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ASAF AVIDAN Bewegender Folkrock aus Israel

ASAF AVIDAN IM PORTRÄT

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Nicht bei jedem mag es auf Anhieb beim Namen Asaf Avidan klingeln, seine Stimme haben dennoch bereits Millionen Menschen gehört. Mit dem 2012 erschienenen Remix »One Day/ Reckoning Song« des Berliner DJs Wankelmut wurde auch der israelische Künstler berühmt.

Paolo Santambrogio Foto

Bewegender Folkrock aus Israel, dazu seine markant hohe Stimme: Asaf Avidan hat geschafft, wovon viele Musiker träumen – ein Alleinstellungsmerkmal mit Wiedererkennungswert zu entwickeln, das ihm langfristig Erfolge bescheren kann. Gesanglich verglichen wird der Künstler, der als Sohn israelischer Diplomaten in Jamaika und anderen Ländern der Welt groß geworden ist, sogar mit Robert Plant (Led Zeppelin) und Janis Joplin, was durchaus auch seine musikalischen Einflüsse widerspiegelt. Sein großer Bruder, der als Manager in einem Plattenladen arbeitete, sowie die Musiksammlung seiner Eltern mit Klassikern von Leonard Cohen, Bob Dylan, Jimi Hendrix und Co. prägten seinen Stil hörbar.

Doch Fan zu sein, ist eine Sache, selbst Melodien und Texte zu schreiben, die sich weltweit verbreiten, eine andere. Eine schmerzhafte Trennung veranlasste den bis dato Hobbymusiker, sich die Gitarre zu nehmen und Songs über seine Gefühle zu schreiben. So entstand die 2006 veröffentlichte Debüt-EP »Now That Your'e Leaving«, die auf seinem eigenen Label Telmavar Records erschien.

DURCHBRUCH MIT »THE RECKONING«

Zwei Jahre später erschien das Album »The Reckoning«, das ihm nur wenige Jahre später weltweiten Erfolg bescheren sollte. In Israel dagegen war Asaf Avidan mit seiner Band »The Mojos« noch schneller in aller Munde: Das Debütalbum und dessen Nachfolger »Poor Boy/Lucky Man« erreichten Goldstatus. Avidan füllte nun selbst große Hallen und trat im Vorprogramm für seinen musikalischen Helden Bob Dylan, aber auch für Künstler wie Morrissey auf.

Sein musikalischer Kompass führte den Musiker nach seinem Konzeptalbum »Through the Gale« zunächst auf akustische Solopfade – inmitten dieser persönlichen Weiterentwicklungsphase änderte sich das Leben von Asaf Avidan im Juni 2012 schlagartig, als »One Day« weltweit in die Charts einstieg. Plötzlich sang jeder diese Zeilen mit:

»One day baby, we'll be old Oh baby, we'll be old And think of all the stories that we could have told«

Vielleicht hat auch dieser Erfolg dazu beigetragen, die zuvor angekündigte kreative Pause in eine endgültige Band-Trennung zu verwandeln. Fortan ist Asaf Avidan als Solokünstler aktiv und konnte für die Produktion seiner Alben unter anderem BobDylan-Producer Mark Howard und den Schlagzeuger Jim Keltner gewinnen, der bereits für John Lennon und Elvis Presley trommelte.

Auf Solopfaden

Einst tourte Asaf Avidan mit seiner Band The Mojos – inzwischen ist er solo unterwegs. Foto Ojoz

SELBSTFINDUNG IM LOCKDOWN

Asaf Avidan hat seine musikalische Output-Geschwindigkeit mittlerweile reduziert, gerade in einer Zeit, als viele Künstler wie gelähmt auf die Geschehnisse um sich herum waren, brachte er jedoch sein jüngstes Album heraus: »Anagnorisis« erschien im September 2020 mitten in der Pandemiezeit. Der Titel ist ein von Aristoteles geprägter, literarischer Begriff und beschreibt die plötzliche Offenbarung eines Charakters: Der Moment, in dem sich das wahre Gesicht eines Menschen zeigt und die Geschichte eine unvorhersehbare Wendung nimmt. »Ich wollte mir Zeit nehmen, mich so richtig mit mir selbst zu beschäftigen, mich in mich selbst zu vertiefen, nach neuen Wegen zu suchen, um zu verstehen und einzufangen, wer ich bin. Doch je tiefer ich grub, desto nebliger wurden die Gedanken. Der Nebel schien im ständigen Wandel, mutierte … jedes Mal, wenn ich ihn ergriff und versuchte in Worte zu fassen, veränderte er sich bereits und nahm eine neue Form an. Als Künstler war das verheerend … nicht in der Lage zu sein, etwas genau einzufangen. Als Mensch war es herausfordernd, aber berauschend. All die Gefühle, Geschichten und tiefen Archetypen in mir waren zu einer komplexen, abstrakten, sich ständig verändernden Wolke verwoben. Sie also wirklich einfangen zu wollen, wäre letztendlich zum Scheitern verurteilt. Dennoch ... ungeachtet der Unmöglichkeit ... hatte ich das Bedürfnis, zu versuchen, diese Landschaft zumindest zu porträtieren.«

»Anagnorisis« von Asaf Avidan

2020 veröffentlichte der Musiker ein Album, mit dem er seinem Selbst nachspürte. Foto Label Logic

Das Album entstand in einem alten Bauernhaus in Italien, in das er sich für den Aufnahmeprozess zurückziehen konnte. Trotz Ein- und Ausreisestopps und Unterbrechungen kehrte Avidan nach Italien zurück und arbeitete im Lockdown weiter. »Ich erinnere mich, dass ich gelernt habe, Olivenzweige zu schneiden, um die Bäume für das nächste Jahr vorzubereiten. Ich war erstaunt zu sehen, wie viel vom Baum abgeschnitten werden musste, damit er besser leben konnte. Einheimische Bauern zeigten mir, dass durch das Abschneiden vieler Äste mehr Luft in das Innere des Baumes gelangte, mehr Sonne, was ihn stärker und widerstandsfähiger gegen Parasiten und Krankheiten machte. Ich habe versucht, dasselbe mit meinen Liedern zu tun. Ich schneide, trimme und entferne große Teile, damit das Lied seine Energie nutzen kann, um stärkere Wurzeln und eine stärkere Struktur zu bilden. Es ist wichtig, sich Zeit zu nehmen und den Song auf natürliche Weise wachsen zu lassen.« Wann die Zeit reif ist für ein weiteres Album? Das wird sich für ihn ganz natürlich zeigen.

Text Kristina Baum Info www.asafavidanmusic.com

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