7 minute read
WENIGER REDEN, MEHR MACHEN ....... Seite
ARNDT ZINKANT SPRICHT MIT CDU-POLITIKER STEFAN NACKE, DER VOM LANDTAG IN DEN BUNDESTAG STREBT Münster ist nicht nur schön, sondern verfügt auch über viele Dächer, die Platz für so manche Photovoltaik-Anlage bieten. Genau hier will Dr. Stefan Nacke ansetzen mit der Initiative „Sundays for Energy“. Etliche Partner innerhalb der Stadtgesellschaft sind bereits mit im Boot. Was den uneitlen, pragmatischen CDU-Politiker außerdem mit den münsterschen „Domfreunden“ gemeinsam umtreibt und was er von Armin Laschet hält, erzählt er im Interview.
WENIGER REDEN, MEHR MACHEN
Advertisement
Guten Tag, Herr Nacke – fast hätte ich „Tag, Herr Kollege“ gesagt!
Warum denn?
Sie haben ja vor Kurzem ein Magazin mit dem Namen „Qualitätspolitik“ herausgegeben. Und darin führten Sie ein Interview mit NRW-Innenminister Herbert Reul. Warum gerade mit ihm?
Weil ich begeistert bin von der Klarheit seiner Amtsführung. Außerdem gefällt mir seine Kommunikation. Er schafft es, der Polizei sehr viel Rückhalt und Selbstbewusstsein zu geben – zeigt gleichzeitig aber auch klare Kante, wenn es um Rechtsradikalität in Chat-Verläufen und dergleichen geht.
Gerade erst gab es eine spektakuläre konzertierte Aktion gegen Clankriminalität. Das war auch ziemlich groß in der Presse. Ist dieses Thema auch für Sie wichtig?
Das wird leider ein relevantes Thema bleiben. Wichtig ist, dass man als Staat nicht zurückweicht und Stärke zeigt. Ich kenne die Situation im Ruhrgebiet recht gut, weil ich in Essen gearbeitet habe – dort ist es sicher nötig, Polizeipräsenz zu zeigen. In Münster leben wir ja noch auf Wolke sieben.
Wenn man sich Ihren Werdegang anschaut – Sie haben ja auch für einen Bischof gearbeitet –, drängt sich der Eindruck auf: Da ist einer aus kirchlichen Motiven in der Politik gelandet. Stimmt’s?
Im weitesten Sinne ja. Als ausgebildeter Soziologe und Sozialethiker und als Verbandsmensch empfinde mich als Vertreter der katholischen Sozialbewegung, bin aber kein Repräsentant oder gar „Spion“ der Amtskirche. (lacht)
Ist das C in der CDU momentan so wichtig, wie es sein sollte?
Ja und nein. Der Grund, warum ich jetzt das Parlament wechseln und in den Bundestag möchte, ist, dass jene Linie in der Partei Verstärkung braucht, die mir wichtig ist. Andererseits hat sich mit Armin Laschet jetzt einer durchgesetzt, der einen ähnlichen biografischen Background hat wie ich. Er war übrigens auch mal Chefredakteur der Aachener Kirchenzeitung.
Das wusste ich gar nicht – noch so ein „Kollege“! Sehen Sie sich mit Laschet auf einer Linie?
Ja, da gibt es viele Gemeinsamkeiten. Ich habe ihn nun vier Jahre im Landtag beobachten können und finde, er ist ein sehr guter Kommunikator, hat ein integrierendes Wesen und Gelassenheit. Das hat man ja auch im Zuge seiner Wahl zum Kanzlerkandidaten erlebt. Das war seine Gesellenprüfung, wenn nicht sogar sein Meisterstück. Aus westfälischer Sicht würde man sagen, er ist eine rheinische Frohnatur – für mich ist er aber vielmehr ein Menschenfreund. Laschet mag einfach die Leute und sieht im politischen Mitbewerber nicht nur den Konkurrenten, sondern auch den Menschen.
Er ist also ein Versöhner?
Ja – ein bisschen wie Johannes Rau, das ist einfach Nordrhein-Westfalen! Wenn man dieses Bundesland regieren will, muss man Arbeit und Kapital versöhnen, wie es ja seinerzeit schon mit der Montanunion gelungen ist. Man muss auch die unterschiedlichen Landsmannschaften miteinander versöhnen, ebenso wie die verschiedenen Gesellschaftsschichten oder Stadt und Land. Nicht umsonst heißt es, Nordrhein-Westfalen ist die „kleine Bundesrepublik“. Laschet hat aber auch einen Plan für die „große Bundesrepublik“.
Die Clankriminalität wird ein relevantes Thema bleiben
Kommen wir zu einem Ihrer Hauptanliegen: den münsterschen „Domfreunden“, die der Pflegearbeit zu mehr Ansehen verhelfen wollen. Wie viele Mitglieder haben Sie?
So um die hundert. Wir machen aber keine offizielle Werbung – im Gegenteil, durch unsere Aktionen erleben wir immer wieder, dass Leute von sich aus auf uns zukommen.
Immer wenn ich lese, dass die Pflege zu wenig Wertschätzung erhält, denke ich: „Die
Wertschätzung ist da, es mangelt nur am Geld!“ Oder läuft das aufs Gleiche hinaus?
In jedem Fall muss die Pflege innerhalb der Verteilungskämpfe verteidigt werden. Wenn man aber die Gehälter mit anderen Ausbildungsberufen vergleicht, muss man sagen, dass es in der Pflege gar nicht so schlecht aussieht. Man sollte den Punkt mit der Bezahlung auch nicht zu schlecht reden. Stattdessen sehe ich in der Tat eine zu geringe gesellschaftliche Wertschätzung bei allen Bereichen, die mit Care-Arbeit zu tun haben. Im Zuge der Corona-Debatten kam auch im letzten Jahr immer die Frage auf, wer systemrelevant ist. Und da ist deutlich geworden, dass gerade diese Care-Arbeit nicht nur systemrelevant, sondern „das System selber“ ist. Wir Domfreunde organisieren seit einigen Jahren sogenannte Pflege-Empfänge, um Anerkennung auszudrücken, immer in schönem Ambiente, zum Beispiel in einer Galerie.
Geht es vorrangig darum, Geld einzuwerben?
Die Geldfrage ist immer irgendwie dabei, doch es geht hauptsächlich um die Wertschätzung der Pflegearbeit. Da der vorige dieser Empfänge wegen Corona ausgefallen ist, wollen wir stattdessen einen Pflegepreis verleihen – am 27. Juni in der Bezirksregierung. Dieser Preis wurde vom Designer Dieter Sieger entworfen und wird im Beisein der Regierungspräsidentin und des Oberbürgermeisters verliehen. Konkret sind es allerdings um die 40 Preise – die Institutionen entsenden ihre Vertreter „direkt von der Front“, sozusagen. Es wird also quasi die komplette Pflege in Münster prämiert werden als Dank und Anerkennung der Leistungen in der Corona-Pandemie.
Ihr zweites Hauptanliegen heißt „Sundays for Energy“. Da fällt einem zuerst die Analogie zu „Fridays for Future“ auf – aber dann denkt man: Sunday heißt ja auch
Wir werden einen Pflegepreis verleihen
Sonnentag! Wie kamen Sie auf das Thema Sonnen-Energie?
Ich hatte immer wieder mit Umweltvertretern zu tun – auch mit „Fridays for Future“. Oft sehr anstrengende Gespräche, denn immer, wenn ich über Verantwortlichkeiten oder Ressorts sprach, wurde mir das nicht zugestanden. Stattdessen gab es eine Projektionsperspektive: „Sie als Politiker sind verantwortlich! Machen Sie was!“ Das ist mir lange nachgegangen, und ich erkannte, dass das Thema dieser Bewegung so groß ist, dass es kaum die Erfahrung der Selbstwirksamkeit ermöglicht. Ein Einzelner kann eben das Klima nicht retten und ein Schüler schon gar nicht. Diese mangelnde Selbstwirksamkeitserfahrung führt dazu, dass man in eine Protesthaltung geht und die Verantwortung auf andere projiziert.
Welche Partner haben Sie schon ins Boot geholt?
Unter anderem die Universität, Energieexperten und Ingenieurbüros, das Bistum und die evangelische Kirche, das Studierendenwerk, die Stadtwerke, die Volksbank und die Franziskus-Stiftung. Die Dächer-Kapazitäten werden zurzeit berechnet, damit man dann in der Folge den Businessplan fertigstellen und den Genossenschaftsvertrag unterschreiben kann.
» Es droht die Situation, dass wir uns hier ein trügerisch reines Gewissen verschaffen. «
Soll bei dem Ganzen auch Geld verdient werden?
Noch lassen leider die aktuellen Bedingungen keine großen Profite zu. Das wird sich aber in den nächsten Jahren ändern, wenn die CO2-Preise steigen.
Sie würden Sonne gegenüber Wind also bevorzugen, weil man die Energie dann direkt auf dem Haus hat und nicht durchs ganze Land transportieren muss?
Die Frage heißt nicht „entweder – oder“, sondern „sowohl als auch“.
Also sind Sie von der Energiewende überzeugt, obwohl diese an ihre Grenzen stößt und Schattenseiten in puncto Naturzerstörung offenbart, Stichwort Vögel- und Insektentötung. Woher die Zuversicht?
Zugeben: Wir sind nach Fukushima im Hauruckverfahren aus der Atomkraft rausgegangen, und nun soll ebenfalls im Eiltempo der Kohleausstieg kommen. Aber was passiert danach? Ich glaube jedenfalls nicht, dass wir zu einem gesellschaftlichen Konsens kommen können, der zurück zur Atomkraft führt. Man darf sich andererseits nichts vormachen: Es droht die Situation, dass wir uns hier ein
trügerisch reines Gewissen verschaffen – und „unser“ Kohlestrom kommt dann aus Polen und der Atomstrom aus Frankreich. Das kann’s ja nicht sein! In puncto Wasserstoff wird sich einiges tun, da werden große Infrastrukturprojekte kommen. Ich weiß im Moment DIE Lösung auch nicht. Ich weiß nur, man muss etwas machen.
Und da ist die Sonnenenergie nicht das Schlechteste …
Ich bin kein Ideologe und selbst auch kein Energieexperte. Aber ich sehe, dass dies die Menschen bewegt, und möchte zeigen, dass wirtschaftliches Handeln und ökologische Ziele kein Gegensatz sein müssen. Reine Protesthaltung bringt nichts. Was ich bereits an aggressivem Protest am Hambacher Forst gesehen habe oder die „Extinction Rebellion“-Leute, die sich vor dem Landtag anketten – derlei kann nicht die Lösung sein. Wenn wir so weitermachen, kommen wir in sehr problematisches politisches Fahrwasser.
Zuletzt: Haben Sie ein politisches Motto?
Am Ende des besagten Interviews mit Minister Reul habe ich ihn ebenfalls nach seinem Motto gefragt – und er sagte: „Weniger reden, mehr machen.“ Das fand ich total klasse! (lacht) Andererseits kann man mit politisch richtigen Reden auch viel erreichen.
In Puncto Wasserstoff wird sich noch einiges tun
INFO
Dr. Stefan Nacke
Er ist ein „Ur-Münsteraner“. Er wurde 1976 in Hiltrup geboren, wo er mit seiner Familie noch heute lebt. Ebenfalls in Münster studierte er Philosophie, Katholische Theologie und Christliche Sozialwissenschaften (Promotion in Bielefeld). Seit 1998 ist er Mitglied der CDU. 2017 wurde er als Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Münster-Süd direkt gewählt. Aktuell möchte Stefan Nacke ein Bundestagsmandat erringen.