DIE ERNÄHRUNG VOLUME 44 | 02 2020

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Tafeln helfen Menschen Die Idee hinter „Tafeln“ stammt aus Amerika und wurde vor Jahrzehnten nach Europa transferiert. Das Konzept erfüllt mehrere Aufgaben zugleich: Food Waste wird vermieden, CO2 gespart und Menschen geholfen. Alexandra Gruber

©  Peter Leskovar

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ehr als 20 Jahre ist es her, dass Martin Haiderer mit drei Studienkolleginnen und -kollegen der Sozialakademie aus einer Idee einen Verein machte und das Konzept der amerikanischen ,,Foodbanks‘‘, das zu diesem Zeitpunkt etwa 30 Jahre existierte, nach dem Hamburger Vorbild nach Wien brachte. Tafeln retten noch genusstaugliche Lebensmittel aus (Groß-)handel, Produktion, Landwirtschaft und der Gemeinschaftsverpflegung und versorgen damit armutsbetroffene Menschen. Die Weitergabe der geretteten Lebensmittel ist kostenfrei bzw. erfolgt gegen einen symbolischen Beitrag. Die Tafelarbeit wird zum überwiegenden Anteil (66– 100 %) von ehrenamtlicher Mitarbeit getragen und wäre ohne das große zivilgesellschaftliche Engagement tausender Menschen in Österreich nicht möglich. Tafeln sind großteils spendenfinanziert. Mit einem Euro versorgen Tafeln 10 Armutsbetroffene mit einer Mahlzeit. Heute finden sich österreichweit Tafeln in allen Bundesländern, darüber hinaus gibt es einen Dachverband „Die Tafeln“, der Interessen auch gegenüber der Politik sowie den Austausch zwischen den einzelnen Tafeln koordiniert. Die Wiener Tafel ist mit 20 Jahren die älteste Tafelorganisation in Österreich. Auf europäischer Ebene bietet die European Food Banks Federation1 (FEBA) Raum, sich regelmäßig über Chancen und He-

Alexandra Gruber

rausforderungen im großen Tafelnetzwerk mit über 420 Tafelorganisationen auf europäischer Ebene auszutauschen. Tafeln – mehr als Lebensmittelrettung Seit mittlerweile mehr als 20 Jahren steht neben dem angewandten, praktischen Tun die bewusstseinsbildende Arbeit ganz oben auf der Agenda der Wiener Tafel. Damit soll sowohl ein wertschätzender Umgang mit Lebensmitteln als auch ein konstruktiver Diskurs über die Zusammenhänge von Armut und Ernährung forciert werden. Dementsprechend breit und vielfältig sind die Projekte der Wiener Tafel, die auch teil-

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weise von den Mitgliedstafeln im Verband der österreichischen Tafeln in ganz Österreich verbreitet werden: Von der „Suppe mit Sinn2“ und der „Marmelade mit Sinn3“, der „TafelBox4“ über das „Sensorik Labor mit Sinn“ für Kinder und Jugendliche bis hin zu den inklusiven Kochworkshops – Aspekte von Inklusion, Bewusstseinsbildung und dadurch bedingte Änderungen gewisser Denkmuster verbinden sich, um so eine ganzheitliche gesellschaftliche Aufarbeitung der Thematik zu ermöglichen. In den letzten Jahren hat sich darüber hinaus das Bild der Tafeln über die Rettung und Weitergabe von Lebensmitteln weiter entwickelt. Sie sind ein Ort der Begegnung, aber auch ein Ort, an dem gegen ungerechte Ressourcenverteilung in einer Gesellschaft gearbeitet wird. Weltweit werden jährlich etwa 1,3 Milliarden Tonnen der Lebensmittel, die für den menschlichen Verbrauch gedacht sind, trotz Genussfähigkeit weggeworfen5. Ein Viertel davon würde reichen, um die 821 Millionen hungernden Menschen


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