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Feindlich verwoben
Die open-Air-Skulpturenschau Blickachsen 13 findet nur in Bad Homburg statt
Man kann gar nicht anders als inne halten beim Anblick der vier Meter hohen Bronze-Arbeit »United Enemies« von Thomas Schütte im Kurpark Bad Homburg. Auf der großen Wiese vor dem Tennisplatz sehen wie vier gigantisch große furchteinflößende ältere Männer mit markanten verbeulten Schädeln, klobigen Körpern und mit ziemlich verstört wirkenden Physiognomien. Jeweils zwei dieser Bronzefiguren winden in einer fest verschnürten Zwangsjacke und sind denn auch aus einem Stück. Tatsächlich also sind es zwei Werke, mit denen der Bildhauer die existenzielle Verbundenheit, das AufeinanderAngewiesen-Sein der Feinde nicht nur metaphorisch, sondern auch materiell ausdrückt. Es bleibt uns überlassen, in ihnen Parabeln oder gar Größen unserer Zeit zu sehen oder auch ihre Komik zu deuten, die in der freien Natur des Kurparks besonders zu Tage zu treten scheint. Thomas Schütte ist nur einer von 24 Künstlern, die hier und im Garten am Bad Homburger Schloss buchstäblich Großes zur Schau stellen. Es ist die 13. Ausgabe der vom Galeristen Christian Scheffel im Jahr 1997 ins Leben gerufenen und längst international renommierten Schau. Dass die sich nicht auch noch über Darmstadt, Kronberg, das Kloster Eberbach, Frankfurt bis nach Bad Vilbel erstreckt, ist in diesem Jahrt allein der Pandemie und den langen Vorlaufzeiten der Planung geschuldet und sollte bei der 14ten wieder im Flächenlot sein – ganz im Sinne des fördernden Kulturfonds Frankfurt RheinMain.
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Als Partner der diesjährigen Schau konnte Scheffel die Stiftung Insel Hombroich gewinnen, ein durchaus vergleichbarer Kunst- und Kulturraum im Rheinland bei Neuss unter freiem Himmel. Im changierenden und sich ständig verändernden Zusammenwirken von Kunst und Natur besteht denn für den kokuratierenden Geschäftsführer
Roland Nachtigäller auch der besondere Reiz dieser bis 1. Oktober dauernden Präsentation. Außerhalb des Schutzraums eines Museum entfalten die Kunstwerke mit ihren jeweiligen gesellschaftlichen, ökologischen oder ästhetischen Bezügen unter freiem Himmel ganz eigene Wirkmächtigkeit, bewegen sich im Diskurs mit ihrer Umgebung. Tatsächlich wird sich das Erleben nicht nur von Schüttes Enemies am frühen Morgen beim Sonnenaufgang anders gestalten als in der Dämmerung, in der prallen Sonne anders als bei Schmuddelwetter, im lichten Frühjahr anders als im düsteren Herbst. Was besonders auch für Arik Levys spiegelnde Stahldoppelskulptur »RockGate 203« gilt, die sich im buchstäblichen Licht ihrer Möglichkeiten in ihrer Umgebung zu verflüchtigen und aufzugehen scheint. Oder auch für die AldiMiniaturfabrik, die Ina Weber hier in die Landschaft gesetzt hat. Spektakulär ist die in einem Stangengeviert gestapelte Installation aus roten Autorücklichtern, die in der Dunkelheit leuchten sollen. Zunächst mit »Lupo & Co 398.12« betitelt, heißt die Arbeit des Frankfurter Künstlerduos Winter/Hoerbelt inzwischen »Perlen des Alltags«. Art-verwandt in doppelten Sinne und nicht minder rätselhaft: die wie Ährengarben gebundenen »Vertical Highways« aus rotlackierten Leitplanken von Bettina Pousttchi. Reihum wird – ohne thematische Vorgaben oder leitendes Motto –ein Querschnitt zeitgenössischer Bildhauerkunst zu erleben sein, die sich längst nicht mehr am klassischen Sujet orientieren, sondern genreübergreifend bis hin zur theatralen Installation reichen. 22 Figuren befinden sich im Kurpark, 10 weitere oben am Schloss. Empfohlen seien hier insbesondere organisierten Führungen.
Bis 1. Oktober 2023 www.blickachsen.de
02.06. – 15.01.2024
Triff das Riff! Perspektive Kunst
22.06. – 01.10.2023
Pınar Yoldaş: An Ecosystem of Excess museumfrankfurt.senckenberg.de
© Anna Breit
>> Wiedererworben: Im vergangenen Jahr hat die Stadt Frankfurt das Damenbildnis (Porträt Therese Karl) des Malers Fritz von Uhde aus dem Bestand der städtischen Gemälde an die Erben seines im Nationalsozialismus ermordeten Eigentümers Gustav Rüdenberg restituiert. Jetzt erwarb es das Städel mit Unterstützung des New Yorker Holocaust Claims Processing Office für die eigene Sammlung zurück. Es ist fortan in der Dauerausstellung der Sammlung Kunst der Moderne ausgestellt und mit einer Gedenktafel versehen, die an die tragische Geschichte Gustav Rüdenbergs erinnert. www.staedelmuseum.de
>> Aus gegebenem Anlass: Das Caricatura Museum zeigt noch bis zum 17. September 2023 die Sonderausstellung »Robert Gernhardt und das Frankfurter Karikaturenfieber von 1848«. Die basiert darauf, dass der Zeichner und Satiriker Robert Gernhardt vor 25 Jahren, zum 150-jährigen Jubiläum des Paulskirchenparlaments, in den Archiven des Städels und des Instituts für Stadtgeschichte Karikaturen aus dem Revolutionsjahr 1848 und das Karikaturenfieber jener Zeit entdeckte, als es allein in Frankfurt 34 Karikaturenverlage gab. www.caricatura-museum.de
>> Do it yourself: Der Atelierkurs für Erwachsene »Höhen und Tiefen –Reliefs aus Gips« am Sonntag, dem 18. Juni von 11.30 bis 17.30 Uhr zur Ausstellung »Herausragend. Das Relief von Rodin bis Picasso« bietet nach einer Führung zu diesem facettenreichen Medium die Möglichkeit, selbst ein kreatives Gipsrelief zu entwerfen. Aus Ton entsteht eine Negativform, die am Ende mit Gips ausgegossen wird. Kostet 85 Euro. Teilnahme über den OnlineShop. www.staedelmuseum.de
>> Party Party: »LIEBIEGHAUS LIVE« startet im schönsten Garten Frankfurts in diesem Jahr am 29. Juni um 19 Uhr mit der deutschtürkischen Mannheimer IndieRockband »Engin«. Dazu entführen Kunstvermittler in die Ausstellung »Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde«, um die Geheimnisse der jahrtausendealten Verbindung von Kunst und Wissenschaft zu lüften. www. liebieghaus.de
>> Corona-Pop-Up: Am 24./25. Juni stellt das Historische Museum Frankfurt erstmals Sammlerstücke aus der Corona-Pandemie aus. »Ausnahmezustand – Corona Pop Up« nennt sich die Schau, die auf einen Aufruf des Museum im März 2020 zurückgeht. Dabei stellt das HMF auch die spannende Frage, was es denn eigentlich für die Zukunft sammeln soll. Beginn Samstag/Sonntag jeweils 11.30 Uhr, Diskussion/Gespräch um 14 Uhr und Get together um 16.30 Uhr. Eintritt: Samstag frei (SaTOURday), Sonntag 8/erm.4 € www. historisches-museum-frankfurt.de
>> Lebensgroß: Eine großartige Schau mit Superstars wie ABBA, Udo Lindenberg, den Beatles und (hoffentlich auch) Connie Francis kündigen die Opelvillen in Rüsselheim an. Alle diese Künstler und viele mehr waren mal Starschnitte der Jugendzeitschrift »Bravo«. Anhand von Sammelobjekten und ausgewählten »Bravo«-Starschnitten werden vom 25. Juni an einen Sommer lang Rockstar-Legenden und längst vergessene Sternchen aus Film, Fernsehen und Musik wieder wach. Erinnert wird, wie eine Zeitschrift, die über 25 Jahre eine Auflage von mehr als einer Millionen Exemplaren hatte, Jugendkultur in westdeutschen Zimmern abbildete. www.opelvillen.de
Tauschrausch
Das ledermuseum offenbach nimmt bis 3. Juni alte Taschen in Empfang
Soviel steht nach den Erfahrungen der Vergangenheit fest: Am 1. Juli bricht im Offenbacher Ledermuseum erstmals wieder nach Corona der Taschen-Tausch-KaufRausch aus. Dazu laden die Museumsmacher alle dazu ein, alte Taschen gegen neue in ihrem Haus zu tauschen.
Bis zu fünf freilich gut erhaltene Teile nimmt das Haus vom 1. bis zum 3. Juni jeweils zwischen 14 und 17 Uhr für den späteren Tausch entgegen. Zunächst gibt es pro Teil eine Wertmarke dafür, mit der sich dann am 1. Juli eine noch tollere Tasche ertauschen lässt. Damit die Qual der Wahl nicht allzu schwer wird, empfiehlt das Ledermuseum sich geschmacktechnisch von den eigenen Ausstellungen inspirieren zu lassen. Wer will kann seine Taschen aber auch dem Second-Hand-Verkaufstisch spenden und sich dort für kleines Geld nach Alternativen umschauen. www.ledermuseum.de