BühnenSeiten Sep - Dez 2018

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BÜHNEN

Seiten Magazin des OldenburgischeN Staatstheaters

Grösser, Heller, Offener: Das neue Foyer

Aus der ring-Schmiede

Bewegung Lügt nicht Die Ballettcompagnie Oldenburg tanzt Choreografie von Martha GrahaM

Eine Theaterfamilie aus Oldenburg Eine Kolumne von Reto Weiler SEP–DEZ

2018



EDITORIAL

Liebes Publikum, wir sind wieder zurück. Was war das für ein Sommer! Viele besondere Lieblingsorte haben wir entdeckt. Und das nicht nur am Theaterhafen. Mancher Winkel am Theaterwall riecht noch nach frisch gewachstem Parkett, Teppichboden und Farbe. Und es gibt Raum. Hell und großzügig. Besonders im neu gestalteten Foyer. Raum, den wir in den kommenden Monaten mit neuen Veranstaltungsformaten sowie angeregten Gesprächen mit Ihnen füllen möchten. Am liebsten am – von unserer Tischlerei meisterhaft angefertigten – Tresen der neuen Theaterbar. An die Werkbank begab sich auch unser Heldentenor Zoltán Nyári. Für die Titelrolle in ‚Siegfried‘ lernte er die Grundgriffe des hitzigen Handwerks am Amboss und wird so auch den schauspielerischen Herausforderungen des ‚Schmiedelieds‘ gerecht. Stephanie Twiehaus stellt den neuen Solisten unseres Opernensembles vor. Unser Zukunftslabor für vielfältigste Theaterformen und partizipative Formate bleibt die Sparte 7. Gesine Geppert beschreibt im Interview ihre komplexe Arbeitsweise und nimmt uns mit auf den Schwarzmarkt des Wissens und in den Fundus der tausend Möglichkeiten. ‚Society-Reporterin‘ Christina Schmidl flog diesen Juli nach Griechenland. Exklusiv für uns berichtet sie von der (imaginären) Traumhochzeit des Jahres in Dion. Eine Reise durch den eigenen Körper unternahm das Schauspiel: In Vorbereitung auf die Produktion ‚1984‘ unterrichtete Tony De Maeyer das Ensemble im Bewegungskonzept der Biomechanik nach W. E. Meyerhold. Marc-Oliver Krampe gibt einen Einblick in das Workshop-Tagebuch. Auch die BallettCompagnie Oldenburg begab sich auf eine Expedition in neue Bewegungsgefilde. Tadej Brdnik, langjähriger Erster Solist der Martha Graham Dance Company, erarbeitete mit den Tänzer*innen die Choreografie ‚Dark Meadow Suite‘ der amerikanischen Modern Dance-Pionierin Martha Graham. „Zurück nach Oldenburg!“ heißt es für Ayla Yeginer. Die Regisseurin und Tochter von Schauspieler und Regisseur Murat Yeginer kommt für zwei Inszenierungen ans Niederdeutsche Schauspiel und an den Ort ihrer Kindheit. Im Gespräch mit Dorothee Hollender erzählt sie von ihren Erinnerungen und Plänen. Hoch hinaus über den stuckdekorierten Himmel des Zuschauerraums denkt sich Amelie Jansen. Die Dramaturgieassistentin lüftet augenzwinkernd das Geheimnis der vieles verbergenden und alles umspannenden Theaterkuppel. Weder hell noch großzügig, jedoch in seiner Platzknappheit äußerst effizient, gestaltet sich der Raum rund ums Inspizienten-Pult. Hier befindet sich der Dreh- und Angelpunkt jeder Theaterveranstaltung. Annabelle Köhler sprach mit den Vermittler*innen zwischen Kunst und Technik und entlockte ihnen den Ausruf: „Ich habe einen fantastischen Beruf!“ Diesen Satz sprechen wir in Gedanken mit – viel Vergnügen beim Blättern!

Christian Firmbach Generalintendant

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Seite 6

Inhalt

Seite 37

Kulissengeflüster Neuigkeiten aus dem Theater

JungeSeiten Freilichtbühne Stedingsehre

Seite 8

Seite 38

BühnenSeiten Größer, heller, offener: Das neue Foyer

BallettSEITEN Annyeonghaseyo BallettCompagnie Oldenburg: Bilder aus Korea

Seite 10 Seite 39 THEATERHafen Ein Bilderrückblick

TheaterGeheimnis Die Theaterkuppel

Seite 12 BühnenSeiten Willkommen in Oldenburg

Seite 16

Seite 26

Seite 40

NiederdeutscheSeiten Eine Theaterfamilie aus Oldenburg: ,Honnig in’n Kopp‘

BühnenSeiten Theaterwort-Rätsel

Seite 42 OpernSeiten Aus der Ring-Schmiede: ,Siegfried‘

Seite 18

Seite 28 7Seiten Von der „Eierlegenden Wollmilchsau“ Oder: Was es heißt, für die Sparte 7 zu arbeiten

SchauspielSeiten ,O. – Eine Stadt sucht ein Drama!‘: Der Publikumsentscheid

Seite 30

Seite 19

KonzertSeiten Das Lied von der Trunkenheit: Wagners ,Lied von der Erde‘

SchauspielSeiten Possibly frequently asked questions: Warum ein Publikumsentscheid?

Seite 32

Seite 20

SchauspielSeiten Otkas, Posyl, Stoika: Proben zu ,1984‘

JungeSeiten „Die Dinge sitzen im Sattel und reiten die Menschheit“: ,!Knall! – Wasnlosalter –‘

Seite 24 BallettSeiten „Bewegung lügt nicht“: ,Dark Meadow Suite‘/ ,Su una nota sola‘ (UA )/,A.U.R.A.‘

SchauspielSeiten Das Wunder der Steppenwolfdressur: ,Der Steppenwolf‘

Seite 44 BühnenSeiten Kunst im Gericht

Seite 45 KinderSeiten Finde den Unterschied

Seite 46 BühnenSeiten Aus dem Stück gefallen …

Seite 34 Seite 47 SeitenBühne Was macht eigentlich ein/e Inspizient*in ?

BühnenSeiten Auszeit mit …

Seite 36

Seite 50

OpernSeiten Promihochzeit in Griechenland: ,Orpheus in der Unterwelt‘

GastSeiten Reto Weiler


KulissenGeflüster

NEWS Theater ist Begegnung Dorothee Hollender ist seit Beginn dieser Spielzeit Leitende Dramaturgin und Theaterpädagogin des Niederdeutschen Schauspiels. Nach ihrem Regie- und Theaterpädagogikstudium arbeitete sie sowohl mit professionellen Ensembles als auch mit Amateurbühnen, inszenierte Stücke für Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche. Bisherige Stationen ihrer beruflichen Laufbahn sind das Residenztheater München, Theater im Depot Dortmund, Prinzregenttheater Bochum und Schauspiel Essen. Sie sagt: „Theater machen ist wie einen Schatz finden! Mit jedem neuen Stück und jeder einzelnen Probe begeben wir uns auf die Suche nach einem Ausdruck für das, was uns im Inneren und Äußeren bewegt. In den Prozessen des Theaterschaffens begegnen wir nicht nur Menschen und ihren Geschichten aus allen Zeiten und unterschiedlichen Welten, sondern gleichzeitig auch immer wieder uns selbst.“

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Marc Becker im mexikanischen Playboy Fiasko bei den Autorentheatertagen Medienkünstler Björn SC Deigner (,Krieg der Welten‘, ,Dokusoap. Episode 451‘) wurde bei den renommierten Autorentheatertagen in Berlin für sein Stück ,In Stanniolpapier‘ von der Jury ausgezeichnet. Die damit verbundene Uraufführung im Juni 2018 am Deutschen Theater Berlin geriet allerdings zum Fiasko, da Regisseur Sebastian Hartmann „50% des Textes gestrichen hat und die anderen 50% umschrieb“ (Deigner). Autor und Verlag waren davon wenig erfreut und zogen die Rechte, das Stück als „Uraufführung“ zu benennen, zurück. Daraufhin entbrannte eine lebhafte Diskussion über Autorenschaft und Verantwortung der Regie in den sozialen Medien.

Ein*e Dramatiker*in verfolgt immer ein bestimmtes Ziel: dass seine/ ihre Stücke auf die Bühne kommen. Marc Becker, der am Oldenburgischen Staatstheater schon lange kein Unbekannter mehr ist, kann in dieser Hinsicht höchst beruhigt sein – seine zahlreichen Stücke wurden schon mehrfach aufgeführt. Vor allem sein Fußballkrimi ,Wir im Finale‘ ist rumgekommen. Nach Deutschland, Frankreich und Polen wurde er vor einigen Jahren sogar in Mexiko-Stadt gespielt. Das kam offensichtlich so gut an, dass das Stück zur vergangenen Weltmeisterschaft ein weiteres Mal dort inszeniert wurde (Foto). Grund genug für den mexikanischen Playboy, darüber zu berichten! Mit Bildern und Text. Eine Begebenheit, die sicherlich nicht viele Dramatiker*innen in ihrem Lebenslauf stehen haben.


KulissenGeflüster

… Jugendclubs feiern Erfolge Die theaterpädagogische Abteilung des Jungen Staatstheaters ist ein wichtiger Akteur der regionalen kulturpädagogischen Arbeit und verzeichnet auch künstlerisch große Erfolge. In der vergangenen Saison erhielten gleich drei TheaterclubGruppen hohe Auszeichnungen und wurden mit ihren Arbeiten zu bundesweiten Festivals eingeladen: Der Performance-Club gastiert vom 12. bis 16. September mit ‚Das Gipfeltreffen‘ beim Schweizer Jugendtheaterfestival Das fanfaluca. Der Kinderclub reist Ende September mit ‚Seni Seviyorum. Nur Worte?‘ zum 8. Kinder-Theater-Fest am Stadttheater Minden. Gleich zwei Club-Produktionen, ‚Hasse Bock – Das erste Mal‘ und ‚Das Gipfeltreffen‘, sind ebenfalls Ende September zum 28. Bundestreffen Jugendclubs an Theatern in Stuttgart eingeladen. Eine Einladung zum Theatertreffen der Jugend in Berlin, das im April 2019 stattfindet, ging an den Performanceclub mit der Produktion ‚Das Gipfeltreffen‘. Herzlichen Glückwunsch an alle Beteiligten und Toi Toi Toi!

Neuer Kollege in der Theaterpädagogik Dario Julian Köster hat vor seinem Start in Oldenburg den TrekkingRucksack wahrscheinlich noch nicht mal ganz ausgepackt: Der 27-Jährige studierte viereinhalb Jahre Dramatherapie in Holland, nach Abschluss war eine Weltreise geplant. Durch die Einladung zum Vorstellungsgespräch für die theaterpädagogische Abteilung des Staatstheaters war die dann nach vier Monaten vorbei. Angeregt durch seine eigenen schauspielerischen Erfahrungen, u. a. bei den Jungen Akteuren am Theater Bremen, beschreibt Köster seine Ambitionen für kommende Produktionen so, dass der Vorstellungskraft von Kindern und Jugendlichen Raum gegeben, das Authentische der Stückerarbeitung für das Publikum transparent gemacht werden solle. In dieser Spielzeit leitet er einen Kinderclub, einen Jugendclub und ein Schulprojekt mit Menschen mit Behinderung zum Roman ‚1984‘ von George Orwell.

Jully als „Hoffnungsträger“ benannt / BallettCompagnie Oldenburg in Südkorea Im Jahrbuch 2018 des Fachmagazins ‚tanz‘ ist Ballettdirektor und Chefchoreograf Antoine Jully als einer der „Hoffnungsträger – Tanzakteure mit den besten Aussichten“ genannt: „In Oldenburg hat Jully einen gesunden Weg zwischen Abstraktion und Narration, zeitgenössischer Musik und klassischen Tanzpartituren gefunden. Einen Weg, den das Publikum freudig mitgeht“, heißt es in der Begründung. Ende August reiste Antoine Jully zudem mit Mitgliedern der BallettCompagnie Oldenburg auf Einladung der Korea Dance Association nach Südkorea. Am 23. und 24. August unterrichtete Jully dort das Korean National Ballet in Seoul. Am 28. August tanzten dann die Ensemblemitglieder der BallettCompagnie Eleonora Fabrizi und Lester René González Álvarez Antoine Jullys Duett ‚Is this it?‘ bei der Pre-OpeningGala des 27th Korea Dance Festival im Cheongju Arts Center. 7


BÜHNENSeiten BühnenSeiten

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BühnenSeiten

GröSSer, heller, offener!

R

äume und Orte zu gestalten und mit Atmosphäre zu füllen, ist eine wichtige Aufgabe, der sich Theater mit jeder Inszenierung aufs Neue stellen. Selten aber treten dabei auch Räume außerhalb des künstlerischen Prozesses in den Mittelpunkt. Im Zuge der Brandschutzarbeiten im Oldenburgischen Staatstheater war es in diesem Sommer möglich, das in den 1970er-Jahren erbaute Foyer – innenarchitektonisch ein Kind seiner Zeit – konzeptionell zu überdenken und umzubauen. Während sich also sechs Wochen lang insgesamt 100.000 Besucher*innen am Theaterhafen tummelten und das einzigartige „soziale und kulturelle Zentrum auf Zeit“ genossen, entstand auch am Theaterwall ein neuer Ort für unser Publikum. Eine große Veränderung ist sicherlich die neue Offenheit des Foyers und die so gewonnene Bewegungsfreiheit des Publikums. Doch die Wirkung dieses Raumes, seine Akustik und die kontrastreichen Farben zu beschreiben, ist eigentlich unmöglich. Jede*r wird sie anders empfinden. Deshalb hier nur so viel: Kommen, sehen, hören!

Generalintendant Christian Firmbach und Minister Björn Thümler weihen die „längste“ Theke Oldenburgs ein

Pünktlich zum Festakt am 24. August hell erleuchtet – das neue Pausenfoyer

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TheaterHafen

So schön, schön war die Zeit! Eine Bilderrückblick zum Theaterhafen

10 ,Scheherazade erzählt‘


TheaterHafen TheaterHafen

Rainald Grebe: ,Das Elfenbeinkonzert‘ ,Die Comedian Harmonists‘

,Alice im Wunderland: L-S-Dreamland‘

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Willkommen in Oldenburg! Mit der Spielzeit 18/19 begrüßen wir eine Reihe neuer Kolleg*innen: Fünf Tänzer*innen, zwei Sänger*innen und einen Schauspieler! In den Steckbriefen stellen sie sich kurz vor, bevor wir sie demnächst regelmäßig auf der Bühne erleben dürfen. Wir freuen uns sehr!

OPER

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Ballett

U E N

Name: Jason Kim (koreanisch: 김재석 chinesisch: 金 宰奭) Alter: 42 Herkunft: Südkorea Künstlerischer Werdegang: Seoul University und Musikhochschule Karlsruhe

Cr istea Name: Laur a 30 : er Alt mänien Herkunft: Ru ambert Ballet erdegang: R W r he sc ri biu Ballet le Künst llet School, Si h National Ba is gl , Ballett En , he ol ru ho ls Sc aatsballett K ar St ), ia an om Theatre (R (Greifswald) Vorpommer n te Laune? dir deine gu Was sichert Tag. d ein sonniger Ein Lächeln un ch? Lieblingsbu elt‘ von Was ist dein cher: ‚Sofies W Bü ei zw es nd si h tr ick lic nt Pa n ge Ei rfüm‘ vo er und ‚Das Pa Jostein Gaard Süskind. fregendstes sher dein au Was war bi nis? Bühnenerleb : ,Blinzeln, Maura Mor ales n TanZZeiT vo d Drehen‘ Zwinkern un dingt est du unbe aum möcht Welchen Tr n? kannst, verwirkliche r du alles sein zu leben, in de t el sein. W r zu ne ei fr ei , In m ist es est. Mein Tr au was du möcht io aus? du das Rad Lied drehst Bei welchem cht! mag ich gar ni Schlager musik

12 12

Was sichert dir deine gute Laune? Ich bin immer gut gelaunt, daher kann ich sagen: „Das Leben“. Was ist dein Lieblingsbuch? Umberto Ecos ,Der Name der Rose‘ ist eines der besten. Was war bisher dein aufregendstes Bühnenerlebnis? Turiddu in ,Cavalleria rusticana‘ und Canio in ‚Pagliacci‘. Beide Rollen zu singen war anstrengend, aber auch das Schönste. Welchen Traum möchtest du unbedingt verwirklichen? Als Sänger möchte ich gerne lang und gut singen … irgendwie, irgendwo und dazu „mit meiner Stimme die Menschen berühren“. Das habe ich schon geschafft. Welches Rollenzitat könnte auch für dich gelten? „ Amor mi fa poeta“ – „Die Liebe macht mich zum Dichter“ (Maurizio aus ,Adriana Lecouvreur‘) Bei welchem Lied drehst du das Radio aus? Ich höre jede Musik gerne, außer Blackmetal. Das ist mehr Geschrei!!! Das halte ich nicht aus!


ine gute Laune? Was sichert dir de terstütnschen helfen und un Me , ein bts Musik , Verlie haf t lsc spr äche in guter Gesel zen, inspir ierende Ge gute für sel lüs Sch zen immer der und natürlich ist Tan Laune.

EW

ngsbuch? Was ist dein Liebli Fjodor sbücher: ‚Der Idiot‘ von ng bli Lie ige ein e Ich hab von k‘ fuc a tle art of not giving Dostojewski, ‚The sub er. ard Ga n tei Jos fies Welt‘ von Mark Manson und ‚So in aufregendstes Was war bisher de Bühnenerlebnis? rlebnis, regendstes Bühnene Bis jetzt war mein auf ttack! auf d.A Tra ck/Folk-Band mit der estnischen Ro hatte so m ku bli Pu s Da zutreten. deren Konzerten auf d zu Ban der u auf der Bühne mit viel Energie und daz is. ebn Erl es beschreiblich sein … das war ein un gt chtest du unbedin Welchen Traum mö verwirklichen? oder immer, dass, wenn ich Ich träume und hoffe tzdem tro es ich as sei unmöglich, andere glauben, etw n zu ere and n alle d un mir selbst in Angriff nehme, um pf Ko m kungen nur in meine zeigen, dass Einschrän mer mit wünsche ich mir, im m rde existieren. Auße starten. zu Tag en neu e in den Aufregung und Freud aus? drehst du das Radio Bei welchem Lied ganz e nch ma h auc d un r nicht Hard Rock gef ällt mi lodiöMe hts n, in der ich gar nic moder ne Kompositio

th Solvang Name: Ann-Be Alter: 41 egen Herkunft: Norw nser vatoriWerdegang: Ko er ch ris Künstle slo, erst O le pernhochschu um St avanger, O der Hame bl m se En dann im im Opernstudio, nd tsoper, freischaffe burgischen St aa une? r deine gute La Was sichert di ren, Freunde ah df ra hr Fa d, in Im Wald sein, W usik und Kollegen, M

NUEVO

Name: Teele Ude Alter: 32 Herkunft: Estland National erdegang: Estonian Künstlerischer W kland Kir y lse e du Soleil, Ge Ballet School, Cirqu York, w Ne era Op n tropolita Studio Company, Me freiberufliche re Jah i dre t etz zul Tivoli Ballet Theater, en Tätigkeit in Kopenhag

OPER

BALL

ETT

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eblingsbuch? Was ist dein Li Vesaas gel‘) von Tarjei Vö ie ‚Fuglane‘ ( ‚D ndstes er dein aufrege Was war bish is? Bühnenerlebn jährige, als ich büt als Siebzehn de en hn Bü Mein 20 Meter über ‘ n Musical ,Cats in meinem erste gen musste … end ,Memor y‘ sin der Bühne häng unbedingt m möchtest du Welchen Trau verwirklichen? m verwirklicht : ich meinen Tr au be ha h lic nt ge Ei n. Mein Tr aum der Bühne stehe singen und auf lange so bleibt. ist jetzt, dass es auch für dich nzitat könnte Welches Rolle gelten? er messlich! Daseins sind un „Die Tiefen des ches auf der an m t gib nd! Es Mein lieber Freu (Komponist in h nicht sagen.“ Welt, das läßt sic xos‘) ‚Ariadne auf Na Lied drehst du Bei welchem s? au o das Radi ager musik … eundin von Schl Ich bin keine Fr

ses mehr höre.

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une? r deine gute La Was sichert di und en nd eu Fr , Zeit mit Ich würde sagen zu , be lie es all er üb der Familie, die ich sten tes Essen. Am be verbringen und gu e. ng Di n ide be dieser eine Kombination eblingsbuch? Was ist dein Li n. ‘ von John Marsde ‚Morgen war Kr ieg wachseEr ge jun r fü n Das Buch ist Fictio das rsönlich. Ich habe ne und ist sehr pe weg e us ha Zu n vo ich Buch gelesen, als war d gezogen bin. Ich nach Deutschlan ge zü Be le vie Buch hat 16 Jahre alt. Das ittelt rm ve d un r ltu Ku zur austr alischen an ns, die mich sehr eine Ar t des Lebe imHe i be ir m d hat un Zuhause er innert pen Lip die f au eln ch weh immer ein Lä gezaubert hat. stes dein aufregend Was war bisher is? Bühnenerlebn Es ist n Marco Goecke. vo ‘ ffi ‚Ä lo So Das , aber nd sehr anstrenge elf Minuten lang, n und ze tan zu e Freude auch eine absolut . ng ru fah Er e eine sehr lohnend unbem möchtest du Welchen Trau hen? dingt verwirklic dem en Or t finden, an ein e rn Ich würde ge der d un nn ka n be ausle ich meine Kunst sich e Umgebung mit eine inspirierend deutet be s Da . bereichert br ingt, die mich r an nu er m im ich dass nicht unbedingt, hte – öc m ter n arbeiten den größten Thea um t, hl wä ge t ruf nich ich habe diesen Be ndern so , en rd we zu ch berühmt und rei . d Glückseligkeit für Er füllung un s ed drehst du da Bei welchem Li Radio aus? Popich fast gar keine Tatsächlich mag musik hören.

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Name: Johannes Schumacher Alter: 27 Herkunft: Deutschland Künstlerischer Werdegang: Mit 18 Jahren bin ich direkt nach der Schule auf die Schauspielschule nach Bern gegangen. Von dort wechselte ich nach anderthalb Jahren an die Schauspielschule in Hannover. Während meines Studiums arbeitete ich schon am Staatstheater Hannover und dem Badischen Staatstheater Karlsruhe, wo ich dann ab 2014 mein Erstengagement antrat. Ab 2016 arbeitete ich als freier Schauspieler unter anderem am Theater Bremen und erstmals auch am Oldenburgischen Staatstheater. Seit Januar 2018 bin ich jetzt festes Ensemblemitglied hier in Oldenburg. Was sichert dir deine gute Laune? Musik hören, Sport machen und gucken … Was ist dein Lieblingsbuch? Tja, als Legastheniker ist das schwer … ich lese meistens nur für die Arbeit. Aber das letzte Buch, das ich sehr mochte, war ‚Väter und Söhne’ von Turgenjew. Was war bisher dein aufregendstes Bühnenerlebnis? Schwere Frage. Es ist fast immer aufregend. Welchen Traum möchtest du unbedingt verwirklichen? Im Kleinen: Meinen Führerschein dieses Jahr zu packen. Im Großen: Natürlich reich und berühmt werden wie alle anderen auch. Welches Rollenzitat könnte auch für dich gelten? „Er nennts Vernunft und brauchts allein, nur tierischer als jedes Tier zu sein.“ Mephisto aus Faust Bei welchem Lied drehst du das Radio aus? Bei ,Despacito‘ und diesem ganzen Schmuddelkram.

BALLETT

n Name: Joel Pauli Alter: 22 alien Herkunft: Austr ei Werdegang: Zw er ch ris tle ns Kü m Ha ett esjugendball Jahre beim Bund r Jah ein ich ete s arbeit burg, im Anschlus Landesam st Ga als r wa freiberuflich und gagiert. theater Coburg en

SCHAU SPIEL

le Bal

tt

BÜHNENSeiten BühnenSeiten

Name: Francesco Fasano Alter: 18 Herkunft: Italien Künstlerischer Werdegang: Von 2014 bis 2017 war ich an der Ballettschule am Theater Basel. Ich habe am Halbfinale Youth American Grand Prix in Paris teilgenommen und in der klassischen und zeitgenössischen Kategorie jeweils den 1. Platz gewonnen. Das Finale fand in New York statt, wo ich unter die besten 12 gelangte. In diesem Jahr habe ich auch am Prix de Lausanne Choreographic Project teilgenommen. Was sichert deine gute Laune? Musik, Freunde, offene Menschen Was war dein aufregendstes Bühnenerlebnis? Mein aufregendstes Erlebnis war, auf der Bühne des David H. Koch Theaters in New York zu tanzen. Es war toll, ich habe die Dankbarkeit des Publikums gespürt und mich sehr darüber gefreut. Welchen Traum möchtest du unbedingt verwirklichen? Mein größter Traum ist zu reisen und in den renommiertesten Theatern weltweit zu tanzen. Bei welchem Lied drehst du das Radio aus? Punk-Musik liegt mir nicht.


Was sichert dir deine gute Laune? Als eine echte Por tugies in macht mich ein großer Pott Kaf fee an einem sonnigen Tag immer glücklich. Was ist dein Liebling sbuch? Eines meiner Lieblingsb ücher ist ,Ensaio sobre a Cegueira‘ (deuts ch: ,Die Stadt der Blinden‘), eines der ber ühmtesten Werke des portugiesischen Lite raturnobelpreisträgers José Sar amago. Was war bisher de in aufregendstes Bühnenerlebnis? Die Chance, im Lincol n Center, einer der größten Bühnen New Yorks, zu tanzen. Welchen Traum mö chtest du unbedingt verwirklich en? Ich habe keinen spezie llen Traum, aber in so vielen Theatern und Län der n wie möglich zu tanzen und den Me nschen meine Kunst und Leidenschaft zu zei gen: Das möchte ich erreichen. Bei welchem Lied dre hst du das Radio aus? Mit Punk und Hard Ro ck kann ich nichts anf angen.

NEW

OPER

BALLETT Name: Caetana Silva Dias Alter: 19 Herkunft: Lissabon Künstlerischer Werde gang: State Ballet of Georgia und The Na tional Ballet of Ireland

BÜHNENSEITEN BühnenSeiten

Name: Zoltán Ny ár i Alter: 48 Herkunft: In diesem Lebe n bin ich ungaris ch. Künstlerischer Werdegang: Mit einem Scha Tasche habe ich uspieldiplom in zuerst Musicalau der fführ ungen un Operetten gesu d dann sehr lan ngen. Seit gut 12 ge in Jahren singe ich Ich habe das Ge jetzt schon in O fühl, dass ich in pern. dieser Gattung Bisher igen gefu die Essenz von nden habe. allem Was sichert di r deine gute Laune? Meine gute Laun e ist direkt prop or tional dazu, w und Freunden ie of t wir mit Fa zusammen lache milie n. Und natürlich zum Glück mein e Fr au. Was ist dein Lieblingsbuch ? Das Buch ,Ich bi n hier, und alles ist jetzt : War um die Freiheit entsc wir uns jeder ze heiden können it für ‘ von Edith Eva W irk ung auf m Eger hatte eine ich, dass ich es so große in meinen Über de. Es handelt vo lebensr ucksack n der Verg ange legen würnheit, der Tr ag Integr ation ein ödie und der er es Auschwitz-Ü neuerten be rle be nd Fr agen, z. B. wie en. Es befasst sic man denen verz h mit großen eihen kann, die haben. Das Buch einem Böses an lädt dazu ein, sic getan h selbst lebendig keine leichte Le zu obduzieren. ktüre, aber auf Es ist gewisse Ar t ist sie kathar tisch. Was war bish er dein aufre gendstes Bühn Das war 2009 w enerlebnis? ährend einer Li ve-Fer nsehaufn d’un condamné ahme von ,Le de ‘. Als Gefangene rnier jour r hatte ich mein versehentlich in en Fuß in einer der Lücke zwisc Kette, die he n de Drehbühne ste m festen Teil de cken blieb. Mit r Bühne und de einer mich selb r st ärke gelang es st über raschend mir, den Fuß in en Nervenlet zter Sekunde un bevor die Bühn auffällig zu befre e meinen Fuß ge ien, schreddert hätte laufender Kam . Und das Ganz er a … In einem e vor solchen Momen Schauspieler zu t hat man das Ge 100 Prozent da fühl, als gewesen zu sein Hand im Spiel , und dass Gott gehabt hat. seine Welchen Trau m möchtest du unbedingt ve Ein eigenes Hau rwirklichen? s mit einem groß en Garten auf de ligen Landscha m Land in einer ft, in der Mitte hügedes Gartens ein runter wird es sc großer Walnus hön sein, mit Fa sb au m . Dam ilie und Freund zu essen. Im Ga en sonntags zu rten könnten w M itt ag ir all es se nicht von der Ze lber anbauen un iteinteilung ande d wir würden rer Menschen ab hängen. Welches Rolle nzitat könnte auch für dich In allen Rollen gelten? müssen Details vorkommen, di deln. In Siegfried e von mir persön ist z. B. dieser Sa lich hantz so einer: „Des wohl mir: Ich se Vaters St ahl fügt lbst schweiße da sich s Schwer t.” Bei welchem Lied drehst du das Radio au Bei verzer rtem s? , brüllendem H eavy Met al. In m niemand brüllen einer Umgebung , vor allem nich soll t in meinem Na meide ich auch men. Genau de Fußballspiele … shalb

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OPERNSeiten

Aus der Ring-Schmiede „Wir schmieden den Ring“ – diese Metapher kann sich kaum ein Theater verkneifen, wenn es um die Ankündigung von Wagners ‚Der Ring des Nibelungen‘ geht. In ‚Siegfried‘ wird nun buchstäblich geschmiedet – in einem zentralen Moment der Handlung.

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ur Erinnerung: Wotan hat via Eschenstamm seinem Sohn Siegmund das Schwert Notung zukommen lassen, um ihm ein sicheres Mittel zur Rückgewinnung von Rheingold und Ring an die Hand zu geben. Leider jedoch scheitert der große Plan an moralischen Grundsatzfragen, die Wotan zwingen, das Schwert selbst zu zerbrechen: Siegmund fällt im Zweikampf gegen Hunding und die in den Wald fliehende schwangere Sieglinde nimmt auf Brünnhildes Anraten auch die beiden Schwerthälften mit sich. Sieglinde findet Zuflucht bei Mime, der nach ihrem Tod ihren Sohn Siegfried aufzieht und verzweifelt versucht, Notung wieder instandzusetzen … Mit Beginn des dritten Tetralogie-Teils ist Siegfried nun im besten jugendlichen Alter und quält seinen verhassten Ziehvater mit Verachtung. Zu allem Überfluss muss Mime dann auch noch erfahren, dass nur ein einziger Notung wird jemals wieder neu schmieden können; einer, der das Fürchten nie erfuhr: also Siegfried (der sich erstmals im dritten Akt fürchtet, als er eine Frau erblickt …). So macht sich Siegfried dann auch sehr bald an die Arbeit und singt dabei das „Schmiedelied“, das zu einer der populärsten Passagen der Oper, ja des ganzen Zyklus’ wurde. Was melodisch so leicht ins Ohr geht, ist für den Sänger des Siegfried eine große Herausforderung, denn er muss nicht nur singen, sondern auch halbwegs fachmännisch die Schmiedeapparatur bedienen und sich mit einem Schmiedehammer als rhythmisch versierter Percussionist betätigen. In Oldenburg ist es Zoltán Nyári, der diese komplexe Aufgabe übernimmt, nachdem er bereits als Siegmund in ‚Die Walküre‘ zum ‚Ring‘-Cast gehörte. Der Ungar hatte seine Bühnenkarriere zunächst als Schauspieler begonnen – was man seinem ausdrucksfreudigen Spiel anmerkt: Nach der Ausbildung an der Budapester Akademie für Film und Theater spielte er zwei Jahre lang im legendären Katona József-Theater in Kecskemét, das bis heute zu den führenden Bühnen des Landes gehört und weltweit vor allem als Theater-Film-Kulisse berühmt ist (u. a. drehten hier Jeremy Irons und Annette Bening mit István Szabó den preisgekrönten Film ‚Being Julia‘). Doch Nyári, der schon während des Schauspielstudiums im Chor der Budapester Stephansbasilika gesungen und privaten Gesangsunter16

richt genommen hatte (und zudem ein ausgezeichneter Geiger war), reichte die Schauspielkunst allein nicht aus: Er wollte singen und sah sich nach einem entsprechenden Engagement um, 1996 wurde er Mitglied des Budapester Operettentheaters, wo er so ziemlich alle einschlägigen Operetten-Tenorpartien sang und eine steile Karriere in Gang setzte. Einem ersten Ausflug ins Opernfach mit Hoffmann (‚Hoffmanns Erzählungen‘) folgten Engagements an verschiedenen Opernhäusern Ungarns. Als Don Basilio (‚Figaros Hochzeit‘) öffneten sich ihm die Tore der Ungarischen Staatsoper in Budapest, an der er bis heute regelmäßig auftritt. – Dennoch ließ den Allrounder auch die Schauspielerei nicht ganz los: Nachdem er bereits 1993 in zwei ungarischen Filmen vor der Kamera gestanden hatte, unternahm er 2004 noch einmal einen Leinwand-Ausflug und spielte in dem Film ‚Világszám!‘ (‚Weltnummer!‘) mit, in dem die Geschichte einer Zirkusfamilie vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse in Ungarn geschildert wird. Schon bald war der vielfache Preisträger auch außerhalb Ungarns gefragt und sein Repertoire, das ihn u. a. an die Komische Oper Berlin, nach Dresden, Graz, Frankfurt und Kopenhagen führt, reicht von Eisenstein in der ‚Fledermaus‘ und Carmens Don José bis zu der gefürchteten Rolle des Paul in Korngolds ‚Die Tote Stadt‘ und den Heldenpartien des Wagnerfachs: Nach ersten Schritten als Froh (‚Das Rheingold‘) und Heinrich der Schreiber (‚Tannhäuser‘) debütierte er 2016 als Tristan, sang Erik im ‚Fliegenden Holländer‘ und erarbeitet sich in Oldenburg nun den ‚Ring‘. Als ‚Siegfried‘- Siegfried (in Unterscheidung zum ‚Götterdämmerung‘-Siegfried) singt er eine extrem fordernde und komplexe Partie der Opernliteratur: Es gibt nur wenige Szenen im dritten Teil der ‚Ring‘-Tetralogie, in denen der Titelheld nicht auftritt, und die Figur muss sich innerhalb von fünf Stunden vom übermütigen Pubertierenden zu einem folgenschwer Liebenden entwickeln. Um sich in die jeweilige Lage versetzen zu können, greift Nyári versiert zu Schauspieltricks: So kramte er für die ersten ‚Siegfried‘-Proben aus der Tiefe seines Kleiderschranks einen Pullover aus seiner Jugendzeit hervor – um sich noch einmal in seine eigenen jugendlichen Gefühle zurückversetzen zu können.


OPERNSeiten

erst spät das Fürchten und verliebt sich unsterblich.“ Den nordischen Helden Siegfried hat Nyári vor allem durch den ‚Ring‘ kennen- und schätzengelernt. Ihm gefällt das Kindlich-Naive, das der Figur eigen ist: „Ich finde allerdings auffallend, wie wenig Empathie Siegfried hat, wenn er tötet. Überhaupt zeigt Wagner wenig Tiefe, wenn es um Tod und Trauer geht. Als ob er einer eigenen ‚Logik‘ der Ereignisse folgt.“ Die Grundgriffe des Schmiedens musste sich der Sänger für die Produktion erst aneignen: „Ich habe noch nie geschmiedet, aber ich fand es schon immer faszinierend, wie aus flüssigem Material feste Gegenstände werden. Genauso wie beim Glasblasen. Wenn ich allerdings mal Zeit für Handwerkliches habe, dann werde ich als erstes anfangen zu tischlern.“

„Nur wer das Fürchten nie erfuhr, schmiedet Notung neu!“ (Wanderer)

Die Geschichte um Siegfried, den Drachenkampf und Brünnhilde, die ja zu den zentralen Episoden des Deutschen Sagenschatzes gehört, ist in Ungarn nicht so geläufig. Aber wie so oft gibt es in den einzelnen Volksüberlieferungen Parallelen: Das ungarische Pendant zu Siegfried sieht Zoltán Nyári in der Geschichte um Janós Viték, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts von dem Nationaldichter Sándor Petöfi maßgeblich zu Papier gebracht wurde und die (spätestens seit 1973 der erste ungarische Animationsfilm daraus wurde) so ziemlich jedes ungarische Kind kennt: „ Auch Janós wächst als Findelkind auf, besteht viele Abenteuer mit Riesen und Ungeheuern, lernt

Da Ungarisch und Deutsch auf sehr unterschiedliche Sprachwurzeln zurückgehen, ist eine besonders große Herausforderung für Zoltán Nyári die Wagner-Sprache, die er sich Satzteil für Satzteil geradezu analytisch verinnerlicht (und für deren Verständnis ja sogar Deutschsprachige oft auf ein spezielles Lexikon der ‚Wagner-Wörter‘ zurückgreifen). Am einfachsten fällt Nyári das Memorieren mit Hilfe der szenischen Arbeit: „Diese Art zu lernen stammt aus meiner Schauspielvergangenheit: Der reale Kontext der Handlung fixiert die dazugehörige Musik in mir.“ Für die Alltagssprache hat er sich auch durch Gespräche mit den Kolleg*innen schon gut gewappnet, was sicher vieles vereinfacht, wenn er künftig nicht nur zum ‚Ring‘ in Oldenburg weilt: Seit Beginn der Spielzeit 18/19 gehört Zoltán Nyári zum Ensemble des Oldenburgischen Staatstheaters – und so kann das Oldenburger Publikum ihn nicht nur in Konzerten auch von seiner Operettenseite erleben, sondern zudem als Titelheld in ‚La Damnation de Faust‘ und – gemeinsam mit seiner Schwiegermutter ‚Erda‘, alias Ann-Beth Solvang, – in Mahlers ‚Lied von der Erde‘. Stephanie Twiehaus

SIEGFRIED Richard Wagner (1813 — 1883) Zweiter Tag des Bühnenfestspiels ‚Der Ring des Nibelungen‘ in deutscher Sprache mit Übertiteln Musikalische Leitung — Hendrik Vestmann Regie — Paul Esterhazy Premiere am 22. September 2018, 17 Uhr, Großes Haus

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SCHAUSPIELSeiten

O. – Eine Stadt sucht Ein Drama! Der Publikumsentscheid

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lle Jahre wieder, Spielzeit für Spielzeit, glühen die Hirne in den Dramaturgiestuben unserer Theater besonders heiß. Der Spielplan wird gebaut. Doch wie macht man das eigentlich? Die alten Hasen in der Branche haben da meist ihre eigene Formel, fordern zwei Komödien, drei Klassiker, zwei Uraufführungen und ‘nen Shakespeare. Die jungen Wilden wollen das krasse Performanceprojekt in der Tiefgarage und die Intendantin hätte gerne mehr lokalspezifische Themen für die internationale Presse. Alle sind sich sicher: Damit füllen wir das Haus bis unters Dach. Doch letztendlich sind das doch nur wilde Spekulationen. Der Publikumswille bleibt ein Buch mit sieben Siegeln in einem Safe mit Vorhängeschloss und Zahlencode. Deswegen wollen wir dieses Jahr den Weg einmal andersherum gehen. Wir wollen nicht spekulieren. Wir wollen fragen: Was wollen Sie? Nicht mit kleinem, sondern mit großem „S”. Was wollen Sie? Was wollen Sie, liebes Publikum? Ab September 2018 stellen wir Ihnen an vier aufeinander folgenden Terminen vier zeitgenössische Stücke in szenischen Lesungen vor. Wir zeigen Ihnen, wie Dramaturg*innen bei der Auswahl ihrer Stücke arbeiten, wonach sie suchen und nach welchen Kriterien sie Dramen beurteilen. Thematisch stand bei der Auswahl der an-

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gebotenen Stücke die Suche nach neuen Rollenbildern im Vordergrund und die Frage, inwieweit unser Theater die Welt außerhalb der Bühne noch richtig abbildet. Wie stellen wir beispielsweise das Verhältnis von Frau und Mann und all dem dazwischen dar? Sind die Charaktere der Dramen, ihre Berufe, ihre Bedürfnisse, ihr Verhalten noch zeitgemäß? Oder brauchen wir neue Rollen, neue Figuren, neue Klischees? Am Ende dieses Prozesses steht im Dezember 2018 die große Publikumskonferenz des Oldenburgischen Staatstheaters, wo letztendlich Sie entscheiden, welches der vier Dramen es auf den Spielplan der kommenden Saison schafft. Präsentiert und diskutiert werden die Dramen dabei nicht von Dramaturginnen und Theatermachern, sondern von Menschen aus dem Publikum, die sich durch zahlreiches, aktives Zuschauen bereits zu wahren Expert*innen auf dem Gebiet der Dramatik entwickelt haben. Wenn Sie sich im Vorfeld mit den Stücken, ihren Inhalten und Autor*innen beschäftigen möchten oder bereits vor der großen Publikumskonferenz ihre Stimme online abgeben wollen, finden Sie die Texte sowie alles Wissenswerte ab Ende September auf www.staatstheater.de. Jonas Hennicke


SCHAUSPIELSEITEN

Possibly frequently asked questions… Fragen, die häufig gestellt werden könnten, beantwortet von Dramaturg Jonas Hennicke Warum überhaupt ein Publikumsentscheid? JH: In den vergangenen Jahren hörte man immer wieder den Begriff „Filterblase“ in den Medien. Dieser Begriff beschreibt das Phänomen, dass wir in unserem Alltag zunehmend nur Informationen konsumieren, die scheinbar individuell auf uns zugeschnitten sind. Abweichende Ideen und Konzepte und Meinungen dringen nicht mehr durch. Das hat mit Datenfiltern im Internet zu tun, aber auch damit, dass wir uns zunehmend nur noch mit gleichgesinnten Menschen aus unserer Szene, unserem Milieu oder Berufsfeld umgeben. Für demokratische Gesellschaften ist das Gift. Theater haben ein ähnliches Problem. Nicht nur, dass unser Publikum häufig sehr homogen zusammengesetzt ist, auch ein direkter Kontakt von Künstler*innen und Gästen findet selten statt. Häufig genug können wir das Interesse an dem ein oder anderen Thema nur anhand von Zuschauerzahlen ablesen. Ein Gespräch findet selten statt. Mit dem Publikumsentscheid wollen wir das ändern, indem wir die Texte, die wir uns als Dramaturgie für die kommende Spielzeit vorstellen können, zur Diskussion stellen und damit einen Teil unserer Arbeit nach außen öffnen. Machen Sie es sich damit nicht etwas zu einfach? JH: Im Gegenteil: So eine „kuratierte“ Abstimmung – also ein Entscheid mit Vorauswahl – bedeutet für das betreuende Team eine enorme Mehrarbeit. Anstelle eines Stückes müssen vier Stücke gefunden werden, auf welches sich die verschiedenen Mitglieder der Dramaturgie, die Intendanz, ein potentielles Regieteam usw. einigen können. Bei einem Text ist dies häufig schon schwierig genug, bei vier Texten beinahe die Quadratur des Kreises. Ist das nicht Populismus? JH: Nö. Kluge Texte auszuwählen, ihre Auswahl transparent zu machen und sie dem Publikum zur Abstimmung zu stellen, könnte vielmehr als Teil unseres demokratischen Auftrags als Theater verstanden werden. Gibt es eine Thematik oder ein Motto, nach dem die Stücke ausgewählt wurden? JH: Die gibt es: In den vergangenen Jahren hat sich innerhalb der Theaterszene wie auch in unserem Ensemble eine Suchbewegung entwickelt um die Frage: Sind die Texte, die wir spielen, und die Rollen darin überhaupt noch zeitgemäß?

Als Theater sind wir ja nicht nur Bewahrer eines kulturellen Erbes, sondern auch Seismograph des Zeitgeistes. Andere Medien wie Film und Fernsehen sind da häufig weiter und damit näher an der Realität. Da gibt es schwule Tatortkommissare, weibliche Soldaten und Politiker mit ausländischen Wurzeln. Rollen, die Sie auf den meisten Theaterbühnen noch vergeblich suchen. Wir wollen das gerne ändern und haben als inoffizielles Motto daher „Neue Zeiten – Neue Rollen“ über unsere Stückauswahl geschrieben. Was passiert mit dem Stück, nachdem es ausgewählt wurde? JH: Dann sprechen wir als Dramaturgie mit potentiellen Kanditat*innen für die Regie über Ideen zur Umsetzung. So ein Theatertext ist im Grunde genommen ja nur eine sehr ungenaue Gebrauchsanleitung für eine Inszenierung – der erste Baustein sozusagen. Es müssen dabei zahlreiche Fragen beantwortet werden. Welche inhaltliche Gewichtung wollen wir dem Text geben? Wie interpretieren wir die Rollen? Gibt es Passagen, die wir so oder so auslegen wollen? Gibt es einen historischen oder zeitgenössischen Bezug, den wir vielleicht mit Bühne und Kostüm unterstreichen wollen? Welche Schauspieler*innen aus dem Ensemble spielen überhaupt mit und wann eigentlich? Und so weiter. All das sind Fragen, die weit vor der ersten Probe geklärt werden müssen und die sehr häufig nicht nur künstlerischer Natur sind. Für all diejenigen unter Ihnen, die sich für solche Fragen und Prozesse interessieren, werden wir nach Auswahl des Stückes den Werdegang der Inszenierung weiter dokumentieren und öffentlich zugänglich machen. Muss ich zu allen Lesungen kommen? JH: Auf keinen Fall. Im Internet unter www.staatstheater.de finden Sie Kurzportraits der Stücke und Autor*innen. Wenn Sie sich für den genauen Wortlaut der Texte interessieren, können Sie sich auch das ganze Skript zur Ansicht herunterladen und mit Freund*innen und Familie in verteilten Rollen lesen. Zudem wird es vor der Abstimmung bei unserer Publikumskonferenz im Kleinen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters am 01.12.2018, 15 Uhr eine Vorstellung der Texte und eine Diskussion mit dem Publikum geben.

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JUNGESeiten

„Die Dinge sitzen im Sattel und reiten die Menschheit“ Marc Becker hat wieder ein Stück geschrieben. Darin beschäftigt er sich mit dem Vormarsch der Technik in die privatesten Bereiche der Menschen: Was passiert, wenn der Lebenspartner kein Mensch mehr, sondern eine Maschine ist? ,!Knall! - Wasnlosalter -‘ ist nicht das erste Stück, das du selbst geschrieben hast. Gehst du immer nach dem gleichen Prinzip vor oder ist es jedes Mal unterschiedlich? Marc Becker: Eigentlich ist es immer unterschiedlich. In diesem Fall habe ich zunächst in wenigen Wochen sehr viel geschrieben, es dann erst sortiert und auch einiges wieder rausgeschmissen bzw. Neues dazu genommen. Gleich ist meistens, dass ich das Ende noch offen lasse, weil es mich mehr interessiert, das im Laufe des Schreibprozesses herauszufinden. Wie bist du auf diese Thematik gekommen? MB: Ich habe jeden Tag meine Kinder vor Augen und sehe, womit sie beschäftigt sind. Eine*n Freund*in zu finden ist ein großes Thema und Technik ein anderes. Außerdem habe ich vor einiger Zeit ,Homo Deus‘ von Harari gelesen, wo es darum geht, wohin sich die Menschheit mittels Technik noch entwickeln wird. So kam ich auf die Geschichte einer Teenagerin, die sich von einer Maschine den perfekten Lebenspartner verspricht. Mit dieser Thematik sind Fragen nach dem freien Willen verbunden und danach, wie man richtig lebt. Das sind Themen, die Jugendliche wie Erwachsene betreffen. Diesen versuchen wir mit der Inszenierung nachzuspüren und liefern im besten Fall philosophisches Input, um ihnen nochmal anders nachgehen zu können. Kannst du ein bisschen was zu den Figuren erzählen? Die Namen machen neugierig … MB: Zunächst einmal gibt es „ Alter“, mit ihm beginnt das Stück. Er ist eine Art Schöpferfigur und damit konfrontiert, dass sich all die Geschöpfe und Dinge, die er erschaffen hat, im Laufe der Zeit emanzipiert haben und ihn gar nicht mehr so brauchen wie früher. Die Technik, die immer mehr zu übernehmen scheint, kann er daher besonders wenig leiden. Dann gibt es Paolo Frikadelli, einen Fußballgott, der zwar ins Groteske geht, den man in ähnlicher Ausführung aber durchaus auch in der Realität finden kann. Er und der Knabbermann, eine Märchenmusicalfigur aus alter Zeit, schauen vorbei und bringen Alter gehörig durcheinander. Und dann gibt es natürlich Lilith, ein junges Mädchen aus der heutigen 20

Zeit, und David, den Androiden, der ihr das große Liebesglück bescheren soll. Gespielt werden die fünf Figuren von drei Schauspieler*innen. Lilith bestellt sich den Androiden David, weil sie sich verlieben möchte und das in der Realität bis jetzt nicht so gut geklappt hat – kein unwahrscheinliches Zukunftsszenario. Kannst du ihr Handeln verstehen? MB: Das ist schwer zu sagen, weil man nicht weiß, was da in den nächsten Jahrzehnten auf die Menschheit zukommen wird. Im Bereich der Altenpflege zum Beispiel soll in der Zukunft viel mit Künstlicher Intelligenz gearbeitet werden, weil der Personalmangel immer größer wird. Zwar wären „echte“ Pfleger*innen wünschenswerter, dennoch bietet die Technik hier eine Chance, Leerstellen zu füllen. Wenn man das auf Partnerschaften überträgt, wird es sehr schwer zu beurteilen. Einerseits könnte ich Menschen verstehen, die seit Jahren alleine sind und die eine Sehnsucht nach einem Partner oder einer Partnerin haben, die sie im realen Leben nicht finden können. Auf der anderen Seite bleibt es für mich absurd und als Alternative für mich selbst unvorstellbar. In diesem Zwiespalt bewegt sich auch das Stück und gibt deswegen keine eindeutige Antwort. Eine gut formulierte Frage am Ende finde ich spannender als eine schlechte Antwort. Glaubst du, dass die Technik irgendwann die Herrschaft über die Menschen übernehmen oder sie vielleicht sogar komplett ersetzen wird? MB: In der Medizin übernimmt die Technik ja schon sehr viel, indem beispielsweise Körperteile künstlich gezüchtet werden. Dass die Menschheit irgendwann komplett verschwindet, weil eine Künstliche Intelligenz die Macht komplett übernimmt, glaube ich eher nicht, da bin ich nicht so pessimistisch wie die vielen Filme, die es zu dem Thema gibt. Das Menschsein zeichnet sich durch Fehler und Gefühle aus, eine Maschine kann nur vorgegebene Dinge wiedergeben, daraus vielleicht auch Neues entwickeln, aber trotzdem nicht lebendig werden, nicht echt werden. Vielleicht könnte irgendwann eine Maschine meine Stimme und meine Bewegung rekonstruieren, aber dann fehlt immer noch etwas.


JUNGESeiten

Agnes Kammerer, Fabian Kulp und Marc Becker während einer Probe zu ‚!Knall! - Wasnlosalter -‘

Dann sind die Gefühle trotzdem abhanden gekommen. Maschinen können also nicht alles ersetzen. Beneidest du David um etwas? MB: Nein. Unsterblich zu sein oder aus Material zu bestehen, das programmierbar ist, reizt mich nicht. Die Vergänglichkeit, Fehler, die man macht, und Emotionen gehören dazu. Was wäre das denn für ein Leben, wenn man keine Stimmungen erleben würde? Das würde ich nicht wollen, die machen doch das Menschsein aus. Seit einigen Jahren wachsen Jugendliche wie selbstverständlich mit Technik und digitalen Medien auf. Was hat sich dadurch in ihrem Erwachsenwerden verändert? MB: Davon abgesehen, dass sie ein ganz anderes Verständnis für technische Geräte und Vorgänge haben (meine Kinder müssen mir oft erklären, wie etwas funktioniert ...), haben sich vor allem die Kommunikationsformen geändert. Die Jugendlichen verabreden sich weniger und schreiben und telefonieren dafür mehr. Das Einlassen auf ein Gegenüber hat sich grundlegend geändert. Man muss nur einmal Zug fahren, um zu merken, womit die Menschen sich hauptsächlich beschäftigen. Das ständige Im-Blick-Haben des Handys führt meiner Meinung nach dazu, dass wir uns oftmals nur noch oberflächlich auf einen Menschen oder eine Beschäftigung einlassen. Unser Denken und unser Bewusstsein verändern sich dadurch. Ein amerikanischer Autor hat mal gesagt: „Die Dinge sitzen im Sattel und reiten die Menschheit.“ Den Spruch finde ich unglaublich passend, er beschreibt un-

sere Abhängigkeit von technischen Geräten. Trotzdem glaube ich, dass die Menschen, wenn es sein müsste, auch wieder ohne den Kram zurechtkämen. Ein weiterer großer Aspekt ist, dass mittlerweile die meisten Jugendlichen, noch bevor sie sexuell aktiv geworden sind, schon Pornos gesehen haben. Das gab es früher nicht, da hat man sich mal ein Nacktbild angeguckt, etwas anderes war überhaupt nicht leicht verfügbar. Das macht natürlich etwas mit jungen Menschen, wenn sie sich bei so einer sensiblen Thematik an Bildern und Filmen orientieren, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben, und darüber hinaus teilweise noch das Geschlechterverhältnis pervertieren. Das finde ich sehr gefährlich. Außerdem hat sich die Selbstdarstellung stark verändert. Narzissten gab es immer, nur haben sie heutzutage viel mehr Möglichkeiten, ihren Narzissmus auch zur Schau zu stellen. Das Interview führte Anna-Teresa Schmidt.

!KNALL! – WASNLOSALTER – (UA) von Marc Becker ab 11 Jahren Regie — Marc Becker Premiere am 06. September 2018, 20 Uhr, Exerzierhalle

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Probenszene ‚1984‘: Rajko Geith, Katharina Shakina, Klaas Schramm, Franziska Werner, Nientje C. Schwabe



BallettSeiten

„Bewegung lügt nicht“ Die BallettCompagnie tanzt bei ihrer ersten Premiere der Spielzeit 18/19 ‚Dark Meadow Suite‘ von der Pionierin des amerikanischen Modern Dance Martha Graham. Außerdem wird Antoine Jullys Kreation ‚Su una nota sola‘ uraufgeführt sowie die Choreografie ‚A.U.R.A.‘ von Jacopo Godani erstmals in Oldenburg gezeigt.

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ast 12 Jahre kreierte sie erstmal nur für Frauen: Martha Graham, die Choreografin und Leiterin der 1926 von ihr in New York gegründeten Martha Graham School of Contemporary Dance, nahm erst 1938 zwei männliche Tänzer auf und ließ sie in ihren als „Dance Plays“ bezeichneten Werken auftreten. So beschäftigen sich auch die meisten ihrer Choreografien mit Frauen, es sind im Wesentlichen große Solostücke, bei denen das Ensemble als Chor fungiert. Anfangs arbeitete sie mit sechs Chor-Tänzerinnen, ab 1930 mit 20. Von 1926 bis zu ihrem Tod im Jahr 1991 choreografierte sie über 180 Werke, die sie in den USA, aber auch auf weltweiten Tourneen präsentierte. Selbst tanzte Martha Graham bis ins hohe Alter von 76 Jahren auf der Bühne und arbeitete anschließend unermüdlich weiter. 1984 brachte sie mit 90 Jahren ihren ‚Rite of Spring‘ zu Igor Strawinskys ‚Le Sacre du Printemps‘ heraus – darauf folgten noch sieben weitere und eine unvollendete Choreografie. Zahlreiche ihrer Werke sind inzwischen zu Klassikern des Modern Dance geworden. Zur Zeit ihrer Uraufführungen waren sie Wegweiser einer ganz neuen Ausdrucksform

Tadej Brdnik probt mit der BallettCompagnie Oldenburg

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im Tanz des 20. Jahrhunderts, deren Ideen bis heute auf den zeitgenössischen Tanz nachwirken. Grundlegend für ihre als Martha-Graham-Technik bekanntgewordene Bewegungssprache ist der vom Becken und unteren Rücken ausgehende und vom Atem begleitete Gegensatz von „contraction and release“, also einem Wechsel von äußerster Muskelspannung und Entspannung. Als Tochter eines „ Alienist“, einer Vorform des Psychiaters, bezog sie die Erkenntnisse der Psychoanalyse in ihre choreografischen Arbeiten genauso ein wie die griechische und römische Mythologie oder mexikanische und hinduistische Riten. Außerdem benannte sie die abstrakte Malerei als eine ihrer ausschlaggebenden Inspirationsquellen. Zunächst entwarf Martha Graham auch die Kostüme und ließ alle Produktionen ausschließlich vor schwarzen Vorhängen tanzen, bis sie sich entschloss, auch Bühnenbilder in ihren Tanz miteinzubeziehen. Sie verband eine langjährige Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Bildhauer und Designer Isamu Noguchi, der japanische Wurzeln hatte. Er schuf auch die Objekte für das 1946 uraufgeführte ‚Dark Meadow‘. Die BallettCompagnie Oldenburg


BallettSEITEN

tanzt mit der ‚Dark Meadow Suite‘ nun die Essenz dieses ursprünglich 50-minütigen Werkes. Der langjährige Erste Solist der Martha Graham Dance Company und heutige Leiter ihres Jugendprogramms Tadej Brdnik studiert die Choreografie mit der BallettCompagnie Oldenburg ein. Martha Graham war auch in ihrer Kooperation mit zeitgenössischen Komponisten innovativ und ließ eigens für ihre Kreationen neue musikalische Werke schreiben. Neben Louis Horst arbeitete sie u. a. mit Aaron Copland, Paul Hindemith, Edgar Varèse und Carlos Chávez zusammen, der mit ‚La hija de Cólquide‘ auch die Partitur zu ‚Dark Meadow‘ schrieb. 1894 in Pittsburgh/Pennsylvania geboren, zog Martha Graham im Teenageralter nach Santa Barbara in Kalifornien. Später war es ihr ein Anliegen, besonders zur Zeit des Zweiten Weltkrieges, die amerikanischen Wurzeln und Traditionen in ihre Stücke einfließen zu lassen. Auch die Lektüre von C. G. Jungs psychologietheoretischen Schriften fand Niederschlag in ihrem Werk. Über ‚Dark Meadow‘ sagte die Choreografin: „Es ist eine Inszenierung der Geheimnisse, die das ewige Abenteuer des Suchens begleiten.“ Der Tanz spiegelt den ewigen Zyklus von Geburt, Heranwachsen, Sterben und Wiedergeburt mit einer Art symbolischem Ritual, das noch aus einer vorsprachlichen Zeit zu stammen scheint. Einer Zeit ohne Reflektion, aber nicht ohne Gefühle, die in den Gesten und Bildern zum Ausdruck kommen. Die Rollennamen für die Solist*innen „She of the Ground“ („Sie von der Erde“), „He Who Summons“ („Er, der aufruft“) und „One Who Seeks“ („Eine, die sucht“) bzw. „They Who Dance Together” („Die, die zusammen tanzen“) für das Ensemble künden von ihrem Wunsch, etwas Allgemeingültiges und gleichzeitig Offenes zu schaffen. Im Mittelteil des neuen Ballettabends wird die Uraufführung von ,Su una nota sola‘ – ,Auf einer einzigen Note‘ – zu sehen sein, eine Kreation Antoine Jullys zur gleichnamigen Komposition von Giacinto Scelsi. Die Musik für Kammerorchester von 1959 ist Scelsis berühmtestes Werk. Jeder der vier Sätze erklingt in einer anderen Tonlage, dazu möchte der Choreograf verschiedene Körperbilder und Ausdrucksformen des Weiblichen analysieren, basierend auf dem Mythos der Urfrau Eva. Die Premiere schließt mit ‚A.U.R.A‘, einer Choreografie aus dem Jahr 2009 von Jacopo Godani. Der renommierte italienische Choreograf leitet seit 2015 die Dresden Frankfurt Dance Company, die Nachfolgecompany der William

Nicol Omezzolli, Tadej Brdnik, Maelenn Le Dorze

Forsythe Company, deren langjähriger Tänzer Godani war. Hinter der Abkürzung des Stücktitels verbirgt sich ‚Anarchist Unit Related to Art‘. Godani lässt das Ensemble zur experimentellen, elektroakustischen Auftragskomposition des Musikduos 48nord tanzen und kreiert eine Szenerie, die wie ein Stammesritual aus einer unbekannten Welt wirkt. Die Choreografien Martha Grahams werden außer von ihrer immer noch in New York bestehenden Company von berühmten großen Ensembles wie dem American Ballet Theatre, der Paul Taylor Dance Company und dem Opera Ballet Vlaanderen getanzt. So ist es eine große Anerkennung für die Arbeit Antoine Jullys, dass seine BallettCompagnie Oldenburg ‚Dark Meadow Suite‘ in ihr Repertoire aufnehmen darf und einen Ballettabend mit drei ganz unterschiedlichen modernen Tanzsprachen präsentieren kann. Telse Hahmann

Dark Meadow Suite/ Su una nota sola (UA)/A.U.R.A. Choreografien von Martha Graham, Antoine Jully und Jacopo Godani Premiere am 27. Oktober 2018, 19.30 Uhr, Großes Haus Soiree 15. Oktober 2018, 19 Uhr, Großes Haus

THEATERWISSEN: LECTURE PERFORMANCE ZU ,DARK MEADOW SUITE‘ Leitung — Tadej Brdnik, Director of Teens@Graham, Martha Graham Dance Company 20. Oktober 2018, 20 Uhr, Kleines Haus In Zusammenarbeit mit dem Freundeskreis des Oldenburgischen Staatstheaters e.V.

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NIEDERDEUTSCHESeiten

EINE THEATERFAMILIE AUS OLDENBURG Mit der Inszenierung von ‚Honnig in’n Kopp‘ am Niederdeutschen Schauspiel kehrt die Regisseurin und Oldenburgerin Ayla Yeginer an einen höchst vertrauten Ort ihrer Kindheit zurück. Ihr Vater, der Schauspieler und Regisseur Murat Yeginer, spielte mehr als 20 Jahre im Schauspielensemble des Oldenburgischen Staatstheaters und ist dem hiesigen Theaterpublikum in bester Erinnerung. Nun stellt sich das einstige Theaterkind Ayla Yeginer mit ihrer ersten Regiearbeit in Oldenburg vor. Ayla, was geht dir durch den Kopf, wenn du heute durch die Gänge des Oldenburgischen Staatstheaters gehst? Ayla Yeginer: Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie Orte Menschen überdauern. Seit meiner Kindheit hier in Oldenburg hat sich wie üblich am Theater natürlich vieles verändert. Intendantenwechsel, Umbauten, neue Sparten, Konzepte und Spielstätten, und auch die Stadt ist ja immer in Bewegung. Und man selbst macht in den Jahren zwischen 3 und 35 ja durchaus auch die eine oder andere Wandlung durch. Aber dann geht man durch die Gänge und das Treppenhaus hinter der Bühne und alles riecht genauso wie schon vor Jahrzehnten. Die Treppengeländer winden sich unter demselben schon immer abblätternden Lack am Malersaal vorbei bis hinauf in die Schneiderei, und trotz einiger baulicher Maßnahmen, neuer Feuerschutztüren oder frischer Wandfarbe, scheint die Zeit einen Bogen um die Hinterbühne gemacht zu haben. Da fallen die Türen immer noch mit demselben Geräusch ins Schloss, die Pommes in der Kantine schmecken wie früher, vor allem aber der schon erwähnte Geruch katapultiert mich direkt in meine Zeit in Oldenburg zurück. Olfaktorische Erinnerung funktioniert eben immer am besten. Oldenburg bedeutet für dich aber natürlich noch viel mehr. AY: Ja. Hier bin ich mit meinen Geschwistern aufgewachsen, einige meiner besten und langjährigsten Freunde leben (wieder) hier, ich habe Familie in der Stadt und freue mich, einfach mal wieder ein paar Wochen lang Oldenburgerin sein zu können. Inzwischen bist du selbst Regisseurin und hast auch schon öfter mit deinem Vater zusammen gearbeitet. AY: Mit meinem Vater haben sich im Laufe der Jahre inzwischen unterschiedlichste Konstellationen in der Zusammenarbeit ergeben. Als Kind stand ich als Kleindarstellerin neben ihm auf der Bühne, meine ersten Berührungen mit dem Regieberuf sammelte ich unter seiner Regie als 26

Hospitantin in der Schulzeit, er spielte als Darsteller unter meiner Regie, als ich zu inszenieren begann, ich inszenierte unter seiner Schauspieldirektion in Pforzheim, als Dramaturgin stand ich ihm zur Seite, als er erstmals in Hamburg inszenierte, und aktuell sind wir Regiekollegen am Ohnsorg Theater in Hamburg, an dem wir beide in der letzten Spielzeit im Plattdeutschen debütierten. Wir sind einander die strengsten Kritiker und liebsten Kollegen zugleich. Vor allem aber verbindet uns eine große Freundschaft und ein inniges Vater-Tochter-Verhältnis. Wie bist du zur plattdeutschen Sprache gekommen? AY: Meine Verbindung zum Plattdeutsch ist über das Ohnsorg Theater gekommen. Dort habe ich in der letzten Spielzeit das Stück ‚Allens Düütsch – oder wat?‘ inszeniert und es hat mächtig gefunkt zwischen dem Plattdeutschen und mir. Seitdem drücke ich, wenn möglich, die PlattdeutschSchulbank, die das Ohnsorg-Theater den Sprachneulingen anbietet, und lese vor allem Bücher „op platt“. Gemeinsam mit Cornelia Ehlers arbeite ich zudem momentan an der Fassung für das Kinderstück ‚De lütte Herr Jemine‘, eine Kinderbuchadaption, die im Juni 2019 auch hier in Oldenburg zu sehen sein wird. Das hilft enorm, um mich ein wenig in die Schriftsprache einzufühlen. Hinter dieser Sprache verbirgt sich so viel mehr als man zunächst vermutet. Schnell spürt man, dass Plattdeutsch nicht nur niedlich und charmant ist, sondern dass es uns ermöglicht, Zwischentöne häufig viel filigraner auszudrücken und insbesondere Gefühle feinsinniger darzulegen. In der Tragikomödie ‚Honnig in’n Kopp‘ geht es um einen an Alzheimer erkrankten Großvater und seine Familie. Was bewegt dich an diesem Thema? AY: Die Auseinandersetzung mit dem Thema Demenz und Alzheimer als Vorbereitung für ‚Honnig in’n Kopp‘ ist sehr berührend und sensibilisiert mich für eine Welt, mit der ich bisher (glücklicherweise) im echten Leben keinerlei Berührung hatte. Und gerade in der Sensibilität im Umgang mit Demenz- und Alzheimerpatienten liegt auch eine


NIEDERDEUTSCHESEITEN

Bühnen- und Kostümbildnerin Telse Hand (links) und Regisseurin Ayla Yeginer bei einem Arbeitstreffen.

Stärke des Stücks: Die Freundschaft zwischen Tilda und ihrem Großvater Amandus basiert auf einer besonderen Verständnisebene. Intuitiv begreift das Mädchen, wie sie mit seiner Erkrankung umgehen muss, wie sie ihn lesen und welche Sprache sie mit ihm sprechen kann und schafft es so, eine Verbindung zu ihm zu halten, die für die Erwachsenen um ihn herum viel schwieriger zu erlangen ist. Gibt es etwas, das die Inszenierung von ,Honnig in’n Kopp‘ besonders macht? AY: Eine große Herausforderung der Geschichte ist die Vielzahl der Spielorte: Kirche, Haus, Kloster, Zug, Viehtransporter, Venedig – um nur einige zu nennen. Zusätzlich möchten wir für das Publikum auch den Prozess im Kopf des Großvaters veranschaulichen. Dafür haben Telse Hand (Kostüm- und Bühnenbildnerin) und ich uns ein Konzept für die Ausstattung überlegt, das den Schauspieler*innen viele Spielmöglichkeiten bietet und gleichzeitig eine Reise durch die Welt und durch das Puzzle des Vergessens in Amandus’ Kopf ermöglicht. So der Plan. Wie gut das gelingt, werden wir ab dem 4. November 2018 sehen.

Du arbeitest schon seit längerer Zeit im Team mit Telse Hand. AY: Telse und ich arbeiten seit meiner ersten Inszenierung immer wieder zusammen. Schnell haben wir festgestellt, dass wir nicht nur beruflich, sondern auch privat sehr gut zusammenpassen. Förderlich ist, dass wir nur zwei Straßen voneinander entfernt leben und sich ihr Atelier auch noch auf der Hälfte des Wegs befindet. Manchmal vergessen wir im Gespräch, ob wir uns gerade privat oder zum Arbeiten getroffen haben – Wein, Suppe und Gummibärchen stehen irgendwie immer auf dem Tisch. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum es so gut funktioniert mit uns. Magst du eigentlich Honig? AY: Ja, gern. Aber Agavendicksaft auch! Das Interview führte Dorothee Hollender.

HONNIG IN’N KOPP von Hilly Martinek und Til Schweiger für die Bühne bearbeitet von Florian Battermann Niederdeutsch von Frank Grupe Regie — Ayla Yeginer Premiere am 04. November 2018, 18.30 Uhr, Kleines Haus

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Von der „Eierlegenden Wollmilchsau“ Oder: Was es heiSSt, für die Sparte 7 zu arbeiten

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ie Sparte 7, der jüngste Zuwachs unseres Mehrspartenhauses, ist mittlerweile erwachsen geworden. Aus dem Wunsch geboren, dem starren Spartendenken der deutschen Theaterlandschaft etwas Flexibles, Offeneres entgegenzusetzen und Theater ein Stück weit zu demokratisieren, hat sich die Sparte 7 inzwischen zu einer in allen Farben schillernden, vor Kreativität und Ideen strotzenden Unternehmung entwickelt. Sie zu beschreiben ist schwer. Die Sparte 7 ist ständig im Fluss, verändert ihr Aussehen je nach Kooperationspartner*in und lässt sich auch sonst kein Label überstülpen. Was sich hingegen beschreiben lässt, ist die Arbeitsweise der Sparte 7. Doch auch das kann nur eine, nämlich Gesine Geppert, die Leiterin. Zeit für ein Gespräch!

Gesine, was ist der zentrale Gedanke, mit dem du an das Programm der Sparte 7 herangehst? Gesine Geppert: Das sind eigentlich zwei sich ergänzende Prinzipien. Wir haben der Sparte 7 bewusst das Motto „Demokratisierung des Theaters“ gegeben. Wir machen Veranstaltungen nicht nur im Theater, sondern auch in der Stadt und haben uns für Eintrittspreise entschieden, die hoffentlich für jede*n erschwinglich sind. Ein weiterer Schwerpunkt sind partizipative Projekte. Mit der Sparte geht das Theater viele Kooperationen mit Akteur*innen in der Stadt ein. Als Leiterin kollaboriere ich mit Vereinen und Institutionen, reagiere auf aktuelle politische Ereignisse und kann Mitarbeiter*innen des Staatstheaters wie auch Oldenburger*innen die Möglichkeit geben, gemeinsam eigene kreative Ideen umzusetzen. Diese Ideen sind vielfältig und gehen weit über das klassische Spektrum des Theaters hinaus. Von Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen, Lesungen und Performances bis zu Inszenierungen oder der Teilnahme an politisch relevanten Ereignissen in der Stadt kann in dieser Sparte grundsätzlich alles stattfinden. Diese Vielfältigkeit macht meine Arbeit extrem abwechslungsreich. Ich habe die Möglichkeit, mich neu zu vernetzen, neue Arbeitsfelder kennenzulernen und gemeinsam mit den Kooperationspartner*innen kreativ zu werden. 28

Wie würdest du deinen Arbeitsalltag beschreiben? GG: Arbeitsalltag? Den gibt es nicht! Wie in den meisten kreativen Berufen am Theater bedeutet auch die Arbeit in dieser Sparte, immer flexibel auf Anfragen, Ideen und Konzepte zu reagieren. Wenn eine neue Idee an das Theater oder direkt an mich herangetragen wird, folgt ein erstes Treffen, bei dem die Idee oder das mögliche Projekt vorstellt wird. Wenn eine Institution mit uns kooperieren möchte, fahre ich hin, um mir deren Arbeitsweise vor Ort anzusehen und Ideen für eine gemeinsame Aktion zu entwickeln. Die Zeit, die das in Anspruch nimmt, variiert von Projekt zu Projekt, von Idee zu Idee und von Veranstaltung zu Veranstaltung. Bei Reihen, die schon länger im Programm sind, kommt noch hinzu, dass sie sich weiterentwickeln. Man lernt aus Erfahrungen oder nimmt neue Ideen auf. Auch das ist ein langer Prozess. Die vielleicht bekannteste Veranstaltungsreihe ist ‚Melodien für Moneten‘ … GG: ,Melodien für Moneten‘ ist inzwischen aus der Sparte 7 nicht mehr wegzudenken. Sie macht den Künstler*innen und dem Publikum sehr viel Spaß und erfüllt durch die Liedereinnahmen, die wir jeweils an großartige karitative Initiativen spenden, auch noch einen guten Zweck. Aber auch ,Melodien für Moneten‘ hat sich seit der Konzeption 2014 immer wieder verändert, durch neue Spielorte, neue Musiker*innen und Sänger*innen und auch durch eine neue Raumgestaltung. Was gehört alles zur konkreten Planung einer Veranstaltung? GG: Wenn das Publikum einen Vorstellungstermin von ‚Melodien für Moneten‘ im Monatsspielplan entdeckt, sind oft schon Monate der Planung ins Land gegangen. Zunächst muss der Termin in unserer Dispo, also dem Jahresspielplan, eingetragen werden. Das ist bereits im Februar 2018 geschehen. Ungefähr drei Monate vor dem Termin wird er noch einmal bestätigt. Dann werden die Ankündigungstexte geschrieben. Rückt die Veranstal-


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tung näher, verabschiede ich mich langsam von Schreibtisch und Rechner und arbeite eher praktisch weiter. Ich treffe mich mit den Künstler*innen und besuche teilweise Proben; ich transportiere Bühnenbildelemente, prüfe, ob die Tischdecken sauber sind und ob die Requisite noch Schalen für die Erdnüsse hat … Gerade was die praktische Arbeit angeht, ist die Sparte 7 ein kaum einzugrenzendes Feld. Sprengt die Sparte 7 da nicht auch schon mal die Ressourcen des Theaters? GG: Ich möchte genau das Gegenteil erreichen. Ziel bei den Vorbereitungen der Veranstaltungen ist es, so nachhaltig wie möglich mit den Ressourcen des Theaters umzugehen. Der Fundus des Theaters und die einzelnen Abteilungen bieten fast alles, was die Sparte 7 für neue Bühnenbilder, Ideen und Konzepte braucht. Und was gibt es Schöneres, als bei einer Veranstaltung an einem Tresen zu stehen, der schon einmal zu einer Schauspielausstattung gehörte, oder am Theaterhafen auf Bühnenbildelemente zu stoßen, die man sonst nur aus der Ferne des Zuschauerraums sehen konnte. Die Sparte 7 erfindet zwar neue Theaterformate, bietet aber auch die Möglichkeit, Bekanntes neu zu Entdecken. Ich kann mir vorstellen, dass gerade bei der kleinteiligen Arbeit ein gutes Zeitmanagement gefragt ist. GG: Zeitmanagement ist wichtig, aber nicht ausschlaggebend. Oft verschwimmen bei meiner Arbeit auch die Grenzen zwischen privatem Interesse und beruflichen Terminen. Beim Schlendern über den Flohmarkt am Wochenende kann es vorkommen, dass auf einmal das perfekte Sparte-7-Requisit vor mir liegt. Dann kaufe ich das natürlich. Oder es entstehen bei einem Treffen mit Freund*innen Ideen, die später auch in die Arbeit einfließen. Bei all den wunderbaren kreativen Menschen in Oldenburg weiß man nie, wann man gerade jemanden privat kennenlernt oder ob daraus nicht ganz schnell auch neue Ansprechpartner*innen und Kooperationspartner*innen werden. Das gilt natürlich auch andersherum.

schnitten. Die fertigen Listen wandern schließlich in die Kiste zu den übrigen Requisiten. Es folgt noch eine letzte Anspielprobe und das Toi Toi Toi für die Künstler*innen. Hat die Vorstellung erst einmal begonnen, kann ich nicht mehr viel machen – außer mitfiebern und mitlachen. Am Ende bleibt Erleichterung und Freude über einen weiteren wundervollen Abend … und der Abbau. Kannst du noch etwas zu den Plänen für die neue Spielzeit erzählen? GG: Ein ganz neues Projekt, das größte und vielleicht auch das reizvollste, ist der ‚Schwarzmarkt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen‘. Das Projekt beruht auf einem Konzept der Mobilen Akademie Berlin und der Künstlerin und Dramaturgin Hanna Hurtzig. Der ‚Schwarzmarkt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen‘ ist ein Format, in dem zu ausgesuchten Themen ein lebendiger Austausch zwischen Expert*innen und Gästen stattfindet. Gäste können sich das Expert*innenwissen entweder in Form eines halbstündigen Einzelgespräches für 1 Euro kaufen oder über das „Schwarzmarkt-Radio“ zuhören. Die Stiftung Niedersachsen hat das international erprobte Konzept adaptiert und in Zusammenarbeit mit der Mobilen Akademie die ‚Lizenz© Nr. 5/2019‘ an die Sparte 7 vergeben. Die ersten Gespräche hierzu fanden bereits vor über einem Jahr statt. Zusammen mit dem Center for Migration, Education und Cultural Studies der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, der Mobilen Akademie Berlin und der Stiftung Niedersachsen steht uns nun eine spannende Planungszeit bevor. Expert*innen müssen gefunden werden, die Raumarchitektur muss den Gegebenheiten der Exerzierhalle angepasst und der Abend mit all seinen Facetten geplant werden. Das Ergebnis dieser Arbeit ist am 24.05.2019 in der Exerzierhalle zu erleben. Das klingt weit weg, aber die Zeit vergeht schnell, es liegen viele Projekte dazwischen und es gibt auch noch viel zu tun. Das Interview führe Christine Post.

Ganz konkretes und genaues Arbeiten ist vor allem an Veranstaltungstagen gefragt. Die Kolleg*innen der Technik richten die Bühne ein, dann kommen Beleuchtungsproben und Soundcheck. Wir gehen noch einmal die Liedliste durch, die bei ,Melodien für Moneten‘ auf den Tischen liegt, und nehmen vielleicht noch letzte Umstellungen vor. Dann wird getippt, korrigiert, ausgedruckt, zuge29


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Das Lied von der Trunkenheit Gustav Mahlers Symphonischer Zyklus ‚Das Lied von der Erde‘ gilt vielen als „mahlerischtes“ Werk, in dem sich meisterhafte Reife und ein Höchstmaß an Subjektivität vereinen.

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ie literarische Inspiration für seinen ,Schwanengesang‘ fand Mahler in der altchinesischen Lyrik, vor allem des Li-Tai-Po. Er gilt als bedeutendster lyrischer Dichter der Tang-Dynastie, die China vom 7. bis 9. Jahrhundert eine kulturelle und wirtschaftliche Blütezeit bescherte: In jenen Jahrhunderten wurden der Buchdruck und das Schießpulver, die tickende Wasseruhr und Streichhölzer erfunden, die Großstädte wuchsen und auch dem Himmel rückten die Menschen näher, als ein chinesischer Gelehrter im Jahre 635 das Geheimnis der Kometenschweife lüftete. Li-Tai-Po

Li-Tai-Po wurde 701 in eine reiche Kaufmannsfamilie geboren, schlug aber nicht die eigentlich vorgegebene Beamtenlaufbahn ein, sondern reiste einen Großteil seines Lebens durch China. Wo immer er vorübergehend Station machte, stieß er durch seine verwegene Art und sein dichterisches Talent auf große Faszination. Einige Jahre lang wirkte er als Beamter in der damaligen Hauptstadt Xi’an, zog aber letztlich die Ungebundenheit vor – und den ungehemmten Alkoholgenuss. Zeitweilig schloss er sich gar mit sieben gleichgesinnten Dichterkollegen zusammen: Sie gingen unter dem Titel ,Die acht Poeten der Zechgelage‘ in die Literatur ein und wurden später zu Schutzheiligen der Weinhändler und Schankwirte erklärt. Li-Tai-Pos Ende im Jahre 762 ist angemessen mythenumrankt: Der Legende nach soll er ertrunken sein, als er im Rausch versuchte, das Spiegelbild des Mondes in einem Fluss zu umarmen. Andere vermuten eine Quecksilbervergiftung, die er sich bei alchemistischen Studien zugezogen haben soll, wieder andere gehen ganz nüchtern von einer Alkoholvergiftung aus. Eines jedoch ist offensichtlich: Alkohol spielte eine entscheidende Rolle im Leben des Li-Tai-Po, und so handeln auch sehr viele seiner rund tausend Gedichte von Trinkgelagen und der Macht des Alkohols, die damals geradezu metaphysisch verklärt wurde: „Im Sonnenlicht und in dem Schattenland des Abends fühlst Du die Poesie der Dinge und nur sie. Genießt Du goldenen Wein, so f liegen auf der Wolke der Trunkenheit dir himmlische Gedichte zu“, so rühmte der Dichter Thu-Fu im Gedicht ‚An Li-Tai-Po‘ seinen äußerst geschätzten Kollegen. ,Die chinesische Flöte‘ Als Anfang des 20. Jahrhunderts der Philologe und Schriftsteller Hans Bethge seine Lyrik-Sammlung ,Die chinesische Flöte‘ aus altchinesischen Gedichten zusammenstellte, schuf er darin bewusst Nachdichtungen, d. h. als Vorlage dienten ihm weder die chinesischen Originale, noch deren einige Zeit zuvor entstandene französische Übersetzung, sondern wiederum deren Übertragung ins Deutsche. Bethge verstand sich als Einfühlungsästhetiker: „Es kommt nicht darauf an, ein Gedicht wörtlich zu übertragen, es kommt vielmehr darauf an, den Geist, den Stil, die Melodie eines

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Gedichtes in der fremden Sprache einigermaßen neu erstehen zu lassen.” Kaum war diese mit dichterischer Freiheit geschaffene Sammlung 1907 erschienen, fiel sie auch Gustav Mahler in die Hände. Ihn faszinierten die Melancholie der Vergänglichkeit und die universelle Schicksalshaftigkeit, die den Texten innewohnten (und für die der Alkohol vor allem eine gewisse Sensibilität geschaffen haben mag …). Er wird es wie Hans Bethge empfunden haben: „Li-Tai-Po dichtete die verschwebende, verwehende, unaussprechliche Schönheit der Welt, den ewigen Schmerz und die ewige Trauer und das Rätselhafte alles Seienden. In seiner Brust wurzelte die ganze dumpfe Melancholie der Welt, und auch in Augenblicken höchster Lust kann er sich von den Schatten der Erde nicht lösen. ,Vergänglichkeit‘ heißt das immer mahnende Siegel seines Fühlens. Er trinkt, um seine Schwermut zu betäuben, aber

„Schon winkt der Wein in goldenen Pokalen, – doch trinkt noch nicht! Erst sing ich euch ein Lied!“ Li-Tai-Po in Wirklichkeit treibt er nur in neue Schwermut hinein. Er trinkt und greift voll Sehnsucht nach den Sternen. Seine Kunst ist irdisch und überirdisch zugleich. Mächtige Symbole gehen in ihm um. Bei ihm spürt man ein mystisches Wehen aus Wolkenfernen, der Schmerz des Kosmos webt in ihm. In ihm hämmert das unbegriffene Schicksal der Welt.“ Tragen also die von Mahler vertonten Gedichte auch so feuchtfröhlich anmutende Titel wie ,Bankett im Pavillon der Familie Táo‘ oder ,Gefühle beim Erwachen aus einem Rausch an einem Frühlingstag‘ – so sind sie nur vordergründig ein Loblied auf die Macht des Alkohols. Trunkenheit ist hier im metaphorischen Sinne als psychischer Zustand zu verstehen: sei es als seelische Hochstimmung oder als tiefste Verzweif lung. „Ich bin lebensdurstiger als je“, beschrieb Mahler bezeichnenderweise seinen Zustand zu einer Zeit, in der ihn mehrere Schicksalsschläge niederdrückten: Seine vierjährige Tochter Maria Anna war an Diphterie gestorben, er selbst hatte eine bedrohliche Herzdiagnose erhalten und zudem nach einer Pressehetze als Direktor der Wiener Hofoper zurücktreten müssen. Um seine Schwermut in Arbeit zu ertränken, zog er sich im Sommer 1908 in sein Komponierhäuschen im südtirolischen Toblach zurück, wo er Trost in Bethges Gedichten fand – und einen Symphonischen Zyklus aus ihnen schuf: „Ich war sehr f leißig“, schrieb er Anfang 1909. „Ich weiß es selbst nicht zu sagen, wie das Ganze benamst werden könnte. Mir war eine schöne Zeit beschieden und ich glaube, daß es wohl das Persönlichste ist, was ich bis jetzt gemacht habe.“ Stephanie Twiehaus

3. Sinfoniekonzert Gustav Mahler: ,Das Lied von der Erde‘ Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie Nr. 39 Es-Dur Musikalische Leitung — Hendrik Vestmann Mit: Ann-Beth Solvang, Zoltán Nyári Oldenburgisches Staatsorchester Gustav Mahler

18. November 2018, 18 Uhr, Weser-Ems-Hallen

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, Otkas , l Posy ! ka i o t S

t erlern e. emble s od n h t E e ‘984 iel-M p s u a Das ‚1 ch eue S h eine n entagebuc b o r Ein P

Das ‚1984‘-Ensemble erlernt eine neue Schau

28. Mai Probenstart! Fortbildung ist das A und O im Berufsleben. Lebenslanges Lernen ist unser aller Auftrag. Das gilt natürlich auch für das Schauspiel des Staatstheaters. Und so wird es für die Kolleg*innen der Produktion ‚1984‘ (nach George Orwell) kurz vor der Sommerpause nochmal richtig schweißtreibend: Sie bekommen einen einwöchigen Workshop in der russischen Schauspielmethode „Biomechanik“. Diese ist ein theatrales Bewegungs-Konzept, welches um die Zeit der russischen Revolution 1917 von Wsewolod E. Meyerhold entwickelt wurde. In dem Regiekonzept von Luise Voigt soll sie das Mittel sein, um über die Körperlichkeit der Spieler*innen eine ganz eigentümliche Welt mit eigenen Regeln zu erzählen und so das geschlossene, repressive System des Orwellschen Staates Ozeanien darzustellen. Dafür wird eigens Tony De Maeyer aus Belgien anreisen, der die Biomechanik europaweit lehrt. Alle sind neugierig, aber der eine oder die andere 32

vielleicht auch ein bisschen skeptisch: Es soll ja sehr anstrengend sein. Wie kriegen wir das am Ende einer wie immer extrem schlauchenden Spielzeit jetzt noch hin? Bei der Hitze?

29. Mai Tony ist da! Eine beeindruckende Erscheinung. Irgendwie wie eine Figur aus ,Asterix‘: schlank, langes, wallendes, graues Haar mit einem charmanten belgischen Akzent und in der Ausstrahlung wahnsinnig intensiv. Das Training beginnt zunächst mit Gehen. Alle Aufmerksamkeit in die Füße. „Der Schauspieler sieht mit den Füßen“, erklärt Tony. Dann wird das Tempo erhöht und variiert: Tony ruft „Tempo drei!“, „Tempo fünf!“, „Tempo neun!“. Nun geht es um das Stehen: Mit parallelen Füßen stehen die Schauspieler*innen in der „neutralen Position“, aus dieser heraus wird jede Bewegung bewusst entschieden. Anschließend wandert das Bewusstsein in das Brustbein, den „Kommandopunkt“. Auf diesen legen die Spieler*innen die Fingerspitzen der rechten Hand, machen ein „Plopp“Geräusch, und auf diesen akustischen Impuls entsteht die Bewegung. Für den beobachtenden Dramaturgen eine lus-


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tige Szene, wie es da überall ploppt. Es erinnert entfernt an einen Teich voller ins Wasser plumpsender Frösche. Toll zu sehen, wie konzentriert das Ensemble arbeitet und körperlich bis an die Grenzen geht. Bei 30 Grad auf der Probebühne. Für morgen haben wir bei der Technik einen Ventilator angefordert.

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Der Ventilator ist da. Ein Riesen-Trumm. Zwei Meter im Durchmesser. Wenn man ihn anschaltet, fliegen die Zettel auf dem Regietisch durch den Raum und man versteht sein eigenes Wort nicht mehr. Egal. Viel trinken hilft auch. Es beginnt wieder mit einfachem Gehen und baut sich nach und nach immer weiter auf. Zusammen mit Tony erarbeitet sich das Ensemble eine besondere Wahrnehmung des ganzen Körpers, eine extrem bewusste und gleichzeitig energetische und entspannte Art der Fortbewegung. In einer weiteren Übung sollen die Spieler*innen sich ihre Bewegungsabläufe von außen betrachtet vorsteluspiel-Methode. Ein Probentagebuch. len, die Aufgabe ist es, quasi aus sich selbst herauszutreten und sich beim Tun zu beobachten. Absolute Aufmerksamkeit und Körperkontrolle sind das Ziel. „Es geht dabei aber nicht um Perfektion!“, betont Tony: „Ein Schauspieler ist man nie, zu dem wird man immer mehr.“ Es ist beglückend zu sehen, wie das Ensemble sich wieder eine neue Facette dieser großartigen Kunst aneignet und so von Produktion zu Produktion immer mehr wird.

1. Juni Es wird aus dem „Kommandopunkt“ herausgearbeitet. Diesen sollen sich die Spieler*innen als strahlenden Diamanten vorstellen, der jede Bewegung anführt. Mit dem Brustbein wird eine Kreisbewegung beschrieben, wobei der Rest des Körpers völlig entspannt bleiben soll, was gar nicht so einfach ist! Dann werden sich gegenseitig Besenstiele zugeworfen und auf den Handflächen balanciert sowie Tennisbälle auf den Fußspitzen. Ziel ist es, dabei so lange in der Position zu verharren wie möglich. Immer wieder geht es um die Bewusstheit und Vergrößerung des Ausdrucks der Bewegung. Schließlich erlernen wir eine der fünf überlieferten Original-Etüden der Biomechanik. Tony macht sie vor. Jede Bewegung gliedert sich dabei in einen Zyklus aus drei Elementen: Einer vorbereitenden Gegenbewegung (Otkas), der eigentlichen Ausführung (Posyl) und dem Stand (Stoika). Spontaner Applaus. Beeindruckend! Ein wenig erinnern die Spieler*innen beim Üben der Etüde an griechische Diskuswerfer auf antiken Vasen. Wobei Tony immer wieder unterstreicht, dass es sich bei der Biomechanik natürlich nicht um Sport han-

delt, sondern um Kunst. Eine sehr sportliche eben. Jetzt widmen wir uns ersten szenischen Momenten des Textes mit Mitteln der Biomechanik: Im Roman ‚1984‘ gibt es die an den Rand gedrängte Unterschicht, die „Proles“. Wie stellen wir die Proles biomechanisch dar? Viel wird probiert, verworfen, wieder Neues probiert, und schließlich entsteht ein Bild eines menschlichen Räderwerks aus lauter Zahnrädern, die ineinandergreifen. Die Spieler*innen winden sich wie Teile einer großen Maschine umeinander und senden einzelne, sehr gezielte Blicke in den (auf der Probebühne imaginären) Zuschauerraum. So werden die Zuschauer*innen zum „Mittäter“. Es ist interessant zu beobachten, wie diese spezielle Körperlichkeit der Biomechanik die Blicke vergrößert. Es ist, als würde der ganze Körper blicken. Das Faszinierende an dieser Art zu arbeiten ist auch, dass auf der Probe so vergleichsweise wenig diskutiert wird. Dafür umso mehr geschwitzt. Dabei ist die Probenatmosphäre geprägt durch eine hochkonzentrierte, fast meditative Stimmung. Es ist wirklich ein ungewohnter theatraler Zugriff; ein sehr körperlicher. Faszinierend, wie gut man auf diese Weise Geschichten erzählen kann. Wir alle lernen eine völlig neue Herangehensweise. Aber gerade weil diese so neu und bei aller Klarheit doch so komplex (und vor allem anstrengend) ist, kommen am Ende des Workshops erste Zweifel auf, ob wir bis zur Premiere so weit sein werden, dass sich die Biomechanik flüssig in die Inszenierung einfügt. Luise Vogt, die Regisseurin, kann den Spieler*innen ihre Bedenken nehmen. Schließlich hat sie schon im Vorlauf der Produktion eigens ein monatelanges Einzeltraining bei Tony besucht und kann uns auch in seiner Abwesenheit bei allen Fragen und Unsicherheiten sehr gut weiterhelfen und anleiten. Und nach den Ferien kommt er ja nochmal. Auf jeden Fall ist die Biomechanik eine große Bereicherung unseres schauspielerischkörperlichen Repertoires. Die Zuschauer*innen können sich auf eine weitere neue Seherfahrung am Oldenburgischen Staatstheater freuen! Marc-Oliver Krampe

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Ohne sie gäbe es (kein!) Theater … Oder: Was macht eigentlich ein/e Inspizient*in?

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äbe es sie nicht, gäbe es Theater … oder eben gerade nicht, denn kein Gong würde das erwartungsfrohe Publikum in den Saal rufen und der Vorhang bliebe geschlossen. Das wäre unter den gegebenen Bedingungen allerdings auch das Beste, denn auf der Bühne würde ohne die Zeichen der Inspizient*innen ohnehin nur das absolute Chaos herrschen! Am Inspizientenpult laufen alle für die Vorstellung relevanten Fäden zusammen, wie Tatjana Müller, die seit vielen Jahren als Inspizientin im Schauspiel des Oldenburgischen Theaters tätig ist, erklärt: „Ein Regieteam erarbeitet mit den Künstler*innen der verschiedenen Sparten mittels Sprache, Gesang oder tänzerischem Ausdruck eine Geschichte, die dem Publikum erzählt werden soll. Diese wird mit stilistischen Mitteln wie Beleuchtung, Ton, Videos, technischen Verwandlungen und Spezialeffekten dargestellt. Die Kolleg*innen der Abteilungen Licht, Ton, Technik, Betriebstechnik, Maske, Garderobe, Requisite befinden sich während der Vorstellungen an sehr unterschiedlichen Orten. Die Techniker*innen sind rechts, links, hinter, neben oder unter der Bühne, die Beleuchter*innen und Tonleute im Vorderhaus, sogar im ersten Rang. Die Kolleg*innen der Maske, Requisite und Garderobe arbeiten in ihren Spezialräumen. Trotzdem müssen alle ihre Arbeitseinsätze auf den Punkt genau, oft gleichzeitig tätigen. Dafür erarbeitet der/die Inspizient*in ein Textbuch (… im Musiktheater meist einen Klavierauszug), in dem diese Arbeitseinsätze fixiert sind. Mittels Lichtzeichen und Durchsagen der Inspizient*innen werden die Kolleg*innen aktiviert. Die Zahnräder beginnen ineinanderzugreifen und die große Theatermaschine setzt sich in Bewegung.“

In welchen Wirbel diese Theatermaschinerie im Extremfall kommen kann, beschreibt Stefan Vitu, der im Musiktheater beschäftigt ist: „Der absolute Höhepunkt für mich war ‚Spamelot‘: 400 Lichtstimmungen, über 100 Toneinsätze, und das, obwohl der Ton viele Einsätze selbst auf Lichtzeichen gegeben hat. Dazu kamen etliche Handzeichen und Podienfahrten … Dabei dauerte das ganze Stück nur eineinhalb Stunden. Ich war zwar nicht nervös, aber innerlich schon ein wenig angespannt! Damals sagte Markus Müller zu mir: ‚Vitu ist der Herr der Knöpfe.‘ – Neben all dem war ich selbst noch mit einem leuchtenden Pfeil auf der Bühne.“ Und er fügt lachend hinzu: „Das hat der Kollege aus Mainz, wo die Inszenierung im Anschluss gespielt wurde, abgelehnt.“ Wie vielfältig die Wege zur Inspizienz sind, beweist ein 34

Blick auf die Lebensläufe von Tatjana Müller und ihren beiden Kollegen aus dem Musiktheater. Die beruflichen Wurzeln der Schauspiel-Inspizientin liegen im Bereich des Films: „Ich habe zwei Berufsausbildungen beim Film absolviert, wurde an die Filmhochschule delegiert, an der ich den Studiengang Film- und Fernsehtechnik als Ingenieurin abschloss. Erstes Engagement war das Volkstheater Rostock, an dem ich fünf Jahre als Regieassistentin und künstlerische Mitarbeiterin des Schauspieldirektors gearbeitet habe. Eine Abschlussregie wurde mir ermöglicht, bevor ich das zweite Engagement am Berliner Ensemble angetreten habe. Dort war ich als Produktionsleiterin und anschließend Mitarbeiterin der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Ich heiratete, bekam einen Sohn, zog nach Oldenburg und bewarb mich, als mein Kind im Kindergartenalter war, als Souffleuse. Das war die einzig machbare Theaterarbeit, um mein Kind adäquat betreuen zu können. Als vor sieben Jahren die Inspizientenstelle am Staatstheater vakant wurde, konnte ich in den Beruf einsteigen.“ Marne Ahrens, Stefan Vitus Kollege im Musiktheater, absolvierte zunächst ein Studium der Theaterwissenschaft in Bayreuth. In seinen Ferien sammelte er praktische Erfahrung durch Regieassistenzen am Stadttheater Bremerhaven, das nach seinem Studium auch sein erster Arbeitsplatz werden sollte. Am Anfang stand ein Teilspielzeitvertrag als Regieassistent und Schauspieler im Weihnachtsmärchen. Als dann kurzfristig der Inspizient ausfiel, übernahm Marne Ahrens auch diese Aufgabe. Kurz darauf wurde er als Regieassistent und Inspizient fest am Haus engagiert. Drei Jahre später erwachte in ihm der Wunsch nach neuen Aufgaben, und so kam er 1995 ans Oldenburgische Staatstheater. Stefan Vitu wiederum wurde der Kontakt zum Oldenburgischen Staatstheater durch seinen Vater, den unvergessenen Kammersänger Fritz Vitu, und seine Mutter, Eva Jaksch, die ebenfalls am Haus beschäftigt war, gewissermaßen in die Wiege gelegt. Nach einer Gesangsausbildung und mehreren Gastengagements ist er seit der Spielzeit 1994/95 fest am Haus tätig. Auf die Frage, welche Eigenschaften für Inspizient*innen unverzichtbar sind, antwortet er wie aus der Pistole geschossen: „Nerven! Man braucht viele Nerven! Viele Nerven und nochmals Nerven, die dicksten Nerven! – Und Geduld!“ Die beiden Kolleg*innen würden dies sofort unterschreiben. Marne Ahrens ergänzt: „Man braucht Ruhe und Gelassenheit, muss multitaskingfähig sein, alles im Auge behalten und schnell Prioritäten setzen können. Und man


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Der wichtigste Arbeitsplatz der Inspizient*innen: Das Inspizientenpult

muss bisweilen klar und deutlich machen können, wer bei den Vorstellungen und Proben das Sagen hat … aber in einem höflichen, netten und gelassenen Ton.“ Grinsend fügt er hinzu: „Wenn die Musikdramaturgin bei einer Vorstellung einmal wieder am Pult steht und zu laut mit dem Intendanten oder Künstlerischen Betriebsdirektor spricht, muss man schon einmal ruhig und diplomatisch sagen: ‚Das geht jetzt nicht.‘“ In den langen Jahren bzw. Jahrzehnten ihres Berufslebens haben Tatjana Müller, Marne Ahrens und Stefan Vitu Herausforderungen unterschiedlichster Art erlebt, die es zu meistern galt und die im Nachhinein bisweilen auch das eine oder andere Schmunzeln auslösten: Sei es, dass eine Herde künstlicher Kühe durch einen technischen Defekt in der Unterbühne stecken blieb und das schwungvolle „Eine Kuh so wie du“ im ‚Weißen Rössl‘ mit einem Augenblick seines Inhalts beraubt war, die Drehbühne plötzlich aus unerklärlichen Gründen auf höchste Geschwindigkeit schaltete und die gerade jubilierenden Rheintöchter in Wagners ‚Rheingold‘ kurzerhand hinter einer Wand verschwinden ließ oder effektvoller Bühnennebel die sensible Brandschutz-Anlage derart verwirrte, dass es auf dem Höhepunkt einer schwungvollen Musicalszene zu einem Fehlalarm kam, der eine sofortige Evakuierung des Hauses zur Folge hatte … Was auch geschieht, immer müssen die Inspizient*innen kühlen Kopf bewahren und alle Geschehnisse auf, unter, über und hinter der Bühne sowie im Zuschauerbereich schnellstmöglich zurück in geregelte

Bahnen lenken. Eine außerordentlich verantwortungsvolle Aufgabe, die Extremes fordert, aber auch viel zurückgibt, wie Tatjana Müller betont: „Kolleg*innen der verschiedensten Gewerke verlassen sich auf meine Genauigkeit und Sorgfalt, denn nur dann kann ihre engagierte Arbeit voll zum Tragen kommen. Ich sehe mich in meiner Funktion daher auch als Mittlerin zwischen dem künstlerischen Personal und den Kolleg*innen der Gewerke des Hauses. Dabei gilt es auch manchmal Schwierigkeiten auszugleichen, wenn sich die Regiewünsche zum Beispiel spontan ändern. Ist doch toll, oder? … Ich habe einen fantastischen Beruf!“ Die Kollegen würden diese Einschätzung sicherlich bestätigen! Annabelle Köhler

Die faszinierendsten Momente im Beruf eines Inspizienten/einer Inspizientin … „Da gibt es bei mir nicht den einen schönsten Moment, aber ich schätze es sehr, vielen, vielen spannenden Menschen begegnet zu sein! Und ich mag die Aufgeregtheiten vor einer Premiere (von denen ich mich in der Regel nicht anstecken lasse), oder ich mag den Moment, wenn die Vorstellung zu Ende ist und alles präzise gelaufen ist.“ Albrecht Husmann, Inspizient im Schauspiel 35


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Promi-Hochzeit in Griechenland: Orpheus sagt Ja zu Eurydike Griechische Medien sprechen von der „Hochzeit des Jahres“. Unsere Society-Reporterin Christina Schmidl war als eine der wenigen Journalist*innen zur Hochzeit geladen und berichtet exklusiv für unsere Leser*innen von den Feierlichkeiten.

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ie kennen sich erst seit wenigen Monaten, aber am vergangenen Wochenende schlossen der aufstrebende Geigenstar Orpheus, der mit seinem Debütalbum ,The lyra goes violin‘ vor wenigen Wochen die Charts stürmte, und seine schöne, ebenfalls aus Thrakien stammende Verlobte Eurydike den Bund fürs Leben. „Sie sind füreinander bestimmt. Sie ist die Liebe seines Lebens“, erzählt Herakles, ein Jugendfreund des Bräutigams, der bereits zusammen mit Orpheus am Argonautenzug zur Eroberung des Goldenen Vlieses teilnahm.

In einer opulenten Zeremonie gaben sich das glückliche Liebespaar Orpheus und Eurydike am Samstagvormittag in Orpheus’ Heimatort Dion das Jawort und trotzten damit allen Spekulationen über einen möglichen Fehltritt Oprheus’ mit einer seiner Background-Geigerinnen am Polterabend eine Woche zuvor. Über 200 Gäste waren zur Hochzeit geladen – neben Orpheus’ Mutter Kalliope auch zahlreiche weitere Argonautenfreunde Orpheus’ wie Theseus oder Iason, der mit seiner Ehefrau Medea kam. Gerüchten zufolge soll sich auch Zeus alias Jupiter unter den Gästen befunden haben. Wie meistens bei seinen Ausflügen vom Olymp mischte er sich wohl wieder inkognito unter die Festgesellschaft.

Als Festmahl hatten sich Orpheus und Eurydike ein typisch griechisches Hochzeitsmenü mit Ziegenbraten à la Odysseus als Hauptgang gewünscht; dazu gab es erlesene Weine der Winzerei „Bacchus“. Als begnadeter Musiker trug Orpheus selbst zur musikalischen Unterhaltung während der Hochzeitsfeier bei. Mit einem eigens für Eurydike und den Anlass komponierten romantischen Lied, „ Ach, ich habe sie gewonnen“, rührte er nicht nur die Braut zu Tränen. Diese trug im Übrigen ein elegantes, aufwändiges Brautkleid des angesagten griechischen Luxusmodelabels „ Aphrodite“. Ihr sechs Meter langer bestickter Seidentüllschleier – ein Erbstück – sorgte für ein bewunderndes Raunen unter den Gästen. Eurydikes Brautstrauß aus Blumen der Saison fertigte das Floristikgeschäft „ Aristeus“. Direkt nach der wilden Hochzeitsparty entschwanden Orpheus und Eurydike in die Flitterwochen nach Mauritius, um noch etwas Zeit zu zweit zu genießen, bevor Orpheus im nächsten Monat sein neues Album auf den Markt bringt und anschließend auf Tournee geht. Christina Schmidl

ORPHEUS IN DER UNTERWELT Nach der romantischen Trauung feierte das Brautpaar ausgelassen mit seinen Gästen bis in die frühen Morgenstunden im luxuriösen Festsaal des „Pluto Resort & Spa“Hotels an der Ägäis. Zahlreiche Fotografinnen und Journalisten drängten sich vor dem Hotel in der Hoffnung, einen Blick auf das frischgebackene Brautpaar zu erhaschen.

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Jacques Offenbach (1819 — 1880) Operette in zwei Akten Libretto von Hector Crémieux und Ludovic Halévy in deutscher Sprache Musikalische Leitung — Carlos Vázquez Regie — Felix Schrödinger Premiere am 10. Oktober 2018, 20 Uhr, Kleines Haus


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Auftakt der Jugendtheatertage – der Geschichte auf der Spur Exkursion in das Kulissendorf der Nazis: Freilichtbühne Stedingsehre

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ir, die Teilnehmer*innen der Jugendtheatertage und das Theaterpädagogische Netzwerk (bestehend aus Jugendkulturarbeit e.V., Bildungshaus Rastede und dem Oldenburgischen Staatstheater), fahren mit vielen Fragen im Kopf nach Bookholzberg, um die Freilichtbühne Stedingsehre zu besichtigen, die drei Jahre lang ein Nazi-Ausflugsort war. Wie wurde hier in den 1930er Jahren das Theater zu Zwecken der NS-Propaganda missbraucht? Inwieweit war die künstlerische Szene der Region bereit, sich instrumentalisieren zu lassen? Oder stand sie selbst hinter dieser NSPropaganda? Gemeinsam wollen wir uns mit dem Kapitel deutscher Vergangenheit in dieser Region auseinandersetzen und hoffen, einige Antworten auf unsere Fragen zu finden. In Bookholzberg gibt es keinen Wegweiser zu der Freilichtbühne Stedingsehre. Hinweise zu der ehemaligen NS-Kultstätte mit der monumentalen Publikumstribüne werden offenbar unter Verschluss gehalten. An der Einfahrt zum Gelände des Berufsbildungswerkes steht ein Schild: „Zutritt für Unbefugte verboten.“ Wir werden in zwei Gruppen aufgeteilt und von zwei ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen über das Gelände geführt. Hier erfahren wir, dass die Freilichtbühne im Jahr 1934, zum Anlass der 700-Jahr-Feier der Schlacht bei Altenesch, im Auftrag des NSDAP-Gauleiters Carl Röver gebaut wurde. Der Blick von der im Halbkreis angelegten Tribüne richtet sich auf eine fest angelegte Bauerndorf-Kulisse, die – bis auf die Kirche – auch heute noch steht. In den Häusern wurden Requisiten, Kulissenelemente und Kostüme ge-

lagert. Dahinter erstreckt sich die Landschaft, in der die Stedinger Bauern ihre Freiheitskämpfe gegen Unterdrückung und die Erzwingung von Abgaben durch den Erzbischof von Bremen führten. Diese Kämpfe waren Gegenstand des Volksschauspiels ‚De Stedinge‘ von August Hinrichs. Das Ensemble setzte sich aus Schauspielern des Oldenburgischen Staatstheaters (damals noch Landestheater) und einem Großteil der Einwohnerschaft, die die Statisterie stellte, zusammen. Zwischen 1935 und 1937 haben das Spektakel insgesamt 150.000 Besucher*innen gesehen – eine ideale Gelegenheit für die NSDAP, die Vorführungen zu großen propagandistischen Parteiveranstaltungen umzufunktionieren. August Hinrichs wurde auch Mitglied der NSDAP und überließ die Rechte an seinem Stück der Partei. Die letzte Veranstaltung auf dem Gelände soll 1939 eine Sonnenwendfeier gewesen sein. Die Freilichtbühne Stedingsehre steht inzwischen unter Denkmalschutz. Eine Herde Schafe hat sich hier heimisch eingerichtet. Oldenburg war eine der ersten Städte Deutschlands, in der sich das Theater an der nationalsozialistischen Propaganda beteiligt hat. Einige Fragen vom Anfang bleiben. Neue kommen hinzu. Ist es möglich, unpolitisches Theater zu machen? Ist der theatrale Raum nicht immer ein politischer Raum? Lea Schreiber

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Annyeonghaseyo* BallettCompagnie Oldenburg Die neue Spielzeit ist für die BallettCompagnie Oldenburg in ganz besonderer Art und Weise gestartet. Vom 21.8. bis 30.08. waren Ballettdirektor und Chefchoreograf Antoine Jully, die Ensemblemitglieder Eleonora Fabrizi und Lester René González Álvarez sowie Produktionsassistentin Nastasja Fischer zu Gast in Seoul und Cheongju, um dort bei der Eröffnungsgala des 27. Korea Dance Festivals aufzutreten. Gezeigt haben wir Antoine Jullys Choreografie ‚Is this it?‘ zur Musik von Asaf Avidan. Zuvor wurde Antoine Jully eingeladen, das Korean National Ballet zu trainieren.

Was für einer netter Empfang am Incheon Airport

Gewappnet für die sommerliche Regenzeit in Südkorea

Eleonora Fabrizi und Lester René González Álvarez in Antoine Jullys ‚Is this it?’

Glücklich nach der Vorstellung mit Hae Kyung Lee, Choreografin und Vorstandsmitglied der Korea Dance Association

Antoine Jully mit dem Damenensemble des Korean National Ballet

*„Hallo“ auf koreanisch

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TheaterGeheimnis

Die Theaterkuppel Jeder Oldenburger und jede Oldenburgerin kennt die Kuppel des Staatstheaters. Sie gehört zum Stadtbild wie die Lambertikirche oder der Schlossturm. Was hingegen nicht jede/r weiß, ist, was sich unter der Kuppel eigentlich verbirgt.

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ie Wölbung des stadtbekannten Gebäudes birgt allerhand Notwendiges für erfolgreiche Vorstellungen im Großen Haus. Über der Bühne geht es 25 Meter in die Höhe. Dieser Raum bietet Platz für ca. 50 Seilzüge, die am Fahrstand der Bühnenmaschinerie direkt gesteuert werden können. Mit diesen Zügen können verschiedene Bühnenbildteile, Scheinwerfer oder manchmal auch Darsteller*innen hinauf und hinab bewegt werden. Insgesamt zehn Punktzüge stehen zur Verfügung und können an frei wählbaren Positionen Einzellasten bis zu einem Gewicht von 500 kg in die Höhe bewegen.

galerien erreicht werden, die sich auf verschiedenen Etagen rings um die Bühne befinden. Die starken Maschinen, die die Züge bewegen und halten, stehen ganz oben auf einer Plattform direkt unter der Kuppel. Der gesamte Boden besteht aus Gitterrosten, sodass man von ganz oben nach ganz unten auf die Bühne hinunterschauen kann und alle Seilzüge im Blick hat. Die Mitarbeiter*innen, die sich hier bewegen, müssen also unbedingt schwindelfrei sein! Diese Spezialist*innen unter den Bühnentechniker*innen werden auch heute noch als Schnürmeister*innen bezeichnet.

Prospektzüge hingegen heben und senken sogenannte Laststangen, die parallel zur Bühnenkante eingebaut sind. Sie werden benötigt, um Scheinwerfer, Schleiergaze oder Projektionsfolien in den Bühnenhimmel zu befördern. Was früher durch Muskelkraft und unter größten Gefahren geschah, wird heute durch computergesteuerte Elektroantriebe mit höchster Präzision und maximaler Sicherheit erledigt.

Übrigens diente die Kuppel des Staatstheaters ursprünglich als Platz für große Wassertanks, die dort nach dem verheerenden Brand des Theaters 1891 gelagert wurden, um im Falle eines erneuten Feuers schneller eingreifen zu können. Da die Löschtechnik heute zum Glück ausgefeilter ist, beherbergt der Raum nun die moderne Obermaschinerie. So können die schnellen Umbauten oder Flugsequenzen auf der Bühne auf die Sekunde genau gesteuert werden.

Ca. 200 Seile kommen auf einer Plattform in schwindelnder Höhe, dem sogenannten Schnürboden, zusammen. Der Schnürboden kann von Techniker*innen über Arbeits-

Schnürboden in der Theaterkuppel

Amelie Jansen

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BÜHNENSeiten

Theaterwort-Rätsel Nach altbekannten Regeln – aber mit vielen theaterbezogenen Fragen – wartet auf diesen Seiten unser „Theaterwort-Rätsel“ auf Sie! Knobeln Sie los, die korrekten Antworten auf die nummerierten Fragen passen in die zugehörigen Kästchen auf der rechten Seite. Die Umlaute Ä,Ö und Ü werden ausgeschrieben. Kleiner Tipp: Bei der ein oder anderen Frage kann Ihnen diese Bühnenseiten-Ausgabe womöglich behilflich sein… Viel Spaß! 1. Autor von ,1984‘ 2. Sparte des Theaters 3. Spielzeitheft 4. Beruf am Theater 5. Neues Ensemblemitglied im Schauspiel 6. Figur aus ,Räuber Hotzenplotz‘ 7. Baron von … (,Effi Briest‘) 8. Pionierin des amerik. Modern Dance, Martha … 9. Koordinativer Beruf hinter der Bühne 10. Orpheus und … 11. Gala zum Spielzeitbeginn 12. Roman von Hermann Hesse 13. Neues Ensemblemitglied Oper 14. Regisseur von ,!Knall! – Wasnlosalter –‘ 15. Wahrzeichen des Theaters 16. Bühnenbild 17. Entscheiden Sie sich im Dezember für eins von vier Stücken beim … 18. Erste Vorstellung eines neuen Stückes 19. Niederdeutsches Theaterfestival in Oldenburg 20. Monatsspielplan 21. Entwurf der Bekleidung einer Inszenierung 22. Diesjährige ,Ring‘-Inszenierung 23. Ein wichtiger Ort im Theaterbetrieb 24. ,Die Comedian …‘ 25. Instrument im Orchester 26. Intendant des Oldenburgischen Staatstheaters 27. Tanzfestival in Oldenburg 28. Figur aus ,Honnig in’n Kopp‘ 29. Wurde in der Spielzeit 2018/19 neu eröffnet 30. Informationen zum jeweiligen Stück finden sich zur Vorstellung im …

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SCHAUSPIELSEITEN

Das Wunder der Steppenwolfdressur

Dreharbeiten für ‚Der Steppenwolf‘: Fabian Kulp, Christopher Fromm

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in musikalischer Raumfahrtingenieur, ein audiovisueller Alleskönner und ein cinephiler Regieassistent kommen in ein Theater. Was wie der Beginn eines Witzes klingt, ist die perfekte Beschreibung für das Regieteam der Produktion ‚Der Steppenwolf‘ im Oldenburgischen Staatstheater. Hauke Beck (Musikalische Leitung), Gerrit Oosterhof (Kamera und visuelle Effekte) und Christopher Fromm (Regie) nehmen sich in Zusammenarbeit mit Clara Kaiser (Bühne und Kostüm) den wohl bekanntesten Roman von Hermann Hesse vor. Der 1927 erschienene Roman schildert die Erlebnisse der Hauptfigur Harry Haller, dessen menschliche, bürgerlichangepasste Seite und seine steppenwölfische, einsame sozial- und kulturkritische Seite im ständigen Konflikt miteinander stehen und somit Hallers eigene psychologische Entwicklung blockieren. Als Resultat dieses andauernden inneren Kampfes projiziert das Unterbewusstsein Hallers abgespaltene, unterdrückte Teile seines Charakters als extreme Personifizierungen in seine Umwelt, um ihn zu 42

sich selbst zu führen. So trifft die Hauptfigur im Verlauf der Geschichte auf verschiedene Personen, die sie zuerst als Fremde annimmt. Die Gelegenheitsprostituierte Hermine, der Jazzmusiker Pablo und die hedonistische Maria. Alle drei konfrontieren Haller mit unterschiedlichen verdrängten Aspekten seiner eigenen Psyche. Stichwort: Konfrontation. So, wie Hesse die verschiedenen Anteile seiner Figur Harry Haller immer wieder miteinander konfrontiert, lassen wir verschiedene Medien und Stilmittel auf der Bühne aufeinandertreffen. Dabei steht als visuelles Stilmittel an erster Stelle die Konfrontation von Theater und Film, also Bühne und Video, Realität und Virtualität. Insgesamt 12 Drehtage und vier Monate Postproduktionsphase sind der sechswöchigen Probenzeit vorausgegangen. Erste Herausforderung: Ein Filmstudio wird benötigt. Zum Glück ist die Halle 10 der ehemaligen Ausweichspielstätte Fliegerhorst dafür prädestiniert. So wird


SCHAUSPIELSeiten

innerhalb weniger Tage ein Filmstudio aufgebaut. „Für diese Produktion braucht es zwei komplette Bühnenbilder“, sagt Clara Kaiser, „eins im Studio und natürlich noch eins in der Exerzierhalle“. Und so stehen auf der Equipmentliste für eine Theaterproduktion neben Kostümen, Perücken, Requisiten und Licht auch Dolly, Kamerakran, Tonangel und Greenscreen.

Wir finden in dieser Produktion alle Arbeitsschritte, die es im Film auch gibt. Also von der Konzeptionsphase über die Drehplanung bis zum Studiobau, dem Dreh an sich, einer Postproduktionsphase mit Sounddesign und Special Effects und der Produktion eines Making-Ofs ist alles dabei. Jetzt ist die große Herausforderung, Film und Theater so zueinander zu bringen, dass diese beiden Formen auf Augenhöhe auf der Bühne funktionieren.

Die Figur Harry Haller trifft im Verlauf der Geschichte auf verschiedene extreme Charaktere, die jeweils einen Anteil seines eigenen Charakters darstellen. In diesem Fall trifft Hauptdarsteller Johannes Lange auf verschiedene Versionen von sich selbst. Die Projektionsfläche wird zur Bühne der virtuellen Figuren. So kann der Schauspieler als reale Figur mit einer virtuellen Version von sich selbst in Dialog treten. Die Videoprojektion ist bei diesem Konzept also nicht nur eine Erweiterung des Bühnenbildes, sondern generiert auch Mitspieler auf Augenhöhe. Sein Spielpartner auf der Bühne ist dabei Fabian Kulp, der neben allen realen Nebenfiguren auf der Bühne auch einige virtuelle Figuren des Magischen Theaters, der finalen Station in Harrys Reise in sein Innerstes, darstellt. Neben dem klassischen szenischen Dreh stehen aber auch Zeitlupen, 3D-Scans und Effektdrehs auf dem Plan. „Gerade das Magische Theater bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten, um sich surreal auszutoben. Da ist man auf der Bühne eingeschränkt, aber im Video können wir jede noch so verrückte Idee realisieren und unserer Fantasie freien Lauf lassen“, sagt Gerrit Oosterhof. Bei einer multimedialen Produktion wie dieser müssen das Video- und das Bühnenbildkonzept Hand in Hand gehen. „Uns war es wichtig, dass wir uns von der statischen Projektionsfläche distanzieren und eher ein dynamisches Bühnenbild schaffen, das auch als Projektionsfläche und virtuelle Bühne genutzt werden kann“, sagt Clara Kaiser. Der Kampf der Figur mit ihren Seelenanteilen, die Konfrontation zwischen Realität und Virtualität soll sich also auch in einem Kampf der Spieler*innen mit dem Bühnenbild fortsetzen. Wir begeben uns durch das Bühnenbild in Hallers Innerstes. Da ein Großteil der Geschichte in Hallers Kopf stattfindet, repräsentiert das Bühnenbild sozusagen Hallers Psyche. Diese wird ständig durch die Konfrontationen mit sich selbst geordnet oder durcheinandergebracht. Um mehr Distanz zwischen die virtuellen Figuren im Video und Harry Haller auf der Bühne zu bringen, werden sie im Studio nachsynchronisiert.

Hauke Beck, Christopher Fromm und Crew

Untermalt wird dieser besondere Abend mit Live-Musik von Hauke Beck, der mit einer Gegenüberstellung verschiedener Musikrichtungen das Konzept des Abends weiter unterstützt. Christopher Fromm

DER STEPPENWOLF nach dem Roman von Hermann Hesse Bühnenfassung von Joachim Lux Regie — Christopher Fromm Video- und Bildregie — Gerrit Oosterhof Premiere am 06. Oktober 2018, 20 Uhr, Exerzierhalle

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BühnenSeiten

KUNST IM GERICHT Das Landgericht Oldenburg schmückt seine Gänge mit Inszenierungsfotos des Oldenburgischen Staatstheaters

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erzweiflung, Bestürzung, aber auch Glück sind häufige Emotionen, die hinter den Türen des Oldenburger Landgerichts am Ende der täglichen Verhandlungen in den Gesichtern der Menschen abzulesen sind. Nicht weniger häufig sind ähnliche Emotionen auch auf der Bühne des Oldenburgischen Staatstheaters zu finden – jedes Mal eingefangen von Theaterfotograf Stephan Walzl. Einige dieser Inszenierungsmomente sind nun als Fotodrucke in den Fluren des Landgerichts ausgestellt. Gemeinsam beschlossen der Präsident des Landgerichts Dr. Thomas Rieckhoff, Bruder von Bühnen- und Kostümbildner Stefan Rieckhoff, und Geschäftsleiterin Elke Müsker im Jahr 2016, ihren Räumen durch eine dauerhafte Ausstellungs-Kooperation mit dem Staatstheater mehr Farbe zu verleihen. So finden etwa 30 verschiedene Fotografien dort Platz und geben Wartenden und Besucher*innen sowie den etwa 150 Mitarbeiter*innen einen Einblick in laufende und vergangene Inszenierungen des Staatstheaters. Stephan Walzl wählt die Motive aus den Probenfotos aus, die er für jede Produktion am Theater schießt. Dabei achtet er auf die Vielfalt aus den Sparten Oper, Schauspiel und Ballett. Immer wieder werden die Motive der Ausstellung erneuert, um möglichst aktuelle Aufnahmen zu zeigen. Im Treppenaufgang ist noch ein weiteres Projekt von Stephan Walzl zu sehen. Es zeigt alle elf Amtsgerichte, die dem Landgericht unterstellt sind, in sehenswerten Schwarz-Weiß-Fotografien. Dr. Thomas Rieckhoff und Elke Müsker freuen sich über die durchweg positive Reso-

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nanz zu beiden Ausstellungen: „Die Theaterbilder werden von allen als sehr gelungen angesehen.“ Da das Gericht als ganz eigener Kosmos in der Öffentlichkeit oft mit Scheu und Hemmungen verbunden ist, würde sich Präsident Dr. Rieckhoff umso mehr über zahlreiche AusstellungsBesucher*innen freuen. Übrigens ist man bei Interesse auch herzlich zu den öffentlichen Gerichtsverhandlungen eingeladen. „Genau wie Frau Müsker und ich regelmäßige Gäste im Oldenburgischen Staatstheater sind, haben einige Bürger*innen ein ,Abo‘ als Zuschauer*innen in Gerichtsverhandlungen“, erzählt der Präsident scherzhaft. Die Türen des Landgerichts öffnen sich den Bürger*innen nun also sowohl für das Recht als auch für die Kunst. Amelie Jansen


KINDERSEITEN

Finde die Unterschiede Beide Bilder sind gleich? Da muss man schon genauer hinsehen: Findet heraus, welche 10 Fehler sich in Bild Nummer 2 geschlichen haben!

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BühnenSeiten BühnenSeite

M E D AUS STÜCK

N E LL

A F E G

Keine Requisite und kein Kostüm, weder ein Klang noch ein Bühnenbildteil sind hier verloren gegangen. Nein, gleich eine ganze Figur ist aus einem unserer Premierenstücke gefallen. Glückwunsch: Sie haben die Figur gefunden und müssen jetzt nur noch erkennen, um wen es sich hier handelt und in welche Produktion dieser Spielzeit sie zurückgebracht werden muss! Nach dem Knobeln finden Sie die Lösung im Impressum auf Seite 47. „Ich bin eine wahrlich begabte Konzertsängerin mit großem Namen! Nun gut, mein bürgerlicher Name machte nicht so viel her wie die geschönte Variante, dafür klingt er jetzt umso herrlicher. Dass ich eigentlich aus einem kleinen Ort in Hinterpommern komme, wo ich als Pastorentochter aufgewachsen bin, hat mir für meine Karriere nie geholfen, ich musste also hinaus in die weite Welt! Ein Glück, dass ich einem etwas verschrobenen Apotheker eine so gute Freundin bin und er mir mein Gesangsstudium in Paris finanziert hat. Bei der Viardot! Für alles andere habe ich meinen russischen Fürsten, er bietet mir ein Heim und alles, was ich für mein Leben brauche. Und ich brauche viel, denn ich mag es gern besonders apart! Vielleicht schütteln die Leute in Hinterpommern darüber den Kopf, dennoch kommen sie zu meinen Kon-

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zerten, wenn der Apotheker mich einlädt. Neulich war eine junge Frau im Publikum, die sehr unglücklich schien. Hübsch anzusehen war sie, doch ein wenig ängstlich. Sie sprach von Spuk in ihrem Haus. Naja, ich habe ja schon einiges erlebt! Man ist ja links und rechts umlauert, hinten und vorn. „Sie werden das noch kennen lernen“, habe ich ihr gesagt. Trotzdem habe ich keine Muße, mich ihrer anzunehmen, denn nichts langweilt mich mehr, als Geistergeschichten … Nun muss ich mich aber beeilen, die Bühne wartet und danach folgt das Abendessen. Denn mein Grundsatz lautet: Erst Kunst, dann Nusseis!“ Amelie Jansen


BühnenSEITEN

Auszeit mit … Es ist so weit, die Tage werden kürzer, die Kleidung wieder wärmer und die Bäume beginnen, ihre Kleider in den buntesten Farben zu tragen, bevor sie gänzlich abgeworfen werden.

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ine Jahreszeit, in der ein entspannender Spaziergang die perfekte Möglichkeit ist, für ein paar Stunden dem Alltag zu entfliehen und durchzuatmen. Mit dem Bollenhagener Moorwald kennt Anna-Teresa Schmidt, Schauspieldramaturgin am Oldenburgischen Staatstheater, dafür einen wundervollen Ort. Er befindet sich in Südbollenhagen, der Gemeinde Jade zugehörig, in einem ehemaligen Auengebiet des Flusses Jade. Seit 2008 ist hier als Ausgleichsfläche für Gewerbegebietsentwicklungen der Stadt Wilhelmshaven, insbesondere den Jade-Weser-Port, rund um einen 150 Jahre alten Eichenmischwald mit 140 ha das größte zusammenhängende Waldgebiet der Wesermarsch entstanden. Auf den Wanderwegen durch den Wald kann man nicht nur wunderbar spazieren gehen und die Natur mit ihren Feuchtwiesen, einem Bohlenweg, Binsensümpfen, dem Mischwald und dessen Tieren genießen, sondern stößt auch immer wieder auf Skulpturen und Kunstwerke von regionalen Künstler*innen. Ein Bauwagen, das sogenannte „BollWerk“, lädt dazu ein, sich über die Besonderheiten der Landschaft, über die Pflanzen und Tiere sowie die Entstehung des Projektes zu informieren. Und für alle schwindelfreien Abenteurer*innen bietet ein Baumkronenturm mit 14 Metern Höhe den perfekten Blick über den Bollenhagener Moorwald und die Region.

Bild von Gesine Geppert

Mit circa 25 km ist der Wald von Oldenburg aus sowohl mit dem Fahrrad als auch mit dem Auto gut erreichbar. Zunächst fährt man von Oldenburg aus über die Autobahn oder über die Nadorsterstraße und Wilhelmshavener Heerstraße aus der Stadt, dann über die B211 Richtung Brake. Nach Großenmeer führt an der nächsten Kreuzung die Barghorner Straße direkt in das Herz der Wesermarsch. Dieser Straße, die später zur Mentzhauser Straße wird, folgt man für circa 7 Kilometer, um dann in die Straße „ An der Dornebbe“ einzubiegen, an der dann nach 800 Metern auf der linken Seite der Parkplatz für den Bollenhagener Wald liegt.

Impressum Spielzeit 18/19 Herausgeber: Oldenburgisches Staatstheater Generalintendant: Christian Firmbach Redaktion: Dramaturgie und Öffentlichkeitsarbeit Chefredaktion: Dorothee Emsel, Christine Post, Anna-Teresa Schmidt Bildnachweise: Titelbild: Produktion ,Die Walküre‘, S. 6 Foto Marc Becker: https://www.playboy.com.mx/entretenimiento/una-finalmundialista-sonada/, S. 7 Foto Antoine Jully: Martina Pipprich, S. 12-15 Fotos Ballett: Privat, S. 13 Foto Ann-Beth Solvang: Sandra Hastenteufel , S. 15 Foto Zoltán Nyári: Vera Ader, S. 27 Dorothee Hollender, S. 30 Bild Li-Tai-Po: Tuschmalerei von Liáng Kăi, Nationalmuseum Tokyo, S. 31 Bild Mahler: Gustav Mahler 1909, Fotostudio A. Dupont, N.Y., Library of Congress, S. 36 Hintergrundbild Hochzeitspaar: miltonhuallpa95 via pixabay (https://pixabay.com/de/hochzeit-paar-kirche-romantik-2507462/), S. 37 Theaterpädagogisches Netzwerk, S. 38 Nastasja Fischer, Korea Dance Association, Myung-Whun Choi, Stephan Walzl, S. 42 Jakob Geffert, Seite 50 privat, alle weiteren: Stephan Walzl Layout und Satz: Gerlinde Domininghaus Druck: Prull-Druck GmbH & Co. KG, Oldenburg Stand der Drucklegung: 07.09.2018, Änderungen vorbehalten. www.staatstheater.de Theaterkasse 0441. 2225-111 Die Lösung zu „Aus dem Stück gefallen" auf Seite 47 lautet: Gesucht wird Marietta Trippelli aus ,Effi Briest‘ Lösung zu Theaterwort-Rätsel: 1. Orwell; 2. Ballett; 3. Theatermagazin; 4. Tischler; 5. Schumacher; 6. Amaryllis; 7. Instetten; 8. Graham; 9. Inspizienz; 10. Eurydike; 11. Vorhangauf; 12. Steppenwolf; 13. Solvang; 14. Becker; 15. Theaterkuppel; 16. Kulisse; 17. Publikumsentscheid; 18. Premiere; 19. Plattart; 20. Leporello; 21. Kostuembild; 22. Siegfried; 23. Kantine; 24. Harmonists; 25. Klarinette; 26. Firmbach; 27. Tanztage; 28. Tilda; 29. Theaterbar; 30. Programmheft

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,Die Walküre‘ mit Zoltán Nyári als Siegmund


GASTSEITEN

Endlich der Ring in Oldenburg …

Reto Weiler

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in Staatstheater, welches nach breitem Ansehen und Anerkennung strebt, braucht den ‚Ring‘, genauso wie eine Universität dafür eine Medizinische Fakultät braucht. Beides stellt enorme Anforderungen an die jeweilige Institution und kostet viel. In Oldenburg fehlte lange Zeit beides und der damit verbundene Aufstieg in eine andere Liga. Von außen kommend war das vielleicht leichter erkennbar, und so habe ich mich, wo immer es möglich war, für ‚Ring‘ und Medizin eingesetzt. Erstaunlicherweise hat es mit dem ‚Ring‘ noch etwas länger gedauert als mit der Medizin. Es gab zwar quasi Kostproben mit der ‚Götterdämmerung‘ und mit der ‚Walküre‘, aber es fehlte der Mut, das große Ganze zu wagen! Schön, dass unter der jetzigen Theaterleitung das künstlerische Team zusammenkam, das die Erfahrung und das Netzwerk mitbringt, um gemeinsam mit allen engagierten Mitarbeiter*innen des Staatstheaters diese Herausforderung anzunehmen. Warum stellt ‚Der Ring des Nibelungen‘ eine solche Herausforderung dar und ist als Überforderung Operngeschichte geworden? Da gibt es natürlich einmal die schiere Zahl von insgesamt 16 Stunden Aufführdauer, die Größe des Orchesters, die Komplexheit der Partitur, die Schwierigkeit des Textes und natürlich die benötigten sängerischen Höchstleistungen. Die wahre Schwierigkeit ist aber, dass es sich eigentlich nicht um eine Oper, sondern um ein Musikdrama handelt und deshalb ein anderer Zugang für die Realisierung nötig ist. Wie würde dieser für den Oldenburger Ringzyklus aussehen, war deshalb eine der spannendsten Fragen. Ich konnte der ersten Vorstellung des Regiekonzeptes von Paul Esterhazy beiwohnen und war total überrascht: der gesamte Zyklus in einem schweizerischen Bergbauerndorf verortet! Nun hatte ich mich über Jahrzehnte für einen ‚Ring‘ in Oldenburg stark gemacht und dann soll dieser tatsächlich in meiner Heimat spielen! Der spontanen Begeisterung folgten natürlich bald kritische Gedanken. Geht das überhaupt, Götter, Walküren, Riesen, Helden und Menschen in einer Alphütte? Ja, es geht, wie wir mittlerweile nach der Hälfte des Zyklus’ wissen – und es geht sogar ganz hervorragend! Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Der Regisseur konzentriert sich auf das Narrativ des Zyklus’ und verstärkt das durch die Verortung an einem Ort, der sich subtil mit der 50

Geschichte verändert. Der Einsatz der Drehbühne verhindert dabei das Aufkommen von Langeweile durch ein einziges Bühnenbild und unterstützt den erzählerischen Faden, wie gute Filmschnitte. Die Verortung an einem Ort macht es uns auch wesentlich leichter, sich mit den Personen vertraut zu machen. Sie werden für uns Bekannte, an deren Schicksal wir zunehmend interessiert sind, so wie in einem guten Fernsehserial. Das alles funktioniert aber nur, wenn die musikalische Darbietung – also Orchester und Sänger*innen – von höchster Qualität ist. Und da dürfen wir uns in Oldenburg glücklich schätzen. Das Haus verfügt über hervorragende eigene Kräfte und die notwendigen Ergänzungen im Sängerensemble sind mit großer Kenntnis ausgesucht worden. Der Freundeskreis des Oldenburgischen Staatstheaters hat dabei gerne seine finanzielle Unterstützung eingebracht. So erwarten wir jetzt mit Spannung die Fortsetzung der Geschichte im ‚Siegfried‘. Und wenn wir den Ausgang der Geschichte auch kennen, werden wir mit den Menschen im Bergdorf mitfiebern und dabei begreifen, dass sie uns unsere eigene Geschichte erzählen. Reto Weiler Reto Weiler ist Rektor des Hanse-Wissenschaftskollegs. Das Institute for Advanced Study beruft wissenschaftliche Fellows aus der ganzen Welt und fördert gleichzeitig den Dialog zwischen Wissenschaft und Kunst. Der Schweizer Neurobiologe war unter anderem Vizepräsident der Universität Oldenburg und Gründer der European Medical School Oldenburg-Groningen. Der vielfach international ausgezeichnete Wissenschaftler interessiert sich neben der Erforschung des Sehens auch für die Felsbildkunst Australiens, wo er längere Zeit gelebt hat. Er ist Vorsitzender des Freundeskreises des Oldenburgischen Staatstheaters.


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ONLINE


Premierenübersicht OPER —

Ballett —

22. 09. 2018 | Großes Haus

27.10.2018 | Großes Haus

SIEGFRIED

DARK MEADOW SUITE/ SU UNA NOTA SOLA (UA)/ A.U.R.A.

10. 10. 2018 | Kleines Haus

ORPHEUS IN DER UNTERWELT

13.04. 2019 | Großes Haus

LUCIA DI LAMMERMOOR

AM ENDE UNSER SCHATTEN (UA)/ LE SACRE DU PRINTEMPS (UA)

16. 02. 2019 | Großes Haus

15.06. 2019 | Kleines Haus

LES PALADINS

DIE KUNST DER FUGE (UA)

23. 03. 2019 | Großes Haus

Spielzeit 18/19

DEAD MAN WALKING 04. 05. 2019 | Großes Haus

CLIPPING DANCE — CAPTURING MOTION

LA CLEMENZA DI TITO

10. — 19.05.2019

27. 01. 2019 | Exerzierhalle

14. INTERNATIONALE TANZTAGE

21. 10. 2018 | Großes Haus

LA DAMNATION DE FAUST 08. 12. 2018 | Großes Haus

BRUNDIBÁR

Schauspiel —

Niederdeutsches Schauspiel —

Junges Staatstheater —

1984

4.11. 2018 | Kleines Haus

06.09. 2018 | Exerzierhalle

02. 10. 2018 | Großes Haus

HONNIG IN’N KOPP

EFFI BRIEST

10.02. 2019 | Kleines Haus

!KNALL! – WASNLOSALTER – (UA)

06. 10. 2018 | Exerzierhalle

PAULETTE (NDE)

18.11. 2018 | Großes Haus

DER STEPPENWOLF

24.03. 2019 | Kleines Haus

17. 11. 2018 | Exerzierhalle

BI ANROOP – MOORD (NDE)

DER RÄUBER HOTZENPLOTZ

Russian Boy (UA)

Spielzeit 18/19

22.02. 2019 | Exerzierhalle

24. 11. 2018 | Kleines Haus

Bar in der Exerzierhalle

DIE MITTE DER WELT

EIN GROSSER AUFBRUCH

DE LETZTE SMÖKER (NDE)

18.04. 2019 Exerzierhalle

01. 12. 2018 | Spielraum /

22. — 31.03.2019

ELLBOGEN

Kleines Haus

PLATTART 2019

28.04. 2019 | Spielraum

02. 09. 2018 | Kleines Haus

PUBLIKUMSKONFERENZ

EIN NEUES LAND

23. 02. 2019 | Kleines Haus

13.06.2019 | Spielraum

DAS HAUS AUF MONKEY ISLAND (UA)

DE LÜTTE HERR JEMINE

02. 03. 2019 | Großes Haus

JUGENDTHEATERTAGE

ROMEO UND JULIA 27. 04. 2019 | Kleines Haus

DER ZERBROCHNE KRUG 21. 06. 2019 | Großes Haus

THE ROCKY HORROR SHOW

22. — 28. 06. 2019


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