An dem Tag, an dem diese Spielzeitung erscheint, wird mit der ‚ Götterdämmerung ‘ unser RING endgültig seinen fulminanten Abschluss finden. Dem Ende folgt nicht nur in Wagners Philosophie ein neuer Anfang – und gewissermaßen ein neues Zeitalter: Mit dem Digital Ballroom in der Exhalle, der im Oktober startet, öffnen wir uns zeitgemäß auch auf theatraler Ebene für die Di-
Spielzeitung
Liebes Publikum!
gitalisierung, die viele künstlerische Überraschungen bereithält. Doch was wären wir ohne die Tradition, in der wir wurzeln, die uns geprägt hat und mit der wir uns deshalb umso mehr auseinandersetzen müssen? Das tun wir im Oktober in vielerlei Hinsicht: In der Oper ‚L’isola d’Alcina‘ werden der zeitlose Traum von ewiger Jugend und Schönheit, Stereotypen und kulturelle Zuschreibungen hin-
terfragt. Wenn sich im Niederdeutschen Schauspiel traditionellerweise ‚Alle unter eine Tanne‘ begeben, geht es um die zwischenmenschlichen kleinen und großen Katastrophen, die alljährlich das Weihnachtsfest für viele Familien heraufbeschwört. Der Chor streift im Konzert durch seine Lieblingswerke der Operngeschichte. Das Ballett eröffnet einen Reigen von Produktionen aus allen
Sparten, die sich mit Nachhaltigkeit und dem Bewahrenswerten von Bestehendem beschäftigen. Und im Sinfoniekonzert wird mit dem Érard-Flügel Klavier-Vergangenheit hörbar.
In dieses Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation laden wir Sie herzlich ein!
Ihr Redaktionsteam des Oldenburgischen Staatstheaters
NEWS
Eingeladen zum 9. KINDER-THEATERFEST!
Der Kinderclub ‚Hinter den Mooren 8‘ ist beim bundesweiten Kindertheaterfestival dabei und spielt am 08.10., unter Leitung von Hatice Karagöl und Regina Töws, am Theater Lübeck.
Bassist von Captain Peng bei Wahres oder Rares
Im Oktober wird das Ensemble der Revue ‚Wahres oder Rares‘ von einem ganz besonderen Gast unterstützt: Boris Nielsen!
Der Bassist von Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi kommt vorbei, um mit der Band rund um Multitalent Cindy Weinhold 40 Songs in 100 Minuten zu spielen – und mit „Gelernt“ sogar einen seiner eigenen!
Staatsorchester zu Gast in Hamburg
Am 24.10. gastiert das Oldenburgische Staatsorchester in der Hamburger Laeiszhalle.
Vollendet das ewige Werk!Der bezirzende Traum von ewiger Jugend
M it Ludovico Ariosts epochalem Epos ‚Orlando furioso‘ hatte die Zauberin Alcina (als Nachfahrin der antiken Kirke) Anfang des 16. Jahrhunderts in die Literatur Einzug gehalten und wurde mit ihrer ewigen Jugend und Schönheit zum Mythos – zu dem auch gehörte, dass sie die Männer, die ihr verfielen, vorzugsweise in Schweine oder Bäume verwandelte. Bald war sie auch auf der Opernbühne vielgefragt und gelangte vor allem durch Händel zu großer Prominenz.
Als Librettist Giovanni Bertati und Komponist Giuseppe Gazzaniga sich Anfang der 1770erJahre des Stoffes annahmen, war die europäische Aufklärung weit fortgeschritten, was mit sich brachte, dass auch mit alten Mythen aufgeräumt wurde, die man einfach nicht mehr ernst nehmen konnte. Der pointierende Zugriff beginnt schon damit, dass die Inselbesucher, die zu Beginn der Oper auf Alcinas Eiland landen, jeweils prototypische Vertreter eines europäischen Staates sind: England, Frankreich, Spanien, Italien und später auch Deutschland. Als den Neuankömmlingen mitgeteilt wird, auf wessen Insel sie sich befinden, erinnern sich die gebildeten Mitteleuropäer natürlich sofort an ihre Ariost-Lektüre. Sie versuchen es zunächst, aber nur kurz, mit Vernunft: Eigentlich kann es diese Alcina doch gar nicht mehr geben, die müsste doch in ihrem hohen Alter von 800 Jahren längst ein Skelett sein? Von einer der jungen
Gefährtinnen Alcinas werden sie umgehend einer alten Weisheit belehrt: Feen altern nicht, Alcina erfreut sich ungebrochener Schönheit und immerwährender Jugend.
Das reicht schon, um alle Zweifel der Männer beiseite zu wischen und eigentlich nur noch die Frage aufzuwerfen, wie man sich am besten gegen diese legendäre Femme fatale schützen kann.
Man versucht es mit dem Schwur, sich keinesfalls in Alcina zu verlieben, doch eine echte Fee lässt
sich von so etwas nicht aufhalten: Abgesehen davon, dass trotz Schwur die Männer von Alcinas Aura gefesselt sind und sie nur mit einer gewissen Halbherzigkeit immer wieder versuchen, sich an ihre Verabredung zu erinnern, weiß Alcina genau, was Männer schwach macht. Und wie schon einst Kirke überreicht sie jedem der Männer einen Begrüßungstrunk: Bei Kirke wurden dadurch die Männer umgehend zu Schweinen, bei Alcina nun vergessen sie alles – ihr bisheriges
Leben ebenso wie den Schwur. Spätestens nach dem Genuss dieser Erfrischung bieten die Besucher Alcinas weiteren Avancen also kaum mehr Widerstand und es entwickelt sich eine turbulente Handlung, in der sich jeder einzelne der Männer auf sehr individuelle Art mit Alcina auseinandersetzt.
So schildert ‚L’isola d’Alcina‘ die vergnügte Auseinandersetzung mit einem alten Mythos, der am Ende als „alter Zopf" abgeschafft wird. Und was eignet sich dafür
besser als eine Parodie? Alles wird auf die Schippe genommen: Von Alcinas Verführungskunst (in der sie sich selber nur noch halbherzig versucht) bis zu den nationalen Eigenarten der Inselbesucher (Klischee pur!), die sich auch in ihrer Sprache niederschlagen: Sie alle streuen muttersprachliche Redewendungen ein, Alcina verfügt nur über äußerst rudimentäre Französischkenntnisse und der Deutsche spricht ein fast unverständliches Kauderwelsch.
Kaum hatte ‚L’isola d’Alcina‘ 1772 in Venedig Premiere gefeiert, holte der Pfälzische Kurfürst Carl Theodor, der stets sehr aufmerksam und international nach guten neuen Stücken Ausschau hielt, das Stück in sein Schwetzinger Rokokotheater. In der Folge wurde die Oper auch noch an anderen Theatern angesetzt, u. a. in Wien und Dresden. Für die Wiener Fassung schrieb sogar Joseph Haydn noch eine zusätzliche Arie für Alcina. Dann versank die Oper in Vergessenheit und wurde von den Schwetzinger Festspielen erst jetzt wiederentdeckt. Wenn die Oper nun 250 Jahre nach ihrer Entstehung wieder zurück auf die Bühne findet, hat sich ihr Themenkreis erweitert und teils sogar noch größere Bedeutung gewonnen: Jugend- und Schönheitswahn, kulturelle Zuschreibung, Rollenbilder und Geschlechter-Stereotypen: So taugt diese Oper auch heute noch auf humorvolle Weise als Beitrag zur Aufklärung … ST
Nachhaltigkeit auf der Ballettbühne
Ende September fand die europäische Nachhaltigkeitswoche statt. Das Auswärtige Amt in Berlin bot gemeinsam „mit zwölf befreundeten Botschaften“ verschiedene Aktivitäten an und in 23 europäischen Ländern wurden 4796 Initiativen vorgestellt, die Projekte zur Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung verfolgen. Auch am Oldenburgischen Staatstheater ist dies ein dominantes und – ohne vorherige Absprache – spartenübergreifendes Thema. Die erste Ballettpremiere der Spielzeit ‚Interaction – Recycling I‘, zu der sich der Vorhang am 4. November im Kleinen Haus heben wird, ist in zwei Themenschwerpunkte unterteilt. Es beginnt mit ‚Interaction‘, einem Zusammentreffen von Bildender Kunst, Ballett und eigens für diesen Abend von Gunnar Brandt-Sigurdsson komponierter Musik. Albrecht Elsässer hat fünf Edelstahlskulpturen geschaffen, die sich mit der Persönlichkeitsentwicklung des Menschen auseinandersetzen. Dazu korrespondierend kreiert Antoine Jully, Ballettdirektor und Chefchoreograf, eine Choreografie, in der es um die Ausformung menschlicher Identität und Beziehungen geht. In ihren neuen Werken für den zweiten Teil ‚Recycling I‘ beschäf-
tigen sich die Gastchoreograf:innen So-Yeon Kim-von der Beck und Guillaume Hulot mit Aspekten der Nachhaltigkeit. Dies findet Widerhall im Konzept der Bühnenbilder und Kostümentwürfe, die aus Material aus dem Fundus des Staatstheaters entstehen. Guillaume Hulot wird in „RAVA GES“ ein Triptychon erschaffen, in dem er das Menschsein auslotet und hinterfragt, an welchem Punkt wir uns jetzt als (westliche) Gesellschaft befinden. Die Südkoreanerin So-Yeon Kimvon der Beck greift das globale Problem der Umweltverschmutzung mit den gewaltigen Mengen an (Plastik-)Müll auf, den große Teile der Weltbevölkerung produzieren. Damit entsteht eine Situation, der wir uns als Gesellschaft stellen müssen. Ihr Stück zeigt auch die Hoffnung auf, dass das Verhalten jedes einzelnen Menschen doch eine Auswirkung auf unser aller Zusammenleben haben kann.
‚Recycling I‘ begründet den Beginn einer Reihe im Kleinen Haus, die Antoine Jully ins Leben gerufen hat. Es interessiert ihn, wie der Klimaschutz auch in künstlerische Prozesse Einzug halten kann, z. B. durch die Verwendung von Materialien aus dem Fundus. So sind auch die Kostüme für ‚Interaction‘ eine Weiterentwicklung von nie
ganz fertiggestellten Kostümen eines Balletts, das pandemiebedingt nie das Licht der Bühne erblicken konnte.
‚Interaction‘, ‚RAVAGES‘ und ‚Human‘, drei neue Choreografien voller Denkanstöße, transportiert durch die Körper der Tänzer:innen der BallettCompagnie Oldenburg.
Bereits am 24. Oktober lädt die BallettCompagnie zur Soiree. Hier können Sie einen Einblick in die laufenden Proben gewinnen. TH
Soiree am 24. Okt 19 Uhr
Premiere am 04. Nov 20 Uhr Kleines Haus
Ab Mitte Oktober steht eine wiederentdeckte Alcina-Parodie dem Opernspielplan. Uralt und doch taufrisch … Die BallettCompagnie Oldenburg feiert ihre Saisoneröffnung mit ‚Interaction‘ / ‚Recycling I‘ Prototypen der Edelstahlobjekte von Albrecht Elsässer„So ein Jubiläum ist ein ganz nor maler Vorgang, nichts Besonde res!“ Ganz bescheiden ist Paul Brady, als ich ihn zum Kaffee in unserer Kantine treffen. „Ich würde mich nicht hervorheben wollen, denn es gibt so viele tolle Kolleginnen und Kollegen, die auch schon so lange hier arbeiten und Säulen des Theaters sind. Wir stehen schon so lange Seite an Seite, die verdienten es genau so, hier gewürdigt zu werden.“ 25 Jahre ist Paul nun bereits in Ol denburg. Und obwohl es für ihn – nun ja – irgendwie ganz normal ist, ist es für einen Sänger doch et was Besonderes (und immer Sel teneres!), so lange fest an ein- und demselben Haus zu sein. Die meisten Sänger:innen ziehen nunmal doch von Stadt zu Stadt, ganz dem traditionellen Wander leben von Künstler:innen ent sprechend.
Als er vor 25 Jahren nach Olden burg kam, war ihm kaum be wusst, dass man in Vollzeit als Profi-Opernsänger an einem Opernhaus arbeiten kann. In Ir
Gesprächsstoff
Die literarische (Wieder-) Entdeckung des Monats von Mirjam Thissen
land, wo Paul herkommt, waren Konzertgesang und Kirchenmu sik deutlich populärer als Oper: „Dort wurde 50 Mal im Jahr ‚Mes sias‘ gemacht. Kirchenmusik war deshalb eher meine Welt. Des halb hatte ich auch nur ganz we nig Bühnenerfahrung in der Oper. Und auf einmal war ich in Olden burg und hatte meine erste Pro be.“ An die allererste Produktion kann er sich erinnern, als war es gestern. Dr. Falke in der ‚Fleder maus‘ sollte er singen. „Da gab es Dialoge! Ich hatte vorher im Le ben noch nie Dialoge gemacht! Ich hatte solche Angst, dass ich um 6 Uhr morgens aufgestanden bin und bereits um 8 Uhr auf der Probebühne stand und versucht habe zu begreifen, was mir gerade geschieht. Also so ähnlich wie heutzutage!“, erinnert er sich la chend.
Dass Paul nach seinem Studium (das er sich als Barkeeper finan ziert hat) in Oldenburg gelandet ist, haben wir seinem damaligen Agenten zu verdanken. Er hatte ihm ein Vorsingen organisiert –und Paul hat die Stelle gewonnen. Er hätte auch die Möglichkeit ge habt, nach Hamburg ins Opern studio zu gehen. Aber sein Lehrer hatte ihm dazu geraten, doch „den richtigen Job“ anzunehmen. Die Stelle in Oldenburg war – wie sich herausstellte – tatsächlich „der richtige Job“: „Ich habe mich
sofort total verliebt in dieses Haus!“ Auf die Frage, was für ihn am Oldenburger Theater denn so besonders ist, antwortet er prompt: „Die Menschen. Es ist wie eine große Familie.“ So habe er auch nie erwogen, aus Olden burg fortzugehen: „Mein Sohn wurde hier geboren, ich bin schon mein halbes Leben hier, ich kann es selber kaum begreifen. Hier bin ich zuhause. Ich habe an vielen
arbeiten zu müssen, denn für mich ist das Singen keine Arbeit, es ist Vergnügen.“
Ein einschneidendes Erlebnis oder eine besondere Erinnerung der letzten 25 Jahre mag er nicht hervorheben, da gäbe es einfach zu viel: „25 Jahre – da muss man erst mal schlucken. Wenn man daran denkt, dass es die Oper in Oldenburg erst seit 100 Jahren
man sich da selber auseinander nehmen könne. „Das war immer das, was ich am Theater liebe –nicht das Alltägliche oder be stimmte Traditionen zu bedienen sondern auf die Suche nach etwas Neuem zu gehen, was zu Beginn immer unmöglich erscheint.“
Auch nach 25 Jahren wird es ihm nicht langweilig. Jede Produktion ist für ihn wie ein Neuanfang: „Jedes seiner Stücke zu seinem Lieblingsstück zu machen, das ist manchmal eine Herausforderung. Aber das Schöne am Theater ist, dass es immer irgendwas Anderes ist. Wir waren schon im Zirkus zelt, wir waren schon im Hangar. Jedes Jahr ist neu, eine neue Rei se!“
Auch die Mitarbeiter:innen des Staatstheaters freuen sich immer wieder, wenn sie in unserer Bücher tauschzelle vor dem Haupteingang Besonderes entdecken:
Kennen Sie Smørrebrød? Oder ha ben Sie schon einmal Fyllda strömmingsflundror probiert? Für die Vegetarier:innen wäre auch Kesäkeitto zu empfehlen. Neugie rig geworden? In der Bücherzelle finden Sie gleich 300 skandinavi sche Spezialitäten-Rezepte. In diesem Sinne: Smaklig måltid!
Theatern gastiert; es waren im mer schöne Erfahrungen, aber es war nie zu vergleichen mit Ol denburg.“ Für ihn ist das Theater das Herz der Stadt: „Ich könnte mir niemals vorstellen, ohne das Theater zu leben. Es pulsiert! Hier darf ich machen, was ich liebe! Ich bin einer der wenigen Menschen, die das Privileg haben, niemals
Ausstellung zu ‚Reise der Verlorenen‘
Zur Premiere von ‚Reise der Verlorenen‘ am 05.11.2022 zieht auch eine Ausstellung ins Günther-Goldschmidt Foyer ein. Die Kunst werke bauen eine Brücke von der tragischen Geschichte im Großen Haus zu jüdischer Kunst im heutigen Deutschland.
Dabei ist der Ausstellungsraum nicht ohne Ver bindung zum Schauspielstück: Der Oldenbur ger Flötist Günther Goldschmidt floh 1941 mit seiner Frau vor der antisemitischen Verfolgung der Nazis. Infolge einer Internierung im Kon zentrationslager Sachsenhausen versuchten sein Vater und Bruder bereits 1939 auf der St Louis aus Deutschland zu fliehen und wurden wie die Großzahl der Passagiere um ihre Visen betrogen, sie wurden in Frankreich aufgenom men, von dort aus aber an die Nazis ausgeliefert und in Auschwitz ermordet.
Demgegenüber entsteht nun eine Ausstellung mit Kunstwerken der Gegenwart, die sich den noch mit jüdischen Erbe beschäftigen, das trotz der Verfolgung durch den Nationalsozialismus noch bestehen geblieben ist. Die Skulpturen des hebräischen Alphabets von Jael Andra Be nar zeigen die erstmals 1100 vor Christus von den Phönizier:innen aus Hieroglyphen entwi ckelten Buchstaben und die Fotographien von Benyamin Reich werfen einen Blick auf Facet ten gegenwärtiger jüdischer Lebenswege. JD
gibt und ich bin ein Viertel da von! Das ist schon eine Haus nummer. Es gibt natürlich Rollen, die mir sehr viel bedeuteten, weil sie mich zu bestimmten und ein schneidenden Zeiten meines Le bens begleitet und geprägt ha ben.“ So hat Paul eine besondere Liebe zu schrägen Figuren wie Wozzeck oder Beckmesser, weil
Auch diese Spielzeit hält wieder Neues für Paul bereit. So freut er sich nach ‚Die letzten fünf Jahre‘ darauf, erneut in einem Musical spielen zu können: ‚Chess‘ steht für ihn gegen Ende der Spielzeit auf dem Programm. Und zuvor, Mitte Februar, die Operette ‚Charleys Tante‘: „Ich in einem Kleid! Ich freue mich sehr und bin ganz gespannt!“ Und wir erst!
Also eins ist auf jeden Fall klar: Oper in Oldenburg wäre nicht Oper in Oldenburg ohne Paul Brady. SK
Der Jubilar und Christian Firmbach kennen sich noch aus dem Studium.Wir laden Sie herzlich ein in den TECHNICAL BALLROOM — Das Theater der Digital Natives! Ein Theaterformat, das die Digitalität in den Mittelpunkt der Bühne rücken wird, ohne die Wurzeln des Theaters zu vergessen. Auf der linken Seite der Exhalle errichten wir eine vollkommen neuartige Bühne, die einen Brückenschlag zwischen digitaler und analoger Welt ermöglicht. Das Internet kann dort zum Theaterstück, ein Roboter zum Spielpartner und Sie zum mitentscheidenden Element werden.
Wer ist ein Digital Native? Womöglich sind Sie bereits in der Einleitung gestolpert: Das Theater der Digital Natives. Ein Theater, das nur einer Generation, die bereits in der Kinderwiege mit dem Internet, Smartphones und Digitalität aufgewachsen ist, zugänglich ist? Mitnichten! Das Internet kennt keine Altersgrenzen und der TECHNICAL BALLROOM auch nicht. Ein guter Theaterabend bedarf im Vorfeld keines Vorwissens, sondern erzählt sich von selbst. Genau so verhält es sich im Technical Ballroom sie brauchen kein Vorwissen, sie können nicht scheitern. Und eins ist gewiss: Die Digitalität hat unser ganzes Leben so eng umschlungen, sie betrifft uns alle.
Oder besitzen Sie kein Smartphone? Keinen Computer? Haben noch nie einen Videochat geführt? Noch nie im Internet bestellt? Und Sie haben sicher kein FacebookProfil? Vielleicht schlummert in Ihnen ja doch ein Digital Native.
Ein Programm fernab der großen Klassiker
Eine großartige Eigenschaft des Theaters ist es, sich stetig weiterzuentwickeln, aber dabei nie seine Geschichte zu vergessen. Während Sie im Großen und Kleinen Haus des Staatstheaters sowohl klassisches als auch modernes Repertoire erleben können, forschen wir im TECHNICAL BALLROOM an eigenen Stückentwicklungen, die sich ästhetisch wie inhaltlich mit allen Facetten der digitalen Revolution auseinandersetzen.
Erforschen Sie interaktiv mit uns
im Eröffnungsabend ‚Offline‘, was online und offline sein für Wohnungslose in Oldenburg bedeutet. Hören Sie, wie die Daten des Klimawandels Vivaldis berühmte ‚ Jahreszeiten‘ verfremden und was die Wissenschaftler:innen von Scientist Rebellion in ‚Die vier neuen Jahreszeiten‘ uns raten, um das Schlimmste zu verhindern. Übernehmen Sie Komplizenschaft, wenn wir in der ‚Tagesshow‘ mit allen Möglichkeiten des Theaters und mit modernsten Deep Fake-Algorithmen Deutschlands seriösestes Nachrichtenformat fälschen.
Im neuen Jahr können Sie dann in ‚14 Tage Krieg‘ durch immersive Virtual Reality-Technik den Platz des Theatermachers Lukasz Lawicki einnehmen, wie er im Sommer 2022 in die Ukraine gefahren ist, um Menschen über ihren Alltag und Nicht-Alltag im Krieg erzählen zu lassen. In der deutschsprachigen Erstaufführung des Stücks ‚Und das Wort war Gott‘werden Sie miterleben können, wie nah die technologische Vernetzung zwei Menschen zueinander bringen kann, die räumlich und ideell in ganz verschiedenen Welten leben. Im „Regie Labor“ laden wir Regiestudierende des renommierten Mozarteum Salzburg ein, unseren Digital-Analogen-Transitraum mit frischen Ideen zu füllen, und die Musiktheaterproduktion ‚Error 404: Pierrot not found‘ stellt Schönbergs Gedicht-Vertonung in einen Raum der digitalen Reflexion, der die Grenzen zwischen analoger und digitaler Welt verschwimmen lassen wird. Wir
beenden die Spielzeit des TECHNICAL BALLROOMS mit der Frage nach der Einzigartigkeit der Menschlichkeit. In Sophokles’ ‚ Antigone‘ heißt es: „Ungeheuer ist viel. Doch nichts ungeheurer als der Mensch.“ Auf der Bühne stellen wir Altenpflege durch Menschen und Roboter gegenüber und suchen nach der wahren Menschlichkeit, und dem wahren Ungeheuer.
Eine Bühne vernetzt sich in die Stadt Das Internet ist ein Netzwerk und auch unser Theaterprojekt versteht sich so. Um eine Bühne und ein Theaterprogramm zu erschaffen, das ein Tor ins World Wide Web wird, haben wir früh den Kontakt zu den wirklichen Expert:innen Oldenburgs gesucht. Mit dem OFFIS als An-Institut für Informatik der Universität Oldenburg haben wir einen spannenden und engen Kooperationspartner gefunden, durch den uns eine besondere Vernetzung von Wissenschaft und Kunst gelingen kann. Junge Wissenschaftler:innen begleiten unsere Theaterabende und helfen, dass der Sprung ins Digitale gelingt wir wiederum öffnen unsere Bühne immer wieder für wissenschaftliche Projekte und Studien, die Ihnen einen einmaligen Einblick in die Zukunft unserer immer digitaler werdenden Gesellschaft gewähren. So wird Ihnen die Kognitionswissenschaftlerin Frederike Jung mit der Virtual Reality-Installation ‚The Art of Privacy‘ den ersten Prototypen ihrer Forschungsarbeit prä-
sentieren, der die Relevanz und die Tragweite von Datenschutz hautnah und sinnlich erfahrbar macht. Ani Withoeft wird mit ihrer Forschungsarbeit zu Ko-Kreativen Systemen zwischen Mensch und Maschine das interaktive Ausstellungsereignis ‚Eine Stadt QR-atiert sich selbst‘ unterstützen: wir werden Sie mit einer großangelegte Plakataktion und QR-Codes in der Stadt um den digitalen Abzug eines Lieblingsbilds bitten. Ihr Lieblingsort, Ihr Lieblingsmoment, Trivia oder der Himmel über Oldenburg - der QR-Code führt Sie zu einem Portal, auf dem Sie vollkommen datenschutzkonform dem TECHNICAL BALLROOM ein Bild „schenken“ können. Aus dieser entstehenden Datenbank, dieser Kunstsammlung der Oldenburger:innen, wählt eine Künstliche Intelligenz in der Ausstellung für jeden Zuschauer die perfekt kuratierte Ausstellung aus. Eine Ausstellung von Ihnen, für Sie.
Generell öffnen wir unseren Bühnenraum ab 2023 alle zwei Wochen Samstags vormittags unter dem Titel TECHNICAL SHOWROOM als Ausstellungsraum für multimediale Kunstwerke umsonst. Erkunden Sie den Bühnenraum mit seinen knapp 100 LEDVideoelementen, diskutieren Sie bei einem Kaffee vor der Exhalle über das Gesehene und Erlebte und lernen Sie das weitere Programm kennen.
Die Technik dahinter Um diese vielfältigen und neuartigen Projekte realisieren zu kön-
nen, bedarf es eines besonderen Bühnenbildes. Aus knapp 100 LED-Videokacheln haben wir ein Ensemble an Videowänden entworfen. Diese lösen die im Theater bisher üblichen Projektionen ab und können unsere Videoinhalte darstellen ohne Schattenwurf und mit höchster Leuchtkraft. Die Schauspieler:innen auf der Bühne werden so eins mit den digitalen Welten, die wir darauf darstellen. Unser Ziel ist es aber nicht, den hoch geschätzten Malersaal unseres Theater arbeitslos zu machen, sondern dass unsere Künstler:innen die volle Bandbreite der digitalen Gestaltungsmöglichkeiten erproben können. Daher zielen wir genau auf das ab, was ein gebautes oder gemaltes Bühnenbild nicht vermag: interaktive, digital gebaute Räume, basierend auf der Technik von Videospielen; die Übersetzung von abstrakten Daten aus dem Internet in visuelle künstlerische Inhalte oder auch die Vernetzung verschiedener Orte durch Live-Videoübertragung.
Um diese Unmengen an Daten auf unseren LED-Wänden überhaupt darstellen zu können, ergänzen wir unser klassisches Ton- und Lichtpult um drei HochleistungsMedienserver. Und genau diese ermöglichen es uns auch, dass wir uns mittels 140 Tablet-Computern live im Saal mit Ihnen vernetzen. Hierüber können Sie, ganz im demokratisierenden Gedanken der Digitalität, immer wieder miterkunden und mitentscheiden und so viele Abende einzigartig mitgestalten. Dafür haben wir unser künstlerisches Team um den Programmierer Roman Engelmann ergänzt, der mit eigens geschriebenen Apps die Theaterabende auch auf unsere Tablets bringt.
Das Neuartige und noch Unbekannte zu finden ist schwer, es zu beschreiben ist oft noch schwerer. Aber hoffentlich können wir Ihre Neugierde für dieses einmalige Abenteuer wecken und Sie dazu bewegen, mit uns ein mögliches Theater der Zukunft ab dem 29.10.2022 im TECHNICAL BALLROOM zu entdecken. KB
OFFLINE!
Beim ersten Projekt der Reihe gründet das junge Publikum des ‚Technical Ballroom‘ zusammen mit dem Ensemble eine Detektei. Doch nicht irgendeine Detektei – vielmehr eine digitale Detektei. Die „Digital Detectives“. Zwischen Nullen und Einsen, zwischen Bits, Bytes und Burgern spüren die Schnüffler:innen auch noch die kleinste Spur im Internet auf und bringen jeden „Troll“ zur Strecke. Doch dann kommt ein Fall, der die Detektive vollends an ihre Grenzen bringt – genauer gesagt, an die
Grenzen des Internets. Denn „Kat“ – so der Name einer gesuchten Bloggerin – ist „offline“ gegangen. Ihre Spuren verlieren sich im Netz. Seit Wochen kein Post und keine neue Story. Gähnende Leere in der Timeline. Nicht mal ein popeliges Like bei Instagram. Vor dieses enorme Problem gestellt, entscheidet sich die Detektei, dorthin zu gehen, wo sie sich am unwohlsten fühlt: in die Realität. Mithilfe einer ganz realen Außenagentin, die mittels Tablets vom Publikum gesteuert werden kann, begibt man sich auf eine Suche im
Oldenburger Stadtraum. So können die einen im gemütlichen Situation-Room sitzen bleiben, während die Agentin mit Hightech-Bike und 360-Grad-Kamera die Außenwelt erkundet. Die Bilder, die sie dabei einfängt, werden nämlich live in den Theaterraum übertragen. So weit, so nice. Doch da wartet schon ein neues Problem: Kat – die gesuchte junge Frau – macht nicht etwa Digital Detox im Schweigekloster. Im Gegenteil: Sie hat mit ihrem Internetanschluss offenbar auch ihre Wohnung verloren. Kat ist ob-
dachlos, wohnungslos, auf der Straße, auf Platte – eben richtig offline. Sie zu finden, wird schwierig werden. Einzig ihr Handy hat sie zurückgelassen. Die Daten, Bilder und Chatverläufe darauf dienen der Detektei dazu, nun ihre wahre Geschichte nachzuvollziehen und die Außenagentin auf die richtige Spur zu bringen. Gemeinsam mit ihr begeben wir uns an Orte, an die uns unser normaler Alltag nie führen würde, die aber für so viele – gerade auch junge Menschen – völlig normaler Alltag sind.
Für die Recherchen zu ‚Offline‘ haben Regisseur Kevin Barz und sein Team mit zahlreichen Menschen aus dem Bereichen sozialer Arbeit und Obdachlosigkeit gesprochen. Auch wurden Interviews mit Betroffenen geführt, bei denen sich herausstellte, dass es gerade auch viele jüngere Menschen sind, die gezwungen sind, ein Leben auf der Straße zu führen. Uns ihre Welt und die Gründe für ihre Lebensumstände näher zu bringen, ist das Ziel von ‚Offline‘ JH
Hört uns endlich zu!
Vögel besingen die Ankunft des Frühlings, Schäfer und Nymphen feiern unterm Blätterdach, Gewitter bedrohen die Ernte und eine Schneeschicht legt sich über das Land. Vivaldis berühmte „Vier Jahreszeiten“ erzählen in eindrucksvollen Klangmalereien den Wechsel des Jahres, wie er sich Anfang des 18. Jahrhunderts vollzogen hat – und erzählen uns indirekt von Menschen, die als Teil der Natur ihr ausgeliefert sind und mit ihr zusammenleben. Doch seit der Komposition der Konzerte hat sich die Menschheit stark verändert – und mit ihr auch die Natur. Und umso fortschrittlicher der Mensch, desto größer der fehlgeleitete Glaube, über der Natur zu stehen und sie kontrollieren zu können. Das Bewusstsein darüber, was unsere Eingriffe in die Umwelt auf lange Dauer anrichten können, ist allerdings nicht erst seit der Moderne vorhanden. Bereits im 18. Jahrhundert warn-
ten Wissenschaftler:innen wie Alexander von Humboldt vor klimatischen Veränderungen aufgrund von menschlichen Eingriffen in die Natur. Und bereits damals zeichnete sich ab, was fatal geworden ist: Ihnen zuhören will niemand so wirklich, erst recht nicht Politik und Wirtschaft.
Auch heute reden Forscher:innen sich jahrzehntelang die Stimmbänder wund, warnen vor den erschreckenden Zahlen des Klimawandels, vor den Auswirkungen auf Natur, Kultur und Gesellschaft. Und auch sie mussten feststellen: Mehr als Symbolpolitik, der keine wirklichen Veränderungen folgten, passiert nichts. Ihnen wird einfach nicht zugehört. Statt zu resignieren (was eine naheliegende Reaktion hätte sein können) schlossen sie sich zusammen. Noch nie waren sich so viele Forscher:innen weltweit so einig über ein Thema – und so
verzweifelt. Unter dem Schirm der Umweltbewegung Extinction Rebellion, die durch Aktionen des zivilen Ungehorsams die Regierungen zu Maßnahmen des Klimaschutzes zu zwingen versucht, entstand Scientist Rebellion. „Wissenschaftler:innen haben Jahrzehnte damit verbracht, Berichte zu schreiben, Regierungen zu beraten, die Presse zu informieren: Alles hat versagt“, heißt es auf der Website der Bewegung. „Was nützt es, die Katastrophe, die uns bevorsteht, immer detaillierter zu dokumentieren, wenn wir nicht bereit sind, etwas dagegen zu tun?“ Wissenschaftler:innen, die rebellieren, statt elaborierte Berichte und Vorträge zu halten. Die in Kitteln auf die Straße gehen, statt im Labor zu stehen. Die einfordern, dass man ihnen endlich zuhört und endlich etwas tut. Die Klimareporte an die Presse leaken, bevor Wirtschaft und Politik drüberbügeln können.
Warum ist es so schwer zu begreifen, wovor Expert:innen seit Jahrzehnten warnen? Warum werden die Folgen immer wieder unterschätzt? Warum zur Hölle tut niemand was? Die Wissenschaftler:innen von Scientist Rebellion sehen einen der Gründe im sogenannten „shifting baseline syndrom“: Wir halten das, womit wir aufgewachsen sind, was wir also aus der Kindheit kennen, für normal. An diesem (scheinbaren) Standard messen wir die Veränderungen, die wir um uns herum erleben. In Bezug auf den Klimawandel, der sich über Generationen hinwegzieht, ist dieses Phänomen verhängnisvoll: Wir haben keinen Blick dafür, wie reichhaltig die Natur eigentlich sein müsste, weil sich ihre Zerstörung über mehrere Generationen hingezogen hat.
Vivaldi komponierte seine ‚Vier Jahreszeiten‘ auf Basis dessen, was für ihn die „normale“ Natur
war. Wenn wir uns das heute anhören, hören wir es vor dem Hintergrund unserer „normalen“, idealisierten Natur (die mit der damaligen Realität vermutlich nicht mehr viel gemein hat). Das ist ganz wunderbar praktisch, wenn man die Natur romantisieren und sich aus der harschen Wirklichkeit wegträumen möchte. Doch für das Träumen haben wir keine Zeit mehr – die Botschaft aus der Wissenschaft muss endlich ankommen. Zusammen mit Scientist Rebellion stellen wir Vivaldis Komposition auf die Probe: Wie klingen die Jahreszeiten, schickte man sie auf eine Zeitreise? Wie klingt die Natur von heute wirklich? Wie klingt sie morgen, änderten wir nicht unser Handeln? Lasst uns den Rufen der Wissenschaftler:innen endlich Gehör schaffen mit einem der direktesten Mittel, die wir haben: Musik.
Vivaldi, Scientist Rebellion und eine Tour de Force der Jahreszeitenenn der Sommer seine letzen warmen Tage mit sich nimmt und der Herbst ansteht, dann gibt es doch nichts Besseres als unter der warmen Decke liegend Netflix zu schauen und sich berieseln zu lassen, oder? Einfach den Insta-Feed durchscrollen und abschalten. Aber mit den fallenden Blättern muss keineswegs auch die Stimmung sinken, denn das Herbstcamp des Oldenburgischen Staatstheater steht vor der Tür und lädt alle „Digital Natives“ herzlich ein, einen gemeinsamen Blick auf unsere Insta-Feeds zu werfen.
Denn der Technical Ballroom bietet zahlreiche Möglichkeiten, die digitale Welt in die Exhalle zu katapultieren. Und genau das haben wir vor: Wir wollen der Generation Z, den Post-Millenials, die 1997 bis 2012 zur Welt gekommen sind und sich als „Digital Natives“ begreifen, eine Plattform bieten, um ihre Themen und Fragen zu verhandeln. Wir wollen uns damit auseinandersetzen, wie es sich anfühlt, in Zeiten von sozialen Netzwerken aufzuwach-
Herbstcamp – Ready to play?
sen... Und was denkst du darüber?
Was steckt hinter der „politischen Generation Z“? Bist du berühmt? Oder wärst du es gerne? Wann war dir das letzte Mal langweilig? Weißt du, wie sich InstaEinsamkeit anfühlt? Was steckt hinter der dunklen Wolke des Algorithmus? Was würdest du gerne aus dem Internet löschen? Und was für Fragen stellen sich dir, wenn du über deinen digitalen Konsum nachdenkst?
Aus diesen Fragen sammeln wir Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt der Digital Natives und verpacken diese in spannende, digitale Formate. Im Frühjahr 2023 werden die Ergebnisse in einer interaktiven Ausstellung im Technical Ballroom zu sehen sein.
Und wer wir sind? Choose your Character! Zum einen ist da Kiyan Naderi. Mit einer Screentime von 5 Stunden befindet er sich im guten Mittelfeld, auch wenn er aktuell kein Instagram hat. Er hat selbst viel Theater in Jugend- und Erwachsenenclubs gespielt und
entwickelt nun eigene TheaterProjekte. Nebenbei macht er seinen Doktor in Mathematik an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Zum anderen ist da Lotta Müser. Mit fünf aktuell gespeicherten Instagram Accounts auf ihrem Handy und der ständigen Angst, das Haus ohne Kopfhörer zu verlassen, ist sie ein klarer Fall der Generation Z. Auch sie spielte bereits in einigen Jugendclubs und ist die aktuelle FSJlerin der Thea-
tervermittlung des Oldenburgischen Staatstheaters.
Zusammen bilden die beiden ein Team der Digitalität und leiten neben dem Herbstcamp auch noch den Jugendclub ‚Sign Up‘.
Und dann seid da ihr. — Habt ihr Lust, diese Themen mit Inhalten zu füllen und alle möglichen digitalen und theatralen Formate einer Ausstellung auszuprobieren? Wir treffen uns vom 17-22. Oktober von 14-18 Uhr im Proben-
zentrum, tauschen uns aus, experimentieren mit digitalen Medien und entwickeln Formate. Außerdem lernen wir den Technical Ballroom kennen, besuchen Proben von „Offline“, der ersten Technical Ballroom Produktion und werden das erste Testpublikum sein.
Wenn ihr Fragen habt oder euch anmelden wollt, schreibt an mitmachen@staatstheater.de.
„Kunst ist ein Werkzeug zur inneren Welt“
Antonio, Toni, du bist zum Beginn der Spielzeit neu nach Oldenburg gekommen. Wie sah dein bisheriger Werdegang aus? Ich bin der Erste aus meiner Familie, der Musik studiert hat. Durch meinen Onkel, der Volksmusik gemacht hat, bin ich für Musik begeistert worden. Als Kind hätte ich aber nie gedacht, dass ich das mal beruflich machen könnte. Ich habe erst relativ spät, mit 14 Jahren, angefangen, Musiktheorie zu lernen. In Spanien ist es so, dass man zuerst Noten lesen können muss, bevor man ein Instrument lernen darf. Ich habe dann zunächst Grundschullehramt studiert und eine Weiterbildung als Chorleiter absolviert. Danach studierte ich einen Masterstudiengang „International Studies“. Während der ganzen Zeit habe ich immer nebenher Musik gemacht – hauptsächlich gesungen –, aber auch viel Community Music und Inklusionsprojekte geleitet.
Du arbeitest als Musikvermittler zwangsläufig auch mit Menschen zusammen, die bisher keinerlei Berührungspunkte mit einem Theaterbetrieb hatten. Wie verstehst du deine Aufgabe? Es gibt meiner Meinung nach zwei Herangehensweisen, die musikalische Arbeit ausmachen und die unterschiedlich stark beurteilt werden. Für die Arbeit mit Profimusikern steht immer das Erreichen musikalischer Ziele an erster Stelle. Bei der Arbeit mit Amateuren geht es mir aber in erster Linie um das Wohlbefinden der Menschen. Sie sollen Spaß und Freude an der Sache haben und aus eigenem Willen meine Angebote annehmen. Ich spreche gerne von zwei Welten: Die äußere ist die durch Wissenschaft zu erklärende Welt, die innere wird durch die Kunst dargestellt. Musik erlaubt es, den Sinn des Lebens zu reflektieren, zu spüren. Dieses Erleben möchte ich ermöglichen.
Wie bewertest du die Rolle der Institution Theater?
Ein Theater wird durch öffentliche Mittel finanziert und hat somit – neben anderen Institutionen – die Verantwortung, den Menschen diese oben erwähnten inneren Erfahrungen zu ermögli-
chen. Aus den Augen der Musikvermittlung ist mir das Brückenbauen und Türenöffnen sehr wichtig – aus der geschlossenen Theaterwelt heraus in die Stadt zu gehen.
Neben deiner Vermittlungsarbeit dirigierst du auch den Kinder- und Jugendchor. Wie hast du deine Leidenschaft für das Dirigieren entdeckt? Während ich darauf wartete, dass ich nach der ersten Musiktheorieprüfung als Jugendlicher ein Instrument lernen durfte, habe ich angefangen, in einem Kirchenchor zu singen. Der Dirigent bemerkte sehr schnell, dass ich nicht nur meine eigenen Noten gelernt hatte, sondern auch die Stimmen aller anderen. Daraufhin hat er mich eingeladen, ein Chorkonzert zu dirigieren – damals war ich 15 Jahre alt. Das war der Moment, in dem ich merkte, dass ich Dirigent werden möchte. Ein Jahr später bekam ich die Möglichkeit, das Musikschulblasorchester bei einem Auftritt zu dirigieren. Bis dahin hatte ich nur einen Chor dirigiert, das war sehr intuitiv; mit dem Blasorchester war das etwas völlig anderes. Dennoch untermauerte diese Erfahrung meinen tiefsten Wunsch: Musik zu machen.
6 Spielzeitung OKTOBER 2022 Literaturrätsel
H allo Schatz, tut mir leid, aber ich glaube ich komme heute doch ein bisschen später als ich dachte, iss gerne schon mal ohne mich. Diese Sitzung ist irgendwie sonderbar, kaum bin ich mal eine Woche nicht da und
es scheint alles würden mir alle etwas vorenthalten. Klar, ich bin neu und nicht von hier, aber ich bin doch genauso gewählt worden. Vorhin auf dem Parkplatz habe ich gehört, wie die anderen über Mr. Carp sprachen und nun
ist er aber irgendwie nicht da. Sie sagten mir, er sei gar nicht mehr Teil des Rates, aber wie geht das denn? Ich dachte ja, ich wäre auf alles vorbereitet: die Kleinlichkeiten, die unangenehmen Kompromisse, die Diskussionen bis tief in
Aber zunächst hast du dann ja andere Fächer studiert… Ja. Nach dem Abschlusskonzert bekam ich die erschütternde Nachricht, ich sei zu alt, um Dirigieren zu studieren. Ich war 16 und konnte kein Klavier spielen, deshalb wurde mir geraten, etwas Anderes zu machen. Doch während meines Studiums habe ich nebenher immer wieder als „Laie “dirigiert – verschiedene Chöre, Orchester oder auch Blaskapellen. Zunächst begann ich in Zürich eine Gesangsausbildung an der Zürcher Hochschule der Künste und arbeitete einige Jahre als Sänger. Schließlich wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass es am Konservatorium in Lugano die Möglichkeit gibt, Orchesterleitung mit Schwerpunkt auf Zeitgenössischer Musik zu studieren, ohne eine Klavieraufnahmeprüfung abzulegen. Das habe ich getan.
Welche Visionen hast Du für deine Arbeit?
Ich möchte so vielen Menschen wie möglich das Angebot machen, einen Zugang zur Musik zu bekommen. Dabei sollen sie selbst die Wahl haben zu entscheiden, ob sie dieses Angebot annehmen möchten oder auch nicht. Ich sehe mich dabei nicht
als moralisch Überlegener, der den Menschen sagt, dass etwas gut für sie ist. Meiner Meinung nach hat jeder ein musikalisches Potenzial, das gefördert werden kann. Ich möchte jede:m, der das wünscht, die Möglichkeit geben, dieses Potenzial zu entfalten. Dafür muss allerdings eine Umgebung geschaffen werden, in der jeder die gleichen Bedingungen vorfindet. Es gibt viele Menschen, die sich nicht mit dem Theater identifizieren, weil sie sich nicht zugehörig fühlen; vielleicht fehlen ihnen die „role models“ auf der Bühne. Deshalb möchte ich Projekte entwickeln, bei denen bei Interesse jeder mitmachen kann. Diese Projekte sollen explizit auch Menschen mit irgendeiner Form von Einschränkung ansprechen. Ich möchte auch z. B. Ins-trumente anschaffen, die es diesen Menschen ermöglichen, selber Musik zu machen. Ein großes Ziel von mir ist es, eine größere Diversität auf der Bühne zu zeigen, sodass sich mehr Menschen mit dem Theater identifizieren können.
Vielen Dank für das Gespräch und herzlich willkommen in Oldenburg.
Das Interview führte Mirjam Thissen
den Abend hinein, die dann doch im Sande verlaufen, aber ich hatte nicht geahnt, dass die bürokratische Seite deiner Heimatstadt so verworren ist. Das Protokoll von letzter Woche ist einfach nicht da, irgendetwas scheint vorgefal-
len zu sein und ich kann Mr. Carp einfach nicht erreichen. Sorry, dass es spät wird, aber ich muss dieser Sache auf den Grund gehen!
Im Oktober stellt sich der Musikvermittler Antonio Planelles mit seinem ersten Familienkonzert vor. W17. bis 22.10., täglich 14 – 18 Uhr Erkennen Sie diese Figur aus einem Stück im Oktober? Aber Achtung: Die Sicht des Textes ist sprachlich angepasst und ahmt nicht den dichterischen Tonfall nach.Schmeichelnde Klänge und musikalische Empfindungen
Eine Kuriosität sollte her. Ein Clacevin mécanique für die Sammlung des Monsieur de la Blancherie. Diese Aufgabe wurde dem jungen französischen Cembalobauer Sébastien Érard (eigentlich Sebastian Erhard) Mitte der 1770er-Jahre von seinem Meister übertragen, als dieser bemerkte, dass er mit Érard einen Lehrling hatte, der in Mechanik und Geometrie eine besondere Begabung aufwies. Dabei handelte es sich bei dem Clacevin mécanique um ein spezielles Cembalo mit bekielten und belederten Registern, Flageolettzug und Pedalen. Die geplante Kuriosität gelang Érard so gut, dass er das Aufsehen der Pariser Musikwelt auf sich zog – unter anderem das Interesse der Marquise de Villeroy, die ihm 1777 eine Werkstatt in ihrem Haus in der Rue de Varenne in Paris einrichtete. In dieser Werkstatt entstand Érards erstes Hammerklavier nach dem Vorbild der deutschen und englischen Instrumente, die zu jener Zeit nach Frankreich importiert wurden. Das Unternehmen expandierte schnell, sodass Érard schon vier Jahre später zwei Häuser in der Pariser Rue du Mail anmietete und seinen älteren Bruder Jean-Baptiste als Betriebsleiter dazu holte. Sébastien selbst übernahm weiterhin den erfinderischen Teil.
Auch Spezialanfertigungen gehörten zu Érards Schaffen und so baute er für Marie Antoinette 1787 ein piano organisé. Das klavierähnliche Instrument verfügte neben dem üblichen Manual zusätzlich über eines für Orgel und über eine Transponiervorrichtung, die der Gesangskunst der Königin zugutekam. Die Pariser
Über den im 1. Sinfoniekonzert erklingenden Érard-Flügel
Instrumentenbauer fühlten sich derart durch den Erfolg der ÉrardBrüder bedroht, dass sie Ludwig XVI. um die Schließung des Unternehmens baten. Die Bittschrift war erfolglos. Als 33-Jähriger erhielt Érard ein Privileg des Königs, das ihm die Berufsausübung sowie Materialbeschaffung sicherte und ihn so vor den Angriffen der Konkurrenz schützte. Bis 1789 konnte die Produktion auf jährlich 400 Klaviere ausgebaut werden.
Durch seine guten Kontakte zur adligen Gesellschaftsschicht machte sich Érard als potentieller Revolutionsgegner verdächtig und sah sich genötigt, das Land für einige Jahre zu verlassen und in London Zuflucht zu suchen. Diese Zeit nutzte er, um eine Niederlassung an der Marlborough Street zu errichten, in der er sich hauptsächlich dem Harfenbau widmete und insbesondere an Pedalharfen arbeitete, die sich be-
sonders in Frankreich großer Beliebtheit erfreuten. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil begann Érard mit dem Bau von Hammerklavieren in Cembaloform, die eine verbesserte „englische Mechanik“ enthielten. Eine solche Mechanik unterschied sich stark von der in deutschen Instrumenten verbauten und ermöglichte einen präziseren Anschlag sowie eine kraftvollere Tonerzeugung.
Das Besondere am Érard-Flügel Érard war als Entwickler stets an Neuerungen interessiert, sodass es DEN Érard-Flügel nicht gibt. Seine ersten Instrumente enthielten noch die zu jener Zeit übliche doppelsaitige Bespannung. Später stieg die Saitenzahl auf die heute gängige Anzahl von drei Saiten pro Taste.
Der Filzbezug auf den Hämmern unterschied sich maßgeblich von der heutzutage üblichen Art: Eine Dreifachbespannung – eine
Schicht harter Filz, darüber eine mittlere Härte und zuletzt ein weicher Filz – ermöglichten je nach Anschlagsstärke einen variierenden Klang. Das ausschlaggebende Element für den so charakteristischen Érard-Flügel-Klang lag im verwendeten Dämpfer.
Mit Einführung der Repetitionsmechanik setzte Érard auf einen Dämpfer, der, anders als heutige Exemplare, die die Schwerkraft nutzen und von oben auf der Saite aufliegen, von unten dämpfte.
Dies hatte die klangliche Folge, dass die tieferen Obertöne der Saite schneller verklangen als die höheren Obertöne. Dadurch entstand ein für Érard-Flügel einzigartiger Klang.
Die weitreichendste Entwicklung gelang Érard jedoch im Bereich der Mechanik. 1821 ließ Sébastiens Neffe Pierre Érard, der das Unternehmen nach dem Tod der Brüder weiterführen würde, die neuartige doppelte Repetiti-
onsmechanik patentieren, die es dem Spieler erlaubte, einen Ton erneut anzuschlagen, ohne dass der Hammer zuvor in die Ruheposition zurückkehren muss.
Diese Mechanik ist in nahezu unveränderter Form noch heute in jedem Flügel (nicht in Klavieren) zu finden. Erst durch diese Entwicklung konnte eine neue Form von Virtuosität, wie z. B. Liszt sie prägte, entstehen.
Eines von Érards Instrumenten war im Besitz des französischen Komponisten César Franck. Ein solcher Flügel, wie ihn auch Franck besaß, wird während des 1. Sinfoniekonzerts am 22./23.10. im Großen Haus zu sehen und unter den Händen Mathias Webers zu hören sein. Während des Konzerts am 24.10. in der Hamburger Laeiszhalle wird sogar Francks persönlicher Flügel auf der Bühne stehen. MT
Ein Sack voller Überraschungen zum Weihnachtsfest
agen Sie die Aufrichtigkeit – es lohnt sich.“ Dem Talkshow-Auftritt der Paartherapeutin Elli Berger-Voigt folgt ihre eigene, bittere Wahrheit: Heiligabend mit den Liebsten – sprich: mit Ex-Ehemann Robert und den drei erwachsenen gemeinsamen Kindern, Tobias, Leonie und der Ältesten, Susanna, die mit eigener Family ins Haus der Eltern anreist.
Ein friedvolles Weihnachtsfest im Kreis der Liebsten? Harmonie sieht anders aus in „Alle unter eine Tanne“ – acht Erwachsene, zwei Kinder, es wird eng bei den Berger-Voigts. Die Eltern, Elli und Robert, beide Mitte 60, beschenken sich von Beginn an gegenseitig mit Kritteleien und Unnettigkeiten. Man erfährt, dass die beiden sich vor drei Jahren haben scheiden lassen und in neuen Beziehungen leben, ohne dass die erwachsenen Kinder nebst Anhang etwas davon erfahren haben.
Und – schöne Bescherung – die jeweils neuen Partner sind ebenfalls anwesend: Micha, Ellis um
Jahre jüngerer Freund, und Chrissi, die Robert als seine Sprechstundenhilfe kennen und lieben gelernt hat. Das war so nicht geplant: Eigentlich wollten Elli und Robert wie jedes Jahr den schönen Schein wahren und – mittlerweile routiniert – die heile Familie vorspielen.
Aber dieses Mal gerät der Plan ins Wanken. Denn Roberts neue Partnerin Chrissi quartiert sich unangemeldet ein und stellt ein Ultimatum: Bis zum Abendessen sollen die Verhältnisse geklärt sein. Und wie sich herausstellt, hat auch der Nachwuchs das ein oder andere Geheimnis zu lüften …
Das Stück von Lo Malinke, basierend auf seinem Roman und dem gleichnamigen Kinofilm, greift mit einer großen Portion Humor eine Thematik auf, die nicht wenige Menschen kennen. Für viele von uns hat Weihnachten eine große emotionale Bedeutung. Zugleich kracht es unter den Familienmitgliedern beim Fest Weihnachten oft gewaltig. Man hat sich lange nicht gesehen, verbringt auf engem Raum mehr
Zeit miteinander als gewöhnlich. Schnell kommt es zu Grundsatzund Wertediskussionen oder man findet sich unversehens in persönlichen Themen der Beteiligten wieder, wie Arbeit, Kinder(-losigkeit), Partnerwahl oder Lebensstil. Auf der einen Seite ist das Bedürfnis nach Besinnlichkeit groß, auf der anderen Seite entladen sich im Mikrokosmos der Familie oft alte, wiederkehrende und unter den Teppich gekehrte Konflikte.
In ‚All ünner en Dannenboom/ Alle unter eine Tanne‘ liegt irgendwann ein Sack voller Lebenslügen unter dem Weihnachtsbaum – wie er ausgepackt wird und die Familie mit den Geschenken umgeht, erfahren Sie ab dem 16. Oktober in der Niederdeutschen Erstaufführung des Stücks, inszeniert vom Regisseur und Schauspieler Martin König.
Piano Rosenkranz stellt einen Flügel (wie ihn auch César Franck besaß) für das erste Sinfoniekonzert zur Verfügung.Für das städtische Kulturbüro realisiert Thorsten Lange gemeinsam mit Kevin Altenberger den „Kulturschnack“: ein Online-Magazin und Podcast über die Oldenburger Kulturszene. Sie finden ihn im Internet unter www.kulturschnack.de
Ist
das schon Normalität? In den letzten Wochen sind alle Oldenburger Theater nach und nach in die neue Spielzeit gestartet. Von der festlichen Gala über gefühlte Premieren und beliebte Klassiker bis zum Gastspiel war alles dabei, was sich das Kulturherz wünscht. Hatte Christian Firmbach doch Recht, als er im Frühsommer mit großer Vorfreude auf die kommenden Spielzeit – aber dennoch bewusst überspitzt – das Ende der Pandemie ausrief?
Das lässt sich nicht eindeutig sagen, aber er befindet sich inzwischen in guter Gesellschaft. Zuletzt erklärte US-Präsident Joe Biden exakt dasselbe – ohne irgendwelche Ironie. Das neue Motto lautet: „Mit dem Virus leben“. Und ohne die Befürchtungen der Vorsichtigen zu überhören, scheint das der praktikabelste Weg zu sein, um nicht einige der wichtigsten Bereiche unseres Lebens weiter zu gefährden. Und dazu zählt die Kultur
Ab jetzt wie früher!?
Die Rückkehr zu uns selbst
tatsächlich, trotz dominierender Themen wie Krieg, Klima- und Energiekrise. Was die Pandemie mit uns als Menschen – nicht in einem gesundheitlichen, sondern in einem emotionalen Sinne – gemacht hat, vermag noch niemand zu sagen. Aber kommt es Ihnen nicht manchmal auch komisch vor, wie Sie auf bestimmte Dinge reagieren? Zögerlicher? Skeptischer? Ich stelle bei mir durchaus Veränderungen fest. Die müssen nichts mit Corona zu tun haben, haben sie aber wahrscheinlich doch. Ich bin überzeugt davon, dass es in unseren Leben Brüche gegeben hat, die wir erst noch wieder kitten müssen. Die Normalität mag faktisch schon wieder da sein. Die Frage ist nur: Sind wir schon bereit dafür? Und eine Antwort darauf gibt es auch schon: Die einen mehr, die anderen weniger. Es wird noch dauern, bis der zwischenzeitlich gerissene Faden zwischen Publikum und Kultur wieder seine alte Stärke hat.
Mit dem Virus zu leben bedeutet letztlich auch, zu uns selbst zurückzukehren. Dorthin, wo – und wie – wir waren, bevor sich im März 2020 alles veränderte. Damals waren wir Oldenburger:innen ein interessiertes, aufgeschlossenes, aktives Kulturpublikum. Das sind wir nach wie vor; wir müssen diese Eigenschaft hier und da nur wieder freilegen. Dabei sind wir auch ein Stück weit gefordert. So gesund es war, sich in den letzten zwei Jahren zurückzuziehen, so ungesund wäre es, für immer damit fortzufahren. Es ist vertretbar zu sagen, dass man der Kultur –und damit sich selbst – eine Chance auf Alltag geben sollte. Übrigens: Wie sich die Lage im Sommer dieses Jahres für die Oldenburger Theater darstellte, können Sie im großen „Corona-Check“ auf dem Kulturschnack lesen.
Die Kulturszene hat jedenfalls vorgelegt und bietet uns – wie immer, möchte man fast ergänzen – ein
Vorfreude ist die schönste Freude
Staatstheaters. Zudem besuche ich auch gerne die Theater in anderen Städten.
Welche Sparte bevorzugen Sie?
Fine Arts Malerin und Goldschmiedemeisterin Alexandra Telgmann ist dem Theater schon seit ihrer frühesten Kinmdheit verbunden.
Wie oft gehen Sie ins Theater?
Zu jeder Premiere der Ballett CompagnieOldenburg und zu weiteren Vorstellungen des
Die Ballettsparte ist mein absoluter Favorit, da ich selber gerne Ballettunterricht nehme und mich die Kunst des Tanzens immer wieder fasziniert.
Wodurch wurde Ihr Interesse am Theater geweckt?
Schon in meiner Kindheit bin ich zusammen mit meiner Familie in zahlreiche Theater in verschiedenen Städten Europas gegangen. Ich fand es schon immer großar-
tig der Atmosphäre einer LiveVorstellung beizuwohnen – für mich ist der Gang ins Theater immer etwas Besonderes.
Ihr schönstes Theatererlebnis?
Als Jugendliche in der Mailänder Scala das Ballett ‚Schwanensee‘ mit Rudolf Nurejew zu sehen. Sowie das Bühnenbild zusammen mit Antoine Jully für das Ballett ‚Men and Women‘ zu entwerfen, und dann die Produktion im Großen Haus zu erleben – das war grandios.
Ihr schrecklichstes? Hierzu kann ich leider keine Aus-
kunft geben, denn wenn mir die Produktion nicht gefällt, dann gibt es bestimmte Kostüme, Musik, ein Bühnenbild oder ein Ausdruck der Künstler, worauf ich mich dann fokussiere. Inspiration ist in so vielen Dingen zu finden.
Haben Sie einen Lieblingsplatz? Am liebsten sitze ich im Parkett, damit ich mir alle Details anschauen kann.
Bereiten Sie sich auf einen Theaterbesuch vor? Vorfreude ist die schönste Freude und somit freue ich mich schon immer ein paar Tage vor dem
aufregendes Programm. Über die Premieren des Staatstheaters können sie auf diesen Seiten einiges lesen. Schon die Plakate, die man derzeit an den Ausfallstraßen sieht, machen ungeheuer Lust darauf, das Theater wieder in den persönlichen Alltag zu holen. Das gilt aber auch für viele anderen Institutionen und Akteure, die erstmals wieder mit einer gefühlten Planungssicherheit in eine Spielzeit starten. Ich freue mich zum Beispiel auf die Dö!-Konzertreihe der Kulturetage, die in ganz neues Format nach Oldenburg bringt. Aber auch die Island Begegnungen werden spannende Einblicke geben und der Start des Technical Ballroom in der Exhalle ist jetzt schon dick im Ka lender markiert.
Ist das schon Normalität? Ich würde sagen; Ja. Vielleicht noch nicht ganz die alte, aber immerhin eine neue – und das ist ein guter Anfang.
Theaterbesuch auf ein erlebnisreiches Event.
Welches Stück würden Sie gerne mal sehen?
‚A Midsummer Night’s Dream‘ in der Choreografie von Alexander Ekman
Vervollständigen Sie den Satz: „Theater ist … ... eine Inspiration für die Seele.
Ihr persönlicher Kulturtipp jenseits des Theaters? Ein Museums-Besuch oder ein Atelier-Besuch.
Von Naturmacht, Volkesfreuden und Gottesfurcht
Der Opernchor nimmt Sie mit auf eine abwechslungsreiche Reise quer durch die Opernchor-Literatur
‚Cavalleria rusticana ‘ / ‚ Pagliacci‘, ‚Un ballo in maschera‘, ‚Elias‘ und ‚Rosenkavalier‘ – der Opernchor des Staatstheaters hat diese Spielzeit wieder alle Hände voll zu tun und startet mit einem Best-of Konzert voller ChorHighlights.
Kaum eine Oper kommt ohne Chöre aus. Die Wurzeln des Chores gehen bis in die Antike zurück: Als ritueller Reigentanz mit Gesang war er damals als „choros“ bekannt und einer der Grundpfeiler des antiken griechischen Dramas: Der Chor verlieh dem Volk eine Stimme – dem Kollektiv, das den Protagonist:innen in dramatischer Spannung gegenübersteht. Oft sind es genau diese Chöre, die der Gewalt der (gesellschaftlichen) Tragödien oder dramatischen Naturereignisse in der Geschichte Ausdruck verleihen und unausweichlich spürbar machen. Kein Wunder also, dass es oft jene Chorpassagen sind, die auch in der Oper dem Publikum den Atem verschlagen.
Obwohl die Sänger:innen des Chores eher selten solistisch auf der Bühne stehen, ist die Arbeit im Opernchor keineswegs weniger herausfordernd: Von der Musik des Barock bis ins 20. Jahrhundert müssen sie alle Epochen stilsicher beherrschen. Dazu gehört auch ein Feingefühl im Ensemblesingen und im gemeinsamen kollektiven Agieren auf der Szene. Ihre Stilsicherheit und
Vielfältigkeit stellen die Chorist:innen des Staatstheaters Anfang Oktober in ihrem Chorkonzert unter Beweis. Unter dem Motto „Seesturm und Freudenfeuer“ präsentieren sie Highlights aus vergangenen Spielzeiten, Lieblingsstücke und einen Vorgeschmack auf noch kommende Premieren. Eröffnet wird das Konzert mit Ausschnitten aus Mozarts ‚Idomeneo‘ – Frei-
heit und ein stilles Meer werden besungen sowie dem Entsetzen vor der stürmischen Macht des Meeresgottes Ausdruck verliehen. Mit Ausschnitten aus Verdis ‚Otello‘ und Brittens ‚Peter Grimes‘ zieht sich die Meeres- beziehungsweise Sturmthematik auch durch die nächsten Stücke der ersten Konzerthälfte. Im ‚ Night Song ‘ aus Brittens Kinderoper ‚Let’s make an opera‘
können Sie Zeuge werden eines Gesangswettbewerbs zwischen Eulen, Reihern, Turteltauben und Buchfinken werden. Mit Puccinis berühmten Mondchor aus ‚Turandot‘ lässt der Chor sie anschließend in die Pause schweben.
In der zweiten Hälfte widmet sich der Chor der Gattung des Oratoriums und entführt mit Ausschnitten aus Händels ‚Saul‘ in die Klangwelten des Barocks. Anschließend gibt es einen Vorgeschmack auf die im Dezember zur Premiere kommende, szenische Umsetzung von Mendelssohns Oratorium ‚Elias‘: Hier werden Sturm und Gottesmacht eindrucksvoll hörbar. Abgerundet wird das Konzert mit einem Ausschnitt aus Wagners ‚Meistersingern‘.
Mit der Unterstützung des Kinderchores und des Staatsorchesters ein abwechslungsreicher und packender Abend voller mitreißender Musik! SK
Alexandra TelgmannZehn Fragen an unser Stammpublikum
SA
SO
19.30 UHR
SEESTURM UND FREUDENFEUER Chorkonzert
11.15 UHR
SEESTURM UND FREUDENFEUER Chorkonzert
19.30 UHR | 19 Uhr Einführung
DIE SCHLACHT AM MACKIE CREEK Schauspiel von Tracy Letts
20
MI
19.30 UHR | 19 Uhr Einführung
DIE SCHLACHT AM MACKIE CREEK Schauspiel von Tracy Letts
20 — 22.30 UHR
PENSION SCHÖLLER THROWBACK TO THE NEUNZIGER Schauspiel von Marc Becker nach W. Jacoby und C. Laufs
18 — 19.20 UHR | 17.30 UHR Einführung
SCHWARZE SCHWÄNE Schauspiel von Christina Kettering
20 — 22 UHR
WAHRES ODER RARES — DER ULTIMATIVE LIEDERABEND
20 — 22.30 UHR
PENSION SCHÖLLER THROWBACK TO THE NEUNZIGER Schauspiel von Marc Becker nach W. Jacoby und C. Laufs
FR
15.30 UHR | Spielraum |
DER HASE
10.30 UHR | Spielraum | ab 7 Jahren DER HASE IN DER VASE Schauspiel von Marc Becker
18.30 UHR | Treff punkt Theatercafé MEHR BEWEGUNG Offenes Klassisches Training Anmeldung: telse.hahmann@staatstheater.de
19 UHR | CORE Oldenburg
TECHNICAL BALLROOM Project-Pitch des ‚Technical Ballroom‘ Vorstellung des Theaters der Digital Natives mit einem Quizabend
20 UHR | Spielraum THEATERWISSEN zu ‚Schwarze Schwäne
18 Uhr | Hauptfoyer & Großes Haus SOIRÉE: L’ISOLA D’ALCINA Eintritt frei, Zählkarten an der Kasse
22 UHR | in den Foyers TANZ IM GLASHAUS mit den DJs Isamsoe & Peter Pride Eintritt frei
20 — 21.20 UHR | 19.30 UHR Einführung SCHWARZE SCHWÄNE Schauspiel von Christina Kettering
11.15 UHR
1. KAMMERKONZERT mit Werken von Max Bruch, Richard Strauss und Johannes Brahms
HERBSTCAMP TECHNICAL BALLROOM — DAS THEATER DER DIGITAL NATIVES 17.10. – 22.10.22
Anmeldung unter mitmachen@staatstheater.de
20
PENSION SCHÖLLER THROWBACK
NEUNZIGER Schauspiel
20 UHR THEATERTALK
‚TECHNICAL
SA
SO 09
| STUDIO | THEATER ROLLING THUNDER „FOREVER YOUNG“
20 UHR | HOF DER KULTURETAGE | THEATER BJÖRK MEETS TIMOTHY
Freie Theater
20 UHR DREI MAL LEBEN von Yasmina Reza,
20 UHR DER FROSCHKÖNIG
16 UHR *AKTION ZAHLWASDUKANNST: TICKETS AB 15 UHR AM 02.10. IM THEATER WREDE + ERHÄLTLICH REGEN RIECHEN Für Kinder zwischen 2 und 6 Jahre + Erwachsene Zwei verspielte „Waldwesen“ gehen den Wundern der Natur tänzerisch auf den Grund.
20 UHR | HALLE | KONZERT DÖ! KID BE KID MEETS WOODS OF BIRNAM
20 UHR | HALLE | KONZERT
SCHULTE
20 UHR | HOF DER KULTURETAGE | THEATER BJÖRK MEETS TIMOTHY
20 UHR | HOF DER KULTURETAGE | THEATER BJÖRK MEETS TIMOTHY
20 UHR | HALLE | KONZERT
DÖ! FINN RONSDORF MEETS PAAR
DO 13
FR 14
SA
19 UHR | STUDIO | THEATER ROLLING THUNDER „FOREVER YOUNG“
20 UHR | HALLE | KONZERT DÖ! YUNUS MEETS ANN DOKA
19 UHR | STUDIO | THEATER ROLLING THUNDER „FOREVER YOUNG“
20 UHR | HALLE | KONZERT DÖ! ANTIHELD MEETS SAINT CHAOS
20 UHR | BÜHNE 1 | 6€ / 11€ SAGE & SCHREIBE Lesung
18 UHR DER FROSCHKÖNIG
20 UHR SYNDITALK – SHOW STADT TALK Neues witzig-kritisches Show-und Talkformat im theater wrede +
20 UHR DREI MAL LEBEN von Yasmina Reza, Regie Marc Becker
16 UHR FRAU MEIER, DIE AMSEL (Limonadenfabrik)
20 UHR | PREMIERE EIN TÖDLICHES GEHEIMNIS
20 UHR EIN TÖDLICHES GEHEIMNIS
18 UHR EIN TÖDLICHES GEHEIMNIS
16 UHR REGEN RIECHEN Für Kinder zwischen 2 und 6 Jahre + Erwachsene Zwei verspielte „Waldwesen“ gehen den Wundern der Natur tänzerisch auf den Grund.
20 UHR GRIMMS WÖRTER WAHNSINN frei nach den Brüdern Grimm sowie Günter Grass mit René Schack und Christian Klein
SA
20 UHR | HALLE | KONZERT DÖ! ANNA ERHARD MEETS KUOKO
16 UHR REGEN RIECHEN Für Kinder zwischen 2 und 6 Jahre + Erwachsene Zwei verspielte „Waldwesen“ gehen den Wundern der Natur tänzerisch auf den Grund.
20 UHR NAH AM WASSER GEBAUT ON TOUR Performance von Die Soziale Fiktion
Die INSECURITY bringen ‚negative‘ Gefü hle wie Angst aus den privaten vier Wä nden rein ins gesellschaftliche Bewusstsein.
20 UHR NAH AM WASSER GEBAUT ON TOUR Performance von Die Soziale Fiktion
Die INSECURITY bringen ‚negative‘ Gefü hle wie Angst aus den privaten vier Wä nden rein ins gesellschaftliche Bewusstsein.
16 UHR REGEN RIECHEN Für Kinder zwischen 2 und 6 Jahre + Erwachsene Zwei verspielte „Waldwesen“
tänzerisch auf
Wundern
19.30 UHR
ALTER WHISKY, JUNGE LIEBE Geschichten und Songs aus Schottland und Irland
19.30 UHR
ALTER WHISKY, JUNGE LIEBE Geschichten und Songs aus Schottland und Irland
18.30 UHR
ALTER WHISKY, JUNGE LIEBE Geschichten und Songs aus Schottland und
20 UHR GRIMMS WÖRTER WAHNSINN frei nach den Brüdern Grimm sowie Günter Grass mit René Schack und Christian KleinOldenburger
Januar
ball
DAS LETZTE WORT
Liebe Leser:innen, mit der Ballettpremiere ‚Interaction‘/ Recycling I‘ am 4. November startet eine ganze Reihe von Produktionen und Veranstaltungen, die sich rund um den November mit Fragen der Nachhaltigkeit und mit den Auswirkungen des Klimawandels beschäftigen werden. Als wir bei den Vorbereitungen des Spielplans unsere Ideen zusammentrugen, waren wir selber ein wenig überrascht, wie sehr sich dieses Thema in allen Sparten gleichsam aufdrängte. Zu Beginn der Spielzeit hat sich auch im Theater die Arbeitsgemeinschaft „Nachhaltigkeit“ aus Mitgliedern aller Abteilungen gegründet, die nun nach vielen Einzelinitiativen gemeinschaftlich über Mittel und Wege eines ökologisch verträglicheren Arbeitens nachdenkt. Dieser Plan wurde im übrigen schon geschmiedet lange bevor Kulturministerin Claudia Roth den Notfallplan „Energieeinsparungen erzielen und Funktionsfähigkeit der Kulturbetriebe sichern“ forderte. Die brennende Aktualität des Themas schlägt sich mit Anbruch des Herbstes auch ganz praktisch in unserem Theater-Alltag nieder: Wie lange können wir unsere Büros ungeheizt ertragen, und vor allem: Wie niedrig darf die Temperatur für Sie im Zuschauerraum sein? In welchem Ausmaß können wir auf Beleuchtung verzichten? Unsere Fassade und auch die Innenräume nur noch während des Vorstellungsbetriebes anzustrahlen, versteht sich von selbst. Worauf wir allerdings nicht verzichten können, sind die Scheinwerfer auf der Bühne – und vor allem Sie, unser Publikum. Erhebungen zufolge ist die größte Umweltbelastung eines Theaterbetriebes durch die An- und Abreise des Publikums zu den Vorstellungen gegeben … Das müssen wir hinnehmen, zumal wir wissen, dass in Oldenburg die meisten – so wie auch wir Mitarbeitende des Theaters – wann immer es geht, auf das Fahrrad steigen …
Herzlichst Ihr Christian FirmbachNEU IN DER REDAKTION
Mirjam Thissen — Orchesterreferentin & Assistentin der Konzert- und Musiktheaterdramaturgie (MT)
Kevin Barz — Regisseur & Künstlerischer Leiter TECHNICAL BALLROOM
Nora Hecker — Leitende Dramaturgin & Theatervermittlung Niederdeutsches Schauspiel (NH)
Lotta Müser — FSJ Kultur in
Theatervermittlung (LM)