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Highlights im November
Kammerkonzert 4 Musica+ © KammerMusica
Klassikhighlights im November
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eine Auswahl von Bernd havenstein
© KammerMusica/Stefan Weiß
Kultur für alle – Musica +
Der Idee des unvergessenen Frankfurter Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann von der »Kultur als ein Lebensmittel« folgend, hat der ehemalige Musikveranstalter und Produzent Götz Wörner vor 14 Jahren eine Initiative ins Leben gerufen, aus der u.a. der Kulturpass hervorgegangen ist. Kultur für alle; auch – und besonders – für die, die sich oft »Kultur« nicht leisten können. Daraus wiederum erwuchs 2018 die Gründung der Projektreihe »Musica plus«, die nun vom 23. bis 27. November ihre 5. Auflage erreicht. 10 Konzerte, die durchweg von hochkarätigen Musiker*innen gestaltet werden. Am 23.11. etwa sind in der ehemaligen Orangerie im Günthersburgpark vier Musiker*innen aus Finnland und der Ukraine zu Gast, die skandinavische Kompositionen von Sibelius, Grieg und Nielsen im Gepäck haben. Nicht nur das: finnische Tangos werden erklingen, die dort eine mindestens ebenso lange Tradition haben wie in Argentinien. Dasselbe Ensemble will am 24.11. in einem »XploreKonzert« Lust auf Klassikentdekkungen machen. Hintergrundinfos zu den Stücken inklusive und, wie es heißt, ab 10 Jahren empfohlen. Ein Überraschungskonzert am 26.11. soll wie eine Sneak Preview im Kino sein: diesmal mit dem hrSchlagzeuger Andreas Hepp. Und ein »kids MitMachKonzert« für Familien am 27.11. wird Grundschulkinder (und jüngere) mit Eltern oder Freund*innen zum Mitsingen, Tanzen oder Spielen animieren.
gebrauchsmusik: Paul Hindemith
Rund um den Geburtstag des einstigen »Bürgerschrecks« Paul Hindemith versprechen die diesjährigen Festtage auch in diesem Jahr wieder tiefere Einblicke in das unglaublich vielfältige Oevre des Komponisten. Vom 15. bis 26. November werden dies gemeinsame Veranstaltungen der Hochschule für Musik (HfMDK), des SchottVerlags in Mainz als Herausgeber seiner Partituren und des Hindemith-Instituts in Frankfurt sein. Gleichzeitig zum Gedenken an den im Juni dieses Jahres verstorbenen, langjährigen Direktor der HfMDK, Hans-Dieter Resch, von dem es im offiziellen Geburtstagskonzert am 16.11. auch Sieben Aphorismen für Klavier solo zu hören gibt. Highlights werden an diesem Abend sicher Hindemiths frühe Tanzstükke und die (heute noch) rotzfreche »Suite 1922« für Klavier sein, die in der musikalischen Welt für einige Aufregung gesorgt hat, weil sich der damals 21-jährige Komponist ganz schamlos auch der von Amerika herüber geschwappten Jazz-Elemente bediente: Marsch – Shimmy – Nachtstück – Boston – Ragtime als Satzbezeichnungen im seriösen Konzertbetrieb konnten nur schokkierend wirken! Dabei ganz im Sinne des Meisters, der sich stets für »Gebrauchsmusik« eingesetzt hat, weg vom Elitären. Am Vorabend von Hindemiths Geburtstag (15.11.) gestalten Studierende der Young Academy im Haus des Verlags Schott Music in Mainz einen Abend bei freiem Eintritt mit ausschließlich Hindemith-Kompositionen. In der Frankfurter Katharinenkirche wird es am 20.11. ein Programm »Sopran und Orgel – Requiem« geben, in dem sich Werke von Max Reger (»der letzte Riese in der Musik«, so Hindemith), Fabruce Bollon und Hindemith gegenüberstehen. Neben einem Liederabend mit u.a. Rilke- und Lasker-Schüler-Vertonungen des Jubilars (24.11. im Schloss Philippsruhe) wird ein weiterer Höhepunkt die Verleihung des Hindemith-Preises für besondere Verdienste mit und um das Werk des Komponisten sein, ebenfalls am 20.11.: Im Comoedienhaus zu Hanau wird der Preis diesmal dem Bratschisten Antoine Tamestit verliehen, der auch Kostproben seines großen Könnens geben wird (u.a. eine Solosonate für Bratsche und J.S. Bachs berühmte Toccata in einer Bearbeitung für Bratsche). Diese Veranstaltung ist kostenlos, Anmeldungen sind jedoch erbeten.
Das ausführliche Programm der Hindemith-Tage 2022 mitsamt Buchungsadressen über www.hindemith.org
Weit weg von Hollywood: Miklós Rózsa
Wenig bekannt ist, dass der ungarische Komponist Miklós Rózsa (1907–1995) u.a. der Filmmusiken zu den Hollywood-Schinken »Ben Hur«, »Quo vadis« oder »El Cid« eigentlich aus dem »seriösen« Bereich der Klassik kam. Nach seinem Studium in Leipzig traf Rózsa in Paris auf den Schweizer Komponisten Arthur Honegger, der sich wie nebenberuflich bereits mit sinfonischer Musik für Stummfilme einen Namen gemacht hatte. Mit dem Rüstzeug dieses neuen Genres versehen, ging er nach London, wo Filmproduzenten wie Alexander Korda weit mehr Einfluss hatten als in Frankreich und streckte schon früh die Fühler nach Hollywood aus. Dort begann seine, so kann man sagen, gigantische Karriere im breiter werdenden Filmmusikgeschäft. Vielfach nominiert und Oscar-gekrönt, komponierte Rózsa wie am Fließband für Hitchcock, Alain Resnais, Carl Reiner und andere. Und, wie nebenher, entstanden ein Violinkonzert (uraufgeführt von keinem Geringeren als Jascha Heifetz), eine Sinfonia concertante sowie ein Bratschenkonzert aus dem Jahr 1979. Dieses etwa 40-minütige Werk mutet wie ein aus der Zeit gefallener spätromanischer Brocken an, im letzten Satz erscheinen gar Motive, die aus der Feder von Schostakowitsch hätten stammen können. Das alles ganz weit weg von Hollywood. Insgesamt ein hochvirtuoses, lohnendes Konzertstück, das in den nächsten beiden Konzerten des hr-Sinfonieorchesters – selten genug – zu erleben sein wird. Der junge britische, bereits vielfach preisgekrönte Bratschist Timothy Ridout (u.a. beim Kronberg Academy Festival) wird das Werk aufführen mit dem Dirigenten (und Geiger) Emmanuel Tjeknavorian, der in diesem Jahr auch Artist in Residence des hr-Sinfonieorchesters ist. Als weiterer Höhepunkt des Abends wird Tschaikowskis leidenschaftliche »Pathétique« wieder einmal zu erleben sein.
Termine: 10.11. (19 Uhr), 11.11. (20 Uhr) im hr-Sendesaal Karten-Telefon: 069/155-2000 oder www.hr-ticketcenter.de