr hin und half ihr beim Aufstehen. “Man sollte nicht alt werden, es ist einfach nicht gerecht!”, sagte sie leise. “Madame?” “Nichts, nichts. Fahren wir zum Hotel zurück, morgen reisen wir ab, es ist Zeit, in mein altes Leben zurückzukehren. Hier ist nichts. Nichts ausser meinen Erinnerungen.” Verstohlen wischte sie sich eine einsame Träne von den Wangen.

60 ·


MINA HARKERS NACHT

Mina Harker’s Night Der dumpfe Rhythmus eines Schlagzeuges und der wimmernde Sound einer elektronischen Orgel waren schon von Weitem zu hören. Rote Laternen wiesen den Weg den Hügel hinauf. Der Taxifahrer hatte sie unten an der Strasse abgesetzt. Es hatte Mina ziemlich Mühe bereitet, mit ihren High Heels den Hügel hinauf zu gehen. Der Boden war mit einer dünnen Eisschicht überzogen. Sie rückte ihre Augenmaske mit den funkelnden Edelsteinen zurecht. Unter ihrem langen Pelzmantel trug sie so gut wie gar nichts. Das würde ihr den Einlass gewähren, hatte man ihr versichert. Sie spürte den Drang, ihre Lippen zusammenzupressen, erinnerte sich aber noch rechtzeitig, dass dies ihr aufwendiges Make-up zerstören konnte. Stattdessen machte sie einen Kussmund wie die berühmte Monroe, erschauerte kurz und drängte sich an unheimlich gekleideten Menschen vorbei zum Eingang. · 61



“Passwort?”, fragte der Türsteher, sein Gesicht weiss geschminkt, die Augen rot. Mina öffnete ihren Mantel. Ein langer Blick, ein Nicken, die Tür öffnete sich. Drinnen war alles in rotes Licht getaucht, ihr wurde der Mantel abgenommen und die Wärme umfing sie wie eine sanfte Umarmung. Die Luft war geschwängert von exotischen Düften und eine pulsierende Musik umgarnte sie wie ein seidenes Netz. Eine Frau wie eine ägyptische Göttin, hochgewachsen, mit ausladenden Brüsten und schlanken Lenden, näherte sich ihr mit einem gewinnenden Lächeln und reichte ihr ein Glas. Der erste Schluck fühlte sich an wie Blut auf der Zunge. Ihre schwarzumrandeten Augen schlugen Mina in ihren Bann: “Trink.” Kaum war das Glas leer, hatte sie ein neues in den Händen. Ein berauschendes Gefühl. Die Frau legte ihr den Arm auf die Schulter und zog Mina weiter hinein. Überall bewegten sich Paare hypnotisch zum Takt der Melodien, die durch den Raum schwebten. “Trink.” Sie öffnete ihre Lippen und das dickflüssige Getränk strömte aufregend durch ihre Kehle. Sie liess sich führen, eine Trance hatte sie erfasst. Hände berührten sie, am Hals

· 63


spürte sie den Atem der Göttin. “Komm, bald treffen wir den Gastgeber.” Kurz darauf verstummte die Musik, die Anwesenden warteten gespannt. Für einen kurzen Augenblick erlosch das Licht, dann stand er mitten unter ihnen. Seine leicht ergrauten Haare waren ein wenig länger, als gerade Mode war. Seinen hochgewachsenen Körper umhüllte ein langes, rot gefüttertes Cape, sein aristokratisches Antlitz loderte vor Freude, seine weissen Zähne strahlten. “Willkommen, meine Kinder der Nacht.” Er hob beide Arme samt Cape und es schien, als besitze er blutrote Flügel: “Ich, Dracula, führe euch heute Abend in die geheimen und erotischen Mysterien ein, die ihr doch schon so lange begehrt. Zur gegebenen Stunde küren wir meine Königin der Nacht. Amüsiert euch!” Damit drehte er sich um und verschwand. Augenblicklich kehrte die hypnotische Musik zurück und die anwesende Gästeschar nahm wieder auf, womit sie erst vor Kurzem aufgehört hatte. Es war ein Rausch, der Mina gepackt hatte, sie liess sich treiben, gab sich jedem hin, erwiderte jeden Kuss, schmiegte sich an jeden Körper, der danach verlangte. Ihr war, als hätte sie ein pulsie-

64 ·


render Organismus einverleibt, als schwebe sie in einem Universum aus purer Leidenschaft und Lust. Als sie Stunden später in den Armen des Mannes lag, der sich Dracula nannte, vermisste sie noch die absolute Ekstase. Ermattet lag er auf den verschwitzten Seidenlaken. Sie entledigte sich ihrer Augenmaske und sah ihn an. Er war ein stattlicher und schöner Mann. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, sie würde ihm ein Geschenk geben, eines, das nur Auserwählte erhielten. Schliesslich hatte er sie zu seiner Königin der Nacht erkoren. Nun würde sie sich revanchieren. Sie zog seinen animalischen Duft ein, den er noch im Schlaf verströmte. Er regte sich nicht, als sie sich an ihn schmiegte und ihm ihre nadelspitzen Zähne in den Hals bohrte.

· 65


LETZTER APPLAUS FÜR GRETA Last Applause for Greta

Zu viert standen wir um den Stapel alter Plakate, staunend, welch Schatz da geborgen worden war. Die provisorische Auswahl hatten wir getroffen, ich machte die Fotos für die Kurzgeschichten, die ich schreiben würde. Nun bin ich bei meiner letzten angelangt. Es war eine seltsame Zeit, die Worte flossen mir leicht von der Tastatur, nur mit der abschliessenden Geschichte tat ich mich schwer. Also durchforstete ich nochmals alle Bilder und blieb beim Plakat für Greta Keller hängen. Rot und blau, ein singender Vogel auf einem Ast, dahinter die Sonne. Von der Frau hatte ich noch nie etwas gehört. Also begab ich mich auf Spurensuche. Erstaunlich, ein Blick in die virtuelle Welt und schon wurde ich fündig. Wie oft ist man doch nur einen “Klick” von etwas entfernt, aber erst wenn man sucht, offenbart sich das Unerwartete, wie hier. Die Diseuse war einst weltberühmt: 1903 in Wien geboren war Greta Keller 66 ·



ein Rundfunk- und Schallplattenstar. Lange lebte sie in Amerika, ihr zweiter Ehemann wurde ermordet, der Fall nie aufgeklärt. In dieser Zeit verlor sie auch ihr Kind. Trotzdem führte sie ihre Karriere bis kurz vor ihrem Tod weiter. Ein paar Klicks weiter fand ich schwarzweisse Filmaufnahmen und plötzlich materialisierte sich aus dem längst vergessenen Namen ein Mensch aus Fleisch und Blut. Sie war schon eine ältere Dame, als dieses Chanson aufgezeichnet wurde, aber was für eine Stimme, schön, dunkel und rauchig. Was mich aber am meisten berührte, war der Text. Wahrscheinlich bin ich in der Zeit, die hier alles auf den Kopf stellte, ein wenig dünnhäutig geworden, ich bekam sogar eine Gänsehaut. Wobei anzufügen wäre, dass ich nahe am Wasser gebaut bin und eine romantische Ader habe. Jetzt fand ich das Plakat, das die Diseuse im Hotel Caspar Badrutt ankündigte, mehr als treffend. Es beinhaltet eine gewisse Schwermut, genau wie das Lied, das sie aus dem Bildschirm nur für mich zu singen schien:

68 ·


Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt Ich kenne das Leben von unten bis oben. Ich habe gelacht; und ich hab’ mich gesehnt. Was hilft schon das Klagen, Was hilft schon das Toben, Das hab’ ich mir langsam abgewöhnt. Ich kenne das Leben von unten bis oben; Ich habe die Menschen kennen gelernt. Mich lockte die Welt und der Reiz des Bunten – Jetzt halt’ ich mich von Gefühlen entfernt! Nur manchmal ... Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt, Bin ich mit meiner Sehnsucht allein. Wenn die Kühle in meine Einsamkeit dringt, Kommen ins Zimmer Schatten herein. Sie starren mich an und bleiben ganz stumm. Da warte ich dann, und weiss nicht warum, Auf ein Wunder, Das mir Licht ins Dunkel bringt! Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt, Bin ich mit meiner Sehnsucht allein.

· 69


Und plötzlich fühlte ich mich in die Vergangenheit versetzt, ihre Stimme und meine Fantasie verschworen sich und transportierten mich an den Liederabend, an den das Plakat erinnert. Ich sah sie vor mir: Der Saal rauchgeschwängert, das Publikum hing an ihren Lippen. Greta lehnte sich locker ans Klavier, Melancholie spiegelte sich in ihrem Gesicht. Und sie sang: “Eine blaue Stunde an einem grauen Tag, ja das ist die Stunde, der ich willkommen sag’, denn in einer kleinen blauen Stunde, die so selten ist, da ist man so glücklich, weil man da in fernen Welten ist …”

70 ·


12 & 1 ST. MORITZ STORIES FROM THE PAST The iconic St. Moritz posters from the early 20th century, designed by well-known graphic artists, are symbols of a confident health resort and are internationally known and in demand. Their development came out of the work of Walter Herdeg, who designed the St. Moritz sun and typeface in the 1930s. Along with him then came the ranks of the most famous Swiss graphic and poster artists such as Diggelmann, Laubi, Giacometti and Carigiet. The best of these works are included in the collection of the St. Moritz Documentation Library. The posters shown here in this little book are not well known. They came to light unexpectedly, when one day Hugo Wetzel from the printing company of the same name called us and said: “I still have old posters from our print shop in my basement – do you want them?” We were able to take thirty rolls of posters from 1950 · 71


to 1985, and what we got were around 2,000 samples that the Wetzel printing company had collected over the years in bundles, stapled together and sorted by year. A one-of-a-kind assortment! For an archivist, the condition was hair-raising: full of cracks and water stains. With great effort, the posters were restored and returned to their original condition as much as it was possible. These posters do not represent great artistic refinement. But they are typographic documentation, show elementary graphic craftsmanship, bold colour schemes and a lively view of what was happening in the wellness destination of St. Moritz. Posters are originally created as impermanent media; therefore, they often refer to a current event or offer information or instructions. After the event, they disappear again, torn up and thrown away. With this collection of newly found posters, a lost history of events is revisited in retrospect.

72 ¡


This find was especially exciting for the person responsible for St. Moritz’s communications as he was already looking for unknown posters for the 2021 St. Moritz calendar. However, it would have been a shame to publish these posters without accompanying stories. That’s why author Helmi Sigg joined the team and the 2021 calendar became this little book – a little book full of memories of a St. Moritz that might have once looked just like these posters. We wanted to tell twelve stories, one for each calendar month, because that is at least similar to the originally planned calendar. But St. Moritz has always been different, and if there is one place where the year could have 13 months, it’s St. Moritz ... Have fun reading and dreaming! Dora Filli St. Moritz Documentation Library

· 73


An August Fairy Tale

Louisa Perret sank into a chair, exhausted. The masked ball on the 16th of August was fast approaching and for days, she had been busy bringing in costumes or selecting them from the Kulm Hotel’s own inventory. She would never have believed that so many people would want to attend the event! One after another, guests from the hotel itself as well as from other hotels came to choose a suitable costume. And then of course they expected it to be fitted right away! Three seamstresses were at her disposal and like her, they worked round the clock. Louisa took a deep breath. Surely 74 ·

she could allow herself a fiveminute break! But just then, the door opened again. The man who came in was very handsome. Louisa jumped up and blushed when he gallantly shook her hand and introduced himself. He wanted something playful, something daring, he said, and his eyes sparkled. Louisa led him through the long rows of costumes. He reached for a piece of clothing from among the selection, took it down and held it out in front of him: “What do you think?” “Me? Erm…” She felt her cheeks redden again. Oh gosh, she had to answer and cover up her embarrassment. “No, that’s not you, it’s not enough…” She broke off, stammering. He flashed her a charming smile: “Not enough… what?” “Well, not enough… you know.” Heavens, she was acting like a silly goose! “Not...? Not aristocratic enough?” he helped her out. “Yes, exactly, for a man like you…” she floundered once again. She would have loved to leave the room and hide away in shame. The seamstresses were giggling softly.


“What would you suggest instead?” he asked with curiosity. Louisa had the feeling that he was flirting with her. Her, of all people! She liked it, of course, but on the other hand it embarrassed her a great deal. And her intuition told her he had noticed. She turned away and squeezed through the coat racks. Here was a rococo costume with wonderful frills. She showed it to him and he nodded, impressed. “So, this is how you see me in a costume. Thank you! I’ll try it on right away. It may need adjusting.” He looked fantastic in it. Louisa swallowed hard and took a deep breath. The small changes would be done by the afternoon. “Now, I have one more request. Please pick out a matching costume for my female companion,” he measured her with his eyes, “she should be about your size. I’ll come back this afternoon at three o’clock. Au revoir, ladies.” A small sting went through Louisa’s heart when she heard the final sentences, but it brought her back to reality. She pulled herself together, forced a smile onto her lips and went back to work. At three o’clock sharp, the man

stood among all the clothes and looked at her, a question in his eyes. “Have you chosen a suitable dress for my date?” She led him to the back where the dress was hanging. A cry of astonishment came over his lips. “It is a replica of a dress worn by Marie Antoinette,” she explained. It was a work of art in red and gold. Fascinated, he stared at it. “And where is the lady who will be wearing it tonight?” she wondered, worrying about the fit. He was silent for a moment. His eyes lit up at her, a smile flashed across his lips: “She stands before me.” “What…?” Louisa thought she must have misheard. “She stands before me,” he repeated happily. “That’s not possible,” she stammered, feeling dizzy. “Oh, but it is – if you want. My uncle is the director and I’ve already made all the arrangements.” When they danced the opening waltz at the ball that night and their lips touched for the first time, Louisa still didn’t know if she was dreaming it all. · 75


The Best Songs Always Come Last

For a moment there was silence. Then applause broke out through the hall of the Kulm Hotel. Assia de Buzny had finished her last song before the intermission. The star stood in front of a dark red curtain in a white velvet dress covered in sparkling diamonds. She spread both her arms and bowed before the audience clapping and cheering enthusiastically. As usual, she enjoyed the ovations: she could not perceive any difference from the French audience at the Casanova de Paris. Pure elation. Nevertheless, she would have liked to go backstage now, but the 76 ·

applause kept her in the spotlight. It was Sunday evening, her last performance in St. Moritz. She had arrived three days ago and had enjoyed this special place, just as she had been promised. Finally, the lights in the hall were switched on and she could slip through the curtains. She received quiet applause backstage, too, as she squeezed through with her long dress. She smiled at everyone and retired to her dressing room. “What a beautiful performance, Mademoiselle,” said a male voice from a dark corner. “Mordko!” she exclaimed. “You came after all.” “For you, sister, I would travel to the ends of the earth.” “Well, it’s not like you had to travel that far,” Assia replied somewhat mockingly, but he could see how happy she was. She sat down in front of her mirror, took a thin paper handkerchief and carefully dabbed the small beads of sweat off her face. “You swept the audience off their feet, as usual.” “Just you wait, the best songs always come last.” She reached for the black pencil, drew the line under her eyes and gazed searchingly into the mirror.


“Something’s brewing,” he said all of a sudden, looking at her earnestly. She turned in her chair and looked at him more closely. Mordko seemed tired and worn out. “What’s wrong?” “Blum will replace Sarraut. Hitler has occupied the Rhineland. Fascism and anti-Semitism are more and more noticeable, even in Paris. Dark clouds are gathering,” he said, staring into space. “What about mother and father?” she asked anxiously. “They’ll leave for Argentina soon and will probably stay there.” A cold feeling spread through her stomach. There was a knock at her door: “Five minutes to go until the end of the intermission.” “Where will you be going from here?” she asked. “I’m going to Davos tomorrow to meet David Frankfurter.” “And what are you going to do there?” Her voice was uneasy. Her brother looked into her eyes for a moment, then looked away: “A little skiing, what else?” “One more minute,” announced a muffled voice through the door. Assia de Buzny stood up, checked her dress, looked in the mirror and left the dressing room. The bright spotlight blinded her for a brief mo-

ment. She put on her most beautiful smile as the music began to play. Then her voice rose and for another hour, she carried her audience off into another, more peaceful world. Two days later, on the 4th of February 1936, student David Frankfurter assassinated the leader of the Swiss branch of the NSDAP in Davos. He Who Pays, Commands

The lifeless body landed in the storage room under the stairs with a dull plop. Maria von Schönfeld, whom everybody just called Mitzi, · 77


looked around. No one was there, so no one had noticed anything. She briefly wiped the long needle that she had stuck through the victim’s mask, through their eye and into their brain, and then pushed it back into her dark hair, which sat piled high upon her head. Perfect. She adjusted her own mask, checked her colourful Chinese costume, and couldn’t find anything that would give her away. She turned and walked back towards the big hall where everyone was celebrating “Une Nuit de Chine”. She had chosen the costumes for her beloved Werner von Moeller and her hated uncle Gustav von Schönfeld herself. Although she had nothing but contempt for her uncle, she still had to dance to his tune. When her beloved father died, his brother Gustav succeeded in seizing the entire fortune and becoming Mitzi’s guardian – all through fraud. Mother had succumbed to an insidious illness a few years before her husband, and the whole inheritance should have gone to Mitzi. Should have! But her uncle’s connections reached up to the highest of circles. Even there, they were not averse 78 ·

to large sums of money, so the lands in Rhineland-Palatinate and the confectionery factory fell into the hands of Gustav. Worse, when she noticed his lascivious looks, with which he eyed her in secret, she could not help but feel a slight horror. The relationship she entered into with Werner von Moeller after coming of age did not change anything. Her uncle always hovered over her like a big, black phantom and she was powerlessly at his mercy. “He who pays, commands,” was his motto. She had been waiting for a long time to finally rid herself of him and his possessive touches. His suggestion that they all go to the “Chinese Ball” at the Suvretta House together enabled her to come up with a desperate plan. Dressed in costumes and masks, they entered the hotel that evening and mingled with the guests. For a short time, she lost sight of her uncle when invited to dance by an impressive mandarin. For half an hour she let herself drift until she caught a glimpse of her guardian dancing in the crowd again. She danced up to him and lightly tapped him on the shoulder. Change of partners.


His grip was demanding from the beginning. He pulled her close to him, to the point of impropriety. She could feel his loins and his hand on her back, pressing her against him. They were still turning in circles, but his hands demanded more and more. That was what she had been waiting for. “Not here,” she whispered. She took his gloved hand and pulled him through the celebrating crowd. He let her lead him past the empty bridge corner to the stairs where the storage room lay hidden. Finally, she stopped. His hands wandered all over her body. “One more minute,” she breathed. Reaching up unnoticed, she pulled the long steel needle out of her hair and thrust it into the eye of the Chinese “Gongzhu”. The costumed body collapsed lifelessly. She hid it as best as she could. She hurried back into the hall, her hands trembling, but feeling triumphant. The music had paused, and everyone was going to their reserved tables. Werner, disguised as a Chinese opium dealer, waited at the table with his mask on. He stood up and held a chair out for her. As

they both sat down, he removed his mask. Mitzi froze. Uncle Gustav sat before her. “But, but...” was all she could say. “Well, you’re amazed, aren’t you? The costume was too uncomfortable for Werner, so we swapped. He said you would certainly be surprised.” He looked around. “Where is he, anyway?” Faites vos jeux

In the casino’s hall, the saxophonist had finished his solo and the audience was clapping frenetically. Georges Maycock once again joined in the chorus of the blues: “I’m the · 79


loneliest man, I’m the loneliest man in town.” The man who called himself Luc Demain d’Etoile stepped up to a table where several players were sitting and watching him impatiently. They could hardly wait to lose their money just for a brief thrill, the “kick”. He had been a croupier here at the casino for many years and one thing he knew for sure: the house always won in the end. Of course, there were winners every now and then, but most of them kept on playing until they lost everything and left the establishment with mixed feelings. Everything smelled of great tragedy here, scented with a touch of hope. It wouldn’t be any different that evening. He would seduce the people at this table, tempt them, nourish their false hopes, only to drown them in tears. That was his work, his mission. On the surface, most of the players remained calm and composed, but he could feel when they collapsed inwardly, their desperation growing and a shadow eventually spreading over their hearts. He examined his opponents, skilfully took the ball in his hand, gave it a swing and let it roll. They sat down eagerly, their eyes shining, their 80 ·

hands trembling. “Rien ne va plus,” he spoke softly but firmly. Everyone was gripped by tension. The ball rolled, then slowed down, slipping further and further towards the centre, bumping over the numbers and finally coming to rest. Eyes became clouded, breaths were let out. “Trois rouge.” He nodded to his colleague, who collected the tokens and placed them back into the designated trays. He then paid out the only winnings of that round. “Faites vos jeux, s’il vous plaît!” The eyes of the players started to shine once again, and Luc felt their excitement. Their disappointment would be all the greater. He looked at the chips they had in front of them: he knew that a few would soon depart and that three would stay here longer. He saw a greed and longing in their faces that they would never be able to satisfy, not here. On the contrary, at the end of the evening they would leave the casino as empty shells, get drunk or even consider ending their lives, only to sit at this table again the next day, like puppets, hoping their luck would change.


The melancholy music wafted through the air. As he had foreseen, soon there were only three players sitting before him. “Faites vos jeux, s’il vous plaît!” Their eyes grew dimmer and darker, and it seemed as if they were moving in slow motion. He watched their inner struggles. He steered them cheerfully, ordered their drinks, offered a smile or raised his gaze regretfully. Like people drowning, they clung to hope, his facial expressions, his movements. Whenever a small gain cheered them up, they were convinced once more that they would finally grasp the treasure they had been digging for. Soon, he had them ready. He relished his power over these people. He feasted on their misfortune. The woman was the first to give up. She rose with a loud sob, knocked over the stool behind her and left the place shaking. The other two watched her leave, their eyes hazy. “Faites vos jeux, s’il vous plaît!” The ball rolled. “Rien ne va plus.” The younger man clung to the table and looked at the roulette wheel, stunned. “Zero!” The other player stood up. He’d lost

everything. All strength seemed to have left his body. He looked at the croupier, saliva bubbling round the corners of his mouth: “You are the devil!” he whispered, staring into Luc’s face. For a fraction of a second, a red glow seemed to light up the croupier’s eyes. The ruined player flinched, and quickly retreated. A wicked little smile slid across Luc’s lips as he turned to the last remaining man at the table: “Faites vos jeux, s’il vous plaît!” Moi j’préfère la marche à pied The director was waiting at the entrance so that he could personally welcome his two guests. They had insisted on walking from the station to the Carlton; their luggage had been waiting at reception for half an hour. At last, he saw two figures coming up Johannes Badrutt Street: Henri Salvador and his friend Boris Vian. The man from French Guyana stepped lightly, whereas the Frenchman was panting, constantly taking short breaks. The director walked towards them, greeted them warmly and accompanied them to reception. The two guests looked around in amazement. “Merde!” Vian exclaimed · 81


admiringly, and Henri patted him on the shoulder with a grin. “His heart is quite battered,” he explained. The director nodded understandingly. “Would you do us the honour of dining with us tonight?” he asked. “My wife insists.” “We would not want to disappoint Madame,” Henri replied with a smile.

“You also perform under the pseudonym Henri Cording, don’t you?” asked the director’s wife that evening, when the three of them finally sat at a table. “Oh, yes, Boris and I have composed 82 ·

about four hundred songs. By the way, he’s going to be a little late, he’s not feeling too well,” Salvador added, tapping meaningfully on the left side of his chest. “Oh!” “While Henri Salvador is known for his swing songs, Cording is more about emerging rock’n’roll,” he winked conspiratorially. “What will we hear from you tomorrow?” asked the director. “A lot of Salvador and a little Cording.” They all laughed. Henri turned to the passing waiter and whispered, “Before you serve the soup, would you please knock on Monsieur Vian’s room and ask him when he’ll be joining us?” The man nodded and moved away. Dinner was served, the conversation flowed. But whenever he felt that his hosts weren’t watching him, Henri glanced anxiously at his watch. What might be keeping Boris? “It was a lovely evening,” said the director’s wife, as the brandy glasses with the digestif were put away. “It’s a pity Monsieur Vian was indisposed.” Henri said goodbye and hurried up to Boris’ room. He knocked, feeling


rather anxious about his friend’s state by now. “Come in,” said a cheerful voice. Salvador entered the sumptuous suite. Boris sat at his desk and looked at him enthusiastically. “You weren’t worried, I hope. Ah, you were. Look, I wrote a new song for you. Moi j’préfère la marche à pied, and I’m working on another one for Cording: Dis-moi que tu m’aimes Rock. We can rehearse them with the band at some point tomorrow.” When the curtain was raised the next evening, it didn’t take long for the Carlton’s hall to be swept by a mood that the hotel hadn’t experienced in a long time. It seemed as if the excitement was chasing away the last dark shadows of the past. At the very back of the hall, the director held his wife in a close embrace. “What a wonderful idea to book this artist for our hotel! Thank you.” The music permeated the whole building, filling it with energy and joy. Even in the kitchen, the chef had to call for discipline among his staff because, as they were bobbing to the music, some dishes spilled over. But the music grabbed hold of

him, too, so he called for the souschef to take over and tiptoed from the kitchen to the hall to listen to the artist and his band. Boris sat in the front and had tears in his eyes. Henri had done everything just as he had imagined it. “Mon Dieu, I love this guy,” he thought happily. It was a glorious evening that became part of not only the history of the hotel, but also the hearts of all its guests and employees. People would talk about it for a long time, and yet there could be no words to describe what all the happy guests had truly experienced. A year later, Boris Vian died of heart failure. He was at the premiere of the film based on his novel, J’irai cracher sur vos tombes, when the excitement proved too much for his battered heart. “Andiamo!” The sun gifted St. Moritz with picture-book weather. Happy people sat everywhere in the village and enjoyed the warm rays. The sky was bright blue, there was enough snow and even the Maloja wind refrained from rambling through the Engadin. · 83


Ray Martino, an athletic man just shy of his fortieth birthday, left the Palace Hotel in warm clothes. This season he had taken over the artistic direction of the hotel. It was nice because in contrast to a hectic tour, it gave him the opportunity to stay in one place for a while and enjoy life. He turned right and went down to the frozen lake covered in snow. The large area was crowded with people. On the shore, preparations were being made for the horse race on ice, a highlight of the winter season. He didn’t stop, however, but continued, heading towards Lej da Staz, the small lake in the middle of the snow-covered forest. The snow crunched under his lined boots when he suddenly heard an excited shout. He turned round to a small white dog rushing towards him; behind the animal was a heavy man with a second one on a leash. Martino faced the running dog, bent down and at the last moment caught it by the collar. He talked to the animal, trying to calm it down. The owner approached, panting and wheezing, and Ray soon realised who was standing before him: the famous director Alfred Hitchcock. 84 ·

Breathing heavily, he stopped in front of the Italian, struggling to speak. “Thank you,” was the first thing he said, still wheezing. “Something scared Geoffrey and he panicked. And when that happens, he won’t listen to anyone anymore.” His breath was calming down a bit, but it still went in fits and starts. “Thank you, Mr. Martino!” “You know me, Mr. Hitchcock?” Ray asked, amazed. The director looked at him with raised eyebrows, a smile playing on his lips. “Who wouldn’t know the famous Ray Martino, the man who sang a duet with Louis Armstrong and performed with Satchmo’s All-


Star Band? Or with Jack Teagarden, Earl ‘Fatha’ Hines and Cosy Cole, to name just a few.” Ray’s ears flushed. Hearing this from a man like Alfred Hitchcock was sheer bliss. “Shall we go for a walk together?” he suggested, surprising himself at how confidently these words had come out. “Yes, with someone I recognise and who has brought my Geoffrey back to me, gladly! It’s my pleasure. My two Sealyham Terriers need exercise – and so do I, as my wife Alma says. She’s right, of course, as always.” When they later entered the Palace Hotel, Martino knew everything about the master filmmaker’s latest project and Hitchcock knew everything about the event that evening, which Ray had not only conceived but also organised from beginning to end. “Mexico” was not only the theme of the show but was also represented by the food and elaborate decorations. As the evening began, guests and external visitors filled the halls and happy music resounded everywhere; people celebrated and danced. Although Ray had been in show business for a long time, he still experienced stage fright before

his performances. Of course, he couldn’t resist appearing as an act himself. Martino had done his vocal exercises diligently in the catacombs of the hotel, his tuxedo fit perfectly, his shoes were shiny, and he straightened his bow tie at the last minute. For the performance he had thought up a little gag and put on a Mexican sombrero. The band, Los Aguilillas, had finished their intro set and started the music which would introduce him to the stage. “Andiamo,” he thought. He crossed himself, put on his best smile and stepped on the boards that meant the world to him. Thunderous applause welcomed him. He blinked in the bright lights. When his eyes adjusted, he saw Alfred Hitchcock sitting at the first table, wearing exactly the same sombrero. He lifted a tequila glass with a broad smile and toasted Ray. The Performance of a Lifetime The deputy director was standing in front of the main entrance wringing his hands. He peered down Maistra Street repeatedly and walked round the building to the suppliers’ entrance. Everything was upside down. Nothing worked, even though everything had been planned and · 85


organised well in advance. It was enough to make you fly off the handle! At last, he saw the hotel’s delivery van driving up the street and stopping in front of the door. “Luigi, what took you so long?” he asked agitatedly. “Did the parcels arrive at least?” “Yes, boss, it’s all here. And I’ve brought these gents up with me.” “Albert Brunner,” the man who had just got out introduced himself and pointed to the three bearded men who accompanied him, “and the Hackbrättlers.” The orchestra had arrived the day before. Now the Swiss folk music group was here, too. That at least was something! “Boss, where do you want these boxes?” “Upstairs, in the Dancing Hall!” Luigi nodded and shouldered the first boxes, while the director turned to the musicians: “Come with me, I’ll show you your accommodation and place where you’ll be performing tonight.” The whole building was buzzing like a beehive. Everywhere staff were scurrying through the rooms, decorations were being hung, tables were being laid. He heard a number 86 ·

of glasses breaking, sighed and wished that the whole festivity was over already. Everything was his responsibility while the director was in bed with a bad case of the flu. In fact, he was so busy answering questions that he did not get round to all the other tasks still waiting for him. There were orders to place for the coming year, he had to follow up on individual customer requests, and he still had to check last night’s bills and forward them to the accounting department.

Having shown the musicians to their rooms, he went into the kitchen. All hell was breaking loose here, too: pots and pans clattered


and rattled, the chef yelled at a commis and a cook left the hot kitchen in tears. It was a madhouse. But somehow, he also loved this hullabaloo. He moved on to reception, where he instructed those present: “All external guests pay admission, the men two francs twenty, the women one franc ten.” He raised his hands in a gesture of appeasement: “This comes from the very top, so no questions please.” One more thing crossed off his list. For a few moments he withdrew to his office and drank the now cold espresso he had forgotten a few hours ago. It was getting colder outside. The weather forecast had shown temperatures of minus ten degrees and lower in the evening, but luckily, it wouldn’t snow. He made himself comfortable on the small couch and closed his eyes. It would be a long night. An agitated knock at the door startled him from his dreamless nap. He looked at the clock: it was almost evening. Natalie, the housekeeper, stood in the doorway and looked at him with a horrified expression: “Our master of ceremonies fell down the stairs,

drunk as a skunk, and broke his right arm.” He wanted to say something, but she was already gone. “I hope next year will be less hectic,” he thought. In the evening, after the guests had arrived, he appeared in a tuxedo. He had adorned himself with a little festive hat and a few paper snakes and sprinkled a little confetti on his shoulders. He would have to improvise, but he had some bright ideas. He grabbed a glass of champagne and greeted everyone with a sweeping speech, joking, making them laugh. He gave the performance of a lifetime. Men patted him on the back, women kissed him on the cheek and at the end, after everyone left, he sat at a table and allowed himself a small cigar. The staff gathered unnoticed and gave him a big round of applause. He stood up and gave a bow. “Happy New Year to you all. Now, I want everything here spick and span again by tomorrow. Let’s welcome our guests with an unforgettable New Year’s breakfast!”

· 87


Mad Miller The August temperatures were ideal. Had it been warmer, they might have had to cancel the first big international sighthound race here in St. Moritz. Count Peppi von Radovitz, a nobleman who had seen better days,

moved away from the betting counter. He had bet his last funds, and now he could only pray. Since the end of the war, he had done everything he could to squander the fortune the family had left. Peppi, whom everyone knew only as a rich bon vivant, was a gambler, drunkard and a womaniser, although the latter had long since ceased to 88 ·

be true. Word had got round that good old Peppi was broke. He no longer stayed at one of the historic hotels, but at a cheap inn. He remained loyal to St. Moritz, however, where people knew and liked him. To some, he was a laughing stock; to others, a tragic figure. He was aware that people knew all about him, but he didn’t let on and acted as if he were still rolling in money. He walked past the tent where the expensive champagne was served and, behind it, took a sip of slivovitz from his almost empty flask. For a long time, he had been wrestling with the question of which race to bet on. The categories to choose from were Greyhound, Whippet and Borzoi. The greyhounds were fastest – probably the highest bets were placed on them – but in the end, the rewards would be much smaller for a winning bet. There could even be a deficit pool, where you would get less than what you had bet. After much deliberating and weighing the odds, a crazy thought took hold of him: why not, just this once, bet the way he truly wanted to, instead of choosing strategically? Why not bet on an outsider, like he was himself? If you had to lose,


then it was better to lose on the hottest race! Reason told him that this was madness and he had better hold on to his last funds. Yet, he was a gambler, and there was a little spark of passion, of hope. Peppi chose the greyhounds and studied all the names in detail. There were Ballylanigan Tanist, Black Mire, Rushton Smutty, Atomic Line, Rapid Choice and Mad Miller. In another race, Ballylanigan Tanist had won by two and a half lengths. The longer he stared at the list, the harder it was to decide. He took a coin out of his pocket. Heads or tails. Heads was the favourite and tails, the bottom of the last race. He tossed the coin, caught it and closed his eyes for a moment. Then he slowly lifted his hand, glancing at the coin that would decide his fate – tails. Count Peppi von Radovitz took a deep breath and made the bet. The track length was four hundred and eighty metres, as usual. The excited dogs were already waiting in their boxes. The device with the false hare was tested one more time, for the dogs hunted on sight. Start! The flap opened and the dogs charged like lightning. In just a few

moments, the favourite Ballylanigan Tanist was leading. Peppi clenched his fists. Mad Miller was last. Damn! At two hundred metres something broke away from the rabbit and the dogs jumped on it. Only Mad Miller stayed on track. The crowd started screaming. The dogs spotted Mad Miller and chased after him. They all seemed to fly and came dangerously close again. Peppi could no longer contain himself and screamed as he had never done before in his life. He bounced up and down and waved his arms as if he were scaring away a swarm of angry hornets. Foam appeared at the corners of his mouth. Applause broke out and Count Peppi von Radovitz laughed like mad. He heard the announcement and knew that, from today onwards, he would be staying at the luxurious Suvretta House again. The Night Before They’d had another drink together. Josef “Sepp” Benz and Erich Schärer were staying in Samedan for the night this time. Schärer had expressed some reservations before the evening drink, but Sepp, the pusher, needed the beer to sleep well afterwards, as he had explained to the helmsman. The latter had · 89


resigned himself to this and accompanied him, but only ordered one non-alcoholic drink with lactic acid. Now Benz was lying in bed and tossing back and forth. He would have liked to just fall asleep, but he strictly followed his method, which he had already employed as a track and field athlete: before every competition, he mentally reviewed all the procedures, every tiny movement, again and again. Tonight, however, he didn’t succeed at first. He remembered how the year before, during a competition, both of his legs had become so cramped that he could hardly walk. He had sat down in a corner and when the coach asked him why he was sitting on the floor, white as a sheet, his excuse was that he was concentrating. At that time, he had been in third position in the fourman bobsleigh. He had planned to take two or three steps at the start and then swing into the sled. Things turned out differently, of course. The adrenaline kicked in and he did the full start sprint. But he didn’t remember much about the ride itself, because he was busy trying to manage the cramp that was hitting him with full force. He set these thoughts aside. They 90 ·

would not help him now – quite the opposite. He had always been mentally strong. He began to concentrate again, which was not easy because he was feeling the effects of the beer. He was a little tipsy and lay relaxed on the bed, his thoughts

going round and round, which was no use right now, especially as the temptation to fall asleep was strong. He got up, drank a glass of water and lay down again. He started to mentally go through the procedures, just as he had done in the 110 m hurdles and the pole vault in the past. He went through every detail. Arm movement, leg movement. First individually, then together.


Angle and distance of the feet to the sled. Again, and again, and again. Like a mantra, he repeated the sequences until they were automatic. He no longer needed to concentrate so intensely. Schärer at the front, him at the back. The countdown: three – two – one – go! He had been training and preparing for a long time, but the competition tomorrow was only his second with helmsman Schärer. There had been a heated debate about whether he was the right man for Schärer and the Swiss Championships. Benz had never interfered in these discussions and simply waited. He would accept any decision, because he knew that throwing a spanner in the works could ruin everything. Of course, he was pleased that they had decided in his favour after all. Even before the season, the tabloid press had celebrated him as the fastest postman in the world, visiting him at his bread-and-butter job. The attention was flattering, but he didn’t pay it much heed. He had always minded his own business. If he could just focus on the race, on his part in it, anything was possible. He wasn’t afraid of tomorrow – but he did not make light of it, either. He had had little racing experience

in bobsleigh, and tomorrow’s race counted as qualification for the Olympic Games. At some point he heard the quiet snoring of his teammate. He turned on his side and finally allowed himself to fall asleep. The next day, Erich Schärer and Sepp Benz won the gold medal in the two-man bob. They finished third at the Olympic Games in Innsbruck. At the European Championships that same year, Erich Schärer and his brother Peter won the gold medal. Sepp Benz won the bronze medal as brakeman in the fourman bob. Chandrajit’s Run He had waited a long time for this. Chandrajit Singh, whom everyone here just called Charlie, was glad the moment had finally arrived. He, the great-grandson of the former Maharajah Sawai Madho Singh II from Jaipur, had fought to be admitted to this place. Now a member of the exclusive St. Moritz Tobogganing Club, he stood at 1722 meters above sea level in the packed snow, equipped with elbow and knee pads, a helmet on his head and rakes, long iron tips, on the front · 91


of his shoes. In front of him lay the heavy flat-top sled and the ice channel that would either take him down to the finish line or up to nirvana. He saw people’s amused looks, but he would show all of them. The wooden beam in the snow in front of him was raised, the bell rang to clear his pathway, and someone tapped him on the left shoulder and shouted his name. He swung onto the sled, flat on his

stomach, the iron claws on the tips of his shoes scraping loudly against the ice. Chandrajit Singh dashed into the depths. The ice made a buzzing sound and when the steel struck 92 ·

the gangs, it shook him to the core. Whoosh! A left turn drove him up the wall and the counterturn forced him back into the channel. There was the broom! The signal for the dreaded Shuttlecock bend. Whoever crashed here, flying off the track – and there were many – became a member of the Shuttlecock Club. He let out the breath he had been holding in. The sled vibrated and shook, and Chandrajit was afraid he would lose his dental fillings. Now the sled began to buckle, so he rammed the rakes into the ice with all his might, but still it seemed as if it accelerated. His heart was pounding. He elegantly soared under the road and railway bridges. The ice channel felt different now, and the buzzing had changed significantly. He bounced against the ice bank and the counter-swing knocked him to the other side. Only with great effort did he manage to find the middle of the track again. The sled bucked like a wild pony, its weight shifting violently into the long right turn. It was covered, so he thought he was in a tunnel. Then he saw the light again and crashed into the foam cushions at the end of the track, coming to an abrupt stop.


With tears in his eyes he thanked all of the gods, especially Brahma, Vishnu, Ganesh and Shiva. He would honour them with long prayers. Adrenaline raced through his body, making him tremble. Panting, he stood up, his eyes wide open. Someone tapped him on the shoulder and he heard from a distance: “Charlie, you’ve really got to go down now, the others are waiting, or else clear the start!” Chandrajit Singh, whose mother always called him a gentle lamb, realised that he was still at the junction start and had the whole run before him. He swung onto his stomach on the sled, the iron claws on the tips of his shoes scratching loudly across the ice. Chandrajit Singh dashed into the depths. The ice made a buzzing sound and when the steel hit the boards, it shook him to the core. Whoosh! A left turn drove him up the wall and the counterturn forced him back into the channel. There, the broom, Shuttlecock bend. Chandrajit Singh became as light as a feather. He was lifted into the air, let go of the sled, rolled over violently a couple of times and landed in a pile of straw bales.

“Chandrajit Singh in the straw!” sounded the announcement. Someone patted him on his aching shoulder: “Welcome to the Shuttlecock Club, Charlie!” Memories The chauffeur held the door open. Sophie de Croix, leaning on her walking stick, struggled to get out of the Bentley. “Madam, shall I help?” “No, I’m fine,” she answered in a weak voice. “Pick me up in half an hour.” “Are you sure, Madam?” She turned away abruptly, without saying another word. Taking a few slow steps to the bench, she sat down carefully. Everything had changed here. Even the building was no longer the same as in her memories. Looking back, she had spent the most beautiful month of her life here. She was young and wild back then. The daughter of a rich industrialist family, she had stayed in St. Moritz for four weeks. She had been with René every evening. Oh, René! Suddenly, she felt transported back in time ... “Don’t you want to take a breather?” René asked. · 93


Sophie laughed. “No, my dear, I want to feel your body against mine. Just hold me tight, for all eternity.” His strong arms embraced her graceful body and together they moved to the rhythm of the music. They forgot time and space, and it seemed as if they were floating in a universe of their own. “Let’s have a drink,” he suggested, and grabbed her by the elbow. She willingly let him lead her to the bar. Only now did she realize how thirsty she was. The bartender placed two cocktails in front of them. “Not so fast, my dear, this stuff is quite strong,” said René, “and the night is still young.” He kissed her on her soft lips, and she happily returned his touch. “Don’t your parents get suspicious when you go out night after night and don’t come back until the early hours?” Sophie shook her head. “I have a perfect arrangement with my brother Bodo. They believe we’re spending evenings together and he’s watching over me. They’ve got no idea that Bodo is pursuing his own passions. They too enjoy ‘important’ social gatherings where alcohol flows freely. These make them quite 94 ·

relaxed, so the next morning at breakfast they usually don’t think about the previous day. On the slopes we lose sight of each other, anyway. Everything is going well.” “You know I’m in love with you,” he whispered to her. Sophie threw her head back: “Kiss me, René, like you’ve never kissed me before!” After a long, breathless kiss, she looked dreamily at his handsome, striking face. A shadow had dark-

ened his brow, and, all at once, his brown eyes seemed sad. “What is it, my love?” she asked anxiously. He was silent. She repeated the question.


“What do we do when our time is up? When you return to a world where I don’t belong?” She fought against the tears burning beneath her eyelids at this thought. She gulped down the rest of the cocktail, grabbed him by the arm and fled with him back to the dance floor, where there was no future to be found between the rhythms and melodies. “Dance with me, my love, dance with me as if there were no tomorrow. Let’s bury our love in our hearts like pirates bury their treasure. We will always know where it is, even if we can’t reach for it!” The old lady stared into the sky. The soft hum of the Bentley brought her back into the present. It stopped. The door opened and the chauffeur stepped out, approaching her and helping her get up. “One shouldn’t grow old, it’s just not fair!” she said softly. “Madam?” “Nothing, nothing. Let’s go back to the hotel. Tomorrow we leave; it’s time to go back to my old life. There is nothing here, nothing but my memories.” She furtively wiped a single tear off her cheek.

Mina Harker’s Night The muffled rhythm of a drum set and the whimpering sound of an electronic organ could be heard from afar. Red lanterns pointed the way up from the road, where the taxi driver had dropped her off. It had been quite an effort for Mina to walk up the hill in her high heels. The ground was slippery with a thin layer of ice. She adjusted the mask, covered in sparkling gems, hiding the upper half of her face. Under her long fur coat, she wore next to nothing. She had been assured that this would grant her entry. She felt the urge to press her lips together but remembered it could destroy her elaborate make-up. Instead, she pouted like the famous Monroe, shuddered briefly and pushed her way to the entrance past people dressed eerily. “Password?” asked the bouncer, his face painted white, eyes rimmed red. Mina opened her coat. A long look, a nod, and the door opened. Inside, everything was bathed in red light. Her coat was taken off and the warmth enveloped her like a gentle embrace. The air was suffused with exotic scents and the pulsating music ensnared her in a silken net. A woman like an Egyptian goddess, · 95


tall, with protruding breasts, slender hips and a winning smile, handed her a glass and the first sip felt like blood on her tongue. Her eyes, contoured in black, cast a spell over Mina. “Drink.”

No sooner was the glass empty than she had another one in her hands. An intoxicating feeling. The woman put her arm on her shoulder and led Mina further inside. Everywhere, couples moved hypnotically to the beat of the melodies floating through the room. “Drink.” She opened her lips and the viscous liquid flowed down her throat. She allowed herself to be entranced, relinquishing control, drifting. Hands 96 ·

touched her; she felt the breath of the goddess on her neck. “Come, let’s meet our host.” Suddenly the music stopped. The lights went out and the audience waited in suspense. For a moment, they all stood in darkness and as the lights flared back up, he was among them, drawing all eyes. His slightly greying hair was a little longer than perhaps was fashionable. His tall body was covered by a long, red-lined cape. His aristocratic countenance radiated with joy, his white teeth shone. “Welcome, my children of the night.” He raised both his arms and with the cape, it looked as though he possessed red wings. “I, Dracula, will introduce you to all the secret erotic mysteries you have long desired. At the given hour, I will choose my Queen of the Night. Enjoy yourselves.” With that, he turned around and disappeared. The hypnotic music struck up again, and the crowd resumed its feverish dancing. Mina felt intoxicated by the atmosphere, the music, the drink. She let herself drift, gave herself to everyone, returned every kiss, every touch; pressed against every body that invited it. It was as if a pulsating organism had ab-


sorbed her and she was floating in a universe of pure passion and lust. Hours later, when she lay in the arms of the man who called himself Dracula, she still had not reached absolute ecstasy. He lay exhausted on the sweaty silk sheets. She took off her glittering mask and looked at him. He was a handsome man. A little smile played around the corner of her lips. She would give him a gift, one that was only for the chosen few. After all, he had selected her to be his Queen of the Night. Now she would return the favour. She inhaled the animal scent he exuded even while he slept. He did not move, neither when she pressed her body against his, nor when she drove her long, needlesharp teeth into his neck. Last Applause for Greta The four of us stood around the pile of old posters, amazed at the treasure that had been recovered. We made the provisional selection and I took the photos for the short stories I would write. Now I have arrived at my last one. It was a strange time. The words flowed easily from my keyboard, but I struggled with the final story.

I went through all the pictures again and stopped at the poster entitled Greta Keller. Red and blue, a singing bird on a branch, the sun behind it. I had never heard of the woman before, so I went on a search for clues. To my surprise, I found what I was looking for a few clicks into the virtual world. And I started to wonder, how often are we only a short digital search away from something amazing? Yet, only when we start looking for it does the unexpected reveal itself, like it did in this story: Greta Keller was once world famous. Born in Vienna in 1903, she was a radio and a record star. She lived in America for a long time: her second husband was murdered but the case was never solved, and during this time, she also lost her child. Nevertheless, she continued her career until shortly before her death. I continued clicking through the information and, only another few clicks away, found black-and-white film footage. Through the recording, a human being made of flesh and blood materialised from the long-forgotten name. She was already an older lady when the song was recorded, but what a voice – beautiful, dark, and husky! What touched me the most, ¡ 97


however, were the lyrics. Perhaps the strange times we’re living through right now have rendered me a bit sentimental. But watching Greta Keller perform on the screen and listening to her words, I got goose bumps. It should be added that I tear up easily under the best of circumstances and that I am a romantic at heart. Having heard her, I now found the poster that announced the performer at the Hotel Caspar Badrutt in St. Moritz more than fitting. It had a certain melancholy, just like her song – to me, it seemed that she was singing it from the screen just for me:

When the sun sinks behind the rooftops I know life inside out. I have laughed, and I have longed. What is the use of complaining, What is the use of raging, I have slowly given up on that. I know life inside out; I’ve got to know people. I was lured by the world and the charm of colour – Now I stay away from feelings! Only sometimes... When the sun sinks behind the rooftops, I’m alone with my longing. When the chill invades my solitude, Shadows come into my room. They stare at me and remain silent. And I wait, not knowing why, For a miracle That will bring me light into the dark. When the sun sinks behind the rooftops, I’m alone with my longing! I felt transported to the past. Her voice and my imagination conspired to send me back to the recital that the poster is a reminder of. I saw it all playing out in front of me: in a room filled with smoke, Greta leaned elegantly against the piano.

98 ·


The audience was hanging on to every word coming from her lips; a soft melancholy was reflected in her face. And she sang: “The blue hour on a grey day, yes, that’s the hour I welcome, because this short blue hour, which is so rare, can render you happy as it takes you to far-off worlds...”

Ice skating on the frozen lake St. Moritz, ca. 1900 · 99


IM PRESS UM Publisher St. Moritz www.stmoritz.com All rights reserved, including those of partial reproduction and reproduction in any electronic form. Posters Documentary library St. Moritz Writer Helmi Sigg Translation and editing Elena Dancu, Claudia Walder Concept, layout and realization SPOT Werbung, St. Moritz Printing Grafiche Milani S.p.A. 1st Edition of 1’700 copies, Nov. 2020 ISBN 978-3-033-08181-9

100 ¡



www.stmoritz.com

OFFICIAL ST. MORITZ PUBLICATION


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.