BühnenSeiten Aug_Okt

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BÜHNEN

Seiten Magazin des OldenburgischeN Staatstheaters

Das Schauspiel eröffnet die Saison mit ‚Utøya‘ Generalintendant Christian Firmbach im Gespräch

Quiz: Finden Sie unsere Premieren im Buchstabensalat!

Willkommen in Oldenburg: Wir begrüSSen unsere neueN Ensemblemitglieder! Eine Kolumne von John von Düffel

AUG-OKT

2017


EDITORIAL

Liebes Publikum, gut erholt sind wir aus der Sommerpause zurückgekehrt und so bestens gerüstet, um mit Ihnen in eine neue, spannende Spielzeit zu starten. Wir freuen uns, in diesem Jahr viele neue Kolleginnen und Kollegen am Oldenburgischen Staatstheater willkommen zu heißen. Exklusiv für unser Publikum verraten sie uns in diesen Bühnenseiten einige ihrer persönlichen Wünsche, Hoffnungen und Vorlieben. Und falls auch Sie noch nicht wissen, was ‚Feis Ceoil‘ ist, so verrät Ihnen Paul Brady (nicht nur) das.

start: Vorverkaufs 01.09.2017

Die Eröffnungspremiere des Schauspiels widmet sich mit ‚Utøya‘ dem schrecklichen Attentat auf der norwegischen Ferieninsel im Sommer 2011. „Daraus muss Theater gemacht werden“, forderte schon wenige Monate später der norwegische Autor Øyvind Berg. Der italienische Dramatiker Edoardo Erba nahm sich des Themas an und zeichnete durch eine geschickte Verlagerung der Perspektiven ein präzises Gesellschaftsbild – frei von jeglichem Voyeurismus. Mit der ‚Walküre‘ setzen wir Richard Wagners spannenden Vierteiler um den ‚Ring des Nibelungen‘ in der naturalistischen Drehbühnen-Inszenierung von Paul Esterhazy fort. Viele international gefeierte Sängerinnen und Sänger sind in diesen Wochen zu Gast in Oldenburg, um bei der Premiere am 9. September auf unserer Bühne ihr Rollendebüt zu geben. Die BallettCompagnie Oldenburg bleibt auch im übertragenen Sinne in Bewegung. Chefchoreograf Antoine Jully übernimmt zu seinen bisherigen Aufgaben die Ballettdirektion. Das junge Team bekommt Unterstützung von der Dramaturgin Telse Hahmann, die vorher mehrere Jahre für das Hamburg Ballett – John Neumeier tätig war. Und auch dieses Mal lohnt es sich, das Heft bis zum Ende zu lesen: In seiner Gastkolumne formuliert der Schriftsteller, Dramaturg und langjährige Oldenburger John von Düffel ein engagiertes Plädoyer für die künstlerische Freiheit von Theaterarbeit. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre! Herzlich, Ihr

OLDENBURGER

Christian Firmbach Generalintendant

OPERNBALL

13.01.2018 SAVE THE DATE!

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KLASSISCHE UND NEUE FARBEN KLASSISCHE UND NEUE FARBEN

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Inhalt

Kulissengeflüster Neuigkeiten aus dem Oldenburgischen Staatstheater

OpernSeiten Belmonte oder Bassa Selim? Über ‚Die Entführung aus dem Serail‘

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Zwischenbilanz Im Gespräch mit Generalintendant Christian Firmbach

SchauspielSEITEN ‚Michael Kohlhaas‘ – ein Comic

Seite 28 Seite 10 OpernSeiten Seit 20 Jahren in Oldenburg: KS Paul Brady

BallettSeiten Das neue Leitungsteam der BallettCompagnie Oldenburg

Seite 30 Seite 13

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Bühne frei für das

Quiz Finden Sie all unsere Premieren?

OffeneSEITEN STARTER und ENTER am Staatstheater!

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SchauspielSeiten ‚Utøya‘- Ein sensibler Stoff kommt auf die Bühne

Seite 16 OPERNSeiten Mit der ,Walküre‘ geht der Oldenburger Ring in seine zweite Runde

Seite 18 7Seiten Ohne Worte: ein Bildinterview zu ‚Zombie_2‘

Seite 20 KonzertSeiten Über die Liederabende der Saison 17/18

Handgemachte Einlagen und bequeme Markenschuhe für gesundes Gehen. 4

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in blauer See, ein leerer Steg – mit einem augenscheinlich sommerlichen Cover lädt die erste Ausgabe der BÜHNENSEITEN zur neuen Saison 17/18. Aufgenommen wurde das Bild von unserem Fotografen Stephan Walzl am Kleinen Bornhorster See in Oldenburg. Doch nicht der Gedanke an die zurückliegende Sommerpause hat ihn dabei geleitet, sondern der Vorausblick auf die hochaktuelle Eröffnungspremiere des Schauspiels: eine Auseinandersetzung mit dem Attentat auf ein Ferienlager auf der norwegischen Insel Utøya. Lesen Sie mehr über ‚Utøya‘ ab Seite 14 und erfahren Sie außerdem, was die junge Spielzeit noch alles für Sie bereithält: neue Ensemblemitglieder, Jubilare und Premieren über Premieren über Premieren. Verpassen dürfen Sie davon natürlich nichts – und wenn uns Oldenburg dazu noch ein wenig après-sommerliche Sonne schenkt: umso besser!

Herzlich Willkommen! Neue Kolleginnen und Kollegen auf der Bühne des Staatstheaters

Seite 36 SEITENBLICK Über das ewige Wiederanfangen

Seite 38 SEITENBühne Die Gastronomie

Seite 40 THEATERGEHEIMNIS Die Soffitte

Seite 42 GASTSPIEL Eine theatralische Kolumne von John von Düffel


KulissenGeflüster

KulissenGeflüster

NEWS … Preisregen im Schauspiel

Polen-Begegnungen der Stadt Oldenburg Koproduktion mit preisgekröntem Opernfestival Seinen außergewöhnlichen Ruf verdankt die Wexford Festival Opera, die jüngst mit dem International Opera Award für das beste Festival ausgezeichnet wurde, der Entdeckung unbekannter Opern-Juwelen. 2013 gewann sie mit Foronis Oper ‚Cristina, Regina di Svezia‘, deren Deutsche Erstaufführung das Oldenburgische Staatstheater 2016 zeigte, den International Opera Award für die Wiederentdeckung des Jahres. Am 20. Oktober wird nun Foronis erste Oper ‚Margherita‘ als Koproduktion der beiden Institutionen beim Festival in Irland aus der Taufe gehoben. Regie und Ausstattung übernimmt mit Regisseur Michael Sturm und Ausstatter Stefan Rieckhoff das Oldenburger ‚Cristina‘-Team. Wer die lange Reise scheuen sollte, sei beruhigt: Die Produktion wird zu einem späteren Zeitpunkt auch in Oldenburg zu sehen sein. 6

Ein Wettbewerb kommt selten allein Erst seit Beginn dieser Spielzeit gehört Kihun Yoon zum Opernensemble und schon sind wir voller Stolz auf unser neues Hausmitglied. Als wäre es nicht genug, dass Kihun Yoon in der Vergangenheit bereits die Internationalen Gesangswettbewerbe Francisco Viñas und Bilbao-Bizkaia sowie den Internationalen Opernwettbewerb Shizuoka und den Sullivan Award abgeräumt hat: Am 1. Mai wurde er nun auch noch mit dem Publikumspreis der 29. Annual Dallas Opera Guild ausgezeichnet! Auf das Siegertreppchen sang sich der Bariton im Finale mit Gianni Schicchis Arie aus Puccinis gleichnamiger Oper und dem berühmten Auftrittslied des Escamillo aus Bizets ‚Carmen‘. In Oldenburg wird er u. a. als Titelheld in der Neuproduktion ‚Rigoletto‘ sowie als Vater in der Wiederaufnahme ‚Hänsel und Gretel‘ auf der Bühne stehen. Wir freuen uns darauf, den Titelträger live zu erleben!

GMD Hendrik Vestmann auf Asien-Tournee Während sich das Oldenburgische Staatstheater der sommerlichen Entspannung hingab, hieß es für Generalmusikdirektor Hendrik Vestmann, Taktstock, Partitur und Koffer packen, denn im Juli ging es mit der gefeierten ‚Zauberflöten‘-Produktion der Komischen Oper (Regie: Suzanne Andrade, Barrie Kosky; Konzeption: 1927), die er bereits mehrfach in Berlin dirigiert hatte und dort auch 17/18 wieder leiten wird, auf Tournee nach Peking. Doch damit nicht genug, denn bereits im Oktober ruft Asien erneut: Nach ‚Die Walküre‘ und dem 1. Sinfoniekonzert in Oldenburg gastiert Hendrik Vestmann mit der Berliner ‚Zauberflöte‘ im südkoreanischen Seoul und Gwangju. Wir wünschen gute Reise und toi toi toi!

Unter dem Länderthema ‚Polen‘ wird die Reihe der Begegnungen der Stadt Oldenburg in der Zeit von September bis November 2017 fortgesetzt. Die Eröffnungsveranstaltung findet am 06.09. im Großen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters statt. Des Weiteren bringt sich auch das Staatstheater musikalisch in das vielfältige Kulturprogramm ein: mit Richard Addinsells ‚Warsaw Concerto‘ im Rahmen des 1. Sinfoniekonzertes (24./25.09.) sowie einem Liederabend der beiden polnischen Ensemblemitglieder Martyna Cymerman und Tomasz Wija (04.11.), der sich dem Kunstlied des Nachbarlandes widmet. Ab März kommenden Jahres lässt dann die Deutsche Erstaufführung der Oper ‚Maria‘ von Roman Statkowski in hochromantischer Klangsprache polnische Geschichte des 16. Jahrhunderts wachwerden.

Ali Moraly bei der documenta 14 Der Geiger Ali Moraly, der für ,Eurydike. Orpheus.‘ in Oldenburg zu Gast ist und die Musik für das Stück komponierte, hat bei der offiziellen Eröffnung der documenta am 8.April in Athen eine Eigenkomposition für Solovioline vorgetragen. ,Fugue. Quatrain for solo violin‘ wurde von ihm nach dem Gedicht ,Todesfuge‘ des deutschsprachigen Lyrikers Paul Celan komponiert. Das Gedicht entstand 1944 – 45 und thematisiert die Shoah, indem Paul Celan in ihm Methapern fand, um den Massenmord der Deutschen an jüdischen Menschen zu beschreiben. Die Musikperformance des Eröffnungsabends, der von dem schottischen Künstler Ross Birrell kuratiert wurde, entstand in Koproduktion der documenta 14, des Athener Staatsorchesters und der Athener Konzerthalle Megaron. Die Erlöse der Veranstaltung wurden anteilig an ein Projekt des Staatsorchesters Athen für geflüchtete Kinder und an Ärzte ohne Grenzen gegeben.

Im Schauspiel ist jüngst ein kleiner Preisregen zu verzeichnen: Karsten Dahlem, der Regisseur der Erfolgsproduktion ‚Die Leiden des jungen Werther‘ und verantwortlich für die Premiere ‚Kohlhaas‘ in der aktuellen Spielzeit 17/18, entwickelt sich zu einem regelrechten Film-Promi: Sein Drehbuch ‚Freier Fall‘ wurde im Rahmen der Berlinale für den ThomasStrittmatter-Preis und der Film selbst für den deutschen Oscar-Beitrag nominiert, während sein neuestes Drehbuch ‚Fremde Tochter‘ auf dem Münchner Filmfest Premiere feierte. Der Film ‚Princess‘ erhielt darüber hinaus in Paris den Preis für die ‚Beste Regie‘ und in London die Auszeichnung ‚best short‘. Ein weiterer hochdotierter Preis geht an das Kollektiv Markus & Markus, das im Rahmen unseres BANDEN!Festivals die Produktion ‚Die Rache‘ zur Premiere brachte. Die „Markusse“, wie wir sie hausintern liebevoll nennen, sind mit dem George-TaboriFörderpreis des Fonds Darstellende Künste geehrt worden, der höchsten bundesweiten Auszeichnung für Künstler der freien Szene. Wir sagen in allen Fällen: herzlichen Glückwunsch!

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BÜHNENSEITEN

Zwischen Bildungskanon und Versuchswerkstatt Christian Firmbach über Klassiker, Ensemblepflege und neue Perspektiven

Da wir ein großes Einzugsgebiet haben, ist es unser Ziel, ein breites Programm aufzustellen, das vom gängigen Repertoire bis zu innovativen Erstaufführungen und Festivals reicht und mit dem wir möglichst viele Besucherschichten abholen, ohne dass diese Vielfalt beliebig ist. Ein Leitgedanke ist uns das Wissen darum, dass jeder Ort ein auf ihn zugeschnittenes Theater braucht. Gerade findet eine neue Durchmischung des Ensembles statt. CF: Ich habe immer gesagt, dass ich ein Sprungbretthaus führen möchte und dass wir es richtig machen, wenn nach etwa drei, vier Jahren Ensemblemitglieder den Weg in die nächstgrößeren Metropolen gefunden haben. So ist die aktuelle Fluktuation in Schauspiel, Oper und Tanz in gewisser Weise unser Programm: Einige Schauspielerinnen und Schauspieler wechseln z. B. ans Staatsschauspiel Dresden und ans Schauspiel Bochum, zwei Tänzerinnen und Tänzer in international renommierte Compagnien, was ja ein deutliches Indiz für ihre künstlerische Qualität ist. Und die Neuaufstellung, die sich daraus ergibt, liefert wiederum auch für uns wichtige Impulse. Christian Firmbach

Seit Mai ist ja bekannt, dass Sie und Ihr Team noch weitere fünf Jahre das Oldenburgische Staatstheater leiten werden. Christian Firmbach: Wir freuen uns alle, dass sich für uns nun ein Zeitkorridor von sieben Spielzeiten eröffnet hat, mit dem wir perspektivisch umgehen können: Unsere Ideen und Pläne sind längst nicht erschöpft. Wir hätten uns nur schwer vorstellen können, bald schon wieder die Koffer zu packen, denn eigentlich fühlen wir uns gerade erst so richtig hier angekommen.

Vor allem die Ballettsparte hat großen Aufwind zu verzeichnen. CF: Über diese Entwicklung freue ich mich ganz besonders: Die Abonnentenzahl für das Ballett, das auch überregional Bedeutung findet, konnte in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt werden. Bei den letzten Internationalen Tanztagen hatten wir mit rund 15.000 Besuchern einen Rekord zu verzeichnen. Oldenburg und die Region verfügen also über ein sehr tanzbegeistertes Publikum. Ganz besonders dankbar bin ich den Sponsoren, ohne die ein Festival mit einem solch geballten internationalen Aufgebot an hochrangigen Compagnien gar nicht möglich wäre.

Wie sieht eine Zwischenbilanz nach den ersten drei Spielzeiten aus? CF: Wir sind recht zufrieden. Zunächst einmal konnten wir unsere Zuschauerzahlen und die Einnahmen weiter steigern, was ein Indiz dafür ist, dass wir offenbar das Herz der Zuschauerinnen und Zuschauer und der Stadt treffen.

Wie sehen Sie den Erfolg des Schauspiels? CF: Wir können wahrhaftig nicht klagen. Einige Produktionen wie z. B. ‚Supergute Tage‘, die jetzt in die vierte Spielzeit gehen wird und nicht zuletzt dank der wunderbaren Schauspielerin Franziska Werner auf 35 ausverkaufte Vorstellungen verweisen kann, sind wahre Dauerbrenner. Auch ‚Ter-

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ror‘, das wir extra schon im Großen Haus angesetzt haben, geht nun in die dritte Spielzeit und setzte viele Diskussionen auch außerhalb des Theaters in Gang. Neu entwickelte Stücke wie ‚Titanic‘ und ‚Dracula‘ wollten gar nicht leer werden. Und die Verbindung von Uraufführungen wie ‚Utøya‘ mit ,Klassikern‘ wie ,Michael Kohlhaas‘ zeigt, dass wir immer wieder auf eine ausgewogene Mischung aller Genres setzen. Die Kombination von gängigem Repertoire und Unbekanntem bestimmt ja auch den Spielplan im Musiktheater. CF: Unbedingt. Wir spielen ‚Carmen‘, ‚Figaro‘ oder ‚Die lustige Witwe‘ und suchen ebenso regelmäßig nach deutschen Erstaufführungen wie in der vergangenen Spielzeit ‚Yvonne‘ oder in dieser Spielzeit ‚Maria‘. Um uns breit aufzustellen und über den Tellerrand des deutschen Opernbetriebs zu blicken, bauen wir europäische Achsen, kooperieren z. B. mit dem gerade ausgezeichneten Festival in Wexford, mit der Nederlandse Reisopera in Enschede oder den Internationalen Händelfestspielen in Göttingen. Unser aktuelles Mammutprojekt ist natürlich der ‚Ring‘. Zugegeben ein ehrgeiziger Plan: das Staatstheater erstmals mit dem ganzen ‚Ring‘ zu versorgen, der dann 20/21 zum hundertjährigen Geburtstag der Opernsparte als Zyklus gezeigt wird. Dieses Projekt bindet viele Kräfte und Ressourcen und verlangt uns in der Umsetzung einiges ab. Aber das enorme Interesse seitens des Publikums belohnt uns dafür. Eine Linie, die sich durch alle Spielzeiten zieht, ist die Barockoper … CF: Durch die Barockspezialisten, die wir für die Musikalische Leitung suchen, die große Zahl kontinuierlich spielender barockaffiner Orchesterkolleginnen und -kollegen und auch z. B. durch den Ankauf von barocken Bögen haben wir hier ein musikalisches Niveau erreicht, das jenem von ausgewiesenen Barockensembles durchaus nahekommt. In dieser Spielzeit verlassen wir Händel und wagen uns mit ‚Siroe‘ an Johann Adolph Hasse, der deutlich schwerer und virtuoser ist. Vor allem mit dem Banden!-Festival, das 2017 erstmals stattfand, richten Sie den Blick nach vorne. CF: Dort vor allem untersuchen wir wie in einer Versuchswerkstatt die Frage, wie sich Theater entwickeln kann. Mit der wachsenden Diversität der Gesellschaft und in einer Zeit, in der wir nicht mehr zwingend den Bildungskanon voraussetzen können, müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir uns aufstellen.

Welche Rolle spielt denn der Bildungskanon heute überhaupt noch? CF: Für mich ist ganz klar, dass wir ihn als Basis unserer kulturellen Herkunft zu vertreten haben – gerade auch in einer diversen Gesellschaft. Dabei ist es ganz wichtig, das Publikum da abzuholen, wo es gerade steht. So sind in unseren ‚Werther‘ vor allem auch viele junge Leute begeistert gegangen. In dieser Spielzeit kommt mit ‚Nathan der Weise‘ ein Werk, das heute aktueller ist denn je. Die sogenannten ,Klassiker‘ sind zeitlos gültig und haben uns immer etwas zu sagen. Das junge Publikum ist eine wichtige Zielgruppe … CF: Es ist mir ein großes Anliegen, für eine lebendige, vielfältige und anspruchsvolle Kultur für junge Menschen einzutreten. Das gelingt uns in dem alle Sparten übergreifenden Programm des Jungen Staatstheaters mit beachtlichem Erfolg. Was auch daran liegt, dass ein Gutteil unseres Publikums – in der laufenden Spielzeit waren dies rund 10.000 Partizipierende – selbst gestalterisch aktiv das Theaterleben bereichert. Die neugegründete Sparte 7 hat sich so entwickelt, dass schon nach kurzer Zeit eine eigene künstlerische Leitung eingerichtet wurde. CF: Wir haben schnell gemerkt, dass die Arbeit dieser Sparte so umfassend und von so großer Außenwirkung ist, dass sie nicht nebenbei geleistet werden kann. Sie greift in alle Sparten hinein und bietet u. a. den Künstlerinnen und Künstlern Raum, sich jenseits von gebundener Sprache oder der Anweisung von Regieteams zu entfalten. Dass wir das freie kreative Denken mit aller Offenheit zulassen, ist sicher auch einer der Gründe, warum sich das Ensemblenetzwerk, das sich ja sehr mit den Arbeitsbedingungen von Kulturschaffenden beschäftigt, bei uns gründen konnte. Am Ende dieser Spielzeit zieht das Staatstheater vorübergehend in eine neue Spielstätte … CF: Durch die Brandschutzsanierung, die das Land Niedersachsen und die Stadt durchführen, werden wir das Haus in den letzten sechs Wochen der Spielzeit verlassen und am Rhein-Umschlag, quasi am Theaterhafen, anlegen. Die kulturelle Erschließung dieses Ortes wird einen wichtigen Impuls für Oldenburg geben, denn wir spielen dort bei Weitem nicht nur Theater. Wie genau allerdings unser Uferpalast aussieht, bleibt aber vorerst noch unser Geheimnis … Das Gespräch führte die Dramaturgie.

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BALLETTSeiten

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Eine dynamische Compagnie im Wandel Ein Interview zum Start der neuen Spielzeit mit dem neu zusammengesetzten Team der BallettCompagnie Oldenburg: Antoine Jully, Nastasja Fischer und Telse Hahmann

Antoine Jully, was ändert sich für Sie, da Sie nun nicht mehr ausschließlich Chefchoreograf, sondern zusätzlich auch Ballettdirektor sind? Antoine Jully: In meiner eigentlichen Arbeit, der Choreografie und der Arbeit mit der Compagnie, ändert sich eigentlich nichts. Ich werde aber sicher stärker den Kontakt mit anderen Compagnien übernehmen, mich ausführlicher mit unseren Finanzen und der ganzen Verwaltungs- und Büroarbeit auseinandersetzen. Außerdem wird der direkte Kontakt und die Zusammenarbeit mit dem Intendanten Christian Firmbach enger. In meiner künstlerischen Arbeit war ich aber vorher schon ganz frei.

vom Staatsorchester begleitet. Zu erleben, wie das alles zusammenwachsen wird, darauf freue ich mich sehr. Welchen Hintergrund als Ballettdramaturgin bringen Sie mit? TH: Ich war zwölf Jahre lang Dramaturgin für das Hamburg Ballett – John Neumeier und habe dort auch die Jugendarbeit aufgebaut. Seit 2009 lebe ich in Oldenburg und habe weiter frei für das Hamburg Ballett und auch das Ballett Kiel gearbeitet. Ursprünglich komme ich aus Hessen, fühle mich aber hier im Norden mit meiner Familie sehr wohl.

Es kommt eine neue Dramaturgin in Ihr Team: Im Mai fanden die 13. Internationalen Tanztage Telse Hahmann. Nastasja Fischer und Telse Hah- statt. Konnten Sie neue Inspirationen, Ideen und Kontakte sammeln? mann, wie werden Sie sich die Arbeit aufteilen? Telse Hahmann: Ich komme als „Persönliche Assisten- AJ: Die Tanztage sind immer eine großartige Gelegentin des Ballettdirektors und Dramaturgin“. Neben der heit, andere Compagnien zu sehen. Dabei ist es für mich vor allem spannend zu erleben, Produktionsdramaturgie und wie unterschiedlich diese arder Vertretung von Antoine „Ein bisschen sind wir beiten. Da gibt es einerseits die Jully in Sitzungen werde ich freien Gruppen, die nicht imauch eng mit der Pressestelle wie eine große Familie, mer zusammen arbeiten und zusammenarbeiten. auftreten. Und auf der anderen Nastasja Fischer: Ich madie Ersatzfamilie, die sich Seite die festen Compagnien, che neben der Dramaturgie immer auch verändert.“ die – wie wir – die Chance havor allem die Produktionsasben, über einen langen Zeitsistenz. Telse und ich werden gemeinsam in ein neues Büro im Probenzentrum ziehen. raum kontinuierlich zu wachsen. Auf jeden Fall bin ich im Dadurch sind wir näher an den Tänzerinnen und Tänzern Vergleich sehr stolz auf unseren Stand in Oldenburg. Wir und an Antoine, was die Zusammenarbeit sicher noch müssen uns international nicht verstecken! Ich war parallel auch noch mit unserem Tänzer Lester René González vereinfacht. Álvarez und dem Stück ‚Artikulation‘ bei der 4. Ballett BeTelse Hahmann, können Sie sagen, auf welche nefizgala in Chemnitz und es ist toll, diese positive EnerProduktion Sie sich in der kommenden Spielzeit gie zu spüren. Für die Compagnie war es schön, dieses Jahr selber Teil des Festivals zu sein und zu merken, unter am meisten freuen? TH: Ich freue mich auf das ganze Programm. Besonders welch guten Bedingungen sie hier arbeiten kann. Unsere spannend finde ich die Uraufführung ,Die Sieben letzten Tänzerinnen und Tänzer haben an fast allen Workshops Worte‘, die im April 2018 Premiere feiert. Die Musik von der Gastcompagnien teilgenommen. Das war eine tolle Joseph Haydn ist ja in allen Sätzen sehr langsam und ru- Chance, auch mit anderen Choreografen zu arbeiten. So hig, dazu stößt Ballett auf Hip-Hop und wir werden live öffnen sie sich immer weiter anderen Tanzstilen gegen10

Ballettdirektor und Chefchoreograf Antoine Jully, Ballettmeisterin Carolina Francisco Sorg und die Dramaturginnen Nastasja Fischer und Telse Hahmann

über und lernen, anders als gewohnt, mit ihrem Körper zu arbeiten. Außerdem sind sie dadurch motivierter, Neues auszuprobieren. NF: Bei uns laufen die Tanztage sozusagen „nebenbei“ zu unserem regulären Programm. Und das bei einer Größe, für die andere Festivals eigene Teams haben. Das ist schon eine große Herausforderung – von der ganzen Vorbereitung bis hin zum letzten Vorhang –, gleichzeitig ist es natürlich auch spannend, die anderen Gruppen und ihre Arbeitsweisen kennenzulernen und neue Kontakte zu knüpfen!

TH: Ich freue mich sehr, dass Martin Schläpfer extra für uns choreografieren wird. Das ist herausragend für eine noch relativ junge Ballettcompagnie wie hier in Oldenburg. Außerdem wird die Reihe ,Mehr Bewegung‘, in der tanzinteressierte Oldenburgerinnen und Oldenburger selber tanzen können, ausgebaut: Zusätzlich zum bewährten Klassischen Training wird es Spitzentanz bei Ballettmeisterin Carolina Sorg geben, dazu Hip-Hop, Modern Dance und auch die Gastchoreografen und Gastballettmeisterinnen und -meister werden unterrichten.

Was sind die Herausforderungen und Highlights für Sie in der neuen Saison? AJ: Ich will in der Saison 17/18 meine choreografische Sprache weiterentwickeln. Wenn man kein freischaffender Choreograf, sondern ein Compagniechef ist, besteht die Aufgabe darin, einen gut funktionierenden Gesamtabend zu komponieren. Da lastet schon ein gewisser Druck auf dir. Außerdem gibt das Budget einen engen Rahmen vor. Das Oldenburger Publikum ist zum Glück sehr loyal, aber unser Ziel ist es, noch mehr und vor allem junges Publikum zu gewinnen. Wir möchten die Zuschauerinnen und Zuschauer gerne noch mehr Teil unserer Welt werden lassen.

Antoine Jully, ist es Ihr Ziel, dass die Compagnie weiterhin wächst? AJ: Wir haben in dieser Saison 17/18 13 Tänzerinnen und Tänzer – gegenüber zehn Tänzerstellen zu Beginn meiner Arbeit ist jedes Jahr eine dazugekommen. Damit sind wir im Moment wohl die einzige Compagnie in Deutschland, die wächst: Das ist ein großes Aushängeschild! In der neuen Saison haben wir drei neue Gesichter: zwei neue Tänzerinnen und einen Tänzer – die Compagnie ist im dynamischen Wandel. Mir ist es wichtig, dass das Ensemble sein Potential ausleben kann, etwa die Chance bekommt, selbst zu choreografieren. So kreiert Lester René González Álvarez ein Stück 11


BALLETTSeiten

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für unsere erste vierteilige Premiere am 11. November 2017 und Eleonora Fabrizi wird mit ‚Scheherazade erzählt‘ ein Ballett für Kinder im Uferpalast choreografieren. Für unsere neue Reihe ‚Studio Moves‘ werden Maelenn Le Dorze, Timothée Cuny und Floriado Komino eigene künstlerische Arbeiten von der Choreografie bis hin zum Konzert verwirklichen. Ich bin sehr neugierig darauf und freue mich, neue Seiten der Tänzerinnen und Tänzer kennenzulernen. Bei so vielen Nationalitäten, die in Ihrer Compagnie vertreten sind, verstehen Sie sich gut – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne? NF: Auf jeden Fall. Englisch ist dabei unsere Verkehrssprache. Viel wichtiger als die verschiedenen Nationalitäten und ihre unterschiedlichen Sprachen ist aber die Tatsache, dass hier so viele verschiedene Persönlichkeiten aufeinandertreffen. Ein bisschen sind wir wie eine große Familie, die Ersatzfamilie, die sich immer auch verändert. Vor drei Jahren sind wir hier alle gemeinsam neu gestartet, das schweißt zusammen.

MEHR

Wie arbeitet eine Tanzdramaturgin, die – im Vergleich zu ihren Schauspiel- und Opern-KollegInnen – keine Text- bzw. Libretto-Vorlage hat? TH: Wir versuchen, so viel wie möglich schon vorzubereiten und thematisch zu recherchieren, bevor die Proben beginnen. Außerdem hat man die Musik als Grundlage. Eigentlich ist die Arbeit ähnlich wie in den anderen Sparten – nur eben ohne Text. Der tänzerische oder „körperliche Text“ entsteht erst während des Kreationsprozesses. AJ: Es ist eine sehr abstrakte Arbeit, die spontan und aus der Tiefe der Emotionen entsteht. NF: Gerade ohne schriftliche Vorlage ist die Zusammenarbeit mit dem Choreografen von einem starken Vertrauensverhältnis geprägt.

Auf die Premieren, fertig Los! Haben Sie gut aufgepasst und meinen, alle unsere Premieren der neuen Spielzeit zu kennen? Dann stellen Sie sich selbst auf die Probe und finden Sie die unten angezeigten Premierentitel waagrecht und senkrecht sowie vorwärts und rückwärts im Buchstabensalat angeordnet. Doch Achtung! Natürlich sollten die Produktionen nicht nur gefunden, sondern im Laufe der Saison auch unbedingt besucht werden, um zu entdecken, was sich hinter den Titeln verbirgt …

Das Gespräch führte Ulrike Wisler.

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Infos: www.staatstheater.de/mehrbewegung

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• ZurschönenAussicht • Alice Cenerentola • • ComedianHarmonists 3 2 AdamsAppeln Alice Dokusoap • • DreiGenerationen • Entführung • Geächtet 5 6 Cenerentola ComedianHarmonists • SchläpferJullyBlaska • Maria • Otellodrafnichplatzen 8 DreiGenerationen • Nathan 9 Dokusoap MeinziemlichbesterFreundWalter • • Scheherazadeerzählt 12 • SiebenletztenWorte 11 Geächtet • Siroe Entführung • UndenndeHevenvullvonGeigen • Utoya 14 Maria • Zombie 15 Kohlhaas • Wunschpunsch Zusammenwachsen •

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Beileidsbekundungen gegenüber der Insel Utøya kurz nach dem Attentat

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SchauspielSEITEN

„Das ist nicht unser Land“ Am 23. August 2017 hat ,Utøya‘ in der Regie von Peter Hailer Premiere. Das Stück thematisiert die einschneidenden Attentate aus dem Jahr 2011 in Norwegen, bei denen 77 Menschen getötet wurden.

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m Nachmittag des 22. Juli 2011 breiten sich auf den Fernsehsendern in Europa und der ganzen Welt nach und nach die gleichen Bilder aus. Man sieht ein Hochhaus mit zerborstenen Scheiben, aus denen schwarzer Rauch quillt, man sieht Menschen, die in Panik durcheinanderlaufen, und Sanitäter, die die Verletzten versorgen. Man sieht: Oslo, Norwegens Hauptstadt. Im Regierungsviertel, unweit des Büros von Jens Stoltenberg, dem damaligen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten des Landes, hat jemand eine oder mehrere Bomben gezündet. Genau wissen das die Reporterinnen und Reporter zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie sie überhaupt Mühe haben, ihre Live-Berichterstattung mit Fakten zu füllen. Eines steht aber wohl außer Frage, nämlich, dass es sich um einen islamistisch motivierten Anschlag handelt. Der 11. September 2001 liegt erst zehn Jahre zurück, die Attentate von Madrid und London sind in den Köpfen der Menschen noch fest verankert. Islamismus-Expertinnen und -Experten werden in die Fernsehstudios geladen und werten Indizien aus. Acht Tote gibt es bis jetzt zu beklagen. Nach einer Weile sickern weitere Informationen durch. Ein als Polizist verkleideter Mann wurde festgenommen. Auf der etwa 40 Kilometer von Oslo entfernten Insel Utøya hatte er gezielt auf Jugendliche eines Feriencamps der regierenden Arbeiterpartei geschossen und 69 Menschen getötet. Er ergab sich, sobald die Polizei auf der Insel eingetroffen war, und legte kurz danach ein umfassendes Geständnis ab – über die Morde auf der Insel und den Bombenanschlag in Oslo. Norwegen steht unter Schock. Nicht nur ist es in seinem Selbstverständnis als friedliches Land empfindlich getrof-

fen, auch muss es erkennen, dass die Schuld nicht einer äußeren Gefahr zugeschrieben werden kann. Der Täter entstammt der eigenen Gesellschaft, er ist in ihr geboren worden und aufgewachsen: Anders Behring Breivik, 32 Jahre alt und bekennender Islamhasser.

Die Wohnung der Mutter als Schaltzentrale Breivik hatte sich mehrere Jahre akribisch auf die Tat vorbereitet. Nach verschiedenen gescheiterten Geschäftsversuchen, die sich oftmals am Rande der Legalität bewegten, fühlte er sich schließlich dazu berufen, die fatale Islamisierung seines Landes und Europas zu stoppen. Eine politische Karriere in der rechtspopulistischen Fortschrittspartei war ihm einige Jahre zuvor versagt worden, also musste er es alleine schaffen. Das kleine Zimmer in der Wohnung seiner Mutter wurde zur Schaltzentrale. Hier bestellte er Waffen, nahm Kontakt zu einschlägigen Internetseiten auf, hier wickelte er den Kauf des Bauernhofs ab, auf dem er ungesehen seine Bombe bauen konnte. Und hier schrieb er ,2083. A European Declaration of Independence‘, sein 1500-seitiges Manifest, das er kurz vor den Attentaten an über 1000 E-Mail-Empfängerinnen und -Empfänger schickte – sein Vermächtnis an die Welt, das Gleichgesinnte davon überzeugen sollte, es ihm nachzutun. Darin stellte er nicht die Muslime als die Hauptschuldigen dar, sondern die Gesellschaften von „Kulturmarxisten“ und „Multikulturalisten“, die diese Bedrohung zu verantworten hatten, kurz: die meisten europäischen Regierungen. Im Gerichtsprozess ein Jahr nach den Anschlägen reklamierte Breivik in seinem Schlussplädoyer für sich das Recht auf Notwehr: „Ich habe dokumentiert, dass die multikulturalistischen Politiker, Akademiker und Journalisten zusammenarbeiten und sich undemokratischer Methoden bedienen, um

„Ich kriege eine Gänsehaut. Einer von uns. Was für eine schreckliche Geschichte. Ein Muslim wäre mir lieber gewesen. Bist du sicher? Einer von uns?“ INGA in ‚Utøya‘

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die norwegisch-ethnische Gruppe, norwegische Kultur und Traditionen, das norwegische Christentum, die norwegische Identität und den norwegischen Nationalstaat zu dekonstruieren. Wie kann es ungesetzlich sein, gegen diese verräterischen Menschen in den bewaffneten Widerstand zu treten?“ Nachdem man Breivik in zweiter Instanz für zurechnungsfähig erklärt hatte, wurde er zu 21 Jahren Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.

gar nichts Landwirtschaftliches an sich hatte. Aber seine Schwester verbietet ihm, Nachforschungen anzustellen. So etwas machen Norweger schließlich nicht. Als sie kurze Zeit später die Bilder im Fernsehen sieht, die Europa und die ganze Welt schockieren, kann sie es nicht fassen: „Da steht Oslo, es ist aber nicht Oslo. Es ist ein Fehler. Das ist nicht Norwegen. Das ist nicht unser Land.“ Anna-Teresa Schmidt

Literarische Umsetzung Einen derart sensiblen Stoff literarisch zu verarbeiten, ist keine leichte Aufgabe. Der italienische Autor Edoardo Erba löst sie auf kluge Weise, indem er die Geschichte in ‚Utøya‘ aus drei Perspektiven beleuchtet und damit ein präzises Bild der norwegischen Gesellschaft zeichnet. Er erzählt von einer Polizistin und einem Polizisten, die sich an der Frage aufreiben, ob man, wenn Kinder erschossen werden, nicht auch ohne Einsatzbefehl eingreifen muss; von angehörigen Eltern, die nicht wissen, ob ihre Tochter das Attentat überlebt hat; und von den Nachbarn Breiviks auf dem Land, einer Bäuerin und einem Bauern, von denen der eine seinem mulmigen Gefühl besser gefolgt und zur Polizei gegangen wäre. Ihm war der stille Nachbar nie ganz geheuer gewesen, dessen landwirtschaftlicher Betrieb so

UTØYA von Edoardo Erba Regie — Peter Hailer Premiere am 23.08.2017, 20 Uhr, Kleines Haus

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OPERNSeiten

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„Wunsch-Maid warst Du mir …“ „Schild-Maid“, „Loos-Kieserin“, „Helden-Reizerin“ – für seine Lieblingstochter Brünnhilde hatte Wotan einst viele Namen, am Ende des vierstündigen Dramas aber darf sie noch nicht einmal mehr „Walküre“ sein.

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iegmund und Sieglinde – Die Bestrafung der Walküre‘ sollte der zweite Teil der ,Ring‘-Tetralogie zunächst heißen, denn das Schicksal der beiden „Wölfinge“ und Brünnhildes misslungener Versuch, es eigenmächtig zu beeinflussen, sind dessen zentrale Handlungsstränge. Dabei greift Wagner in nicht geringem Maße auf die nordische Mythologie und insbesondere die (Lieder-)Edda zurück.

che Wunsch des Vaters ist – und im Kampf Siegmund beisteht. Ein kurzer Moment mit schwerwiegenden Folgen, denn Wotan ist nun gezwungen, selbst zu handeln: Kurzentschlossen sorgt er dafür, dass sein Sohn fällt. Dann verbannt er seine Lieblings-Walküre an einen von Feuer umschlossenen Ort, von dem nur der freieste aller Helden sie irgendwann einmal wird befreien können.

Vor allem Brünnhilde ist aus nordischen Sagen bestens bekannt und nimmt unter den neun Walküren eine besondere Rolle ein: Gerhilde, Ortlinde, Waltraute, Schwertleite, Helmwige, Siegrune, Grimgerde und Roßweiße stammen alle aus irgendwelchen Liebschaften Wotans, doch Brünnhildes Mutter ist keine Geringere als die Urmutter Erda. So führen denn auch Brünnhildes acht Halbschwestern alle Fantasienamen aus der Feder Richard Wagners, und treten – bis auf Waltraute – kaum als Individuen hervor. Fast verängstigt kuschen sie vor Vater Wotan und erfüllen pflichtbewusst ihre Aufgabe: „auf dem Schlachtfeld liegende Leichen“ („valr“) auszuwählen, also zu „küren“, und nach Walhall zu bringen. Dort stellt Wotan eine Armee der stärksten Helden zusammen, die ihm in grauer Zukunft im alles entscheidenden Kampf gegen Alberich den Sieg garantieren soll. Auch Brünnhilde verrichtet diese Arbeit, doch anders als die Schwestern begegnet sie ihrem Vater nicht selten auf Augenhöhe und ist ihm – vor allem auf emotionaler Ebene – fast ein Alter Ego.

Wälsungenblut

Wotan und die Walküre Als Wotan – auf Druck seiner moralinsauren Gattin Fricka – Brünnhilde auffordert, im Zweikampf zwischen Hunding und Siegmund nicht Sieglindes Geliebten, sondern deren Ehemann, also Hunding, beizustehen, folgt die Walküre zunächst diesem Wunsch, wenn auch widerwillig: Mit großer Überzeugungskraft versucht sie, Siegmund positiv auf sein bevorstehendes Ende einzustimmen und ihn von den Freuden in Walhall zu überzeugen, wohin nur die tapfersten aller gefallenen Krieger gelangen. Doch Siegmunds Liebe zu seiner Sieglinde ist so viel stärker als alle Ehr- und Jenseitsversprechungen, dass die gerührte Brünnhilde den väterlichen Plan eigenmächtig ändert – wissend, dass dies im tiefsten Inneren auch der eigentli16

Für Wotan, der seit dem ‚Rheingold‘ verzweifelt auf Möglichkeiten sinnt, wieder in den Besitz des von Fafner entwendeten Ringes zu kommen, bedeutet dies einen herben Rückschlag. Nicht genug, dass er mit Brünnhilde seine einzige Vertraute verloren hat; vor allem war Siegmund – als das mächtige Schwert Notung schwingender Held – ein wesentlicher Faktor in Wotans Strategie. Nun gilt es also, wieder zu warten, bis Siegmunds und Sieglindes Sohn erwachsen sein wird. Siegfried wird er heißen: Das erfährt Sieglinde bereits jetzt von Brünnhilde, die die Schwangere in Sicherheit bringt und ihr das zerbrochene Schwert in die Hand drückt. Dass Siegfried ein Sohn Siegmunds ist und das Geschwisterpaar Siegmund und Sieglinde eine inzestuöse Beziehung führt, ist keine Wagner’sche Erfindung, sondern steht bereits in den alten nordischen Quellen wie der ‚Völsungasaga‘ und dem altenglischen Heldenepos ‚Beowulf‘. Ebenso, dass es sich bei den Wälsungen um ein den Wölfen ähnliches Geschlecht handelt, das sich teils sogar in Gestalt von Werwölfen zeigt. Dass für Wagner dieser Zusammenhang von Bedeutung ist, wird deutlich, als er Siegmund von seinem Leben im Wald als Wölfing und von seiner Mutter als „Wölfin“ berichten lässt. In die mythologische Genealogie greift der Dramatiker nur insoweit ein, als er (den eigentlich von Siegmunds vierter Frau Hjördis geborenen) Siegfried zum Kind des Geschwisterpaares erklärt (das eigentlich Sinfiötli heißt). Auf diese Weise macht Wagner Siegfried zum „reinen“ Wälsungen und zu dem freien Helden, den der durch Verträge seinerseits unfreie Wotan für seine Pläne braucht …

Der Oldenburger „Debüt-Ring“ Als Titelheldin Brünnhilde steht ab dem 9. September in Oldenburg die Sopranistin Nancy Weißbach auf der

Regisseur Paul Esterhazy und das Team beim Konzeptionsgespräch im Mai 2017

Bühne. Die europaweit mit großen Fachpartien gastierende gebürtige Berlinerin hat zwar schon Sieglinde und die Brünnhilde in ‚Siegfried‘ gesungen – die ‚Walküre‘Brünnhilde jedoch hat sie nun für Oldenburg neu erarbeitet. Mit diesem Oldenburger Rollendebüt ist sie Teil des Konzeptes, den Oldenburger ‚Ring‘ als „Debüt-Ring“ anzulegen: Erfolgreiche Sängerinnen und Sänger sollen im geographisch und atmosphärisch geschützten Raum des Oldenburgischen Staatstheaters die Gelegenheit haben, in Ruhe eine neue, schwere Partie zu erarbeiten – bevor sie damit in den großen Opernhäusern an die internationale Öffentlichkeit treten. Auch der Ungar Zoltán Nyári, der in den letzten Jahren vor allem mit Partien wie Don José, Cavaradossi oder Alfredo international gastierte, baut nach einem umjubelten Debüt als Tristan an der Oper Graz nun in Oldenburg mit der Partie des Siegmund sein Wagner-Repertoire aus. Als seine geliebte Zwillingsschwester Sieglinde kehrt Nadja Stefanoff, die sich dem Oldenburger Publikum bereits vor zwei Jahren als Manon Lescaut vorgestellt hat, an das Oldenburgische Staatstheater zurück und singt damit ihre erste Wagnerpartie überhaupt. Der russische Bassist Pavel Shmulevich ist unter

den Protagonisten der einzige, der mit seiner Rolle des Hunding schon einmal auf der Bühne stand: 2013 in einer Produktion des Mariinsky Theaters unter Leitung von Valery Gergiev. Einziges Ensemblemitglied ist in den Hauptpartien wiederum Melanie Lang, die im Oldenburger ‚Rheingold‘ als einen Regenbogenschal strickende Fricka ihr Wagnerdebüt gab und nun als eifernde Göttergattin im Widderwagen eine der wenigen Rollen-Konstanten im Oldenburger Ringzyklus bleibt. Stephanie Twiehaus

‚RING‘-SPEZIAL Anlässlich der ‚Walküre‘-Premiere bieten wir Ihnen gleich zweimal die Möglichkeit tieferer Einblicke in Wagners Schaffen und die Welt der Nibelungen: Am 3. September zaubert Richard Vardigans, wie die Dresdner Presse es beschrieb, am Klavier mit „Improvisationskunst, musikalischem Tiefenverständnis und original britischem Humor“ aus der ‚Walküre‘ eine „packende One-Man-Show“. Und am 13. September werden Thomas Honickel, Solistinnen und Solisten sowie das Oldenburgische Staatsorchester zur Erinnerung an den ,Vorabend‘ eine Kurzfassung des ‚Rheingold‘ mit ‚Walküre‘-Ausblick präsentieren, die mit vielen spannenden Hintergrundinformationen die Ohren und Augen für die weiteren Vorgänge im ‚Ring‘ öffnet …

‚Oper mal anders‘ ‚Die WALKÜRE‘ Erster Tag des Bühnenfestspiels ‚Der Ring des Nibelungen‘ von Richard Wagner In deutscher Sprache mit Übertiteln Musikalische Leitung — Hendrik Vestmann Regie — Paul Esterhazy Premiere am 09.09.2017, 17 Uhr, Großes Haus

‚Die Walküre‘ mit Richard Vardigans 03.09.2017, 18 Uhr, Großes Haus

1. Werkstattkonzert „Den Ring muss ich haben“: ,Das Rheingold‘ 13.09.2017, 19.30 Uhr, Großes Haus Unser besonderes ‚Ring‘-Angebot: Besuchen Sie beide Sondervorstellungen und Sie erhalten einen Rabatt von 20%! (Nicht mit anderen Rabatten kombinierbar.)

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Ohne Worte Sparte 7-Leiterin Gesine Geppert und die eine Hälfte von fuzzy orchestra, Marcel Franken, im wortlosen Interview über die Sparte 7-Produktion ,Zombi_2‘, Untote an sich und die gängigen Zombi-Klischees

Marcel Franken

Gesine Geppert

Geboren — In Essen Beruf — Regisseur und Ausstatter Ausbildung — Diplom in visueller Kommunikation mit Schwerpunkt Film Status — Mitarbeiter der Produktionsleitung am Oldenburgischen Staatstheater

Geboren — In Oldenburg Beruf — Leiterin der Sparte 7 am Oldenburgischen Staatstheater Ausbildung — Studium der Kunstund Medienwissenschaften Status — Immer in Bewegung

Glaubt ihr an Zombies?

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Was mögt ihr an Zombies?

Was hat ,Zombie_2‘, was ,Zombie_1‘ noch nicht hatte?

Wie viel Blut haben wir zu erwarten?

Was macht ein Zombie in seiner Freizeit?

Und was unterscheidet eure Zombies von anderen?

Zum Abschluss: Zeigt uns doch einmal den typischen Zombie-Gang!

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Richard Wagner oder Bella Italia? Die Liederabende der Saison 17/18 halten für alle das Richtige bereit

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s muss nicht immer gleich große Oper sein. Neben die Musiktheaterpremieren jeder Saison und die umfangreichen Sinfoniekonzerte des Oldenburgischen Staatsorchesters treten alle Jahre wieder intimere Formate wie die Kammerkonzerte im Instrumentalbereich oder die Liederabende für die Sängerinnen und Sänger des Opernensembles. Seit 2014 stehen Letztere nun schon auf dem Spielplan des Staatstheaters und haben sich in der Zwischenzeit nicht nur zum Publikums-, sondern auch zum Ensembleliebling entwickelt. Für ein bis zwei Stunden kann man hier in die farbenreiche Welt des Kunstliedes eintauchen und so vertrauten wie berührenden Seelenregungen begegnen. „Dahinter steckt unsere Leidenschaft für dieses besondere Gesangsformat“, erklärt Carlos Vázquez, der musikalische Leiter und Pianist der Liederabende. „Im Lied werden Künstler wie Publikum ungewohnt direkt mit den unterschiedlichsten Emotionen konfrontiert. Es ist eine ganze eigene Kunstform, die wir hier in Oldenburg auf keinen Fall vernachlässigen wollen.“ Nachdem während der ersten beiden Jahre der Intendanz von Christian Firmbach der Fokus auf den Heimatländern der internationalen Ensemblemitglieder lag, schlug der Recital-Weg in der vergangenen Saison eine neue Richtung ein. Nicht mehr nur einzelne Sängerinnen oder Sänger bestritten jetzt das jeweilige Programm und nicht

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mehr nur ihre Heimat sollte in ihm zum Klingen gebracht werden. Stattdessen vereinten sich Gesänge unterschiedlicher Tonsetzer und Epochen, teilweise durch eine Moderation verbunden, zu einem gemeinsamen Thema. So beschäftigte sich ‚Wenn einer eine Reise tut ...‘ im Dezember des vergangenen Jahres mit dem mitunter beschwerlichen oder entdeckerfreudigen Ausziehen in die ferne Welt und setzte ,Abendbilder‘ im Februar 2017 dem romantischen Schaffen Robert Schumanns und Franz Schuberts ein Denkmal. Doch das Themenkarussell kommt noch lange nicht zum Stehen: Auch in der neuen Saison 17/18 widmet sich das Sängerensemble in unterschiedlicher Zusammensetzung an fünf Abenden wechselnden Fragestellungen. Dabei reicht die Bandbreite von Deutschland bis Italien, von der Romantik bis zur Moderne. So steht einmal der Dichter Heinrich Heine im Mittelpunkt, dem in den unterschiedlichsten Vertonungen eines Liszt, Schumann oder Ives nachgespürt wird. Ein andermal weicht der weltberühmte Poet einem Oldenburger Kollegen: Der Literat Julius Mosen, der in den 1840er-Jahren das Staatstheater als Dramaturg prägte, begeht in diesem Jahr seinen 150. Todestag. Eine perfekte Gelegenheit, um ihn in einem Recital der besonderen Art zu ehren. Doch zunächst heißt es „Holder Sang singt zu mir her!“, wenn am 24. September das Liedschaffen Richard Wagners in den Blick genommen wird. In Ergänzung zum gerade geschmiedeten Oldenburger ‚Ring‘ wird der Opernkomponist hier einmal von einer ganz anderen, intimen Seite beleuchtet. Dabei beschränkt sich das Pro-

gramm allerdings nicht auf den Musikdramatiker selbst: Neben die berühmten ‚Wesendonck-Lieder‘ und Wagners Goethe-Vertonungen treten Kompositionen seiner Freunde und Kollegen, die eindeutig Bezug auf ihn und seine Musik nehmen oder ohne dessen Einfluss gar nicht erst entstanden wären. Zwar nicht so bekannt wie Wagner, aber nicht minder hörenswert sind wiederum die Künstler, die am 4. November ‚Zu Besuch in Polen‘ erklingen. Im Rahmen der PolenBegegnungen der Stadt Oldenburg singen die beiden Ensemblemitglieder Martyna Cymerman und Tomasz Wija Lieder ihrer Heimat und nehmen uns so mit auf einen besinnlich-kulturellen Ausflug in unser Nachbarland. Und wem das zu wenig Eis und Pizza bereithält, der kann sich als Schlusslicht der Lied-Saison auf Bella Italia freuen. Berühmt geworden als „Land, wo die Zitronen blühn“, gilt Italien als musikalische Pathoshochburg, die durch den Melodienreichtum eines Puccini, Leoncavallo oder Verdi unsterblich geworden ist. Weniger bekannt dagegen ist die Tatsache, dass viele dieser Melodien zunächst in dem kleinen Format des Liedes ausprobiert wurden, bevor sie ihren Weg in die große Oper fanden. Lassen Sie sich also ein auf ein „Melodie-Raten“ der Sonderklasse und finden Sie heraus, welcher Opernhit zuvor in welchem Kunstlied seine Geburtsstunde fand! „Das Lied ist für die Opernsängerinnen und -sänger ein ungewohntes Terrain“, führt Carlos Vázquez abschließend aus. „Hier können sie sich nicht in einer Inszenierung, hinter einer Maske oder in den Tiefen eines Kostümes verstecken. Hier sind sie rein, direkt und vor allem sie selbst.“ Damit sind die Liederabende am Oldenburgischen Staatstheater nicht nur für das Opernensemble eine willkommene Abwechslung und die Chance, sich in

der Interpretation und Darstellung des Miniaturformates auszuprobieren, sondern auch das Publikum erhält die Möglichkeit, „seine“ Künstlerinnen und Künstler einmal ganz persönlich zu erleben. Sei es im Großen oder Kleinen Haus, in der szenischen Ballade, dem Strophenlied oder der melancholischen Momentaufnahme – immer geben die Sängerinnen und Sänger Einblicke in die unterschiedlichsten Klänge und Seelenlandschaften, an deren Zusammenstellung sie selbst mitgewirkt haben und deren Interpretationen in ihren ureigenen Händen liegen. Hautnah – oder wie Carlos Vázquez sagt: „vielseitig, intim und berührend.“ Valeska Stern

„Holder Sang singt zu mir her!“ Mit dem Lied zu Gast im Hause Wagner 24.09.2017, 18 Uhr, Großes Haus

Zu Besuch in Polen Ein Liederabend anlässlich der Kultur- und Informationsreihe der Stadt Oldenburg 04.11.2017, 19.30 Uhr, Großes Haus

Heimat in der Fremde Ein musikalisch-literarischer Liederabend zum 150. Todesjahr von Julius Mosen 27.11.2017, 20 Uhr, Kleines Haus

„Dann löst sich des Liedes Zauberbann“ Lieder nach Gedichten von Heinrich Heine 04.03.2018, 18 Uhr, Großes Haus

Bella Italia! Ein wahrhaft italienischer Liederabend 13.05.2018, 18 Uhr, Großes Haus

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22 Rebecca Seidel und Klaas Schramm sind ab dem 09.09.2017 wieder in ,Die Netzwelt‘ zu erleben.

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OPERNSeiten Wir entführen Sie ins Serail:

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Entführt oder verführt? ‚Die Entführung aus dem Serail‘ feiert in der Inszenierung von Kateryna Sokolova Premiere am 14. Oktober 2017 „… die Umstände erheitern meinen Geist dergestalten, daß ich mit der grösten begierde zu meinem schreibtisch eile, und mit gröster freude dabey sitzen bleibe.“

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ls der berühmte „tritt in arsch“ Wolfgang Amadeus Mozart 1781 vor die Tür des Salzburger Fürsterzbischofs Colloredo katapultierte, kam dies nicht so unerwünscht, wie die Formulierung gegenüber seinem Vater Leopold vielleicht vermuten lässt. Nun gut, vom Oberstküchenmeister Graf Arco hinausmanövriert zu werden, kratzte vielleicht etwas am Ego des Wundertalents. Doch ansonsten gab es nur ein kurzes Po-Abklopfen – und weiter ging die Reise gen heiß ersehnten Wien. Immerhin hatte Mozart schon seit geraumer Zeit an dem Band gezerrt, das ihn an seinen Salzburger Brotherrn kettete und so absolut nicht reißen wollte. Da musste er eben etwas provozierend nachhelfen und sich zeitgleich zu seiner Anstellung in Salzburg beim Wiener „General-Spektakel-Direktor“ für die Komposition einer Oper empfehlen. Mit Erfolg: Mozart wurde engagiert und rausgeschmissen – in die berufliche Freiheit wie die lokale Abnabelung von seinem Vater Leopold. Auslöser dieses Glücksfalls war niemand Geringeres als der österreichische Kaiser selbst. Um die Kluft zwischen Hof- und Volkstheater zu überwinden und bestehende Ständeschranken einzureißen, ernannte dieser nämlich 1776 das dortige Burgtheater zum Deutschen Nationaltheater. Hier wollte der sich volksnah gebende Joseph II. ein bewusstes Gegenbild zur italienisch geprägten Hofoper schaffen und das Theater im Sinne einer sittlichen Instanz zur Erziehung des Publikums nutzen. Aus diesem Grund musste es in erster Linie „verständlich“ sein und wurde deshalb auf Deutsch und mit gesprochenen Dialogen ausgerichtet. Mozart erhielt den Auftrag, ein „teutsches“ Singspiel auf einen Text Gottlieb Stephanie d. J. zu komponieren – und war darüber glückselig, wie obiges Zitat aus einem Brief an seinen Vater beweist. „… das Buch ist ganz gut …“ Mit dem Text, den er Mozart vorlegte, bewies sich Stephanie als absoluter en-vogue-Literat: In ihm wird die 24

Entführung der westlichen Christin Konstanze mit ihrer Zofe Blonde durch den osmanischen Regenten Bassa Selim behandelt. Während Konstanzes Verlobter Belmonte und sein Vertrauter Pedrillo ihre beiden Geliebten versuchen zu befreien, tickt die Uhr: Werden Blonde und Konstanze gegenüber Bassa Selim und seinem Aufpasser Osmin schwach? … Indem Stephanie auf die damalige Mode der Orientbegeisterung reagierte, legte er den Grundstein für den Erfolg der Oper. Denn 100 Jahre nach der zweiten gescheiterten Belagerung Wiens durch das Osmanische Reich hatte sich die ehemalige Bedrohung längst in ein Faszinosum gewandelt. Nicht nur die Wiener studierten begeistert Reiseberichte und Märchenanthropologien – die meist gar nicht so weit auseinanderlagen. Seit MarieAntoinette trug man in ganz Europa Kleider im „orientalischen“ Stil und mit Napoleons Ägyptenfeldzug wurden Turbane zum modischen Must-have. Dabei war „Orient“ eine geografisch sehr dehnbare Bezeichnung, die nach Vorderasien und Ägypten bald auch Gebiete in Afrika, China und Japan umfasste. Ähnlich diffus gestaltete sich auch die inhaltliche Auslegung dieses Landes: Despotismus, Wildheit, Sinnlichkeit, Brutalität, Erotik, Aberglaube und Gewalt – alles, was als Sehnsucht oder Angstfaktor im geordneten Westen keinen Platz fand, wurde ausgelagert. Das Fremde, das Abenteuerliche, das Andere – es wurde so Teil des Eigenen. Vielleicht gestaltete Mozart deshalb auch die Figur des Bassa Selim als Renegat, das heißt als in den Orient ausgewanderten europäischen Christen? „Bellmont und konstanze, oder die verführung aus dem Serail“ In einem ersten Brief an seinen Vater zu der neu zu komponierenden Oper versah Mozart sie mit dem Titel „die verführung aus dem Serail“ – ein wichtiges Indiz für die neue Emotionalität und Figurencharakteristik, die der junge Komponist in ihr zu realisieren gedachte. Bereits in der Umarbeitung der literarischen Vorlage von Christoph Friedrich Bretzner, auf die Mozart starken Einfluss ausübte, achtete er darauf, zwei komplexe Figurendreiecke gegeneinanderzustellen. Durch Aufwertung vor allem der Dienerfigur des Osmin entstand eine starke Verbindung zwischen diesem, der Zofe Blonde und deren Geliebten

Pedrillo. Selbiges fand sich auch auf höherer Figurenebene: Hier war Konstanze zwischen ihrem Verlobten Belmonte und dem nicht minder faszinierenden Bassa Selim hin- und hergerissen. „Führt man sich vor Augen, dass das Türkische in der Musik – wie Mozart selbst sagt – auf ‚die Sinfonie, den Chor im ersten ackt, und den Schlußchor‘ beschränkt ist, dann entdeckt man ein größeres Universum. Denn in dem geschlossenen System des Hauses Bassa Selims entfaltet Mozart die Naturgesetze der Liebe, des Zwischenmenschlichen. Ohne zu urteilen“, überlegt Kateryna Sokolova, die ‚Die Entführung aus dem Serail‘ in Oldenburg inszenieren wird. Die langjährige Assistentin von Christoph Loy präsentiert damit nach ‚Macbeth‘ der vergangenen Saison – eine Zusammenarbeit mit der Regisseurin Nadja Loschky – ihre erste eigene Musiktheaterarbeit. An ihre Seite tritt Christian Andre Tabakoff als Ausstatter, der bereits zahlreiche Produktionen an der Semperoper Dresden, der Bayerischen Staatsoper und dem Theater an der Wien realisieren konnte. Beiden liegen in ihrer Interpretation die zwischenmenschlichen Dreiecke dieses Stückes besonders am Herzen: „Es sind zwei komplett verschiedene Ansätze, mit Liebe und Beziehung umzugehen“, erklärt Kateryna Sokolova. Und weiter: „Wir wollen diese Figuren ganz nah an uns heranholen – in einen heutigen Raum, an einen paradiesischen Ort, an den der Bassa Konstanze ,entführt‘ hat. An dem sich alle Figuren den Fragen nach Eifersucht, Verlangen, Enttäuschung, Kontrolle, Angst und Treue stellen müssen.“ Dem Gedanken folgend, dass das Fremde namens Orient vielleicht nur die Exotik im Eigenen darstellt, spürt Kateryna Sokolova der Bitte Konstanzes nach: „Lass dich bewegen!“ Zu wieviel Empathie sind die Figuren fähig, um die Beziehung auch einmal aus der Sicht des Partners zu betrachten? Ab dem 14. Oktober 2017 wird in Oldenburg entführt und verführt – und wer weiß: vielleicht sogar zum Traualtar geführt …

Musikalische Leitung Vito Cristofaro

Inszenierung Kateryna Sokolova

Bühne und Kostüm Christian Andre Tabakoff

Bassa Selim Johannes Sima

Konstanze Sooyeon Lee

Blonde Alexandra Scherrmann

Belmonte Philipp Kapeller

Pedrillo Timo Schabel

Valeska Stern

,DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL‘ von Wolfgang Amadeus Mozart In deutscher Sprache mit Übertiteln Musikalische Leitung — Vito Cristofaro Regie — Kateryna Sokolova Premiere am 14.10.2017, 19.30 Uhr, Großes Haus Osmin Ill-Hoon Choung

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„Der Schritt zur Oper kam eigentlich ganz zufällig“ Kammersänger Paul Brady feiert sein 20-jähriges Oldenburger Bühnenjubiläum

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er Paul Brady einmal auf der Bühne erlebt hat, wird den Gedanken nicht los, dass es für den Bariton niemals einen anderen Berufswunsch gegeben haben könnte, als Opernsänger zu werden – so spielfreudig wirft er sich in jede Rolle, so unmittelbar zieht er das Publikum in seinen Bann. Umso erstaunlicher ist es, dass sein Werdegang zunächst in eine ganz andere musikalische Richtung wies: Dass er den Weg zur Musik einschlug, war seinem engagierten Musiklehrer zu verdanken. Der schickte den Zehnjährigen, der in der Klasse voller Inbrunst ‚Down by the Salley Gardens‘ gesungen hatte, nämlich zum irischen Jugend-Musikwettbewerb Feis Ceoil, was dem Kleinen durchaus einiges abverlangte, wie Brady lachend erzählt: „Da saßen all die aufgedonnerten Kinder und ihre Eltern und ich habe so einen Schreck bekommen, dass ich mich umgedreht und mein ganzes Lied zur Wand gesungen habe.“ Der Wirkung seines Vortrags tat dies offenbar kei-

Angst vor der Hexe? – Woher denn! – Als Peter Besenbinder vor einer ,Hänsel und Gretel‘-Vorstellung

nen Abbruch, denn er gewann den 2. Preis des Wettbewerbs. Kurz darauf trat er in den renommierten Palestrina Choir der St. Mary’s Pro Cathedral in Dublin ein, erlebte als Chorknabe die irische Chortradition und war überwältigt: „Ich kann das nur mit einem Kind vergleichen, das den Gott des Alten Testaments erlebt. Dieser Orgelklang, der die Kathedrale erfüllt hat, und dieser große Chorklang. Das hat mich richtig eingeschüchtert.“ Bald schon bestimmte Chorleiterin Ite O’Donovan ihn zum Stimmführer und betraute ihn mit solistischen Aufgaben. Auf dem Programm standen die großen geistlichen Werke von der Renaissance bis hin zur Romantik, die in Paul Brady ein ganz neues Gefühl erweckten: „Dieses Zusammen-Musizieren, diese Harmonie, die man spürt, wenn die Emotionen gemeinsam freigelassen werden … Das ist schon etwas ganz Besonderes!“

Paul Brady entschloss sich zu einem MusikwissenschaftsStudium in Maynooth. Der Chorgesang begleitete ihn nun unter neuen Vorzeichen, denn er wagte den Schritt vom Sänger zum Chordirigenten und zeichnete als Leiter des Chamber Choir der Universität für zahlreiche große Konzerte und sogar Fernsehauftritte verantwortlich. Und die Oper? – Die schlummerte noch immer im Verborgenen! Augenzwinkernd erzählt Paul Brady: „Zum Einschlafen habe ich immer Isoldes ‚Liebestod‘ mit Jessye Norman gehört.“ – Der hat offensichtlich seine Wirkung nicht verfehlt, denn irgendwann zog es den Bariton dann doch auf die Opernbühne. Er studierte bei Hans Sotin an der Kölner Musikhochschule und sammelte erste szenische Erfahrungen in Hochschulproduktionen. Der 18. Juni 1997 dann wurde für ihn zum Schicksalstag: zwei Vorsingen – eines für das Opernstudio in Hamburg, eines für das Ensemble des Oldenburgischen Staatstheaters – und zwei Zusagen! Sein Lehrer riet ihm: „Nimm den richtigen Job! Geh nach Oldenburg!“ – Und damit hatte das Oldenburgische Staatstheater seinen neuen Publikumsliebling. Inzwischen sind 20 Jahre vergangen, in denen Paul Brady in Rollen von Papageno bis Onegin, von Marcello bis Graf Danilo begeisterte. Als besonders faszinierend erlebte er dabei die Arbeit an Rollen wie Wozzeck oder Beckmesser, deren komplexe Charaktere es zu erforschen und zu erfül-

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Voller Konzentration vor dem Auftritt als Graf Danilo in ,Die lustige Witwe‘

len galt, sowie an Werken des zeitgenössischen Repertoires wie beispielsweise der Titelrolle der Opernuraufführung ‚Der heilige Antonius‘, die ihm als Interpret eine ungemeine Gestaltungsfreiheit ließen. Neben all dem schlägt das Herz des passionierten Opernsängers aber nach wie vor auch für die intime Form des Liedgesangs. Die Psychologie des Textes, das stets neue Erforschen all seiner Facetten und die Suche nach immer neuen Wegen zum bekannten Ziel reizen ihn. Paul Brady bekennt: „Was mich an Musik interessiert, ist immer das Menschliche, das dahintersteht.“ Das vermittelt sich – auf der Opernbühne wie im Konzert! Oldenburg hat Paul Brady, dem 2014 der Titel eines Kammersängers verliehen wurde, als unglaublich vielseitigen Künstler erlebt, in den tragischsten Opernrollen ebenso wie als glänzenden Entertainer. Ein Grund, „Danke“ zu sagen für 20 spannende Jahre und sich auf alles Weitere zu freuen! Annabelle Köhler

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OFFENESeiten

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STARTER und ENTER Kinder für Theater sensibilisieren und begeistern

S

eit vielen Jahren ermöglichen zwei Kooperationsprogramme des Oldenburgischen Staatstheaters – TheaterSTARTER für Grundschulen und ENTER für weiterführende Schulen – einen intensiven Austausch zwischen Schulen und Theater. Dabei geht es um kulturelle Teilhabe: Jede Schülerin und jeder Schüler geht mindestens einmal im Jahr ins Theater, um dort ein auf ihre bzw. seine Altersgruppe abgestimmtes Theaterstück zu sehen. Inzwischen sind über 40 Schulen der Region in die Kooperationen involviert und erleben das Theater als einen „anderen“ Bildungsort, der keine Antworten liefert, sondern Fragen stellt. Anlässlich des neuen Theaterjahrs sprach Theaterpädagogin Lea Schreiber mit den beiden Lehrerinnen Alke Zawischa (STARTER-Schule ,Staakenweg‘) und Gundel Döhner (ENTER-Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte). Acht Jahre STARTER und elf Jahre ENTER: Was bedeutet dieses Programm für Sie als langjährige Kooperationspartnerinnen? Alke Zawischa: Ich finde es wunderbar, dass das Oldenburgische Staatstheater über diese Zeit am STARTERProgramm festgehalten hat und immer ein sehr durchdachtes, vielfältiges Angebot für die unterschiedlichen Altersstufen bietet. Es ist eine wunderbare Möglichkeit für Kinder und Jugendliche, mit Theater in Kontakt zu kommen und regelmäßig immer neue Theatererfahrungen zu machen. Gundel Döhner: Ich bin 2008 mit meiner damaligen Klasse in das Programm eingestiegen. Unser erstes Stück war ‚Moby Dick‘ und ich erinnere mich, dass wir mit den Kindern kleine Wale genäht haben und die lagen dann bei der Aufführung alle vor den Kindern auf der Bühne des Kleinen Hauses … Oder war es das Große? Was ist STARTER bzw. ENTER mit Ihren Worten erklärt? AZ: STARTER bietet Kindern eine gute Möglichkeit, früh eine Verbindung mit dem Theater aufzunehmen, wunderbare – ihr Leben bereichernde – Erfahrungen zu machen und sich hoffentlich später aus eigenem Antrieb für Kultur verschiedenster Art zu interessieren. GD: ENTER ist für mich ein Angebot des Theaters, das es schafft, Kinder für Theater zu sensibilisieren und zu begeistern.

30 Das Oldenburgische Konzertzimmer

Wie beeinflusst dieses Programm den Schulalltag oder das Denken bzw. Verhalten der Schülerinnen und Kollegen? AZ: Unsere Besuche habe ich immer als sehr bereichernd für das (Schul-)Leben der Schüler und Lehrkräfte empfunden, da sie Erlebnisse ermöglichen, die der normale (Schul-)Alltag nicht bieten kann. GD: Im Kollegium ist das Projekt sehr gut angenommen und wird jährlich von vielen Klassen besucht. Durch die Zunahme der Zwänge des Schulalltags ist die Zeit natürlich begrenzt und die eine oder der andere ist sich unsicher, ob die Teilnahme zeitlich zu leisten ist. Für mich wäre das keine Frage, ich würde mir die Zeit nehmen, da ich überzeugt von dem Lerngewinn dieser Aktionen bin. Die Schülerinnen und Schüler haben immer mehr Spaß an Theater bekommen. Besonders solche Aktionen wie ,Theaterrallye‘ und ,Kinder im Orchester‘ haben das Verständnis der Kinder erweitert. Da könnte ich mir auch noch mehr Aktionen dieser Art vorstellen. Wir hatten nun das große Glück, an der weiteren Aktion ,SCHULE.SPIEL.THEATER‘ teilnehmen zu können. Das hat natürlich noch einmal einen ganz anderen Eindruck vermittelt. Die Kinder haben, nachdem sie auf der Bühne standen, Theater mit anderen Augen gesehen. Welcher Theaterbesuch ist Ihnen stark in Erinnerung geblieben? AZ: In besonderer Erinnerung geblieben sind mir die Stücke ‚Nur ein Tag‘ und ‚Waldlinge‘. Bei Letzterem – einem „fast wortlosen Tanztheaterstück“ in Kooperation mit dem Theater Kopergietery Gent – habe ich erlebt, dass Kinder nach der Vorstellung lautstark eine Zugabe forderten und den Theatersaal überhaupt nicht verlassen wollten. Seit einigen Jahren bin ich nun in der Inklusion in der Grundschule ,Staakenweg‘ tätig – die aktuell größte Grundschule Oldenburgs. Ich finde es besonders wichtig, gerade den Kindern, die privat nie ins Theater gehen, einen entsprechenden Zugang zu ermöglichen. Dies trifft ebenfalls besonders für Kinder geflüchteter Familien zu, die seit letztem Jahr die Schule besuchen. GD: Wichtig ist auch, dass es in dem Rahmen wie jetzt finanzierbar bleibt. Nicht alle Eltern können Theaterkarten so locker nebenbei bezahlen. Ein besonders spannendes „Experiment“ war der Besuch des Ballettstückes ‚Der kleine Prinz‘. Wir waren eher skeptisch, wie die Schüler und

Bei der ENTER-Führung durchs Staatstheater

Schülerinnen das annehmen würde, und im Nachhinein war es für uns sowie für die Kinder ein beeindruckendes Erlebnis. Wie werden die Theaterbesuche in den Unterricht integriert? AZ: Die Kinder freuen sich schon immer lange vor dem Theaterbesuch und erzählen auch später häufig davon. Die Lehrkräfte bereiten das Stück vor bzw. nach – was durch die bereitgestellten Materialien unterstützt wird. Die Stücke bieten immer vielfältige Anlässe zum Gespräch und zur Weiterarbeit. Diese werden, je nach Thema, in unterschiedlichen Fächern aufgegriffen. Ein Ritual in unserer Schule ist, dass die Kinder in ihren Ich-Büchern, welche sie die ganze Grundschulzeit begleiten, zu dem Theaterbesuch malen oder schreiben sowie das Programmheft und die Theaterkarte einkleben. Auf diese Weise haben sie eine bleibende Erinnerung. GD: Das war unterschiedlich und hing von dem Zeitpunkt ab. Teilweise haben wir sehr intensiv vorbereitet, u. a. auch mit den zur Verfügung gestellten Materialien. Das war eine tolle Sache und immer gut einzusetzen. Mit der Zeit haben wir es auch schon mal riskiert, ganz unvorbereitet ins Theater zu gehen, das Stück auf uns wirken zu lassen und nur eine Nachbereitung zu machen. Wir hatten mehrmals sogar das Glück, an Nachgesprächen mit dem Schauspielensemble teilnehmen zu können, das war sehr eindrucksvoll. Welche Schulen sollten auch an diesem STARTER-/ENTER-Projekt teilnehmen? AZ: Natürlich sollten alle Schulen diese Möglichkeit haben. Wenn es Kriterien für die Auswahl gäbe, würde ich Grundschulen, d. h. jüngeren Kindern den Vorrang geben und besonders solchen aus „besonderen“ Einzugsgebieten.

Bestimmte Kinder gehen ohnehin regelmäßig mit ihren Eltern ins Theater, andere haben diese Gelegenheit nie. GD: Natürlich auch Förderschulen, das halte ich für sehr wichtig. Ich selbst war an der Förderschule ,Hören‘ und habe mit hörbehinderten Kindern teilgenommen. Das Theater ist uns, z. B. bei der Platzwahl, immer sehr entgegengekommen, das haben wir als positiv erlebt. Probleme gab es für uns nur dann, wenn es in die 9. und 10. Klasse ging. Da waren die Stücke für die Schülerinnen und Schüler oft zu schwierig und wir haben darauf verzichtet. Vielleicht könnte man dort bei der Auswahl noch etwas mehr an die schwächer begabten oder sonst gehandicapten Jugendlichen denken. Ganz besonders möchte ich hervorheben, dass die Gebärdensprache immer mehr Zuspruch und Platz im Oldenburger Staatstheater bekommt. Weiter so! Das Interview führte Lea Schreiber.

KennENlernworkshops der Theaterclubs am Oldenburgischen Staatstheater Du möchtest Spielerin/Spieler der Theaterclubs werden, dich regelmäßig zum Theaterspiel treffen und ein eigenes Theaterstück erarbeiten? Dann komm doch vorbei, wenn zu Beginn der neuen Saison das theaterpädagogische Team die Clubprojekte 17/18 vorstellt und die Gruppen neu zusammensetzt. Kinderclubs (8-12 Jahre): 26.08.17, 11 bis 17 Uhr Jugendclubs (14-19 Jahre): 10.09.17, 10 bis 15 Uhr Erwachsenenclub: 22.08.17, 19.30 bis 22 Uhr Informationen und Anmeldung unter hanna.puka@staatstheater-ol.niedersachsen.de

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Kulp Name: Fabian 27 : er Alt ür nberg Herkunft: N

NEU

te Laune? dir deine gu Was sichert hkeit lic ög Rückzugsm Ausreichend ne st du auf ei Dinge würde Welche drei l retten? am wie einsame Inse ht, Survivalkr Menschen ge um t ch ni es Da tein oder Topf Messer, Feuers dingt est du unbe aum möcht Tr en ch el W n? verwirkliche Reihe sein r ,Ohrenbär‘de in er Sprech dich te auch für lenzitat könn Welches Rol fgelten? us E.T.A . Hof Sandmann.“ (a „Es gibt keinen ndmann‘) manns ‚Der Sa Bühnefregendstes sher dein au Was war bi aufrenerlebnis? h noch kein un ich tatsächlic e tt ha t tz je s Bi enerlebnis. gendes Bühn ch einmal auf di mrolle soll Welche Trau nssenwarten? in einer W isse Beispieltyp“ r te ch n und le he ch ac „s m Ein llig falsch irgendwas vö ie es w t, ig ze r dung. Ich will de n, mand zu sehe je nn da ist danach nier t. richtig funktio

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Name: Stephen Kaulan a Foster Alter: 26 Herkunft: O’ahu, Ha waii, USA Was sichert dir deine gute Laune? Sonnenschein und das Gefühl, ein Ziel zu hab en. Auch Kaf fee, eine gute Tasse Kaf fee! Welche drei Dinge würdest du auf ein e einsame Insel retten ? Da ich von einer Insel komme, würde ich sag en: ein Messer, eine Jukebox mi t meiner Lieblings-80 s-Musik und Sonnenkollektoren, um die Jukebox mit Str om zu versorgen Welchen Traum mö chtest du unbedingt verwirklichen? Ich möchte einmal Luk e Skywalkers Sohn spi elen – oder irgendeine and ere Rolle aus den ‚St ar Wa rs‘Filmen. Welches Rollenzitat könnte auch für dic h gelten? Kein Rollenzitat, aber: „When you can’t talk , sing. When you can’t sing, dance.“ Was war bisher de in aufregendstes Bühnenerlebnis? Im Sommer 2013 sang ich die Par tie des Dulcam ara in ‚L’Elisir d’amore‘ in New York. Es war meine ers te große Opernrolle und das erste Mal, dass ich einen fetten, alten Mann spi elte. Stundenlang hab e ich damals in irgendwelchen Parks alte oder fette Männer beobachtet : wie sie gingen, saßen und sich bewegt en. Ich wollte ihre Körperlichke it unbedingt realistisch auf der Bühne imitieren! Es mu ss funktioniert haben, denn die Kritiken schrieben dan ach, ich hätte den per fek ten Körperbau für diese Rolle gehabt – und auf der Pre mierenfeier hat mich keiner erk annt, weil sie anscheine nd alle nach einem 50-jährig en, kor pulenten Mann Ausschau gehalten haben und nic ht nach einem 20-jährig en Bass aus Hawaii … Welche Traumrolle soll einmal auf dich warten? Meine Traumrolle ist immer die nächste Ro lle, die auf mich wartet. Als fer nes Ziel habe ich mir abe r den Fliegenden Holländer gesteckt – vielleicht in 20 Jahren oder so.

ine gute Laune? Was sichert dir de gutem t tollen Menschen bei mi en Ein köstliches Ess Wetter e würdest du auf ein Welche drei Dinge ? einsame Insel retten Gerät n Lieblingslieder n, ein ine me t mi pe xta Mi Ein er ess ein Taschenm zum Abspielen und

NUEVO

Name: Katharina Shakina Alter: 25 Jahre Herkunft: Lemberg/Ukraine Was sichert dir deine gute Laune? Ein Glückskeks Welche drei Dinge würdest du auf eine einsame Insel retten? Ein Seil Ein Messer Ein Rubik’s Cube

SCHAUSPIEL

Name: Rebecca Seidel Alter: 24 Jahre im Herkunft: Hildeshe

gt chtest du unbedin Welchen Traum mö verwirklichen? n laufen. ich mal einen Marat ho Irgendwann möchte er der Ab n. ein Traum bleibe Das wird noch lange ganz on sch h Welchen Traum möchtest du auc ist zu haben, Traum, es geschafft unbedingt verwirklichen? schön. Auf einer einsamen Insel zu stranden h dic für ch au te t könn Name: Ja Welches Rollenzita n Breusted Welches Rollenzitat könnte t A lter: 26 n? lte ge nn we , das au auch für dich gen gelten? ist Es g. eri wi sch , H erkunft: „Es ist also, ähm Deutschla n diesen „Nach Moskau, nach Moskau“ nd zusammen ist und ma man mit jemandem d un t lieb h dic er (Tschechow: d ,Drei Schwestern‘) un iß we das er W a s si Menschen liebt und chert dir de mit deine gu er Par ty sprecht ihr bei Genügend te Laune du weißt das. Auf ein aut euch Aust ausch sch d un ? t Was war bisher ahl dein aufregendstes str d un ht lac mit Neuem d un B ten ew Leu n eg u andere n ht, g und viel nic r abe , gen Bühnenerlebnis? Au die in um Ra den beide quer durch l besitzerIn einem selbstgebauten Audi A4 aus fend seid, also sexuel Welche weil ihr besitzerg rei drei Ding ge Mensch hti ric Holz der und Pappe über die Bühne fahren ere and e würde der il we e ern ine einsa nd So . nd st du au ife gre g uri tra me Insel d un h f isc kom ist das d retten? Un M en. ei n e P ist in eurem Leb er le, ein Tom r hie d un rd Welche wi Traumrolle soll einmal en ahawk un Leben end Zig arette d eine zugleich, weil dieses erkt auf dich warten? z öffentlich und unbem gan lt, We e eim geh e ein n ma e wi so, ist Die böse Hexe iß davon. Es Welchen existiert. Niemand we gibt, Traum m ionen um uns her um öchtest ens Dim u ere nbeding and es s du sagt, das ich t s verwirkli wa , chen? hrnimmt. Das ist das Ic h w il l ei die aber niemand wa e n wi m end al irg er in Od . ng ei nem F ilm er Beziehu Leute k äm gegen 20 mir wünsche. Von ein pfen. ned. Ich bin kling, als wär ich sto Ich be. Lie en. Leb vom ‘) Ha dem Film ,Fr ances Welches nicht stoned.“ (Aus Rollenzit at könnte für dich auch gelten? s ste nd ge fre au in „K de r he u bis n r st wa is as W t machen – nebensä man mach chlich, was Bühnenerlebnis? t, sonder n dass man ng zum ersten Mal den ellu (U rst Vo lr er ein ic bei h Woelk: macht.“ Als ich r seh ein s ‚Tod Lieb ten musste, war die e Verkläru Souffleur um Hilfe bit ng‘) ch. mi für is ebn Was war ustigendes Erl aufregendes und bel bisher d e in aufregen Bühnene rlebnis? dstes dich ,Clockwo le soll einmal auf rk Orange Welche Traumrol ‘ warten? ne, dass , die ich noch nicht ken Welche Traumro Es gibt so viele Rollen lassen hen asc err lle soll e Traumrolle üb auf dich inmal warten? ich mich lieber von der D er Jo ker in ,Bat will. man‘ 33

NEW

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Kaum zu glauben: Mit der Saison 17/18 begrüßen wir sage und schreibe sieben neue Schauspielerinnen und Schauspieler, zwei Opernsänger sowie drei Tänzerinnen und Tänzer in unserem Ensemble. Parallel zu ihren ersten Vorstellungen auf den Oldenburger Bühnen gewähren elf der „Neulinge“ BÜHNENSEITEN einen ersten Einblick in ihre Wünsche und Träume, Rollenvisionen und Ängste.

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Willkommen in Oldenburg!

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OPER

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lisabeth Wendt Name: Helen-E Alter: 31 d im schönen ipzig geboren un Herkunft: In Le mmt meine sen. Außerdem ko Berlin aufgewach . osambik eine Hälfte aus M une? r deine gute La Was sichert di Gutes Essen auf eine nge würdest du Welche drei Di n? rette einsame Insel andem hl man das niem Menschen … obwo antun sollte … unbedingt m möchtest du Welchen Trau verwirklichen? Eine Weltreise auch für dich nzitat könnte Welches Rolle gelten? Fr age“ ;-) ein, das ist hier die „Sein oder Nicht-S amlet‘) (Shakespeare: ,H stes Bühdein aufregend Was war bisher nenerlebnis? aus unerfindträumt, dass ich Ich habe immer ge itt nicht auf zu meinem Auftr lichen Gründen s wirklich e. Dann ist mir da die Bühne komm eine Szene pf Ko in meinem passiert. Ich hatte n Kosd stand im nächste überspr ungen un mir die te au tenpult und sch tüm am Inspizien an. Bis irm ch lds Bi m ung auf de laufende Vorstell die d un r s meine Szene wa imir auffiel, dass da ov pr im e en herum die Sz Kollegen um mich r mich fü d un r ite we h ten einfac sierten. Sie spiel zu retten. lichkeit, das noch ög M e in ke es gab al auf dich rolle soll einm Welche Traum warten? lly Bowles e ich gerne mal Sa Im Moment würd viele … en. Aber es gibt so in ‚Cabaret‘ spiel

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Welche drei Dinge würdest du auf eine einsame Insel retten? Klavier, meine Familie, Bier Welchen Traum möchtest du unbedingt verwirklichen? Ich möchte auf den Bühnen der führenden Theater in der ganzen Welt singen. Welches Rollenzitat könnte auch für dich gelten? Das sind viel zu viele, als dass ich mich für eines entscheiden könnte. Was war bisher dein aufregendstes Bühnenerlebnis? Mein erster Opernauftritt – vor elf Jahren als Leporello in ‚Don Giovanni‘ Welche Traumrolle soll einmal auf dich warten? Lange Zeit war Scarpia meine Traumrolle, in ihr habe ich aber im Mai an der LA Opera debütiert. Als neue Traumrolle habe ich mir jetzt Simon Boccanegra gesetzt.

NEU

Name: Gabrune Sab linskaite Alter: 26 Herkunft: Vilnius, Lit auen Was sichert dir de ine gute Laune? Ein sonniger Morgen, leckerer Kaffee, mein Lieblingslied, Eis , ein Kompliment, ein Glas Rotwein, ein guter Film und ein produktiver Tag! Welche drei Dinge würdest du auf eine einsame Insel retten? Wasserfilter, Satelliten -Telefon, Survival-Kit Welchen Traum mö chtest du unbedingt verwirk lichen? Ein Jahr lang auf We ltreise zu gehen Was war bisher de in aufregendstes Bühnenerlebnis? Eine Zusammenarbei t mit PMD-ART – Interaktive Raumund Körperprojektionen. Ich war faszin ier t und begeister t von der Verbindung zwischen dem menschlichen Körpe r und digitaler Interaktion. Welche Traumrol le soll einmal auf dich warten? Zeitgenössischer Tan z ist oft nicht narrativ und hat keine Tra umrollen. Aber ich verkörpere ger ne die dramatischen Charaktere mit tiefen Gefühlen wie Schmerz, Verrückt hei t, Sehnsucht.

BALLETT SCHAUSPIEL

sei r Prince O

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Name: Oli ver Jones Alter: 24 Herkunft: Aus Englan d

lexande Name: A 7 2 r: Alte cken Was sich : Saarbrü ert dir de Herkunft ine gute e? n u L a aune? L te u g e in e d ir d Ich habe im hert in iPod mer gute La Was sic e und me une, wenn nach einem Ice Crem ich Cookies, Tag, an dem e in e f u a ich tanze, n u d H t au s se e ko rd ach m ü m w e. e A g ußerdem br drei Din das Spaziere ingt mir ? Welche n n d e ge n h tt u en re rs mit meinem Insel immer gute chenk u Hund einsame remdspra und positiv e Gedanke n, einen F Na fo me le : Fab e ian T Fel n. ix Dott g Mein n u st erausrü Alter: 29 Welche d eine Tauch rei Dinge würdest d Herkunft: Darmsta auf eine e du u dt insame In öchtest sel retten raum m T n Ic e h h ? w n lc ü ? e rde meinen h We c li k ir Hund mitn Was sichert dir de gt verw weil er nütz ehmen, ine gute Laune? unbedin sel leben lich und au samen In ßerdem ein in Sch e r laf, gu e Lie be, te in grüner Tee Gesellschaf e Au f e t wäre. Ich würde ein solarbetrieb könnte t a en it es z n La deger ät mit Welche drei Dinge s Rolle men, um m nehWelche würdest du auf en? einen mp3 ich gelt -Player aufz d ein r in e ein d f fü en sa al me h d , so Ins ulaan el d auc ret as G ten s – ic ? !“ h immer in d r Nar ren Papier, Stift, iPod mi er Lage bin Musik zu h t Schüttelakk u „Flieht, ih , ör ‘ e en g u in n d zu genieß der R (jaha, den gibt’s!) Und ich w en. ‚Der Herr ürde Trinkw d asser mitneh egen men, weil man nicht dein aufr sicher sein r bisher Welchen Traum mö W as kann, se ? r Was wa au ch is tes n f t ei b du n e er rl In e sel umgebe nen unbedingt verwirk Salzwasser ene n von stes Büh lichen? zu finden. rnsten Sz er in einer e Ein d e e , We n ab ltre e h ise m h m Ic o k e b f p hkram Welchen einen Lac n wollte. Traum mö r aufhöre chtest du h Welches Rollenzita e m unbeding t h nic t könnte auch t verwirk lichen? für dich gelten? M ei ll n o s T raum ist es lle , meine K ar Traumro „ha.ha. Sehr witzig …! Tänzer zu le riere als Welche “ warten? ben und m h ic d f u a it den größ (‚F l abi a an – C m der h Ga oreogr afen ng vor die Hunde‘, ein ten unserer Zei nd Erich Kästner) t zusammen zu arbeiten James Bo .

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Was sichert dir deine gute Laune? Reisen und der Besuch eines guten Restaurants

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OPER Name: Kihun Yoon Alter: 36 Herkunft: Südkorea

BALLETT

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Was war bisher de in aufregendstes Bühnenerlebnis ? Zehnte Klasse. Theat erAG. Stück: ‚Momo‘ von Michael Ende. Rolle: Beppo der Str aßenfe ger. Und ich vergesse den Text bei m Abschlussmonolog. Kurz vor der Be wusstlosigkeit vor Aufregung. Welche Traumrol le soll einmal auf dich warten? Frank (‚Dämonen‘, Lar s Norén)

Was war bisher de in aufreg tes Bühne endsnerlebnis ? Als ich in Po len getanzt habe, war meine erst e große Her ausforder u die Rolle d ng, es Rotbart im ‚Schwan zu tanzen. ensee‘ Es war ein sehr forder P ar t aufg ru nder nd der Chor eogr afie un des Char ak d ters, aber es war ein groß Erfolg. er

Welche T raumrolle soll einm auf dich w al arten? Das ist sch wer zu sage n, weil es so gibt. Aber al viele s ich in Stu ttgart zur B lettschule ge algangen bin , habe ich ei Werk des C n horeogr afen Uwe Schol gesehen. E z s hat mich sehr berüh ich würde rt und gerne einm al eine sein Kreationen er tanzen.

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SeitenBLICK Der Spielplan

SEITENBLICK

Das Theaterleben … „ein ewiges Wiederanfangen“ Vom Kommen und Gehen, vom Begegnen und Abschiednehmen

„W

as? Du weißt nicht, was du in zwei Jahren machst? Weißt nicht, ob du bleiben wirst … ob du bleiben kannst? – Diese Unsicherheit könnte ich nicht ertragen!“ – Jede/r Theaterschaffende kennt sie wohl, die erstaunten bis schockierten Reaktionen Außenstehender. Für uns, die uns Zeit unseres Theaterlebens ein befristeter Vertrag nach „NV Bühne“ begleitet, die wir das berühmte Jobkarussell meist schon selbst miterlebt, diverse Theater-Stationen hinter uns haben und dabei regelmäßig Kolleginnen und Kollegen ankommen und zu neuen Aufgaben ziehen sehen, ist das Kommen und Gehen längst alltäglich geworden. Es gehört zum Theaterleben wie das „ewige Wiederanfangen“ zum Theater als solchem.

takte geknüpft werden. Wie tief das alles geht, aus welchen Kontakten Freundschaften werden, zeigt sich mit der Zeit, wenn gemeinsam erste Hürden genommen und Bewährungsproben gemeistert sind … manchmal auch erst, wenn – wieder einmal – ein Abschied droht.

Was wir im Großen beim Antritt eines neuen Engagements oder neu ankommenden Kolleginnen und Kollegen erleben, wiederholt sich im Kleinen bei jedem Produktionsbeginn: Regieteams finden sich zusammen, suchen nach einer gemeinsamen künstlerischen Sprache und Ideen und gehen spätestens ab dem Konzeptionsgespräch mit ihrem Ensemble auf eine Entdeckungsreise, die von allen Beteiligten fordert, sich auf die Denkweisen Immer wieder lassen wir unser vertraut gewordenes Um- der anderen einzulassen, sich individuell einzubringen feld, Kollegen, Freunde, bisweilen sogar die Familie hinter und doch gleichzeitig mit dem Ganzen zu verschmelzen. uns und wagen den Schritt ins Unbekannte. Immer wie- Dass dies nicht immer ohne Reibung vor sich geht und der stehen wir voller Neugier, aber auch Nervosität vor bisweilen durchaus schmerzhaft sein kann, liegt auf der fremden Gesichtern und fragen uns, was die neue Etappe Hand. Doch nicht selten ist es gerade das Aufeinanderprallen höchst unterschiedlicher in unserem Leben wohl bringen künstlerischer Ansichten, das in wird. Dabei ist es nicht anders als der Diskussion Grenzen aufbricht auf der Bühne: Man hat Lampen„Das ganze Leben und der Produktion neues Feuer fieber! Auf der einen Seite treibt ist ein ewiges verleiht. Im Idealfall ist dieser Proeinen die hoffnungsvolle Aufzess von Respekt getragen, der es bruchsstimmung des Neuanfangs, Wiederanfangen.“ dem Einzelnen ermöglicht, sich zu fühlt man sich von der Vorfreude öffnen und sein Äußerstes zu geauf neue Aufgaben innerlich beHugo von Hofmannsthal ben. So wächst man allmählich zuflügelt und spürt man die Chance, sammen und bewegt sich gemeinsich ohne einengende „Vor-Urteile“ neu bewähren und womöglich gar verkrustete Struk- sam auf die Premiere zu. Irgendwann ist das letzte Wort turen aufbrechen und neuen Wind in ein bestehendes der Generalprobe gesprochen, der letzte Ton erklungen System bringen zu können. Auf der anderen Seite ist dies – und wieder heißt es loslassen: dieses Mal, um das flügnatürlich auch immer mit einem gewaltigen Erwartungs- ge gewordene Wesen einer Produktion in die Freiheit zu druck verbunden. Man hinterfragt sich und seine Ziele entsenden, in der Hoffnung, ihm mit dem eigenen Engaund versucht, sich in den gewachsenen Theater-Organis- gement die notwendigen Flügel verliehen zu haben oder mus, in den es einen getrieben hat, einzufügen. Man ent- sie ihm mit jeder weiteren Vorstellung wieder verleihen deckt bekannte Strukturen und muss sein Umfeld doch zu können. Ein Moment, der stolz macht, gleichzeitig aber stets neu ausloten. Dabei ist es immer wieder erstaunlich auch immer ein wenig Wehmut in sich birgt, insbesondere und schön zu erleben, wie schnell sich Menschen, die (zu- dann, wenn mit ihm eine harmonische Probenzeit zu Ende nächst) einzig die Liebe zur Kunst verbindet, näherkom- geht und stets auch wieder einige der Menschen weiterziemen können, wie sich unterschiedliche Mentalitäten und hen, mit denen man intensiv gearbeitet, vielleicht gelitten Kulturen mit Offenheit und Interesse begegnen und Kon- und ganz sicher auch gelacht und gefeiert hat. 36

Ein Theaterleben spielt sich in den seltensten Fällen an einund demselben Ort ab. Entwickelt sich eine Künstlerpersönlichkeit weiter, so erwacht in ihr mit der Zeit unweigerlich der Wunsch nach Veränderung, dem nicht selten der Schritt an ein anderes Haus folgt. Ist es auch das größte Lob für ein Theater, wenn es seine Mitglieder zu größeren Aufgaben ziehen lassen muss, so bleiben die ehemaligen Kolleginnen und Kollegen doch meist mit gemischten Gefühlen zurück. Doch das Karussell dreht sich weiter und der Kreislauf des Theaterlebens beginnt von vorne. Jeder von uns kennt den inneren Zwiespalt zwischen dem Drang weiterzuwollen und dem Gefühl, angekommen zu sein, zwischen dem Wunsch, Neues zu entdecken, und dem Wunsch, Liebgewonnenes zu bewahren. Genaugenommen ist das weniger theatertypisch als einfach nur zutiefst menschlich. Je mehr Stationen man jedoch hinter sich hat, desto deutlicher erkennt man, dass man von jeder Etappe

nicht nur Erfahrungen und Erinnerungen, sondern auch Menschen „mitnimmt“, die einen auch dann noch begleiten, wenn einen das Theaterleben längst an einen anderen Ort verschlagen hat. Zugegeben, der stetige Wechsel hat seine Licht- und Schattenseiten: Mal beruhigt es einen ungemein zu wissen, dass man es mit jemandem nicht länger als die übliche sechswöchige Probenzeit aushalten muss, mal verzweifelt man fast an dem Gedanken, die Zeit nicht aufhalten zu können. Doch bei all dem bekommt man Übung im Ankommen und Abschiednehmen und vielleicht wird man auch etwas mutiger in Entscheidungen, weil man erkennt, wie kostbar Zeit ist. Man lernt, mit dem Theater im Augenblick zu leben – und diesen zu genießen! Annabelle Köhler

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SEITENBühne

SEITENBÜHNE

Für Leib und Seele, mit Leib und Seele Über die Gastronomie des Oldenburgischen Staatstheaters

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iebe geht durch den Magen. – Dieses Sprichwort be- wie organisiert die Essensmengen. Süße Unterstützung stätigt sich nirgendwo mehr als in der Kantine des Ol- erhält sie dabei durch Lilia Trotzke, die „wohl größte Kudenburgischen Staatstheaters. Sei es beim morgendlichen chenbäckerin der Welt“. „Das hat in der Spielzeit angefanGang zur Kaffeemaschine, in der sehnsüchtig erwarteten gen, in der wir auf den Fliegerhorst ausweichen mussten“, Mittagspause oder beim nachmittäglichen Kuchen für Le- erinnert sich Susanne Diekmann. „Irgendwie entstand da ckermäuler – die Kantine ist der Ort für die bestgelauntes- ein Battle: Wer übertrumpft wen in seiner Backkunst? Lilia ging damals als strahlende Siegerin ten und zufriedensten Mitarbeiter des hervor und hat seitdem das Kuchenmoganzen Hauses. Na gut, mag sich jetzt nopol bei uns inne.“ Sind die duftenden der eine oder andere denken, mit Essen „Die Kantine ist Torten und dampfenden Nudeln erst ist noch jeder bestochen worden. Aber der Ort für die einmal aus der Küche entlassen, landen nein: Die Gastronomie des Oldenbursie in den verkaufstüchtigen Händen gischen Staatstheaters ist nicht einfach bestgelauntesten von Elke Janszen. In bewundernswernur „Essen“! Sie ist ein Gourmet-Menü, ter Ruhe managt diese jeden noch so bestehend aus 18-stündigen ÖffnungsMitarbeiter des geballt einfallenden Ansturm, während zeiten, einem vielfältigen Speiseangebot wiederum Hamzai, der Hahn im Korb, und dem wohl einmaligsten Personal ganzen Hauses.“ für die passende Stimmung sorgt. Der der Theatergeschichte. „Stimmt, wir Grieche ist das, was man im Allgemeisind eine große, verrückte PatchworkFamilie“, lacht Susanne Diekmann, die Leiterin der Gas- nen ein Unikat nennt: Für jede Mitarbeiterin hat er seinen tronomie. „ Alle haben ihren eigenen Hintergrund, ihre eigenen Kosenamen, das Leibgericht eines jeden Künstlers speziellen Fähigkeiten und etwas, das sie oder er ganz be- ist ihm bekannt. „ Ah, Shalom, was möchtest du essen?“, sonders gerne macht.“ Die Position der Familienmutter wird zum Beispiel die israelische Mezzosopranistin Hagar nimmt schon qua ihrer Amtszeit von jubilierenden 25 Jah- Sharvit begrüßt oder „Heute gibt es wieder Spaghetti Boren die Köchin Anke Heinemann ein. Alternierend mit der lognese“ freudig dem Generalintendanten Christian Firmin dieser Saison neu hinzugekommenen Lena Herold stillt bach entgegengebrüllt. Und neigt sich eine Abendprobe sie täglich den Hunger von Technikern, Schauspielerinnen auf der Großen Bühne ihrem Ende zu, steht Hamzai schon oder Dramaturgen, erstellt Speisepläne und budgetiert so- hibbelnd hinter lauter vorbereiteten Speisen – bereit, die

38 Seit 25 bzw. 10 Jahren am Staatstheater: Die Köchin Anke Heinemann …

… und Susanne Diekmann, die Leiterin der Gastronomie

hungrigen Künstlermünder mit Essen und seine Kasse mit klimpernden Münzen zu füllen. Doch wer nun denkt, mit der Kantine hätte es sich ausgegessen, hat weit gefehlt. Zu ihr gesellt sich ein großes gastronomisches Angebot für die Öffentlichkeit, das über das umfangreiche Hauptfoyer hinausgeht. So kommen Sonnenanbeterinnen und Koffeinliebhaber in den bunten Liegestühlen des Theatercafés auf ihre Kosten, Besucher des ‚Theatertalks‘ wiederum finden sich gerne Nüsse knackend und ein erstes Bier genießend in der Bar der Exerzierhalle ein. Und auf partywütige Oldenburgerinnen wartet in regelmäßigen Abständen die Tanzfläche der Glashausparty. Alle drei Orte stehen in der Verantwortung von Ina Fricke, die seit der Spielzeit 10/11 das Team rund um Susanne Diekmann ergänzt. Ihr zugeordnet sind für Café und Bar 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das wiederum 24-köpfige Kollegium unter Susanne Diekmann im Foyer ergänzen. Damit gehört die Theatergastronomie zu den personell größten Abteilungen des Hauses. Und das nicht ohne Grund: „Das Oldenburgische Staatstheater ist eines von wenigen Häusern deutschlandweit, das das komplette Catering eigenhändig stemmt und nicht auf einen Pächter zurückgreift“, bekennt die Gastronomie-Leiterin stolz. Tatsächlich ist es andernorts üblich, das publikumsgeöffnete Foyer und die hausinterne Kantine an einen externen Pächter zu vergeben. „ Aber so ein Pächter möchte natürlich Profit machen, während wir das ganze Theater im Blick haben. Nur indem wir alles in Eigenregie verantworten, können wir günstigere Preise anbieten, die langen Öffnungszeiten der Kantine halten und alle Extraveranstaltungen des Hauses begleiten.“ Sei es ein gebuchter Empfang eines externen Partners, die eigene Spielplanvorstellung oder eine Premierenfeier – jeder kulinarisch aufgewertete Ter-

min liegt in den zaubernden Händen von Susanne Diekmann und ihrem Team. Dadurch ergibt sich auch die von ihr geliebte Abwechslung der täglichen Arbeit: „Wir haben selten einen normalen Acht-Stunden-Tag. Beim Opernball versorgen wir in Gala-Robe an die 1000 Gäste, im Foyer reichen wir in einem Affenzahn Brezeln, Lachsschnittchen und Käsebrötchen und in der Kantine freuen wir uns über all die verrückten Künstler“, erzählt die Gastronomie-Leiterin. Und ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Damit wir das auch alles schaffen, haben wir kürzlich eine Sportgruppe gegründet: Heute zum Beispiel treffe ich mich mit meinen Foyer-Mädels und -Jungs wieder zum Body-Pump. Die ganzen Weinkisten müssen ja auch geschleppt werden ...“ Kein Wunder also, dass Susanne Diekmann ihren eigentlich angedachten Beruf als Grundschullehrerin noch vor dem Referendariat an den Nagel hängte: Als sie vor zehn Jahren als Aushilfe im Foyer des Oldenburgischen Staatstheater begann, fing sie Feuer und blieb da. „Ich liebe dieses Haus, ich liebe mein Team und ich liebe die Tatsache, dass hier alle wahrhaft mit Leib und Seele bei der Sache sind. Ich würde nirgendwo anders sein wollen.“ Na, wenn das nicht der perfekte Trinkspruch ist – für den nächsten Sekt im Foyer, das Feierabendbier in der Kantine oder ein „Hoch die Tassen“ im Theatercafé! Valeska Stern

Sie möchten Ihren Theaterbesuch mit einer kulinarischen Veranstaltung kombinieren oder vielleicht gar selbst zu dem jungen Team im Hauptfoyer gehören? In beiden Fällen melden Sie sich gerne und jederzeit unter susanne.diekmann@staatstheater-ol.niedersachsen.de!

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JungeSeiten

TheaterGeheimnis

Liebe in Zeiten von Facebook Das Junge Staatstheater eröffnet seine Saison mit Cyrano

Vorhang auf! Oder: Was ist eigentlich eine Soffitte?

W

„V

ir alle wissen: Das mit der Liebe ist eine komplizierte Sache. Liebe ich, wenn ich liebe, die Person, oder etwas an ihr? „Ich liebe dich, weil du du bist“ oder liebe ich deine Eigenschaften, deine Schönheit, deine Intelligenz etc.? Am Anfang einer Liebe steht die Verführung. Man fühlt sich angezogen, weil eine Person so oder so ist. Und wird die Liebe enttäuscht oder lässt sie nach, stellen wir fest, wir haben die Person nicht um ihrer selbst willen geliebt, sondern weil sie so oder so war und nicht mehr ist. Für den französischen Philosophen Jacques Derrida zeigt sich im Dilemma der Liebenden auch die grundsätzliche Frage nach dem Sein. Bin ich per se ‚Jemand‘ oder bin ich das, was die anderen in mir sehen? Bei Roxane und Christian ist es Liebe auf den ersten Blick. Kawumm, schon ist es passiert und damit beginnen die Probleme. Denn Christian ist schön, aber gegenüber Frauen fehlen ihm die Worte. Deswegen wäre auch nie ein Gespräch zustandegekommen, wenn nicht der Zufall Christian in das Umfeld von Cyrano getrieben hätte. Der ist ein Haudrauf, ein Freigeist und ein Dichter. Außerdem ist er Roxanes Vetter. Das macht ihn aus Sicht der beiden Liebenden zum geeigneten Mittelsmann. Was beide jedoch nicht ahnen: Auch Cyrano liebt seine Cousine. Allein dass er sich selbst als geradezu grotesk hässlich empfindet, hält ihn davon ab, es ihr zu gestehen. Als Christian sich ihm offenbart, sieht er die Chance gekommen, seiner Liebe Ausdruck zu verleihen, ohne sich selbst zu zeigen. Er überredet ihn zu einem verhängnisvollen Pakt. Christian soll die anspruchsvolle Roxane mit seiner eigenen Schönheit und Cyranos Worten verführen. Die Rechnung scheint aufzugehen. Nur wurde sie ohne den Wirt gemacht. Denn Roxane hat noch einen weiteren Verehrer. Den mächtigen Grafen De Guiche. 40

Die Protagonisten in Edmond Rostands ‚Cyrano de Bergerac‘ sind von Liebe ergriffen. Doch die mächtigste Triebfeder ihres Handelns bleibt die Angst vor Spott. Selbstquälerisch streben sie nach innerer und äußerer Perfektion. Das Ergebnis heißt Scham. Und so tun sie in einem Umfeld, in dem die Wirkung alles ist, das Naheliegende. Sie arbeiten an der Optimierung ihrer Selbstdarstellung. Sie suchen nach ihren Vorzügen, sie arbeiten an ihren vermeintlichen Defiziten. Roxane sucht den makellosen Mann und Cyrano denjenigen, der seinen Makel beheben kann. Sie alle glauben, Liebe nur in der Perfektion erfahren zu können. Und so beuten sie einander aus, um die eigenen Ziele zu erreichen. Sie lügen und faken, was das Zeug hält. Doch der listige Versuch, die Versprechungen der Liebe einzulösen, ohne sich ihrer Verletzungswucht auszusetzen, muss fehlschlagen. Vielleicht können sie aus der Deckung heraus lieben. Mit der Liebe leben, können sie nicht.

orhang auf!“ heißt es über 600-mal in der Spielzeit am Oldenburgischen Staatstheater. Doch Vorhang ist hier nicht gleich Vorhang. Allein beim Hauptvorhang, der zur optischen Trennung von Bühne und Zuschauerraum dient, gibt es die unterschiedlichsten Ausführungen: Der griechische Vorhang (die häufigste Version) wird zu den Seiten aufgezogen, der deutsche Vorhang wird ungeteilt nach oben aufgezogen, der italienische bleibt an den oberen Hälften zusammen und wird mit den unteren Hälften an den Kanten befestigt und diagonal geöffnet. Die technisch aufwändigste Variante wiederum ist der französische Vorhang, der mit zwei kombinierten Zügen nach oben und auch diagonal aufgezogen wird. Eine Variante davon stellt der Wagnervorhang dar, dessen Vergrößerung der Öffnung an eine Irisblende erinnert. Recht simpel dagegen kommt die Brecht-Gardine daher: beidseitig aufziehbar, laufend auf einem in knapp halber Bühnenhöhe gespannten Draht. Das Ganze soll nach Brecht der Desillusionierung dienen, weil das Publikum so den Szenenumbau verfolgen kann. Und da wir uns gerade im vorderen Bühnenbereich tummeln, soll der Vorhang mit der wohl ungewöhnlichsten Bezeichnung nicht unerwähnt bleiben – die Soffitte. Sie wird im gerade noch sichtbaren oberen Bereich der Bühne in der Deckenkulisse aufgehängt und verhindert den Blick auf den Schnürboden. Je nach Art ihrer Aufhängung oder

Bewegung dient die Soffitte der optischen Vertiefung der Perspektive. Der massivste Vorhang ist der ,Eiserne‘, der sich hier nicht über den europäischen Kontinent senkt, sondern als Schutzvorhang vor dem Hauptvorhang, und der den Zuschauern im Falle eines Brands einen sicheren Fluchtweg ermöglicht. Natürlich muss es auch jemanden geben, der sich mit all diesen Vorhängen und vor allen Dingen ihrer Herstellung auskennt. Am Oldenburgischen Staatstheater ist das seit 26 Jahren Dekorationsmeister Rolf-Dieter Grote. Er beherrscht nicht nur die Kunst, aus 200 Metern Stoff einen Wagnervorhang zu fertigen, sondern kann auch einen gerissenen Hauptvorhang zwischen zwei Vormittagsvorstellungen reparieren oder „eben mal“ 15 Meter Stoff neu zusammensetzen und wieder einsatzfertig anbringen. Und dann wären da noch der Wolkenvorhang, der Rollvorhang, die Opera, die Gassenschals … – Also Vorhang zu und alle Fragen offen. Caroline Schramm

Marc Becker inszeniert ,Cyrano‘ mit spektakulären Degengefechten – in der Kampfchoreografie von Robert Schnöll –, aber sehr heutig für Jugendliche ab 12 Jahren und Erwachsene als Geschichte großer Gefühle, Täuschungen und tragischer Verwicklungen sowie als Hommage an die Poesie. Matthias Grön

,CYRANO‘ nach Edmond Rostand ab 12 Jahren Fassung von Matthias Grön nach der Übersetzung von Ludwig Fulda Regie — Marc Becker Premiere am 01.09.2017, 18 Uhr, Exerzierhalle

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GASTSEITEN

Das Kaleidoskop einer Schulklasse »Einige dieser Monologe sind so stark wie die

Eine theatralische Kolumne von … John von Düffel

feinsten Kurzgeschichten. Mit doppelten Böden und Beobachtungen, die einen ins Mark treffen.«

MEHR GEGENWELT!

Anne Haeming, SPIEGEL ONLINE

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mmer wenn ich an Oldenburg denke, fällt mir ein, wie die Zeit vergeht. Fast fünfundzwanzig Jahre ist es her, dass ich am Oldenburgischen Staatstheater als Dramaturg engagiert war – eine Zeit, die ich in sehr guter Erinnerung habe. Und der Anblick des Hauses am Theaterwall, wie es sich stolz über die Dächer der Residenzstadt erhebt, verursacht mir noch immer Hochgefühle, gemischt mit einer Portion Nostalgie. Das Oldenburgische Staatstheater steht nach wie vor gut da in der Stadt, in mancher Hinsicht sogar besser denn je. Und doch hat sich viel verändert in der Theaterlandschaft seitdem. Von der feudalen Anmutung und dem repräsentativen Gepräge mäzenatischer Zeiten ist in den Theatern deutschlandweit nicht viel geblieben. Sie sind keine Kulturtempel mehr, sondern straff geführte Unternehmen. Das ökonomische und politische „Controlling“ ist in sämtlichen Alltagsentscheidungen präsent, der Legitimationsund Erfolgsdruck enorm. Die vielgerühmte künstlerische Freiheit in Deutschland ist gottlob unangetastet und wird nach wie vor in einem Kulturerbe-würdigen Maße staatlich unterstützt. Doch diese Errungenschaften sind sehr viel enger und strenger rückgekoppelt an die Parameter Wirtschaftlichkeit und Effizienz als Ende der achtziger Jahre und Anfang der neunziger, obwohl damals das Geld in den öffentlichen Kassen auch schon notorisch knapp war. Um nicht missverstanden zu werden: Gegen den verantwortlichen Umgang mit Geldern – insbesondere öffentlichen – ist nicht das Geringste zu einzuwenden. Doch die Spar- und Effizienz-Anstrengungen der Theater fordern ihren künstlerischen Preis. Die Anzahl der Premieren und Vorstellungen ist in nahezu allen Theater auf das Anderthalbfache gestiegen, die Anzahl der Vorstellungen pro Saison hat sich nicht selten verdoppelt. Im Zuge dessen ist das Drei-Generationen-Ensemble aus jungen, mittleren und älteren Schauspielern fast verschwunden. An der Spitze der Ensemble-Alterspyramide stehen heute oftmals ein, zwei Fünfzigjährige, die nahezu alles spielen von ihrem Lebensalter aufwärts. Und sogar die frischen Kräfte von der Schauspielschule werfen immer häufiger nach zwei, drei Jahren in der Stadttheatermühle das Handtuch. Der „Burnout“ macht vor dem künstlerischen Personal nicht halt. 42

»John von Düffel ist ein Schreibwütiger. [...] Jeder der Figuren legt er eine eigene Sprache in den Mund und schnallt ihr ein anderes Sein auf den Rücken. Jede und jeder hat eine Poesie. [Der Roman ist] ein Narrativ der Digitalisierung.« Hamburger Abendblatt

John von Düffel

In der Fließbandproduktion zwischen Proben und Premieren wird es immer wichtiger, sich darauf zu besinnen, worin der Erfolg eines Theaters eigentlich besteht: Einnahmen und Auslastungszahlen sind dabei ein Faktor, aber eben ein rein quantitativer. Darüber darf man den wichtigsten Anspruch nicht vergessen: den einer besonderen Qualität. Wenn man die Angleichung der Theater an die herrschende „Unternehmens- und Servicekultur“ immer weiter betreibt und sie sich zunehmend marktförmig und marktkonform verhalten, wird das Spezifische dieses ästhetischen Schutzraums verschwinden, ihr fantastisches, vielleicht sogar utopisches Potential. Schließlich geht es im Theater nicht nur darum, die Welt zu beschreiben, sondern darüber hinaus eine Gegenwelt zu entwerfen. Es geht um die gemeinsame Hingabe an den Theatermoment und seine Flüchtigkeit in einer materiellen Gesellschaft, und es geht um Teilhabe der Zuschauer an dem zu schlagenden Funken der künstlerischen Freiheit. Doch dafür muss Theaterarbeit auch in sich selber frei sein. Ihr John von Düffel

John von Düffel wurde 1966 in Göttingen geboren, wuchs u. a. in Oldenburg auf und machte hier sein Abitur. Er arbeitet als Dramaturg am Deutschen Theater Berlin und ist Professor für Szenisches Schreiben an der Berliner Universität der Künste. Seit 1991 ist der Dramaturg und Autor an verschiedenen Theatern tätig gewesen, so auch eine Zeit lang am Oldenburgischen Staatstheater. Seither hat er zahlreiche Romane und Erzählungsbände veröffentlicht. Für seinen Debütroman ,Vom Wasser‘ wurde John von Düffel vielfach ausgezeichnet. Über seinen jüngst erschienen Roman ,Klassenbuch‘ urteilt die Presse „John von Düffel […] ist einfach virtuos.“

318 Seiten / 22,– € Auch als eBook erhältlich

www.dumont-buchverlag.de

9834 Klassenbuch Anzeige halbseitig quer.indd 1

Impressum Spielzeit 17/18 Herausgeber: Oldenburgisches Staatstheater Generalintendant: Christian Firmbach Redaktion: Dramaturgie und Öffentlichkeitsarbeit Chefredaktion: Caroline Schramm, Valeska Stern Bildnachweise: Cover, Produktionsfotos und Porträts (sofern nicht anders angegeben): Stephan Walzl, S. 6 & 32 Kihun Yoon: Kristin Hoebermann, S. 15: Paal Sørensen, S.26/27: Imke Mühlenfeld, S. 40: Sandra Münchow, U3: Katja Sonnenberg Layout und Satz: Gerlinde Domininghaus Druck: Prull-Druck GmbH & Co. KG, Oldenburg Stand der Drucklegung: 16.06.2017, Änderungen vorbehalten. www.staatstheater.de Theaterkasse 0441. 2225-111

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PREMIEREN SPIELZEIT 17/18 OPER

SCHAUSPIEL

BALLETT

09. 09. 2017 DIE WALKÜRE

23.08. 2017 UTØYA (DSE)

14. 10. 2017 DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL

07.09. 2017 MICHAEL KOHLHAAS

11.11.2017 DREI GENERATIONEN (UA)

Großes Haus

Großes Haus

29. 10. 2017/ 26.05.2018 JESUS CHRIST SUPERSTAR Großes Haus/Uferpalast

02. 12. 2017 SIROE Großes Haus

10. 02. 2018 RIGOLETTO Großes Haus

17. 03. 2018 MARIA (DE) Großes Haus

05. 05. 2018 LA CENERENTOLA Großes Haus

23. 06. 2018 DIE COMEDIAN HARMONISTS Uferpalast

NIEDERDEUTSCHES SCHAUSPIEL 15.10. 2017 ... UN DENN DE HEVEN VULL VON GEIGEN (UA) Kleines Haus

11.02. 2018 ADAMS APPELN (NDE) Kleines Haus

01.04. 2018 OTELLO DRAF NICH PLATZEN Kleines Haus

Kleines Haus

Kleines Haus

25.11. 2017 DIE MÖWE Kleines Haus

23.02. 2018 DOKUSOAP. EPISODE 451 (UA) Exerzierhalle

24.02. 2018 GEÄCHTET Kleines Haus

25. 02. 2018 NATHAN DER WEISE Großes Haus

14. 04. 2018 ZUR SCHÖNEN AUSSICHT

Kleines Haus

27.01. 2018 SCHLÄPFER/ JULLY (UA)/ BLASKA Großes Haus

07.04. 2018 DIE SIEBEN LETZTEN WORTE (UA) Großes Haus

07.06. 2018 SCHEHERAZADE ERZÄHLT (UA) AUS 1001 NACHT Uferpalast

29.06. 2018 STUDIO MOVES Probebühne 1

Kleines Haus

19. 05. 2018 ALICE IM WUNDERLAND: L-S-DREAMLAND (UA) Uferpalast

JUNGES STAATSTHEATER 01.09. 2017 CYRANO Exerzierhalle

12.11. 2017 DER WUNSCHPUNSCH Großes Haus

18.11. 2017 DER BÄR, DER NICHT DA WAR (UA) Exerzierhalle

03.12. 2017 EMIL UN DE DETEKTIVE Spielraum

28.04. 2018 MEIN ZIEMLICH SELTSAMER FREUND WALTER Exerzierhalle

16. — 22. 06. 2018 Fes JUGENDtiva l THEATERTAGE Exerzierhalle


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