Strandgut 6/2021

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-21-06 • Juni 2021 www.strandgut.de

das Kulturmagazin

>> Film

Ich bin dein Mensch

Geplant ab 17. Juni

>> Kino

Auf ein Neues Das Eldorado öffnet wieder

>> Theater

Kassandras Traum

Gallus Theater

>> Literatur

Levys Testament

von Ulrike Edschmid

für Frankfu und Rhein- rt Main


Leibnizstraße 5 60316 Frankfurt am Main Tel.: 069-94 43 69-0 www.altenhilfe-kontakt.de


Inhalt

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Nicht so ideal

Kassandras Traum

»Ich bin dein Mensch« von Maria Schrader

4 Von der ersten Liebe »Frühling in Paris« von Suzanne Lindon 5 28. Rüsselsheimer Filmtag vom 11.6. bis 11.7.2021 5 abgedreht 6 Nicht ganz so ideal »Ich bin dein Mensch« von Maria Schrader 7 Nippon Connection 21. Japanisches Filmfestival 8 Filmkultur beim Sommerkino im Hof Das neue Open Air Kino in Bad Soden 9 Auf ein Neues Das Eldorado öffnet wieder

Film

Klassik

Familie

17 Hoffnungsvolle Neustarts Oper Frankfurt

24 Versuch‘s mal mit Gemütlichkeit Burgfestspiele Bad Vilbel 24 Auf Gretas Spuren Staatstheater Darmstadt 25 Ob es so oder so oder anders kommt Theaterhaus

Museen

Tanz

Gallus Theater

10 Theater wird gemacht, es geht voran Schauspiel Frankfurt: Zehn Premieren von Juni an und 22 weitere in der Spielzeit 2021/22 18 Pandemische Tänze und Töne bei Familie Montez 18 Gebt uns »Shelter« Kammerspiele Mainz

19 Das Schweizermesser des Info Zeitalters wird 25 Museum für Kommunikation 20 Konditorsammlung als Sahnehäubschen Historisches Museum 21 Ansichtssachen 22 Can I live?Can I live?Can I fucking live? Fotografie Triennale RAY 23 Neue und laufende Ausstellungen

Literatur 26 Interview mit Mercedes Rosende Alf Mayers Blutige Ernte 28 Levys Testament von Ulrike Edschmid 29 Großes Kino Monumentale DDR-Filmplakate der 1960er Jahre 30 Filmstills Berliner Kinos im Lockdown

Service 31 Kleinanzeigen 31 Impressum

Theater

12 Epidemische Krisen? Nichts Neues! Das Theater Willy Praml kehrt open air mit »Cholera«, Heinrich Heine und Giuseppe Verdi zurück 12 Mit Tartuffe, Werther und dem Friseur der Nazis Bensheim: Die Woche junger Schauspieler*innen zeigt fünf Gastspiele 13 Wovon Kassandra träumt Gallus Theater 14 Zurück im Spiel Staatstheater Mainz 14 vorgeführt 15 Zettel als Heiner Staatstheater Darmstadt 16 Zusammenkommen lohnt sich Nationaltheater Mannheim: Die Schillertage 17 Die Sehnsucht bleibt Linus Königs Ausblick für das Theater Landungsbrücken

Hoffentlich bald geöffnet

DIE SCHMIERE

Satire & Kabarett seit 1950

Vom Wirtschaftswunder in die Pandemie!

70 Jahre unter Frankfurts Türmen. Eine ganz besondere Ausstellung für Augen & Ohren im Schmierekeller Info und Tickets unter die-schmiere.de www.strandgut.de | Strandgut 06/2021

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Fotos: © 2020 Avenue B Productions

Film Film

Von der ersten Liebe »Frühling in Paris« von Suzanne Lindon

»Ganz Paris träumt von der Liebe, denn dort ist sie ja zu Haus«, sang einst Caterina Valente. Da war Paris längst ein beliebter Schauplatz von Filmen, in denen mehr oder weniger heftig, glücklich oder unglücklich geliebt wurde. Heutzutage eine Romanze in Paris zu drehen, die nicht ein billiger Abklatsch von Hunderten schon gesehener wäre, ist also ein mutiges Unterfangen. Suzanne Lindon, der Tochter des Schauspielerpaars Vincent Lindon und Sandrine Kiberlain, ist dies mit ihrem Spielfilmdebüt bestens gelungen. Die 16-jährige Suzanne, von der Filmemacherin selbst gespielt, ist ein hochgewachsenes Mauerblümchen. Im Kreis von Gleichaltrigen wirkt sie distanziert und verschlossen. Ihre Altersgenossen langweilen sie, nur am Küchentisch mit den Eltern taut sie etwas auf. Auch wenn ihr Vater (Frédéric Pierrot) mehr mit sich selbst als mit ihr beschäftigt zu sein scheint. Nach seinem persönlichen Geschmack befragt, wird er ihr einen Rat in der Kleidungsfrage »Hose oder Rock« geben – mit dem Ergebnis, dass Suzanne in einem Minirock durch die Stadt schlendert.

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Denn sie will einem zwanzig Jahre älteren Mann gefallen, dem sie sich verschämt genähert hat. Raphael (Arnaud Valois) ist Schauspieler in dem kleinen Theater, an dem Suzanne auf ihrem Schulweg vorbeikommt. Er zweifelt im Moment an seinen Schauspielerkünsten. Da kommt ihm die etwas herbe, nicht besonders verführerisch wirkende Suzanne gerade recht. Ihr Problem, der Übergang vom Kind zur erwachsenen Frau mit all den Unsicherheiten, die damit verbunden sind, macht sie für den älteren, aber unsicheren Raphael ausnehmend attraktiv.

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An Suzannes scheuen Blicken, ihrem verschämten Lächeln und dem impulsiveren Verhalten daheim ist zu erkennen, dass bei ihr die Hormonproduktion Fahrt aufgenommen hat: Sie hat sich verliebt. Wie Autorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin Lindon dieses Erwachen eines jungen Mädchens in ihrem Film schildert, das ist allerdings im heutigen Kino auf einzigartige Weise unspektakulär. Sie orientiert sich nämlich an klassischen Vorbildern. Zunächst hält sie sich an die Regel der Nouvelle Vague, möglichst nah an der eigenen Erfahrung zu filmen und von dem zu erzählen, was man kennt. »Frühling in Paris« ist deshalb ein wahrhaft autobiographischer Film mit einer überzeugenden, weil sich selbst spielenden Protagonistin. Auch weiß Lindon, dass Blicke und Gesten in einer behutsamen Romanze fast noch wichtiger sind als mancher Dialog. Der muss vor allem ungekünstelt sein. Die Probenszenen im Theater, in denen Raphaels Unvermögen, mit seiner Rolle klarzukommen, demonstriert werden soll, sind denn auch etwas zu plakativ geraten. Und, um einen weiteren Kritikpunkt zu nennen, das Panavision-Format lässt viel leeren Raum an den Seiten. Ein schmaleres Format wäre dem Thema angemessener gewesen.

Bemerkenswert sind jedoch die Liebesszenen, die ohne expliziten Sex auskommen. Bei ihnen stand der große Romantiker Jacques Demy Pate. Suzannes Solotanz mitten auf der Straße und zwei von VivaldiMusik unterlegte Synchronballette mit ihr und Raphael ersetzen die üblichen Sexeinlagen, auf die der Film wie nur wenige heutzutage verzichtet. Etwas Märchenhaftes erhält »Frühling in Paris« dadurch, dass Suzannes erste Liebe einem Mann gilt, der ihr in seiner Zurückhaltung ähnelt. Der Film erzählt eben auch die Geschichte von den zwei einsamen Seelen, die zueinander finden. Unsensiblen Gemütern mag die 74-minütige Romanze um einiges länger vorkommen. Alle anderen werden sich an eigene Erfahrungen erinnern und vom plötzlichen Ende überrascht sein. Claus Wecker FRÜHLING IN PARIS (Seize printemps) von Suzanne Lindon, F 2020, 74 Min. mit S. Lindon, Arnaud Valois, Frédéric Pierrot, Florence Viala Romanze geplanter Kinostart am 17.06.2021


Film

28. Rüsselsheimer Filmtage Vom 11.6. bis 11.7.2021

Es nennt sich »Deutschlands einziges Festival für satirische Kurzfilme«, obwohl ja beinahe jede Kurzfilmzusammenstellung die Lacher auf ihrer Seite hat. Wie auch immer, jedenfalls kommen die Veranstalter in diesem Jahr den Zuschauern erneut online entgegen. So beginnt am 11. Juni das Streaming-Angebot für insgesamt zehn Produktionen, die sich um die mit insgesamt 8000 Euro dotierten Preisgelder des Filmfestes bewerben. Das Publikum kann seine Stimmen für die Favoriten bis zum 24. Juni per Internet abgeben. Moderator Philipp Engel stellt die Teilnehmer in kurzen Video-Interviews vor und führt die Zuschauer durch das Programm. Die Aufzeichnung der Preisverleihung geht dann am 27. Juni online und kann bis zum 11. Juli, wenn die Streaming-Möglichkeit endet, aufgerufen werden. Den Zugang zum Streaming-Festival und der Publikumswahl finden die Interessierten auf der Homepage der Cinema Concetta Filmförderung unter https://satirische-kurzfilme.de. Die Teilnahme am Streaming kostet 10 Euro.

Nippon ONLINE Connection

21. Japanisches Filmfestival

コニ ネッ クポ シン ョ ン

cw Info: http://ruesselsheimer-filmtage.com

Nomadland © 2021 Walt Disney

cw

Aktuelle Filme aus Japan als Video-On-Demand Online-Workshops, Vorträge & Konzerte

www.il-ho.com

Wenn alles so läuft, wie derzeit (31. Mai) geplant, werden die Kinos im Rhein-Main-Gebiet am 1. Juli, nicht Juni, wieder ihren regulären Spielbetrieb aufnehmen. Orfeos Erben, Mal seh’n, Filmforum Höchst, das Kino im DFF und die Arthouse-Kinos haben sich darauf festgelegt. Um die genehmigte Sitzplatznutzung wird noch mit Ministerin Angela Dorn verhandelt. Die Betreiber wollen mehr als im letzten Sommer, denn, wie der Vorstandsvorsitzende der Gilde deutscher Filmkunsttheater, Christian Bräuer zur Süddeutschen Zeitung sagt, mit Mindestabstand, plus Maske, plus Test, ohne Verzehr ist Kino nicht wirtschaftlich. Die angekündigten Filmstarts machen jedenfalls Lust auf Kino. Da sind zunächst die beiden in dieser Ausgabe ausführlich besprochenen Filme, die schon im Juni für den Einsatz zur Verfügung stehen. Außerdem seien hier die beiden Oscargewinner genannt: »Normadland« von Chloé Zhao mit Frances McDormand (Bester Film, Start: 1.7.) und »Der Rausch« von Thomas Vinterberg mit Mads Mikkelsen (Bester fremdsprachiger Film, 22.7.). Allein zwanzig neue Filme sind für den Donnerstag, den 1. Juli, angekündigt. Fragt sich nur, wer das alles vorführen, geschweige denn, sich ansehen soll. Außerdem wartet das Kino im DFF sehnsüchtig darauf, dass »verso sud«, das Festival des italienischen Films, endlich stattfinden kann. Und »Nippon Connection« plant für den weiteren Verlauf des Jahres, die Retrospektive nachzuholen, die der Schauspielerin Kinuyo Tanaka (1909–1977) gewidmet ist. Tanaka wirkte u.a. in den Filmen von Yasujiro Ozu, Keisuke Kinoshta und Mikio Naruse mit und war zudem die zweite japanische Regisseurin.

NipponConnection.com

abgedreht

Nippon Click & Collect Kiosk: Japanische Snacks, Getränke & mehr

1. – 6. Juni 2021 www.strandgut.de | Strandgut 06/2021

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Film

Fotos © Christine + Fenzl

Nicht ganz so ideal »Ich bin dein Mensch« von Maria Schrader

Als Alma , die promovierte Anthropologin am Berliner Pergamon-Museum, sich dazu entschlossen hat, einen menschenähnlichen Roboter für drei Wochen auszuprobieren, scheint sie nicht damit gerechnet zu haben, dass sich ihr Leben verändern wird. Wir, die Zeugen dieses Experiments, ahnen bald, dass es ohne Blessuren nicht abgehen wird. KI, die künstliche Intelligenz, wird schon ihr Opfer fordern. Mehrere Formen, wie man dieses mit einem gewissen Schaudern besetzte Thema im Kino behandeln kann, standen zur Auswahl: ein Science-Fiction-Thriller (»Robocop« wird auch einmal erwähnt), ein Horrorfilm à la »Frankenstein« oder vielleicht etwas Schräges wie »Frankenstein Junior«. Maria Schrader hat sich für eine Variante der romantischen Komödie entschieden. Genauer gesagt: Mit »Ich bin dein Mensch« hat sie eine hintergründige Beziehungskomödie geschaffen, die nicht nur äußerst amüsant anzuschauen ist, sondern auch zu Reflexionen über existentielle Fragen anregt. Denn Roboter Tom ist als idealer Partner programmiert. Er hat die Aufgabe, Alma glücklich zu machen. Die beiden lernen sich in einem den zwanziger Jahren nachempfundenen Ballsaal kennen, der mit täuschend echten Hologrammen bevölkert ist. Allerdings findet ihr gemeinsamer Tanz ein jähes Ende. Der überhöfliche und etwas antiquiert sprechende Tom gibt ständig den Halbsatz »Ich bin ...« von sich und dreht dabei seinen Kopf etwas zur Seite. Offensichtlich ein Programmierfehler, der so selten vorkommt wie ein Lottogewinn,

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versichert die Angestellte von Toms Herstellerfirma Terrareca. Die Rollen sind klar verteilt. Hier Mensch und dort der Androide, den ein Rudel Hirsche nicht wahrnimmt, das sich sorglos um ihn herumgruppiert. Und Alma ist auch für ihn verantwortlich. Er ist ein Hightech- Studienobjekt im Besitz von Terrareca. Wenn er einmal verschwunden ist, weiß sie ganz genau, dass sie ihn wiederfinden muss. Nun wird aus einem karikaturhaft gezeichneten Ja-Sager bald eine Menschlichkeit simulierende Maschine. KI bedeutet ja, dass das Computerprogramm lernen und sich bei Bedarf eigenständig korrigieren kann. So gleicht Tom im Verlauf mehr und mehr einem sympathischen Mann. Besonders bei den Frauen kommt er gut an, und der Filmtitel wird immer treffender. Dieser Prozess geht sogar so weit, dass man als Betrachter mit ihm Mitleid bekommt, wenn Alma aus der Haut fährt. So darf man doch mit einem Androiden nicht umgehen! Schließlich gelingt seine Vermenschlichung auch für Alma so überzeugend, dass sie sich in ihn verliebt. »Du kannst auch gerne an

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einen Menschen denken.« »Und du an eine Roboterin.« Das ist der originelle Dialog zur stockdunklen Liebesszene. Wie von der Schauspielerin Schrader nicht anders zu erwarten, ist ihre dritte Regiearbeit auch ein exzellenter Schauspielerfilm mit einer gut aufgelegten Maren Eggert, deren Alma zuweilen an ihre Grenzen kommt. Für ihre Leistung ist sie bei der digitalen Berlinale mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet worden.

Als ihr Gegenüber glänzt Dan Stevens in der Rolle des Androiden Tom. Er könnte, wenn überhaupt, aus »Downton Abbey« bekannt sein. Mit seinem oft etwas gedankenverlorenen Blick, den nur minimal eckigen Bewegungen und seinem leichten englischen Akzent wirkt er wie ein Fremdkörper, der sich bemüht, dazuzugehören und anerkannt zu werden. Dazu kommen u.a. eine famos verschmitzte Sandra Hüller als ständig lächelnde Repräsentantin der Roboterfirma und der betagte österreichische Theater- und TV-Mime Wolfgang Hübsch als Almas widerborstiger Vater. »Ich bin dein Mensch« hat einiges zum Thema zwischenmenschliche Beziehungen zu bieten. Etwa, dass zu ihnen bisweilen auch ein Dissens gehört. Es ist ein Film über Gefühle und über das Glück, das man oft erst im Nachhinein fühlt. Eben über die menschliche Existenz. Das alles in einem leichten Ton, der nur in Annas etwas zu analytischem Abschlussbericht ernster wird. Da bricht kurz der deutsche Tiefgang durch, der unsere Filme im Ausland so interessant macht. »Von der Zulassung Humanoider als Lebenspartner rate ich mit großer Entschiedenheit ab«, schreibt sie in ihrem Bericht für Terrareca. Doch es wird nicht ihr letztes Wort in dieser Angelegenheit bleiben. Claus Wecker ICH BIN DEIN MENSCH von Maria Schrader nach der gleichnamigen Kurzgeschichte von Emma Braslavsky, D 2021, 144 Min. mit Maren Eggert, Dan Stevens, Sandra Hüller Komödie geplanter Kinostart am 17.06.2021


Film

DEUTSCHES FILMINSTITUT FILMMUSEUM

» A Girl Missing« © Nippon Connection

Nippon Connection 21. Japanisches Filmfestival vom 1. bis 6. Juni 2021 Eine Krankenschwester, die sich liebevoll um alte Menschen in deren Zuhause kümmert, gerät durch ein infames Interview in Verruf. Sie wird verdächtigt, ihren Neffen in jungen Jahren verführt zu haben und dadurch an dessen Verbrechen, der Entführung eines kleinen Mädchens, mitschuldig geworden zu sein. Wer jetzt einen mitreißenden Thriller erwartet, wird enttäuscht sein. Koji Fukadas »A Girl Missing« erinnert vielmehr an das klassische japanische Kino der fünfziger Jahre, das sich Zeit ließ, seine Figuren an deren Handlungen zu ergründen. Was geschieht mit einer intakten Gemeinschaft, wenn ein Stein hineingeworfen wird? Dass am Ende ein Racheakt steht, ist eher eine Pointe als eine dramatische Zuspitzung in diesem nicht linear erzählten Film. Es gibt ihn also noch, auch auf dem 21. Japanischen Filmfestival, den meditativen japanischen Film, freilich in neuem Gewand. Aber auch das als bizarres High-School-Drama beginnende und nach blutiger Wendung versöhnlich endende Werk »My Blood and Bones in a Flowing Galaxy« von SABU findet man im Programm. Dass es genau jenem Bild des modernen fernöstlichen Kinos entspricht, das hierzulande vom nicht mehr ganz so jungen Kinopublikum geschätzt wird, dürfte auch im Sinne des deutschen Co-Produzenten Rapid Eye Movies gewesen sein. Aus den Anfängen im Gedränge der damaligen Experten im Studierendenhaus an der Bockenheimer Warte, das noch ganz unschuldig Studentenhaus hieß, ist mit der ständig steigenden Anzahl der Fans das weltgrößte Festival für japanisches Kino geworden. Die damit verbundenen Platzprobleme wird es auch in diesem Jahr nicht geben, denn das Festival findet zum zweiten Mal »nur« online statt. Sosehr das Kinoerlebnis fehlen wird, sosehr ist jetzt eine weite Verbreitung möglich.

Von jedem Internetanschluss aus ist die Teilnahme möglich. 80 aktuelle japanische Kurz- und Langfilme sind sechs Tage lang deutschlandweit und einige auch außerhalb Deutschlands online zu sehen. Persönliche Gespräche mit den Filmemacherinnen und Filmemachern werden in den digitalen Raum verlagert. Familiendramen bilden einen Schwerpunkt unter dem Titel »Family Matters – Die japanische Familie zwischen Tradition und Moderne«. Aber Thriller, Musical-Komödien, sozialkritische Dokumentarfilme und Independent-Animationsfilme dürfen nicht fehlen. Unter »Nippon Cinema« präsentiert Miwa Nishikawa, eine der wichtigsten Regisseurinnen Nippons, das Drama »Under the Open Sky« mit Nippon-Honor-Award-Preisträger Koji Yakusho in der Hauptrolle. »The Promised Land« von Takahisa Zeze ist ein raffiniertes Mystery-Drama über das eskalierende Beziehungsgeflecht in einem Dorf. Von Shinichiro Ueda, dem Regisseur des Kulthits »One Cut of the Dead«, ist die Sekten-Komödie »Special Actors« zu sehen. Über das Filmangebot hinaus gibt es zudem Nippon Culture, das digitale Rahmenprogramm mit über 40 interaktiven Workshops, Vorträgen, ungewöhnlichen Performances und Konzerten. Die Filmtheoretikerinnen Chantal Bertalanffy und Claudia Bertolé beschäftigen sich in ihren Online-Vorträgen mit Familienbildern im japanischen Kino. Ein wenig Festivalatmosphäre zum Mitnehmen bietet erstmalig der Nippon Click & Collect Kiosk am Festivalzentrum im Künstlerhaus Mousonturm im Frankfurter Ostend. Auf www.NipponConnectionShop.de können japanische Snacks, Getränke, Filmposter und Festival-Goodies bestellt und während des Festivals im Mousonturm abgeholt werden.

Das Kino des DFF plant, den regulären Spielbetrieb zum 1.7. unter Corona-Auflagen wieder aufzunehmen. Von Mitte Juni an finden voraussichtlich einzelne Vorstellungen statt. Weitere Informationen unter: WWW.DFF.FILM Unser digitales Angebot finden sie auf unserer neuen Streaming-Plattform DFF Kino+ WWW.DFF.CINEMALOVERS.DE

Claus Wecker www.NipponConnection.com

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Film

Filmkultur beim »Sommerkino im Hof« Das neue Open Air Kino in Bad Soden Letztes Jahr war es eine Verlegenheitslösung, der Erfolg aber umso rauschender – und letztlich war die Weichenstellung dafür, ein Kino mehr zu retten anstatt es zu schließen. Die KULT Kinobar in Bad Soden befand sich letzten Sommer im Corona-Lockdown, also entschloss sich der Verein KinoKultur, der 2012/13 schon einmal das Kino-Aus verhindert hatte, zusammen mit den Besitzern der Immobilie zu einem Schnelltest der besonderen Art: Warum nicht ein Open Air-Film im Innenhof des Kinoanwesens? Veranstaltungstechnik und Beamer gab es im Lockdown-Sommer 2020 leicht zu organisieren. Gesagt, getan. Werbung für den Abend mit der argentinischen Gaunerkomödie »Neun Königinnen« von Fabián Bielinsky gab es nur als Mail an die Vereinsmitglieder. Innerhalb von zwei Stunden war die Vorstellung ausverkauft. Der Kino-Verein lud den Bürgermeister zur Open-Premiere ein. Auch er war begeistert. Denn schon am ersten Abend war klar: Bad Soden hat einen neuen Kultur-Ort: efeubewachsen, lauschig, mitten in der Kernstadt, hinter einem schmiedeeisernen Tor, hufeisenförmig von drei Gebäuden eingerahmt. Eines davon das heutige Kino, das andere das ehemals erste und größte Filmtheater am Ort, schon seit den 1960ern geschlossen. Heute beherbergt dieses Gebäude-Ensemble vorne auf der Königsteiner Straße die Eisdiele Venezia, hinten im Hof den durchaus edlen Veranstaltungssaal »Anno 1928«. Und dazwischen, Corona-konform, 50

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exklusive Tischplätze. Im Eintrittspreis enthalten: je ein Tapas-Teller. Ausgeschenkt wurde guter Wein, keine 3-Euro-Plörre. Am zweiten Abend, gezeigt wurde die Musikdoku »Searching for Sugar Man«, trat der Vereinsvorstand vors Publikum und verkündete zum einen, dass es mit dem Open Air weitergehen werde, zum andern aber auch, dass die Preiskalkulation nicht zu halten sei und man von 10 auf 15 Euro erhöhen müsse. Beifall! Es gab sogar Standing Ovations. Die Wertigkeit des Angebots blieb über alle Veranstaltungen auf hohem Niveau. Auch zwei Lesungen, eine mit dem Karikaturisten Klaus Puth (ja, auch die können lesen) und eine mit der deutsch-kurdischen Autorin Ronja Othmann, waren ausverkauft. Die vielleicht größte Wertschätzung für den Kino-Verein aber war, dass es den ganzen Sommer über nur eine einzige No-Show gab. Ansonsten wurden die wertvollen Karten alle rechtzeitig zurück- oder weitergegeben.

Krönender Abschluss für das »Sommerkino im Hof« war dann der Dokumentarfilm »weinweiblich«. Regisseur Christoph Koch und zwei der vier Winzerinnen aus dem Film waren anwesend. Es gab ihre Weine. Jetzt im Sommer 2021 kommt das »Sommerkino im Hof« zurück. Dieses Mal nicht mit acht, sondern mit rund 30 Filmen. Die drei Vereinsmitglieder Javier Lozano, Irene Bräuninger und Alf Mayer haben das Kino inzwischen übernommen, es heißt jetzt ganz programmatisch »CasaBlanca Art House« – wir haben in der letzten Ausgabe darüber berichtet. Das »Sommerkino im Hof« ist das Feuerwerk, mit dem nun die neue Kinozeit in Bad Soden eingeleitet wird. Eröffnet wird – natürlich – mit dem Michael Curtiz Klassiker »Casablanca«. Es folgen der Oscar-Preisträger »Der Rausch«, der Debütfilm »The Rider« von Oscar-Preisträgerin Chloé Zhao und der Dokumentarfilm »Pasta Imperiale« von Peter Heller darüber, wie die Pasta nach Deutschland kam. Eröffnet wird »soft« jetzt im Juni. Und am Mittwoch 30. Juni schaut Oscar-Preisträger Pepe Dankwart persönlich mit seinem Dokumentarfilm »Vor mir der Süden« vorbei. Auch das ist eine Ansage. Nicht wenige Filmverleiher tun das Ihre, das neue Kino zu unterstützen. Eines gilt sicher schon jetzt: Wer eine Karte für das »Sommerkino im Hof« will, sollte es sich nicht allzu lange überlegen. Die Plätze im lauschigen Innenhof sind schnell ausgebucht. Borgward Hoberman Programm im Internet: www.casablanca-badsoden.de


Film

Saal 1 des Eldorados © arthouse Kinos

Christopher Bausch © arthouse Kinos

Auf ein Neues Das Eldorado öffnet wieder Nun ist das Eldorado vor dem endgültigen Aus bewahrt worden. Der Retter ist Christopher Bausch, der seit 2016 die Arthouse-Kinos Harmonie in Sachsenhausen und Cinema an der Hauptwache leitet. Seine Frankfurter Übernahmen ruhen auf der langjährigen Erfahrung, die er vom Jahr 2004 an als Betreiber des Aschaffenburger Kinos Casino gesammelt hat. Auf meine Bemerkung, dass zu einer Kinoübernahme heutzutage eine Menge Mut gehöre, reagierte er verständnislos. Bausch ist eben ein unerschrockener Optimist. Er rechnet mit einem großen Ansturm, wenn die Kinos wieder geöffnet werden. Die Leute werden ausgehen wollen und es nicht beim Besuch von Restaurants belassen wollen. In der Pressemitteilung heißt es: » Nach langen kinoabstinenten Monaten dürfen sich unsere Gäste dann auf eine Vielfalt an Kinofilmen freuen, wie sie bisher kaum zu sehen war. Wurden Starts wegen der Pandemie immer weiter verschoben, kommt diese Fülle an sehenswerten Filmen nun bald in die Kinos!«

Das Eldorado soll also für die neue Kinobegeisterung zur Verfügung stehen. Von Frankfurts ältestem Kino, das seit seiner Eröffnung 1912 schon zwei Weltkriege überlebt hat, verspricht sich Bausch eine breitere Basis für seine Arthouse-Filme. Nun könne er das Angebot eben auf eine Spielstätte mehr verteilen. Einen Umbau, um dem einen Saal, der übrigens, wie sonst in Frankfurt nur noch der große in der Harmonie, einen Balkon besitzt, einen weiteren hinzuzufügen, weist er bestimmt zurück. An der herrlichaltmodischen Atmosphäre will er festhalten. Spätvorstellungen am Freitag und Samstag, die sich durch die zentrale Lage in der Nähe der Konstabler Wache anbieten würden, sind bislang nicht vorgesehen. Da bleibt nur zu hoffen, dass Anfang Juli, wenn die Kinos in Hessen, wie es im Moment geplant ist, wieder öffnen können, auch eine Belegung von 50 Prozent erlaubt sein wird. Gespräche mit der hessischen Ministerin Angela Dorn sollen zum Erfolg führen.

Tonfunktion • Festival für Gebrauchsmusik • 04. –– 14. Juni 2021

• Áine O’Dwyer • Budhaditya Chattopadhyay • Diedrich Diederichsen • DJ Marcelle • Ece Özel • Felix Kubin • Lena Willikens • Thomas Ankersmit • Tintin Patrone • Moon Machine, Grounded • u.v.m.

Claus Wecker www.arthouse-kinos.de

mousonturm.de

eosradio.de

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Theater TANZ

Theatermacher © Thomas Aurin

Theater wird gemacht, es geht voran Schauspiel Frankfurt: Zehn Premieren von Juni an und 22 weitere in der Speilzeit 2021/22

Geplante Juni-Premieren am Schauspiel 6. Juni: »Die Reise nach Kallisto« (Michel Decar) 11. Juni: »Malista« (Ingeborg Bachmann) 12. Juni: »Dschabber« (Marcus Youssef) 13. Juni: »NSU 2.0« (Nuran David Calis) 19. Juni: »Ode« (Thomas melle) 20. Juni: »Der Theatermacher« (Thomas Bernhard) 27. Juni: »Inferno« (Lucia Ronchetti) 30. Juni: »Was ich nicht weiß, Macht mich heiß« (Martina Droste/Anna Stoß)

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Das Schauspiel Frankfurt hat Mitte Mai mit allen Unwägbarkeiten die komplette Spielzeit 2021/22 vorgestellt. Bezeichnend für das Haus, das über die gesamte zweite Pandemiewelle hinweg künstlerisch doch sehr zurückhaltend agierte, dass der Intendant Anselm Weber in seiner Ansprache auch auf die Finanzen zu sprechen kam. 13,6 Mio. € Mindereinnahmen seien haushaltstechnisch durch Kurzarbeit und große Sparanstrengungen von den Städtischen Bühnen ausbalanciert worden, berichtet er für Oper und Schauspiel. Selbiges kündigt er für die nächste Zukunft an. Der Eindruck, dass dabei mehr an den Stadtkämmerer als an das Publikum gedacht wird, drängt sich im Vergleich mit dem, was anderswo, und nicht nur bei Oliver Reese in Berlin, passiert, nachgerade auf. Etwas seltsam mutet diese Priorisierung schon an für eine Institution, die ohnehin nur einen Bruchteil ihres Bedarfs selbst zu erwirtschaften vermag. Aber sicher hat eine solche Solidität auch ihr Gutes.

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Dabei sei nicht unterschlagen, dass das Schauspiel Frankfurt sich sehr präsent im diskursiven Rahmen etwa der Rassismus- und Antisemitismusdebatten zeigte (und dies auch weiterhin tut) und dass es mit Nuran Calis‘ »NSU 2.0: Der Film«, Alexander Eisenachs »Eternal Peace« und Pat To Yans »Die posthumane Gesellschaft« drei weithin beachtete – und teils noch abrufbare – digitale Produktionen realisierte. Trotzdem. Umso wunderbarer aber kommt jetzt Webers Ankündigung an, den Theaterbetrieb noch im Juni wieder zu eröffnen. Zehn Premieren sollen – unter gegebenen Bedingungen – bis zum 7. Juli über die Bühnen des Schauspielhauses und des Bockenheimer Depots gehen. Dabei kommt Thomas Bernhards »Der Theatermacher« (Premiere 20. Juni) als einzigem für das Große Haus geplante Stück, auch insofern besondere Aufmerksamkeit zu, als mit Wolfram Koch in der Rolle des Bruscon und mit Herbert Fritsch am Regiepult die Schlüsselpositionen

NSU 2.0 © Jessica Schäfer


Theater

der Inszenierung starbesetzt sind. Realisiert, wenn auch nur konzertant, wird auch die mit der Frankfurter Oper co-produzierte Aufführung des Musiktheaterstücks »Inferno« von Lucia Ronchetti unter Regie von Kay Voges und Marcus Lobbes im Bockenheimer Depot. Zum Abbau des Stückebergs tragen ebenso die analogen Versionen der Calis-Stückentwicklung »NSU 2.0« und von Eisenachs »Eternal Peace« bei. Der Auftakt zur Saison 2021/22 ist der Dramatisierung von Upton Sinclairs 1927 erschienenem Romanepos »Öl« zugedacht, das am Beispiel seines Protagonisten die Geschichte der US-amerikanischen Öl-Industrie erzählt. Wahrschein-

lich ist vielen dessen Verfilmung »There Will Be Blood« von Paul Thomas Anderson aus dem Jahr 2007 besser bekannt. Jan-Christoph Gockel, ehemals Hausautor in Mainz, inszeniert damit nach seiner »Orestie« zum zweiten Mal im Großen Haus. (Premiere 16. September) In der Fortführung des letztjährigen Schwerpunkts »Antisemitismus und Rassismus« greift das Schauspiel tags drauf auf der Kammerspielbühne Irmgard Keuns großteils in Frankfurt spielenden Roman »Nach Mitternacht« auf, der die Faschisierung des Landes in den 30ern behandelt. Barbara Bürk unternimmt mit dem 1937 erschienenen Text ihren zweiten Regieanlauf in Frankfurt. Ihre wunderbare Inszenierung »Am Südhang« war virusbedingt nur drei–viermal zu sehen. Als gebrauchswertorientiertes Medium heben wir uns den Rest der Pläne für zeitnähere Besprechungen und Ankündigungen auf. Auf der Schauspiel-Website ist die gesamte Programmvorstellung als Video abrufbar. Winnie Geipert www.schauspielfrankfurt.de

Anselm Weber © privat

Staatstheater Mainz

Mutter Courage und ihre Kinder von Bertolt Brecht, Musik von Paul Dessau Wir spielen wieder. Alle Termine unter www.staatstheater-mainz.com

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Theater © Rebekka Waitz

Werther © Andreas Etter

Epidemische Krisen? Nichts Neues!

Mit Tartuffe, Werther und dem Friseur des Nazis

Das Theater Willy Praml kehrt open air mit »Cholera«, Heinrich Heine und Giuseppe Verdi zurück

Bensheim: Die Woche junger Schauspieler*innen vom 13.–18. Juni zeigt fünf Gastspiele

Sie kommt aus Asien, die verheerende Seuche, von wo aus sie zeitbedingt auf dem Fußweg nach Europa gelangt: mit der Zarenarmee über Russland, 1830, ins Baltikum. Als Heinrich Heine 1832 in Paris eintrifft, aus dem er erst zwölf lange Jahre später zu seiner großen Wintermärchen-Reise wieder nach Deutschland kommt, ist auch die Cholera schon da. Den Bericht, den er mit spitzer, sarkastischer Feder als Paris-Korrespondent der Augsburger Allgemeinen verfasst und der dort am 19. April 1832 als Sonderbeilage erscheint, hat sein UrUr-Ur-Verlag Hoffmann und Campe jetzt, 189 Jahre später, in Form eines feinen, teuren Büchleins editiert – und das von jeher Heine-versessene Theater Willy Praml zum Stoff einer Aufführung gemacht, mit der es im Juni die Rückkehr seines Publikums feiern will: »Heine: Ich rede von der Cholera« . Kein Wunder: Denn Heines bisweilen grotesk anmutender RealThriller über das große Sterben, Verkehrsstaus durch Leichenwagen, Hygieneregeln, Verschwörungstheorien und über trotzige Partys von Cholera-Leugnern liest sich

Zum 26. Mal findet das renommierte Festival »Die Woche junger Schauspielerinnen und Schauspieler« in Bensheim statt, allerdings nicht mehr auf der Bühne des Parktheaters, sondern auf den Webseiten der Festwoche und der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste (siehe unten). Fünf Aufzeichnungen werden nach festem Zeitplan kostenfrei gestreamt, wobei ein jedes Stück immer 24 Stunden im Netz ist. Pünktlich vor dem Schirm muss allerdings sitzen, wer das jeweilige Nachgespräch mit Regie und Teilnehmern mitkriegen und sich daran per Chat beteiligen will. Im Programm sind Moliéres »Tartuffe« von der Universität der Künste Berlin (13. Juni), die Dramatisierung von Edgar Hilsenraths Roman »Der Nazi & Der Friseur« vom Staatsschauspiel Dresden (14. Juni), Olivier Sylvestres »Das Gesetz der Schwerkraft« (15. Juni) vom Staatstheater Kassel, die Bühnenfassung von Éduard Louis’ Roman »Wer hat meinen Vater umgebracht?« vom Theater Münster (17. Juni) und als Abschluss die

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brandaktuell: »Die 200 Jahre, die zwischen uns und Heines Paris liegen, schrumpfen zu einem Zeitmaß von einer Markus-Lanz-Talkrunde bis zur nächsten zusammen«, heißt es in der Ankündigung. Den historischen Text will das Ensemble in einen künstlerischen Dialog mit dem »Addio« der Schlussszene im Sterbezimmer der tuberkulösen Kameliendame aus Giuseppe Verdis »La Traviata« bringen. Dazu, weil’s sich so wunderbar liest, hier nochmal das Haus: »Der Schrecken im Theater soll ja immer auch schön sein und nicht tödlich.« Gespielt wird vor der Front-Seite des Naxos-Theaters im Freien. Mit dabei sind Hannah Bröder, Jakob Gail, Muawia Harb, Birgit Heuser, Sam Michelson, Willy Praml, Anna Staab sowie die Tenöre des Heinrich-Heine-Chors Frankfurt: Manuel Campos, Werner Heinz, Herbert Obenland. Termine: 2., 3., 4., 5., 6., 10., 11., 12., 13. Juni jeweils 20 Uhr; 6.+13. Juni auch 12 Uhr www.theaterwillypraml.de

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Aufführung »Werther« (Foto) vom Staatstheater Mainz (18. Juni), von der unsere Kollegin Verena Rumpf in ihrer letzten Theater-Kritik vor der Pandemie im März-Strandgut 2020 schier begeistert war: »Julian von Hansemann (Werther), Lisa Eder (Lotte) und Sebastian Brandes (Albert) spielen sich in einen regelrechten, die Zuschauer mitreißenden Rausch«, schrieb sie. Hoffentlich gilt das auch digital. gt www.wojuschau.de www.darstellendekuenste.de


Theater Fotos: © Anna Meuer

Zugehörigkeit neu aufwirft. »Kassandras Traum« wird auch dieser Entwicklung nachspüren, indem die Szenencollage historische, reale Frauen wie Patricia Highsmith und Hannah Arendt präsentiert (keine literarischen, also keine Erfindungen von männlichen Autoren), die sich den Rollenmustern widersetzen. Vielleicht ist das ja das einzig probate Mittel der Selbstfindung: Widerspruch? Ist das »Kassandras Traum«?

Wovon Kassandra träumt Gallus Theater: Eine Szenencollage vom theatre4you Die Frage ist keine leichte: Wer bin ich. Wieso bin ich, wie ich bin und wie sieht mich eigentlich die Welt? Entsteht ein »Ich« nur im Fadenkreuz der Blickachsen der Außenstehenden, ist es also konstruiert? Wie aber finde ich mich dann, zu meinem Selbst, zu meinem Kern, wie entsteht Identität? Zu dieser Selbstvergewisserung, so das theatre4you in seinem neuesten Projekt »Kassandras Traum«, trägt die Bühne, trägt das Theater maßgeblich bei, es ist ja eigentlich die Plattform, auf der ein Ich konstruiert wird und sich dann in Konflikten behaupten muss. Wird es dekonstruiert, was bleibt übrig? Die Rollenbilder, die sich auf der Bühne entfalten, sind Produkt der Zeit, in der sie entstanden sind, die Bühne erweist sich als Lackmustest: halten diese Rollenbilder über die Zeiten hinaus stand? Wer bin ich, wenn ich auf der Bühne einem Doppelgänger begegne? Michael Gonszar hat mit seinem Schauspielteam teatre4you und weiteren Künstlern – der Fotografin Anna Meuer, der Malerin Inge Hölscher, dem Objektkünstler Dirk Conrad, dem Filmemacher Wolfgang Sterker, der Sängerin Aisling Hayes und dem Musiker Andreas Sommer, die sich aus ihren »Corona-Nischen« herausgewagt haben – eine Szenencollage geformt. Die sehr interessant zu werden verspricht, indem sie nämlich durch Zeiten und Räume streift, um der Vergewisserung der

eigenen Identität in verschiedenen gesellschaftlichen Konstellationen auf die Spur zu kommen. Gleichzeitig lässt sie den Zuschauer am Prozess der Rollenfindung durch die Schauspieler*innen teilnahmen. Dabei geht es einmal quer durch die Jahrtausende: Die Reise beginnt mit der Antikentragödie und Kassandra, die als Impulsgeberin fungiert: Von den Göttern mit der Gabe des Sehens ausgestattet, wird sie dadurch, dass sie Apollos Werben zurückweist, ihrer Wirkung beraubt. Niemand wird ihr glauben, wer also ist sie? Wer ist Sosias, wo der doch einen Doppelgänger hat, der ihn offenbar spielend leicht ersetzen kann – in Kleists »Amphitryon«. Damit sind die Fragestellungen gesetzt. Mit der Gräfin Orsina aus »Emilia Galotti«, der Lady Milford und Louise Miller aus »Kabale und Liebe«, Blanche Dubois und Stella Kowalski aus »Endstation Sehnsucht« sind es hauptsächlich Frauenfiguren, die in diesem Kontext präsentiert und beobachtet werden, was nur logisch ist, denn Frauen unterlagen (und unterliegen immer noch) der männlichen Perspektive, die die gesellschaftlichen Leitlinien vorgibt. Frauen sind immer »zu«: zu dick, zu dünn, zu klug, zu fromm, zu verworfen, zu oberflächlich … Sie sind nicht einfach sie selbst, sie sind einer doppelten Grenzziehung und Beschränkung ausgesetzt. In unserer heutigen gesellschaftlichen Wirklichkeit definieren Frauen

Susanne Asal

allmählich und unter großen Mühen diese Leitlinien neu; diese sind sowieso auf den Prüfstand gestellt, seit die aktuelle Identitätsdebatte den gesellschaftlichen Diskurs beherrscht und die Frage nach

Aufführungstermine: 10., 11. und 12. Juni, 20 Uhr im Gallus Theater www.gallustheater.de

Juni 2021

2.6. 20 00 Angel Krastev & Co. »Krimskrams« Do 3.6. 19 30 IMPRO_RING Fr 4. / Sa 5.6. »Frankfurt#4« Do 10.6. 20 00 Theatre4You Fr 11. / Sa12.6. »Kassandras Traum« Premiere Fr 18.6. 20 00 Tanjana Tsouvelis Premiere Sa 19.6. »Whiteout« Mo 21.6. 9 00 TUSCHpektakel oder LIVE bis Mi 23.6. Schulaufführungen Do 24.6. 20 00 Frankfurter Botschaft Fr 25.6. »Die Unverfügbaren« Premiere Sa 26.6. 19 00 Ensemble ‘Die Blaue Blume’ »Malen ist eine Art zu denken« Mo 28.6. 17 00 Frankfurter-Schultheatertage oder LIVE bis Fr 2.7. Schulaufführungen

Mi

Gallus Theater · Kleyerstraße 15 · 60326 Frankfurt www.strandgut.de | Strandgut 06/2021 13 Karten 069-758060-20 · www.gallustheater.de

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Theater vorgeführt >> Zurück ins Gotteshaus an der Hauptwache: Im November hat die Dramatische Bühne in der Katharinenkirche zum letzten Mal gespielt. Jetzt fängt sie dort wieder an. Wenn das kein gutes Omen ist. Vom 10. bis 13. Juli gastiert das Ensemble mit den Erfolgsproduktionen »Der Name der Rose« nach Umberto Eco (10./11.) und Goethes »Faust« (12./13.). Karten gibt es über die Website, Einlass voraussichtlich nur mit aktuellem Test. www.diedramatischebuehne.de >> Aus voller Brust: Ein Open-Air-Konzert vor 650 Strandkörben in Wiesbadens Fußballstadion (Brita-Arena) mit Händels »Messias« und zehn weiteren Chornummern steht am 27 Juni (Beginn 18 Uhr) an. Gegeben wird es vom Bachchor Wiesbaden mit Bachorchester und Solisten unter der Leitung von Kantor Niklas Sikner. Auch die Besucher sind geladen, laut ins große »Halleluja« einzufallen. www.lutherkirche-wiesbaden.de >> In schrecklich kaputte Familien führt uns Laura Naumanns sogenanntes Hörstück »Raus aus dem Swimmingpool, rein in mein Haifischbecken«, in dessen Mittelpunkt eine Nachrichtensprecherin steht, die die täglichen Scheußlichkeiten, die sie vorlesen muss, nicht länger ertragen will. Am Staatstheater Darmstadt für den Stream fertig gemacht, lässt sich das Stück noch bis zum 5. Juli zu solidarischen Preisen am Heimbildschirm verfolgen. Mit dabei sind die famose Karin Klein, Luise Harder, Stefan Schuster und Hans-Christian Hegewald, den man in Frankfurt noch vom Schauspielstudio der HfMDK kennt. www.staatstheater-darmstadt.de >> Gespielt wird auf jeden Fall: vor Zuschauern im Kulturhaus (ExKatakombe) oder vor Kameras. Gezeigt wird die Satire »Neues aus der Frankfurter Anstalt«, wobei es dieses Mal um die pandemiebedingte Zusammenlegung von Gesundheitsamt und Amt für Bürgeranliegen geht. Am Ende stehen die Flucht der beiden Angestellten La Fontaine und Fischer aus einer an Normen und Verboten krank gewordenen Gesellschaft und ihr Traum in die Utopie einer Nichtsarbeitsgesellschaft. Termine 10. und 11. Juni jeweils 20 Uhr www.artes-forum.org www.kulturhaus-frankfurt.de >> Immer wieder Irmgard Keun: Im Frankfurter Kulturhaus knöpft sich die Theatermacherin Carola Moritz den Roman »Gilgi – eine von uns« vor, das 1931 erschienene literarische Debüt der schnell gefeierten, lange vergessenen und spät wiederentdeckten Schriftstellerin Irmgard Keun. Soraya Mezhère bestreitet im typischen Corona-Format eines Monologs dieses Zeitporträt einer jungen Frau. Von Keun gibt es derzeit im Theater Moller Haus Darmstadt »Das kunstseidene Mädchen« und demnächst (Sept.) im Schauspiel Frankfurt »Nach Mitternacht«. Und natürlich fällt uns dazu die wunderbare Gilgi von Naja Marie Domsel am Freien Schauspiel wieder ein. (s. Strandgut Juni 2013). Wir sind also gespannt. Termin 19. Juni, 20 Uhr www.kulturhaus-frankfurt.de

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Fotos: Molto Vivace © Andreas Etter

Zurück im Spiel Staatstheater Mainz: Acht Premieren vor den Sommerferien Die Nachricht von den verlässlich sinkenden Pandemiezahlen zündete am Staatstheater Mainz wie ein Anschlusstor für Mainz 05 in der heimischen Fußballarena nach einem lange für aussichtslos gehaltenen Rückstand. Mit einem Ruck sind die Theatermacher vom Gutenbergplatz wieder zurück im Spiel. Dass mit dieser euphorisierenden Meldung im Rücken das Ensemble tanzmainz gleich aufs Dach stieg, muss nicht wundern. Für die Zeit eines Tests, eine intensive Viertelstunde, wurde auf dem Dach des nahen Parkhauses Kronberger Hof eine tänzerische Choreo, wie es in Fußballfankreisen heißt, aufgeführt. Drei Mal fand »Molto Vivace« von Koes Augustijnen und Rosalba Torres Guerrero dort statt. Neu angepfiffen wird das Spiel auf der Bühne aber erst am 3. Juni. Acht Premieren und auch zahlreiche Wiederaufnahmen stehen dann auf dem bis zu den Sommerferien reichenden Programm. Wie schon nach dem Lockdown im Vorjahr, richten sich die ersten Produktionen vor allem an Kinder und Jugendliche, die, wie wir alle wissen, massiv unter den Folgen der Pandemie zu leiden hatten und haben, angesichts der schlimmen Auswirkungen von sozialer Distanz und geschlossener Schulen. Mit »Die Bremer Stadtmusikanten« eröffnet

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die Kinder- und Jugendsparte justmainz am 3. Juni (Fronleichnam) um 15 Uhr den Spielbetrieb im Großen Haus. Und nur drei Stunden darauf, um 18 Uhr, erlebt »Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen« von James Krüss seine Premiere im Kleinen Haus. Dass es bei den Stücken um Freundschaft und Musik, um Respekt und Zusammenhalt geht und vor allem darum, ein verlorenes Lachen, wiederzugewinnen gilt, scheint doch sehr passend in diesen Tagen. Und sonntags drauf, am 6. Juni um 18 Uhr meldet sich die Oper – Kinder willkommen – mit der Premiere von Engelbert Humperdincks »Hänsel und Gretel« mit einer vorerst freilich nur halbszenischen Inszenierung zurück. Bevor am 12. Juni die Schauspielsparte zu ihrer ersten Premiere, der Uraufführung von »Westwall«, kommt, sieht es auf dem Spielplan schon wie Normalbetrieb aus. Das sehen wir wieder den »Werther«, den »Herrn Lehmann« und vor allem – unbedingt zu erwähnen – Sharon Eyals Kultstück »Soul Chain« gleich mehrfach angesetzt. »Westwall« ist eine Stückentwicklung von Regine Dura und Hans Werner Kroesinger, die dem Mythos des auch »Siegfried-Linie« betitelten 630 Kilometer langen militärischen Verteidigungssystems des NS-Staates nachgeht.

Die erste theatrale Neuinszenierung wird Bertold Brechts »Mutter Courage« unter Regie von K.D. Schmidt am 17, Juni sein. Weitere Premieren stehen im U17 für »Einfache Leute« (Anna Gschnitzer) und »Frieden, Liebe Freiheit« (Stijn Devillé) an. Die Oper Mainz hat am 27. Juni Wolfgang Amadeus Mozarts »La Finta Giardiniera» angesetzt. Bei allen Aufführungen gilt Maskenpflicht, die Besucher sitzen auf Abstand. Außerdem muss ein negativer Corona-Test nachgewiesen werden, der auch im Staatstheater gemacht werden kann. Bis auf weiteres müssen Eintrittskarten per Mail, Telefon oder an der Theaterkasse vorreserviert und die Besucher registriert werden. Daher sind in dieser Spielzeit keine OnlineBuchungen möglich. gt www.staatstheater-mainz.com


Theater

© Robert Schittko

EIN MENSCH BRENNT

von Nicol Ljubić

PREMIERE

11 Juni Weitere Termine: 12/18/19 Juni 02/03 Juli

Zettel als Heiner Das Staatstheater Darmstadt geht mit Musik und hessischem »Sommernachtstraum« ins Freie Ins Offene, heißt das Motto des Staatstheaters Darmstadt, das man im Juni einmal ganz profan dem Wortsinne nach verstehen darf. Eine Kinderoper und Mundarttheater werden nach Lage der Dinge auf der Terrasse des Hauses am GeorgBüchner-Platz gegeben werden. Letzteres setzt die Freilufttradition der Hessischen Spielgemeinschaft mit der Wiederaufnahme einer eigenen Variante von William Shakespeares »Sommernachtstraum« fort. David Gieselmann hat die großartige Komödie um Triebe, Liebe und Handwerkerkunst ins Hessische übertragen und erzählt darin, wie das vom ewigen »Datterich« ziemlich angenervte Darmstädter Laientheater auf der Suche nach einem neuen Stoff ausgerechnet beim Stammautor Ernst

Elias Niebergall fündig wird. Ulf Goerke inszeniert das Stück, dessen Handwerker-Protagonisten die UrÜbersetzer Wieland und Schlegel allesamt Namen gegeben haben, mit denen man mühelos auch im Martinsviertel zurechtkommen kann. Der Rest ist Gieselmann. Auf der Bühne des Prinz-GeorgGartens im Johannesviertel wird die Barock-Oper »La constanza vince l’inganno – Die Beständigkeit besiegt den Betrug« gezeigt. Christoph Graupner hat das 1715 uraufgeführte dreiaktige Spiel der Geschlechter um wahre Liebe, Anerkennung und Aufmerksamkeit, das nun im Rahmen einer Miniaturausgabe des Barockfestes stattfindet, verfasst. Neben Konzerten und einer Performance des Hessischen Staatsballetts auf der Theaterterrasse steht unter der Regie von Franziska Angerer auch schon ein »musikalischer Spaziergang« an der Mathildenhöhe statt, den der Komponist Arne Gieshoff tonal untermalt. Als besonderes Dankeschön gibt es Einladungen für Menschen aus dem medizinischen Bereich.

TITANIA / Basaltstr. 23, Frankfurt www.freiesschauspiel.de

FREIES SCHAUSPIEL ENSEMBLE

gt

Come and lay down by my side ...

Strandgut Das Abo für Seh-Räuber  0 69/97 91 03-0

Termine Sommernachtstraum: 5. Juni, 20 Uhr (Premiere); weitere Vorstellungen ab 10. Juni Termine La Costanza: 17. (Premiere), 18., 19., 20., 25. Juni jeweils 19 Uhr Alles Weitere unter www.staatstheaterdarmstadt.de

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Theater © Armin Smailovic

Zusammenkommen lohnt sich Nationaltheater Mannheim: Die Schillertage (17.–27. Juni) gibt es digital und analog So flexibel, wie die Politik auf das Auf und Nieder der Corona-Inzidenzwerte zu reagieren vermag, kann ein Festival nicht sein. Schon gar kein überregionales, weltweit in Langfrist geplantes wie die biennalen 21. Internationalen SchillerTage von Mannheim. Während jetzt anderswo frohgemut leibhaftiges Theater unter freiem Himmel in Angriff genommen wird, bleibt der Fokus der Festivalmacher vom Nationaltheater Mannheim im Digitalen. Was nicht heißt, dass es nicht auch besuchbare künstlerische Beiträge im geplanten NTM-Park vor dem Hauptgebäude an der Goethestraße geben wird: künstlerische Installationen, aber auch je nach Stand der Dinge spielbare aktuelle Produktionen des Hauses. Wenn nicht alles, so fließt doch vom 17. Juni an das meiste im Stream daher. Den Auftakt bestreitet der Gastgeber selbst mit Friedrich Schillers »Die Jungfrau von Orleans« unter der Leitung von Ewelina Marciniak. Die im vergangenen Jahr für ihre Arbeit »Der Boxer« am Hamburger Thalia-Theater mit dem Faust-Preis 2020 für die beste Regie ausgezeichnete Polin, will der Frage nachgehen, ob Macht männlich konnotiert sein muss und Emanzipation nur als kriegerischer Akt vorgestellt werden kann. Man darf also gespannt sein. Bereits bewährt bis gefeiert sind als Gast-Stream »Wilhelm Tell« vom Deutschen Nationaltheater in Weimar (Regie Jan Neumann), »Maria Stuart« vom Deutschen Theater

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Berlin (Regie Anne Lenk), der – kleiner Tipp am Rande – schon jetzt in der 3Sat-Mediathek kostenlos abgerufen werden kann, und die »Ode an die Freiheit« (Regie Antú Romero Nunez), ein nicht nur vor dem Hintergrund pandemischen Querdenkens sehr aktuelle Textkomposition aus Schillerwerken mit großartigen Schauspielern. Zu jedem Stück soll es Nachgespräche geben. Dass es bei den Schillertagen von jeher nicht nur um die Texte des zu seinen Lebzeiten meistgespielten deutschen Autoren geht, sondern mehr noch um seine Gedanken und Ideen, verdeutlicht auch das Festival-Motto »Zusammen«. Alles in allem sind 24 Produktionen und Projekte aus zehn Ländern eingeladen, davon elf Ur- beziehungsweise deutsche Erstaufführungen inklusive sieben Auftragswerke. Die Bekenntnisecke darf bei einer solchen Ankündigung augenscheinlich nicht fehlen: Einen dominierenden Anteil nehmen die Arbeiten von Künstlerinnen ein, die Beiträge aus dem Ausland sind sogar ausschließlich von Frauen. Zu letzteren gehört auch der aus Frankreich kommende digitale Beitrag »_jeanne_dark_« von Marion Siéfert, die uns von einer so auf Instagram firmierenden jungen Jeanne aus einem Vorort von Orléans erzählt. In der Schule von den Mitschülerinnen aufgrund ihrer Jungfräulichkeit gemobbt, erlebt und inszeniert sich die von der Choreografin und Tänzerin Helena de Laurens verkörperte Heranwachsende

mithilfe ihres Smartphones völlig neu. Um Sexualität, einvernehmlichen Sex und Gewalt gegen Frauen geht es auch in dem indischen Beitrag »Allegedly«, den die Künstlerin Mallika Taneja gemeinsam mit fünf Kolleginnen per Zoom-Schaltung live aus den Wohnungen der Mitwirkenden gestaltet. Die aus Ruanda stammende Choreografin Dorothée Munyaneza präsentiert mit sechs afrikanischen Tänzerinnen ihre Tanzperformance »Mailles« per Stream. Aich die letztjährige Hausautorin des NTM, Sivan Ben Yishai, ist vertreten. Ihr auf traurige Weise aktuell gewordenes Stück »Wounds Are Forever (Selbstporträt als Nationaldichterin)« lotet das schwierige Dreiecksverhältnis zwischen jüdischen Israelis, Palästina und Deutschland auslotet. Marie Bues inszeniert diese KoProduktion mit dem Theater Rampe in Stuttgart. Dies und viel, viel mehr lässt sich der Website des Nationaltheaters entnehmen, das überdies mit einem täglichen Stream aufwartet. Sämtliche Veranstaltungen – analog oder auch live – aber auch einen Festival-Pass für das gesamte Streaming-Programm kann man ab dem 1. Juni buchen. Die Schillerschachtel, ein besonderes Serviceangebot für Fans gibt es schon vorher. Winnie Geipert www.nationaltheater-mannheim.de


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Linus König © Leo van Kann

Hoffnungsvolle Neustarts Oper Frankfurt stellt das Programm für die Saison 2021/22 vor

Die Sehnsucht bleibt Linus Königs Ausblick für das Theater Landungsbrücken »Hurra. Corona ist vorbei«, so oder so ähnlich könnte man die Stimmung umschreiben, die zurzeit vor allem medial und sozial medial erzeugt wird. Zumindest von den Überlebenden dieser ultimativen Menschheitskatastrophe, die vor allem Herz und Hirn existenzbedrohend angegriffen hat. Das war alles schlimm, schlimm, schlimm. Nein, natürlich nicht für die die 3.500.000 Corona-Toten weltweit. Sondern vor allem für diejenigen, die überall und immer die Meinung äußern durften, dass sie ihre Meinung ja nicht mehr sagen dürfen. Wir im freien Theater haben eines der anstrengenderen Jahre hinter uns. Seit März 2020 in konstanter Alarmstimmung, ständiger Planungsunsicherheit, voller finanzieller Sorgen und mit der allgegenwärtigen Frage nach gesellschaftlicher Relevanz konfrontiert. Wir haben über ein Jahr alles dafür getan, dass wir jetzt endlich wieder in die gute alte Zeit zurückkehren können. Aber jetzt raus ins Freie! Landungsbrücken Frankfurt hat seit März 2020 – frei nach dem Arzt Rieux in Albert Camus’ »Pest« – einfach nur seinen Job gemacht. Eine Plattform zu sein, eine Heimat zu sein für freie Kunst und freie Künstler:innen. Und für die Sehnsucht. Dabei sind unzählige Produktionen in allen erdenklichen Formaten, ein ganzes Festival und noch mehr Gespräche entstanden, von denen wir in nächster Zeit zehren können und werden. Ursprünglich für Februar geplant, jetzt ab August am Start: Das »20.21 KANE innen«-Festival. Die Werkschau, die Reihe, das Gesamtwerk der britischen Dramatikerin Sarah Kane, inszeniert und organisiert von sechs verschiedenen freien Theatergruppen. Im Februar 2022, zum 51. Geburtstag Kanes, gibt es dann alle sechs Stücke am Stück. Plus Rahmenprogramm. Plus noch viel mehr. Ein kreativer Kraftakt, den es in dieser Form in

der freien Theaterszene noch nicht gegeben hat. Konzeptioniert, erarbeitet und geprobt unter Pandemiebedingungen. Bis dahin, währenddessen und darüber hinaus laufen in den nächsten Monaten Stücke, Performances, Produktionen mit bekannten Kooperationspartner:innen wie Sarah Kortmann, Hannah Schassner, Sebastian Bolitz, Vlasova/ Pawlica, Mädchen:theater, Mareike Buchmann/Fiel Impuks, Lea Walde, paradiesmedial und vielen anderen. Und dazu kommen weitere neue spannende nette Menschen und Gruppen, denen wir eine Plattform bieten werden. Und eine neue Lüftungsanlage. Und ein neuer WebAuftritt. Und eine neue corporate identity. Und, und, und. Wer solange nicht mehr warten will, kann zurzeit unsere Webproduktion »SEHNSUCHT – DIE MINISERIE« auf all unseren SocialMedia-Kanälen in zwölf Folgen hintereinander wegbingen. Oder staunen über »DER STRAHLENDE UNTERGANG«, ein Theaterstück als Graphic Novel exklusiv als Story auf Instagram. Auf die Bühne geht es zunächst ab Juni in Kooperation mit unserem Nachbarn, dem Tanzhaus West, beim gemütlichen KULTURSOMMERGARTEN in unserem Hinterhof mit Club Picknick, Live-Musik, der von uns kuratierten »PLATTFORM PLATTFORM« und dem »KINDER KINDER«-Format. Ab Juli sind dann mehrere unserer Stücke, darunter die Premiere von »NIEMAND«, der neuen Inszenierung von Hannah Schassner im Grüneburgpark zu sehen beim Theaterfestival, das die Dramatische Bühne gemeinsam mit dem Theaterhaus und den Landungsbrücken Frankfurt koproduziert. Corona ist vorbei. Die Sehnsucht bleibt. Und Landungsbrücken Frankfurt als Arschlochfreie Zone. Linus König www.landungsbruecken.org

Mit der Vorstellung des Spielplans für die Saison 2021/22 per VideoSchalte machte Intendant Bernd Loebe »vorsichtig optimistisch« sich und seinen Opernbesuchern Hoffnung, ab September dieses Jahres wieder vor Live-Publikum aufführen zu können. Wohl hat die Oper Frankfurt regelmäßige Online-Formate ins Netz gestellt, die offensichtlich auch viele »follower« gefunden haben. Nach Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft, konnte es nur eine Ausnahmesituation sein, eine »Choreographie der Krise«. Streamings, die nicht wirklich Ersatz für Aufführungen mit Publikum sein können. Bernd Loebe, der seit über 19 Jahren nicht nur ein großartiges Gespür für interessante Sängerinnen und Sänger, Regisseurinnen und Regisseure beweist, entwirft auch stets in Zusammenarbeit mit GMD Sebastian Weigle und dem Kulturdezernat (Finanzen) außergewöhnliche Spielpläne. So auch diesmal. Sofern die Inzidenz in Frankfurt unter 100 bleibt, so Loebe, könne noch im Juni mit »kleineren Formaten« wieder begonnen werden. Aus der Vorschau des neuen Spielplans ab September seien diese geplanten Projekte herausgepickt: eine »Warten auf heute« betitelte, spannende Gegenüberstellung von Arnold Schönbergs Einakter »Von heute auf morgen« und seinem Monodram »Erwartung« mit sechs Monologen aus »Jedermann« von Frank Martin (Februar 2022). Luigi Dallapiccola, einer der wichtigsten, aber wenig bekannten Komponisten des 20. Jahrhunderts hat sich ein Leben lang mit der Zwölftontechnik seiner Vorbilder Alban Berg und Anton Webern auseinandergesetzt, ohne sie jedoch sklavisch umzusetzen. Das »opus summum«, Dallapiccolas letzte Oper »Ulisse« nach dem griechischen Epos des Homer, soll im Juni 2022 Premiere haben. Im Mai wird sich Brigitte Fassbaender als Regisseurin im Depot des eher kammermusikalischen »A Midsummer Night‘s Dream« von Benjamin Britten annehmen. Mit der Oper »Maskerade« des dänischen Komponisten Carl Nielsen finden sich der experimentierfreudige Tobias Kratzer (Regie) und Titus Engel (Dirigent) zur späten Frankfurter Erstaufführung dieses Werkes aus dem Jahr 1906 (!) zusammen. Nielsen, wie sein bekannterer skandinavischer Komponistenkollege Sibelius, 1865

geboren, kommt, anders als dieser, aus einer einfachen Bauernfamilie in der Nähe von Odense. In seiner liebevollen Schrift über eine Kindheit in Fynen lässt sich nachempfinden, aus welchem Fundus die Genialität seiner Kompositionen erwachsen ist. Als deren Basis sind ihm »reine, klare, feste, natürliche Intervalle und deutliche, robuste, bestimmende und organische Rhythmen« wichtig. Das wird hörbar in einer gradlinigen, fast neo-romantischen, fesselnden Tonsprache. Immerhin sind alle seine sechs Sinfonien, dank des unermüdlichen Einsatzes der ehemaligen Chefs des hr-Sinfonieorchesters, Hugh Wolf und Paavo Järvi, in Frankfurt etwas bekannter geworden. Eine Art Fortsetzung dieser Tradition ist nun an der Oper Frankfurt mit der dänischen Nationaloper durch einen »Maskenball« nur zu begrüßen. Gewissermaßen »aus Holbergs Zeit« des norwegisch-dänischen, sozialkritischen Dichters Ludvig Holberg schildert sie Sittenverfall und familiäre Verwicklungen – Verdis fünfzig Jahre früherer »Maskenball« kommt einem in den Sinn – auch bei Carl Nielsen gibt’s Burleske, Groteske, geballte Psychologie und Leichtigkeit in der Musik (allerdings muss hier niemand sein Leben lassen). Wir sind gespannt auf die Präsentation dieses Meisterwerks, »in einer Neuübersetzung in eine heutige, jedoch nicht platt aktualisierende Sprache und den Sprachwitz und die Situationskomik zum Blühen bringt« (Ankündigung Oper Frankfurt zur Premiere am 31.10.21). Alle Informationen gibt’s zur Zeit noch vornehmlich auf der Homepage; ab August/September soll die umfangreiche Broschüre der Saison 2021/22 in gedruckter Form vorliegen. Wir freuen uns darauf! Bernd Havenstein www.oper-frankfurt.de

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© Barbara Aumüller

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TANZ © Geraldine Zirbel

Pandemische Tänze und Töne

© DDC

Familie Montez streamt Verena Kutscheras »Strukturen« und Richard Oberschevens »Soundballett« Im Kunstverein Familie Montez (KVFM), genauer auf dessen Website, rücken Verena Kutschera und Richard Oberscheven nun auf tänzerischen, choreografischen, musikalischen und filmischen Wegen der Pandemie zu Leibe. Zusammen, was das gegenseitige Zuarbeiten angeht, aber auch unterschieden werden am 4. Juni Kutscheras »Strukturen« und am 5. Juni Oberschevens »Soundballett« als TanzKurzfilme jeweils um 20 Uhr urausgestrahlt und Premiere feiern. »Strukturen« ist aus der pandemischen Erfahrung einer Art Schwebezustand entstanden, der sich etwa aus den Abstandsregeln ergibt. Menschen werden zu Teilchen im Raum und treten in völlig neue raumzeitliche Beziehungen zueinander. Mithilfe von 1,50 Meter langen dünnen Holzstäben recherchiert Kutschera gemeinsam mit Ioulia Kokkokiou, Richard Oberscheven und Britta Schönbrunn die Faltung und Entfaltung energetischer Strukturen im Raum.

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»Musik kann sowohl Bewegung auslösen als auch Bewegung Musik. Geht man von der Schwingung der Töne aus, hat man überall Bewegung. Musik und Bewegung sind also nicht so unterschiedlich, sondern sehr ähnlich.« Mit diesen Gedanken hat sich Richard Oberscheven daran gemacht, dem inneren Hör- und Bewegungserleben dieser ungewöhnlichen Zeit nachzugehen. Aus der Verbindung dieser auditiven und physisch kinästhetischen Erfahrung – so nennt er das in der Ankündigung – ist seine Arbeit »Soundballett« entstanden: eine Wiederspiegelung von Klängen aus der Pandemie, bei der es ganz wesentlich um das Hinhören geht. gt Termine: 4., 5. Juni 20 Uhr auf www.kvfm.de

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Gebt uns »Shelter« Kammerspiele Mainz: Zurück mit der Delattre Dance Company »Gimme Shelter«, so haben es die Rolling Stones in einem ihrer besten Songs besungen. Und so ähnlich klingt es jetzt auch zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs an den Mainzer Kammerspielen auf, wo die Delattre Dance Company am 4. Juni ihren Tanzabend »Shelter« zur Premiere bringt mit brandneuen Choreografien von Stéphen Delattre und Filipe Portugal. Die beiden Choreografen haben jeweils einzelne Teile des Abends entwickelt,

die nahtlos ineinander übergehen, aufeinander aufbauen und sich gegenseitig ergänzen sollen zu einem tänzerisches Gesamtbild, das durch die unterschiedlichen Farben an Klarheit und Strahlkraft gewinnt. Die Sehnsucht nach einer sicheren Zuflucht – hochaktuell – bildet den Ausgangspunkt dafür. gt Termine: 4., 5. Juni jeweils 20 Uhr; 6. Juni, 18 Uhr www.mainzer-kammerspiele.de


MUSEEN Fotos: © Bert Bostelmann/MSPT

Das Schweizermesser des Info-Zeitalters wird 25 Nichts weniger als eine Revolution hat nach Meinung von Joel Fischer mit der Einführung des Smartphones stattgefunden. Der Experte des Museum für Kommunikation in Frankfurt, das anlässlich des 25. Jahrestags des Markteintritts des Nokia 9000 Communicator vom 15. August an eine zunächst virtuelle Ausstellung widmen will, weiß sehr wohl, dass die meisten Nutzer dieser ersten internetbasierten Kommunikationsgeräts im Taschenformat dies gar nicht so empfinden. Grund: der kontinuierliche Ausbau seiner Funktionen vollzog sich in einem so unspektakulären Selbstverständnis, dass erst der Rückblick in der Zeit die Dimensionen offenbart, in denen dieses kleine Gerät unser Leben verändert hat und dies noch immer tut. Dafür sprechen erst einmal Zahlen: das 1996 zum Preis von 2.700 Mark herausgebrachte Smartphone wurde 2009 bereits 5,1 Millionen Mal verkauft, 2011 waren es bereits 15,9 Millionen und 2015 sogar 26,2 Millionen. Weniger als 20 Millionen per anno waren es seither nicht mehr. Die Funktion des Telefons ist für den Gebrauch des Smartphones heute nur noch eine von vielen und kaum mehr die entscheidende. Müßig, hier auch nur anzureißen, was das zum Flachbrett mutierte handtellergroße »SchweizerMesser der Informationsgesellschaft«, so MfK-Chef Helmut Gold, inzwischen alles kann.

Im einstigen Postmuseum weiß man sehr wohl, was das bedeutet, hat es doch nach der Einführung des Telefons in Deutschland (1881) bis tief in die zweite Hälfte des nächsten Jahrhunderts gedauert, bis das Gerät in mehr als 10 Prozent der deutschen Haushalte stand. Eine Beschleunigung ungeahnten Ausmaßes erhielt das Telefon dann in den 90ern durch das Mobiltelefon, mit dem auch seine sozialen Implikationen wie etwa die stete Erreichbarkeit oder die Veränderung des Verhältnisses von öffentlichem und privatem Bereich zum Thema wurden. Aus heutiger Sicht: die Kindertage des Mediums. Im Museum für Kommunikation steht deshalb nicht nur der technische Wandel der immer kleiner, handlicher und auch immer eleganter werdenden Apparate im Zentrum der Betrachtung, sondern auch das, was sich für die Menschen damit verbindet. Anfang Mai startete deshalb der Sammlungsaufruf »Smartphone 25 – Erzähl mal!« nach Smart-Geräten, aber auch so genannten Smart-Storys. Ein Aufruf, der nicht nur aus Frankfurt, sondern auch aus den ebenfalls zur Museumsstiftung Post und Telekommunikation gehörenden Schwesterhäusern des MFK in Nürnberg und Berlin erging. Bis Anfang August wird dann die Auswahl getroffen werden für die am 25. Jahrestag der Erstvorstellung zu eröffnende virtuelle Ausstellung. In der Juli/August-Ausgabe werden wir schon ein wenig mehr davon zu berichten wissen.

Motiv aus der Serie Wonderplants, 2015 © Sarah Illenberger

MfK: Smartphone-Ausstellung ante portas

Was ist Natur? 13.09.2020 – 22.08.2021

Lorenz Gatt www.mfk-frankfurt.de https://smartphone25.museumsstiftung.de/

museum-sinclair-haus.de kunst-und-natur.de www.strandgut.de | Strandgut 06/2021

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MUSEEN

© HMF/Ziegenfusz

Konditorsammlung als Sahnehäubchen Das Historische Museum Frankfurt zeigt »Prehns (wunderbares) Bilderparadies« Es sei nur die Spitze eines sehr tiefen Eisbergs, deren die Besucher und Besucherinnen der neuen Kabinettsausstellung »Prehns Bilderparadies – die einzigartige Gemäldesammlung eines Frankfurter Konditors der Goethezeit« ansichtig werden können, sagt Jan Gerchow, der Direktor des Historischen Museums Frankfurt. Er hätte das Ganze passenderweise auch als Sahnetörtchen bezeichnen können, basierte der Erwerb der hier in 32 hölzernen Klappkästen arrangierten Miniaturbilder doch wesentlich auf dem florierenden Geschäft des mit Laden, Backstube und Wohnhaus auf der Zeil residierenden Zuckerbäckers Johann Valentin Prehn. Die wunderbare Schau im dritten Stock des Stadtmuseums fußt auf einer seit zehn Jahren verfolgten intensiven Forschungs- und Konservierungsarbeit, die jedes einzelne der 874 Kleinformate der Sammlung unter die Lupe nahm und besprach. Komprimiert ist diese Arbeit in einen dennoch nur ausschnitthaften Bestandskatalog von

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500 Seiten, der eine Auswahl der 100 für außergewöhnlich erachteten Werke berücksichtigt. Acht solcher Drei-Kilo-Mammute hätte es gebraucht, das Gesamtergebnis auf diesem Wege zu editieren. Museen können sich solchen Aufwand nur noch in ganz wenigen Fällen leisten. Das Internet macht’s indessen möglich, dass ein Jeder und eine Jede auf die jedes einzelne Objekt detailliert behandelnde Datenbank zugreifen kann. Was für Experten schlichtweg aufregend klingen mag, wird den gemeinen Besucher wohl nur am Rande oder im Einzelfall interessieren. Er wird sich aber, soviel sei versprochen, an den im Petersburg-Stil gehängten Miniaturen auch so kaum sattsehen können. Schaukasten für Schaukasten weist der Kunstliebhaber mit seinen feingesetzten Bilderkompositionen nicht nur ästhetischen Sinn und seine Kennerschaft aus, sondern auch Witz und eine gewisse Neigung für delikatere erotische Themen. Der Zeitgenosse des gleichaltrigen Goethe gibt somit auch einen spannenden Einblick in

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den Kunstkonsum und seine Sublimierungsfunktionen, wovon das mit einem Mini-Vorhang versehene Rähmchen der gemalten Inszenierung eines Geschlechtsaktes aus Giulio Romanos Stellungsreigen zeugt. Nicht alles, was es hier zu sehen gibt, ist von edler Meisterhand, sondern vieles nach Motiven ausgesucht, darunter auch Kopien und Ausschnitte oder gar Fragmente von irgendwelchen Nachtschränkchen und Hausaltärchen. Quer durch den künstlerischen Garten vom Mittelalter bis zum Jetzt bestückt, begründet gerade diese Authentizität die Einzigartigkeit der Sammlung, die gleichwohl auch veritable Schätze der Hochkunst enthält. Allen voran, das nun erstmals nach 100 Jahren wieder im originalen Sammlerkontext zu goutierende »Paradiesgärtlein« eines oberrheinischen Künstlers aus dem frühen 15. Jahrhundert. So ist dem Gartenbild mit Maria und dem Jesuskind eine Zeichnung beigesellt, die zeigt, wie Affen einen schlafenden Faulenzer bestehlen

(siehe Bild). Das paradiesische Kleinformat ist der Star der Schau, schmückt es doch als Leihgabe des Historischen Museums schon seit 1922 die Dauerausstellung der Städtischen Galerie im StädelMuseum. Die Leihgabe ist nun bis Januar 2022 zurückgeliehen. Lorenz Gatt Bis 20. Januar 2022: Di. bis Fr., 10–18 Uhr; Sa., So., 11–19 Uhr historisches-museum-frankfurt.de


MUSEEN ansichtssachen >> Spute Ute; nur noch zwei Wochen, bis zum 13. Juni, ist der Sound of Disney im Deutschen Filmmuseum zu erleben. www.dff.film >> Immer grüner: Im Rahmen der Großprojekts »Die Stadt & das Grün« nimmt jetzt auch das Stadtlabor mit der Ausstellung »Gärtnern Jetzt!« teil. 50 Frankfurter Gärtner*innen sind an der Schau beteiligt, die wir im Juli-Strandgut näher vorstellen. Kein Grund, nicht schon früher hinzugehen. www.historischesmuseum-frankfurt.de >> Die Reihe »Angewandte Talks« wird am 1. Juni um 19 Uhr auf Instagram mit einem Dialog zwischen Grit Weber für das MAK und Klára Presnajderová über Gemeinsamkeiten und das Trennende der historischen Architekturzeitschriften »Das Neue Frankfurt« und »Das neue Bratislava« geführt. Via Instagram können Zuhörende sich einbringen. www.museumangewandtekunst.de >> Unterirdisch: Zum 200-jährigen Jubiläum des Senckenberg Naturmuseums mischt für die kommenden drei Jahre eine grüne U-Bahn mit der Senckenberg-Botschaft »Auge in Auge mit der Natur« den Frankfurter Schienenverkehr auf. Die Wagen tragen ausgewählte Highlights des Museums zur Schau, darunter ein Zwergenkasuar, ein Koboldmaki und ein Seepferdchen. Oder auch einer

© Senckenberg/Traenkner

großen blauen Krake, die zusammen mit Weißspitzenriffhaien für den neuen Themenraum Korallenriff wirbt, der im Juli eröffnet wird. www.senckenberg.de >> Diabolisch verklärt: Das Freie Deutsche Hochstift führt seine Reihe Romantik Lesen am 1. Juni um 19 Uhr online fort. Dann reden Christiane Holm und Günter Oesterle miteinander »Von Teufeln und Handarbeiten«. Der Schauspieler Stefan Wilkening liest ausgewählte Texte. Die Veranstaltung läuft über Zoom, die Teilnahme ist kostenlos. www.freies-deutsches-hochstift.de >> Herrin der Fotos: Das Städelmuseum hat die seit 2018 als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigte

>> Zeitreise ins 19. Jahrhundert für Kinder: Das Museum Wiesbaden bietet am Samstag, 29. Mai 2021, einen digitalen Workshop für Kinder von sechs bis zwölf Jahren zur Ausstellung »Von Kühen, edlen Damen und verzauberten Landschaften. Oder von der Liebe zur Malerei: Neues aus dem 19.Jahrhundert« an. Dort wird

im kreativen Umgang mit Ölkreide, Buntstiften oder Bleistift und ein paar Blättern Papier (A4 oder A3) ein eigenes Kunstwerk entwickelt. Anmeldungen erforderlich. Anmeldung unter https://tickets.museumwiesbaden.de >> Öffnung zur Stadt: Als Höhepunkt des interkulturellen Modellprojekts »Unser DFF« hat das Deutsche Filmmuseum im »Luftraum« im Erdgeschoss des Hauses das gleichnamige »Ausstellungsprojekt mit Jugendlichen in außergewöhnlichen Zeiten« eröffnet. Sieben Jugendlich haben dafür persönliche Objekte ausgesucht, mit denen die Öffnung des DFF zur Stadtgesellschaft unterstrichen werden soll. www.dff.film

Durch die Zeit reisen.

Das Frankfurt Museum. historisches-museum-frankfurt.de

Ein Museum der Stadt Frankfurt am Main

Der goldene „Briggegiggel“ von 1750 sollte auf der Alten Brücke den Flussschiffern die tiefste Stelle der Fahrrinne anzeigen. Die Einschusslöcher im Hahn stammen noch aus den Befreiungskriegen von 1813.

Kunsthistorikerin Kristina Lemke zur Leiterin seines Sammlungsbereichs Fotografie ernannt. Die Position wurde neu für den rund 5.000 Bilder umfassenden fotografischen Bestand des Hauses geschaffen. Die erste von Lemke kuratierte Ausstellung wird noch in diesem Monat, am 30. Juni, eröffnet. »Neu Sehen. Die Fotografie der 20er und 30er Jahre«. www.staedelmuseum.de

Das Filzhuhn gehört zur Installation des Frankfurter Künstlers Karsten Bott mit Gegenständen der vergangenen 50 Jahre. Geschichte kann auch mit Alltagsdingen gezeigt werden.

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MUSEEN

Can I live? Can I live? Can I fucking live? Die Fotografie-Triennale RAY und ihre Ausstellungen Die mittlerweile zum vierten Mal stattfindende Fotografie-Triennale RAY wird zwischen dem 3. Juni und 12. September die künstlerischen Räume und Debatten in Frankfurt und Rhein-Main füllen und befeuern – diesmal steht der Ausstellungsmarathon unter dem Thema »Ideologien«. An elf Ausstellungsorten gleichzeitig werden herausragende künstlerische FotoProduktionen gezeigt: Den Anfang machten die Opelvillen in Rüsselsheim mit ihrer überragenden Ausstellung zu Lee Miller (s. Strandgut April) und es geht im MMK im Zollamt weiter mit der ersten Einzelausstellung der richtig aufregenden US-amerikanischen Künstlerin Ja’Tovia Gary in Europa. Sie wird in ihrer im Jahr 2019 entstandenen Giverny Suite den ideologischen Blick auf den schwarzen Frauenkörper als Exotismus entlarven und schwarze Lebenswirklichkeiten zeigen. Die TU Darmstadt lädt ein, die Fotografin und Reporterin Hilde Roth kennenzulernen und ihre Arbeiten zu betrachten, die ein Schlaglicht auf die Nachkriegsära bis hin zu den 1980er Jahren werfen; es ist eine bebilderte Zeitreise durch den Lebensalltag in Darmstadt. Die Fotografien sind im Kunstforum der TU zu sehen. Installationen von Eva & Franco Mattes unter dem Titel »Humanin-the-loop« präsentiert der Nassauische Kunstverein Wiesbaden. Sie untersuchen in ihrer Arbeit das Internet als nur scheinbar und vorgeblich freien und utopischen Ort, der für sie vielmehr eine Konstruktionsbühne für Ideologien ist. Zusammen mit der Abschmelzen der Grenze zwischen »Privatem« und »Öffentlichem« bietet er neue Einfallsmöglichkeiten für Ideologien, so ihre These. Und die Internetnutzer*innen sind nicht nur Empfänger von Daten, sondern auch verbreitende Sender in einem grenzenlosen öffentlichen Raum. Spannend hört sich auch das Vorhaben des Stadtmuseums in Hofheim an, das einen fotografischen Dialog von Nicole Ahland und Sybille Fendt mit Marta Hoepffner in Szene setzen wird und sich damit ein bisschen in die Geschichte der Fotografie versenkt. Marta Hoepffner war eine Pionierin des fotografischen experimentellen Schaffens unter dem Licht des Bauhaus und des Werkbund. Willi Baumeister war ihr Lehrer am Städel, sie war Dada verbunden und dem

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Konstruktivismus. (Ausstellungsdauer in diesem Fall am 6. Juni bis 1. August) Die Deutsche Börse Photography Foundation beteiligt sich mit dem Projekt »Us and Them«, in dem verschiedene Künstler*innen sich mit dem Thema der Ausgrenzung in totalitären Systemen und der Entstehung rassistischer Feindbilder auseinandersetzen. Das Studio Naxos hat in seinem Parcours-Projekt »Der Rache nicht« bereits die Spur gelegt: Das Museum Giersch wird sich ab dem 22. August den beiden Schwestern Nini und Carry Hess widmen, die zu den herausragenden Fotokünstlerinnen der Weimarer Republik zählten. Paul Hindemith, Thomas und Katia Mann und Mary Wigman ließen sich von ihnen porträtieren, sie unterhielten enge Beziehungen zur Frankfurter Theaterszene. 120 Originalfotografien werden hier erstmalig zu sehen sein. Was für ein Schatz! Dabei sind weitere Hochkaräter wie: DZ Bank Kunstsammlung, das Museum für Angewandte Kunst (Thema: Medienbild Afrikas), das Fotografie Forum, das Historische Museum Frankfurt. as Informationen und Newsletter: www.ray2021.de

Eddo Hartmann (*1973 NL) Trolley Bus, Somun Street, Pyongyang, 2015, aus der Serie Setting the State, Pyongyang, North Korea, 2014–2017 © Eddo Hartmann

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Qiana Mestrich (*1977 US) The Right to Wear War, 2020, aus der Serie Thrall © Qiana Mestrich, Courtesy: sepiaEYE Gallery, NY


MUSEEN

Neue und laufende Ausstellungen 2. Juni: BASIS FRANKFURT; We Can Be Heroes, Sammelausstellung, bis 1. August 2021. www.basis-frankfurt.de

1822 – FORUM DER SPARKASSE; Zoé Hopf, Setzen Stellen Legen, bis 26. Juni 2021

2. Juni: FRANKFURTER KUNSTVEREIN; And This Is Us, Junge Kunst aus Frankfurt, bis 5. September 2021. www.fkv.de

ARCHÄOLOGISCHES MUSEUM, Menschsein/Die Anfänge unserer Kultur, bis 30. Januar 2022. www.archaeologischesmuseum-frankfurt.de

2. Juni: HISTORISCHES MUSEUM FRANKFURT; Schöne ordentliche Bilderwelt – Erziehung zum Wegsehen?, bis 3. Juni 2022. www.historisches-museumfrankfurt.de 3. Juni: FOTOGRAFIE FORUM FRANKFURT; Ray 2021 »Ideologien«, Arbeiten von Akinbode Akinbiji, Johanna Diehl, Qiana Mestrich; bis 12. September 2021. www.fffrankfurt.org 3. Juni: INSTITUT FÜR STADTGESCHICHTE; Eberhard Steneberg. Zwischen allen Stühlen; bis 12. September 2021. www. stadtgeschichte-ffm.de 3. Juni: MUSEUM ANGEWANDTE KUNST (MAK); Ray 2021, »Ideologien«, Werke von Yagazie Emezi, Mohau Modisakeng und Yves Sambu, bis 12. September. www.museumangewandtekunst.de 3. Juni: MUSEUM FÜR MODERNE KUNST, MMK- ZOLLAMT; Ja‘tovia Gary, The Giverny Suite, bis 8. August 2021. www. mmk.art 3. Juni: NEBBIENSCHES GARTENHAUS; Eckhard Gehrmann, Radierung, Holzschnitt, Lithografie; bis 30. Juni 2021. www.frankfurter-kuenstlerclub.de 6. Juni: FRAUENMUSEUM WIESBADEN; Lockdown, 8 künstlerische Positionen, bis 11. Juli 2021. www.frauenmuseumwiesbaden.de 6. Juni: DEUTSCHES GOLDSCHMIEDEHAUS HANAU; Pas de deux – Schmuck von Sylke Alma Klopsch und Helen Friesacher, bis 29. August 2021. www. goldschmiedehaus.com 11. Juni: PALMENGARTEN, Transformationen, Interventionen von Klangkünstler Lasse-Marc Riek, bis 31. Oktober 2021. www.palmengarten.de 17. Juni: DEUTSCHES ARCHITEKTURMUSEUM; Dialog im Museum #12 Die Salons der Republik, bis 15. Juli 2021. www.dam-online.de 25. Juni: PALMENGARTEN; Jubiläumausstellung 150 Jahre Palmengarten, bis 3. Oktober 2021, www.palmengarten.de 26. Juni: DEUTSCHES ARCHITEKTURMUSEUM; Antike radikal, Häuser und Kirchen von Heinz Bienefeld 1954–1995, bis 26. September 2021. www.damonline.de 30. Juni: STAEDEL; Neu Sehen. Die Fotografie der 20er und 30er Jahre, bis 24. Oktober 2021. www.staedelmuseum.de

JUNGES MUSEUM; Umwelt, Klima & Du, bis 24. Oktober 2021. www.junges-museum-frankfurt.de KLINGSPOR MUSEUM OFFENBACH; Born in the USA, eine Hommage an die Kodex Foundation, Berkeley, bis 5. September 2021. www.klingspor-museum.de

CARICATURA MUSEUM; Hauck & Bauer, Grober Strich, feiner Witz, bis 11. Juli 2021. www.caricatura-museum.de

KUNSTFORUM DER TU DARMSTADT; Hilde Roth, Eine Zeitreise durch Darmstadt 1950-1990, bis 3. Oktober 2021. www.tu-darmstadt.de

DZ-BANK KUNSTSTIFTUNG; Adrian Sauer, Identitäten und Ideologien, bis 11. September 2021. www.dzbank-kunstsammlung.de

KUNSTHALLE DARMSTADT; Genaro Strobel, Size, bis 11. Juli 2021. www.kunsthalle-darmstadt.de

DEUTSCHES ARCHITEKTURMUSEUM; Internationaler Hochhauspreis, bis 6. Juni 2021. www.dam-online.de DEUTSCHES ARCHITEKTURMUSEUM; DAM-Preis, bis 27. Juni 2021. www.dam-online.de DEUTSCHES ARCHITEKTURMUSEUM; Einfach Grün bis 11. Juli 2021. www.dam-online.de DEUTSCHES FILMMUSEUM; The Sound of Disney, bis 13. Juni 2021. www.dff.film DEUTSCHES FILMMUSEUM; Unser DFF – Ausstellungsprojekt mit Jugendlichen in besonderen Zeiten, bis o. A. www.dff.film DEUTSCHES GOLDSCHMIEDEHAUS HANAU; Delleziöses – verdellt, verformt, deliziös, bis 30. Juni 2021. www.goldschmiedehaus.com

KUNSTHALLE DARMSTADT; Takeshi Makishima, Circles, bis 29. August 2021, www.kunsthalle-darmstadt.de KUNSTHALLE DARMSTADT; Anastasila Belousova, bis 31. Dezember 2021, www.kunsthalle-darmstadt.de KUNSTHALLE MAINZ Joachim Koester, The way out is the way in, 27. Juni 2021. www.kunsthalle-mainz.de KUNSTHALLE SCHIRN; Gilbert & George, bis 5. September 2021. www.schirn.de KUNSTHALLE SCHIRN; Magnetic North, Ikonen der Malerei aus Kanada, bis 29.August 2021. www.schirn.de KUNSTHALLE SCHIRN; Caroline Monnet, Transatlantic (Rotunde), bis 5. September 2021. www.schirn.de LEDERMUSEUM OFFENBACH; Tierisch schön, bis 16. Januar 2022. www.ledermuseum.de

FRAUENMUSEUM WIESBADEN; Auf der Haut, Paola Marcello, bis 27. Juni 2021. www.frauenmuseum-wiesbaden.de

LEDERMUSEUM OFFENBACH; Step by Step, Schuh-Design im Wandel, bis 16. Januar 2022. www.ledermuseum.de

FRAUENMUSEUM WIESBADEN; Come and see! Anna Huxel, bis 11. Juli 2021. www.frauenmuseum-wiesbaden.de

LIEBIEGHAUS SKULPTURENSAMMLUNG; Bunte Götter, bis 26. September.2021. www.liebieghaus.de

HISTORISCHES MUSEUM FRANKFURT; Frankfurter Gartenlust, bis 10. Oktober 2021. www.historisches-museumfrankfurt.de

MMK TOWER; Sammlung, bis 7. November 2021. www.mmk.art

HISTORISCHES MUSEUM FRANKFURT; Gärtnern Jetzt! Stadtlabor, bis 10. Oktober 2021. www.historisches-museumfrankfurt.de HISTORISCHES MUSEUM FRANKFURT; Prehns Bilderparadies. Die einzigartige Gemäldesammlung eines Frankfurter Konditors der Goethezeit, bis 16. Januar 2022. www.historisches-museumfrankfurt.de INSTITUT FÜR STADTGESCHICHTE FRANKFURT: Bewegte Zeiten, bis 19. September 2021. www.stadtgeschichte-ffm.de JÜDISCHES MUSEUM; Die weibliche Seite Gottes. bis 27. Juni 2021. www.juedischesmuseum.de JÜDISCHES MUSEUM; HOCHBUNKER FRIEDBERGER ANLAGE; Ostend – ein jüdisches Viertel, bis 5. Dezember 2021. www.juedischesmuseum.de

MUSEUM ANGEWANDTE KUNST (MAK); Dieter Rams. Ein Blick zurück und voraus, bis 16. Januar 2022. www.museumangewandtekunst.de MUSEUM ANGEWANDTE KUNST (MAK); Aus heutiger Sicht. Diskurse über die Zukunft, bis 29. August 2021. www.museumangewandtekunst.de MUSEUM ANGEWANDTE KUNST; Meet Asian Art, Schalen Metamorphosen einer Grundform , bis 7. November 2021. www.museumangewandtekunst.de MUSEUM FÜR KOMMUNIKATION; Global Warning, Marshall McLuhan & The Arts, bis 13. Juni 2021. www.mfk-frankfurt.de MUSEUM FÜR KOMMUNIKATION; Briefe ohne Unterschrift, DDR-Geschichte(n) auf BBC, bis 5. September 2021. www.mfk-frankfurt.de MUSEUM FÜR KOMMUNIKATION; Back to future, Technikvisionen, bis 24. Oktober 2021. www.mfk-frankfurt.de

MUSEUM FÜR MODERNE KUNST, TAUNUSANLAGE; Cyprien Gaillard, Frankdurter Schacht, o.A. www.mmk.art MUSEUM FÜR MODERNE KUNST (MMK) Tower; Sammlung, bis 7. November 2021. www.mmk.art MUSEUM SINCLAIR-HAUS; Was ist Natur?, bis 22. August 2021. www.kunst-und-natur.de MUSEUM WIESBADEN; Exquisit – Kunst des 19. Jahrhunderts, Schenkung Jan und Friederike Baechle, bis 26. September 2021. www.museum-wiesbaden.de MUSEUM WIESBADEN; Das Natternkind des Asklepios, Studienausstellung, bis 19. September 2021. www.museum-wiesbaden.de MUSEUM WIESBADEN; Von Kühen, edlen Damen und verzauberten Landschaften. Oder von der Liebe zur Malerei: Neues aus dem 19., bis 26. September 2021. www.museum-wiesbaden.de MUSEUM WIESBADEN; Kristalle – Vom Diamant zum Gips, bis 13.März 2022. www.museum-wiesbaden.de MUSEUM WIESBADEN; Frank Gerritz. Temporary Ground, bis 29. August 2021. www.museum-wiesbaden.de MUSEUM WIESBADEN; Intervention – Chunqing Huang, Painter‘s Portrait, bis 15. August 2021. www.museum-wiesbaden.de NASSAUISCHER KUNSTVEREIN WIESBADEN; Dimitri Venkow. The Hymns of Muscowy, bis 8. August 2021. www.kunstverein-wiesbaden.de NASSAUISCHER KUNSTVEREIN WIESBADEN; Eve & Franco Maltes, Human-inthe-loop, bis 8. August 2021. www.kunstverein-wiesbaden.de OPELVILLEN RÜSSELSHEIM; Lee Miller. Hautnah. Fotografien 1940–1946, bis 3. Oktober 2021. www.opelvillen.de PORTIKUS; Willem de Rooij – Pierre Verger in Suriname, bis 18. Juli 2021. www. portikus.de SENCKENBERG NATURMUSEUM, Zukunft gestalten – Wie wollen wir leben?, bis 31. Dezember 2021. https:// museumfrankfurt.senckenberg.de SENCKENBERG NATURMUSEUM, Edmunds Urzeitreich – Eine Dinograbung in Frankfurt (II), bis o.A.. https:// museumfrankfurt.senckenberg.de STÄDEL MUSEUM; Städels Beckmann, Beckmanns Städel, bis 29. August 2021. www.staedelmuseum.de WELTKULTURENMUSEUM; Grüner Himmel, Blaues Glas, bis 30. Januar 2022. www.weltkulturenmuseum.de WELTKULTURENMUSEUM; Hidden in Plain Sight. Vom Unsichtbarmachen und Sichtbarwerden, bis 18. Juli 2021. www.weltkulturenmuseum.de

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Familie Fotos: © Eugen Sommer

Versuch‘s mal mit Gemütlichkeit Burgfestspiele Bad Vilbel: »Das Dschungelbuch« als Kinder-Musical

Auf Gretas Spuren Staatstheater Darmstadt zeigt die Kinderoper »Das Städtchen Drumherum« Ganz im Zeichen von »Fridays for future« steht die Kinderoper »Das Städtchen Drumherum« von Elisabeth Naske nach dem gleichnamigen Roman von Mira Lobe und Susi Weigel, die vom 30. Mai an auf der Unteren Terrasse des Staatstheaters Darmstadt unter freiem Himmel zur Aufführung kommt. Dabei geht es um einen Bürgermeister, der auf Druck der örtlichen Finan-

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zoligarchie den Wald abholzen soll, es nun aber mit seinen Kindern Julius und Juliane sowie der Hexe Hullewulle zu tun kriegt. Stephan Krautwald hat das Musikstück für junges Publikum ab 8 Jahren inszeniert, das zwischen Wald und Stadt changierende Bühnenbild stammt von Eleni Konstantatou. gt www.staatstheater-darmstadt.de

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Früher als andere haben die Bad Vilbeler Burgfestspiele wieder mit richtigem Theater losgelegt und damit die 35. Saison von Hessens zugkräftigstem Theaterfestival eröffnet. Und in der vorletzten Maiwoche sogar erstmals wieder vor ausverkauften Rängen – rücksichtlich dessen, was ausverkauft heutzutage heißt. 200 Besucher immerhin fanden in pandemiegerechter Sitzordnung auf den Rängen der Wasserburg Platz, um die Premiere des Kinder-Musicals »Das Dschungelbuch« zu feiern. Dabei lässt Rudyard Kiplings Geschichte des kleinen Mowgli, der, von Lukas Schwedek gespielt, auf seinem turbulenten Weg ins Erwachsenenleben herausfindet, wie die unterschiedlichsten Wesen richtige Freunde werden können, insbesondere den beiden Kostümbildnerinnen Monika Seidl und Heike Meixner Raum, sich auszutoben. Von Baloo, dem Bären (Boris Böhringer) und dem Panther Bagheera (Raphael Köb), über die Schlange Kaa (Sonja Herrmaann) und Shirkan, dem Tiger (Theresa Christahl) bis zum Schakal Tabaqui

(Janice Rudelsberger) und dem guten Geier Chil (Krisha Dalke) sind alle bekannten und noch viel mehr Figuren dabei. Regie führt Christian H. Voss, die musikalische Leitung hat Philipp Polzin inne und die Choreographien obliegen Kerstin Ried. Das Musical ist übrigens bereits die zweite Premiere des Festivals gewesen. Ihr vorangegangen ist das Kindertheaterstücks »Die Unendliche Geschichte« nach dem Buch von Michael Ende. Während aber Mowgli sich schon ab dem 4. Juni in den Bühnendschungel begibt, gehen Bastian und sein Kumpel Atréju erst ab dem 28. Juni vor dem Publikum auf ihre abenteuerliche Rettungsreise für das Land Phantasien, in dem die Träume der Menschen wahr werden. gt Termine Dschungelbuch: 4. Juni, 12 Uhr; 5. Juni, 14 Uhr; 21.–25. Juni, 10 Uhr; 26. Juni 15 Uhr (Termine Unendliche Geschichte: 28., 29., 30. Juni, 10 Uhr) www.kultur-bad-vilbel.de


Familie

Ob es so oder so oder anders kommt Theaterhaus Frankfurt: The @rt korrigiert Grimm-Märchen von der Unke

Wie kommt eine Mutter eigentlich dazu, das Lieblingstier ihres Töchterleins zu erschlagen? Dieser Frage geht die Schauspielerin Veronika Specht-Ronique mit ihrem Theaterprojekt the@rt in der Adaption des »Märchens von der Unke« nach, das zu den allerallertraurigsten Hausmärchen der Brüder Grimm gehört. Sie tut das gemeinsam mit der Musikerin Elvira Plenar, ihrem Regie führenden Schauspielkollegen Kosmas Chatziioannidis und vor allem mit ihrem jungen Publikum. Schließlich hat die Mutter nicht geahnt, dass ihr Kind mit der Unke, Wikipedia nennt das eine Feuerkröte, eng befreundet war und täglich seine kleine Mahlzeit draußen im Garten mit dieser teilte. Und noch weniger, dass es nach dem Tod ihrer Freundin selbst die Lust am Leben verliert und stirbt. So traurig muss, so traurig darf ein Märchen für Kinder ab sechs Jahren einfach nicht enden, hat sich die Frankfurter Theatermacherin gesagt und sucht deshalb auf der Bühne des Theaterhauses zusammen mit ihren jungen Gästen nach Gründen, was da wohl schief gelaufen ist zwischen Mutter und Kind. Und danach, wie es auch sein könnte. Specht-Roniques Produktion gehört zu den zunächst sechs, inzwischen aber mehr, mit Unterstützung der Stadt entstandenen neuen Kinderstücken der Theaterschaffenden rund um das Theaterhaus. Das Format ist denn auch kein bloßes Theaterstück, sondern eine demonstrierte Stück-Entwicklung, bei der die jungen Zuschauer erstmal drei Schauspieler sehen, die darüber reden, wie ihr Stück mit der Unke denn gestaltet werden kann und welche Musik dafür am besten wäre. Unmerklich nimmt dabei die dar-

stellende Verena Specht-Ronique die Rolle des Kindes ein, das mit seinen Fragen und Gedanken gar nicht wahrgenommen wird von ihren Partnern, weil die sonstwie beschäftigt sind. Oder auch nur so tun? Verena alias das Kind erlebt damit eine Situation, die auch viele ihrer Zuhörer von zuhause kennen: Dass man die Großen immer wieder nur stört und mag es für einen selbst noch so wichtig sein. »Später«, kriegt man dann zu hören. Oder »Jetzt nicht, mein Liebes«. So könnte es auch im Märchen gewesen sein, dass die Mutter einfach nicht mitkriegt, wie ihre Tochter im Garten eine so wichtige Freundschaft schließt. Sie hat, als sie die Unke erschlug, einfach Angst um ihr Kind gehabt und geglaubt ihm zu helfen. Immer wieder aber bricht Specht-Ronique aus ihrer Mädchenrolle aus und bespricht die Szenen mit ihren beiden Kollegen.

Der Spannung tut das erstaunlicherweise keinen Abbruch. Wieso aber, stellt sich als nächste Frage, hat die Unke das nicht gemerkt, dass sie so in Gefahr ist? Tiere, auch Unken, sind doch sonst so scheu und vorsichtig. Ganz offensichtlich hat sich das Tier zu sicher gefühlt bei seiner Freundin und war deshalb, anders als sonst im Unkenleben, nicht auf eine Bedrohung gefasst. Wäre die Mutter beispielsweise gestolpert, hätte die Unke die Gefahr sofort erkannt, meint Verena als Mädchen, meinen auch ihre Zuhörer. Sie wäre weggesprungen, sagen einige. Und die Tochter? Tja. Es gibt so viel, das sich ausdenken lässt, wie es schöner wäre. Winnie Geipert Termine: 25., 28., 29. Juni, 10 Uhr; 27. Juni, 11 Uhr www.theaterhaus-frankfurt.de

www.theaterhaus-frankfurt.de Fotos: © Katrin Schander

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LIteratur Kolumne: Alf Mayers Blutige Ernte

»Wir dürfen den Sinn für das Komische nicht verlieren« Mercedes Rosende im Interview mit Gera Ferreira und Alf Mayer

Frage: Du bist eigentlich Anwältin, Menschenrechtsanwältin genauer, du hast Recht und Integrationspolitik studiert und du warst und bist auch als Journalistin aktiv. Wie kam es zu deiner literarischen Karriere? Mercedes Rosende: Ich fühle mich immer noch wie eine relativ frischgebackene Schriftstellerin. Das alles kam ein wenig überraschend. Im Jahr 2000 begann ich einen Workshop zu besuchen. Das brachte mich in Kontakt mit der literarischen Welt. Wir waren zu viert und kamen jeden Mittwoch mit einer Flasche billigem Wein zusammen.

Mercedes Rosende © privat

Mercedes Rosende, 1958 in Montevideo geboren, bringt mit überaus unkonventionellen Kriminalromanen ihr Heimatland Uruguay auf die literarische Weltkarte. Ihre Heldin Ursula, eine übergewichtige und komplexe Verbrecherin wider Willen, hat längst die Herzen vieler Leserinnen und Leser erobert. Im Juli erscheint der dritte Band der Montevideo-Romane, er macht Gebrauch von einem legendären Gefängnisausbruch der Tupamaros. Auch hier verschränken sich Politik und Gesellschaft, Ernst und Komik, tiefenscharfes Gesellschaftsbild und leichtfüßiges Erzählen. Wer Kriminalromane jenseits der Konfektion sucht, ist hier gut beraten. Bis der dritte Band jetzt am 12. Juli erscheint, ist Zeit, mit der Lektüre aufzuholen – und für dieses Interview.

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Frage: Wer? Rosende: Henry Trujillo, Ana Vidal, Pablo Silva Olazábal und ich unter der Leitung von Helena Corbellini. Wir nannten es die Andenwerkstatt, weil es in der Andenstraße war. Ich habe aber nie eine literarische Karriere entworfen, weil ich mir das nie wirklich vorstellen konnte. Frage: Wirklich? Rosende: Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich eines Tages einen Literaturagenten habe oder dass sich meine Bücher verkaufen. Oder dass jemand aus einem anderen Land daran interessiert wäre, sie zu übersetzen und zu veröffentlichen. Eines Tages war ich in Haiti am Flughafen und wartete auf meine Abreise. Ich erhielt eine E-Mail: »Verkauf von Rechten in deutscher Sprache.« Die Mail kam von meinem Agenten. An diesem Tag habe ich mich öfter in den Arm gezwickt. In den Tagen danach auch. Und sogar heute noch manchmal. Frage: Welches Buch war das damals? Rosende: Das waren die »Krokodilstränen«. Und es war der Unionsverlag aus Zürich, wo auch Leonardo Padura und Claudia Piñeiro veröffentlicht werden. Da fühlte ich mich sofort heimisch. Die Lesereise dann war fantastisch. Und ich bin glücklich, Peter Kultzen als meinen deutschen Übersetzer zu haben.

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Frage: Du hast mit den »Krokodilstränen« ja auch noch den LiBeraturpreis gewonnen … Rosende: Ja, den Publikumspreis der Litprom. Darauf bin ich stolz. Da fühlte ich mich im deutschsprachigen Raum angekommen. Dieser Verein macht eine sehr gute Lobbyarbeit für Literatur aus Afrika, Asien, Lateinamerika und der arabischen Welt. In meinem Fall hat das bestens funktioniert. Das ist toll. Frage: Und jetzt gibt es schon den dritten Roman mit Ursula. Eine Trilogie? Rosende: Nein. Das sieht nur momentan so aus. Meine Verleger wünschen sich und mir, dass Ursula ein langes Leben haben wird. Frage: Wie weit kann deine Geschichte nach Teil drei noch gehen, wo du ja ein berühmten Kriminalfall Uruguays einbaust, vielleicht den berühmtesten? Den Ausbruch von über hundert Tupamaros 1971 aus dem Gefängnis von Punta Carretas. Rosende: Schauen wir mal (lacht). Ich bin selbst neugierig, aber sicher werde ich das nicht wie Kaugummi dehnen. Frage: Sind Auszeichnungen für dich wichtig? Rosende: Ja sicher. Wer würde hier Nein sagen? Aber es ist mir auch wichtig, was Freunde sagen, denen ich vertraue. Und natürlich haben auch Verleger ihren Blick und ihre professionelle Einschätzung. Ich

gebe meine Bücher aber immer auch Leuten zu lesen, die mit der Verlagsbranche nichts zu tun haben. Sehr wichtig ist es für mich zu sehen, ob meine Kinder es schnell oder langsam lesen, denn sie sind junge, normale Leser und haben keine Literatur studiert. Frage: Du wirst inzwischen auch in der englischsprachigen Welt verlegt. Das ist nicht so selbstverständlich, oder? Rosende: Nein, gar nicht. Die Verlagswelt ist schon seltsam, ich kann nicht behaupten, sie zu verstehen. Es sieht so aus, als wäre es der »Umweg« über meinen Verlag in Zürich gewesen, der bei mir ausschlaggebend gewesen ist. Weil der Unionsverlag ein international sehr angesehener Verlag ist, wurden andere auf mich aufmerksam. Als Bitter Lemon Press dann die englischsprachigen Rechte kaufte, hat mich das nach Großbritannien, in die USA, nach Neuseeland und Australien sowie über Amazon in alle anglophonen Länder gebracht. Frage: Und wie ist das jetzt? Bedeutet das mehr Freiheit oder mehr Druck? Rosende: (lacht) Wieso Druck? Ich werde schreiben, solange es mir selbst etwas gibt. Einerseits habe ich die Freiheit, andere Dinge zu schreiben, andererseits kann ich mir die Freiheit erlauben, nie wieder zu schreiben, wenn ich keine Lust mehr dazu habe.


Literatur Frage: Kannst du von der Literatur leben? Rosende: Ja, tatsächlich lebe ich seit gut zwei Jahren von der Literatur. Ich weiß nicht, wie lange das anhalten wird. Würden meine Bücher nur in Uruguay erscheinen, ginge das nicht, dafür braucht man das Ausland. Frage: Du hattest in Uruguay mit früheren Büchern Preise gewonnen. Wie wichtig war das? Rosende: (lacht) Gar nicht. Kein ausländischer Verlag wird in dein Buch investieren, weil es den Montevideo City Hall Award gewonnen hat. Oder den Preis des MEC, des Ministerio de Educación y Cultura. Im internationalen Markt Fuß zu fassen, ist schwierig bis unmöglich. Gerade deshalb sind Buchmessen und alle Arten von literarischen Veranstaltungen, bei denen Rechte verkauft werden können, so wichtig. Das muss gefördert werden. Die Litprom zum Beispiel macht das ganz fantastisch. Frage: Deine Bücher sind recht unterschiedlich erzählt. »Falsche Ursula« ist sehr lustig, weil eben auch die Heldin sehr komisch ist. In »Krokodilstränen« werden die Nebenfiguren wichtiger … Rosende: Der große rote Faden der Ursula-Romane ist Humor. Der ist mir wichtig. Es hat keinen Sinn, nur grimmig auf das Leben zu schauen. Wir alle dürfen den Sinn für das Komische nicht verlieren. Für mich ist Humor ein grundlegendes Element in allem, was ich schreibe. Frage: Was hat sich von einem Roman zum anderen geändert? Was war die persönliche Herausforderung? Rosende: Bei »Falsche Ursula« bestand die Herausforderung darin,

aus den Anforderungen und Sehnsüchten der Frauen nach unrealistischen Schönheitsstandards keine intellektuelle Abhandlung zu machen, sondern ein möglichst sinnliches, pfiffiges Buch über den Druck, als Frau genauso auszusehen zu sollen wie ein Zeitschriften-Cover. Die »Krokodilstränen« sollten keine Fußnote dazu sein, sondern eine autonome Erzählung, mit einer anderen Geschichte und einem anderen Erzähler. Bei Buch Drei wollte ich einfach auch unsere nationale Geschichte mit reflektieren. Frage: Die drei Romane habe eine unterschiedliche Erzählstrategie. Das ist Absicht? Rosende: Aber ja. Einmal ist Ursula allein die erzählende Stimme. Dann gibt es einen Erzähler in der dritten Person, der aber nicht allwissend ist. Er ist ein engagierter Erzähler, er denkt über die Charaktere nach. Frage: Und der dritte Ursula-Roman ist eine Mischung? Rosende: Ja. Die Herausforderung bestand für mich darin, Charakteren, die noch nie gesprochen hatten, eine Stimme zu geben. Und das dann auch mit der uruguayischen Geschichte zu verschmelzen. Frage: Die Flucht der Tupamaros aus dem Gefängnis von Punta Carretas? Rosende: Ja. Aber was ist jetzt davon übrig? Eigentlich nur der Tunnel, und den habe ich mit Ursula verbunden. Aber ich möchte nicht zu viel verraten. Frage: Wie lief der Schreibprozess für dieses Buch ab? Rosende: Ich schreibe nie linear, sondern immer in Szenen. Zuerst habe ich eine bestimmte Szene im Kopf. Ich weiß nur noch nicht, wo sie stehen wird. In diesem Fall war das Ursulas Flucht durch den Tunnel. Mit dieser Szene hatte ich den Kern des Romans gefunden, nun musste ich nur noch die Handlung dort hintreiben. Am Anfang des Romans steht nun letztlich Ursula, die zu ihrem toten Vater spricht. Und dazwischen passiert so einiges. Der Tunnel geisterte schon lange durch meine Gedanken, er hat mich fasziniert. Ich habe viel darüber recherchiert, wo genau er liegt, wie lang, wie hoch, wie breit, wie tief er ist. Um diesen Tunnel hat sich die Geschichte gebildet. Germans und Ursulas Abenteuer, die alle darauf zurückzuführen sind, dass eine Menge Leute hinter dem erbeuteten Geld her sind, gipfeln in der Szene, in der Ursula und Luz durch den Tunnel fliehen.

Frage: Du hast einmal gesagt, du nimmst deine Figuren aus der Realität, weil du eine faule Schriftstellerin seist. Ist das so? Rosende: (lacht) Ja, da bin ich ertappt. Um meine Charaktere zu bauen, versuche ich, mich von einer realen Person inspirieren zu lassen. Ursula gibt es real, aber sie ist natürlich keine Mörderin. Frage: Was verbindet dich mit Ursula? Rosende: Sie ist jemand, die sich gegen das ihr und generell Frauen zugeschriebene Rollenbild wehrt. Das finde ich sehr sympathisch und wichtig. Inzwischen verstehe ich mich immer besser mit ihr. Anfangs dachte ich, sie sei nicht besonders liebenswürdig. Die Reaktionen der Leserinnen und Leser haben mich aber eines Besseren belehrt. Sie mochten Ursula, die Mörderin mit Humor. Sie ist sozusagen eine sympathische Killerin. Und sie hat sich weiterentwickelt, immerhin habe ich ihr auch sehr viele Probleme und Sorgen mitgegeben. Eine übergewichtige Frau, bewusst alleinstehend und kinderlos. Eine Frau, die nicht das ist, was man von einer Frau erwartet. Ich wollte nicht nur aufzeigen, dass Frauen(-Körper) selten das sind, was ihnen die Gesellschaft zuschreibt, sondern auch, dass sie unerwartete Wege einschlagen. Ursula ist mit der Zeit zu einer sehr komplexen Figur geworden. Frage: Hast du Feedback von deinen Leserinnen und Lesern? Rosende: Die Realität ist, dass ich vermutlich deutlich mehr Rückmeldungen habe als es Shakespeare oder Cervantes je vergönnt war. Als ich mich vor zwölf Jahren auf Facebook angemeldet habe, hatte ich nicht unbedingt im Sinn, literarische Türen zu öffnen oder den Leserinnen und Lesern meiner Bücher näher zu kommen. Aber immer wieder teilen viele mir mit, was sie in meinen Büchern mögen, oder sie schicken mir Fotos von einer Stelle im Buch, die für sie bewegend war. Mit der Zeit habe ich realisiert: Viele dieser Leserinnen und Leser sind nicht die Fans von Mercedes Rosende, der Schriftstellerin. Sie sind Fans der Figur Ursula López. Das kommt mir ziemlich verrückt vor, denn irgendwann verschwimmen dabei die Grenzen zwischen Ursula und mir. Die sozialen Netzwerke sind schon sehr sonderbar, nicht?

Die Montevideo-Romane von Mercedes Rosende: Nr. 3: Der Ursula-Effekt (Qué ganas de no verte nunca más, 2019). Aus dem Spanischen von Peter Kultzen. Unionsverlag, Zürich 2021. 288 Seiten, Broschur, 18 Euro. Erscheint am 12. Juli. Nr. 2: Krokodilstränen (El miserere de los cocodrilos, 2017). Aus dem Spanischen von Peter Kultzen. 224 Seiten, Taschenbuch, 12,95 Euro. Nr. 1: Falsche Ursula (Mujer equivocada, 2011). Aus dem Spanischen von Peter Kultzen. 208 Seiten, 18 Euro.

In diesem Buch gibt Margot Unbescheid den Blick frei auf das turbulente, verstörende, oft anstrengende, manchmal traurige, aber auch überraschend wunderbare Leben mit einem von Demenz betroffenen Angehörigen – damit endlich alle wissen, was zu tun ist, wenn es erst los- und dann auch weitergeht mit der Demenz.

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LIteratur

Unruhige Zeiten Ulrike Edschmids neuer Roman »Levys Testament« Dicht geschrieben. Locker gefügt. »Levys Testament« umfasst keine hundertvierzig Seiten, in immerhin neunundvierzig Kapiteln. Die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Die Linke, die Szene der Hausbesetzer. Den Widerstand. Auf dem Hintergrund der politischen Kämpfe entwickelt sich eine Liebesgeschichte zwischen dem »Engländer« und einer deutschen Filmstudentin, in der die Geschichte des 20. Jahrhunderts aufscheint. Sogar »Die Welt« jubelte: »ein lebendiges Dokument eines historischen Bewusstseins«. »Levys Testament« schließt zeitlich direkt an einen früheren Roman der Edschmid an: »Das Verschwinden des Philip S.« (2013).

Ulrike Edschmid: Levys Testament. Roman Suhrkamp Verlag, Berlin 2021, 144 S., 20 €

Ulrike Edschmid © Sebastian Edschmid/SV

Die Ich-Erzählerin, die wieder einmal namenlos bleibt und sich gern, wie viele der Protagonisten von Ulrike Edschmid persönlich zurücknimmt, um Vorgänge und nicht Befindlichkeiten zu beschreiben, diese Frau fährt 1972 mit anderen Studenten der Berliner Filmakademie zu einem Festival nach London. Dort lernt sie einen jungen Mann kennen, den sie nur den »Engländer« nennt. So schafft sie Distanz, einen, wie sie glaubt, ungetrübten Blick von außen. Ihr Liebhaber stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Seine Vorfahren, Juden, kamen auf Umwegen aus Odessa und Kiew schließlich nach England. Für die Erzählerin aber bleibt »der Engländer« ein »Siegertyp«, »einer mit Zukunft«. Dessen Vater, ein stiller, eher unglücklicher Mann, blieb dem Sohn mit einem Satz für immer in Erinnerung: »They did not look after me«. Sie haben sich nicht um mich gekümmert. Es dauert fast ein Leben lang, bis dem Sohn die Bedeutung dieses Satzes aufgeht. Aber der Reihe nach:

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Der »Engländer« und die IchErzählerin verfolgen im Gerichtsaal von »Old Bailey« die Prozesse gegen linke Anarchisten, Bombenleger und Terroristen, die strikt der Maxime folgten: Gewalt gegen Sachen (und nicht gegen Menschen). Sie sind »intelligent, gebildet, politischsozial engagiert, abgestoßen von der Warenwelt und der Macht des Geldes«. Beide sind Sympathisanten dieser Szene. Beide sind der Überzeugung, dass sie von den Angeklagten »nur ein kleiner, einmal getaner Schritt auf die andere Seite« trennt. Ihre eigene Freiheit erfahren die beiden »als schmerzliches Glück, das am seidenen Faden hängt«. Beide kennen die Gretchenfrage jener Jahre: Was machst du, wenn die Meinhof oder Andreas Bader bei dir klingeln? In Frankfurt, zu Zeiten des Häuserkampfs im Frankfurter Westend, ziehen sie in eine WG. Er spielt, wie ein späterer Außenminister, Fußball im Ostpark, leistet seine Fabrikarbeit. Die beiden unternehmen ausgedehnte Reisen quer durch Europa. Aber der »Engländer«

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entdeckt zunehmend andere Interessen, er baut eine Theatertruppe auf. Das Liebespaar trennt sich, sie bleiben aber weiterhin eng miteinander befreundet. Wo immer er mit der Truppe auftritt, versucht sie, die Stücke zu sehen. Der »Engländer« hat jetzt ein Leben, »das auf Karriere zugeschnitten« ist. Die Ich-Erzählerin versteht das nicht. Sie ist enttäuscht. Aber auch er hat bei allem Erfolg immer das Gefühl – »zu Hause ist er nirgends«. Dann plötzlich ein überraschender Anruf aus England. Eine Cousine, die ihn zu einem großen Familientreffen nach London einlädt. Dieses Treffen mit all den Onkels, Tanten, Cousinen und Cousins erscheint ihm anfangs als eine Art Erlösung von dem lebenslangen Gefühl der »Fremdheit«. Er erfährt von seiner abgründigen Familiengeschichte, von Betrug und Lügen und vor allem von der zum Himmel schreienden Ungerechtigkeit. Der Großvater des »Engländers« musste nämlich allein für die Schuld büßen, die einst die ganze Familie zu verantworten hatte. Jetzt wird auch klar,

was der Satz bedeutete: »They did not look after me«. Den »Schmerz hinter diesen Worten« haben die Betroffenen »mit ins Grab« genommen. Es ist eine seltsame Verbindung, die die politische Geschichte der siebziger Jahre mit der europäischen Geschichte des letzten Jahrhunderts eingeht. Ulrike Edschmid verschränkt hier die Niederlagen der Neuen Linken mit den Hypotheken des alten Europas. Doch immer mal wieder blitzt ein Rest von Utopie auf. Beim Fußball im Frankfurter Ostpark. Und auch wenn Tottenham im Europapokal spielt. Die Hotspurs sind immerhin Achter in der ewigen Rangliste der Premier League. Und meistens in Europa dabei. Sigrid Lüdke-Haertel


Literatur

Großes Kino »Drei Quadratmeter Vergänglichkeit« Wer immer an der Konzeption und Ermöglichung dieses Bandes beteiligt war, hat alles richtig gemacht. Großes Kompliment. Im Impressum lese ich eine alarmierende Zahl: »Privatdruck der Universität Erfurt in Kooperation mit der DEFA-Stiftung Berlin in 600 Exemplaren. Vertrieb: Bertz + Fischer Verlag Berlin.« Ein Filmbuch wie dies, Format 27,5 × 25 cm, Hardcover, durchgängig farbig, 184 Seiten, für 29 Euro im Verkauf, geht also mit 600 Exemplaren an den Start, dies in einem Land mit 83,02 Millionen Einwohnern und 118,6 Millionen Kinogängern im Vor-Corona-Jahr 2019. Die im gleichen Verlag erschienene mustergültige erste deutsche Monographie des Regisseurs Anthony Mann von Ines Bayer hatte eine Startauflage von 400. So hoch und weit ist der Horizont der Cineasten also hierzulande noch gespannt. Wahrlich keine Massenbewegung. Das vorab. Vergänglich, sogar extrem vergänglich war das Medium, dem der Forscher Patrick Rössler im völlig zu Recht so betitelten Band »Großes Kino« seine Aufmerksamkeit widmet: nämlich den monumentalen DDR-Filmplakaten der 1960erJahre, mit denen der Progress Filmverleih, der einzige Filmverleih der DDR, für besonders massentaugliche Filme warb. Diese besondere Öffentlichkeitsform im Format Dreifach A0, vom Verleih »Großfläche« genannt, entfaltete mit ihren gut meterhohen und annähernd zweieinhalb Meter breiten Panoramen eine besondere visuelle Kraft. In der heutigen Filmliteratur und in den Archiven blieb sie weithin unbekannt und unbeachtet, weil sie enorm vergänglich war. »Von den aufwändigen, überformatigen Drucken auf stärkerem

Papier wurde in der stets auf einen effektiven Rohstoffeinsatz ausgerichteten DDR-Planwirtschaft nur eine geringe Anzahl hergestellt – und diese primär durch Klebung verarbeitet (drei zusammengesetzte A0-Plakatteile), so dass sie nach Verwendung verloren waren und überkleistert wurden«, schreibt Rössler. Der Bildband versammelt insgesamt 162 Plakatbeispiele, alle zwischen 1959 und 1966 entstanden. Der Schwerpunkt liegt auf dem besonders gut dokumentierten Jahr 1963, aus dem sich 73 Plakate wiederfinden – und aufschlussreiche Vergleiche erlauben. Die im Buch zusammengetragene und filmwissenschaftlich erschlossene Auswahl dokumentiert die Sammlung der Universitätsbibliothek Erfurt, wo sich in den Beständen der Interdisziplinären Forschungsstelle für historische Medien (IFhM) ein Konvolut von über 100 unbenutzten Großflächenplakaten erhalten hat. Für die Publikation wurden sie um rund 30 weitere Plakate aus einer Privatsammlung ergänzt. Jeder im Buch vorgestellte Film ist mit seinem Breitwand-Werbemotiv präsentiert, dazu kommen die wichtigsten filmografischen Angaben, ein (kleineres) hochformatiges »Normal«-Plakat oder Szenenfoto sowie ein kommentierender Kurzinhalt aus der Online-Datenbank »Lexikon des Internationalen Films«, die seit Jahrzehnten von der Katholischen Filmkommission für Deutschland und dem Internetangebot »filmdienst« (früher eine gedruckte Filmzeitschrift) gepflegt wird. Gerade in Zusammenhang mit manchem »Ostblock«-Film erzeugt die meist im Kern westdeutsche Inhaltswertung oft eine hübsche Reibung. An geeigneter

Stelle wird darauf hingewiesen, dass es sich um zeitgenössische Einschätzungen handle und das bei einer Betrachtung aus heutiger Perspektive zu berücksichtigen sei. Und immer findet sich der Name des Breitwand-Künstlers. Ein Verzeichnis am Buchende nennt an die 50 Namen, besonders oft genannt werden Kurt Geffers, Jür-

gen Großmann, Ernst Lauenroth, Helmut Merten und Klaus Poche. Es fällt auf, wie zu Beginn der PlakatÄra noch viele Filmfotos auf dem Plakaten zu finden sind, wie dann allmählich mit Typografie und Proportionen gespielt sind, ehe sich die Breitwand immer mehr entfaltet. Großes Kino, eben – und das aus der DDR. Alf Mayer

Patrick Rössler: Großes Kino. Monumentale DDRFilmplakate der 1960erJahre. Erschienen zum 75. DEFA-Jubiläum. Verlag Bertz und Fischer, Berlin 2021. 184 Seiten, Querformat, über 350 farbige Abbildungen, 29 Euro.

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LIteratur

Sehnsuchtsorte »Film Stills. Berliner Kinos im Lockdown« Ein schönes Buch, ich mag es gar nicht aus der Hand legen. Eine Fotogeschichte von A bis Z nennt sich der wunderbare, aber eben auch wunderbar traurige Fotoband »Film Stills« von Beat Presser & Danit im Untertitel. Er zeigt alle 77 »Berliner Kinos im Lockdown«. Der Filmwissenschaftler Hans Helmut Prinzler weist in seinem Vorwort zu Recht darauf hin, dass es das in den letzten hundert Jahren noch nicht gegeben hat, dass alle Kinos geschlossen waren. Während des 1. Lockdowns war das in Berlin vom 14. März bis zum 1. Juli 2020 der Fall. Der Schweizer Fotograf Beat Presser und die Bildhauerin Danit machten sich kurzerhand auf den Weg und fotografierten die Lichtspieltheater im Großraum Berlin. Von außen versteht sich. Jedes Kino hat eine Doppelseite, wird flankiert von zwei Zitaten aus der Kinowelt. Bekanntes und viel Unbekanntes. Eine schöne Idee, die auf vielfältige Weise die Magie des Kinos transportiert. Und dann sind da sie Kinos selbst. BITTE BLEIBEN SIE GESUND wünschen

die roten Blechbuchstaben am Bali in Berlin-Zehlendorf. WIR SEHEN UNS WIEDER versprechen sie am eleganten Cinema Paris auf dem Kurfürstendamm. Es ist eine bunte, äußerst vielfältige Kulturwelt, durch die uns der Bildband führt. Er zeigt Hinterhöfe und Flaniermeilen, moderne Fassaden und bröckelnder Putz, Zweck- und Repräsentationsbauten, Unscheinbares und Glamouröses, Edles und Schäbiges. Immer aber geht es – auch wenn wir bis auf dem Foto auf dem Umschlag – nie ins Innere schauen können, um den Raum, von dem wir alle wissen. Den wir alle lieben und den Christine Handke vom Filmmuseum Potsdam so benennt: »Das Kino ist und bleibt einzigartiger Erlebnisraum, in dem gemeinsam geweint und gelacht wird, wir ferne Länder ohne Flugzeug bereisen, fremde Schicksale zu unseren eigenen werden. Ein Leben ohne Kino ist undenkbar.« In den 1920er Jahren gab es alleine im Berliner Ortsteil Mitte rund sechzig Lichtspieltheater. Heute sind es im ganzen Großraum Berlin

noch zusammen 77. Ob sie alle die Corona-Zeit überleben, ist ungewiss. Das macht einen Teil der Wehmut und der Gefühle aus, die dieser schmucke Fotoband hervorruft. Von Beat Presser stammen auch die Bildbände »Vor der Klappe ist Chaos. Eine Hommage an den Neuen Deutschen Film – und an die Kunst des Filmemachens« und »Aufbruch ins Jetzt – Der Neue Deutsche Film im Gespräch«.

Beat Presser & Danit: Film Stills. Berliner Kinos im Lockdown. Buchdesign Vera Pechel, mit Zitaten aus der Filmgeschichte. Deutsch und Englisch. Verlag Zweitausendeins, Leipzig 2021. Klappenbroschur, Format 21 × 14,1 cm. 192 Seiten, 15 Euro. Internetseite zum Buch https://film-stills.de

Alf Mayer

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