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Night of Dance & More auf der Sommerwerft Biennale Wiesbaden 2022

A Religious Mating © Juan Carlos Gómez Villarmor

Kreuz und Queer in Bewegung

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night of Dance & more auf der Sommerwerft

Kaum ist die erste Tanznacht (25. Juli) verklungen, steigt schon die nächste am 1. August ab 21 Uhr auf der Theaterbühne der Sommerwerft mit vier Aufführungen im Halbstundentakt. Kuratiert wurde das Programm vom ID_Tanzhaus im Frankfurt LAB. Mit der furiosen Tanz- und Trommelperformance »Tor der Zukunft« des Wawa Aba Ensembles startet die »Night of Dance Vol. II«. Die aus Burkina Faso kommende Gruppe verbindet traditionelle Elemente des Bobodon mit aktuellen Formen des Tanzes, um zu einem bewussten Umgang mit heutigen Problemen zu finden. Die Performance »Valeriana« des Choreografen Carlos Diaz thematisiert kulturelle Frauenfeindlichkeit im ländlichen Peru. Die ihr zugrunde liegende Musik des Huayno-Tanzes »Valicha« stammt von Miguel Angel Hurtado und steht im Zentrum der von Diaz und Diana Mora tänzerisch vorgetragenen Erzählung. Auf einer Recherche der Geschichte des chinesischen Feminismus fußt die solistische Tanzchoreografie »Mulans« von Yinfu Gao, benannt nach einer als männlicher Soldat in den Krieg ziehenden Ikone unter den Frauenbildern der chinesischen Literatur. Im vierten und letzten Part »The Sad-Mad Method« von Carla Sisteré und Anna Sagrera gibt es eimerweise Popcorn für alle. Die Tänzerinnen erzählen zum Nebentitel »She doesn’t know what happened« eine Geschichte über Hass und Selbstliebe, umhüllt von Schmutz und Konfetti. Am 3. August wartet Atsushi Takenouchi mit der von Life-Musik begleiteten Jinen-Butoh-Performance »›Hana‹ Flowers« auf und öffnet sich dem Universum. (21.45 Uhr, Theaterplatz Ost). Am 4. August, gibt es eine Neuauflage der »Queer Night« mit einer Performance von Eleanor Walker (»Soft Self«), der zirzensischen Schau des Zirkus »Mops« und dem Tanztraum »Like Dorothy on her Way to Oz« von Guillermo de la Chica. Zum Abschluss gibt es eine audiovisuelle Produktion von Andras (Brasilien) sowie dem 3D-Animator Lucas Becker. Am selben Abend, aber auf dem Theaterplatz startet Jana Korb mit »#AbleBodiesAndStones« ihre luftartistische Performance über Zirkus und Körper. Mit der Frage: »Wie kann ich Teil einer Revolution sein, wenn ich zu verletzt zum Tanzen bin?« geht die Künstlerin auf die Suche nach dem Zirkus der Zukunft (4. August 21.45 Uhr).

www.sommerwerft.de gt

Zum Auftakt wird‘s melancholisch

Die Biennale Wiesbaden 2022 startet mit Trajal harrells Interpretation von Keith Jarretts »The Köln Concert«

Um zwei Jahre verzögert und erstmals unter der Leitung des vormaligen Chefdramaturgen der Münchner Volksbühne Kilian Engels steht vom 1.–11. September die dritte Ausgabe der Wiesbaden Biennale an. Die ins Postdramatische und Performative gewendete Nachfolgerin der früheren Europa-Biennale ist sowas wie die kleine zottelige Schwester der Internationalen Maifestspiele und lädt wie diese mit spektakulären Gastspielen, aber auch Uraufführungen in die Landeshauptstadt ein. Doch selbst wenn etliche der eingeladenen Produktionen auch dem Programm der großen Festspiele gut stünden, wird das Umfeld, in dem sie stattfinden, ein gänzlich anderes sein. Schon unter vorhergehenden Leitung der 2018 tödlich verunglückten Maria Magdalena Ludewig und Martin Hammer wurde der Bühnenpalast aus der Kaiser-Wilhelm-Zeit umfunktioniert – beim ersten Mal zum Hotel, das andere Mal durch einen temporären Rewe-Supermarkt. Besprechen wollen wir in diesem Beitrag aber die Eröffnung des zwölftägigen Festes mit Trajal Harrells Tanzchoreografie »The Köln Concert«, eine schon im September 2020 zur Spielzeiteröffnung der Züricher Schauspielbühne uraufgeführte Interpretation der legendären Aufzeichnung von Keith Jarretts Klavierkonzert 1975 in Köln. Der in der Schweiz lebende US-amerikanische Harrell hat seine Arbeit auch als Antwort auf die CoronaDistanzregeln konzipiert und führt zwei Tänzerinnen und fünf Tänzer seines Ensembles immer wieder solistisch vor das Publikum. Stilistisch verbinden die Akteure dabei Elemente der eigentlich extrem gegensätzlichen Körpersprachen des Voguing und des Butoh-Tanzes. Ersteres, abgeleitet von der Zeitschrift Vogue, kommt aus den queeren Submilieus New Yorks und basiert auf den Bewegungsabläufen von Models auf dem Catwalk. Dagegen fokussiert das ostasiatische existenzielle Butoh die Verletzlichkeit des Körpers aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs. Eröffnet wird der Abend aber mit einem tänzerischen Vorspiel zu Songs und vor allem der glasklaren Stimme der kanadischen Künstlerin Joni Mitchell. Dann aber lassen sich die Mitglieder von Harrells in Schwarz gekleidetem Ensemble von Hockern gleitend ganz auf Jarretts Meisterwerk ein. »Das Meisterstück der Improvisationskunst wird in Harrells Sinn zur Meisterklasse einer Trauergemeinschaft (…), die Choreografie melancholisch, erdenschwer und auch herzzerreißend sentimental. Eine Abschiedsode an alles, was einmal ein unversehrter Körper – und eine heile Beziehung zwischen Körpern – war«, schrieb die Neue Züricher in ihrer Kritik. Ein bisschen depressiv klingt das schon – und ist vielleicht gar nicht mal so verkehrt. Über die weiteren Veranstaltungen der zwölftägigen Bühnengala schreiben wir in unserer Septemberausgabe. Die Stücke und auch die Informationen, wie man an Karten dafür kommt, finden Sie auf der Homepage des Staatstheaters wie auch des Festivals.

Termin Trajal Harrell: 1. + 2. September, jeweils 19.30 Uhr www.wiesbaden-biennale.eu

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