BÜHNEN
Seiten Magazin des OldenburgischeN Staatstheaters
OEDO Kuipers ist JESUS CHRIST SUPERSTAR Rätsel: aus dem Stück gefallen
Der Theaterfotograf: Stephan Walzl
‚Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch‘ im Staatstheater Uraufführung: Der Bär, der nicht da war
NOVEMBER
2017
BIS JANUAR
2018
BECKMANN
WELTTHEATER
30.09. 2017– 04.02.2018
Ermöglicht durch:
Medienpartner:
Mit freundlicher Unterstützung von:
Kulturpartner:
Max Beckmann, Selbstbildnis als Clown (Detail), 1921, Von der Heydt-Museum Wuppertal, Foto: Antje Zeis-Loi, Medienzentrum Wuppertal © VG Bild-Kunst, Bonn 2017
MAX
EDITORIAL
Liebes Publikum, „Wer die Freiheit der Kunst angreift, der will in Wahrheit die demokratische Freiheit einer Gesellschaft in Frage stellen“, formulierte ein Zusammenschluss von Kunst- und Kulturinstitutionen Mitte September in einem offenen Brief an die Bundesregierung und forderte dazu auf, von Repression und Verfolgung bedrohten Künstlerinnen und Künstlern eine berufliche Perspektive, Gehör und konkrete Unterstützung anzubieten. Eine Aufgabe, der wir uns – auch angesichts jüngster politischer Entwicklungen – nicht verschließen sollten. Die Regisseurin und Übersetzerin Elina Finkel, die vor zwei Jahren in Oldenburg Prjaschkos ‚Drei Tage in der Hölle‘ zur Deutschen Erstaufführung brachte und in dieser Spielzeit Tschechows ‚Die Möwe‘ inszenieren wird, reiste Anfang September nach Moskau. Auf dem ‚Lubimovka Young Russian Playwrights Festival‘ begab sie sich für uns auf Autorenbzw. Stücksuche. Lesen Sie in ‚E-Mail aus Moskau‘ von ihren persönlichen Erfahrungen und Eindrücken. Ein Künstler, der sich in seinem bisherigen Werdegang schon viel mit großen Persönlichkeiten auseinandersetzte, aber absolut kein Einzelkämpfer ist, ist Musical-Shootingstar Oedo Kuipers. Der Hauptdarsteller aus ‚Jesus Christ Superstar‘ erzählt im Gespräch von seinen musikalischen Anfängen als Euphoniumspieler in niederländischen Brassbands, Teamgeist, TV-Casting-Shows und seinem Weg nach Oldenburg über Wien, Hamburg und Shanghai. Doch warum in die Ferne schweifen? – ‚In Auszeit mit …‘ stellen wir Ihnen ab sofort in jeder BÜHNENSEITENAusgabe Ausflugsziele und Lieblingsorte unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Oldenburg und Umgebung vor. Fabian Kulp, seit Beginn der Spielzeit Mitglied des Schauspielensembles, hat die Sonnenstrahlen der vergangenen Wochen auf dem Rennrad genutzt und schwärmt nun von Wäldern, Wiesen und Stachelbeertorte. Erinnern Sie sich noch an die Zuckerfee im funkelnden Tutu aus dem ‚Nussknacker‘? Für einen besonderen Ballettabend hat Antoine Jully in diesem Jahr ein festliches Programm mit Ausschnitten aus klassischen Choreografien des berühmten Ballettmeisters Marius Petipa und weiteren Höhepunkten zusammengestellt und so läutet die BallettCompagnie Oldenburg mit ‚Ballett Impulsiv I‘ die Vorweihnachtszeit im Staatstheater ein. Theatrale Adventskalender, Weihnachtsliedersingen, Hänsel, Gretel und ein Wunschpunsch – was die alljährlichen Feiertage für alle Beteiligten vor, hinter und zwischen den Kulissen bedeuten, auch das erfahren Sie in diesen BÜHNENSEITEN. Und versäumen Sie nicht, ganz nach hinten zu blättern: Thomas Kossendey, Präsident der Oldenburgischen Landschaft, lässt uns an seinem ersten Besuch im Großen Haus teilhaben. Für immer vom Theatervirus infiziert, beschreibt er die Möglichkeiten dieser Kunstform und ihre Bedeutung für unsere demokratische Gesellschaft. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen!
Christian Firmbach Generalintendant
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Inhalt
Seite 6
Seite 28
Kulissengeflüster Neuigkeiten aus dem Oldenburgischen Staatstheater
OpernSeiten Bloggerin Sarah von H. zeigt ihr Outfit für den Opernball
Seite 8
Seite 30
JungeSeiten Der Wunschpunsch in Text und Getränk
JUNGESEITEN Der Bär, der ins Musiktheater einzog
Seite 12
Seite 32
OPERNSeiten Oedo Kuipers rockt als Jesus Christ Superstar
SchauspielSEITEN Zu Besuch in Russland mit Regisseurin Elina Finkel
Seite 15
Seite 34
Auszeit mit … Fabian Kulp am Zwischenahner Meer
OpernSEITEN Familiäre Intrigen in ,Siroe‘
Seite 16 BallettSeiten 3 Generationen, 3 Uraufführungen, 3 Choreografen
Seite 20 NiederdeutscheSeiten Speeddating für Senioren
Seite 22 KonzertSeiten Über die Klavier-Familie des Staatstheaters
Seite 26 SchauspielSeiten ,Die Möwe‘ im neuen Gewand
W
er hat sich nicht schon einmal einen Wunschpunsch herbeigesehnt, mit dem sich alle nervigen Probleme in Luft auflösen? Ein satanarchäolügenialkohöllisches Exemplar dieser Gattung wird in der Bühnenadaption des Klassikers von Michael Ende gezaubert – mit der eher gegenteiligen Absicht, bis zum Silvesterabend möglichst viele Katastrophen heraufzubeschwören. Als Rettung bleiben nur Kater Maurizio di Mauro und Rabe Jakob Krakel vom Hohen Rat der Tiere – auf unserem Cover wundervoll illustriert von Imke Mühlenfeld. Folgen Sie der Spur der beiden durch unsere neue Ausgabe der BÜHNENSEITEN, versuchen Sie sich auf Seite 11 an einem eigenen weihnachtlichen Wunschpunsch und verleben Sie mit diesem im Bauch eine verzauberte weihnachtliche Zeit im Staatstheater!
Seite 36 SEITENBLICK Weihnachten im Staatstheater
Seite 38 SEITENBühne Der Theaterfotograf
Seite 40 Rätsel Aus dem Stück gefallen
Seite 41 HinterBühne Der Bühnenkampf
Seite 42 GASTSPIEL Eine theatralische Kolumne von Thomas Kossendey
KulissenGeflüster
NEWS Herzlich willkommen, Jason Kim! „Jason Kim ist am Theater PlauenZwickau der Publikumsliebling. In Oldenburg ist das der südkoreanische Tenor nach knapp drei Stunden auch“, war in der Nordwest-Zeitung zu lesen, nachdem Jason Kim seinen Oldenburger Einstand als Don José in Bizets ‚Carmen‘ gegeben hat. Vom ersten Moment an überzeugte er Publikum wie Kolleginnen und Kollegen mit seiner Stimme und Musikalität ebenso wie mit seiner außergewöhnlichen Spielfreude. Derzeit ist der Tenor noch festes Ensemblemitglied des Theaters Plauen-Zwickau, gleichwohl darf sich Oldenburg freuen, ihn jetzt schon regelmäßig erleben zu können, bevor er dann ab nächster Saison zum festen Opernensemble gehören wird. So steht er demnächst als Don José, Herzog in Verdis ‚Rigoletto‘ sowie Vacław in der polnischen Opernrarität ‚Maria‘ auf der Oldenburger Opernbühne. Wir wünschen ihm hier viel Freude und Erfolg!
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Katharina Shakina virtuell Als Schauspielerin kann man vieles tun: auf der Bühne oder vor der Kamera stehen – oder einem Computerspiel seine Stimme leihen. Das hat Katharina Shakina, eine unserer neuen Schauspielerinnen, vor Kurzem getan. Das Computerspiel ,The Fallen‘ ist ein aufsteigender Stern am Computerhimmel und war in diesem Jahr bereits für den Most Amazing Game Award nominiert. Angesiedelt auf einem verlassenen Flughafen im ukrainischen Donezk, bildet zwar auch hier – wie in vielen anderen Spielen – das Kämpfen zweier Parteien die Basis. Allerdings werden die individuellen Leben der Opfer mehr in den Mittelpunkt gerückt, indem die Stimme von Katharina Shakina von deren Leben erzählt. Wer Geschichten am liebsten analog hört, kann Katharina Shakina ab dem 25. November 2017 in ,Die Möwe‘ von Anton Tschechow im Kleinen Haus sehen.
Modelabel Lotikova gestaltet Kostüme für die BallettCompagnie Für die Kostüme seiner Choreografie ‚From the Lighthouse‘ arbeitet Lester René González Álvarez mit Anastasia Lotikova und ihrem Label Lotikova zusammen. Die Designerin entwirft Streetwear und Couture aus recycelten Materialen und verwendet ausschließlich Reste aus der lokalen Textil- und Lederindustrie. Für ihre Arbeit und ihren Einsatz für Nachhaltigkeit im Modedesign gewann sie bereits den Euro Fashion Award 2016 und wurde kürzlich mit dem 1. Platz des Creative Award Oldenburg ausgezeichnet. Für die BallettCompagnie Oldenburg wird sie zum ersten Mal Kostüme für die Tänzerinnen und Tänzer gestalten.
KulissenGeflüster
… Abschied nach 37 Jahren Sooyeon Lee gewinnt den Culturarte-Preis Jubiläum von Julius Mosen Am 10. Oktober jährte sich der Todestag des Dichters, Dramatikers und ersten Oldenburger Dramaturgen Julius Mosen zum 150. Mal. Das Staatstheater und die Oldenburgische Landschaft gedachten des großen Oldenburgers gemeinsam mit einer Kranzniederlegung an seinem Grab auf dem Gertrudenfriedhof und einer Lesung. Mit dem musikalisch-literarischen Abend ‚Heimat in der Ferne‘, den die Mezzosopranistin Melanie Lang, der Bassbariton Stephen K. Foster, Felix Pätzold am Klavier und Ksch. Thomas Lichtenstein im Kleinen Haus gestalten, erinnert das Staatstheater am 27. November an das vielseitige Schaffen des zu Lebzeiten weithin bekannten Autoren. Einige Exponate aus dem Bestand des Landesarchivs lassen zudem dieses besondere Kapitel der Oldenburger Theatergeschichte lebendig werden.
Dass Sooyeon Lee über einen wunderschönen Sopran verfügt, mit dem sie scheinbar mühelos in den Himmel der Koloraturen zu fliegen vermag, wissen die Oldenburger spätestens seit ihrem Debüt als Marie in Donizettis Belcanto-Oper ‚La Fille du régiment‘. Nun ist diese Erkenntnis auch in der Opernwelt Placido Domingos angekommen: Bei dem von ihm ins Leben gerufenen und jährlich ausgerichteten Operalia-Wettbewerb errang Sooyeon Lee im August 2017 den begehrten Culturarte-Preis. Damit setzte sie sich gegen rund 1000 Mitstreiterinnen durch und reihte sich neben Größen wie José Cura, Nina Stemme, Erwin Schrott oder Ludovic Tezier in die Gesellschaft der illustren Sieger. Wir gratulieren ihr von Herzen und können es kaum erwarten, Sooyeon Lee ab Februar 2018 als Gilda in der Neuproduktion ‚Rigoletto‘ zu erleben – war es doch die Arie ‚Caro nome‘ aus dieser Oper, mit der sie sich den Operalia-Sieg ersang.
Sage und schreibe 37 Jahre künstlerischer Arbeit am Oldenburgischen Staatstheater liegen hinter Holger Zindler, der 1980 als Korrepetitor mit Dirigierverpflichtung ans Haus kam. 1985 gab der vielseitige Künstler seiner Laufbahn eine neue Wendung und trat als Geiger ins Oldenburgische Staatsorchester ein, wo er ab 1989 die Position des stellvertretenden 1. Konzertmeisters übernahm. Oper, Operette, Musical, vielfältige Konzertformate, aber auch die Mitwirkung bei Bällen, Theaterfesten u. Ä. standen seitdem auf seinem Programm. Nun verabschiedet sich Holger Zindler, dem 1986 für seine Verdienste der Titel eines Kammermusikers verliehen wurde, in den wohlverdienten Unruhestand. Wir danken ihm sehr für sein Engagement, wünschen ihm alles erdenklich Gute und dazu viel Zeit für all die schönen Dinge, die hinter dem Theater sicher bisweilen zurückstehen mussten.
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JUNGESeiten
‚Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch‘ – ein Gespräch Am 12. November feiert unser diesjähriges Familienstück ‚Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch‘ von Michael Ende Premiere. Im Vorfeld haben wir die beiden Protagonisten der Geschichte, den Raben Jakob Krakel und den Kater Maurizio di Mauro, zum gemeinsamen Gespräch gebeten.
Rabe: Heeey, Katerchen! Dass wir uns nochma’ über’n Weg laufen! Wie lange is’n das jetzt her? Kater: Jakob, welch unermessliche Freude! Schon eine ganze Weile liegt unser Abenteuer nun zurück. Und stets durchfährt mich ein Schauer größter Wonne, wenn ich daran denke. Ich habe sogar eine Arie darüber komponiert! (setzt zum Singen an) Rabe: (unterbricht ihn schnell) Ich merk’ schon, dein geschwollenes Dahergerede is’ immer noch das gleiche wie damals, Herr Kammersänger. Aber wir sind ja nich’ zum Singen hier, die woll’n, dass wir unsere Geschichte erzählen.
Kater: (kurz beleidigt, fängt sich dann aber wieder) Mit dem größten Vergnügen! Obwohl das der Herr Michael Ende ja schon auf famose Weise getan hat, nicht wahr? Seinen letzten Roman hat er uns gewidmet! Welche Ehre! Rabe: Weiß ich selbst, du Schlaumeier. Aber den haben ja vielleicht nich’ alle gelesen. Is’ nich’ Jedermanns Sache, so viele Wörter … (wendet sich beschämt ab) Kater: Gewiss, gewiss! Nun denn, wohlan. (Er bringt sich in Positur) Es war ein eiskalter Nachmittag, Silvesternachmittag, um genau zu sein. Man hörte das Pfeifen des Windes ... Rabe: Oh ja, dieser brutale Wind! Fast mein Leben gekostet hätt’ der mich, als ich ... Kater: (bedeutet ihm, still zu sein) Jakob, du bist noch nicht dran. Habe Geduld. Wo war ich ... (bringt sich erneut in Stellung) Man hörte das Pfeifen des Windes. Ich war bereits seit einem Jahr vom Hohen Rat der Tiere als Spion zu dem mächtigen Zauberer Beelzebub Irrwitzer abbestellt worden. Ich hatte verantwortungsvoll zu prüfen, ob gar er hinter den schrecklichen Katastrophen steckte, die die Welt seit einigen Jahren immer häufiger heimsuchten. Rabe: Aber anstatt anständig deinen Job zu machen, haste dich einwickeln lassen von dem feinen Herrn Zauberer. Fettgefüttert hat er dich und dir Schlafmittel untergejubelt, damit du träge wirst und meinst, er wär’n Wohltäter oder sowas Beklopptes. Kater: (peinlich berührt) Lieber Jakob, lass uns doch unser Augenmerk auf die wesentlichen Fakten legen, ja?
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JUNGESEITEN
Rabe: Von mir aus ... Aber dann bin ich jetzt dran! Ich war nämlich auch so’n Spion vom Hohen Rat der Tiere, aber nich’ beim Irrwitzer abbestellt, sondern bei seiner Tante, der Geldhexe Tyrannja Vamperl. (schüttelt sich) Schreckliche Person. Jedenfalls hat die sich am Silvesternachmittag irgendwann bei ihrem Neffen eingefunden, weil die hatten nämlich das gleiche Problem.
,DER SATANARCHÄOLÜGENIALKOHÖLLISCHE WUNSCHPUNSCH‘ von Michael Ende ab 7 Jahren Regie — Krystyn Tuschhoff Premiere am 12.11.2017, 16.00 Uhr, Großes Haus
Kater: Beide hatten an jenem Tag unerquicklichen Besuch von einem gewissen Maledictus Made erhalten, dem Handlanger seiner Höllischen Exzellenz höchstselbst. Herr Irrwitzer und Frau Vamperl hatten ihr Soll an bösen Taten über das vergangene Jahr nämlich nicht ausreichend erfüllt. Aus unerfindlichen Gründen waren sie uns auf die Schliche gekommen und mussten deswegen sehr viel vorsichtiger zaubern, was ihr Tun fatal verlangsamt hatte. (für sich) Dass ich ihn nicht schon früher durchschaut habe, verzeihe ich mir bis heute nicht. Rabe: Lass gut sein, Katerchen. Also, der Tyrannja und dem Irrwitzer ging jetzt ordentlich die Muffe, weil bis zum Jahreswechsel mussten die ihren Rückstand aufgeholt haben, und jetzt hatten die nur noch eine Chance: den satanarchibaldischen … satanösarchaischen … Kater: (gnädig) … satanarchäolügenialkohöllischen … Rabe: (ungehalten) ... ja doch – jedenfalls diesen Wunschpunsch zu brauen. So’n Gesöff, mit dem die sich ruckizucki alles Böse zusammenwünschen konnten, was die wollten. 9
JUNGESeiten
Kater: Eine nicht unwesentliche Sache sollten wir noch ergänzen: Der wahnwitzige Clou des Wunschpunsches lag darin, dass er genau das Gegenteil dessen erfüllte, was man sich wünschte. Für die beiden arglistigen Bösewichte bedeutete das den perfekten Plan. Sie konnten, vor uns als Zeugen, scheinbar ein Fest der wohltätigen Wünsche feiern, während in der Welt eine Katastrophe nach der anderen ausbrechen würde.
Rabe: (rollt mit den Augen) Okaaay, Katerchen. War jedenfalls dufte, das mit dir zu erleben. Und jetzt spielen die den ganzen Sums … das ganze Dings … dieses Theaterstück, mein ich, echt 35 Mal in dem großen schönen Theaterhaus hier. Schon irgendwie nicht schlecht. Ich glaub’, da geh ich auch mal gucken. Auch wenn ich’s sonst nicht so hab mit dem Theater. Jetzt aber erstmal zu meiner Tamara ins warme Nest. Tschüss!
Rabe: Aber nich’ mit uns! Wir haben nämlich damals heimlich mit angehört, wie die drüber gesprochen haben, und uns losgemacht, denen einen gewaltigen Strich durch die Rechnung zu picken. Also sind wir …
Das Gespräch arrangierte Anna-Teresa Schmidt.
Kater: … Halt! Alles will noch nicht verraten sein. Sagen wir nur so viel: Das Glück war uns hold. (gerührt über sich selbst) Und hat mir meine einzigartige Singstimme geschenkt, die auch heute noch die stolzesten Herzen erweicht … (setzt erneut zum Singen an)
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JungeSeiten
Der weihnachtigallenLeckerschmeckeregeilomatoWunschpunsch des Oldenburgischen Staatstheaters
Liebe kleine Theaterbesucherinnen und -besucher, dörrt euch bei all dem Spekulatius-Geknabbere in der Vorweihnachtszeit auch immer der Mund vollkommen aus und fehlt euch dazu noch der magische Durstlöscher – nach dem Vorbild des satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsches von Michael Ende gebraut, aber natürlich auf jeden Fall glückversprechend und weihnachtslaunestiftend? Dann probiert doch einmal das Rezept von Susanne Diekmann, der Leiterin der Theater-Gastronomie. Sie hat sich eigens mit der Adventsabgerodneten der Wunschpunsch-Fraktion in Verbindung gesetzt und nach deren geheimen Zutaten ein geschmacksexplodierendes Wunderwerk kredenzt. Und wenn ihr beim Schlürfen des fertigen Getränkes auch noch den versteckten Raben auf dieser Seite entdeckt, sendet sie uns mit markiertem Rabenfund an: Oldenburgisches Staatstheater,
z. Hd. Caroline Schramm, Theaterwall 28, 26122 Oldenburg und gewinnt zwei Karten für eine Vorstellung von ‚Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch‘! Wir wünschen süffiges Gebräu und fröhliches Suchen!
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OpernSeiten
Mozart in Wien und Shanghai, Jesus in Oldenburg Eine gehörige Brise internationalen Musical-Flairs wird das Große Haus des Oldenburgischen Staatstheaters durchwehen, wenn der junge Musicalstar Oedo Kuipers ab dem 29. Oktober in der Titelrolle von Andrew Lloyd Webbers Rockoper ‚Jesus Christ Superstar‘ auf der Bühne steht. Dramaturgin Annabelle Köhler traf den Künstler vor Probenbeginn.
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ereits bei seinen ersten künstlerischen Schritten bescheinigte keine Geringere als Pia Douwes, die legendäre Wiener Elisabeth, die als Velma Kelly im Musical ‚Chicago‘ am New Yorker Broadway ebenso wie am Londoner Westend für Furore sorgte und zu den größten Stars der Musicalszene zählt, dem damals gerade einmal 19-jährigen Oedo Kuipers großes Talent. Wirft man einen Blick auf die Rollen, die der junge Künstler seitdem gesungen hat, kann man ihr nur Recht geben: Raoul Vicomte de Chagny in Webbers ‚Phantom der Oper‘ in Hamburg, Mozart in Wien und Shanghai, den Märchenkönig in Füssen … Er hat es zweifellos geschafft!
Dabei stand der Wunsch, Musicaldarsteller zu werden, für den jungen Niederländer erstaunlicherweise gar nicht so früh fest, wie man vermuten könnte: „Ich war immer schon musikalisch engagiert, aber eher in der OrchesterWelt. Ich habe lange in einer Brassband Euphonium gespielt. Mit 19 Jahren habe ich dann gemerkt, dass ich gerne Gesang studieren würde und habe das auch gemacht.“ Dann kam allerdings schnell Bewegung in die Dinge: Bei der Teilnahme an der niederländischen TV-Casting-Show ‚Op zoek naar Joseph‘ sammelte Oedo Kuipers wichtige erste Erfahrungen, nicht zuletzt durch das Coaching großer niederländischer Künstler wie Pia Douwes, Willem Nijholt und Paul de Leeuw. Anschließend widmete er sich seinem Studium am renommierten Konservatorium für Musiktheater in Tilburg und erhielt unmittelbar danach erste Engagements in seinem Heimatland. Sein erstes Engagement am Theater Neue Flora Hamburg in Webbers ‚Phantom der Oper‘ im Jahre 2013 bedeutete für ihn den Sprung ins internationale Musical-Business: Er wurde als Cover für die Hauptrolle des Raoul engagiert und wirkte zudem als Swing in der Produktion mit, übernahm also im Laufe der Zeit auch zahlreiche unterschiedliche Ensemblerollen. Oft erfuhr er erst morgens, welche Rolle er am Abend singen sollte. All diese Aufgaben meis12
terte er mit Bravour und so ließen die nächsten großen Engagements nicht lange auf sich warten: Im Jahre 2015 wurde er für die Titelrolle des Musicals ‚Mozart!‘ ans Wiener Raimund Theater engagiert, 2016 war er dann in der Titelrolle sowie als Graf Dürckheim im Musical ‚Ludwig2‘ in Füssen zu erleben und zudem 40 Vorstellungen lang als Mozart in Shanghai zu sehen, als die Wiener Produktion dort gastierte. „Das war eine der spannendsten Erfahrungen für mich“, erklärt er im Rückblick. Mit einer der großen Rollen Andrew Lloyd Webbers begann Oedo Kuipers internationale Karriere. Nun wird diese um eine weitere Titelrolle erweitert: Jesus. Der Sänger freut sich auf diese neue Herausforderung. Er bereitet sich akribisch musikalisch und gesanglich vor, um sich in der Probenzeit dann voll und ganz auf das Spiel konzentrieren zu können. An Webbers Musik schätzt er insbesondere deren dramaturgischen Aufbau und vielfältige Deutungsmöglichkeit: „In diesem Stück speziell finde ich es toll, dass viele Melodien immer wieder zurückkommen. Und dass sie in vielen verschiedenen Kontexten benutzt werden.“ Die Figur des Jesus hat ihn seit seiner Kindheit begleitet: „Mit der Figur des Jesus, bin ich aufgewachsen. So wie auf jeder christlichen Schule ging es auch bei uns viel um ihn. Es gab Geschichten und Lieder um seine Person. Und sonntags sind wir auch in die Kirche gegangen. Auf all diese Geschichten zurückgreifen zu können, reizt mich besonders – natürlich neben der Herausforderung, dieses Erfolgsstück auf die Bühne zu bringen.“ ‚Jesus Christ Superstar‘ – ein Kult-Stück, das selbst mit der Thematik des Starkults spielt … In Erik Petersens Inszenierung wird gerade dieser Aspekt einen äußerst wichtigen Raum einnehmen und trifft damit eine Erfahrung, die der junge Musical-Sänger bereits selbst gemacht hat. Auch er kennt die jubelnde Masse und weiß um die diver-
OpernSEITEN
Im kräftezehrenden Musical-Business, das von seinen Akteuren das Äußerste an Leistung und Disziplin fordert, ist es wichtig, sich die richtigen Entspannungsstrategien zu erschließen. Oedo Kuipers gelingt dies am besten mit Bewegung: „Wenn ich mal einen Tag frei habe, mache ich gerne Sport. Ich gehe zum Beispiel Laufen oder natürlich Fahrradfahren. Ich bin und bleibe ja Holländer“, witzelt er. Wenn er sich gerade einmal nicht sportlich austobt, genießt er die Zeit mit Freunden: „ Am liebsten bin ich zusammen mit Freunden zu Hause – mit gutem Essen, ein bisschen Gin-Tonic und vielleicht einem Brettspiel (obwohl ich immer verliere). Sonst gehe ich auch sehr, sehr gerne ins Kino.“ – Ins Kino … und natürlich auch in Musical-Vorstellungen! Eine der Sternstunden für ihn als Zuschauer war dabei der Besuch einer Vorstellung des Musicals ‚Once‘ von Glenn Hansard in London. Oedo Kuipers kommt ins Schwärmen, wenn er davon erzählt: „Eine wunderschöne Aufführung, in der die Band mit auf der Bühne saß und verschiedene Rollen gespielt hat. Das war so unfassbar gut, dass man nicht mehr darüber nachgedacht hat, wer wo wie gut war, sondern nur spürte, dass alle im Dienst der Geschichte standen. Dieses Zusammenwirken war so unglaublich schön! So muss Theater sein, finde ich.“
Oedo Kuipers
gierenden Gefühle, die diese auslösen kann: „Das gehört irgendwie dazu. Ich stehe gerne auf der Bühne und freue mich, wenn das Publikum mir seine Aufmerksamkeit schenkt. Aber wenn die Vorstellung zu Ende ist, fällt es mir manchmal schwer, mit Komplimenten umzugehen.“ Und er fügt lachend hinzu: „Ich weiß nicht, wahrscheinlich bin ich zu nordisch dafür.“ Als freischaffender Musical-Darsteller muss sich Oedo Kuipers auf stets neue Kollegen und Regieteams einstellen, was er zwar künstlerisch als äußerst bereichernd, persönlich bisweilen aber als durchaus belastend erlebt: „Das hat seine guten und weniger guten Seiten. Schön ist, dass man immer wieder neue Impulse von Leuten bekommt, mit denen man noch nicht gearbeitet hat. Leider arbeitet man aber meistens für höchstens ein Jahr zusammen und verabschiedet sich dann wieder. Das ist manchmal schwer. Aber zum Glück ist die Musical-Welt relativ klein. Man begegnet sich schnell wieder – auf irgendeiner Audition zum Bespiel.”
Mozart, Ludwig II., Jesus – da fragt man sich unwillkürlich, welche Traumrolle für ihn als Darsteller jetzt auf dem Wunschzettel ganz oben steht. Darauf angesprochen, gesteht er schmunzelnd: „Ich habe meine Karriere in Deutschland beim ‚Phantom der Oper‘ in Hamburg begonnen. Dieses Stück ist für mich deswegen etwas Besonderes. Ich durfte damals den Vicomte de Chagny spielen, aber jetzt steht das Phantom noch auf der Liste. Dafür brauche ich aber noch ein paar Jahre Geduld.“ Ja! Jetzt erst einmal Jesus! – Oldenburg darf sich freuen! Annabelle Köhler
,JESUS CHRIST SUPERSTAR‘ von Andrew Lloyd Webber in englischer Sprache mit Übertiteln Musikalische Leitung — Jürgen Grimm Regie — Erik Petersen Choreografie — Yoko El Edrisi Premiere am 29.10.2017, 18.00 Uhr, Großes Haus
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JESUS CHRIST
SUPER STA R DAS ERFOLGREICHE ROCK-MUSICAL VON ANDREW LLOYD WEBBER
Gesangstext von Tim Rice | Musik von Andrew Lloyd Webber
AB 29.10.
Mit Musica lShooti ngstar Oedo Kuiper s
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BÜHNENSEITE
Auszeit mit … … Fabian Kulp am Zwischenahner Meer zialität Aal sowie der regionalen Spirituose „ Ammerländer Löffeltrunk“, zum Fisch aus Löffeln serviert, zu frönen.
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er im künstlerischen Bereich an Theatern arbeitet, zieht meist nach ein paar Jahren Engagement weiter, um neue Bühnen, neue Stücke oder Projekte und damit auch neue Städte und deren Umgebung zu erobern. Gleichzeitig haben Theater eigene Regeln und Zeiten. Wer am Abend oder am Wochenende Vorstellungen hat oder probt, hat oft nicht die Möglichkeit, lange Wege zu fahren oder mehrtägige Ausflüge zu machen. Deshalb haben wir nach Ideen und Ausflugszielen gefragt, die unsere Künstlerinnen und Künstler besuchen, um die Umgebung kennenzulernen, ein paar Stunden der Stadt zu entfliehen oder die Seele baumeln zu lassen. Unser erstes Ziel kommt von Fabian Kulp, der seit dieser Spielzeit Teil des Schauspielensembles ist. Er ist im Frühling nach Oldenburg gezogen und steht nun, nach den wundervollen Schauspielproduktionen ‚Hiob‘ und ‚Utøya‘, kurz vor seiner dritten Premiere am Oldenburgischen Staatstheater mit dem Weihnachtsmärchen ‚Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch‘. Einer seiner ersten Ausflüge führte ihn an das Zwischenahner Meer, um dort am See spazieren zu gehen und der lokalen Spe-
Der rechts abgebildete Weg nach Bad Zwischenahn misst ungefähr 15 km und lädt zu einer gemütlichen Fahrradtour ein, die ohne Pause ungefähr eine Stunde dauert. Die Strecke hat kaum Steigung, ist allerdings für Rennräder nur geeignet, wenn man bereit ist, auch unebene Waldwege mit schmalen Reifen zu befahren. Die Route führt am Woldsee vorbei, der im Sommer zu einer Pause oder einem Sprung in das kühle Nass einlädt. Bei den aktuellen Temperaturen lockt allerdings eher der Wald für einen kurzen Zwischenstopp auf einer sonnigen Bank – vielleicht mit einer Thermoskanne Tee? In Bad Zwischenahn angekommen, bietet der See mannigfaltige Möglichkeiten. Für ganz sportliche Gemüter natürlich den Gang um den See, der allerdings mit 13 km Länge in Anbetracht des Rückweges per Rad nicht zu unterschätzen ist, aber durch wundervolle Wälder und Wiesen, an schönen Höfen vorbei, (fast) immer am Wasser entlangführt und Körper und Geist maximales Durchatmen ermöglicht. Entspannung bietet auch ein Wellenbad mit Solebecken, eine Sauna, die vielen Möglichkeiten, frischen Fisch zu genießen, oder einfach ein Stück Stachelbeertorte mit Marzipanhaube und eine gute Tasse Kaffee in einem der Cafés, die einen Blick auf den See bieten. Gesine Geppert 15
BallettSeiten
3 Generationen – 3 Uraufführungen, 3 Choreografen Mit gleich drei Uraufführungen der besonderen Art wartet die erste Ballett-Premiere der Spielzeit 17/18 auf: ‚From the Lighthouse‘ des Tänzers Lester René González Álvarez der BallettCompagnie Oldenburg tritt neben zwei Neukreationen von Ballettdirektor und Chefchoreograf Antoine Jully – ‚Is this it?‘ und ‚Harmonic Language‘ –, die wiederum durch das Überraschungsstück ‚Tensile Involvement‘ des 1993 verstorbenen Alwin Nikolais unterbrochen werden. Doch was ist es, das die drei so unterschiedlichen Choreografen auszeichnet, welchen Charakter und welche tänzerische Sprache legen sie in ihre Arbeiten? – Eine dreifache Annäherung zu Beginn der Probenphase.
1 // A day in the life of … Lester René González Álvarez
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er Wecker klingelt meist um 8.30 Uhr bei Lester René González Álvarez. Eigentlich fast ein bisschen zu spät, denn der Körper braucht Zeit, um aufzuwachen. „Ich bin ein Morgenmuffel, weil ich zu sehr in den Mond verliebt bin“, sagt Lester mit einem verschmitzten Lächeln. Das tägliche Training für alle Tänzerinnen und Tänzer beginnt um 10 Uhr und dauert zwischen 80 und 90 Minuten. Es dient als Vorbereitung für den Probentag. Hier kann die Compagnie kontinuierlich an ihrer Technik arbeiten. Außerdem sorgt es mit seiner stetigen Systematik dafür, dass der Körper gesund und fit bleibt: „Wir könnten ohne das Training nicht auf die Bühne gehen.“ So wie Lester sind auch die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen bereits circa eine halbe Stunde vor Beginn da, um sich aufzuwärmen: „Du kannst unseren Arbeitstag nicht beginnen, ohne den Körper aufzuwärmen. Das wäre sonst eine Katastrophe. Wir müssen unseren Körper aufwecken.“
14 Uhr: Mittagspause. Diese fällt bei Lester eher bescheiden aus, ein belegtes Brötchen oder eine kleine Suppe reichen. Alles andere ist zu viel, es macht den Körper zu müde und schwer für die darauffolgenden Nachmittagsproben. Am heutigen Nachmittag probt Lester nicht als Tänzer, sondern als Choreograf für seine Kreation ‚From the Lighthouse‘, die am 11.11.2017 Premiere feiert. Vom Tänzer zum Choreografen? Wie fühlt sich das an? „Das ist eine große Verantwortung. Als Choreograf muss man sehr gut vorbereitet sein, um die Probe so gut wie möglich zu gestalten. Das nimmt viel Energie in Anspruch. Du bist dir zu Beginn noch nicht sicher, in welche Richtung das Stück geht. Trotzdem musst du eine Balance finden – die Ausführenden sollen sich gut fühlen und du musst mit deiner Kreation weiterkommen und den Weg einschlagen, den du für
Die Proben starten nach einer 20-minütigen Pause. Je nach Choreografie gestaltet sich Lesters Vorbereitung darauf, allgemeine Rituale vor einer Probe hat er nicht. Manchmal geht er ganz spontan in die Probe, manchmal braucht er eine gewisse Zeit für sich selbst, um sich mental darauf einzustellen. Er sieht Aufnahmen des Stückes, hört sich die Musik an und versucht, seinen Körper an die Schritte und Bewegungsfolgen zu erinnern. „Nicht nur das Gehirn, auch der Körper muss aktiviert werden und ist essentieller Teil dieses Prozesses. Manchmal erinnert sich der Körper sogar schneller als der Kopf, zum Beispiel hörst du die Musik einer Choreografie, die du vor drei Jahren getanzt hast, und der Körper reagiert automatisch darauf und kennt die Schritte, ohne dass du darüber nachdenkst. Das ist sehr faszinierend.“ 16
Das Ensemble probt mit Lester René González Álvarez ,From the Lighthouse‘.
BallettSEITEN
Antoine Jully probt mit Eleonora Fabrizi und Timothée Cuny an ,Is this It?‘
richtig hältst. Im Moment gebe ich den Tänzerinnen und Tänzern viel Bewegungsmaterial. Sie setzen dieses dann mit ihrer eigenen Körpersprache um und das inspiriert mich für die nächste Probe und macht mich zugleich frei von zu vielen Gedanken.“ Wie ist das aber, wenn man auf einmal der Chef seiner eigenen Kolleginnen und Kollegen ist? „Natürlich ist es ein anderes Gefühl und auch ein ganz neuer Zugang. Aber ich versuche mich davon zu befreien, zu viel darüber nachzudenken, was andere denken. Ich bin sehr froh über die Chance, die mir gegeben wurde, und mache das Beste daraus. Ich denke, die größte Veränderung für mich ist, dass ich in der Position des Choreografen sehr stark fühle, dass das Ensemble auf der einen Seite ein wenig eingeschüchtert ist, aber auf der anderen Seite dich unbedingt von sich und seinem Bewegungsangebot überzeugen will. Es ist sehr interessant, wie wichtig ihnen meine Meinung ist. Das ist ein sehr kraftvoller Moment.“ Nach einem langen Tag voller Proben für Stücke, in denen er selbst besetzt ist, und für seine eigene Kreationen ist um 18 Uhr Feierabend im Ballettsaal. Teilweise ist aber die Arbeit am eigenen Körper noch nicht vorbei, Physiotherapie und Massagetermine warten. „ Als Tänzer muss man sich mit den eigenen Schmerzen und Problemen auseinandersetzen.“ Damit nicht nur der Körper, sondern auch die Seele gesund bleibt, übt sich Lester seit Neuestem in abendlicher Meditation, um Körper und Geist auf den nächsten Tag vorzubereiten. Nastasja Fischer
2 // Im Spannungsfeld von Klang, Rhythmus und Bewegung Antoine Jully kreiert zu Songs von Asaf Avidan und Béla Bartóks viertem Streichquartett
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a war diese Stimme im Radio: Sie klang sehr klar, voll und irgendwie mysteriös und setzte sich im Kopf des Choreografen Antoine Jully fest. Er nahm sich vor herauszufinden, wer die Sängerin war. Monate später war die Erinnerung an diese Stimme immer noch da und gehörte, zu seiner Überraschung, einem Sänger! Es ist der aus Israel stammende Musiker Asaf Avidan und nachdem Antoine Jully mehrere seiner Lieder gehört hatte, nahm die Idee, dazu eine Choreografie zu entwickeln, immer mehr Form an. Er wählte drei Songs aus und Avidans ‚Is this it?‘ ist titelgebend für Jullys Kreation für eine Tänzerin und einen Tänzer. „Für mich sind die beiden kein Paar“, so der Choreograf, „ich zeige keine Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen. Für mich repräsentieren sie zwei unterschiedliche Seiten – sie sind wie Kopf und Körper. Und wie bei allen Menschen dominiert mal der eine, wenn wir sehr rational mit Dingen umgehen, mal der andere, wenn wir emotional aus dem Bauch heraus reagieren.“ Antoine Jully lässt offen, wer von beiden welchen Part für ihn übernimmt, und vielleicht geht es auch hin und her – und das ist dann doch wieder wie in einer Liebesbeziehung. Auch tänzerisch ist es ein Geben und Nehmen. Manchmal ein Miteinander, dann wieder ein Nebeneinander. 17
BallettSeiten
Alberto del Saz im Ballettsaal mit der BallettCompagnie Oldenburg
Doch nicht allein der Klang von Asaf Avidans Stimme und die Stimmung, die er erzeugt, werden zur Inspirationsquelle für Antoine Jullys Stück, auch die Liedtexte liest er in jeder Probe aufs Neue: „ Avidan beschäftigt sich in seinen Liedern viel mit religiösen Fragen. Vielleicht, weil er aus Israel kommt, vielleicht auch, weil sein Vater starb, als er ungefähr elf Jahre alt war. Jetzt denke ich, dass es in meiner Choreografie auch darum geht, dass wir Gott, wenn überhaupt, am ehesten in uns selbst finden können.“ Zunächst eher mathematisch-geometrisch als philosophisch geht Antoine Jully in seiner Kreation ‚Harmonic Language‘ vor. Die Choreografie greift die von Béla Bartók 1928 in seinem vierten Streichquartett angelegte Brücken-Struktur auf. Musikalisch paaren sich um den zentralen 3. Satz zwei Bögen: Ein weiterer wird vom 1. zum 5. Satz und ein engerer vom 2. zum 4. Satz geschlagen. „Mich fasziniert vor allem der Rhythmus dieser Musik mit seinen ständigen Wechseln und die Energie, die daraus entsteht“, sagt Antoine Jully. „Ich sehe meine Choreografie dazu eher wie eine Art ‚Exercise‘, ein tänzerisches Experiment.“ Deshalb empfindet er die Tatsache, dass die Musik bei diesem Ballettabend vom Tonträger kommt, sogar als Vorteil, „denn nur so sind Rhythmik und Tempo wirklich in jeder Probe und jeder Vorstellung exakt identisch und nichts bleibt dem Zufall, der individuellen Tagesform von Musikern oder Tänzerinnen und Tänzern überlassen. Der Fokus der Choreografie soll ganz auf den Körpern der acht Tänzerinnen und Tänzer und deren Reaktion auf Bartóks Musik liegen.“ Telse Hahmann 18
3 // Ein Tanzerbe lebendig halten Der Künstlerische Direktor der Nikolais/Louis Foundation for Dance, Alberto del Saz, über die Erhaltung des Erbes des amerikanischen Choreografen Alwin Nikolais sowie über verschiedene Generationen von Tänzerinnen und Tänzern.
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lberto del Saz hat sich dem Leben und Schaffen von Alwin Nikolais, Pionier des modernen Tanzes, verschrieben. Der gebürtige Spanier erhielt bereits seine Ausbildung zum Tänzer unter anderem bei Alwin Nikolais und tanzte später in dessen Compagnien. Heute ist er Direktor der Nikolais/Louis Foundation for Dance. Nach der erfolgreichen Rekonstruktion von ‚Imago Suite‘ studiert Alberto del Saz in dieser Spielzeit Alwin Nikolais’ Stück ‚Tensile Involvement‘ aus dem Jahr1953 mit der BallettCompagnie Oldenburg ein. Mit welchem Ziel starten Sie in den Tag? Alberto del Saz: Als Tänzer, Lehrer, Choreograf und Künstlerischer Direktor dreht sich mein Leben immer um die Kunst. Jede Entscheidung, die ich treffe, wirkt sich auf das Leben und Arbeiten von Tänzerinnen und Studierenden aus. So versuche ich, mir Zeit zu nehmen, um die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen und am Ende des Tages sagen zu können, dass ich etwas zur Kunstform Tanz beigetragen habe. Was ist Ihre Hauptaufgabe als Künstlerischer Direktor der Nikolais/Louis Foundation for Dance? AdS: Das Erbe, das Repertoire und die Lehrtechnik der beiden amerikanischen Choreografen Alwin Nikolais und Murray Louis zu bewahren, weiterzuführen und zu
BALLETTSEITEN
lehren, sind Ziele meiner Arbeit. Mir ist es wichtig, die Relevanz ihrer künstlerischen Arbeit sichtbar zu machen und dass die Stücke auch für heutige Generationen von Tänzerinnen, Tänzern und Publikum aus erster Hand erfahrbar sind. Sie haben früher selbst die Werke von Alwin Nikolais getanzt. Heute lehren Sie Tänzerinnen und Tänzern einer anderen Generation das Repertoire. Was hat sich geändert? AdS: Die neue Generation ist sehr vielseitig und komplex, da sie meistens in verschiedenen Stilen, Techniken und Philosophien trainiert wird. Wenn du mit diesen Menschen arbeitest, bist du begeistert von ihrem hohen Level und technischen Fähigkeiten. So geht es nicht so sehr darum, ihnen die Schritte beizubringen – heutige Tänzerinnen und Tänzer sind sehr schnell im Lernen –, sondern ich sehe meine Rolle mehr als die eines Mentors, um mein Gegenüber dahin zu bringen, nicht die Aufführung als Ziel zu begreifen, sondern das maximale Erreichen des eigenen künstlerischen Schaffens in den Mittelpunkt zu stellen.
Gibt es Unterschiede zwischen Ihrer Generation bzw. der Arbeitsweise, in der Sie als Tänzer trainiert haben, und der der heutigen Generation? AdS: Auf jeden Fall gibt es Unterschiede. Ich habe meine Ausbildung und meine professionelle Karriere als Tänzer mit Alwin Nikolais verbracht. Diese Hingabe und Verpflichtung waren außergewöhnlich. Ich habe praktisch mein Leben seiner Arbeit und Compagnie gewidmet. In den letzten 30 Jahren haben sich die Lehrmethoden, Technologien und auch Tänzerkörper stark geändert. Diese Wandlungen bewirken, dass Tanz und Kunst tatsächlich Grenzen durchbrechen können und das macht es sehr aufregend und spannend, in diesem Gebiet zu arbeiten. Das Interview führte Nastasja Fischer.
,Drei Generationen‘ FROM THE LIGHTHOUSE*/IS THIS IT?*/ TENSILE INVOLVEMENT/HARMONIC LANGUAGE* *Uraufführung
Choreografie — Lester René González Álvarez/ Antoine Jully/Alwin Nikolais BallettCompagnie Oldenburg Premiere — 11.11.2017, 20.00 Uhr, Kleines Haus
Ballett impulsiv I ein funkelnder Ballettabend von der Klassik zur Moderne mit Tänzerinnen und Tänzern der BallettCompagnie Oldenburg DO 14.12. | 20 UHR | kleines Haus
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NiEderdeutscheSeiten
„Wer die schönsten Komplimente macht, gewinnt“ Speed Dating für Senioren up platt! Das Niederdeutsche Schauspiel eröffnet mit einer Uraufführung von Marc Becker
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ieben Minuten haben die sechs Senioren Zeit, ihr Gegenüber kennenzulernen. Da will man sich doch von der besten Seite zeigen und dem potenziellen Partner oder der potentiellen Partnerin liebevolle Worte entgegenbringen! Dass das nicht immer funktioniert und gerade zwischen Mann und Frau eine komplizierte Sache sein kann,
hat Marc Becker in seinem neuen Stück humorvoll verarbeitet. Exklusiv für die BÜHNENSEITEN gewähren wir einen kurzen Einblick in den Text der Uraufführung ‚…Un denn de Heven vull von Geigen‘, den er eigens für das Ensemble der August-Hinrichs-Bühne geschrieben hat.
Verwirrung und Missverständnisse: Norbert Nordermann (Alf Hauken) und Rosie Zapp (Margrit Backhus) beim ersten Date
NIEDERDEUTSCH NORBERT Draff ik Se villicht, ehrdat wi tohoop in’t Gespreek instiegen doot, mienen eersten Indruck von se vermiddeln? ROSI Inverstahn. NORBERT Se sünd wat heel Besünners. Se hefft ’n wunnerbare Utstrahlung un wirkt vör mi, wo schall ik dat seggen … erfrischend. ROSI Erfrischend? NORBERT Ja. Erfrischend. ROSI Erfrischend. NORBERT Ja. Jichtenswie frisch. ROSI Frisch. Erfrischend. Ik wirk erfrischend. So. Un erfrischend as wat? NORBERT Ja … seggt wi mal, erfrischend as een köhlet Getränk an een warmen Sommerdag. ROSI Se hoolt mi also för een köhlet Getränk an een… NORBERT Nee, nee. ROSI Aver Se hefft doch seggt … NORBERT Verstaht Se mi bidde nich verkehrt, ik wull Se een Kumpelment maken. ROSI Ik bün kien köhlet Getränk. 20
NiEderdeutscheSeiten
Was muss beim ersten Date alles beachtet werden? – Das AHB-Ensemble
HOCHDEUTSCH NORBERT Darf ich Ihnen vielleicht, bevor wir miteinander ins Gespräch einsteigen, meinen ersten Eindruck von Ihnen vermitteln? ROSI Einverstanden. NORBERT Sie sind etwas Besonderes. Sie haben eine tolle Ausstrahlung und wirken auf mich sehr, wie soll ich das am besten sagen … erfrischend. ROSI Erfrischend? NORBERT Ja. Erfrischend. ROSI Erfrischend. NORBERT Ja. Irgendwie frisch. ROSI Frisch. Erfrischend. Ich wirke erfrischend. So. Und erfrischend wie was? NORBERT Ja … sagen wir, erfrischend wie ein kühles Getränk an einem warmen Sommertag. ROSI Sie halten mich also für ein kühles Getränk an einem … NORBERT Nein, nein. ROSI Aber Sie sagten doch ... NORBERT Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich wollte Ihnen ein Kompliment machen. ROSI Ich bin kein kühles Getränk.
,… UN DENN DE HEVEN VULL VON GEIGEN‘ von Marc Becker Niederdeutsch von Annegret Peters Regie — Marc Becker Premiere — 15.10.2017, 18.30 Uhr, Kleines Haus
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konzertSeiten
„Verwöhnte Diva“ Hinter den Kulissen des Theaterbetriebs leistet eine ganze Brigade von Tasteninstrumenten musikalische Basisarbeit. Einige von ihnen stehen auch häufiger im Rampenlicht – und alle haben so ihre Stärken und Schwächen …
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enn Klavierexperte Peter Kelemen lächelnd von der „Verwöhnten Diva“ spricht, dann meint er nicht etwa eine Sängerin, sondern den Konzertflügel des Staatstheaters: einen Steinway&Sons-Flügel, der 1994 nagelneu angeschafft und seitdem von dem Klaviertechniker und -stimmer exklusiv betreut wird. Künstlergarderobe und Ruheraum der „Diva“ ist ein klimatisierter Kellerraum, der im Theater als „Flügelzimmer“ bekannt ist. Hier wird versucht, Temperaturschwankungen so gut wie möglich auszugleichen und die Raumfeuchtigkeit bei etwa 50% zu halten. Doch das Instrument lässt sich die Jahreszeiten nicht vorenthalten: Spätestens wenn es den Raum verlässt, verändert es – extremer als manch anderes Instrument – seine Stimmung, was ihm seinen Spitznamen bescherte und was vor allem das Orchester vor größere Herausforderungen stellt: „ Auf den Flügelsaiten liegen ca. 10 t Zugkraft, man kann nicht ständig das ganze Instrument hin und her stimmen – so etwas ist nicht nur für die Spannung fatal, sondern bringt auch das ganze System durcheinander“, warnt Kelemen. Also richtet sich das Orchester nicht selten nach dem Solisten: Kelemen steht im engen Austausch mit der Ersten Oboistin Yumiko Kajikawa, die üblicherweise vor jedem Konzert die Stimmung für das Orchester vorgibt. „Die meisten Orchester spielen mit einer Stimmung von
Peter Kelemen bereitet den Konzertflügel für das 1. Sinfoniekonzert vor.
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442 Hertz“, erläutert Kelemen, „Karajan hatte für die Berliner Philharmoniker 445 Hertz eingeführt und das Oldenburgische Staatsorchester liegt durchschnittlich bei 443 Hertz.“ Auf ihre Auftritte wird die „Diva“ anderthalb bis zwei Stunden lang im Flügelzimmer vorbereitet: Dabei hat Kelemen mittlerweile genau im Ohr, ob sie im Kleinen Haus oder auf der Bühne des Großen Hauses spielen wird – akustisch ein großer Unterschied, auf den das Instrument mit sensibler Stimmung entsprechend vorbereitet werden muss. Früher hatte die „Diva“ auch manchmal Auftritte zu absolvieren, die ihr etwas zusetzten: wenn sie in ‚Carmina Burana‘ beispielsweise mitten im Nebel stand (und in Windeseile austrocknete) oder wenn sie in Tanzproduktionen auch szenisch mitwirken musste. „Eigentlich ist sie nur für Formel-1-Rennen geeignet“, erklärt Kelemen – und deshalb wird sie seit einigen Jahren auch nur noch dafür eingesetzt: für Klavierkonzerte, für Recitals wie ,Große Pianisten im Kleinen Haus‘ oder für Liederabende. Proben- und Orchesterinstrumente Der Konzertflügel ist natürlich bei Weitem nicht das einzige Tasteninstrument des Staatstheaters: 16 Klaviere, 8 Flü-
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Celesta und Stutzfügel im 1. Sinfoniekonzert
gel, 2 Celesten und 1 Cembalo sind über das ganze Theater verteilt. Sie alle hat der Kapellmeister und Studienleiter Carlos Vázquez genau im Blick und kümmert sich um ihre Betreuung und ihren Einsatz, organisiert die Klavierstimmer und notwendige Reparaturen. Die meisten von ihnen werden für den Probenbetrieb gebraucht und stehen in den Studierzimmern für Repetitionsstunden, im Chorsaal und im Ensembleprobenraum, im Ballettsaal, auf den Probebühnen oder in der Exerzierhalle. Und natürlich im GMD-Zimmer, im Kapellmeisterzimmer und in den Garderoben, damit sich die Sängerinnen und Sänger kurz vor ihrem Auftritt warm singen können. Andere Instrumente wiederum werden regelmäßig auf die Bühne oder in den Orchestergraben geholt und ruhen sich zwischendurch im Magazin neben der Seitenbühne aus. So zum Beispiel der Stutzflügel aus dem Hause Yamaha, der fast alle szenischen Proben auf der Großen Bühne begleitet und hin und wieder als Orchesterinstrument mitspielt, wie zuletzt in ‚Yvonne‘ oder beim 1. Sinfoniekonzert dieser Spielzeit: Da standen Stutzflügel und Celesta einträchtig nebeneinander am Bühnenrand und wurden vom hinund herspringenden Pianisten Felix Pätzold im ständigen Wechsel gespielt. Der Stutzflügel ist wohl der vielseitigste unter den Kollegen: Er beteiligt sich auch gerne am Theaterfest, musiziert mit dem Salonorchester oder ist Paul Brady bei Jazz-Auftritten ein treuer Partner. Das älteste Tasteninstrument des Staatstheaters hingegen – ein Steinway&Sons-Flügel aus dem Jahre 1941 – hat sich mit seinen 76 Jahren Konzerterfahrung schon ein wenig zurückgezogen: Er läuft unter dem edlen Namen „Schlossflügel“, weil er lange im Oldenburger Schloss stand und auf
seine dortigen Konzerteinsätze wartete, mittlerweile jedoch lässt er sich am liebsten nur noch in ungewöhnlicheren Formaten wie „Melodien für Moneten“ einteilen. All diese Instrumente werden durchgehend von dem Wiefelsteder Klavierstimmer Karl van Heest betreut, der seit vielen Jahren mit den Befindlichkeiten jedes einzelnen Instrumentes vertraut ist und etwa alle drei Monate die Klaviere wartet und stimmt. Neben dieser Routine sind oftmals noch zusätzliche Stimmungen notwendig; nicht nur bei Konzertauftritten, sondern auch, wenn zum Beispiel ein Flügel zur Begleitung bei Instrumentalvorspielen oder bei Vorsingen eingesetzt wird. Manchmal reichen sogar die vorhandenen 27 Instrumente nicht aus; immer dann, wenn Sonderinstrumente benötigt werden, die nicht im Besitz des Theaters sind: eine Truhenorgel für Barockproduktionen, ein Hammerklavier für Mozart-Opern oder ein zweites Cembalo … In solchen Fällen tritt der Oldenburger Cembalobauer Dietrich Hein auf den Plan: Er stellt eigene Instrumente zur Verfügung oder aber er weiß, wo man etwas Ausgefalleneres finden kann, wie zum Beispiel ein Cembalo mit einem größeren Umfang als üblich, so wie es Benjamin Britten in seinem ,Sommernachtstraum’ verlangt: Ein solches 16’-Cembalo machte sich dann 2015 von Stuttgart aus auf Gastspielreise nach Oldenburg. Und so entdeckt man tatsächlich bei fast jedem Instrument individuelle Züge: „Ich behandele alle Instrumente wie Menschen“, schwärmt Peter Kelemen und es fällt nicht schwer zu verstehen, wie er das meint … Stephanie Twiehaus 23
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Die BallettCompagnie Oldenburg in Antoine Jullys ,Generation Y‘
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SchauspielSeiteN
Eine ‚Möwe‘ in neuem Gefieder Elina Finkel bringt Anton Tschechows Drama auf die Bühne des Staatstheaters
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m November 2018 steht ,Die Möwe‘ auf dem Spielplan. Endlich! Die Inszenierung, deren Figurinen hier zu sehen sind, ist die Umsetzung eines der bekanntesten Stücke des russischen Realisten Anton Tschechow, welches bei Schauspielerinnen und Schauspieler wie Theaterbegeisterten seit seinem Erscheinen im Jahre 1896 gleichermaßen legendär ist. Mit seiner ungewöhnlichen Dramaturgie und Figurenzeichnung beeinflusste Tschechows Werk wesentlich die Arbeit des international einflussreichen Theaterrevolutionärs Konstantin Stanislavski, der mit seiner Technik des psychologischen Realismus – des genauen Einfühlens in die seelischen Zustände einer Figur – die Schauspielkunst von seinem Moskauer Künstlertheater der Jahrhundertwende bis ins heutige Hollywood für immer veränderte. Ein Interview mit der Regisseurin und Übersetzerin der „Oldenburger Möwe“. Frau Finkel, Tschechow wurde immer vorgeworfen, ,Die Möwe‘ sei ein bemerkenswert handlungsarmes Stück. Sehen Sie das auch so? Elena Finkel: Nein, überhaupt nicht. Vor unseren Augen durchleben die Figuren emotionale Berg- und Talfahrten, wir sehen sie lieben, leiden, um ihr Glück kämpfen oder aufgeben. Da gehen Leben kaputt, Herzen werden gebrochen, es wird gekämpft, gesoffen, gehurt, geschossen – man kann dem Stück wirklich nicht vorwerfen, dass da nichts passiert!
Figurinen zu ,Die Möwe‘ von der Ausstatterin Doey Lüthi
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Wenn Sie dann den Plot des Dramas in fünf Sätzen zusammenfassen müssten, welche wären das? EF: Es gibt in Heinrich Heines ,Buch der Lieder‘ ein hübsches Gedicht, das die Handlung des Dramas bereits 70 Jahre vor seinem Erscheinen vorwegzunehmen scheint: Ein Jüngling liebt ein Mädchen, Die hat einen Andern erwählt; Der Andre liebt eine Andre, Und hat sich mit dieser vermählt. Das Mädchen heiratet aus Ärger Den ersten besten Mann, Der ihr in den Weg gelaufen; Der Jüngling ist übel dran. Es ist eine alte Geschichte, Doch bleibt sie immer neu; Und wem sie just passieret, Dem bricht das Herz entzwei.
Die verarmte Adlige, der revolutionäre Künstler, der verbummelte Student, die deutsche Gouvernante usw. Tschechow baut seine Dramen meist aus Archetypen der russischen Jahrhundertwende zusammen. Inwiefern sind diese Figuren in unserer heutigen Zeit überhaupt noch treffend bzw. wiedererkennbar? EF: Ich habe schon diverse Male Tschechow inszeniert, und kein einziges Mal hatten wir Probleme bei der Übertragung einer Figur ins Heute. Denn es geht nicht darum, was die Figuren bei Tschechow konkret sind, sondern wofür sie jeweils stehen. Und das ist dann in der Tat universell. Ihre Inszenierung basiert auf einer eigenen Übersetzung des Stoffes. Warum war diese notwendig? EF: Eine Übersetzung will immer zeitlos zu sein. Aber zeitlos gibt es nicht, es gibt immer nur den Moment, das Heute. Gerade bei Stücken, in denen es um emotionale Lebensrealitäten geht, so wie bei Tschechow, bedürfen die Übersetzungen von Zeit zu Zeit einer Überprüfung, sie müssen auf ihre gegenwärtige Daseinsberechtigung abgeklopft werden. Die Sprache darf niemals verstaubt, die Figuren nicht museal wirken, das schafft sofort eine Distanz. Man darf den Figuren nicht sentimental begegnen, sie nicht schonen – wie sie es ja auch selber nicht machen. Das bedeutet
,Die Möwe‘ von Anton Tschechow neu übersetzt von Elina Finkel Regie — Elina Finkel
auch, den vielbeschworenen Mythos der russischen Seele zu hinterfragen. Die Stücke sind nicht larmoyant, nur die Figuren sind es manchmal. Die Stücke sind komisch! Und diese Komik, den Humor, das Über-sich-selber-schmunzeln-können will ich noch sichtbarer machen. Sie sollen Menschen von heute werden – ohne dass ich sie ihrer Zeit beraube oder ihnen ihr Geheimnis nehme. Worin liegen die Schwierigkeiten bei einer Übersetzung aus dem Russischen? EF: Russisch ist eine weichere, melodiösere Sprache als Deutsch. Viel mehr Vokale, viel mehr Timbre. Wenn man das also einfach so übersetzt, droht die Gefahr von Kitsch und einer ‚Blumigkeit‘, die so nicht gemeint ist. Es hört sich auch immer leicht hochgestochen an. Deutsch dagegen ist eine harte, konsonantenreiche Sprache, dadurch werden bestimmte Sachen wiederum zu sehr zementiert und hören sich zu hart an. Man muss also die Leichtigkeit und den Humor finden, den Kitsch eliminieren, den Reichtum der Sprache beibehalten. Die Temperatur erwischen. Ist viel Arbeit, macht aber sehr glücklich, wenn es funktioniert! Und das tut es! Das Interview führte Jonas Hennicke.
Premiere am 25.11.2017, 20 Uhr, Kleines Haus
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OPERNSeiteN
#Opernball #Dresscode #Werdiewahlhathatdiequal Bloggerin Sarah von H. über das richtige Outfit für den 3. Oldenburger Opernball
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as ziehe ich heute an? Eine Frage, die wir Frauen in der Fashion-Branche. Im Folgenden möchte ich Ihnen uns fast jeden Tag stellen. Eine Frage, deren Ant- daher zwei Wege aufzeigen, wie Sie das richtige Styling zu wort zu finden, uns mal leichter, mal schwerer fällt. Wenn einem besonderen Fest wie dem Oldenburger Opernball es dann noch um einen besonderen Anlass geht, ist meist finden können. Letzteres der Fall. Laut einer Studie legen fast 90 % von uns Frauen Wert darauf, zu jedem Anlass passend gekleidet Der einen Hälfte der Frauen, die tatsächlich mit dem Inhalt zu sein. Dies gilt insbesondere für festliche Anlässe wie ihres Kleiderschranks zufrieden ist, gebe ich an dieser StelBälle, Galas oder ähnliche Events. Gleichzeitig behauptet le die wichtigsten Dresscode-Regeln für den Oldenburger jede zweite Frau von sich, den Opernball an die Hand. Auf diesprichwörtlichen „Schrank se Weise können Sie das für Sie „Gerade Abendmode ist ein voll Nichts-zum-Anziehen“ richtige Ballkleid samt Schuhen zu haben. Nach kurzem NachBereich in dem es guter Bera- und Accessoires für das Event rechnen werden Sie merken, im Staatstheater auswählen. dass sich hier ein Defizit er- tung bedarf. Diese habe ich im Im Mittelpunkt Ihres perfekgibt, das nach Handlungsten Opernball-Looks sollte bedarf ruft. An dieser Stelle selbstverständlich ein festliches Modehaus Leffers erhalten.“ komme ich als Modebloggerin Abendkleid stehen. Dieses darf ins Spiel, denn Tipps und Tricks zu Outfits und Kombi- zum Zwecke der besseren „Tanzbarkeit“ vorne etwas kürzer nationen zu geben, gehört zu meiner tagtäglichen Arbeit sein oder einen Schlitz aufweisen. Bei der Auswahl der Farbe
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Sarah von H. in der Abendmodeabteilung des Modehaus Leffers
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sind Ihnen keine Grenzen gesetzt, lediglich der Stoff sollte hochwertig und nicht etwa aus Baumwolle oder gar Leder sein. Wenn Sie einen geschlossenen Schuh wählen, tragen Sie dazu am besten einfarbige, feine Strümpfe ohne Muster oder Naht. Offene Schuhe hingegen dürfen auch ohne Strumpfhose ausgeführt werden. Um das Outfit zu komplettieren, empfehle ich eine kleine, elegante Clutch, in der das Wichtigste Platz findet und die das farbliche Gesamtbild Ihres Outfits stimmig ergänzt. Für die Frauen, die sich durch eine bestimmte Kleiderordnung etwas überfordert fühlen oder in deren Kleiderschränken sich nicht das richtige Outfit für den Oldenburger Opernball befindet, habe ich den Einkaufsservice im Oldenburger Modehaus Leffers ausprobiert. Auch wenn mehr als zwei Drittel der weiblichen Modekonsumenten sagen, dass sie vom Anprobieren in Geschäften genervt sind, empfehle ich doch, hier lieber nicht auf die Alternative des Online-Shoppings zurückzugreifen. Gerade Abendmode ist ein Bereich, in dem es guter Beratung bedarf. Genau diese habe ich bei meinem Einkaufstag im Modehaus Leffers in der Abendmodeabteilung erhalten. Dort wurde zunächst mit einem passenden Kleid die Grundlage für mein persönliches Opernballoutfit geschaffen. Bei der großen Auswahl an Marken und Farben war das gar nicht so leicht, doch dank der freundlichen und individuellen Beratung konnte ich die Vielzahl der Kleider schnell auf fünf Favoriten reduzieren, die mich mit in die Umkleidekabine begleiten durften. In die engere Auswahl kamen nach dem Anprobieren eine schwarze Robe mit Spitzen-Cape der Marke Lipsy London sowie ein zweifarbiges Modell mit eingewebten Lurexfäden des Labels Coast. Um mir die finale Auswahl zu erleichtern, wurde ich von meiner Modeberaterin in die große, erst im März eröffnete Schuhabteilung bei Leffers begleitet, um dort die passenden Schuhe und Accessoires zu meinen beiden Lieblingskleidern zu
finden. Hier verliebte ich mich auf Anhieb in ein Paar spitze Wildlederpumps mit glitzernder Schmuckschnalle von RAS. Um diese auf dem Opernball gebührend präsentieren zu können, konnte meine Wahl nur auf das Abendkleid mit verkürztem Saum von Coast fallen, da das bodenlange Lipsy-London-Kleid die Schmuckstücke leider verdecken würde. Eine passende Clutch von Michael Kors, die Kleid und Schuhe perfekt ergänzt, war dank der großen Auswahl bei Leffers ebenfalls im Handumdrehen gefunden. Wie Sie sich vorstellen können, zähle ich jetzt bereits die Tage bis zum Oldenburger Opernball und kann es kaum erwarten, mein Outfit endlich auszuführen. Sarah von H. Der Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung des Modehaus Leffers
3. OLDENBURGER OPERNBALL 13.01.2018 Eröffnung/Gala: 19.30 Uhr Ballnacht: ab 21 Uhr
Finden Sie Ihr perfektes Kleid für den Opernball Modehaus Leffers, Oldenburg Telefon: 0441 92 26-0 Lange Straße 80 Öffnungszeiten: Mo-Sa 10-19 Uhr 26122 Oldenburg www.leffers.de/oldenburg
Sie möchten noch mehr Tipps zum richtigen Outfit und dem Opernball? Dann schauen Sie doch auf dem Blog von Sarah von H vorbei. Hier gibt es bald noch mehr …
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„Ich hoffe, ich bin ich“ Über den ‚Bär, der nicht da war‘ – eine Uraufführung von Frederik Neyrinck im Jungen Staatstheater Es war einmal ein Juckreiz. Es war kein großer Juckreiz. Es war kein kleiner Juckreiz. Es war ein Juckreiz mittlerer Größe. Und der Juckreiz wollte gekratzt werden. Jeden juckt es zuweilen. Im seltensten Fall aber kommt dabei gleich ein Bär heraus. Und dann auch noch ein hübscher Bär! Doch ist der Bär wirklich er selbst? In seiner Tasche zumindest findet er eine Notiz mit der sinnstiftenden Frage: „Bist du ich?“ „Ich hoffe, ich bin ich“, bekundet der Bär und macht sich auf den Weg durch einen wundersamen Wald. Nachdem ihm dort das Bequeme Bergrind und der Saumselige Salamander versichert haben, dass er in jedem Fall ein sehr netter Bär sei, begegnet ihm wenig später der Vorletzte VorzeigePinguin schon sehr viel kritischer … Der Vorletzte Vorzeige-Pinguin war ein kleiner, pummeliger Typ. Er stand neben einem hohen Baum und starrte mit gedankenschwerem Gesichtsausdruck seinen eigenen Schatten an. „Hallo“, sagte der Bär. „Pscht …“, flüsterte der Vorletzte Vorzeige-Pinguin. „Ich bin ein Bär“, flüsterte der Bär zurück. „Pschscht“, flüsterte der Vorletzte Vorzeige-Pinguin. „… ein netter Bär“, fügte der Bär hinzu, „hat man mir jedenfalls gesagt.“ „Ich kann jetzt nicht sprechen“, sagt der Pinguin, „ich habe zu tun.“ „Was tust du?“ „Ich denke.“ „Kann ich mit dir denken?“ „Solange du nicht dasselbe denkst!“ „Okay. Worüber denkst du denn nach?“ „Alles!“ Der Bär kratzte sich am Kopf. „Meinst du, du könntest etwas zum Nachdenken für mich übriglassen?“
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„Natürlich nicht“, sagt der Pinguin. „Ich bin ein außergewöhnlich schlaues Individuum. Für ein Hirn, so groß wie meins, ist alles zu wenig. Manchmal muss ich über alles zweimal nachdenken.“ „Und was bleibt dann für mich zum Nachdenken übrig?“, fragte der Bär. „Nichts!“, sagte der Pinguin. „Na gut, dann denke ich eben über gar nichts nach“, sagte der Bär fröhlich. „Kommt gar nicht infrage!“, schrie der Pinguin. „Darüber denke ich ebenfalls nach.“ „Du denkst doch bereits über alles nach“, sagte der Bär. „Nun, nichts gehört zu allem.“ „Na ja, schon gut“, sagte der Bär, „dann rieche ich eben an den Blumen.“ „Den Blumen?“ Der Pinguin lüpfte eine Augenbraue. „Ich habe die Blumen heute Morgen schon zweimal gezählt.“ „Ich frage mich, ob ich zählen kann“, grübelte der Bär. „Würde mich nicht überraschen, wenn du es nicht könntest“, sagte der Pinguin. „Mich auch nicht“, sagte der Bär munter und begann zu zählen. „Eine Blume … zwei Blumen … rote Blumen … blaue Blumen … große Blumen … und … schöne Blumen …“
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Und er kam zu dem Schluss:
„Ich glaube, es stehen genau schöne Blumen um den Baum herum.“
Der Vorletzte Vorzeige-Pinguin starrte ihn aus sehr kleinen Augen an und sagte: „Schön ist keine Zahl.“ „Ich habe aber doch gezählt“, sagte der Bär. „Und gezählt ist das auch nicht.“ „Nein?“, sagte der Bär. „Nicht einmal annähernd“, sagte der Pinguin. „Nimm doch mal Vernunft an! Es stehen genau 38 Blumen um den Baum herum. Vergiss das nicht!“ „Aber schön ist eine Zahl, die man sich leicht merken kann“, sagte der Bär. „Schön ist keine Zahl!“ „Es ist vielleicht keine normale Zahl“, erklärte der Bär. „Es ist eine Sonderzahl. Für Blumen.“ „Nein, ist es nicht!“, kreischte der Pinguin. Aber der Bär passte nicht mehr auf. Seine Nase war jetzt tief im Blumenbeet und schnüffelte an den Blumen. Der Geruch der Blumen kitzelte ihn in der Nase und er lachte. „Jetzt muss ich weg“, sagte er munter. „Lebe wohl.“
Manchmal weiß man nicht mehr so genau, wer man ist, wo man sich befindet oder was man da eigentlich sucht. Dann ist ein wenig Gelassenheit wie die des Bären ein guter Ratgeber – oder Freunde, die einem zu erkennen geben, dass man auf dem richtigen Weg ist. Im Falle des Bären in Oren Lavies Kinderbuch führt dieser Weg durch einen Lebenswald voller Abzweigungen, Begegnungen und Entscheidungen. Es ist aber auch ein Wald der Klänge und der Stille, wie spätestens die Komposition des Belgiers Frederik Neyrinck zeigt. In seiner Partitur wird der Wald zu einem großen Instrument, das Spieler wie Zuschauer umhüllt. Hier rascheln die Bäume, brummt die Tuba, tönt die Bratsche und breitet sich das Schlagwerk in seinen unterschiedlichen Tönen aus. Mit jeder Begegnung variiert der Raum und verändert sich der Klang – bis der Bär endlich sein Haus und darin sein Ich findet:
HIER WOHNT DER BÄR, DER NICHT DA WAR. (Bitte leise eintreten; vielleicht schläft er.) Valeska Stern, Auszüge aus Oren Lavies ,Der Bär, der nicht da war‘
Und er ging weg, wobei er dachte: Es ist besser, Blumen zu riechen, als sie zu zählen. Und dann dachte er: Blumen sind schöner, als sie 38 sind. Der Gedanke machte ihn sehr glücklich. Er schrieb auf sein Stück Papier:
Ich bin ein licher Bär glück
,Der Bär, der nicht da war‘ (UA) Kindermusiktheater von Frederik Neyrinck nach dem Kinderbuch von Oren Lavie und Wolf Erlbruch ab 5 Jahren Regie — Sara Ostertag Musikalische Leitung — Felix Pätzold Premiere 18.11.2017, 16 Uhr, Exerzierhalle
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E-Mail aus Moskau Regisseurin Elina Finkel scoutet für das Staatstheater in Moskau
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it der Produktion ‚Drei Tage in der Hölle‘ brachte die aus der Ukraine stammende Regisseurin vor zwei Jahren eine intensive Momentaufnahme des trostlosen weißrussischen Alltags auf die Oldenburger Bühne, in dieser Spielzeit wird sie nun ,Die Möwe‘ im Kleinen Haus inszenieren. Als Vorbereitung für diese und weitere Produktionen suchte Elina Finkel auf dem renommierten Festival für zeitgenössische russische Dramatik ,Lubimovka‘ in Moskau nach jungen unabhängigen Künstlerinnen und Künstlern und widerständigen Stoffen. Freiheit, Repression und Demokratie sind die Themen, die uns momentan besonders nach Russland schauen lassen. Nicht regierungskonforme Kunstschaffende und Journalisten müssen mitunter um ihr Leben oder doch zumindest um ihre Freiheit fürchten, wie jetzt jüngst im Fall von Regisseur Kirill Serebrennikov. Genau an diesen Ort, wo die Werte der Demokratie in Gefahr geraten, schickten wir unseren Theaterscout Elina Finkel, um den Stoff der Stunde für das Staatstheater zu finden. Eine E-Mailkorrespondenz zwischen Elina Finkel und Caroline Schramm.
r 7.30 Uh .08., 1 1 3 s , o g l a t ht Donners – Es ge : Tag 1 e ich Betreff en folg u! Morg Tage a k n s h o e M Z u! Nach Moskau! a k h s c vka’ o a o M n m Nach ,Lubi fliege estival Ruf und gute F m m e e e s d d e n i e d spann ich auf h c Tag n i i l b m t a n lang hoffe ungen re mir proier Les ö n v h e m s h i d a b n R u i onen, s an. Dre iskussi ßartige Stücke enden D ß ein gro e i t l s h i c reue s f e h – c i s mit ans t; las erwarte Masterc cht nur gramm, mich da egt. Ni s r a e d g f er u , a m es sich Program und bin n sind n sehr e ie o g d h n c u h s n c g u h mic dern a nd Bege n u o s e sk , g c n n ü werde egieru die St ählt zu nicht r z r r e e d , t wer ition are Pos nden. untragb schaffe t s n u K n e m r o f kon
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Sonntag , 3.09. , 12.32 Betreff Uhr : Tag 2 – Festi valstar t 4 Stück e. Dazw ischen schauer Diskuss n, Auto ionen m ren, Re lern de it den gisseur r Lesun Zuen und g en. Sch pen und Schausp nell ra sich wi ieus, Luf eder du kämpfen t schna rch die , die palle i Zuschau Театр.do n den ermasse c ström w inzigen en. Da meter Saal d wird je benutzt es der fre : Die Stühlen Zuschau ie Zent , zwisc e ir sitz hen den pen, au en auf Stühlen f den F den , auf d ensterb den Sch änken, en Trep auspiel h inter d ern, si lausche en lese e stehe n im K nn in de orridor artiger r – T ür und Wahnsin ein ko mplette n, und Vor je r groß der Le das ach sung w t bedacht S tunden ird Ki , was lang. rill S immer plaus s e r e brennik für üb orgte. ov erwälti genden Ap-
ag chtr / Na Uhr t 0 r 4 a a12. lst r Re tiva 09., lche l , 3. 2 – Fes e e g w w a t aus Sonn f: Tag den, ine, , r n e e w ef eh en kra Betr zu s rieb im d, U nend e gesch Russlan nn auch n a p k s e t c n w s ü i t ( b t s S Sel ren ieg Es i diese Auto igt. Kr exuelle des e e j t i ä lit war h en d t, s häft bei s ic Them nd besc dentitä a I d da sch, wa esche l n , s U ) s F . mi ne ru Weiß ten Sin klemmung nnig ko klicher e üc si es weit mung, B uch irr ster gl er im e a best tück so, ein l er S dies iebe. A l sehr ag. t l a tiv
SchauspielSeiten
8 Uhr Dienstag, 5.09., 9.2 h mehr Stücke Betreff: Tag 3 – Noc
nach wie vor Bei jeder Lesung 8 weitere Stücke. den es immer wer als t, ein es sch viele Leute, ja, mehr. Texten, die Bogen reicht von Der stilistische ichten bechr -Na Skype und SMS nur aus WhatsApp, ßen) Kleingrü st läs o tin (Taran stehen, über ein ödie bis hin am und eine WG-Kom kriminellen-Melodr ftigt mich chä bes ck Stü Ein eu. zum Proletariermili ge liebt Jun h: isc ätsdrama, typ sehr, ein Pubert es ist ganz all ht, nic r abe ihn Mädchen, die liebt altfantasien Selbsthass, Gew schrecklich, zwisch Öffentder in gs bwe hal alles ialen en, Schwärmerei, soz den in rt er kommentie lichkeit, alles imm unglaubdie ch dur t kel wic ck ent Medien. Dieses Stü starken Sog. der Sprache einen liche Explizitheit , der ja ire Angst vor Pathos So konsequent, ohn schrecklich, so , ät innewohnt gendwie der Pubert h aber ein mic gt fti chä bes em so einsam. Vor all Russland in , nce Cha hat keine Gedanke – das Stück kam bei der . Als die Frage auf gespielt zu werden s Gelächter che zli ein großes her Diskussion, gab es fach ein ein uns n hte buc e „Di urgen, und ein lakonisches: mat Dra he tsc o, liebe deu und aus ist’s.” Als , kann auch sen las n ele spi und Stücke übersetzen sein! ein politischer Akt
4 Uhr 7.09., 23.5 en Donnerstag, e Entdeckung er g 7 – Weit Betreff: Ta Woche in fast eine weiter und vor wie en ch ss bi 11 Stücke e mir ein mm ko h gleichIc s . le al Moskau en. Es ist ll fa ge d ich it vertraut un aus der Ze d dennoch un enzud ch em is fr Zw zeitig m seltsamen ne ei als in , rch Moskau bin selbst ge mich du we ägbe lt al h t Ic lu so stand. n. Alles ab be le tte er hä hi Zeit. So würde ich nur geborgte en. nn ch kö do d in un se lich durchaus ch au wie ja e is n mein Lebe t es teilwe GeFestival is m , de en on f si au us Auch tücke, Disk rs em te zd ea ot Th bin ich tr „immer”: n. gleichzeitig ge d Au un n – re e de ch an sprä ue auch mit ha esc td d En un nur Gast wunderbare en, er zwei ganz tz ed se wi an be dr ha s Ich e alle cht und werd en in zu übersetz ckungen gema he sc ut De s des in b ke al üc rh St ße e au dies sie auch ss n. da be , ha ng der Hoffnu eine Chance rachraums Sp en ch is russ cht. So. Gute Na vor e Kollegen bedenken di r vo ene br wi re P.S. Nach um Kirill Se it die Gruppe ke ch ng li su öh Le Fr R JEDE t bei aller rk e me di n , ma rt d nikov un da passie rüber, was einda s he er lc au we Tr , die System Wut auf ein gen vorohnmächtige Beschuldigun e rd su ab se t, ohne lo ag lt kl ha an fach die Leute d un darnn be ka den Glau n bringen man Beweise und e he di lc , we it nd be irge tlerische Ar ns kü e di an, dass n Sinn hat! macht, eine
Dienstag, 5.09., 13 .20 Uhr Betreff: Tag 3 – Ki rill Sere brennikov #freekiril l: Heute Vormittag richt in war im gr Moskau ei oßen Gene weiter rill Sere e Anhöru brennikov. ng von Ki des Hausar Sein Antr rests wurd ag auf Au e abgelehn fhebung er jetzt gnädigerwe t, allerd in ise zwei einen Spaz Stunden tä gs darf iergang ra glich für us, unter auch beim Bewachung. Gericht, Ich war erstaunlic sogar mi t meinem herweise deutschen bin ich Es waren Pass rein sehr viel gekommen. e Leute die 200 da, ich bis 250. schätze In dem (w Verhandlun an ohl extr gsraum wu a kleine rde nur Pr für mehr n) esse rein war kein gelassen, Platz. Es tragung, gab eine aber auch Videoüberder Raum, wurde, wa r sehr kl in dem üb ein. Die ertragen auf dem Leute stan Gang und den drauße la us brennikov chten, st n wurde un undenlang. ter ande würde ausl Sererem vorg ändische eworfen, Medien ge hetzen. An er gen das Ge geblich ha richt auft Lars Ei veröffentl dinger ei icht, den nen Brief Serebrenni ten gege ben hat kov ihm vo für den r Monaoder Repr Fall eine essalien. r Verhaf Serebrenni Existenz tung kov bestre eines so lchen Br itet die Netz nich iefes. Ic ts finden. h konnte Ein Fake Die Koll im ? Weiß je egen hier mand was? sind ratl nächsten Lesung un os. Ich d berichte eile zur später!
9., 19.40 Uhr Sonntag, 10.0 er in Berlin Betreff: Wied
ist vord das Festival in Berlin! Un er . 6 geed rt wi hö n ge bi ke h Ic che: 29 Stüc Wo ne ei nössir ge fü it bei. Was so 35 neue ze sseuesamt waren al gi sg Re In . 35 zt n än vo hw et sc n, eingericht be ern. le el er pi zu us e sche Text über 100 Scha irien von bestimmt sp se in le ge d, d en un ck n re beeindru berauschend, es unglaubWOW! Es war r wieder dies me im d Un d. en hr d, stehend rü en be tz , si nd re s zum Schluss bi – um es um ein ik um bl liche Pu nsionen des Ra end, die Dime ue Texte ck ne ho , d, ch en na eg da li d. Sie gieren en ng re nd gilt, sp la es ss Vielfach n. (In Ru Formen zu ahne ue brauchen ne r Wi n, re : hö rt de zu ‚Möwe’ einfor r de ders …) in an wo ja was Kost türlich ganz Da sind wir na nd mehr ! si en , rm be Fo ha ue rt ne die ich gehö , ke üc auchsSt br n Ge te t Die meis istens eine Ar il unpolitisch, me we r ge r, ni ba we ag tr er od über cht wirklich ni bt es s gi un r nn fü stück, ist. Doch da eine andere n Stück ät ei it n al ne Re de i re be se lle, diese Glücksfä durch eine immer wieder n Geschichte, vo t Ar re de an ionalität ot ne Em ei e h ef rc du durch eine ti e, ch solcher ra Sp ar e pa besonder kommt. Ein ngültigkeit be Zukunft ei ne em ei lg f Al au ne e ei ff Gepäck und ho im h , wenn ic er ed be wi ha Stücke ich komme habe e, Lubimovka, rt nk Wo Da es e! es si di r d fü e sind – un ut Le tere ea es Th Di e . hr ich kann t – noch wa t mehr benutz tstheach aa ni St e ng he la sc h gi ic denbur nke an das Ol !! Poka! romantiker. Da geschenke mit! xt Te ch eu ge ter, ich brin 33
OPERNSeiteN
Familiäre Intrigen In der Regie von Jakob Peters-Messer kommt die selten gespielte Oper ‚Siroe‘ von Johann Adolph Hasse zur Oldenburger Erstaufführung
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iro- was?! Allgemeine Verwirrung. Der Titel der diesjährigen Barockproduktion am Oldenburgischen Staatstheater schart einen eher überschaubaren Bekanntenkreis um sich. Doch kein Wunder: Diese Oper entstammt ja auch nicht dem Dunstkreis des Epos’ von Ludovico Ariosto oder der Verwandtschaft eines Julius Cäsar. In ihr intrigiert keine Agrippina, zaubert keine Alcina und wütet keine Cleopatra. Stattdessen präsentiert sie drei gänzlich unbekannte Männerfiguren, die dennoch den Anspruch auf historische Real-Vorlagen erheben: den Familienpatron Cosroe und seine beiden Söhnen Siroe und Medarse. Deren Geschichte reicht zurück in das erste Jahrtausend nach Christus, genauer gesagt in die Jahre zwischen 590 und 628, in denen der persische König Chosrau II. das Regierungszepter schwang. Die Zahlen sind denn aber auch schon alles, was dem Herrn hieb- und stichfest nachzuweisen ist. Danach beginnen die Märchen und Spekulationen ... So wird Chosrau II. nachgesagt, über eine schier unglaubliche – und kaum zu bewältigende – Zahl von 3000 Konkubinen verfügt zu haben. Und nicht nur im privaten Vergnügen setzte er
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auf Quantität: Angeblich befehligte er eine Armee von eintausend Elefanten, Kamelen, Pferden und Soldaten, die er aggressiv gegen das Oströmische Kaiserreich vorantrieb, um Territorium für Territorium an sich zu reißen. Als Folge wurde ihm der Beiname Parviz verliehen, der ihn als „den Siegreichen“ bzw. „Unschlagbaren“ auszeichnete. Doch der Fall folgte auf dem Fuß: Der oströmische Kaiser Herakleios setzte zum Gegenanschlag an und trieb Chosrau in die Enge, während sich zur selben Zeit dessen eigener Sohn Siroe mit aufständischen Adeligen und Offizieren verschwor ... So nüchtern wollten es die Geschichtsschreiber dann allerdings auch wieder nicht belassen. In den Überlieferungen findet sich folglich auch die Rede von einem zweiten Sohn, Medarza, den Chosrau bevorzugen und in der Thronfolge vorziehen wollte, ja, für den er Siroe sogar ins Verlies stecken ließ. An die Stelle der Sohnesintrige tritt so der Vaterverrat – und fertig ist das Rezept für eine perfekte Opernvorlage. Niemand Geringeres als Pietro Antonio Domenico Bonaventura Trapassi, besser bekannt unter
OPERNSeiten
dem Namen Pietro Metastasio, nahm sich denn auch dieses Machwerks an. Aus dem historischen Siroe, der noch in der Woche nach seiner Machtübernahme seinen Vater und achtzehn seiner Brüder (darunter auch Medarza) hinrichten ließ, ja, dessen Herrschaft gerade einmal acht Monate dauerte, bevor er selbst im Gifttod endete, braute Metastasio einen heroischen Sohn, Inbegriff von Gnade, der als Musterbeispiel der Moral durch die Intrigen der Opernhandlung führt. Und natürlich würzte er den Opernsud außerdem mit einer gehörigen Portion Amour: In Emira und Laodice sind gleich zwei Herzen dem Königssohn zugetan – doch entweder stehen sie einsam in ihren Gefühlen oder sind bereits anderweitig verpflichtet ... Obwohl es erst das zweite Libretto aus Metastasios Feder war, löste ‚Siroe’ sogleich einen Begeisterungssturm aus. Nach Leonardo Vinci, in dessen Musik der Text seine Uraufführung fand, nahmen sich über dreißig weitere Komponisten seiner an – daran an zehnter Stelle einer der engsten Kollegen und Freunde des Textdichters: Johann Adolph Hasse. Gleich zweimal setzte Hasse die Verse seines Zeitgenossen in Musik: während seiner ‚Galeerenjahre’ 1733 in Bologna und 1763 zum Abschluss seiner Anstellung als KöniglichSächsischer Hofkapellmeister in Dresden. Als Zwischenbilanz einer bis dahin mehr als 40-jährigen Opernkarriere besticht die Version von 1763 durch Hasses verfeinerten Personalstil: Hier verbindet sich die ihm eigene Leichtigkeit mit einer pompösen Wirkung, erreicht durch eine verblüffende Ökonomie der Mittel. Als elegant und formal raffiniert galt Hasses Musik schon im 18. Jahrhundert – nicht grundlos krönte Kaiserin Maria Theresia den Komponisten damals mit den Worten, er sei „der erste, der die Musik angenehmer und leichter gemacht hat“. Heutzutage dagegen beeindruckt das Werk vor allem durch sein wahres Feuerwerk an Koloraturen, das sich Arie für Arie über den geplätteten Zuschauer ergießt und die jeweilige Gefühlsexplosion der Opernfigur eindrücklich vor Ohren führt.
Nachdem die lange vergessene zweite Fassung 2014 in einer Aufnahme des CD-Labels Decca wieder ans Licht der Repertoirewelt geholt worden war, steht sie nun zum ersten Mal auf dem Oldenburger Spielplan. Mit ihr kehren Regisseur Jakob Peters-Messer und sein Ausstatter Markus Meyer, die vor drei Jahren bereits für Händels ‚Xerxes’ verantwortlich zeichneten, an das Staatstheater zurück. Im Gepäck haben sie ein Konzept, das die aktuellen mit den barocken Ebenen des Stückes verbindet: Zwischen Bühnenrahmen in barocktypisch buntem Kolorit eröffnen sich schwarz-weiße Kriegsstrukturen, die wie ein Fenster in die zerstörte Realität verweisen. Während sich innen das Familiendrama abspielt, heischt von außen stets der begonnene und nie enden wollende Krieg um Aufmerksamkeit. Dabei regiert immer die bildnerische Leichtigkeit: Die unbebaute Bühne erscheint frei und offen für alle Möglichkeiten – bis sie durch den Zauber von Projektionen sowie durch gemalte, zweidimensionale Objekte im Stil der barocken Gassenbühne belebt wird. Und so, wie sie den Bogen vom Barock in ein politisches Heute spannt, überbrückt die Produktion nach ihrer Oldenburger Premiere am 2. Dezember 2017 auch die Distanz zwischen Niedersachsen und den Niederlanden, wo sie als Koproduktion in Enschede ihre Tournee beginnt. Eine Familienreise also aus Persien nach Oldenburg und Enschede, aus dem Vergessen in eine Neubegegnung, aus den Geschichtsbüchern auf die Opernbühne! Valeska Stern
,SIROE‘ von Johann Adolph Hasse In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln Musikalische Leitung — Wolfgang Katschner Regie — Jakob Peters-Messer Premiere am 02.12.2017, 19.30 Uhr, Großes Haus Eine Kooperation mit der Nederlandse Reisopera
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Es ist für uns eine Zeit angekommen … Wenn nach den Sommerferien allmählich die Weihnachtsplätzchen in den Supermarktregalen Einzug halten, sorgt das alljährlich für allgemeine Erregung: Weihnachten ist doch noch so weit hin!
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ugegebenermaßen hält sich der Appetit auf Dominosteine und Spekulatius bei hochsommerlichen Temperaturen in der Regel in Grenzen – aber jetzt schon den einen oder anderen Gedanken der Weihnachtszeit zu schenken, ist nicht so ganz abwegig. Zum Beispiel, wenn man sicher sein möchte, zum traditionellen Weihnachtskammerkonzert eine Karte zu bekommen, oder man einen Familienausflug in den ,Wunschpunsch‘ plant. Da können die guten Plätze schneller weg sein als die Printen …
vollends unmöglich ist es, die Familie in den USA, Australien oder Korea zu besuchen. Nicht selten schließen sich die Betreffenden deshalb zu Schicksalsgemeinschaften zusammen, sodass internationale Weihnachtspartys entstehen.
Mezzosopranistin Melanie Lang, die zur Weihnachtszeit als Hexe Hänsel und Gretel das Fürchten lehrt, gehört zu denjenigen, die genau rechnen müssen, ob eine Fahrt zur Familie auch bei den zeitlichen Unwägbarkeiten, die der Entsprechend früh nimmt auch für die Theaterschaffen- weihnachtliche Verkehr mit sich bringt, realisierbar ist. den die Adventszeit gedanklich schon Raum ein: Famili- Vor allem für die Rückfahrt gilt es ja immer, einen groenstücke werden ausgewählt, Weihnachtskonzerte ange- ßen Puffer einzubauen, damit die Vorstellung nicht gesetzt und Sonderaktionen geplant: Gibt es ein öffentliches fährdet ist. Einmal ist sie am 24. Dezember acht Stunden Weihnachtsliedersingen? Besucht der Kinderchor die Se- Zug ins heimische Montafon gefahren und am nächsten niorenheime? Bieten wir einen Morgen um 6 Uhr via Zürich theatralen Adventskalender zurück nach Oldenburg gefloan, wie z. B. die 24-teilige Legen. („Hat sich aber gelohnt, „Mein Heimweh ist nicht sung von Oscar Wildes ,Geauch nur für einen Tag mit so schrecklich, weil ich spenst von Canterville‘ durch meiner 96-jährigen Oma, meiner Schwester und meinen ElNientje Schwabe zum Advent mit meinen Mitensembletern.“) Doch das war ihr letzt2016? Welches Motiv kommt auf die Weihnachtsgrüße? Im lich dann doch zu nervenaufkameraden feiern kann.“ Betriebsbüro häufen sich die reibend: Im Jahr darauf blieb zu bearbeitenden „ Anträge auf sie lieber in Oldenburg und Dienstbefreiung“, denn vor allem Weihnachtsoratorium- feierte gemütlich mit dem mexikanischen Kapellmeister Solisten, Märchenerzählerinnen und Weihnachtsmänner Carlos Vázquez und Regieassistentin Valérie Junker. haben jetzt Hochsaison! Auch Sopranistin Sarah Tuttle, die als Mutter Gertrud Ist erst einmal alles in konkreter Planung, dann naht die Hänsel und Gretel in den Wald hinausschickt, kann am nächste, sehr persönliche Herausforderung für die künst- Weihnachtsfest ihrer Familie in den USA nur per Skype lerische Belegschaft: Denn damit rund um das Fest Hänsel teilnehmen: „ Aber mein Heimweh ist nicht so schreckund Gretel im Wald ihre Lebkuchen naschen oder Mau- lich, weil ich mit meinen Mitensemblekameraden feiern rizio di Mauro und Jakob Krakel den Wunschpunsch ma- kann, mit gutem Essen und Trinken, in fröhlicher Gesellnipulieren können, müssen viele Ensemblemitglieder auf schaft und mit viel Spaß.“ ihre eigene Weihnachtstradition verzichten. Das ist vor allem für die Jüngeren nicht ganz einfach, deren Angehö- Immerhin müssen Theaterschaffende wenigstens an rigen weit weg wohnen: Wer am 23. und 25. Dezember Heiligabend nicht arbeiten. Anders als Rundfunk- oder auf der Bühne steht, kann Heiligabend selten im Kreise Fernsehleute; deren Branche bietet dann allerdings auch der Familie feiern. Schon die Reise in den süddeutschen Weihnachtshassern wiederum die einmalige Gelegenheit, Raum bedeutet eine logistische Herausforderung und sich alljährlich unter dem Vorwand, arbeiten zu müssen, 36
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male Alltag mit Vorstellungen und Proben. – Normal? Nein, auf Hochtouren, denn nun steht Silvester mit seinem Großprogramm vor der Tür! Am letzten Tag des Jahres ist auch die Kantine geöffnet, in der seit über zwanzig Jahren eine besondere Tradition gepflegt wird: DenjeWährend sich die Darstellerin„Märchenerzählerinnen nigen Mitarbeiterinnen und nen und Darsteller in der Regel Mitarbeitern, die Silvester dem Spielplan fügen müssen – und Weihnachtsmänner arbeiten, spendiert das Thewird backstage wild gefeilscht: ater ein besonders festliches Wer muss arbeiten, wer darf haben jetzt Hochsaison.“ Menü (z. B. „Rindsroulade“ ungestört feiern? Wer hat sich im vergangenen Jahr ‚geopfert‘? Der Bereitschaftsdienst oder „Entenbrust“) das zwischen den (Doppel-)Vorsteldes Künstlerischen Betriebsbüros wird aufgeteilt (und ist lungen in der Kantine gemeinsam eingenommen wird. besonders wichtig, wenn tatsächlich einmal ein Zug mit Und wenn der letzte Vorhang gefallen ist? Dann ist es einem zur Vorstellung Anreisenden Verspätung hat …), Kater und Rabe hoffentlich gelungen, die Welt zu retten, Direktionsdienste werden hin- und hergeschoben. Und und im Theatercafé wird im Kreise der Theaterfamilie anstehen am Bühneneingang und im Foyer erst einmal die gestoßen: Happy New Year! Tannenbäume, dann kann Weihnachten kommen! SpäStephanie Twiehaus testens am 27. Dezember läuft ohnehin wieder der nordem gefürchteten Familienfest zu entziehen. Im Theater sind ab mittags alle Türen verschlossen. (Achtung für alle Spätenschlossenen: Wer jetzt keinen Geschenkgutschein fürs Weihnachtsfest hat, kauft sich keinen mehr!)
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Der Spielplan SeitenBühne
Zoom auf die Szene Über den Theaterfotografen Stephan Walzl
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er fotografiert eigentlich den Fotografen? Die erste Frage, die sich für diesen Artikel stellte. Denn nur einer betrachtet das Geschehen am Theater mit all seinen Inszenierungen fast ausschließlich durch die Linse: der Theaterfotograf Stephan Walzl.
Kein Stück, das er nicht mindestens einmal – meist mehrmals – gesehen hat, immer auf der Suche nach dem Schlüsselmoment, der spektakulärsten Szene, dem schönsten Augenblick. Dabei hatte der gebürtige Freiburger im Studium gar nichts mit Theater zu tun, landete dann aber im Jungen Theater Heidelberg für seine ersten Aufträge. Es folgten die Theater & Philharmonie Thüringen/Bühnen der Stadt Gera, bevor er mit seiner Familie hier nach Oldenburg kam.
Nicht viele wie ihn gibt es. Die meisten Theater arbeiten mit mehreren freien Fotografen, die aber nicht immer vor Ort sind, sondern extra für ihre Aufträge anreisen. Oldenburg gönnt sich diesen Luxus – und ist froh und stolz darauf. Wie oft heißt es doch „Stephan, kannst du nicht mal schnell ...“ – den neuen Sänger portraitieren, ein Motiv für die nächste NWZ-Anzeige erdenken, die BallettCompagnie beim Training für die Spielzeitung fotografieren oder natürlich beim Theaterfest die Begeisterung des Publikums einfangen. Das „Kerngeschäft“ aber sind die Produktionen selber, deren Fotos an die Presse verschickt werden, in Programmheften auftauchen, auf der Homepage sichtbar sind, für Facebook und Anzeigen genutzt werden, für Plakate, Postkarten, Banner ... Walzl ist damit in gewissem Maße das Auge des Theaters: nach innen, weil er alles sieht, was im Haus geschieht. Aber auch nach außen, weil das meiste, was man vom Theater – abgesehen von den Inszenierungen – sieht, von seinen Bildern geprägt ist. Somit hält er zumindest Teile der flüchtigen Welt des Theaters mit der Kamera fest. Dabei ist seine Art zu fotografieren eine Mischung aus Sport- und Reportage-Fotografie, eine Mischung aus Kunst und Handwerk, wie er selber sagt. Dass er sein Handwerk bestens versteht, kann man auch an anderen Orten, wie zum Beispiel im Theatergang zwischen Haarenstraße und Abraham oder auch im Landgericht Oldenburg, sehen. Dieses hat Stephan Walzl mit seinen Bildern ausgestattet, auf denen nicht nur Theater zu sehen ist. So wie auch diese, werden öfter Anfragen von außen an ihn herangetragen und soweit sein Terminplan das zulässt, übernimmt er die auch gerne. „Es ist ja auch spannend, mal etwas anderes zu fotografieren als immer nur Theater.“ Das alles führt natürlich zu sehr unregelmäßigen Arbeitszeiten. Stehen am Wochenende drei Premieren an oder wird am neuen Spielzeitheft gearbeitet, bleibt ihm kaum eine ruhige Minute. Dafür gibt es aber auch immer mal (seltene) Phasen, in denen nicht so viel aufläuft und er mehr Zeit für seine kleine Tochter hat. Zwischen 300 und 1.500 Fotos macht Stephan Walzl pro Produktion. Davon die schönsten auszusuchen, ist oft nicht leicht. Zumal auch diejenigen, die die Bilder für die
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Perspektivenwechsel …
SEITENBühne
... unser ehemaliges Ensemblemitglied Magdalena Höfner fotografiert Theaterfotograf Stephan Walzl.
Weiterverarbeitung benötigen, bestimmte Vorstellungen haben. Das sind die Dramaturginnen und Dramaturgen einer Produktion mit ihren Regieteams und vor allem die Öffentlichkeitsarbeit, seine Abteilung. Bei ca. 30 Premieren pro Spielzeit, zahlreichen Wiederaufnahmen, Konzerten und Sonderveranstaltungen kommt er mit Portraits und Spielzeitheftfotos auf ca. 50.000 Bilder pro Saison. Das stellt hohe Anforderungen an die Archivierung – demnächst muss wohl ein NASServer eingerichtet werden, Festplatten reichen für diese Menge an RAW-Dateien nicht mehr aus. Gelernt hat Walzl noch analog. Und er sagt, dass nur diese Grundlage und dieses Wissen seine Begeisterung für digitale Fotografie entfachen konnten. So spannend es auch war, im Fotolabor zu sehen, wie die Papierbilder im Entwickler langsam Gestalt annahmen, so verlockend sind doch die Möglichkeiten, die die heutige Technik bietet. Mit zwei Kameras unterschiedlicher Brennweite, die er sich an den Gürtel hängt, um beide Hände frei zu haben, arbeitet er auf den Proben. Dabei muss er sich so leise und unauffällig wie möglich bewegen, um die Abläufe auf der Bühne nicht zu stören. Besonders Spaß macht es ihm, wenn er – wie gerade bei der ‚Walküre‘ – nicht nur aus
dem Zuschauerraum fotografieren kann, sondern auch mit auf die Bühne darf. Vor allem auf kleinen Bühnen arbeitet er gerne, auf denen er dicht dran ist am Geschehen. Zu einem Zusammenstoß mit den Darstellerinnen und Darsteller ist es dabei noch nie gekommen! Am meisten reizt Walzl die Arbeit mit dem Ballett. Auch wenn diese Proben die größte Herausforderung für ihn darstellen. Hier ist genaues Beobachten gefragt, damit er dann beim Fotografieren weiß, wann er abdrücken muss, wann welche Bewegung kommt, um schon einen kleinen Moment vorher auszulösen, und den richtigen Augenblick, die richtige Bewegung, einzufangen. Einzigartig ist seine Arbeit im Haus, von der Planung der Proben bis zur Bildbearbeitung am PC ist er dabei mehr oder weniger auf sich selbst gestellt. Zum Ausgleich freut sich Stephan Walzl daher immer sehr auf das wöchentliche Theater-Fußballtraining. Bewegung gemeinsam mit anderen – und mal ganz ohne Kamera vor der Nase. Ulrike Wisler
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TheaterGeheimnis BühnenSeite
M E D AUS STÜCK
N E LL
A F E G
Keine Requisite und kein Kostüm, weder ein Klang noch ein Bühnenbildteil sind hier verloren gegangen. Nein, gleich eine ganze Figur ist aus einem unserer Premierenstücke gefallen. Glückwunsch: Sie haben die Figur gefunden und müssen jetzt nur noch erkennen, um wen es sich hier handelt und in welche Produktion dieser Spielzeit sie zurückgebracht werden muss! Nach dem Knobeln finden Sie die Lösung im Impressum auf der hinteren Umschlagseite.
Wie man es auch dreht und wendet: Dieses Mädchen ist ein klassisches Mobbing-Opfer. Nie kann es anderen etwas recht machen. Entweder ist es zu schnell oder zu langsam, zu abwesend oder zu aufdringlich. Es wird hin- und hergeschickt, geschubst, geschlagen und mit den unangenehmsten – und unsinnigsten – Arbeiten betraut. Dabei sind seine Peiniger keinesfalls Klassenkameraden oder Spielgefährtinnen. Nein, es ist die eigene Familie, die das Kind erniedrigt und isoliert. Sei nun der leibhaftige Vater verstorben oder unter der Fuchtel seiner neuen Frau und deren Töchter begraben – er steht ihr auf jeden Fall nicht zur Seite. Stattdessen überlässt er das Feld der weiblichen Verwandtschaft, die dem Mädchen seinen Namen stiehlt und es mit Beschimpfungen etikettiert, übersetzbar in die unterschiedlichsten Sprachen. Das Schicksal wendet sich mit einer Kontaktanzeige der altmodischen Art: Mann sucht Frau. Soll heißen: Wahnsinnig reicher und politisch ambitionierter Mann sucht Frau. Oder auch: Der begehrteste Junggeselle der Stadt – 40 Seit 25 bzw. 10 Jahren am Staatstheater: Die Köchin Anke Heinemann …
ach was, des ganzen Landes! – sucht eine (Achtung!) aufrichtige, ehrbare und liebenswürdige Frau. Dass diesen Kriterien die mobbenden und schikanierenden Weiber der kinderreichen Familie nicht genügen, ist glasklar. Dass sie ihr Glück dennoch um jeden Preis versuchen, ebenso. Der Preis ist die Unterdrückte, die einmal mehr Kleider nähen, Haare flechten und den Hochnäsigen den Weg bereiten soll. Nur gut, dass sie dieses Mal nicht alleine ist. Denn sei es nun die gute Fee mit Kürbisfaible oder der väterliche Philosoph und seine innere Wahrsagerkugel – beide helfen dem Mädchen, sich beim suchenden Junggesellen ins Spiel zu bringen. Der Rest liegt anschließend in den Händen von Tauben, Pferden, einem Schuh, respektive Armreif und der magischen Stunde der Mitternacht. Diese schlägt nämlich für eine zweite Kontaktanzeige noch altmodischerer Art: das Abklappern aller Jungfern zu Fuß – mit nichts als einem (Herzens-)Einzelstück, das sein Pendant sucht … Valeska Stern
HinterBühne
DIE GEHEIMNISSE DES BÜHNENKAMPFES
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as Stück ‚Cyrano‘ feierte am 1. September in der Exerzierhalle Premiere. Eine wichtige Fähigkeit des Titelhelden sind seine überragenden Fechtkünste – denen musste sich Cyranos Darsteller, Alexander Prince Osei, jedoch erst einmal langsam annähern. Die beeindruckenden Kampfszenen lassen nur erahnen, welche Arbeit in ihnen steckt. Anders als im Film ist es auf der Bühne nämlich nicht möglich, eine Szene nach einem Fehler neu zu beginnen. Beim Fechtkampf bleibt den Darstellern nur die Möglichkeit zu improvisieren, und „möglichst schnell so zu reagieren, dass die Choreografie da weitergeht, wo beide nochmal einsteigen können“, so Osei. Damit aber genau das passieren kann, müssen die einstudierten Abläufe des Kampfes im Schlaf abrufbar sein. Die Kampfszenen wurden daher jeden zweiten Tag geprobt und in den letzten Wochen vor der Premiere sogar täglich. Die Verinnerlichung der Choreografie war auch für das Tempo wichtig. Eine Kampfszene in Zeitlupe kann zwar ihren Charme haben, doch Cyranos Fähigkeiten wären dadurch vermutlich nicht deutlich geworden. Fechtmeister und Kampfchoreograf Robert Schnöll hat die Abläufe mit den Darstellern also langsam aufgebaut, um dann in den letzten beiden Wochen das Tempo der Zielgeschwindigkeit anzunähern. „Wir haben die komplette Zeit auch gebraucht“, erinnert sich Osei. Man müsse es „langsam aufbauen, sonst fällt es komplett auseinander“.
Bühnenfechten bedeutet aber nicht nur, die Choreografie sicher zu beherrschen, sondern gleichzeitig zu lernen, den Gegner nicht zu treffen. Um Verletzungen vorzubeugen, ist dies weitaus wichtiger als einen abgestumpften Degen zu verwenden. Ein Schlag auf den Kopf „wird immer so ausgeführt, dass er letztendlich nie den Kopf berühren könnte“, erklärt „Cyrano“. Das Wort „Kampf“ impliziert zwar ein „Gegeneinander“, aber beim Bühnenkampf ist vielmehr das „Miteinander“ der Agierenden entscheidend. Aus diesem Grund beinhaltete das Training eine Übung, bei der einem der Kämpfenden die Augen verbunden wurden. Der „Blinde“ musste sich darauf verlassen können, dass er seine Bewegungen ausführen kann und sein Gegenüber richtig darauf reagiert. Dadurch hat sich das Vertrauen der Darsteller untereinander sehr gesteigert und Alexander Prince Osei beschreibt das Kämpfen nach der Übung als einen „himmelweiten Unterschied“ zu vorher. Neben hartem und ausdauerndem Training mit dem einoder anderen überlasteten Handgelenk ist das Entscheidende des Bühnenkampfes also vor allem die Zusammenarbeit der Akteure, welche Osei, ganz wie seine Rolle, lyrisch als einen „Tanz miteinander“ beschreibt. Das Publikum kann sich demnach an spannenden Szenen erfreuen und Cyrano weiterhin bemerkenswert (und) gefahrlos „beim letzten Verse stechen“. Mirja Mader
41 Alexander Prince Osei und Jens Ochlast in ‚Cyrano‘
GASTSEITEN
Eine theatralische Kolumne von Thomas Kossendey
Achtung Ansteckungsgefahr!
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ovember 1959: ein trüber Sonntagmorgen in Oldenburg. Im Staatstheater: eine Matinee mit Will Quadflieg. Meine Mutter und ich im Parkett. Meine Mutter aufgeregt, weil sie für Will Quadflieg schwärmt. Ich aufgeregt: zum ersten Male im Theater – eine gänzlich neue Welt! Und dann: zwei Stunden Schiller! Von den bekannten Balladen bis hin zu Schriften über die ästhetische Erziehung des Menschen. Ein Mann ganz allein auf der Bühne schlägt hunderte im Publikum in seinen Bann! Längst nicht alles habe ich verstanden, aber ich war fasziniert – fasziniert und infiziert. Der Theatervirus hatte mich erwischt und seitdem nicht mehr losgelassen. Eine Beziehung, die mein Leben bereichert – vom Mitspielen in der Theaterarbeitsgemeinschaft meiner Schule bis heute zu meiner Arbeit in der Oldenburgischen Landschaft. Und – obwohl man Viren grundsätzlich bekämpfen sollte – dieses Virus wünsche ich vielen jungen Menschen! Ich freue mich, dass unser Oldenburgisches Staatstheater so viele Möglichkeiten der Ansteckung mit diesem Virus bietet. Kaum ein anderes Theater ist so aktiv in der Arbeit mit und für Jugendliche und Kinder … und das ist auch gut so! Wer einmal erlebt hat, mit welcher Ernsthaftigkeit junge Menschen im Theater oder durch das Theater sich mit den aktuellen Herausforderungen – die sich ja in großer Zahl auftun – auseinandersetzen, für den ist der Schiller’sche Begriff vom Theater als „moralischer Anstalt“ keineswegs ein Schimpfwort. Dabei erstreckt sich die Bandbreite dieser Herausforderungen von der Globalisierung über die Migration bis hin zu sehr persönlichen Fragestellungen, die junge Menschen umtreiben. Nichts anderes wollte der erste Oldenburger Dramaturg Julius Mosen, an dessen 150. Todestag wir jüngst gemeinsam mit Landschaft und Staatstheater erinnert haben. Er legte stets Wert darauf, die Entwicklung in der Gesellschaft auch auf die Bühne zu bringen. Ein Vorhaben, das zu seiner Zeit ungleich schwerer war als heute. Theater kann viel bieten für die, die zuschauen oder zuhören: Sie können genießen, entspannen oder auch Anregungen zum Nachdenken bekommen. 42
Ungleich mehr kann das Theater bei jungen Menschen bewirken, die mutig genug sind, mitzumachen bei diesem Theater: In einer Zeit, in der das Ego häufig großgeschrieben wird, können junge Menschen lernen, dass Großes nur gelingen kann, wenn im Ensemble gearbeitet wird – auf und hinter der Bühne! In einer Zeit, in der Menschen häufig nach Herkunft, Aussehen, Fähigkeiten oder Religion bewertet werden, hilft gemeinsames Theaterspielen zusammenzufinden, verbindet über vermeintliche Grenzen hinweg. Wer beim Theater gelernt hat, mit und vor anderen sich zu artikulieren, wird seine demokratischen Mitwirkungsrechte besser und intensiver wahrnehmen können; auch das ist ein wichtiger Aspekt, der nicht unterschätzt werden darf. All das sind Gesichtspunkte, die für die Oldenburgische Landschaft wichtig sind, wenn wir Theaterprojekte für junge Menschen fördern – vom klassischen Kanon bis zum plattdeutschen Theater auf dem Dorf. Gut zu wissen, dass wir im Oldenburgischen Staatstheater einen starken und kompetenten Partner haben! PS: Viele Jahre nach der Matinee mit Will Quadflieg habe ich in seinen Erinnerungen gelesen, dass auch für ihn der Tag in Oldenburg nicht ohne Folge geblieben ist. Beim anschließenden Signieren traf er unter seinen Verehrerinnen zum ersten Mal auch seine spätere (zweite) Ehefrau Margarete Jacobs, die damals gerade 23 Jahre alt war. Ihr Thomas Kossendey Landschaftspräsident Thomas Kossendey war von 1987 bis 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages und wurde 2006 zum Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung ernannt. 2013 wurde Thomas Kossendey durch Thomas de Maizière in den Ruhestand verabschiedet. Allerdings muss man eher von Unruhestand sprechen, denn Kossendey engagiert sich weiterhin in vielen Bereichen ehrenamtlich.
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Impressum Spielzeit 17/18 Herausgeber: Oldenburgisches Staatstheater Generalintendant: Christian Firmbach Redaktion: Dramaturgie und Öffentlichkeitsarbeit Chefredaktion: Caroline Schramm, Valeska Stern Bildnachweise: Illustration des Covers und der Seiten 8-11: Imke Mühlenfeld, Produktionsfotos und Porträts (sofern nicht anders angegeben): Stephan Walzl, S. 6 Anastasia Lotikova: privat, S. 7 Julius Mosen: entnommen aus: Fred Frank Stapf‚ Julius Mosen. ,Der vogtländer Dichter des Andreas-Hofer-Liedes‘. Lappersdorf bei Regensburg, 2001., S. 13: Dorothea Baumann, S. 26/27: Doey Lüthi, S. 30/31: Illustration: Wolf Erlbruch mit freundlicher Genehmigung durch den Kunstmann Verlag, S. 38/39: Magdalena Höfner, Illustration S. 40: Gesine Geppert, S. 42: Oldenburgische Landschaft Layout und Satz: Gerlinde Domininghaus Druck: Prull-Druck GmbH & Co. KG, Oldenburg Lösung S. 40: Gaetano Donizetti ,La Cenerentola‘ Stand der Drucklegung: 19.10.2017, Änderungen vorbehalten. www.staatstheater.de Theaterkasse 0441. 2225-111
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