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Staatstheater Darmstadt
Fr 2. / Sa 3. Juni 2023 20:30 Uhr
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Gastspiel Ensemble noctenytor: Hin und her von Ödön von Horváth · Regie: Anna-Sophie Sattler
Sa 3. Juni 2023 15:00 · So 4. Juni 2023 18:00 Uhr
Kinder- und Jugendtheater: Macbeth von William Shakespeare · Regie: Anna-Sophie Sattler
Fr 9. Juni 2023 20:30 Uhr · Gastspiel von Improglycerin: Impro-Show Hans guck in’s All
Sa 10. Juni 2023 20:30 Uhr · Gastspiel von Improglycerin: Impro-Show Bingo im Businesscall
So 11. Juni 2023 18:00 Uhr
Musik im Keller · Gastspiel: Tribalblue
Fr 16. / Sa 17. / Fr 23. / Sa 24. Juni 2023 20:30 Uhr
Kellertheater-Produktion
Der Besuch der alten Dame von Friedrich Dürrenmatt · Regie: Ute Rasim
So 18. Juni 2023 18:00 Uhr
Jazz im Keller: Off Time Connection
Fr 30. Juni / Sa 1. Juli 20:30 Uhr / So 2. Juli 2023 19:00 Uhr
Koproduktion Theatre4You / Kellertheater:
Das Ende des Regens von Andrew Bovell
Deutsch von Maria Harpner und Anatol Preissler
Regie: Michael Gonszar
Kellertheater Frankfurt
Mainstraße 2 · 60311 Frankfurt / Main
Kartenvorbestellung: Telefon 0 69 / 28 80 23 oder online unter www.kellertheater-frankfurt.de
Frisch, frech und unverhüllt
Staatstheater Wiesbaden:
Gelungene Inszenierung von molières »Tartuffe«
Allzu oft werden Klassiker heutzutage abgehoben inszeniert, weit weg von dem, wie sie einst gedacht waren. Umso erfreulicher ist die Mischung, die der nach der nächsten Saison scheidende Intendant des Wiesbadener Staatstheaters, Uwe Eric Laufenberg, bei seiner Variation des berühmten »Tartuffe« von Molière im Kleinen Haus serviert. Seine Hausgesellschaft, das sind überwiegend Party-People in zeitlos schicker, schwarzer Kleidung von Marianne Glittenberg, die gleichermaßen in der Vergangenheit wie in der Gegenwart feiern könnten. Das Bühnenbild von Rolf Glittenberg ist schlicht: Zwischen pastellfarbenen
Wänden, darunter eine mittige im Hintergrund, die manchen und manches versteckt und verdeckt, steht ein graues, eher modernes Sofa. Drei Bildschirme zeigen Ausschnitte von »Tagesschau« bis »Dschungelcamp“, die das jeweilige Geschehen davor kommentieren.
Ansonsten hält sich das Ensemble sehr nahe an der Vorlage.
Der Titelheld ist ein lange schmieriger, von Christoph Kohlbacher göttlich gespielter Schein-Heiliger, der drei Religionen gleichzeitig folgt, hintereinander Weihwassergefäß, Chanukka-Leuchter und Gebetsteppich aus der Tasche zieht, um in Wahrheit doch nur sich selbst und seinem eigenen Vorteil zu dienen. Den naiven Hausherrn Orgon (Michael Birnbaum) hat der Heuchler sich als eine Art Sekten-Guru gefügig gemacht, genießt, auch gegen den betonten Widerstand der Verwandtschaft, dessen höchstes Vertrauen und Großzügigkeit und erschleicht sich auf diesem Weg dessen Erbe. Die Grande Dame der Gesellschaft, die von Monika Kroll herrisch fein gemimte Madame Pernelle, von der erst mal jeder Mit-
Der Tod – eine Hyäne
u17 mainz bringt Adeline Dieudonnés
»Das wirkliche leben« auf die Bühne bewohner sein Fett abbekommt, folgt dem Verführer nicht weniger blind als ihr Sohn. Enkel Damis (Lukas Schrenk) kann es nicht fassen, Orgons Gattin Elmire (Maria Wördemann) stellt dem Betrüger mit all ihren Reizen und vollem Einsatz eine Falle, in der er schließlich auch im wortwörtlichen Sinne die Hüllen fallen lässt. Über den klarsten Blick in der Gemengelage, in die auch noch der vernünftige Schwager Cléante (Christian Klischat), Tochter Marianne (Marlene-Sophie Haagen) und der in diese verliebte Werber Valère (Paul Simon) eingebunden sind, verfügt jedoch die resolute Zofe Dorine, von Christina Tzatzaraki vortrefflich dargestellt, die keinerlei Zurückhaltung kennt, wenn es gilt, ihrem Herrn die Meinung zu geigen.
Das gesamte Aufgebot, darunter am Ende auch noch Benjamin Krämer-Jenster als sich hinter dem irreführenden Namen Loyal verbergender Gerichtsdiener, strotzt nur so vor Spiellust, kostet manche Passagen fast schon enervierend aus, was den unterhaltsamen Charakter des knapp drei Stunden langen, intensiven Abends aber eher stärkt. Vor mehr als 350 Jahren geschrieben, ist die bitterböse Komödie des französischen Dichters bis heute erstaunlich aktuell geblieben. Laufenberg verpasst ihr, als größter Eingriff in die Vorlage, noch ein überraschendes Ende und rundet eine starke Vorstellung damit drastisch ab. So frisch und frech kann Altbekanntes sein, ohne die Wurzeln zu verdecken.
Katja Sturm
Termine 3. Juni, 19.30 Uhr, 4. , 11., 18. Juni jeweils 16 Uhr www.staatstheater-wiesbaden.de
Wie stellt man gnadenlose Gewalt verträglich dar? Kann man ein furchtbares Trauma visualisieren? Milena Mönch stellt sich in Mainz dieser Herausforderung und bringt »Das wirkliche Leben«, ein Stück nach dem gleichnamigen Roman von Adeline Dieudonné, auf die Bühne. Die Spielstätte U17 steht für Publikumsnähe und Intimität. Zuschauerraum und Bühne sind sich ungemein nah, um auf den Platz zu kommen, muss man über die Bühne laufen. Die Voraussetzungen scheinen gut. Auf dieser Bühne findet sich ein Rechteck, an die Ränder eines überdimensionierten Sandkastens erinnernd, später erfährt man, das ist der Pool der Familie. Hier spielt sich ihr Leben ab. Diese Familie wird von der namenlosen Ich-Erzählerin (ganz hervorragend: Carlotta Hein) präsentiert. An sich ein Idyll, eine typische, ideale Kleinfamilie – Mutter, Vater, zwei Kinder – ein Mädchen und ein Junge. Aber diese Idylle hat schon von Beginn an Risse: die Mutter wird regelmäßig vom brutalen Vater geschlagen, die Kinder flüchten sich in eine enge Geschwisterbeziehung. Das Trauma bekommt seine Vollendung, als die beiden Kinder mitansehen müssen, wie ein Eisverkäufer vor ihren Augen durch eine Explosion grauenvoll stirbt. Das Grauen wird hier nicht ausgeschmückt, nicht illustriert. Damit verliert das Stück an Kontur, die der Roman hat. Diesen zu lesen kostet Kraft, man ringt sich Seite für Seite ab, sind diese doch geprägt von den Darstellungen der Brutalität. Es wundert nicht, dass der kleine Bruder, Gilles (Sabah Qalo), verstummt und immer mehr dem Vater nacheifert. Wohin sollte er auch mit seiner Trauer und seinem Schmerz? Die Eltern (Mutter: Kruna Savic, Vater: Holger Kraft) sind kein verlässlicher Anker, sie negieren ihre Probleme, sind in ihr Schicksal ergeben.
So ist es an der Ich-Erzählerin eine Lösung zu finden. Sie ähnelt im Aussehen Prinz Eisenherz, blond Perücke mit typischem Schnitt, blaue Organzabluse mit Puffärmelchen (Kostüme: Sophie Rieser). Und ihre Lösung ist dabei mehr als ungewöhnlich: sie möchte eine Zeitmaschine bauen, um zurückzureisen und mit dem Eisverkäufer auch Gilles zu retten, der sich immer mehr der Gewalt hingibt. Das gruselige Bild des Todes als Hyäne, das sich die Ich-Erzählerin erschafft, ist inspiriert durch die ausgestopften Tiere des Vaters, der seine Brutalität auch in der Jagd auslebt. Eine Jagd, die er bald auf seine Tochter ausweitet. Wie ein gehetztes Tier rennt sie über die Bühne, flüchtet vor ihm und ihrem Bruder. Aus einem kindlichen Spiel ist längst grausamer Ernst geworden. Und über allem das Lachen der Hyänen. Milena Mönch greift mit Dieudonnés Roman ein Thema auf, das leider nie an Brisanz verliert. Die ausgeprägte Grausamkeit des Romans bringt sie jedoch nicht auf die Bühne. Die Inszenierung erinnert eher an eine szenische Lesung, sie nutzt die Intimität der kleinen Spielstätte nicht. Die ungemeine Textfülle ringt dem Zuschauer Respekt ab vor der Leistung der Schauspieler, die ihre Rollen – nur die Ich-Erzählerin bleibt konstant – mit viel Herzblut füllen, denen es aber nicht gelingt, damit tatsächlich auch die Stimmung des Romans auf die Bühne zu bringen. Am Ende fragt man sich, ob ein solches Trauma überhaupt dargestellt werden kann, ob so viel Brutalität auf die Bühne muss – und wenn sie das muss, müsste sie dann nicht auch zu sehen sein? Die Mainzer Inszenierung bleibt hier zu brav.
Johanna Martin
Termin 7. Juni, 19.30 Uhr www.staatstheater-mainz.com
Serienkiller in bester Absicht
Burgfestspiele Bad Vilbel: Krimikomödie »Achtsam morden« im Theaterkeller
Bis zur Ankündigung dieses die Bad Vilbeler Burgfestspiele 2023 anschiebenden Stücks »Achtsam morden« war dem Schreiber dieser Zeilen die Existenz einer Achtsamkeits-Therapie gänzlich unbekannt. Dass es dabei im Wesentlichen darum geht, sich voll und ganz dem zu widmen, was man gerade tut, bedarf indes keiner großen Erläuterungen und vermittelt sich ganz unkompliziert auch über die Bühnenadaption dieses Romans von Karsten Dusse in der Regie von Ulrich Cyran für den Vilbeler Theaterkeller.
Erzählt wird in der Rückschau die Geschichte des Anwalts Björn Diemel, dem seine Frau Katharina mit der Empfehlung einer solchen Therapie die letzte Chance auf eine gemeinsame Zukunft mit ihr und Töchterchen Emily gibt. Dumm nur, dass dieser Björn, der ein lieber Mann und ein noch lieberer Vater sein will, sein gutes Geld, den schikken Wagen und seine Rolex mit den brutalsten Brutalos unter den Balkanverbrecherbanden verdient, die schnell mit Messern, Kalaschnikows oder Handgranaten zugange sind und sich nicht scheuen, Björn und seine Familie selbst zu bedrohen, wenn‘s denn sein muss.
Kein Stück für schwache Nerven, das uns da von der Hauptfigur als Genese seines ersten Mordes (»Mit 42 Jahren in bester Absicht«) nach den Lehren der Achtsamkeit geschildert wird und die Haare zu Berge stellt. Den grausamen Dragan mordet er schließlich nur, um seine Work-Live-Balance in Ordnung zu bringen. Während er den Lehren seines Coachs folgend ganz Papa ist auf seiner Zeitinsel mit Emily am hochsommerlichen Waldsee, stirbt der Serbe, wenn es nicht gar ein Albaner ist, grausam den vielfach verdienten Hitzetod im Kofferraum. Mit irrwitzigen Konsequenzen, die den gesamten Untergrund mitsamt dem Polizeiapparat auf die Bildfläche bringen, und aus dem fahrigen überforderten Anwalt, einen ganz entspannten Serienmörder machen.
Vor Augen und ins Gehör gebracht wird uns dieses tiefschwarze Kopfkino im Stil von John Buchans legendärer Hitchcock-Farce »39 Stufen«, die vier Schauspieler in über 100 Rollen bestreiten. Hier ist es ein Trio aus zwei Schauspielern und einer Schauspielerin, von dem René Oley durchgängig seiner Figur Björn verhaftet bleibt, während Ismail Deniz sich unter anderem eindrucksvoll vom furchteinflößenden Dragan in einen alerten Therapeut zu wandeln weiß, und Svenja Wasser von der selbstbewussten Gattin Björns in die nervige Tochter, die coole Polizistin oder den Handlanger. Auf der von einem halben Dutzend strahlenförmig aufgereihten LED-Leuchten immer wieder neu belichteten minimalistischen Bühne (Dorothea Mines) kommen in atemberaubenden schnellen Wechseln mit fliegenden Bärten, Mützen, Brillen, Jacken, Hoodies und Hüten zirka 20 Rollen zustande, während uns zwischen Mord und Totschlag fernöstliche Lebensweisheiten, Resozialisierungstheorien und kommunale Engpässe in der Versorgung mit Kitas eine aberwitzige Stunde mordsmäßiger Unterhaltung bereiten.
Termine: 3., 10. Juni, 23 Uhr; 4., 11. Juni, 21 Uhr www.kultur-bad-vilbel.de
Holstein-milchkühe in Offenbach
Jetzt also in Offenbach und wieder Frankfurt: das internationalste aller internationalen Festivals »Theater der Welt«. Die vor 45 Jahren vom Internationalen Theaterinstitut ITI Germany ins Leben gerufene Bühnen-Triennale war schon 1985 einmal am Main zu Gast und erlebt nun vom 29. Juni bis 16. Juli ihre 16. Auflage. Realisiert wird das Projekt vom Frankfurter Schauspiel, den Museum Angewandte Kunst, dem Kulturamt Offenbach und dem Mousonturm. Das Wichtigste: Für kein Theaterfestival in Deutschland wird mehr Geld ausgegeben. Je ein Drittel – ungefähr eine Million Euro – zahlen der Austragungsort, das Bundesland und der Bund. Die künstlerische Hand am Geldhahn hat dieses Mal als Programmdirektorin die japanische Direktorin Chiaki Soma, die dem Festival denn auch mehr den Charakter eines Theaters der Welten, also der vielen verschiedenen Welten geben will. Mit dem Ziel, weltweit wegweisende Entwicklungen und Ästhetiken des modernen Theaters sicht- und erlebbar zu machen. Entsprechend vielfältig gestaltet sich das Programm, das mit 36 Produktionen an zehn Spielorten und einem breiten Vermittlungsangebot über die Bühnen geht. Innovative Erzählformen laden darüber hinaus mittels VR/ATTechnologien (Virtual Reality/Augmented Reality) fiktive Räume und Erfahrungswelten zu erkunden. Den Auftakt bestreitet im Offenbacher Capitol Satoko Ichiharas satirisches Musikdrama »Die Bakchen. Holstein-Milchkühe«, eine feministische Interpretation des Euripides-Klassikers, die in der Wohnung einer Japanerin spielt und
Am 29. Juni startet das Festival »Theater der Welt« ausschließlich mit Frauen besetzt sein wird. Mit ihrer genüsslichen und humorvollen Inszenierung wolle die Regisseurin die patriarchalen, Erzählungen von Sexualität und Fortpflanzung im Kontext einer alltäglichen häuslichen Szenerie ausloten, so verheißt das Programm. Infrage gestellt werde aber auch Grenzziehung zwischen Tier und Mensch.
Vom 29. Juni an wird in der Alten Schlosserei Offenbach »A Conversation with the Sun« des GoldenePalme-Preisträgers Apichatpong Weerasethakul zu sehen sein, das sich mit Virtual Reality befasst und Besucher in einen Schwebezustand zwischen Realität und Wachtraum versetzt.
Im Kammerspiel setzt die Warschauer Regisseurin Gosia Wdowik ihr Stück »Wstyd (Scham)« in Szene,