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Staatstheater Mainz: »Sweeney Todd« vorgeführt

>> Ein Wiedersehen: Mit ihrer neuen

Arbeit »Anthologie. Portrait of an

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Artist« gastiert die DresdenFrankfurtDanceCompany nun am Frankfurter Schauspiel. Eine Rückkehr immerhin des modernen Tanzes auf die dafür einst berühmte Bühne. Für die von Jacopo Godani geleitete Gruppe ist es ein Debüt, denn ein Stadtballett wie die einstige Company von

William Forsythe ist die Nachfolgerin nur noch bedingt. Ihr zum Ende der

Spielzeit scheidender Leiter nutzt die in Kooperation mit dem Schauspiel

Frankfurt entstandene Produktion wesentlich, um mit einer Auswahl seiner Werke auf sein Frankfurter

Schaffen zurückzublicken. Ein Selbst-

Portrait sozusagen. Das Repertoire der Company zeigt eine neue, pulsierende Bewegungssprache, in der

Virtuosität und Ausdruck gleichwertig nebeneinander stehen. Für die

Tänzer*innen stellt das eine große

Herausforderung dar, die sie jedes

Mal wieder an ihre physischen Grenzen führt. »Anthologie« zeigt Godanis Rolle in der Weiterentwicklung des zeitgenössischen Balletts auf.

Sein choreografischer Stil zeichnet sich durch seinen Umgang mit Spitzentanz und seinen experimentellen

Ansatz aus. Termine: 1.–3. Dezember, 19.30 Uhr; 4. Dezember, 16 Uhr

>> Es weihnachtet: Der Vorverkauf für die Winter- und Weihnachtsprogramme der großen Theater ist bereits in vollem Gang. Im Großen

Haus des Staatstheaters Wiesbaden wird ab dem 13. November »Peter Pan« (Inszenierung: Marita

Erxleben) gezeigt. Mainz hat sich

Michael Endes »Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunch« vorgenommen (Regie: Jule Kracht), ab dem 12. November am laufenden

Band. In Darmstadt wird »Scrooge oder Weihnachten vergisst man nicht« (Regie Christian Brey) ab dem 20. November wegen der Bausituation nicht ganz so oft gezeigt und Frankfurt (s. Artikel in diesem

Heft) nimmt ab dem 20. November »Wickie und die starken Männer« (Regie Robert Gerloff), noch einmal auf, weil das Stück, so die offizielle

Begründung, im Vorjahr nicht so oft gezeigt werden konnte.

>> Redselig wie immer: In der 28.

Ausgabe ihrer Talkshow »Melli redet mit«: begrüßt das Frankfurter

Multitalent Melina Hepp die Schriftstellerin Barbara Bisicky-Ehrlich (»Der Rabbiner ohne Schuh«), die

Singersongwriterin und Architektin julakim (»ltufi – to the tropics and back)« und den Zauberer Michael

Leopold alias Monsieur Bretzelberger. Termin 19. November, 20 Uhr im

Kulturverein Familie Montez. www.melinahepp.com

Fotos: © Andreas Etter

ein mörderisches Vergnügen

Das Staatstheater Mainz präsentiert das Musical »Sweeney Todd« als Graphic Novel

Rache ist süß. Und würzt mitunter die schmackhaftesten Pastetchen. Jedenfalls in der herrlich abstrusen Geschichte, die Stephen Sondheims Musicalthriller »Sweeney Todd. Der dämonische Barbier der Fleetstreet« unter der Regie von K.D. Schmidt auf der Großen Bühne des Mainzer Staatstheaters in deutscher Fassung (Steiner/Hinze) erzählt. Und wie? Mit dem mitreißend spielenden großen Philaharmonischen Orchester des Hauses (Leitung: Samuel Hogarth) im oberen hinteren Bereich der Bühne, seinem gewaltig auftrumpfenden Chor und mit starken (Opern-)Stimmen aus dem Ensemble in einer grausig-gruseligen Menschenlandschaft (Kostüme Maren Geers). Zerrissene Netzstrümpfe, schwarze Umhänge, hochgetürmte Frisuren und pfundweise Kajal in den Gesichtern gäben einem tatsächlich das Gefühl, in einer gruftigen Afterparty der Leipziger GothicMesse gelandet zu sein, kündeten uns nicht die Glocken des Big Ben in Sondheims großer Musik davon, dass wir uns in einer der ärmlichsten Ecken Londons befinden. Die Bühne (Thomas Drescher): minimalistisch, bestehend aus nichts als einem halben Dutzend stufig angelegter brüchiger Stege auf metallenen Stelzen und aus einer Projektionsfläche im Hintergrund, die die blutigste Musicalstory der Welt mit plakativen, beweglichen Zeichenbildern im Stil eines Comics oder einer Graphic Novel unterfüttert. Die spärlichen Requisiten: ein simpler Stuhl mit Armlehne und Kopfstütze, der seine Bestimmung durch die zweite Requisite erfährt, das im Scheinwerferlicht immer wieder gleisend aufblitzende Rasiermesser Sweeney Todds. Alles andere aus diesem einem Groschenroman des 19. Jahrhunderts entnommenen Schauermärchen findet in unseren animierten Köpfen statt. Ohne jeden Krümel Pastete! Und ohne einen Tropfen Theaterblut!!! Wie Regisseur K.D. Schmidt das fertig bringt, ohne die Geschichte des einst so glücklichen Friseurs Barker zu verraten, der zum Serienkiller wird, weil ein Richter ihm gewaltsam die wunderschöne Frau und das gemeinsame Kind entriss, das behalten wir hier für uns. Zumal der nach 15 Jahren Strafkolonie verbitterte Heimkehrer unter falschem Namen sein Handwerk in den Dienst der geschäftstüchtigen Pastetenbäckerin Mrs. Lovett stellt. Fleisch, muss man wissen, ist ein ganz besonderes Gut. Ein mörderisches Vergnügen wird uns da mit dem großartigen Bariton Derrick Ballard in seinem Zentrum serviert, mit der virtuosen mezzosopranen Verena Tönjes als Mrs Lovett, die das Publikum vom ersten Auftritt an in sein Herz schließt, und mit dem tränenrührenden Tenor von Collin André Schöning (Anthony) bei der Anbetung von Sweeneys in zartesten Farben blühender Tochter Johanna (Alexandra Samouilidou). Der einzige Wermutstropfen vielleicht: Dass der Verzicht auf professionelles Musicalpersonal – dessen sich derzeit Darmstadt erfolgreich bedient – phasenweise zu Lasten einer leichteren Verständlichkeit dieser doch sehr verschachtelten vielschichtigen Erzählung geht und ein angespannteres Hinhören erfordert. Den Beifallssturm des Publikums haben gleichwohl alle Beteiligten verdient. Ein Geschenk zur rechten Zeit, das man tunlichst zuallererst sich selbst machen sollte.

Winnie Geipert

Termine: 1., 6., November, 18 Uhr; 11., 26., 30. November, 19.30 Uhr www.staatstheater-mainz.com

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