#1/2021
„Kapital ist das Lebenselixier des Wandels“ Caroline Brown
Virtual Fashion. Kiss the Future. Die neue Ehrlichkeit. Nachhaltigkeit und Transparenz als USP. Veränderung im Eiltempo. Kreativitätsboost auf allen Ebenen.
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EDITORIAL
Coverfoto: William Brown
Unsere Chance Liebe Leserinnen und Leser, „bei uns gibt’s keine Krise“, war Stephan Hubers Ansage in einer der vielen Redaktionsbesprechungen für diese Ausgabe. Und tatsächlich: Mehr als 200 Seiten stark liegt sie vor Ihnen, die neueste Ausgabe von style in progress. Als „Zentralorgan des Optimismus“, wie wir uns bezeichnen, gehen wir aus guten Gründen zuversichtlich in die neue Saison. Was nicht heißt, dass wir unsere Augen vor den Einschnitten und Entbehrungen verschließen. Doch genau wie bei Ihnen allen hat das außergewöhnliche Jahr 2020 auch bei uns eine entscheidende Veränderung gebracht. Wir predigen endlich nicht mehr nur, dass Digitalisierung die Ultima Ratio ist, sondern zeigen mit unserer Website www.style-in-progress.com, was wir darunter verstehen. Ein wöchentlicher Newsletter bereichert seit vergangenem Sommer jeden Freitag Ihren E-Mail-Posteingang. (Und falls er das noch nicht tut: Sofort anmelden unter www.style-in-progress.com/newsletter.) Diese digitalen Kanäle flankieren und ergänzen unsere zwei starken Saisonausgaben. Das ist, was wir unter „in progress“ verstehen – permanenter Wandel. Doch unsere Aufgabe als Fachjournalisten ist es nicht nur, den Wandel zu begleiten, sondern ihn auch vorauszusehen. Genau aus diesem Grund haben wir die internationale Elite der Virtual Fashion in unserem Heft vereint (Kiss the Future, ab Seite 180). Ein neues Verständnis von Mode, oft losgelöst von der zwingenden Physis des Produkts, dämmert am Horizont. Das hilft nicht nur der Umwelt, sondern ändert die Supply Chain von Grund auf. „Supply Change Management“, unser Schwerpunktthema, ist also nicht nur ein treffendes Wortspiel. Darüber, wie sich die Modeindustrie für immer verändern wird und muss, zerbrechen sich in dieser Ausgabe besonders Schlaue ihre Köpfe. Ob Covergast Caroline Brown („Man muss die Wirksamkeit immer an den finanziellen Nutzen binden“, ab Seite 078) oder der Ganni-CEO Andrea Baldo, der sehr treffend fragt: „Wie können wir das System hacken?“ (ab Seite 154). Beeindruckend auch Eva Kruse, Gründerin des Copenhagen Fashion Summit, der im Interview irgendwann der Geduldsfaden reißt – für Businessmodelle, die auf Überproduktion und Dauersale fußen und trotzdem oder gerade deshalb profitabel sind, habe sie kein Verständnis mehr und adressiert ganz konkret die Politik, die bei vielen von Ihnen im Corona-Jahr nicht unbedingt an Ansehen gewonnen hat. Aber vergessen Sie nie: Egal ob nun Corona oder Klima dem Wort Krise voransteht, in jeder Krise steckt eine Chance. All die Menschen aus Industrie, Messe, Design, Groß- und Einzelhandel, aus dem Journalismus, der PR und Social Media, die Chancen ergriffen haben, machen uns so unendlich zuversichtlich. Teilen Sie diese Zuversicht mit uns und kommen Sie gut und gesund durch die Saison! Ihr Team von style in progress
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INHALT
078 006 EDITORIAL Unsere Chance
014 JETZT 058 FINDEN WIR GUT THE LONGVIEW 078 „Man muss die Wirksamkeit immer an den finanziellen Nutzen binden“ – die Investorin Caroline Brown erklärt ihren Blick auf Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft.
SO LÄUFT’S 086 SUPPLY CHANGE MANAGEMENT 088 Die Zeitenwende Ein Kommentar von Martina Müllner-Seybold.
090 SEE CLEARLY Vom Faktor Transparenz 092 „Nachhaltigkeit in der Mode ist keine philanthropische Aufgabe“ Powerwoman der Nachhaltigkeit: Copenhagen Fashion Summit Gründerin Eva Kruse. 098 Die neue Ehrlichkeit oder welche Rolle spielt künftig Transparenz? Den Endkunden im Unklaren lassen hat keine Zukunft.
110 „Um erfolgreich zu sein, müssen wir uns immer wieder hinterfragen“ Marino Edelmann stellt seine Trainerstrategie für Strellson vor. 112 Zurück zum Wesentlichen American-Vintage-Gründer Michael Azoulay will das Richtige tun. 114 „Wir wollen noch relevanter werden“ Les Deux CEO Andreas von der Heide freut sich über ein Plus von 50 Prozent in im Jahr 2020. 116 „Ich bin erfolgreich, weil ich nicht gierig bin“ Meike Schilcher über ihre Kollektion Daddy’s Daughters. 117 Starker Auftritt StinaaJ. macht Frauenträume wahr: High Heels ohne Schmerzen.
118 ACT NOW Von der Macht der Veränderung. 119 Wie kann sich Italien neu erfinden? Wie das Modeland Nummer eins gestärkt aus der Krise kommt. 122 „Lineare Produktionsketten führen zu Umweltver schmutzung und Ausbeutung“ Matteo Ward hat eine italienische Grassroots-Kampagne für mehr Nachhaltigkeit gestartet. 123 Der Erfolg aller ist das Ziel Lässige Hosen made in Italy: Cruna. 124 „Produkt bleibt King“ Jacob Cohën stärkt seine Damenkollektion.
101 Transparenz ist alles Cashmere-Schals mit vertikal integrierter Lieferkette: PIN 1876.
125 „Italienische Qualität ist für uns alternativlos“ Tom Ripley punktet mit Made in Italy.
102 „Nachhaltigkeit ist kein Feld für Wettbewerb“ Gants Global Sustainability Director Jessica Cederberg im Interview.
126 Avanti Ein virtuelles Salongespräch mit vorausschauenden italienischen Unternehmern.
103 „Transparenz heißt für mich Vertrauen“ Vom Jäger bis zum Gerber, Markus Meindl setzt auf persönlichen Kontakt. 106 „Marken können durch Transparenz nur gewinnen“ Das sagt Florian Heubrandner, Vice President Global Business Management Textiles Lenzing Group. 107 „Wir nehmen unsere Verantwortung sehr ernst“ Heiko Storz bringt Fil Noir auf den nachhaltigen Kurs. 108 „Transparenz schaffen, ohne Know-how zu verlieren“ Klaus Kirschner, CEO von Stetson Europe, will seinen Wettbewerbsvorteil wahren. 008
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132 Zirkulär statt linear Unser Weg aus der Wegwerfgesellschaft. 138 „Abstand von der Gleichgültigkeit“ Marco Götz und Patrick Braun über Drykorns Identität. 140 Newness mit Capsule Collections Bogner dreht den Modegrad hoch. 141 Rein in die Komfortzone Weil Weitblick hilft: Alberto. 142 „Wir wollen unvergleichlich sein“ Wie kaum eine andere Hosenkollektion steht Myths für Innovation.
INHALT
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143 Zum Angreifen SoSue-Gründerin Sue Giers im Interview.
188 Pull statt Push AlphaTauri schlägt Brücken zwischen virtuellen und realen Welten.
144 BE PART Handeln ist immer das Beste.
193 Virtual Fashion besteht aus Daten Vahe Taamazyan von Sizolution weiß, dass die Mode präziser werden kann.
146 Zurück in die Zukunft Das Kaufhaus braucht eine neue Identität.
198 Das digitale Speedboat Heiko Schäfer, COO von Hugo Boss, im Interview.
150 Rethink the Tanker Die Zukunft des Departementstores hat schon begonnen.
200 Künstliche Intelligenz macht Mode Regina Turbina und Replicant Fashion verkaufen Mode, die es gar nicht gibt.
154 „Wie können wir das System hacken?“ Gannis CEO Andrea Baldo hätte da ein paar Ideen. 160 Sie haben Ihr Ziel erreicht! Der Store als Destination. 170 Was muss Messe können? Wir haben Buyer und Messemacher gefragt. 172 Neue Impulse für den Endverbraucher Max Moda hat zwei Senkrechtstarter im Gepäck: Freedomday und Outhere. 173 Cosyness und Coolness Neben den Kultboots gibt es bald auch Sneaker von Mou. 174 Kontinuierliche Erneuerung ist vital Canadian Classics trumpft mit einer Recyceled-Linie auf. 175 Neues Image, dieselbe DNA Circolo 1901 hat wieder zu sich selbst gefunden, sagt CEO Gennaro Dargenio. 176 Der Aufstieg des Swackets Maurizio Baldassari Brera lebt die Casualisierung. 177 Die Visionäre White Sand definiert die Hose neu.
178 DIGITAL FASHION Abschied von der Materialität. 180 Kiss the Future Die Elite der Digital Fashion stellt sich vor. 182 Losgelöst von der Physis Kerry Murphy von The Fabricant genießt Promistatus in der Digital-Fashion-Szene. 184 Der Informationsinkubator Alberto Lovisetto ist Italiens Visionär der virtual Fashion. 010
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204 „Digitalisierung ist ein Investment, keine Ausgabe“ Die High-End-Outerwear von Esemplare ist richtungsweisend. 205 Die Digitalbotschafterin Ermina Avdisha vernetzt für Napapijri zwei Welten.
MODE 208 Nothing Else Matters Die modische Perspektive der neuen Saison.
VOR ORT 220 Storefrontticker. Wie sich Händler selbst Frequenz schaffen. 223 Local Heroes. The Viennese Guy/Wien 224 Männerspielwiese. Les Deux Men/Zug 226 Umdenken online umsetzen. Ecollections 227 Ein Herz und eine Sohle. Solefood/München 228 Practice what you preach. Matter Urban Market/Hamburg 230 Auf ein Neues. Lanzer Loft/Graz 232 Königin des Wellness-Shoppings. Lindner Fashion/Dortmund 233 Zuwachs für die Kasseler Innenstadt. Voice Store/Kassel 234 Platz für uns. Salzburgs Weg durch die Krise 235 „Wie Dior in den 1950ern“. Madl Couture/Salzburg 236 Vom Model zur eigenen Boutique. Wow in Style/Salzburg 237 Eine Familie auf Expansionskurs. Gehmacher/Salzburg 238 Hommage an die Achtsamkeit. Golden Soul/Salzburg 239 Neubeginn. Diva/Salzburg
240 EDITOR’S LETTER Der Stresstest
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JULY 2021 FRANKFURT AM MAIN
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„Wir Menschen sind sinnliche Wesen und wir brauchen Emotionen und Kommunikation. Das Feedback aus unserem Händlernetzwerk und von Seiten der Aussteller ist eindeutig: Ein physisches Treffen ist unglaublich wichtig“, sagt Anita Tillmann, Managing Director der Premium Group. Foto: Lottermann and Fuentes
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Anita Tillmann
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„EINS UND EINS KANN ELF ERGEBEN“ Die Fashion Week zieht von Berlin nach Frankfurt. Das ist nicht nur in puncto Glamour ein ungewöhnlicher Schritt. Der Umzug führt in die Höhle des Löwen. Mit weltweit mehr als 60 Textilmessen ist die Messe Frankfurt direkte Konkurrenz für die Messegesellschaft Clarion, zu der die Premium Group inzwischen gehört. Anita Tillmann verrät, wie daraus Stärke entsteht und warum physische Treffen wichtiger denn je sind.
Anita, alle erwarten von dir eine völlige Neuerfindung der Messe. Du magst Druck, oder? Ja, wir erfinden uns neu. Neue Stadt, neue Location, neue Profile und neue Themen. Außerdem tun wir das, was wir am besten können: relevante Player auf allen Ebenen miteinander vernetzen. Das ist umso wichtiger, als dass wir vor nie dagewesenen Umbrüchen stehen. Wir sind zwar keine Heilsbringer, aber die Plattform und der Live-Event, auf der die Gespräche und der Austausch stattfinden und sich alle persönlich treffen können. Wir sind Impulsgeber für unsere Branche und hoffen, dass alle mitmachen. Es braucht den echten und ehrlichen Austausch mit Fokus aufs Geschäft. Was versprichst du dir von einem Standort, mit dem kaum jemand gerechnet hätte? Ein solcher Schritt ist für uns ja nicht ganz neu. Als wir uns 2002 gegen Düsseldorf und Köln und für Berlin entschieden haben, war Berlin damals auch undenkbar, zumal wir keinerlei Messeerfahrungen hatten. Nach fast 20 Jahren ziehen wir weiter. Wir brauchen ein neues Narrativ, denn „arm und sexy“ als Kulisse für die Modebranche und für unser Geschäftsmodell ist zu Ende erzählt. Auch dem Ruf der Branche, alles an einem Ort stattfinden zu lassen, können wir in Berlin nicht nachkommen, dort fehlen die passenden Locations. Frankfurt ist schon knapp 800 Jahre lang der Handelsplatz Europas, zentral in Deutschland gelegen und auch für internationale Kunden sehr gut erreichbar In Sachen Mode ist Frankfurt allerdings ein unbeschriebenes Blatt. Ist genau das eventuell sogar eine besondere Qualität? Richtig. War Berlin ja auch. Es ist sehr viel leichter ein unbeschriebenes Blatt Papier neu zu gestalten. Im Zuge der Pandemie wechseln wir allerdings nicht nur den Standort, sondern die Perspektive, es findet ein Paradigmenwechsel statt. Sustainability und Digitalisierung sind die Hauptthemen, die unsere Branche beeinflussen. Das Konzept der Fashion Week wird neu gedacht. Die Fashion Week ist kein Einzelevent, sondern ein vernetztes Hybrid-Event, das sich an das gesamte Ökosystem der Mode richtet. Nächsten Juli finden Runways, Messen, Konferenzen, Show Stages, Awards und Off-siteEvents orchestriert, kuratiert und inszeniert statt. Und zwar für B2B und B2C. Auch die Stadt wird ein lebendiger Ort für eine inklusive und diverse Fashion Week. Marketplace for Ideas. Was bedeutet das? Wir definieren und positionieren unsere Messeformate neu. Vom Marketplace of Product hin zum Marketplace of Ideas heißt, dass es nicht nur um die Kollektion an sich geht, nicht mehr nur um den Wareneinkauf ohne Rücksicht auf Storytelling, Digitalisierung oder das Thema Nachhaltigkeit. Es geht um den ganzen Kontext. Geschäftsbeziehungen müssen weiterhin gestärkt und neu geknüpft werden. Wissensaustausch wird interdisziplinär
auf den Contentformaten gefördert und Trends werden inszeniert und präsentiert. Unsere Aussteller müssen umdenken, denn die Besucher erwarten Innovationen, Werte, klare Positionierung, gemeinsame analoge und digitale Konzepte für den Handel. Durch die Pandemie waren viele Veranstalter gezwungen, sich mit digitalen Alternativen zu befassen. Gleichzeitig ist die Sehnsucht der Menschen nach Begegnung größer denn je. Ein zusätzlicher Boost für die Frankfurt Fashion Week? Im Gegensatz zu unserem digitalen Format werden die Messen in Frankfurt richtige Live-Events. Wir Menschen sind sinnliche Wesen und wir brauchen Emotionen und Kommunikation. Das Feedback aus unserem Händlernetzwerk und von Seiten der Aussteller ist eindeutig: Ein physisches Treffen ist unglaublich wichtig. Die Pandemie hat die Kritiker verstummen lassen, die Messen generell in Frage gestellt hatten. Die Informationen, die Impulse, die wir beim Zusammentreffen austauschen, kann man nicht durch einen Zoom-Call ersetzen. Wir brauchen diese großen Treffen, aber nur zweimal im Jahr, konzentriert und fokussiert. Wenn alle von dieser neuen Plattform profitieren, ihr Netzwerk und Wissen erweitern und ihr Business auf unterschiedlichen Ebenen voranbringen, sollten dann nicht vielleicht auch alle einen Beitrag leisten, der dem gerecht wird? Du fragst, ob die Besucher Eintritt bezahlen sollten? Besser wäre es mindestens einen weiteren Tag mit einzuplanen. Man kann keine qualitativ guten Gespräche führen, sich inspirieren lassen, Informationen aufnehmen und Brands sichten, wenn man sich dafür nicht angemessen Zeit nimmt. Die Einkäufer sind total gestresst. Mein Appell an den Handel ist ganz klar: Bitte planen sie mehr Zeit ein! Und geben Sie auch Ihren MitarbeiterInnen die Chance, an diesem vielseitigen Austausch zu partizipieren. Auch und gerade der jungen Generation! Das lohnt sich auf jeden Fall. Was bedeutet „gutes Miteinander“ denn zwischen euch und der Messe Frankfurt? Wir sind eigentlich Konkurrenten, keine Frage und die Premium Group mietet sich zudem ganz normal in der Messe Frankfurt ein. Aber die Messen und Konferenzformate der Premium Group und der Messe Frankfurt finden zum allerersten Mal gemeinsam auf einer Fläche statt und zwar integrativ und als Ganzes präsentiert, gender- und genreübergreifend, inklusiv und divers. Damit bieten wir einen Mehrwert für alle Teilnehmer. Weg vom Konkurrenzkampf hin zur Zusammenarbeit ist unsere Devise. Das hat es in der Form noch nie gegeben. Gemeinsam mit der Messe Frankfurt präsentieren wir zusätzlich ein ganz neues Projekt nächsten Sommer. Wir gründen zusammen ein innovatives Format „The Ground“, eine neue Jeans- und Lifestyle-Messe mit Fokus auf Nachhaltigkeit. Dahinter steckt unsere Haltung, eins und eins kann elf ergeben. Nein, ich bin nicht schlecht in Mathe, aber das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Nur wenn wir gemeinsam nach vorne gucken und unsere Stärken verbinden, können wir etwas Neues kreieren. Unser Ziel ist es, einen Ort zu konzipieren, an dem sich unsere Branche für die nächsten 30 Jahre trifft und den Herausforderungen unserer Zeit stellen kann.
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Peuterey Recycle
PREMIUM MAL ZEITGEIST Für die Saison Herbst/Winter 2021/22 legt Peuterey Hand an zwei Themen, die Creative Director Federico Curradi besonders am Herzen liegen: die ikonischen Designs aus dem eigenen Firmenarchiv und das Thema Nachhaltigkeit. Für die Capsule-Kollektion Peuterey Recycle werden kultige Daunenjacken aus Archivstoffen und recycelten, wiederaufbereiteten Daunen hergestellt. Ziel ist die Reduzierung von Abfall und die Annäherung an ein zirkulares Produktionsmodell. www.peuterey.it
Die Influencerin Burcu Esmersoy supportet den Launch von AlphaTauri in der Türkei. Foto: Joe Portlock/Getty Images
AlphaTauri
DEBÜT IN DER TÜRKEI
Silk Sisters steht für Every Day Fashion, unkompliziert und zeitlos.
Der globale Roll-out von AlphaTauri geht weiter. Im November ist die Premiumfashionbrand von Red Bull in der Türkei gestartet, zeitgleich zum Grand Prix der Formel 1 in der Türkei 2020, auf einer Fläche des Conceptstores Vakkorama im Zorlu Center Istanbuls. Der Launch wurde von der Produktion eines Videos begleitet, das über die Red-Bull-Kanäle sowie über Social Media verbreitet wird. So ist Pierre Gasly, F1-Fahrer des Rennteams Scuderia AlphaTauri, zu sehen, wie er vor spektakulärer Kulisse über die Straßen Istanbuls von Europa nach Asien fährt. „Unsere globale Expansion weiter voranzutreiben, ist ein sehr positiver Moment für uns“, sagt AlphaTauri CEO Ahmet Mercan. „Jeder Meilenstein ist ein Beweis für die Power unseres Kollektivs.“ Mit der Türkei ist AlphaTauri jetzt in weltweit fast 90 Ländern präsent. www.alphatauri.com
Silk Sisters
SLOW FASHION
Kultmodelle in Originalstoffen aus dem eigenen Firmenarchiv mit recycelten Daunen – Peuterey Recycle setzt ästhetische Standards für die Wiederaufbereitung von Daunen.
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Überstreifen, los geht’s! Diesem einfachen Prinzip von Silk Sisters folgen auch die neuen Styles des Labels aus 100 Prozent Lyocell der Firma Lenzing, die die Kollektion jetzt ergänzen. Produziert bei einem GOTS-zertifizierten Produzenten. „Die neuen Blusen, Kleider und auch Röcke und Hosen sind wunderbar seidig-fließend und leicht“, beschreibt Creative Director Melanie Nienaber. „Insgesamt sind wir mit Silk Sisters auf dem Weg in Richtung Slow Fashion, mit möglichst nachhaltig produzierten Pieces, die die Saisons überdauern.“ Die Farben sind natürlich-klassisch, die Details wie Lurexstrickbündchen oder kleine Stickereien bleiben dezent. Gefertigt wird ausschließlich in Portugal. www.silk-sisters.de
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Parajumpers
REDUCED TO THE BEST
Neue Damenstyles – eine Kombination aus Trenchcoat und Daunenpuffermantel.
Für die kommende Ordersaison reduziert die italienische Premiummarke die Anzahl der Jacken mit Pelzbesätzen sowohl in der Männer- als auch für Damenkollektion. Nur vier Modelle aus der Masterpiece-Serie tragen Echtpelz, womit sich Parajumpers auf den Weg zu einer nachhaltigeren und ethischeren Oberbekleidung machen möchte. Die für die Marke charakteristischen Produktlinien erhalten moderne Reinterpretationen, gespielt wird oftmals mit knalligen Farben oder Färbungen. Besonders auffallend zeigt sich die neue Womenswear-Linie Outstanding, bestehend aus zwei Hybridmodellen: eine lässigmoderne Kombination von Trenchcoat und Daunenpuffermantel mit goldenen und weißen Details – erhältlich in den Farbgebungen Cappuccino und Schwarz. www.parajumpers.it
Mey
LOGO-RELAUNCH Bestmögliche Qualität, ein verantwortungsvoller Umgang mit den Menschen wie mit den Ressourcen sind Grundpfeiler der Marke Mey. Auf Innovation zu setzen und sich immer weiterzuentwickeln, ist ebenso Teil der DNA. So wurde jetzt auch das Logo von Mey modernisiert. „Wir wollen uns als Unternehmen selbstbewusst und mit einem zeitgemäßen Auftritt positionieren“, sagt Geschäftsführer Matthias Mey. „Hierbei haben wir zwei wichtige Punkte nie außer Acht gelassen: Unsere Bestandskunden nicht zu irritieren und die Wiedererkennbarkeit weiterhin zu gewährleisten.“ In der Kollektion wächst der Anteil nachhaltiger Produkte. Die zur vergangenen Saison gelaunchte Tagwäsche-Serie Biotyful, mit den Siegeln GOTS und Grüner Knopf ausgezeichnet, bekommt mit neuen Schnitten ein Update. Neu ist die Nachtwäsche InterlockCotton Capsule aus GOTS-zertifizierter Baumwolle, die zum Liefertermin Juli ins NOS-Programm aufgenommen wird. Darüber hinaus bietet die neue Mey-Kollektion ein rundes Angebot exklusiver Dessous, hautschmeichelnder Lingerie und bequemer Nightwear. Highlights der Kollektion sind besonders feminin-elegante Styles mit opulenter Spitze und mit exklusiven Prints.
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Mey zeigt Style und Kompetenz in jedem Produkt.
Voller Einsatz für die Supreme: Mirjam Dietz (links) und Aline Müller-Schade.
The Supreme Group
„PRIVACY IST UNSER VORTEIL“ Wie positionieren sich die Supreme Women & Men Orderplattformen in dieser Saison? Mirjam Dietz, Business Development & Communications: Als Orderplattform blicken wir optimistisch in die Zukunft. Im vergangenen Sommer ist es uns gelungen, an zwei Standorten vier Orderveranstaltungen durchzuführen und haben viel Zuspruch erhalten, weil die Besucher und Aussteller sich sicher gefühlt haben. Wir sind zuversichtlich, dass es uns auch jetzt wieder gelingt, verantwortungsvoll für alle zu agieren. Was macht die Supreme Women & Men zukunftsfähig? Aline Müller-Schade, geschäftsführende Gesellschafterin: Wir schaffen einen wichtigen Raum, wo sich Agenturen und Marken mit Händlern treffen und miteinander arbeiten können, so sicher wie in einem Showroom. Dass wir als relativ kleine Veranstaltung eine gewisse Privacy haben, ist sicherlich von Vorteil. Uns erreichen fast täglich Anfragen der Agenturen, die temporäre Showrooms suchen, sowohl in Düsseldorf als auch in München. Wir sind zwar keine reinen Untervermieter, können ihnen aber als Orderplattform Supreme ein interessantes Konstrukt bieten. Worauf können sich eure Besucher freuen? Aline Müller-Schade: Auf Neues und Überraschendes, da wir uns als Garant für ein spannend gemixtes, fein abgestimmtes Angebot für den gehobenen Fachhandel verstehen. Wir beobachten genau, wie sich der Markt und die Ansprüche der Konsumenten im Luxus- und Premiumsegment verändern und richten unser Augenmerk künftig noch stärker auf Kollektionen und Sondereditionen, die nachhaltig und mit sozialer Kompetenz produzieren. Das sind Themen, die besonders der neuen Generation am Herzen liegen. Supreme Women & Men Düsseldorf, 29. Januar bis 1. Februar 2021 Supreme Women & Men München, 13. Februar bis 16. Februar 2021
WWW.STETSON-EUROPE.COM
PITTI UOMO Florence February 21-23 2021 Fortezza da Basso Padiglione Centrale
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Drei Jahre Entwicklungszeit steckte die Schuhmarke Heinrich Dinkelacker in einen 3DFußscan, der jetzt helfen soll, den passenden Schuh zu finden.
Goldwin x Spiber Inc.
ZUCKER-BRÄU ERSETZT ERDÖL Wenn ein japanisches Bio-Venture und eine japanische Traditionsmarke wie Goldwin kooperieren, kommt ein neues Material heraus, das verstrickt mit Wolle neue Perspektiven eröffnet: Brewed Protein. Darin steckt Strukturproteinmaterial, das hauptsächlich aus pflanzlichen Zuckermolekülen besteht, die in einem speziellen Verfahren gebraut werden. Da es in verschiedenen Stärken produziert werden kann, wird es bereits als Ersatz für Fasern auf Erdölbasis gehandelt. Spiber eröffnet in diesem Jahr eine Produktion in Thailand, um von dort aus den internationalen Export der ökologischen Substitution für Kunststoff- und tierische Fasern voranzutreiben. Goldwin produzierte letztes Jahr einen Unisex-Sweater mit dem Brewed Protein, der für 800 Euro online vorzubestellen war. www.goldwin-sports.com, www.spiber.jp
Heinrich Dinkelacker
PASST WIE ANGEGOSSEN Daniel Pokorzynski ist nicht nur Geschäftsführer des Handelsformats Shoepassion, sondern auch für die Marke Heinrich Dinkelacker verantwortlich. Neben dem innovativen digitalen Konzept für Maßschuh hat er zur Reduktion von Retouren auch ein daran gekoppeltes Tool zur Schuhgrößenempfehlung entwickelt.
Gebraute Proteine statt Fasern auf Erdölbasis. Das japanische Bio-Venture Spiber stellte seine Innovation in Kooperation mit Goldwin vor.
Was ist das besondere an der Software, die ihr entwickelt habt? Wir können anhand des Scans den Fuß als 3D-Modell abbilden. Das schafft keine klassische Vermessung von Hand. Die Software ist mit all unseren Leistendaten gefüttert. Im Zusammenspiel kann so ein extrem genauer und rascher Service erfolgen, der am Ende im Gegensatz zum klassischen Maßservice skalierbar ist. Während man dort viel Erfahrung und Know-how für das Vermessen von Hand benötigt und dies obendrein sehr fehleranfällig ist, muss hier schlichtweg nur die Soft- und Hardware richtig bedient werden. In welchem finanziellen Rahmen muss man sich die Investition für die Entwicklung einer solchen Software vorstellen und welche Geräte oder Maschinen bedarf es für die Umsetzung in der Praxis? Das Projekt ist finanziell schwer zu beziffern. Aber das Investitionsvolumen liegt neben dem enormen Zeiteinsatz – es flossen mehrere Jahre Entwicklungsarbeit von uns und unserem Partner OneFid in Prozess und Software – im sechsstelligen Bereich. Diese Werte gelten für das gesamte Technologie-Set-up von Shoepassion ID. Es wird ein 3D-Scanner benötigt, eine entsprechende CAD-Software, eine CAD-gesteuerte Fräsmaschine zur Leistenherstellung und ein CAD-gesteuerter Schneidetisch zur passgenauen Herstellung der Lederausschnitte. Bei welcher Größenordnung, kann man von Amortisation der Investition sprechen? Shoepassion ID stellt für uns eine Plattformtechnologie dar, auf der wir eine Vielzahl von Anwendungen anbieten, wie z. B. die Schuhgrößenempfehlung online und auch in den Stores, den digitalen Maßschuh oder in Zukunft auf passgenaue individuelle Einlagen. Wir gehen daher von einer Amortisation in ein bis zwei Jahren über alle aktuellen Anwendungen aus. Die Fortsetzung des Interviews lesen Sie auf www.style-in-progress.com.
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bogner.com
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Sportalm
FÜR ZUHAUSE
Es sich zu Hause gemütlich machen – das geht jetzt auch im Signature-Look von Sportalm Kitzbühel.
Das trifft den Zeitgeist: Sportalm Kitzbühel erweitert ab Frühjahr/ Sommer 2021 seine Kollektion um eine Home Collection. Kissen, Plaids und Bettwäsche im typischen Sportalm-Stil ergänzen das Sortiment. Insbesondere für die 36 unternehmenseigenen Stores und Outlets ist das eine ideale Ergänzung, doch auch die international 1.400 SportalmHändler sollen von der neuen Line-Extension profitieren können. Vertrieben wird die Kollektion über den Lizenznehmer Stöckel & Grimmler. Die VK-Preise der Produkte liegen zwischen 49 Euro für Kissenhüllen bis 329 Euro für hochwertige Kunstfellplaids.
Slowear
ITALIENISCHER LIFESTYLE FÜR DEN HOHEN NORDEN Im Oktober eröffnete das italienische Unternehmen Slowear in Hamburg nach München bereits seinen zweiten Conceptstore in Deutschland. Der Name ist Programm: Mit den vier Herrenkollektionen Incotex, Zanone, Glanshirt und Montedoro kreiert Slowear seit 70 Jahren eine Stilwelt in höchster Qualität mit italeinischem Lebensgefühl und einen zeitgemäßen Gegenentwurf zum Konsumdruck der Fast-Fashion-Industrie. www.slowear.com Exklusiv aus dem Mittleren Osten: Der Onlinestore Kadib importiert Mode und Interieur von persischen Designern.
Kadib Shop
FEMALE EMPOWERMENT Kadib ist nicht nur der erste europäische Onlinestore für persische Modeund Interieurdesigns, sondern auch ein junges Start-up, das Unternehmerin Kamelia Adib 2019 mit dem Ziel gründete, ihrer Passion eine Plattform zu geben. Bei Kadib spielen Themen wie Female Empowerment, soziales Unternehmertum, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung eine große Rolle. Denn die Präsenz im europäischen Markt ist für die rund 50 Designer, deren Produkte Kadib listet, die große Chance. www.kadib.com Vier Marken unter einem Dach. Der neue Hamburger Slowear-Store bildet die Markenwelt des Unternehmens ab.
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www.cruna.com Elvis Fashion Agency - München ( Germany ) - www.elvisfashion.com
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The Nim Standard
SCHLAGENDES ARGUMENT Cooler American Spirit, bestes italienisches Denim-Know-how: The Nim zählt zu den Aufsteigern im Markt. Seit dieser Saison verantwortet Niklas Rill mit seiner Agentur den Vertrieb für Deutschland und Österreich. „Auch die Preise von 149 bis 229 Euro im VK ist ein schlagendes Argument“, so Niklas Rill. Seine Zusammenarbeit mit dem Gründer Claudio Parolini ist eng und freundschaftlich, beide wollen enge, kooperative Partnerschaften mit dem Handel aufbauen, um den Bedarf punktgenau zu treffen. „Claudio arbeitet immer hart, um die neue Kollektion zu optimieren und alle aufs Neue zu begeistern.“ www.emmepi-italia.com
Ein bildstarkes Symbol für die schnell wachsende Einzelhandelslandschaft in China: die neue Sowhat Boutique in Chengdu.
Sowhat
SINNBILD FÜR DIVERSITÄT Im Südwesten Chinas liegt die Millionenstadt Chengdu, die der Pandemie im letzten Jahr mit ihrem fast schon traditionellen Wirtschaftswachstum trotzte. Was an Chengdu anders ist? Die diverse, breit gefächerte Multibrand-Storelandschaft, die sich hier auch außerhalb der großen Malls abspielt. Im August öffnete der Luxusretailer Sowhat eine großflächige Boutique, die neben internationalen High-Fashion-Marken wie Alexander Wang, Marni oder MM6 auch lokale Labels wie Shushu/Tong, Minga Ma oder Dion Lee führt.
Überzeugt mit frischen Ideen: das kreative Team der Agentur Igel.
Conceptstore Alte Gießerei Igel
WEITER DENKEN
Niklas Rill trägt und lebt die Marke The Nim.
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Coole Location, smartes Konzept: Die Agentur von Detlef Igel geht mit Personal Shopping neue Wege und nutzt die Räume einer alten Gießerei in Erkrath bei Düsseldorf nicht nur als Vertriebsagentur, sondern auch als Conceptstore. Wichtigste Marke ist Drykorn, die Igel seit vielen Jahren für einen Teil Deutschlands vertreibt, ergänzt von Copenhagen Studios, Lola Clothing, Interieur von Hay und Wuud, Lampen von Artemide bis hin zur Scincare von Oskar. Über die Website können die Konsumenten ein 90-minütiges Zeitfenster buchen und sich neben dem Einkauf auf einen guten Kaffee, Insidertipps, einer Führung durch das Gebäude und Parkplätze vor der Tür freuen. Auf Sale-Aktionen ist Detlef Igel bewusst nicht aus. Lieber möchte er mit seinen Produkten und dem besonderen Shoppingerlebnis begeistern. www.agentur-igel.de, www.alte-giesserei-igel.de
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Wunderfell
ACHTSAMKEIT Es gibt zwei Änderungen im Vertriebsteam der Kollektion Wunderfell: Für Österreich ist die Agentur Meike Schilcher verantwortlich und den Vertrieb in Bayern hat die Agentur Klaus Knierer übernommen. „Modisch gesehen werden die klassischen Modelle mit sportiven Styles ergänzt“, sagt Dirk Nienaber, Geschäftsführer Marlino GmbH. „Es kommen nur hochwertige spanische Merino-, südafrikanische und neuseeländische Lacon- und isländische Felle zum Einsatz, die ausschließlich in Europa verarbeitet werden. Mit einer Preisspanne von 999 bis 2.299 Euro im VK decken wir nun mehrere Segmente ab. Uns ist neben fairen Arbeitsbedingungen extrem wichtig, wo das Fell herkommt und wo und wie gegerbt und gefärbt wird, nachhaltige Prozesse sind dabei höchste Priorität.“ Gerade dieser Aspekt hat jetzt auch namhafte Neukunden überzeugt. www.wunderfell.de
Vic Matie forciert seinen Onlinehandel – gemeinsam mit den stationären Handelspartnern.
Leicht, funktional und vielseitig einsetzbar: RRD bietet Eigenschaften, die gut in die Zeit passen.
Vic Matie
SHARED ECOMMERCE Vic Matie, der Schuhhersteller aus den Marken, investiert in die Digitalisierung und hat alle seine virtuellen Kanälen neu gestaltet. Das Ziel ist, die Consumer Experience so angenehm wie möglich zu machen. Der erste Schritt erfolgte im B2B-Segment mit der Errichtung eines digitalen Showrooms. Ab sofort werden die Kollektionen persönlich von Silvia Curzi, Creative Director des Schuhlabels, präsentiert. Während dieser Präsentationen können Einkäufer die Schuhe direkt bestellen. Für den Endkunden will die Marke sicherstellen, dass er seine Lieblingsschuhe immer bekommt – egal ob online oder offline. Dafür ist die Marke eine Partnerschaft mit THESHHHOP eingegangen. Das italienische Start-up-Unternehmen bietet eine Plattform, die jeder Marke ein eigenes digitales Schaufenster zur Verfügung stellt. Neu ist, dass Einzelhändler, die die Marke im Sortiment haben, genauso Zugriff auf die Produkte haben. Wenn zum Beispiel eine Größe oder Farbe im Laden nicht vorrätig ist, kann darüber bestellt werden. Für den Onlinekäufer ist es außerdem möglich, über Geolokalisierung herauszufinden, welcher Laden in seiner Nähe den Schuh stationär führt. Die Abholung und Rückgabe bei den Händlern wird offensiv angeboten, um auch den klassischen Kanal zu stärken. www.vicmatie.com
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RRD
NEUE AGENTUR FÜR DEUTSCHLAND
Wunderfell ist mal klassisch, mal sportiv – aber immer so nachhaltig wie möglich.
Die italienische Premiumsportswearmarke RRD hat ab der Saison Herbst/Winter 2021 mit der Münchener Hinterhofagentur von Dominik Meuer eine neue Vertriebsagentur in Deutschland. Für den Vertrieb in Österreich ist nach wie vor Room with a view in Salzburg zuständig. „Sports- und Casualwear mit wirklichem Active-Charakter und echtem Nutzen für Freizeit und Sport und moderner Optik haben in den kommenden Saisons nochmal deutlich mehr Potenzial als bisher. Die Menschen sind mehr denn je draußen unterwegs, egal ob in der Stadt, auf dem Berg, im Wald oder am Meer. Das RRD-Portfolio basiert auf einer Vielzahl leichter technischer Materialien. Die langjährige Erfahrung im Wassersport und versierte Entwicklung von Hochleistungshardware für Kite- und Windsurfen sorgt für die entsprechende Glaubwürdigkeit. „RRD bietet eine Vielzahl von sportlich eleganten Hybriden mit hervorragender Alltagstauglichkeit und neben Mänteln und Jacken gibt es eine große Auswahl von Hosen und Oberteilen, um die Kollektion abzurunden. Früher wurden die Vorlagen und Inspirationen für Sportswear vornehmlich aus dem Army- und Workwear-Bereich abgeleitet, jetzt geht die Entwicklung immer stärker in Richtung des Active- und PerformanceSportbereiches“, erklärt Dominik Meuer. www.robertoriccidesigns.com
Look! Wir freuen uns auf eure telefonische Terminanfrage bei unseren Vertriebspartnern! WWW.DADDYSDAUGHTERS.COM
JETZT
The Supreme Group Fashion Net Düsseldorf
GEMEINSAM STARK Im Dezember wurde Aline Müller-Schade, geschäftsführende Gesellschafterin der The Supreme Group, in den Vorstand des Vereins Fashion Net Düsseldorf e.V. gewählt. „Die Stadt Düsseldorf liegt mir am Herzen, zumal wir mit der Supreme Women & Men den Standort seit zehn Jahren konsequent bespielen“, so Aline Müller-Schade. „Da ist es für mich nur konsequent, im Verein mitzuwirken und zukunftsweisend mit zu agieren. Gemeinsam mit den Modeagenturen, Marken und der Igedo Company sind wir stark.“ Aline Müller-Schade ist dafür bekannt, mit ihrem Engagement auf ihre Intuition zu setzen. „Manchmal polarisiert mein auch mal unkonventionelleres Denken, aber ich bin überzeugt, dass ein frischer Wind gut tut, wenn man etwas bewegen möchte. Denn der Markt verändert sich und wir Akteure müssen uns mit verändern.“ www.fashion-net-duesseldorf.de
Aline Müller-Schade setzt sich für Düsseldorf ein – jetzt auch im Vorstand des Vereins Fashion Net Düsseldorf e.V.
Neonyt
NEUSTART IN FRANKFURT Im Rahmen der Frankfurt Fashion Week vom 5. bis 9. Juli 2021, wird die Neonyt zusammen mit der Premium und der Seek auf dem Messegelände der Mainmetropole stattfinden. Ziel der FFW ist es, dass sich alle Ausstellenden bis 2023 zu den Sustainable Development Goals bekennen, um die Nachhaltigkeitsziele der UN zu erreichen. „Es ist unser Anspruch, Lösungen für gesamtgesellschaftliche Herausforderungen zu finden und die Ziele der internationalen Politik zu unterstützen, wie etwa den European Green Deal. Die Mode- und Textilbranche soll bis 2050 klimaneutral werden. Um das zu schaffen, müssen wir alle an einem Strang ziehen. Die Frankfurt Fashion Week lädt alle Initiierenden und Beteiligten nachhaltiger Konzepte, Kongresse und Shows, die sich dem Thema Sustainability widmen, ein, sich in Frankfurt zu treffen, zu diskutieren und konkrete Entscheidungen zu treffen, um gemeinsam an etwas Großem zu arbeiten“, sagt Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt. Zusammen mit der Conscious Fashion Campaign, in Kooperation mit dem United Nations Office for Partnerships als Presenting Partner, soll die FFW als konsequent nachhaltige Plattform positioniert werden, die die Modebranche bei der Transformation hin zu einer modernen, ressourceneffizienten Industrie unterstützt und die Dekade des Handelns einleitet. „Angesichts ihrer globalen Reichweite ist die Modebranche in der einzigartigen Position, sich besonders für die Bereiche Klimaschutz und verantwortungsvolle Produktion und Konsum zu engagieren“, sagt Annemarie Hou, Acting Executive Director of the United Nations Office for Partnerships und betont: „Die Frankfurt Fashion Week und der CFC-Summit als internationale Leitkonferenz für Nachhaltigkeit in der Modewelt werden als wichtige und zukunftsweisende Plattform für Bildung und Engagement der Textilbranche in der ‚Decade of Action‘ dienen.“ 6. bis 8. Juli 2021, www.neonyt.messefrankfurt.com
Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt, lädt dazu ein, an Lösungen für eine klimaneutrale Mode- und Textilbranche zu arbeiten.
028
style in progress
Sie lassen sich nicht entmutigen: Im März 2020 eröffnete in London der Menswearstore Très Bien trotz Shutdown.
Très Bien
OPENING TROTZ SHUTDOWN Mitte März eröffnete im Londoner Szeneviertel Soho der erste Très-Bien-Store außerhalb Malmös. Dahinter stehen die beiden Schweden Simon und Hannes Hogemann, die seit 2006 mit Très Bien für ein anspruchsvolles Multibrandsortiment für Menswear stehen. Mit Marken wie Our Legacy, Raf Simons oder Prada mischen sie internationale Designerlabels mit Sportswearmarken wie Nike, Common Projects oder Stüssy. www.tres-bien.com
COSY CHECK PANTS alberto-pants.com CREATED IN MÖNCHENGLADBACH
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LSTNR
FRANKFURT FOR FUTURE Nach sieben Jahren bekommt der Frankfurter Store Listener ein Upgrade. Im Vordergrund steht ganzheitliches Einkaufserleben im Zeichen von bewusstem Konsum und gesundem Lebensstil sowie der Evolution zu mehr Nachhaltigkeit. Inhaber Hakan Temür, der ebenfalls die Agentur Brandpool betreibt, vergrößert sein Konzept auf 1.700 Quadratmeter mit einer 180 Meter langen Schaufensterfront. Künftig heißt der Store LSTNR und zieht in das „Flare of Frankfurt“-Gebäude an der Großen Eschenheimer Straße um, welches von dem renommierten Architekten Hadi Teherani geplant wurde. Keywords des neuen Konzeptes sind Culture, Community, Education and Empowerment, Conscious Lifestyle and Mindful Consumption. Neben dem ersten Franchisestore des Berliner Food-&-Health-Anbieters Daluma werden weitere Partner wie u. a. Atelier Markgraph, Spatial Design, Netguru, Technology und Kemmler Kemmler für Creative Concepts in die Umsetzung des neuen Projektes mit einbezogen. Die Eröffnung ist für Sommer 2021 geplant. www.thelistener.de Neue Maßstäbe in Frankfurt: Hakan Temür will zum Sommer 2021 sein LSTNR-Konzept auf 1.700 Quadratmeter erweitern, Nachhaltigkeit steht im Fokus.
Meilenstein des Retail in Berlin. Im Frühjahr 2021 eröffnet das Alhambra Berlin als experimenteller Retail-Space.
Alhambra Berlin
MIT SPANNUNG ERWARTET Dieses Frühjahr wird die Berliner Innenstadt um eine weitere Szene-Location im Einzelhandel reicher. Mit Alhambra Berlin eröffnet im ehemaligen Filmpalast auf dem Kurfürstendamm ein Projekt-Space seine Türen, der auf 1.100 Quadratmetern ein innovatives Co-Retail-Format präsentieren will. Konkret bedeutet das eine Mischung aus Showroom, Kunstgalerie, Store und Eventfläche. A space beyond just retail, a store beyond just shopping, mit schmissigen Slogans markieren die Macher ihr Ziel, gelebte Muster des stationären Handels aufzubrechen. Konzeptentwicklerin Tatjana Sprick setzt außerdem auf ein ausgeklügeltes technisches Tracking – ähnlich der Datenanalyse eines Webshop-Users. Über 19 Kameras mit 360-Grad-Screenings liefert eine spezielle Softwear exakte Analysen über das Nutzerverhalten im Store und die Akzeptanz der einzelnen Marken und Produkte. www.alhambra-berlin.com
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„Wir bieten Präsenz mit digitalen Addons.“ Ulrike Kähler
Gallery Fashion and Shoes
„EINE MESSE DARF KEIN ONLINESHOP WERDEN“ Wie funktioniert die Gallery diese Saison? Ulrike Kähler, Geschäftsführerin Igedo Company, Projectdirector Gallery Fashion und Gallery Shoes: Eine Messe funktioniert mit Präsenz, davon bin ich auch heute überzeugt. Wir zeigen emotionale Produkte, die ein Look and Feel brauchen. Das lebe ich als Person, darauf arbeiten wir hin. Die Zeit hat allerdings gezeigt, dass wir virtuelle Add-ons schaffen müssen, etwa, wenn internationale Besucher nicht anreisen können. Durch unsere neue Hybridlösung können unsere Aussteller mit ihren Kunden auf jeden Fall in Kontakt bleiben. Welche Stärken könnt ihr auch jetzt ausspielen? Zum einen ein klares Sicherheitskonzept, mit geregelten Ein- und Ausgängen und der Nachverfolgung, wer wie lange in den Hallen ist. Damit ist die Gallery sicherer als jede Einkaufsmall. Noch dazu sind die Hallen im Areal Böhler großzügig und gut belüftet. Zum anderen bieten wir ein spannendes Angebot aus Mode, Schuhen und Accessoires und eine gewisse Privatheit für die Order; jeder Stand ist wie ein kleiner Laden. Als Orderplattform bleiben wir auch in Zukunft relevant. Denn wenn ein Einkäufer nichts Neues sehen und kaufen kann, liegt bald nichts Neues in den Läden. Wie entwickelt sich die Gallery weiter? Ich möchte die Veranstaltung so ausbauen, dass sie Neugierde weckt. Mich inspirieren Conceptstores, die Überraschendes miteinander verknüpfen und so Spannung erzeugen. Diesen Conceptstoregedanken verfolge ich für die Gallery und bin immer auf der Suche nach Neuem, was die Besucher für ihre Geschäfte inspirieren kann. Dass diese Idee ankommt, hat die Gallery im September gezeigt, wo wir erstmals die Konzepte Fashion und Shoes gemischt haben und mancher Aussteller Kunden gewinnen konnte, den er vorher nicht hatte. Gallery Fashion & Shoes: 30. Januar bis 1. Februar 2021; Gallery Showroom Concept: 28. Januar bis 1. Februar 2021; Digitales Hybrid: 28. Februar bis 15. Februar 2021; Gallery Shoes & Fashion: 7. März bis 9. März 2021; Gallery Showroom Concept: 5. März bis 9. März 2021
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Phil Petter
„DIE KUNDEN WERDEN LUST AUF NEUES HABEN“
Anja Grabherr-Petter verstärkt für Phil Petter den Casual-Part mit Cosy-Strick in soften Qualitäten.
Was hat euch das herausfordernde letzte Jahr gelehrt? Anja Grabherr-Petter, Creative Director Phil Petter: Dass es mehr denn je darum geht, die eigenen Stärken genau zu erkennen und perfekt einzubringen. Als kleines Familienunternehmen steht Phil Petter für langlebige, perfekt gearbeitete Lieblingsteile, die wir in unserer Manufaktur fertigen – abseits jeder Massenware. Auf Verbraucherseite wächst das Qualitätsbewusstsein und die Awareness für europäische Fertigung. Beides ist in der DNA von Phil Petter fest verankert. Was brauchen die Kunden jetzt besonders? Neben einem ausgesuchten Produkt guten Service. Deshalb haben wir in ein NOS-Programm mit hochwertigen Shirts aus unserer Premiumjerseyqualität investiert, die schon seit Jahren sehr erfolgreich bei uns laufen und die nun in der Saison nachgeordert werden können. Strick und Jersey sind jetzt besonders gefragt, deshalb haben wir den Anteil an Sakkos reduziert und den Casualanteil mit viel Strick und Hoodies gestärkt. Ganz neu sind unsere Luxury Matching Sets mit gestrickten Joggpants und Oberteilen aus Cashmerino, einer federleichten, soften Merinowolle. Dank neuer 3D-Technologie haben sie keine Nähte und sind umso komfortabler. Die Kunden werden im Herbst Lust auf Neues haben, davon sind wir überzeugt. Viele unserer Handelspartner sind für unser Produkt sehr motiviert und gehen mit Optimismus in die neue Saison. Und das tun wir auch! www.philpetter.com
Vicario Cinque
„DIVERSIFIZIERUNG IST WICHTIGER DENN JE“ Stefano, was gibt es Positives aus dem Jahr 2020 zu berichten? Stefano Lora, Gründer und CEO von Vicario Cinque: Wir haben letztes Jahr viel Positives mit Vicario Cinque erlebt. Wir konnten die Zahlen halten und unser Expansionskurs wurde nur leicht abgebremst. Den geplanten Ausbau in China haben wir auf 2021 verschoben, den polnischen Markt konnten wir trotz der Pandemie eröffnen. Das sind sehr gute Ergebnisse für so ein verrücktes Jahr. Zudem haben wir an unserer Kollektion Nova Village arbeitet – eine Homewear-Capsule, wenige Teile aus Naturfasern und ideal fürs Homeoffice. Die Idee hatten wir noch bevor alle von Zuhause aus arbeiten mussten, wir haben immer schon an Diversifizierung geglaubt und deswegen unsere Homelinie V5 ins Leben gerufen. Und plötzlich lagen wir mit unserer Intuition goldrichtig. Welche Learnings gab es? Wie wichtig auch in dieser Branche das Zwischenmenschliche ist. Beziehungen werden wertgeschätzt. Man will keine Zeit mehr für Irrelevantes verschwenden. Ich hoffe, dass Smart Working (italienisch für Homeoffice) nicht wieder verschwindet, weil es ein sehr nachhaltiges Arbeiten ist. Wie wird 2021? Für Vicario Cinque ein sehr aufregendes Jahr. Wir werden in unser neues Headquarter umziehen. Wir haben 2018 die Villa Piovene bei Vicenza erworben, 2019 und 2020 renoviert und können nächstes Jahr endlich die Räumlichkeiten der neuen Büros eröffnen. Die Villa ist aus dem 16. Jahrhundert, hat 3.000 Quadratmeter Fläche, das Grundstück 18.000 Quadratmeter. Es ist ein echtes Juwel – bei den Renovierungen wurden sogar Fresken, aus der Zeit, als die Komtesse Adele Piovene dort lebte, gefunden.
Der Blick auf die Villa Piovene, den neuen Firmensitz der italienischen Marke Vicario Cinque.
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Umsicht und Enthusiasmus, das ist eine gute Paarung, wie die Munich Fabric Start beweist. Sie verschiebt ihre Fabric Days auf Anfang März.
Munich Fabric Start
SEHR EMOTIONALE PRÄGUNG Realismus lässt die Munich Fabric Start ihre Fabric Days auf 2. bis 4. März 2021 verschieben. Als festes Ziel setzen sich die Veranstalter, den langjährigen Ausstellern und Besuchern eine inspirierende und sichere physische Fachmesse für die Saison Frühjahr/Sommer 2022 in München zu bieten. Die Rückmeldungen der Aussteller waren verständnisvoll und wohlwollend, was sich in die gute Resonanz auf die ersten Fabric Days einreiht. „Die Saison Frühjahr/ Sommer 2022 wird durch die außergewöhnliche Situation sehr emotional geprägt“, sagt Managing Director Sebastian Klinder. „Unser Leitthema ‚We are all in‘ steht für Zusammenhalt, die Sehnsucht nach persönlichem Austausch und der Rückkehr zu unserem gewohnten Tun – dem ‚neuen Normal‘. Wir sind optimistisch, hoffnungsvoll und bereit für neue Wege, die der technologische und gesellschaftliche Fortschritt ermöglicht. Diesen erleben wir mit all unseren Sinnen auf physischer wie digitaler Ebene.“ Erwartet werden rund 300 internationale Lieferanten, die ihre Neuheiten und Materialentwicklungen für Sommer 2022 präsentieren. Fabric Days, 2. bis 4. März 2021
DESIGN TRIFFT BIOMECHANIK Stinaa.J kombiniert eine patentierte orthopädische Einlegesohle mit einem minimalistischen, modernen und eleganten Design. Die biomechanische Einlage wurde auf Basis von über einer Million dreidimensional gescannter Füße, drei Jahrzehnten orthopädischer Erfahrung und der Verwendung von hochqualitativen Materialien aus der Weltraumforschung entwickelt.
Händlerkontakt: N o r d d e u t s c h l a n d : a m a y @ s o o p - a g e n t u r. d e S ü d d e u t s c h l a n d : m a r t i n @ b u n d l e c h n e r. e u
JETZT
Goldgarn Denim
Gemeinsam unterwegs durch Deutschland. Das Team von Dornschild auf dem Fashion-Road-Trip 2020. Fortsetzung folgt.
„WIR WOLLEN ETWAS ZURÜCKGEBEN“ Was hat die Krise bei euch Gutes bewirkt? Kerem Oezcelik, Gründer Goldgarn Denim: Wir haben unseren Customer-Service in Richtung Handelskunden noch stärker ausgebaut und den direkten Austausch intensiviert. Das haben die Händler bei uns sehr geschätzt, auch auf emotionaler Ebene. Zugleich sind die Kunden zurückhaltender, was die Besuche in den Showrooms betrifft, weshalb wir die Zeit genutzt haben und im Januar mit unserem eigenen B2B-Shop an den Start gehen. So kann Goldgarn zukünftig digital und physisch im Showroom geordert werden. Was hat sich im Produkt getan? Ganz neu ist unsere Linie Goldgarn Essentials für Damen, mit Hosen ganz aus Denim, ganz ohne Elasthan. „Make it yours“ ist unser Slogan dazu, denn die Jeans wird mit der Trägerin ihre persönliche Form erst entwickeln. Außerdem haben wir zusätzlich zur Hauptkollektion ein Konzept mit je zehn Styles für Herren und Damen entwickelt, das die ganze Saison über ab Lager verfügbar sein wird. So nehmen wir den Händlern den Lagerdruck. What else? Wir starten außerdem eine Bio-T-Shirt-Kapsel mit ausgewählten Printmotiven regionaler Künstler. Ein Teil des Erlöses fließt in unsere Stiftung Goldgarn Charity. Jeans lassen sich nicht hundertprozentig nachhaltig fertigen, daher sehen wir uns in der Verantwortung, etwas zurückzugeben, in dem wir zum Beispiel in Trinkwasserbrunnen in Bangladesch investieren oder einen Wald aufforsten; hier haben wir uns große Ziele gesetzt. www.goldgarndenim.de
Dornschild
ON THE ROAD AGAIN Während sich die Industrie in der Digitalisierung übte, hast du deinen Freund und Agenten Lars Fischer im Sommer 2020 über Social Media bei einem physischen Fashion-Road-Trip durch ganz Deutschland begleitet. Jörn, was war der faktische Output des Trips, abgesehen von einer großartigen Live-Doku auf Instagram? Jörn Boysen, Gründer von Dornschild: Das Schönste war die Dankbarkeit und Gastfreundschaft, die Lars bei all unseren Kunden erleben durfte. Wir suchten, besonders in dieser harten Zeit, den persönlichen Kontakt und eine Nähe zum Handel. Daraus entstanden Freundschaften und ein tiefes Vertrauen. Und es sind sogar rund 30 Prozent neue Kunden hinzugekommen, was uns überwältigt hat. Wird es eine Fortsetzung geben? Auf jeden Fall. Mode muss man live fühlen und leben. Im Sommer 2021 startet der nächste Fashion-Road-Trip. Wie hast du die Kollektion auf die neue Situation im Jahr 2020 kalibriert? Indem wir uns immer schon auf die stärksten Key-Items und das Wesentliche konzentriert haben. Als Off-Season-Kollektion können wir dem Handel ein Produkt liefern, das unabhängig von Saison und Wetter ganzjährig Relevanz hat. Daran halten wir fest und erweitern im nächsten Jahr um eine neue Silhouette. www.dornschild.com
Funky Staff
„ONLINE PROFITIEREN BEI UNS ALLE“
Goldgarn-Gründer Kerem Oezcelik setzt auf guten Service und handwerklich gefertigte Jeans.
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Uwe, du bezeichnest euren neuen Onlineshop als Weltpremiere. Verrate mal, warum? Uwe Bernecker, Gründer von Funky Staff: Weil wir zu hundert Prozent unsere Händlerinnen und Händler einbinden. Beim Check-out kann jeder Kunde sehen, dass er nicht von der Marke, sondern von Funky-Staff-Händlern kauft. Er kann einen Lieblingshändler angeben, der dann immer priorisiert wird, in allen anderen Fällen entscheidet ein Algorithmus und sucht nach Kriterien wie Nähe und Verfügbarkeit aus, welcher Händler liefert. Du machst Social-Media-Schulungen, du spannst Promis wie Frauke Ludowig ein, um für den Kauf im Einzelhandel zu werben, auf Social Media hast du eine Swipe-&-FindFunktion. Warum setzt du so bedingungslos auf den Handel, während viele andere Firmen versuchen, mit eigenen Stores oder online den Umsatz selbst zu machen? Ich kann mir keine bessere Kundenaktivierung vorstellen als durch einen enthusiastisch geführten Laden. 2020 war in dieser Hinsicht besonders lehrreich, denn man kann ganz genau analysieren, wer seinen Laden, seine Kunden und seine Marken liebt. Diese Händlerinnen und Händler haben sich den Lockdowns zum Trotz erfolgreich geschlagen. Wir haben sie in dieser Mission unterstützt, wo es nur ging. In der Kombination aus kurzfristig verfügbarer, begehrlicher, 100 Prozent Made-in-Italy-Fashion und vollem Support der gesamten FunkyStaff-Community haben wir gemeinsam viel bewegt. Nun zieht ihr in Frankfurt um. Ein Signal? Ja, wir brauchen Platz. Funky Staff ist auf einem guten Kurs und wir haben noch viel vor. Wir haben das Ohr am Markt und können liefern, was unsere Kundinnen wollen und unsere Händlerinnen und Händler brauchen, um gute Umsätze zu machen. Es geht mehr denn je um Partnerschaften, wir sind kein Lieferant, wir sind ein Partner. www.funkystaff.com
JETZT
A Fish Named Fred
EIN GUTER FANG
Präzision in der Markenführung: Steiner 1888 steht für Loden, Punkt.
Bei der niederländischen Marke A Fish Named Fred steht das Jahr 2021 ganz im Zeichen der Expansion. Die neue Firmenzentrale in der Nähe von Amsterdam wird künftig mehr Platz für Mitarbeiter, das eigenen Fotostudio, Showrooms, Marketing und Produktentwicklungsabteilung sowie ein Lager für Nachlieferungen bieten. Im März eröffnet der nächste Flagshipstore in der neuesten Westfield Mall nahe Den Haag. Zahlreiche neue Shop-in-Shop Concept Corners sollen die Wahrnehmung der Marke verstärken. Getreu dem Motto: „Be Proud And Stand Out!“ geht es bei A Fish Named Fred um stilvolle und farbenfrohe Mode für Männer. Schwerpunkte sind neben Hemden auch Blazer, Westen, Strick und Jacken sowie das umfangreiche Hosenprogramm. „Männer, die A Fish Named Fred tragen, sind mutige und energische Schrittmacher. Wir verwandeln für sie langweilige Herrenmode in etwas Buntes mit frischen und originellen Designs“, erklärt CEO Rob Schalker. Die Kollektion ist in zwei Liefertermine unterteilt und im Herbst/Winter 2021 vom Thema TattooDesign der Seefahrer inspiriert: Anker, Kompassrosen, Steuerräder, Meerjungfrauen, Leuchttürme, Seepferdchen, Muscheln, Herzen mit Banderolen oder Segelschiffe kommen als Icons oder Alloverprints. Für den Vertrieb in Deutschland und Österreich ist seit 2020 die Agentur Select Studio aus München mit weiteren Showrooms in Wien und Düsseldorf verantwortlich. Die Schweiz wird durch den Importeur Vision Active Group betreut. www.afishnamedfred.com
Steiner 1888
LODEN = FUNKTION + EMOTION Was nimmt Steiner 1888 aus dem in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Jahr 2020 mit in die Zukunft? Johannes Steiner, Geschäftsführer Steiner 1888: Die Wichtigkeit eines klaren Fokus wurde angesichts einer tatsächlich außergewöhnlichen Herausforderung ohne Frage noch einmal deutlicher. Wofür stehen wir? Was ist unsere Kernkompetenz und Marktberechtigung? Steiner 1888 = Loden. Das ist eine sehr simple Gleichung. Das ist auch keine per se neue Erkenntnis. Aber der logische nächste Schritt ist dann die Frage, wie wir dieses Bekenntnis noch besser, innovativer und an die Anforderungen eines sich rasant ändernden Marktes umsetzen können. Loden war eigentlich schon immer eine fast perfekte Kombination aus Funktion und Nachhaltigkeit. Macht sich der rasante Bedeutungsgewinn dieser beiden Themen für euch bemerkbar? Auf jeden Fall. Die Erfahrung, dass die Prinzipien, die wir mit Steiner 1888 schon immer vertreten, immer mehr an Bedeutung gewinnen, dass wir uns also nicht verbiegen oder neu erfinden müssen, um zukunftsfähig zu sein, hat in diesem intensiven Prozess der Auseinandersetzung mit dem eigenen Unternehmen auch sehr gut getan. Wir stehen für sehr vieles, was der informierte Konsument immer stärker sucht oder sogar verlangt. Unsere Wollwelt war diesen Sommer ein Besuchermagnet. Und letztlich bieten wir dort die höchste Stufe der Transparenz. Jeder kann sehen, was wir machen und wie wir es machen. Und ich erlebe eine Rückkoppelung vom Konsumenten zum Handel, die für uns sehr positiv wirkt. Was Loden alles kann, zeigt Steiner 1888 auf vielfältige Art und Weise. Was sind aktuell die spannendsten Projekte? In den letzten Jahren haben wir sehr erfolgreich das Thema Loden im Bereich Hotelerie, Gastronomie und Living vorangetrieben. Auch aus unserem Projekt eines Sesselliftes mit Loden als Sitzbezug haben sich Folgeaufträge entwickelt. Weil das Material sowohl ästhetisch als auch funktionell überzeugt. Was wir uns für 2021 ganz oben auf die Agenda geschrieben haben, ist die Entwicklung einer hochwertigen, sehr fokussierten Accessoirekollektion. Nicht mehr als reine Ergänzungen, sondern wirklich als eigene Linie. Das kann bis zu modernem, Reisegepäck gehen. Loden ist prädestiniert dafür, weil Funktion und Emotion eine Einheit bilden
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A Fish Named Fred wechselte 2020 zur Agentur Select Studio.
4. – 7. 5. 2021 Frankfurt am Main
PERFORMANCE. FUNCTION. FUTURE.
Erleben Sie die Zukunft. Beyond innovation. techtextil.com
Die Techtextil als internationale Leitmesse für technische Textilien steht für Performance. Function. Future. Erleben Sie in einem spannenden Messeumfeld einzigartige Innovationen aus den Bereichen Performance- und Funktionstextilien sowie inspirierende Impulse aus der ganzen Welt der technischen Textilien und Vliesstoffe.
parallel zu:
Ihr Ticket berechtigt Sie automatisch zum Besuch der Texprocess und Heimtextil. Besuchen Sie die drei führenden Messen der Textilbranche. Einmalig zur gleichen Zeit am gleichen Ort!
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Worschd
NED WURSCHT
Sandra Conçalves investiert in Nachhaltigkeit und Transparenz.
Viel Veränderung bei Lightning Bolt, aber der lässige Easy-to-wear-Style bleibt sich treu.
Lightning Bolt
„AGILITÄT UND KREATIVITÄT SIND ENTSCHEIDEND“ Was hat 2020 bei Lightning Bolt losgetreten und verändert? Sandra Conçalves, CEO Lightning Bolt: Vieles. Der Drang zur Veränderung ist stark und notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Also haben wir die Nutzung digitaler Lösungen für B2B und B2C erweitert und beschleunigt. Denn in der Pandemie hat sich verändert, wie wir voneinander kaufen, möglicherweise auf Dauer. Was sind die Vorteile? Service, Transparenz, Dialog und Kompetenz. Indem digitale Kanäle optimiert werden, wird die Zusammenarbeit direkter und effizienter. Wir haben außerdem unsere Social-Media-Strategien überdacht und wollen die Plattfor-
men noch mehr zum Erzählen unserer top Erfolgsgeschichte nutzen – weil wir glauben, dass Storytelling noch wichtiger als nur produktfokussierte Kampagnen werden wird. Die Geschichte von Lightning Bolt hat einen starken Bezug zur Natur. Als Marke des Ozeans ist es nur folgerichtig, uns für Nachhaltigkeit einzusetzen. Wir haben neue Stoffe entwickelt, Materialreste wiederverwendet und so unser Design neu definiert. Zusätzlich haben wir die Vernichtung nicht verkaufter Ware reduziert und dafür gesorgt, dass die Produkte repariert oder recycelt werden können. 2023 wollen wir unsere Materialrevolution vollzogen haben. Alle unsere Produkte sollen zu 100 Prozent biologisch abbaubar oder zu 100 Prozent umweltfreundlich sein. Ebenso setzen wir uns für die radikale Transparenz unserer Lieferkette ein. www.lightningbolt-usa.com
Was haben wir gegrillt! Der erste Lockdown in Deutschland hat der Outdoorküche einen neuen Höhenflug beschert. Das Nachdenken darüber, wie schlechte Wurst eigentlich auf die meisten heimischen Grills kommt, gepaart mit einem anderen Anspruch an die Inszenierung eines Produkts, hat ausgerechnet zwei Modemenschen auf den Plan gerufen: Malte Kötteritz vom Heritage Showroom und Michi Prues gründeten ihr Feierabend-Start-up The Worschd, eine Nürnberger Grillbratwurst, die in einem traditionellen Metzgerbetrieb handgemacht wird. Die besondere Herausforderung: The Worschd wird aus rohem Hack hergestellt, was die Logistik anspruchsvoll macht – aber, wie die beiden beweisen – lösbar ist. Für Malte und Michi ist The Worschd ein Nebenprojekt. „Unsere von Mode- und Lifestylemarken geprägte Sichtweise auf ein Produkt wie eine Grillbratwurst zu übersetzen, macht uns viel Spaß“, so Malte Kötteritz. www.theworschd.de
Feierabendgrill? Nein, Feierabendprojekt: Malte Kötteritz vom Heritage Showroom und Michael Prues haben einem fränkischen Heiligtum ein modernes Geschäftsmodell verpasst: The Worschd, eine Nürnberger Grillbratwurst, kommt per gekühltem Expressversand.
DU 4
„SERVICE IST ENTSCHEIDEND“
David Dufour und Emanuel Dufour schneiden DU 4 noch mehr auf ihre Kunden zu.
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Was hat 2020 bei euch angestoßen? David Dufour, Geschäftsführer DU 4: Tatsächlich eine Menge. Wir haben unsere Kunden durch die enge Zusammenarbeit noch besser kennen gelernt und konnten infolgedessen die Kollektion umso spitzer ausrichten. Die modische Aussage der Kollektion ist breiter und durch neue Qualitäten deutlich verstärkt worden. Unser Learning: Zu basic und businesslike funktioniert nicht, dieser Part ist sehr komprimiert ins NOS gewandert. Worin habt ihr investiert? In unser NOS-Programm, und zwar so stark wie nie zuvor. Ab Januar bringen wir mehrere neue Qualitäten in zum Teil großer Farbauswahl ans Lager. Zusätzlich werden wir in der Folge immer neue NOS-Programme einstreuen. Die Händler können sich kurzfristig committen und tragen dabei so wenig Risiko wie möglich. Gerade jetzt ist es entscheidend, mehr Service denn je zu bieten. Welche Innovationen haben sich bewährt? Wir haben im letzten Jahr unsere Soft-Shirts-Serie gelauncht, die im Handel sehr gut angekommen ist. Wir entwickeln sie kontinuierlich weiter, mit winterlichen Optiken in italienischer Leichtigkeit und Softness. www.du4.de
w w w. m o d e i s t . c o m ¡
modeistagency
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People of Shibuya
FEDERLEICHT, AUCH OHNE FEDER
Die urbane Jackenkollektion mit Traveller-Attitüde aus Italien: People of Shibuya.
In der kommenden Herbst-/Winter-Saison setzt die traditionell minimalistisch designte Jackenkollektion People of Shibuya als Hauptthema urbane Softshelljacken mit funktionalen Details in Szene. Eine qualitativ und preislich extrem attraktive Alternative zur Lightweight-Daune im Saisoneinstieg. Mit Detaillösungen wie Papertouch-Optiken und formgebenden Steppungen, Wendemodellen und ressourcenschonender Thermore-Füllung als Ersatz für Daunen setzt die Marke für den frühen Liefertermin ab Juli 2021 auf leichte Tech-Jacken statt dicker Daune. www.peopleofshibuya.com
Fire + Ice
NEUES TERRAIN Fire + Ice schlägt für Herbst/Winter 2021 neue Wege ein und lanciert eine exklusive Skitouring-Capsule-Kollektion sowie einzelne Styles in Kooperation mit dem jungen Künstler Jean-Vincent Simonet. Im Rahmen der neuen Kollektion wurde der Performance- und Urban-Street-Charakter der Marke weiter verstärkt. „Unter dem Umbrella Bogner genießen unsere verschiedenen Linien Eigenständigkeit. Dies gilt insbesondere für Fire + Ice“, sagt Heinz Hackl, Co-CEO von Bogner. Dabei gilt für die kommende Wintersaison: Etwas riskieren, mutig sein und schnell von der Idee zum Produkt kommen. Für Fire + Ice wurde, angesichts des Corona-Skiwinters 2020, kurzfristig eine eigene Skitouren-Kapsel entworfen. Diese beinhaltet jeweils ein vollständiges Outfit für Damen und Herren. Ein weiteres Highlight ist die Kooperation mit dem jungen Künstler Jean-Vincent Simonet. Er hat den Fire + Ice Freerider Nalu Nussbaum in Action fotografiert und diese Bilder künstlerisch abstrahiert und bearbeitet, sodass besondere Grafiken für Hoodies, T-Shirts und First-Layers entstanden sind.
Die Orderplattform für die Trachtenbranche – in der Salzburger Brandboxx ziehen Mieter mit fixem Showroom und temporäre Aussteller am gleichen Strang. Foto: Sportalm
Brandboxx
SALZBURG BLEIBT ORDERTREFFPUNKT DER TRACHT
Fire + Ice x Jean-Vincent Simonet.
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Im Krisenjahr 2020 hat Österreichs größtes Modeordercenter, die Brandboxx Salzburg, die Initiative ergriffen. Bisher Co-Veranstalter der Tracht & Country Premiere, hat man sich entschlossen, der Trachtenbranche nun ein eigenständiges Angebot zu machen. Pragmatisch und herzlich zugleich, bestehend aus einem Orderstart Termin am 26. und 27. Januar 2021 und einer größeren Plattform von 5. bis 7. März 2021, bei der die vollen 6.500 Quadratmeter des Eventcenters zur Verfügung stehen. Mit einem hochwertigen Dekorations- und Standbaukonzept tritt man an, die Trachtenbranche durch die wirtschaftlich herausfordernde Zeit zu begleiten, später schließt man einen Locationwechsel nicht aus. Das Ziel von mindestens 150 Ausstellern ist schon für die erste Ausgabe erreicht. „Wir wollen den Standort Salzburg für die Trachtenbranche sichern“, sagt Messeleiterin Katharina Krassnitzer. Zu den Trachtenherstellern mit eigenem Showroom im Gusswerk hat die Brandboxx ein Shuttleservice eingerichtet. HOT 1 Tracht & Mode Order Start: 26. bis 27. Januar 2021, Trachten Order Tage: 5. bis 7. März 2021, www.brandboxx.at
JETZT ag e n t u r e n
Adventure Fashion
Die Hinterhofagentur
„KLEIDUNG IST EINE EMOTIONALE GESCHICHTE“
DAS BESONDERE SPÜREN Dominik, was macht die Hinterhofagentur aus? Dominik Meuer, Inhaber Hinterhofagentur: Die Produktidee muss uns gefallen und zu uns passen. Nur dann sind wir überzeugend bei unseren Kunden! So zum Beispiel bei unserem Neuzugang Fabulous Island, das sind coole Pullis und Sweats mit Retro, Surf- und Rock-’n’-Roll-Prints, die von Julie und Alban Macé nachhaltig auf Mauritius produziert werden. Einen Teil ihres Erlöses wird an ONG Working gespendet, die sich für den Erhalt der Ozeane einsetzt. Welche Neuerungen gibt es noch zu berichten? Unser Outerwearlabel Ad Hoc wird zum Herbst/Winter 2021/22 eine starke Kollektion liefern. Materialinnovationen gepaart mit authentischen Formen wie Parkas oder Fieldjackets ergeben eine interessante Mischung. Wool & Co verfolgt den Weg eines qualitativen Trading-up’s, was im Sommer schon sehr honoriert wurde. Insgesamt strengen sich alle unwahrscheinlich an. Ich glaube an ein gutes zweites Halbjahr 2021. Marken: Ad Hoc, Bob, Bread & Boxers, Des petits hauts, Fabulous Island, Four. Ten, Hamlet, Koike, Lightning Bolt, Manuel Ritz, Original Vintage Style, Portofiori, Prime Shoes, RRD, RR’s, Taylor Tweed, The Jacksons, Wool & Co Die Hinterhofagentur, München/Deutschland, info@diehinterhofagentur.de, www.diehinterhofagentur.de
Gute Story, tolles Produkt: Fabulous Island.
Agentur Klaus
DEN TRUMPF AUSSPIELEN Christian, worauf legt ihr euren Fokus? Christian Klaus, Inhaber Agentur Klaus: Auf coole, lässige Neuigkeiten. Mit dieser Saison führen wir Humility in Österreich ein. Die Contemporary Womenswear stammt aus Frankreich, ist schlichtnatürlich und wird nach nachhaltigen Standards gefertigt. Ebenso haben die Macher von Freedomday mit ihrer neuen Linie Free Jacket auf Sustainability gesetzt. Es gibt bewusst wenige Modelle, allerdings in großer Farbauswahl. Welche Labels sind eure besten Performer? Was gerade funktioniert, sind Kollektionen, die den Casual Part gut spielen und bei denen das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Bestes Beispiel ist Penn & Ink; die Einzelteile sind immer besonders und dennoch vielseitig einsetzbar. Überhaupt ist das Spezielle gefragt, etwa die Damenkollektion Gustav, die Eleganz ins Lässige übersetzt. Kollektionen wie diese ermöglichen es dem inhabergeführten Handel, seine Beratungskompetenz auszuspielen. Was erwartet eure Besucher? Wir haben in die Umgestaltung unseres Showrooms investiert, der dank eines neuen Lichtbahnensystems im wahrsten Sinn des Wortes in neuem Licht erstrahlt. So können wir unsere Kollektionen wunderbar in Szene setzen.
Penn & Ink ist einzelteilig und dabei vielseitig tragbar.
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Marken: Free Jacket, Freedomday, Gustav, Humility, JcSophie, Kyra & Ko, Marc Aurel, Margittes, Oakwood, Penn & Ink N.Y., POM Amsterdam, Resort Finest Modeagentur Klaus, Salzburg/Österreich, office@modeagentur-klaus.at, www.modeagentur-klaus.at
Marc, es gibt auch Grund, zufrieden auf das Jahr 2020 zurückzuschauen. Was war gut und welche Learnings hat euch das Jahr gebracht? Marc Kofler, Geschäftsführer Adventure Fashion GmbH: Als Agentur haben wir tatsächlich viel Gutes zu berichten. Wir haben auf Kontinuität gesetzt und unser Markenportfolio nicht geändert. Das war eine bewusste Entscheidung. Wir wollten für die Brands und die Händler da sein und hier unsere Energien konzentrieren. Die Agentur hat sich in dieser Zeit, ganz gegen den Trend, personell sogar verstärkt, um eben mehr Service anbieten zu können. Das hat sich bezahlt gemacht. Das größte Learning war, dass Kleidung eine emotionale Geschichte ist. Natürlich mussten wir vieles digitalisieren und Durchläufer kann man ohne Probleme virtuell verkaufen. Für neue Kollektionen sind aber Haptik und persönliche Beratung essenziell. Das bestätigt auch die Zahl der Kunden, die während der Orderrunden bei uns im Showroom waren – die Allermeisten haben uns besucht. Das ist eine grandiose Zahl für ein so besonderes Jahr. Was gibt es Neues für 2021? Wir haben für Deutschland den Vertrieb für CosyLovePure übernommen. Ein ganz neues Cashmere-Label von zwei echten Expertinnen auf diesem Feld: Dr. Simone Peters und Dagmar Ingermann-Peitsch. Die beiden Freundinnen haben schon Princess Goes Hollywood erfolgreich gegründet und sich jetzt erneut zusammengetan. Wir freuen uns, ab der Stunde null dabei zu sein. Die Kollektion besteht aus Pullis, Schals, Mützen und Hosen aus Cashmere in Naturnuancen bis zu richtig knalligen Farben. Es ist cooler Strick zum Wohlfühlen und Freude machen. Marken: 120%, Dekker, DL1961, Duno, Geospirit, iheart, K-WAY, Odd Molly, Orciani, Peuterey, Rosa & Me, Sebago, Tonno & Panna, TRVL DRSS, Zenggi Adventure Fashion GmbH, München, Düsseldorf/Deutschland, info@adventure-gmbh.de, www.adventure-gmbh.de Neu: CosyLovePure.
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Modeagentur Cocron
FAMILYPOWER
Die Modeagentur Cocron bündelt als Familienunternehmen ihre Kräfte. „Wir sind um einen weiteren Raum gewachsen, nicht nur, um Platz für Neues zu schaffen, sondern auch, weil unsere beiden Söhne wichtige Aufgaben in der Agentur übernommen haben“, sagt Uli Cocron. So hat Stephan Deinhamer mit Wise enough eine nachhaltige Streetwearkollektion ins Leben gerufen. Sein Bruder Florian Deinhamer bringt mit Modeagentur Cocron Services seine Marketing-Expertise ein, für Support in Sachen Kommunikation, Video- und Fotoproduktionen. „So können wir unsere Marken- und Handelspartner optimal betreuen“, so Gerhard Cocron. Der Schwerpunkt der Agentur bleibt italienische Fashion, mit Marken wie Vicario Cinque und Zanetti, die im österreichischen Markt mit Know-how und im partnerschaftlichen Miteinander betreut werden. Marken: #7.0 Settepuntozero, 1978, Apart, Catnoir, Chiara b., Fine Mood, Ibu Jewels, Stegmann Hamburg, Vicario Cinque, Wise enough Fashion, Zanetti 1965, Zaubermond Modeagentur Cocron, Salzburg/Österreich, office@cocronmodeagentur.at, www.cocronmodeagentur.at
Eine steile Erfolgskurve: Save the Duck.
The Wearhouse Fashion
VERLÄSSLICHKEIT Patrick, was ist bei euch gerade besonders dran? Patrick Ebnoether, Inhaber The Wearhouse Fashion: Wir fokussieren uns auf bestehende Labels. Auch für die Kunden stehen verlässliche Kollektionen wie zum Beispiel Stone Island, die ohne Qualitätseinbußen im Großen und Ganzen pünktlich ausgeliefert haben, im Fokus. Auch Mason’s hat einen tollen Job gemacht und klar kommuniziert, was wann lieferbar ist. Die Kunden waren höchst zufrieden. Welche Kollektionen entwickeln sich herausragend? Save the Duck, zumal Nachhaltigkeit eine immer breitere Akzeptanz findet. Das Produkt
ist animal-free und punktet mit recycelten Materialien. Das sind Argumente, die für sehr gute Abverkäufe sorgen. Circolo 1901 verfolgt einen sichtbaren roten Faden in der Kollektion, die inhaltlich immer an die vorherige anknüpft. Auf gutem Weg sind National Geographic und Daniele Fiesoli, deren Präsenz wir nun weiter ausbauen. Marken: Caliban, Campomaggi, Circolo 1901, Daniele Fiesoli, Deus ex Machina, Duno, GMS-75, Ibeliv, Le Bonnet, Mason’s, National Geographic, Paltò, Save the Duck, Stone Island, Tintoria Mattei The Wearhouse Fashion Trade GmbH, Erlenbach/Schweiz, patrick@wearhouse.ch, www.wearhouse.ch
Petra Esparza McAlpine Agency „Wir starten in die Saison mit Dankbarkeit und Begeisterung über die Kreativität unserer Handelspartner“, sagt Pet-
ra Esparza McAlpine. Umso spannender und vielfältiger möchte sie deshalb ihr Portfolio gestalten. Neben der Premiumdenimwear Pistola aus Los Angeles, die auch mit einem guten Preis-LeistungsVerhältnis überzeugt, hat sie die New Yorker Womenswear Jonathan Simkhai neu im Gepäck. „Ob Hosenanzug oder Jumpsuit: Alle Styles haben eine feminine Note“, so die Agenturinhaberin. Präsentiert wird im eigenen Münchner Showroom vom 15. Januar bis 15. März und außerdem, wie in den vergangenen Saisons, mit dem Kollektiv Munich Connect in einer weiteren Münchner Location, die kurzfristig kommuniziert wird. www.esparza-mcalpine.de Feste Größe bei Cocron: die Contemporary Wear von Vicario Cinque.
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Superfeminin: die Womenswear Jonathan Simkhai aus New York.
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Modeist
„ICH HABE ALLEN ALLES GEÖFFNET“ Marion Hoferer von Modeist ist bekanntermaßen nicht einfach nur Agentin, sondern steckt bis über beide Arme in der kreativen Leitung der allermeisten der von ihr vertreten Marken. Produktdesign, ästhetische Handschrift, Fotografie, Grafik, Marken wie Pride to Be, Sold Out, Dolores oder Controfigura profitieren von der langjährigen Erfahrung Marion Hoferers. Um ihre Händler in all ihren Onlineaktivitäten zu unterstützen, hat sich Marion Hoferer nun entschlossen, alle Lookbooks, Bildserien und Outfit-Kombinationen für ihre Händler nutzbar zu machen. „Wir haben alle Copyrights und ermöglichen unseren Händlern, all die Bilder für ihre Zwecke zu nutzen“, so Marion Hoferer. Viele ihrer Kunden machen von dem großzügigen Angebot Gebrauch. Unterdessen baut Marion Hoferers Sohn Timothy sein Markensegment weiter aus. Nach Rue de Tokyo, Alife oder Griffin übernimmt die Agentur jetzt auch die Vertretung von Won Hundred. Modeist, München, Düsseldorf/Deutschland, T 0049.151.64506485, info@b-kleidung.com, www.modeist.com Marken: Alife, Controfigura, Dolores, Griffin, Gudrun & Gudrun, La Milanesa, Lara Krude, Mitawa, Pride to Be, Rue de Tokyo, Sassenbach, SassiCara, Sold Out, Won Hundred, Yatay
Begehrt: die Jacken von Peuterey.
Michaelis Fashion Agency
ÜBERRASCHUNGSHIT Insgesamt vier Upcyling-Programme legt Les Deux 2021 auf.
Agentur Stefan Wittmann
ERWEITERUNG DES VERTRIEBS GEBIETES
Die Agentur von Stefan Wittmann hat im Zuge der Neustrukturierung der dänischen Menswearmarke Les Deux das Vertriebsgebiet vergrößert. Neben Mittelwestdeutschland wird künftig auch der Norden und der Osten von der Düsseldorfer Agentur betreut. Außerdem ist die Agentur in verschiedenen Gebieten von Deutschland für den Vertrieb von Brosbi, Canadian Classics, Daniele Fiesoli, La Résidence, Maison Haussmann und Wunderfell zuständig. Marken: Annica Vallin, La Fée Maraboutée, Nalho, Shoe, Shoe Mini, Sylt Bohème. Agentur Stefan Wittmann, Düsseldorf/Deutschland, stefan.wittmann@agentur-wittmann.de, www.agentur-wittmann.de
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Die Händler der von Modeist vertretenen Kollektionen genießen einen besonderen Luxus. Die allermeisten Fotos können für Social Media und Webstores der Kunden verwendet werden.
Was habt ihr neu an Bord? René Michaelis, Geschäftsführer Michaelis Fashion Agency: Die puristische und nachhaltige Womenswear von Bellamy aus den Niederlanden, die wir für Süddeutschland übernommen haben. Wir sind behutsam mit unseren Handelspartnern gestartet. Die Marke trifft den Zeitgeist für unkomplizierte Mode, das Feedback in puncto Abverkäufe und Nachorder ist herausragend. Wie lautet das Credo eurer Kernmarken? Peuterey hat als zuverlässiger und berechenbarer Partner des Handels in der letzten Saison ein zweistelliges Plus geschrieben; mit erkennbaren Neuerungen im Design hat die Marke auch manchen Kunden zurückgewonnen. Absolut Cashmere aus Paris ist für mich eins der besten Cashmere-Labels zu fairen kommerziellen Preisen mit allein 30 Cashmere-Farben. In der vergangenen Saison war die Resonanz megapositiv, weshalb einige Händler für die aktuelle Saison 20 bis 30 Prozent mehr Ordervolumen einplanen. Yippie Hippie macht mit Bohemian inspirierten Styles weiterhin gute Laune. Marken: Absolut Cashmere, Bellamy, Peuterey, Yippie Hippie Michaelis Fashion Agency, München/Deutschland, mail@michaelis-fashion-agency.com, www.michaelis-fashion-agency.com
CANADIANCLASSICS.IT
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Room Nine Agency „Natürlich gibt es Neuigkeiten“, sagt Torsten
Müller, der in dieser Saison mit der Hemdenkollektion von Michael Kors startet, für die eine Masterlizenz vergeben wurde – gefolgt von Krawatten, Konfektion und Underwear. „Wir vertreten diese Linien ab sofort für Deutschland, worüber wir uns sehr freuen. Der Konzern ist mit einem Umsatz von fast zwei Milliarden USDollar riesengroß und die Marke hat enormen Bekanntheitsgrad. Dabei sind die Preislagen kommerziell und die Kalkulation anständig.“ Hemden kosten 79 bis 99 Euro im VK, Anzüge 399 bis 499 Euro. Ein weiterer Newcomer bei Room Nine heißt Holden aus Venice, Kalifornien. „Die Outerwear ist modern und cool“, schwärmt Torsten Müller, den auch die gewaschenen, recycelten und wasserdichten Materialien überzeugt haben. www.roomninefashionagency.de
Die Lizenzkollektion Michael Kors ist ein prominenter Neuzugang in der Room Nine Agency.
Myths beweist mit einer Active Pants Kapselkollektion Innovationsgeist.
Knallgrau Agentur für Mode
GLÜCKSGRIFF
Heritage Showroom
FULL POWER
„Wir starten neu mit Esemplare in Deutschland und Österreich“, berichtet Michael Brockmann. „Wir sind absolut begeistert, dass die Jacken einen angezogenen Streetlook mit Funktion verbinden.“ Die Wollqualitäten überzeugen ihn durch ihre Haptik, die Innennähte sind getapt. Hinzu kommen weitere Details, die Esemplare zum cleveren Produkt machen. Die Kollektion Myths verfolgt mit einer neu entwickelten Kapsel einen vergleichbaren Ansatz. „Die Active Pants aus einem technisch aufbereiteten, natürlichen Material sind atmungsaktiv und wasserabweisend, dabei bleibt der Look lässig italienisch“, beschreibt Brockmann, der die Hosen zunächst an wenige, ausgewählte Händler vertreiben wird. „Insgesamt blicken wir nach vorn, gestärkt durch die enge Zusammenarbeit mit unseren guten Handelspartnern. Jetzt geben wir Full Power, um gemeinsam mit dem Fachhandel wieder richtig Business zu machen.“ Labels: Circolo 1901, Esemplare, Mey Story, Myths, Warm Me Heritage Showroom, München/Deutschland, info@heritage-showroom.de, www.heritage-showroom.de
Der Mustereinsatz von Shirtaporter kommt super an.
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„Wenn neu, muss es speziell sein“, sagt Harry Heinrich, der mit POM Amsterdam einen Glücksgriff getan hat. „Wir haben die feminin-sportive Kollektion seit Sommer für Süddeutschland und Österreich und sie hat super performt. Die Materialien sind natürlich, die Passformen top – zu EK-Preisen zwischen 49 und 59 Euro.“ Ebenfalls stark sind die Kleider von Shirtaporter aus Italien mit ausgefeilten Mustern, seit letztem Sommer zurückgenommener und mit weniger Mustermix. Auch das Label Magnolya aus Madrid steht für das Kleid, mit individuell entworfenen Drucken und hochwertigen Qualitäten made in Europe. Ab 28. Januar präsentieren Bettina Groeger und Harry Heinrich ihre zehn Labels im Düsseldorfer Showroom von Sabine Lamann. „Wir schauen optimistisch in die Zukunft; unsere Handelspartner haben einen tollen Job gemacht und zählen auf uns“, sagt Harry Heinrich. Marken: Cha Boots, Floor, Magnolya, Maison Labiche, POM Amsterdam, Poppy Field, Reiko, Shirtaporter, Uzurii, Wuth Cashmere Knallgrau Agentur für Mode, München/Deutschland, office@knallgrau-agentur.de, www.knallbrau-agentur.de
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Paul’s Selection
AUF AUGENHÖHE „Wir sind eine junge Agentur mit neuem Spirit“, sagt Paul Schulz. „Unseren Kunden begegnen wir auf Augenhöhe für einen echten Austausch, der bei der Order nicht aufhört, sondern dann erst richtig beginnt.“ Auch mit seinem Portfolio setzt Paul Schulz auf zeitgemäße Kollektionen, die Funktionalität und Komfort in einen italienischen Look übersetzen. Bester Beweis sind die lässigen Hosen von GTA, gefolgt von der Komplettkollektion Traiano, für die eine hochwertige, atmungsaktive Bistretch-Faser eingesetzt wird, bis hin zu Stretchlederschuhen von Fabiano Ricci. Die Marken Sail Racing und Wahts Amsterdam betreut Paul’s Selection gemeinsam mit der Agentur Niklas Rill. Beide Partner teilen sich den Düsseldorfer Showroom und präsentieren vom 11. bis 17. Februar auch in München. Marken: Fabiano Ricci, GTA, I am fine, Il Pantalone, Kired, Sail Racing, Traiano, Wahts Amsterdam Paul’s Selection, Düsseldorf/Deutschland, p.schulz@paulsselection.com, www.paulsselection.com Im Traiano Anzug auf den Mont Blanc: Paul Schulz.
Handelsagentur Hanna „Wir konzentrieren uns auf die Partner, mit denen wir auf jeder Ebene gut zusammenarbeiten“, sagt Petra Hanna, Inhaberin
ihrer gleichnamigen Agentur. Auch das Portfolio hat sie entsprechend gestrafft. „Henriette Steffens, 10Days und Cotton Candy treffen gerade den Nerv der Zeit, gefolgt von unseren Kollektionen Haan und Forest & Love.“ Der Neuzugang Set off:line passt ins Bild: Loungewear mit modischem Anspruch. „Mit Set haben wir jemanden an unserer Seite, der schon immer partnerschaftlich gearbeitet hat und Nachfrage früh erkennt und umsetzt“, so Petra Hanna. „Wir freuen uns riesig auf die neue Linie.“ www.handelsagenturhanna.de
Style und Komfort schreibt Maurizio Baldassari gleichermaßen groß.
Agentur Moormann
KONSEQUENT Neu denken, individuell und flexibel agieren, haben sich Klara und Timo Moormann schon seit Jahren auf die Fahne geschrieben. In Düsseldorf zeigen sie im Showroom im KAP 1 sowie in München mit Munich Connect – der Ort wird kurzfristig bekanntgegeben. „Als Produktspezialisten bleiben wir konsequent“, sagt Klara Moormann, „wir bauen mit Lieferanten und Kunden den immer schneller fortschreitenden Luxury Casual Trend weiter aus.“ Maurizio Baldassari erweitert sein Sortiment mit exklusiven Strick- und Cashmere-Jerseys für Strickblazer, Swackets und Overshirts. „Das ist edler Wohlfühlkomfort“, so Timo Moormann. Stephan Boya lanciert Luxury Loungewear für Damen und Herren. „Stouls bleibt durch das waschbare Stretchleder ein Bestseller“, so Klara Moormann. „Wir werden trotz aller Bestimmungen eine entspannte und positive Atmosphäre in unseren Showrooms schaffen, sodass unsere Kunden weiterhin Spaß beim Einkaufen haben.“ Marken: Alessandro Gherardi, Grigio, Gimo’s, Inès & Maréchal, Jürgen Claussen, Maison Lener, Maurizio Baldassari, Projekt E, Stephan Boya, Stouls, Valérie Khalfon, Zanieri Moormann & Co., Düsseldorf/Deutschland, moormann@moormann-co.com, www.moormann-co.com
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Set ist ein starker Partner der Handelsagentur Hanna.
P REMI UM LAMBSKI N www.wunderfell.com
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Niklas Rill
ZUSAMMEN VIEL BEWEGEN
Agentur Ventrella
„Ich glaube sehr an den stationären Einzelhandel“, sagt Niklas Rill. „Gemeinsam können wir viel bewegen.“ Im Co-Agency-Verbund mit Paul Schulz von Paul’s Selection hat Niklas Rill den Vertrieb der Outerwear von Sail Racing übernommen. „Dahinter steht ein junges, schwedisches Team, das für Kooperationen offen ist und sehr nach vorn denkt.“ Auch für die Premium Contemporary von Wahts Amsterdam macht Niklas Rill mit Paul Schulz gemeinsame Sache. Mit Jersey von Bowery NYC und The Nim aus Italien hat Niklas Rill zwei eigene Projekte im Gepäck. „The Nim ist die coolste Denimlinie mit den schönsten Waschungen“, schwärmt Rill. „Ich brenne schon lange für die Kollektionen und sehe noch viel Marktpotenzial.“ Marken: Bowery NYC, Sail Racing, Scaglione, The Nim Standard, Wahts Amsterdam Agentur Niklas Rill, Düsseldorf/Deutschland, mail@maend.de, www.niklasrill.de
„VORREITER SIND JETZT GEFRAGT“ Michele, warum seid ihr so gut durch 2020 gekommen? Es war nicht alles einfach. Wir arbeiten mit italienischen Labels und hatten wirklich Schlimmes befürchtet, aber rückblickend war es eine gute Saison. Meine Prognosen wurden übertroffen und wir haben uns super gehalten. Das hängt auch damit zusammen, dass wir mit manchen unserer Marken schon Jahrzehnte zusammenarbeiten und solide und ehrliche Partnerschaften haben. Das, was wir gesät haben, ernten wir jetzt. Was sind die Learnings dieser Zeit? Dass Qualität sich immer auszahlt, wurde bestätigt. Man kauft jetzt weniger, dafür aber besser. Der Endverbraucher überlegt sich zweimal, was er möchte und entscheidet sich für mehr Qualität, auch wenn dies bedeutet, mehr Geld auszugeben. Diese nachhaltigere Mentalität, dieses Umdenken, war wichtig. Wie geht es im Einzelhandel weiter? In schwierigen Zeiten muss man Vorreiter sein. Man sollte in neue Konzepte investieren, um die Frequenz zu steigern, um das Shoppen zum Erlebnis zu machen. Der Kunde braucht jetzt richtig Emotionen, er muss im Laden angeregt werden, und das allumfassend. Du kannst nicht mehr nur das Sakko oder den Schuh verkaufen, du musst einen Way of Life verkaufen. Marken: 813, 820, Avant Toi, Backside club, Bazar Deluxe, Busg, Caliban, Cheeky Chain, College, Ennequadro, Giovi, Le Sarte Pettegole, NDV Project, Nine in the Morning, Nove, Pao, Tagliatore, Tintoria Mattei Agentur Ventrella, Düsseldorf, München/ Deutschland, mode@agentur-ventrella.de, www.agentur-ventrella.de
Einen Lifestyle vorzuleben, rät Michele Ventrella seinen Kunden aus dem Einzelhandel. Er selbst tut das mit seiner Agentur in München und Düsseldorf.
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Die Statement-Pieces von Seventy sind neu bei Claudia May.
Claudia May Fashion Agency „Wir glauben an die Zukunft“, sagt Claudia May. „Vie-
le unserer Kunden hatten es geschafft, trotz Frühjahrs-Lockdown ihre Vorjahreszahlen zu erreichen, das hat uns ermutigt, nach neuen, spannenden Marken Ausschau zu halten.“ Die Kollektion Seventy aus Venedig steht für zeitgemäßes Tailoring mit femininen Details. Die Kleider, Hosenanzüge und Mäntel sind echte Statement-Pieces. „Unsere Kunden erwarten Neues“, so Claudia May, die sich mit ihrer Agentur auf vorwiegend italienische Womenswear spezialisiert hat. „Zugleich prüfen sie umso genauer, bei welchen Kollektionen die Abverkäufe gut sind, wie zum Beispiel bei Rosso 35 oder bei Purotatto.“ www.claudia-may.de
Denim von The Nim Standard überzeugt mit ausgefeilten Waschungen und handwerklichen Details.
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Room with a view „Manchmal muss man einfach machen“,
sagt Iris Obojes und meint damit den digitalen Verkauf. In den Prekollektionen standen drei Marken zur Auswahl. Neben Christopher Mönch und Sabine Weissenbacher von der Agentur meldeten sich auch die Marken selbst zu Wort. „Wir sind da, um die Verbindung zwischen Marke, Agentur und Händler zu stärken. Wir legen großen Wert darauf, dass es ein Miteinander ist.“ Iris und Christian Obojes wollen ermutigen, außergewöhnliche Wege zu gehen. „Mit Colorful Standard zum Beispiel kann man ganz unkompliziert einen Pop-up machen, Out-of-the-Box-Ideen sind gefragt.“ Die gibt es bei Room with a view immer on top: Ob Iris Obojes als Host des House of Beautiful Business oder Weihnachtsgrüße von der Business-Astrologin, für Inspiration ist immer gesorgt. www.roomwithaview.at
Im Lockdown entdeckt, für die Zukunft fest eingeplant: digitaler Verkauf bei Room with a view.
Das UrbanStreet-Segment rund um die Kultmarke Dickies (im Bild) wird bei Komet und Helden ausgebaut – unter anderem dafür eröffnen die Münchner ihren dritten Standort in Berlin.
Stolz Modeagentur „Ich will meinen Teil beitragen, dass die Achse Gusswerk–Brandboxx für Österreichs Trachtenhändler der wichtigste Orderort bleibt“, sagt Hubert
Stolzlechner und geht ein außergewöhnliches Wagnis ein. Er vergrößert auf 600 Quadratmeter, um Firmen aus seinem Portfolio, die keinen Showroom haben, während der Orderzeit eine Heimat zu geben. Außerdem sei er offen, auch andere Premiumhersteller aus dem Alpine Lifestyle eine temporäre Fläche zur Verfügung zu stellen. „Ich denke wie ein Multibrandhändler. Ich will einen attraktiven Mix bieten, damit die Einkäufer zu uns kommen.“ Mit Stammmarken wie Habsburg, Josef & Anna, Steiner 1888, Säckler Manufaktur, Merchen Medchen oder Grassegger ist diese Attraktivität auf jeden Fall gegeben. www.hstolz.at
„WIR HABEN IMMER ANTIZYKLISCH GEHANDELT“ Die Branche ist im Frankfurt-Fieber, ihr eröffnet einen Showroom in Berlin. Henrik Soller, Inhaber Komet und Helden: Der Berliner Showroom ist ein Signal in zweierlei Hinsicht: Zum einen sind wichtige Kunden, insbesondere die allermeisten Digital Player, in Berlin und wir wollen diese Kunden würdig empfangen. Zum anderen stärken wir das Segment rund um Dickies mit Marken wie Universal Works, Deus ex Machina oder Lola und diese Marken passen einfach nach Berlin. Wir haben in der Agentur dafür ein eigenes Team aufgebaut und freuen uns sehr, den Deutschlandvertrieb von Dickies mit 350 Bestandskunden zu übernehmen. Was macht den Reiz dieses Segments für euch aus? Florian Ranft, Inhaber Komet und Helden: Das sind genauso Ikonen und Klassiker, aber eben in einem anderen Segment. Wir wollen den Kunden, die wegen Dickies zu uns in die Agentur kommen, auch ein Umfeld an interessanten Marken anbieten. Mit welchen Gefühlen geht es in Richtung 2021? Florian Ranft: Mit gutem Rückenwind aus der Pre-Order, wir sind zufrieden, um nicht zu sagen angenehm überrascht. Die Einkäufer können sehr genau trennen, zwischen der aktuellen Stimmung und dem, was wir uns alle für die Zeit, in der die Ware ausgeliefert wird, wünschen. Im Juli und August hoffen wir alle, dass es schon ganz anders aussieht. Henrik Soller: Ein professioneller Händler hat natürlich im Moment die Aufgabe, seine Kosten im Griff zu haben – aber genauso ist ihm klar, dass er gut einkaufen muss, wenn er gut verkaufen will. Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Händler auch für die kommende Saison Ware brauchen und dafür sorgen müssen, dass genügend Ware verfügbar ist. Und das geht nur, wenn man jetzt mit der Annahme ordert, dass im Juli und August 2021 wieder relativ normale Geschäfte möglich sein werden. Marken: 7 for all mankind, AG, Aniven, Baracuta, Barena Venezia, Blauer USA, C.T. Plage, Deus ex Machina, Dickies, Halfboy, Hartford, Le Bonnet, Lola, Ottod’Ame, Save the Duck, Universal Works, White Sand Komet und Helden, München, Düsseldorf, Berlin/Deutschland, info@kometundhelden.de, www.kometundhelden.de
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Steiner 1888 ist inklusive seiner Homecollection eine der Ankermarken im auf 600 Quadratmeter vergrößerten Showroom von Hubert Stolzlechner.
coming soon
Goldgarn Denim Essentials
www.goldgarndenim.de // IG: Goldgarndenim
- PREORDER FEBRUARY 2021 -
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Meta Pesch „Weiter geht’s!“, sagt Meta
Pesch, die den Showroom für das Label Alpenherz frisch renoviert hat. „Für Trachten ist die Zeit gerade besonders herausfordernd, weshalb die Kollektion ihren Fashionanteil mit Kleidern, sexy Bodys und stylischen Blazern verstärkt.“ Mit den Jacken von Derbe Hamburg konnte Meta Pesch einige Neukunden gewinnen. „Die urbanen Jacken trotzen jedem Wetter, werden komplett nachhaltig produziert und haben mit Preisen von 199 bis 219 Euro einen super Preis.“ Ebenfalls für Österreich vertreibt Meta Pesch die auf Cashmere basierende Kollektion Daddy’s Daughters. „Die Powerfrau Meike Schilcher ist immer für eine Überraschung gut, wie aktuell mit der sehr femininen Loungewear.“ Gemeinsam mit Meike Schilcher hat Meta Pesch jetzt auch die Kollektion Wunderfell und Amuse im Programm. www.metapesch.com, @meta.pesch_fashion.agent
Die Modeagentin Meike Schilcher „Wir möchten unsere Kunden im Showroom so sicher und kompetent wie möglich betreuen“, sagt Meike
Parajumpers ist Key-Brand und Erfolgsgarant in der Agentur Schwarte.
Schilcher. „Als Meetingpoint und enge Partner gewinnen die klassischen Modeagenturen wieder an Bedeutung.“ Wichtigste Marke ist Luis Trenker, dessen Vertrieb Meike Schilcher für Ostösterreich verantwortet. „Wir pflegen einen sehr persönlichen Draht zu unseren Kunden, damit sie sich bestmöglich aufgehoben fühlen“, so Schilcher. „Dieses Jahr wird Luis Trenker zum 25-Jährigen einige Jubiläumsmodelle herausbringen, die Kunden dürfen gespannt sein.“ Neu im Portfolio ist neben der Kollektion Wunderfell, die Schilcher für Österreich gemeinsam mit Meta Pesch vertreibt, das eigene Projekt namens Amuse. Das sind lässige Jacken und Blazer in ausdrucksvollen Wollstretchqualitäten, wie sie den Amuse-Gründerinnen Meike Schilcher und Susanne Hannig im Handel gefehlt haben, und die sie mit modischem dickem Mohairstrick ergänzen – alles nachhaltig und in Deutschland produziert. www.diemodeagentin.at
Agentur Schwarte
BESTENS VORBEREITET Recycelte Daune, junger Style. Die Agentur Schwarte startet mit Replumè in den deutschen und österreichischen Markt. „Es ist ein hochmodisches Produkt von den Machern von Paltò, mit nachhaltigem Aspekt und kommerziellen Preislagen“, so Matthias Schwarte. „Außerdem gefällt mir, dass es bei Replumè eine starke Womenswear gibt, zumal wir die DOB insgesamt ausbauen möchten.“ Das trifft ebenso auf Weber + Weber zu, die mit lässiger Konfektion auch für Damen stilsicher ins Schwarze trifft. Daniele Fiesoli steht für Strick mit feinen Details. Besonders erfolgreich ist die Capsule aus recyceltem Cashmere. „Parajumpers begeistert mit Verlässlichkeit wie mit Innovation, was sich in super Abverkäufen widerspiegelt“, so Matthias Schwarte. Als Agentur will er für Kontinuität stehen und für den Facheinzelhandel da sein. „Das war schon immer unser Credo, heute ist es wichtiger denn je. Ob die Order nun offline oder digital läuft – wir sind bestens vorbereitet. Wobei die meisten Kunden liebend gern in den Showroom kommen, um sich auszutauschen und die Ware anzufassen.“ Marken: Armani Exchange, 59 inches, Balr, Collezione 01, Daniele Fiesoli, Fil Noir, Mason Garments, Parajumpers, People of Shibuya, Replumè, Saucony, S.T.R.A., Sundek, Weber + Weber Agentur Schwarte, München/Deutschland, office@agentur-schwarte.de, www.agentur-schwarte.de
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Daddy’s Daughters steht für puren Cashmere.
Prins-Juric „Wir müssen alles ent zerren“, sagt Damir Prins-Juric. Den Or-
derauftakt macht eine gemeinsame Woche in Kleinmachnow mit allen Nachbarn, dann geht es in die Showrooms in Düsseldorf, München und Hamburg. Henk Prins und Damir Prins-Juric sind darauf bedacht, die Termine in den Showrooms bestmöglich zu entzerren. „Wir wollen unseren Kunden Zeit geben, da es ja keine Leitmesse gibt, brauchen sie auch bei uns im Showroom die Freiheit, ohne Termindruck durch die Kollektionen zu gehen“, sagt Damir PrinsJuric. Er ist dankbar: „Wir haben die Moral hochgehalten und 2020 ein gutes Ergebnis erreicht. Schmerzhaft für uns Agenturen ist, wenn Hersteller ganze Liefertermine canceln, – denn unsere Arbeit dafür ist ja bereits geleistet.“ www.prins-juric.com
Niemals den Kopf hängen lassen, immer mit gutem Beispiel vorangehen: Henk Prins und Damir Prins-Juric verbreiten Optimismus.
LUXURY WOMEN'S AND MENSWEAR
DÜSSELDORF 29 JAN – 01 FEB 2021 B1 / BENNIGSENPLATZ 1
MÜNCHEN 13 FEB – 16 FEB 2021 MTC / HAUS 1 INGOLSTÄDTER STR. 45 TAUNUSSTR. 45
THE SUPREME GROUP BY MUNICHFASHION.COMPANY
INFO@THESUPREMEGROUP.DE · WWW.THESUPREMEGROUP.DE
FALL WINTER 21/22
FINDEN WIR GUT
Neues zu suchen und zu finden ist essenziell in einer Welt des Wandels. Mit neuen Ideen für die Sortimente schafft man Begeisterung beim Endkunden.
Alles außer Leder
Nat-2. Als Schuhmacher in sechster Generation ist Sebastian Thies absoluter Profi, was das Herstellen von Schuhen angeht. Womit er seine Zunft verblüfft? Er stellt Sneaker aus Holz, Ochsenblut, Olivenleder, Heu, Rosen oder Rittersporn, Mais, Kaffeesatz, Papier, Schieferstein, Pilzen, Naturkautschuk, Weinkorken, Moos oder recycelten Swarovski-Steinen her. Seine neueste Innovation ist, Sneaker aus recycelter Luftpolsterfolie, Meteoritengestein, 100 Jahre altem Corduroy-Leder oder Algen herzustellen. Key-Accounts sind in der D-A-CH-Region u. a. Live Lab Studios, Homage, Amon, Manufactum, Altra Moda, Wertvoll, Bongenie Grieder und international Rinascente, Sneakypanda, Galeries Lafayette, Level Dubai. Die Preise reichen von 80 bis 299 Euro im EK bei VK-Preisen von 199 bis 699 Euro. Nat-2, Garching-Hochbrück/ Deutschland, T 0049.89.3244367, www.nat-2.eu
Frauenpower Sabinna.
Das schöne Leben
Cristina Beautiful Life. Kleider
sind gesucht wie nie – und im Premiumsegment kommen besonders schöne von der griechischen Marke Cristina Beautiful Life. Die Marke wurde 2012 gegründet, die Distribution läuft über SASATrend, die auch Marken wie Devotion Twins oder Voluspa unter ihren Fittichen hat. Agenturen wie Room with a view oder Prins-Juric sorgen für die richtige Positionierung der Marke. Der Stil? BohoGirl trifft auf Vintage-Ästhetik. Farbenfroh, hochwertig, besonders in den Details. Zwei Kollektionen pro Jahr – eine mit maximal 70 Teilen überschaubare Größe – und Größen von XS bis XL kann die Marke ins Feld führen. Die VK-Preise liegen zwischen 150 und 330 Euro bei einer Kalkulation von 2,7. SASAtrend, Aachen/Deutschland, T 0049.241.5570540, sara@sasatrend.com, www.cristinabeautifullife.com 058
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Von London bis Wien: Bei Sabinna steht die Frau im Fokus. Das liegt an den weiblichen Führungskräften und der zelebrierten Nachhaltigkeit. In femininer Gründlichkeit betreibt Sabinna modische Tiefenforschung, die über das bloße Sustainability-Etikett hinausgeht. Vielmehr möchte Gründerin Sabinna Rachimova ethische Bedingungen wie Produktion in Europa und die Verwendung von Naturfasern sicherstellen. Deshalb werden Sweater, Cardigans, Schals und Mützen aus GOTS zertifizierter Baumwolle oder Tencel produziert. Inzwischen ist Sabinna sowohl in London als auch in Wien ansässig. Starke Silhouetten, kräftige Farben und hochwertige Strickdetails, die im Wiener Strickatelier von Hand gefertigt werden, prägen den Stil. Preislich beginnt die Kollektion bei 185 Euro, statt normaler Vororder setzt die Marke auf Pop-ups bei Händlern. Sabinna, London/UK, T 0044.7515.137492, office@sabinna.com, www.sabinna.com
FINDEN WIR GUT
Lass es regnen
Ahirain. Der toskanische OuterwearSpezialist wurde 2016 von den Geschwistern Azzurra und Giampaolo Morelli und Andrea Pucci gegründet. Die drei haben sich zum Ziel gesetzt, innovative Jacken zu produzieren, die nicht nur kompromisslose Funktionalität garantieren (alle Modelle sind zu 100 Prozent wasserabweisend und windfest), sondern auch neue Formen und Volumen zeigen. Viele der Modelle sind genderless und seasonless, so sei laut Ahirain die Zukunft. Ein Steckenpferd beider Kollektionen, Damen wie Herren, sind die Modelle aus Thindown, komprimierte Daunen, die zu einem dünnen Vlies verarbeitet werden und den Jacken Leichtigkeit und Wärme verleihen. Die gesamte Produktion erfolgt in der Umgebung von Empoli, wo auch das Mutterunternehmen Pellemoda seinen Sitz hat. Esparza McAlpine, München/ Deutschland, T 0049.89.28778114, petra@esparza-mcalpine.de, Japan Black, München/Deutschland, T 0049.89.38476388, www.ahirain.com
Upcycled CashmereSchals
Slow Sports Fashion
Runamics. 2019 gründeten Lena Rix,
Henning Heide und Steffen Otten die Marke mit dem Ziel, funktionelle Laufausrüstung ohne Materialien auf Kunststoffbasis zu entwickeln. Finanziert durch Crowdfunding steht die erste Kollektion, die aus nachhaltig gewonnener Merinowolle und Zellulose auf Holzbasis gefertigt wurde. Selbst bei den Trimmings setzt das Trio auf Alternativen zu Kunststoff, wie Bündchen aus Naturkautschuk und Reißverschlüsse aus biologisch abbaubarem Polyester. Die Palette umfasst neben Shirts und Shorts, lange und kurze Tights, Caps und Accessoires. Statt saisonal wechselnder Produktreihen setzt Runamics darauf, das Sortiment nur langsam zu erweitern und vielmehr die Produkte stetig zu verbessern. Produziert wird in Portugal, Polen und Deutschland. Aktuell läuft das Funding für den weltweit ersten zertifizierten Cradle-to-cradle-Trainingsanzug. Runamics, Hamburg/Deutschland, info@runamics.com, www.runamics.com
Atelier Alpiniste. Unter dem Motto Arbeit statt Almosen leistet Atelier Alpiniste Hilfe zur Selbsthilfe. Im Oktober 2017 ist unser Redakteur Kay Alexander Plonka beim Wandern mit Freunden im Himalaya im wahrsten Sinne des Wortes in dieses Projekt hineingestolpert. Gleich nach seiner Rückkehr verkaufte er die ersten Teile in Berlin und München. Die geupcycelten Cashmere-Schals werden von älteren Menschen hergestellt, die durch das Weben der vielfarbigen Schals, die in fünf unterschiedlichen Nuancen zum EK von 39 Euro erhältlich sind, weiterhin selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Die Schals werden in aufwändiger Handarbeit aus Cashmere von nicht verwendeten Musterteilen und Produktionsresten auf alten Holzwebstühlen gefertigt. Verkauft werden die Schals u. a. bei Trüffelschwein, Hallesches Haus, April First, Cityjeans, Ralf’s Fine Garments, The Listener und Matter Urban Market. Atelier Alpiniste, Berlin/Deutschland, T 0049.171.8366268, kay.plonka@web.de, @atelieralpiniste
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FINDEN WIR GUT
Aussteigertraum
Aus der Praxis
Amalia O. Das Modeehepaar Tanja und Markus Eibl hat eigentlich mit dem Laden in Salzburg und der Agentur genug zu tun. „Doch ich war immer wieder darüber enttäuscht, dass es keine Marke gibt, die kontinuierlich auf schöne Kleider und Röcke setzt“, erzählt Tanja Eibl. Und weil die Eibls gerne anpacken, haben sie sich diese Kollektion jetzt selbst geschaffen. Handgemacht in der Steiermark und im Veneto, rangieren die Kleider in einer nachvollziehbaren Premiumpreislage. Feminin mit einem leichten FiftiesHauch für Frauen, die sich gerne weiblich kleiden. Jetzt öffnet sich Amalia O. einer ganz vorsichtigen Distribution: „Fünf Händler in Österreich, mehr wollen wir gar nicht. Einfach ein Projekt für Gleichgesinnte, die wie wir finden, dass ein schönes Kleid oder ein schicker Taftrock niemals in den Sale gehen muss“, lacht Tanja Eibl. Amalia O., Salzburg/Österreich, shop@eibl.or.at, www.eibl.or.at
Bellamy
Simple Pieces. Das Label aus den Niederlanden steht für unaufgeregtes Design und Sustainability, kreiert von Imke Bens und Mireille van Sprong und produziert in Europa, hauptsächlich in Italien. Dabei ist weniger mehr: Die Teile aus zertifizierten Materialien sind puristisch und haben mit kurzlebiger Fashion nichts zu tun. Dieser Philosophie entsprechen auch der CashmereStrick und sogenannte Travel-Pieces. Im holländischen Heimatmarkt gibt es zehn erfolgreiche Läden von Bellamy. In Deutschland teilen sich die Agentur Käthe Rotter und die Michaelis Fashion Agency den Markt; letztere ist für Süddeutschland zuständig. „Nachdem wir mit einigen Handelskunden sehr vielversprechend gestartet sind, wollen wir die Präsenz nun weiter ausbauen“, sagt René Michaelis. „Bellamy hat absolut das Zeug dazu.“ Kleider kosten 99 bis 149 Euro im VK, Cashmere 149 bis 199 Euro bei einem Mark-up von 2,7. D: Michaelis Fashion Agency, München/Deutschland, mail@michaelis-fashion-agency.com, www.bellamygallery.com
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Fabulous Island. Selbstachtung, Leichtigkeit, Wohlbefinden, die Verbindung zur Natur – das sind die Werte, auf denen das Label Fabulous Island aufbaut. Fabulous Island will seinen Kunden vermitteln, dass jeder Mensch auf seine eigene Art und Weise besonders ist. All diese Werte haben die Gründer Alban und Julie von Frankreich nach Mauritius mitgenommen, wo sie das Unternehmen aufgebaut haben. Die Kollektionen werden auf Mauritius in WRAP (Worldwide Responsible Accredited Production) zertifizierten Manufakturen produziert. Außerdem spenden sie ein Prozent ihres Jahresumsatzes an NGOs, die sich für die Rettung der Ozeane einsetzen. Für den Vertrieb der Marke im deutschsprachigen Raum ist Dominik Meuers Hinterhoferagentur zuständig. Die Marke hat zwei Kollektionen pro Jahr. Damenpullis mit unterschiedlichen Prints gibt es zum EK von 53 Euro und zum VK von 149 Euro in den Größen S, M und L. Bei den T-Shirts liegt der VK bei 49 Euro sowie bei 79 Euro für Sweatshirts und Hoodies. Faboulous Island, Die Hinterhofagentur, München/Deutschland, info@diehinterhofagentur.de, www.fabulous-island.com
FINDEN WIR GUT
Sneak it
Premium Basics. Ein Schuh, der sich Premium Basic nennt, kann nicht besonders ausgefallen sein? Quatsch! Das italienische Start-up Premium Basics beweist, dass ein klassischer weißer Sneaker mit ein bisschen Idee zum Eyecatcher wird. Neonfarbene Akzente sind genauso Teil des Konzepts wie einzelne Modelle, die mit auffälligen Sohlen oder Neonakzenten glänzen. Noch ausgefallener wird es, wenn Material- und Mustermix ins Spiel kommt oder sich die Sneaker in tiefem Schwarz zeigen. Hinter der Marke stehen Ivano Sabato, ein italienischer Schuhdesigner mit grünem Herz – der Sneaker ist vegan mit hohem Recyclinganteil – und mit Jason Pfyffer ein Schuherfahrener Agent, der sich auch um die exklusive Distribution der Marke kümmert. Premium Basics, Agency Under Construction, Schio/Italien, T 0039.329.7255309, jason@agencyuc.com, www.premiumbasics.it
Sophisticated
Rue de Tokyo. Französische und japanische Ästhetik auf einen Nenner bringen – das schafft die Marke Rue de Tokyo, die aus Kopenhagen stammt. Timothy Hoferer von Modeist hat sie in Deutschland und Österreich eingeführt und ist sehr zufrieden. „Es ist ein sehr moderner, urbaner Look, zeitlos und doch in den Details sehr modisch. Hochwertige, aber simple Materialien, eine dezente Ästhetik.“ Natürliche Materialien und der Nachhaltigkeitsfaktor sind für Designer David Andersson Sahlin wichtige Pfeiler seiner Marke. Die Preise? Premium und doch nachvollziebar. Vier Kollektionen im Jahr und ein gewisses Maß an Re-Order und NOS-Service. Rue de Tokyo, Modeist GmbH, München, Düsseldorf/Deutschland, T 0049.151.64506485, info@b-kleidung.com, www.ruedetokyo.com
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style in progress
Von Antarktis bis City
Groundtruth. 2017 gründeten die drei
Scott-Schwestern die Marke Groundtruth. Inspiriert durch ihre Arbeit als Dokumentarfilmerinnen wollten Georgia und Sophia Produkte sowohl für anspruchsvolle Ziele als auch für die städtische Umgebung entwerfen. Sie holten noch ihre Schwester Nina ins Boot, eine Spezialistin für technische Stoffe. Grundlage der Kollektion ist das eigens entwickelte Hochleistungstextil GT-RK-001, das vollständig aus Kunststoffabfall hergestellt wird. Gefertigt werden die robusten und modular aufgebauten Accessoires, Taschen und Rucksäcke von einem Bluesign-zugelassenen Hersteller. Die Preisrange liegt im EK zwischen 22 Pfund für Kleinteile bis 113 Pfund für den 24-Liter-Rucksack bei einer Marge von ca. 2,5. Groundtruth, London/UK, T 0044.7810.368089, georgia@groundtruth.global, www.groundtruth.global
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Tuscan Classics
L’impermeabile. Das Motto des Labels aus dem Hause Landi lautet: „Mode ist, was nicht modisch ist.“ Der Jackenhersteller L’impermeabile gibt sich traditionsbewusst und hat Klassiker teilweise seit 1948 im Sortiment. Natürlich werden neue Materialien und innovative Details verwendet, aber die Grundmodelle bleiben gleich: Trenchcoats, Fieldjackets, Peacoats, Parkas. Schlichte, klassische Jacken und Mäntel, die eins gemeinsam haben: Sie sind, wie der Name andeutet, alle wasserabweisend. Zudem werden alle Kollektionen ausschließlich in Italien hergestellt. In der aktuellen Saison baut Landi seine Damenkollektion weiter aus und stellt die Internationalisierung der Marke in den Fokus. In Japan und Südkorea stößt die Kollektion auf gutes Feedback, am Heimatmarkt Italien zählt sie mehr als 60 renommierte Points of Sale. Um die zwei bekanntesten zu nennen: Sugar in Arezzo und Rinascente in Mailand. Amtraq Distribution, Frankfurt am Main/ Deutschland, T 0049.69.96230423, mail@amtraq.com, www.limpermeabile.it
Veränderung tragen
Nachhaltig ins Wasser
Seay Soseaty Collective.
Das Start-up aus Vicenza hat all das, was der coole, grün denkende und fashion-affine Kunde wünscht: modische Beachwear made in Italy, dazu 100 Prozent umweltfreundlich. SEAY wurde 2019 auf den Markt gebracht und überzeugt seitdem mit fantasievollen Prints und einem ausgeklügelten zikulären Konzept. Die Zusammenarbeit mit Künstlern wie Eduardo Bolioli schaffen Eigenständigkeit. Alle Modelle, Badehosen, Bikinis oder Badeanzüge, sind entweder aus recyceltem Polyester aus Post-Consumer-Abfällen oder Polyamid aus Fischernetzen aus dem Mittelmeer. T-Shirts und Tote Bags werden aus Biobaumwolle mit GOTS-Zertifizierung hergestellt. Aber das ist nicht alles. Das Unternehmen hat auch das sogenannte RE3-System entwickelt: RE-Sell, RE-Use, REGenerate. Jeder Kunde, der im Laden oder online ein altes Kleidungsstück einreicht, erhält 20 Prozent Rabatt auf sein neues SEAY-Teil. Das eingetauschte Stück wird dann entweder wieder verkauft, gespendet oder zu neuem Garn verarbeitet. Die Marke ist für den deutschsprachigen Markt noch auf der Suche nach einer Vertretung und kann derzeit in Italien geordert werden. SEAY S.r.l. società benefit, Vicenza/Italien, T 0039.351.5054460, stefano.rosin@soseaty.com, www.soseaty.com
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3 May. Etwas wagen: Im CoronaJahr 2020 startete Patrick Röllin, Betriebswirt, langjähriger Einkäufer und Modeberater bei PKZ und später Gränicher, sein eigenes Business: 3 May. „Ich will Kleidungsstücke entwerfen, die dem Träger wie ein Talisman auf der Haut liegen, ihm Mut machen, Verantwortung zu übernehmen, und ihn durchs Leben begleiten“, so Patrick Röllin. Der Großteil der kurz gehaltenen Wertschöpfungskette erfolgt im Züricher Oberland. Die Stoffe werden in Österreich gestrickt, in der Schweiz veredelt und in Portugal genäht. Alle Prozesse sind CO2-neutral. Das Ergebnis ist zeitlose Menswear aus hochwertiger Pima-Baumwolle. „Wir sind die Veränderung, die wir uns für die (Mode-)Welt wünschen“, ist Röllin überzeugt. Die Preise beginnen bei 28,20 Euro im VK, werden mit 3,0 bis 3,2 kalkuliert und können ganzjähig nachgeordert werden. 3 May, Cham/Schweiz, patrick.roellin@3may.ch, www.3may.ch
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Qualität
Saddler. Aus dem schwedischen
Wise enough
Das eigene Ding. Stephan Deinhamer arbeitete fünf Jahre als kreativer Leiter für das nachhaltige Label Erdbär, jetzt macht er mit der Streetwear Wise enough sein eigenes Ding. Die Prints, Grafiken und Schriftzüge sind ausgefeilt und künstlerisch, die T-Shirts, Sweats und Hoodies für Männer und Frauen clean gehalten. Zum Einsatz kommen GOTS-zertifizierte Baumwolle und recyceltes Polyester, gefertigt wird in Salzburg. Da ist es nur folgerichtig, dass Stephan Deinhamer auf kurze Produktions- und Lieferzeiten setzt, die exakt auf die Nachfrage abgestimmt sind. Sein Atelier hat er im Salzburger Showroom der Agentur Cocron seiner Eltern, von wo Wise enough auch vertrieben wird. „So bin ich nah an den Kunden und kann bedarfsgerecht agieren“, so Stephan Deinhamer. Shirts kosten im VK 49, Sweater 89 und Hoodies 99 Euro, kalkuliert wird mit 2,7. Wise enough, Salzburg/Österreich, s.deinhamer@wiseenough.eu, www.wiseenough.eu
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Kungsbacka stammt die Marke Saddler, die auch in Zeiten schnell wechselnder Trends auf Kontinuität setzt. Das große Sortiment reicht von Armbändern über Schlüsselringe, Gürtel, Portemonnais bis zu Schulterund Computertaschen. Außerdem ergänzen stylische Weekender das Sortiment. Die VK-Preise sind im Premiumbereich angesiedelt, nachvollziehbar und kommerziell. Durch seine Unternehmensphilosophie, die auf lang haltende Produkte setzt, wohnt Saddler Nachhaltigkeit inne. Mit verschiedenen unternehmensinternen Initiatitven sollen Umweltund Sozialstandards entlang der gesamten Lieferkette geachtet werden. In den deutschsprachigen Ländern hat Select Studio den Vertrieb der Marke übernommen. Select Studio, München, Düsseldorf/ Deutschland, info@select-studio.com, www.saddler.com
Let’s dress the boys
B spoken. „Wir wollen die Jungen motivieren, sich gut anzuziehen“, sagt Christopher Schaurte. Mit Robin Halfmann und Linus Wabnitz hat er B spoken gegründet, für Maßkonfektion on demand, zu VK-Preisen von 590 bis 1.400 Euro. Als Teilhaber steht Jürgen Reschop von KingsmenHouse hinter dem Konzept. „Unsere Anzüge werden nach allen Regeln der Schneiderkunst gefertigt, sind unfixiert und damit qualitativ hochwertig, auch das unterscheidet uns von anderen unseres Segments“, so Schaurte, der eine B spoken Community gründen will. „Individualität steht an erster Stelle und ein Anzug kann in vier bis sechs Wochen geliefert werden.“ Zusätzlich zum Online B2C Business soll B spoken über den Fachhandel angeboten werden – der Zuspruch für die sympathischen Businessgründer auf der vergangenen Supreme war bereits vielversprechend. B spoken, München/Deutschland, christopher-schaurte@bspoken.net, www.bspoken.de
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Einfachheit
Humility. Das Bedürfnis nach Wesentlichem ist das Leitmotiv von Humility, einer Kollektion mit zeitloser Lässigkeit und fast beiläufiger Eleganz. Mit der aktuellen Saison startet die Agentur Klaus den Vertrieb in Österreich. „Die Womenswear ist das neue Projekt des Franzosen Jean-Pierre Braillard, für das er in puncto Qualität und Natürlichkeit der Materialien keine Zugeständnisse machen will“, so Christian Klaus. „Die Marke richtet sich an moderne und nachhaltig orientierte Frauen, die einen komfortablen Look für jeden Tag suchen.“ Strick ist ein wesentliches Element des Labels, das von fließenden Silhouetten und einhüllenden Wohlfühlteilen geprägt wird. Es gibt jährlich zwei Kollektionen, die in Italien und Portugal produziert werden, zu EK-Durchschnittspreisen zwischen 45 und 50 Euro. Agentur Klaus, Salzburg/Österreich, office@modeagentur-klaus.at, www.humility.fr
Kuschelteile Mia Fratino.
Nice! Replumè.
Das hat gefehlt: Die Jacken von Replumè aus recycelter Daune füllen mit ihrer modischen Coolness eine Marktlücke, die die Agentur Schwarte ab dieser Saison in Deutschland und Österreich erobern will. Das Design der Blousons, Mäntel und Westen spielt mit Volumen und Metallic-Optiken, gern in starken Farben, und setzt Akzente mit pointierten Details. „Die Womenswear ist mit der Menswear gleichauf“, sagt Matthias Schwarte, „dazu stimmen die kommerziellen Preislagen von 180 bis 550 Euro im VK bei einem Mark-up von mindestens 2,75.“ Hinter der 2019 gegründeten Kollektion stehen als Creative Director Davide Tognetti und als Design-Director Matteo Vicentini von der PGN International SRL, die Paltò verantwortet. Die zertifizierten wiederverwendeten Daunen stammen hauptsächlich aus Italien. D, A: Agentur Schwarte, München/Deutschland, office@agentur-schwarte.de, www.replume.it
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„Unser Fokus liegt auf nachhaltigem Strick und einer ethischen, fairen Produktion“, so Mitgründerin Amy Jones. Für ihr australisches Label kommen natürliche und zertifizierte Garne zum Einsatz, ergänzt von Cashmere aus der Inneren Mongolei. „Innovation ist das sogenannte Eco-Furino, ein weiches, pilling-resistentes Gemisch aus Possum, Seide, Cashmere und Merinowolle, das für kuschelige Cardigans, Oversized-Pullis, Mäntel und Accessoires verwendet wird“, sagt Claudia Flessa, die Mia Fratino mit ihrer Agentur im deutschsprachigen Markt vertreibt. Pullis kosten im EK 120 bis 140 Euro, kalkuliert mit 2,8. Gestrickt wird in der eigenen Fabrik in Sri Lanka unter fairen Arbeitsbedingungen nach europäischen Standards. Die Gründer haben außerdem die Mia-Fratino-Stiftung ins Leben gerufen, um Frauen in Sri Lanka zu unterstützen. Flessa Modeagentur, Buch am Buchrain/ Deutschland, flessa@flessa-modeagentur.de, www.miafratino.com
mou-online.com
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Ethno Chic
Bazar Deluxe. Das toskanische
Outerwearabel entstand 2013 aus einer Zusammenarbeit der Familie Violante (Inhaber der Firma Visconf) und dem Agenten und Trendsetter Alessandro Squarzi. Das Ziel war, Jacken und Mäntel für eine Frau zu konzipieren, die Lust auf Extravagantes hat und gleichzeitig nicht auf Eleganz und Qualität verzichten möchte. Bazar Deluxe ist eine glamouröse Mischung aus Ethno-Verzierungen, Stickereien, feinsten Stoffen und italienischem Design. Dafür wartet das seit 1948 existierende Textilunternehmen Visconf mit seinem vollen Know-how aus vier Generationen auf. Neben ihren optischen Qualitäten überzeugen die Parkas, Mäntel und Trenches mit perfekter Passform. Agentur Ventrella GmbH, München/ Deutschland, mode@agentur-ventrella.de, www.bazar-deluxe.it
Liebe zu New York
Bowery NYC. Claudio Parolinis
Sanfte Welle
ATP Atelier. Skandinavisch cleanes Design made in Italy. Das italienisch-schwedische Paar Jonas Clason und Maj-La Pizzelli lernte sich bei der Arbeit für Filippa K kennen und gründete ATP Atelier 2011, inspiriert von im Sommerurlaub in Apulien gekauften Sandalen, zeitlos schlicht und in top Qualität. Heute wird die Schuhkollektion um Taschen erweitert und möglichst nachhaltig in zwei Manufakturen in der Toskana gefertigt. Wiederkehrendes Stilelement ist die sanfte Wellenform, bei Schuhen ebenso wie Taschen. Minibags starten bei 220 Euro im Verkauf, große Shopper kosten bis 640 Euro bei einem Markup von 2,7. Die Agentur Melagence betreut Deutschland, Österreich und Schweiz und startete vom Fleck weg bei Händlern wie Lindner Fashion in Dortmund, Zoe in Saarbrücken, Bella Donna in Regensburg und Reyer in Hallein. Agentur Melagence, Berlin/Deutschland, info@melagence.com, www.atpatelier.com
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Liebe zu New York lässt sich auf den ausgefeilten Prints der T-Shirts und Sweater von Bowery NYC ablesen. „Die hochwertigen, schön gewaschenen Qualitäten gibt es in vielen Farben; gefertigt wird in Italien“, so Niklas Rill, der Bowery NYC mit seiner Agentur für den deutschen und österreichischen Markt übernommen hat. Zu der lässigen Menswear kommen einige cropped Shirts und oversized Styles für Frauen hinzu. „Die Teile sind modisch auf dem Punkt“, sagt Rill, der außerdem die Jeanskollektion The Nim, ebenfalls von Claudio Parolini, in seinem Portfolio hat. Zusätzlich überzeugen die Preislagen: T-Shirts kosten 49 Euro und Sweatshirts 89 Euro im Verkauf bei einer Kalkulation von 2,8. D, A: Agentur Niklas Rill, Düsseldorf/Deutschland, mail@maend.de, www.bowery-nyc.com
the fashion vest brand WWW.DORNSCHILD.COM
DESIGNED IN MUNICH & MADE IN EUROPE
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Germanys Next Lara Krude.
In eigener Sache
Amuse. Lässige Wollstretch-Blazer mit vielen Dessins und flauschiger Mohairstrick markieren den Start von Amuse, eines gemeinsamen, spontanen Designprojekts von Meike Schilcher mit Susanne Hannig. „Beim Bummel durch München haben uns coole Styles gefehlt, also haben wir beschlossen, sie selber zu machen“, erklärt Meike Schilcher, die hinter der Kollektion Daddy’s Daughters steht und eine Vertriebsagentur in Salzburg führt. Die Stoffe und Garne für Amuse stammen aus Italien und sind ausdrucksstark. Die Farbgebung bleibt zurückhaltend und natürlich. Genäht wird in Deutschland und das ohne Mulesing geschorene Mohair wird in Europa gestrickt. „Alle Materialien sind recycelbar und nachhaltig“, betont Schilcher. Den Vertrieb der Marke verantwortet Meta Pesch. Meta Pesch, Salzburg/Österreich, meta@metapesch.com, www.metapesch.com 072
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Stella McCartney, Schirmherrin des Preises Designers for Tomorrow, den Lara Krude 2017 gewann, sagt über sie: „Lara erzählt eine sehr persönliche Geschichte. Ich habe das Gefühl, dass ihre Arbeit für die aktuellen Umbrüche in der Modewelt von großer Bedeutung ist.“ Auch im Vogue Salon reüssierte die Hamburger Designerin bereits im Gründungsjahr des Labels 2018. Ihre Achtung vor Handwerkskunst trifft auf sehr moderne Silhouetten – das bringt der Designerin gute Presse und renommierte Verkaufsstellen. Um die Kollektion Schritt für Schritt auszubauen, vertraut Lara Krude jetzt in den deutschsprachigen Ländern auf die Agentur Modeist. Modeist, München, Düsseldorf/Deutschland, modeist@vahoferer.de, www.larakrude.com
Artwear
Bleach on Lower Manhattan.
Mit einem spitzen, kunstsinnigen und urbanen Projekt meldet sich Martina Sossi zurück. Die gebürtige Italienerin stammt aus einer produktionserfahrenen Familie in Brescia, hat aber ihr Herz an die USA verloren. Diese beiden Welten vereint sie nun mit Bleach on Lower Manhattan, eine ausschließlich in Capsules aufgebaute Casualkollektion. Der erste Drop besteht aus Oversized Shirts, Pullis und Jacken, die von Streetartists gestaltet werden. Die EK-Preislagen beginnen bei 65 Euro und gehen bis 150 Euro für Shakets in ausgefallenen Materialkombinationen. Mit 15 Teilen ist der erste Drop kompakt gehalten, die Marke ist mit namhaften italienischen Retailern im Gespräch, für jeden soll ein eigener Drop aus handgemachten Items gestaltet werden. Mpuntom Srls, T 0039.345.6198542, info@bleachonlowermanhattan.com, @bleach_on_lower_manhattan
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January 30 – February 1, 2021 Showroom Concept January 28 – February 1, 2021
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FA S H I O N AREAL BÖHLER GALLERY-SHOES.COM
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BFF in Cashmere
CosyLovePure. Drei Worte, die
Die japanische Masche C.T. Plage. Japanischer
Strick mit betont minimalistischen Silhouetten, dafür steht die Marke C.T. Plage von Suwa Naomi und Kanaya Mikako. Die beiden Designerinnen gründeten ihr Label 2007 und vertrieben es bisher über internationale Messen direkt. Jetzt hat die Agentur Komet und Helden den Vertrieb des Insidertipps aus Japan übernommen. Mit VK-Preisen zwischen 199 und 549 Euro, einem wohlbalancierten Sortiment aus verschiedenen Styles von Pulli bis Longjacke passt der Strick perfekt in Premiumläden. Die Kalkulation ist mit 2,6 festgelegt, es gibt zwei Kollektionen pro Jahr. Komet und Helden, München, Düsseldorf, Berlin/Deutschalnd, info@kometundhelden.de, www.ct-plage.com
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das aussagen, was eine Strickkollektion ausmachen sollte. Kuschelig, mit Liebe entworfen und puristisch umgesetzt. Dr. Simone Peters und Dagmar Ingermann-Peitsch, die seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht nur durch die Mode verbunden sind, haben sich hier ihren Traum erfüllt. Entstanden sind cleane Schnitte vereint mit aufwändigen Stricktechniken in ruhigen Farbtönen. Edel verarbeitet werden hochwertige Cashmere-Qualitäten und luftige Effektgarne. Trendige und detailverliebte Basics in Saisonfarben runden die Kollektion ab. Stefan Brosius ist Partner für das neue Label und verantwortlich für den Vertrieb. Für Deutschland ist die Adventure Fashion Agency und in Österreich die Agentur Knaus oder Knaus am Start. Adventure Fashion Agency GmbH, D: Düsseldorf/Deutschland, info@adventure-gmbh.de, CH: Antevis GmbH, Cham/Schweiz, info@antevis.ch, www.cosylovepure.com
Nächste Generation Stil
Lodenfrey Menswear. Wie kaum
eine andere steht die Münchner Marke für Stil und Tradition – und das seit 2019 in sechster Generation von Antonia und Leonard von Pfister geführt. Mit der Kollektion Gen Six wagen sich die Geschwister ins OuterwearGenre. „Wir kehren zu unseren Wurzeln, dem Loden, zurück“, sagt Leonard von Pfister. „Dies wollen wir als junge Generation in die Moderne transportieren und positionieren uns zwischen Streetwear und modischen Klassikern.“ Die Inspiration liefert die Historie, vor allem ikonische Produkte aus beinahe 200 Jahren. Zu den Key-Pieces zählen gewagt und modisch interpretierte Klassiker, wie ein langer Vintage-Mantel oder ein clean de signtes Cape. „Selbstverständlich gestalten wir unsere Produkte so nachhaltig wie möglich, denn auch wir wollen unserer schönen Natur Tribut zollen“, so von Pfister. Matthias Schwarte Modeagentur, München/ Deutschland, office@agentur-schwarte.de, www.lodenfrey.eu
D I S T R I B U T I O N A U S T R I A & G E R M A N Y: D I E H I N T E R H O FA G E N T U R , W W W. D I E H I N T E R H O FA G E N T U R . D E
THE LONGVIEW
Caroline Brown „Man muss die Wirksamkeit immer an den finanziellen Nutzen binden“ Für den Übergang zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell muss die Modebranche viel Geld lockermachen – und damit ist auch viel Geld zu verdienen. Das hat das Interesse von Investmentfirmen wie Closed Loop Partners auf sich gezogen, bei der Caroline Brown als Managing Director for Fashion and Beauty arbeitet. Angesichts ihres Postens liegt die Erwartung nahe, Caroline Brown spreche allein aus Finanzperspektive. Aber die ehemalige CEO von Donna Karan International schöpft aus mehr als 25 Jahren Erfahrung im Zentrum der Mode. Bei unserem Gespräch über Kreislaufmodelle für die Modebranche – inklusive Läden – inspiriert Brown uns sogar mit der traditionellsten Form von Handel: dem Wochenmarkt. Interview: Stephan Huber und Petrina Engelke. Fotos: William Brown
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THE LONGVIEW
Caroline Brown ist Managing Director for Fashion and Beauty bei Closed Loop Partners – sie glaubt, dass einer der großen Motoren von Veränderungen finanzieller Natur ist.
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THE LONGVIEW
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rau Brown, was ist Closed Loop Partners, worauf konzentrieren Sie sich dort und mit welchem Ziel? Closed Loop Partners ist eine Mischung aus Investmentgesellschaft und Innovationszentrum mit einem Fokus auf Kreislaufwirtschaft. Von New York aus investieren wir in Fonds, etwa Start-, Risiko- und Wachstumskapital, Privatbeteiligungen sowie Buy-out-, Kredit- und Schuldtitelfonds. Dass einige der weltweit größten Konsumgüter- und Technologiekonzerne zu unseren Investoren zählen, eröffnet uns einen einzigartigen Blick auf die Herausforderungen, die Umfang und Reichweite für die Kreislaufwirtschaft darstellen. Lösungen für diese Kapazitätsengpässe zu finden, ist Aufgabe unseres Center for the Circular Economy, das als Innovationszentrum mit Großunternehmen arbeitet, die teils auch Anleger sind. So ist unser Alltag davon geprägt, die innovativsten Firmen der Welt aufzuspüren, an ihrem Entwicklungsstand anzusetzen und sie so zu kapitalisieren, dass Kreislaufwirtschaft im großen Maßstab möglich wird. Einer der spannendsten Punkte dabei ist für mich, dass wir in eine Zeit eintreten, in der Kreislaufwirtschaft ein konkurrenzfähiges Wirtschaftsmodell wird. Bislang wurden Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit ja vorwiegend als PR-Werkzeug betrachtet, und jetzt wird das für Investoren interessant. Was glauben Sie, warum treten wir jetzt in diese Phase ein? Ich denke, jede intelligente Geschäftsführung tut heute gut daran, sehr genau auf ihren sozialen und ökologischen Fußabdruck zu schauen, denn für Verbraucher ist das ein Leitwert. Und wir wissen ja, dass sich kein Geschäft lange hält, das sich nicht an den Werten der Verbraucher ausrichtet. Einer der wichtigsten Antriebskräfte für diesen Kulturwandel ist meiner Ansicht nach die Diskussion über Transparenz in den letzten vier oder fünf Jahren. Bei so ziemlich jedem Produkt erwarten Verbraucher inzwischen Transparenz. Der große Wandel ergibt sich aus einer Verbindung dieser Erwartungshaltung mit der Zunahme an Technologien, die diese Nachvollziehbarkeit herstellen können, beispielsweise Blockchain oder das Internet der Dinge. Im Gegensatz zu früher können Kunden sehen, wie ihr Produkt hergestellt wird, welche Beziehung sie zu ihm haben, wie sie es nutzen und was danach mit ihm passiert. Auf der Grundlage dieser neuen Informationen treffen sie Entscheidungen. Die Diskussion über diese Entscheidungen ist heute besonders in Europa stark ideologiegetrieben, da ist von Marktkritik und Systemwandel die Rede. Aber ich glaube, es braucht wirtschaftlichen Erfolg, um überhaupt erfolgreich zu werden. Nun würde mich interessieren, wo Sie da die treibende Kraft sehen. Einer der großen Motoren von Veränderungen ist finanzieller Natur. Wenn man einen Wandel nicht an irgendeine Form von Finanzvorteil binden kann, wird es ein steiniger Weg. Deshalb macht es mir viel Hoffnung, zu sehen, wie die Modebranche dem Übergang zu einer
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nachhaltigeren Zukunft jetzt auch finanzielle Kennzahlen zuordnet. An diesen Kennzahlen müssen sich Unternehmen messen lassen. Und die Zahlen sprechen für sich: Im Vergleich zu einem Kreislaufmodell verliert die Modebranche mit einem linearen Modell schätzungsweise 500 Milliarden US-Dollar pro Jahr weltweit durch Müll. Die Marktchancen für eine Neuverwertung recycelten Materials werden für die nächsten Jahre auf mehr als 350 Milliarden US-Dollar geschätzt, und die Entwicklung umweltfreundlicherer Textilien soll in den kommenden Jahren etwa 40 Milliarden US-Dollar einbringen können. Das Bewusstsein der Verbraucher spiegelt sich auch im Resale-Markt. Er wächst mehr als 20 mal so schnell wie der Markt für Neuware und soll in den nächsten paar Jahren 62 Milliarden US-Dollar erreichen. Das sind aussagekräftige Zahlen. Und ich finde, wir tragen die Verantwortung dafür, die Wirksamkeit solcher Lösungen immer an den finanziellen Nutzen zu binden, von dem Unternehmen profitieren können. Ein weiterer Vorteil der Kreislaufwirtschaft gegenüber linearen Modellen tut sich auf, wenn man betrachtet, wie viele Kunden Modefirmen jedes Jahr verlieren. Sie investieren viel Geld, um diese Kunden wiederzugewinnen. In ein Kreislaufmodell ist dagegen ein Dauerdialog mit allen Kunden eingebaut, der Kontakte bis zum Ende der Produktlebensdauer oder seiner Verweildauer bei den betreffenden Kunden hergibt. Das hält die Kundenbeziehung stark. Noch einmal zurück zu den Zahlen als Argument für ein Kreislaufmodell: Wirtschaftlichkeit als Ziel kommt ohne die Last von gefühlsgeladenen moralischen oder sozialen Aspekten daher, insofern gibt das Versprechen von Wachstum ein solides Argument für ein noch unentschlossenes Unternehmen ab. Lohnt es sich auch, auf die Kosten zu schauen? Absolut. Nehmen wir ganz einfach das Beispiel der Rohstoffquellen: Mit einem linearen Modell geben Unternehmen viel Geld für Rohmaterial aus, das sie in ihre Lieferkette einspeisen. Dafür haben sie höchstwahrscheinlich keine weitere Verwendung und es landet auf dem Müll wie 85 Prozent der Kleidung. Dagegen achten kreislauforientierte Unternehmen darauf, diese Rohstoffe wieder einzusammeln und an den Beginn der Lieferkette zurückzubringen. Dahinter allein steckt eine enorme Ersparnis. Uns als Investoren locken dabei nicht nur individuelle Lösungen je nach Lieferkettenkategorie, sondern auch neue Geschäftsmodelle, die diesen Mechanismus komplett verinnerlichen. Können Sie uns ein Beispiel nennen? Wir investieren in eine Firma aus Los Angeles namens For Days. Sie bietet Basics aus Biobaumwolle auf Basis eines Tauschmechanismus. Dadurch kann sich das Unternehmen an die Werte der Verbraucher anpassen und gleichzeitig sein Rohmaterial in einem dauerhaften Kreislauf halten. Das erfordert ein völlig anderes Lifecycle-Management-System, eine andere Technologie, überhaupt ist es ein andersartiges Geschäftsmodell. Einmal angenommen, eine Modefirma braucht Geld für den Übergang zu einem Kreislaufmodell wie
„Angesichts der Größe der Modebranche ist es erstaunlich, wie wenig sie reglementiert ist.“
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diesem. Mit welchen Argumenten würde diese Firma Sie oder andere Investoren davon überzeugen, das zu finanzieren? Als Investoren schauen wir uns Firmen an, die Lösungen für große Konzerne liefern. Wir investieren also nicht in Konzerne, sondern Seite an Seite mit ihnen, und viele von ihnen investieren auch in unsere Fonds. Dieses Geld stecken wir in Start-ups, deren Lösungen die Konzerne später in ihrer ganzen Lieferkette nutzen können. Auch inhaltlich setzen wir früh an, beim Designprozess, und auch in Bereichen wie Materialwissenschaft, umweltfreundliche Fertigung, Vermarktung, Transparenzwerkzeuge, Rückgewinnungsmethoden, Produkterneuerung und neuartige Recyclinglösungen. Nehmen wir Materialwissenschaften als Beispiel: 95 Prozent der Kleider, die wir tragen, sind aus vier oder fünf Fasern hergestellt, und die sind alle umweltbelastend. Deshalb investieren wir in Alternativen. Denn selbst wenn wir nur einen Teil einer solchen Faser durch eine nachhaltigere Lösung ersetzen, hätte das in der Größenordnung einer Großkonzernlieferkette eine durchschlagende Wirkung. Das könnte beim komplexen Thema Baumwolle beginnen. Baumwolle ist ein sehr interessantes Thema, weil Verbrauchern dessen umweltbelastendes Gewicht im Allgemeinen nicht klar ist. Weil sie als „natürlich“ betrachtet wird. Genau. In Wahrheit wissen wir, dass im Baumwollanbau die meisten Pestizide angewendet werden. Er verbraucht viel fruchtbaren Boden und Trinkwasser und leistet einen enormen Beitrag zum Abwasser. Aber Verbraucher richten sich zuerst nach Kategorien, die ihnen bewusst sind. Und das sind im Moment der große Fußabdruck von Leder oder die Folgen des Färbeprozesses. Ich würde auch noch wasserdichte Stoffe hinzunehmen, vor allem die atmungsaktive Sorte. In diesem Bereichen erwarten wir zuerst spürbare Reaktionen von Verbrauchern. Mit Ihren Erfahrungen aus der Modeindustrie kennen Sie sicherlich deren Mechanismen und Strukturen bestens. Hat dieses Wissen, was auf globaler Bühne geschieht, zu Ihrer Entscheidung beigetragen, in das Feld zu wechseln, in dem Sie jetzt arbeiten? Definitiv. Ehe ich Investorin wurde, habe ich mehr als 25 Jahre im operativen Geschäft der Modebranche verbracht. Mir wurde klar, dass der Übergang dieser Branche zu ihrer nächsten Revolution spannend würde, und die sehe ich in einer nachhaltigeren und kreislauforientierten Zukunft. Aber die damit verbundenen Probleme sind so komplex, dass ihre Lösung ein Niveau von Kreativität erfordert, das man nur in höchst innovativen, experimentellen Unternehmen findet. Solche Firmen sind in der Gründungsphase, sie arbeiten in Laboren und Garagen. Das hat mich dazu bewogen, nach Finanzierungsmöglichkeiten für Firmen außerhalb der großen Modekonzerne zu suchen. Und es hat mich angespornt, die Modeindus-
„Meiner Ansicht nach muss ein Dreieck entstehen: eine Wechsel beziehung zwischen fantastischen Innovatoren, zukunftsorientierten Unternehmen und schlauen Investoren.“
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„Viele Designer arbeiten am liebsten, womit sie angefangen haben – und oft sind das Bleistift und Skizzenblock. Es wird lange dauern, dieses Personal dazu zu bringen, zum Beispiel mit 3D-Modellen zu arbeiten.“
trie aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ich glaube zwar, speziell in dieser Branche sind die Probleme so groß, dass man sie nicht in- und auswendig zu kennen braucht, um mit einer Lösung eine spürbare Wirkung zu erzielen. Sehr hilfreich war mir aber mein Verständnis der Mechanismen, in die diese Innovationen dann eingeführt werden müssen. Außerdem hat mich meine Branchenerfahrung auf eins der wahren Probleme gestoßen: Die Mitarbeiter dazu zu bringen, auf ganz neue Art zu arbeiten. Schließlich ist die Art und Weise, wie Kleidung hergestellt wird, in den vergangenen 50 Jahren ziemlich gleich geblieben. Es ist wichtig, zu begreifen, was bei der Einführung der neuen Werkzeuge bei Designern, Produktentwicklern und Vermarktern vonnöten ist, damit sie sie überhaupt benutzen. Denn der zentrale Punkt in einem Kreislaufmodell ist der Designprozess. Der Designprozess und die Entscheidungen aus der Designphase bestimmen zu 80 bis 90 Prozent, was mit einem Produkt am Ende seiner Lebensdauer geschieht. Und wenn man diesen Prozess digitalisieren kann, kann man simultan zwischen Design, Vermarktung und Produktion arbeiten. Andernfalls sind das drei getrennte Vorgänge, bei denen Prototypen hin- und hergereicht werden. Sobald das digital läuft, können die Teams ihre Arbeit abstimmen, was auf viele Arten für Einsparungen sorgt, einschließlich Müllvermeidung. Aber viele Designer arbeiten am liebsten, womit sie angefangen haben – und oft sind das Bleistift und Skizzenblock. Es wird lange dauern, diese Menschen dazu zu bringen, zum Beispiel mit 3D-Modellen zu arbeiten. Deshalb dürfen wir nicht unterschätzen, wie viel Zeit, Geld und Konzentration es erfordern wird, manche Innovationen tatsächlich umsetzbar zu machen. Wo sehen Sie die größten Hürden bei diesem Übergang, der der Modeindustrie bevorsteht? Erstens sehe ich da die enorme Komplexität der Modelieferkette: Sie braucht Beständigkeit und Transparenz. Zweitens die Ausrichtung des Kapitals: Kapital ist in diesem Fall das Lebenselixier des Wandels. Viele Firmen stehen in den Startlöchern, sich für den Bedarf großer Unternehmen zu vergrößern, aber dafür brauchen sie Infrastruktur und Geld. Auf dem Weg vom Traum zur Wirklichkeit muss meiner Ansicht nach ein Dreieck entstehen: eine Wechselbeziehung zwischen fantastischen Innovatoren, zukunftsorientierten Unternehmen und schlauen Investoren. Da kommt mir ein weiteres Element in den Sinn, mit dem das Dreieck zum Quadrat werden könnte: Spielt hier auch die Politik eine Rolle? Die Politik spielt auf jeden Fall eine Rolle. Angesichts der Größe der Modebranche ist es erstaunlich, wie wenig sie reglementiert ist. Entsprechende Gesetze würden unsere Diskussion erheblich beschleunigen. Können wir darauf innerhalb der nächsten fünf Jahre vertrauen, lückenlos
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Caroline Brown, ehemalige Chefin von Donna Karan International, investiert bei Closed Loop Partners in Start-ups, deren Kreislauflösungen Großkonzerne über ihre gesamte Lieferkette nutzen können.
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und weltweit? Wohl kaum. Werden solche Regularien letztlich erlassen und sollten Unternehmen darauf gefasst sein und sich jetzt darauf vorbereiten? Auf jeden Fall, denn das braucht seine Zeit. Weltweit betrachtet gibt es zwar einige Länder, die dabei voranschreiten, aber im Grunde stecken Richtlinien und Verordnungen für Mode in ihrer Frühphase. In der Zwischenzeit kann das Dreieck aus Investoren, Unternehmen und Innovatoren auch ohne Gesetze schon beginnen, diese Schritte zu gehen. In welche Art Firmen investiert Closed Loop Partners, einmal abgesehen von For Days? Wir haben zum Beispiel in eine Firma namens The Renewal Workshop investiert. Sie hat ein Kreislaufsystem entwickelt, das großen Firmen Lösungen für das Wiedereinsammeln, Reparieren oder Aufarbeiten und den Wiederverkauf ermöglicht. Damit widmet sie sich einer der großen Lücken in der Branche. Wenn ich einen Pullover produziere und ihn als wiederverwertbar deklariere, wird er aus dem Mülleimer heraus trotzdem nicht recycelt. Da fehlt ein Mechanismus, mit dem dieser Pullover aus dem Kleiderschrank zur passenden Einrichtung kommt, die ihn recyceln kann. Das ist zwar nicht der glamouröseste Bereich der Modeindustrie, aber entscheidend. The Renewal Workshop fungiert als Wegbereiter für viele Prozesse, mit denen Unternehmen ihren Klimafußabdruck verringern und gleichzeitig am Sekundärmarkt ihrer eigenen Produkte teilnehmen können, was für sie auch finanziell gesehen von Vorteil ist. Sehen Sie an diesem Punkt auch ein Geschäftsmodell oder eine Teilnahmemöglichkeit für den Einzelhandel? Auf jeden Fall. Oft geben Verbraucher ja der Secondhandware den Vorzug. Und seinen Kunden zu bieten, was sie wollen, ist natürlich für einen Händler immer ein Vorteil. Wir unterstützen zum Beispiel auch eine Firma namens Thrilling aus Los Angeles, die einen Portaldienst für den zersplitterten Resale-Markt für Secondhandund Vintage-Bekleidung anbietet. Das läuft über eine Verkaufsplattform für unabhängige Geschäfte, die auf Kunden einheitlich wirkt und auf dem globalen Markt mithalten kann. Diese Firma arbeitet auch direkt mit einigen Händlern und kuratiert mit ihnen Shops und spezielle Kollektionen, die sie dann neben ihrer Vollpreisware verkaufen können. Wie wird sich der Übergang zu Kreislaufmodellen auf den stationären Handel auswirken? Ich persönlich bin der Ansicht, dass der stationäre Handel ein sehr wichtiger Teil des Kauferlebnisses ist. Und ich bezweifle, dass Verbraucher dabei im Kopf trennen: „Jetzt kommuniziere ich mit dieser Firma stationär, auf dem Handy, auf dem Laptop.“ Ich glaube, sie denken einfach: „Ich kommuniziere mit dieser Marke“, und für das Medium sind sie blind. Zweitens sind Läden schon seit jeher eine wunderbare Chance, um Markengeschichten zu inszenieren, um visuell eine positive Atmosphäre zu schaffen, die Kunden inspiriert und Markenbotschaften ohne Worte sendet. Wie sieht die Kaufumgebung aus? Welche Musik läuft da? Mit wem komme ich in Kontakt?
„Ich persönlich bin der Ansicht, dass der stationäre Handel ein sehr wichtiger Teil des Kauferlebnisses ist.“
„Wir haben die Provenienz, die Handwerkskunst, wir haben Spitzendesign und Geschichten, die bis zum Bauernhof zurückreichen. Wir würden eine Riesenchance verspielen, wenn wir dieses Narrativ nicht voll ausschöpfen.“
All das sind Storytelling-Elemente. Ich glaube kaum, dass wir uns als Branche diese Chancen entgehen lassen wollen. Die Kennzahlen belegen zudem: Mit je mehr Kanälen ein Kunde interagiert, desto mehr wird er von diesem Unternehmen kaufen. Das bedeutet, die Channels sabotieren einander nicht, sondern verstärken einander, was das Interesse oder die Beziehung zur Marke betrifft. Die tonangebende Story in unserer Branche klang lange ungefähr so: Mode ist cool und schick, aber der Rest kümmert uns nicht weiter. Versteckt sich in dem riesigen Themenkomplex, den wir hier diskutieren, auch eine Chance auf ein neues Narrativ? Aus Storytelling-Perspektive ist es sogar eine unerhörte Chance für die Modeindustrie, die da noch nicht so stark ist wie einige andere Branchen. Schauen Sie etwa auf das Kauferlebnis im Lebensmittelbereich mit dem Farm-toTable-Ansatz. Man geht auf den Markt, trifft den Bauern, der das Produkt hergestellt hat, vielleicht mit einem Bild von seinen Schafen, man weiß genau, woher das Essen kommt, und wissen Sie was? Das ist faszinierend und es bereichert das Erlebnis eines Lebensmitteleinkaufs so sehr. Warum sollte die Modebranche das nicht auch für sich nutzen? Wir haben die Provenienz, die Handwerkskunst, wir haben Spitzendesign und Geschichten, die bis zum Bauernhof zurückreichen. Wir würden eine Riesenchance verspielen, wenn wir dieses Narrativ nicht voll ausschöpfen. Mir gefällt Ihr Vergleich zur Lebensmittelbranche und dem Bauernmarkt. Man trifft den Hersteller, bekommt eine authentische Geschichte – und zahlt deshalb auch bereitwillig mehr. Genau. Und man genießt es auch mehr.
Caroline Brown ist Managing Director bei Closed Loop Partners, einem in New York ansässigen Investmentunternehmen und Innovationszentrum, das sich auf Kreislaufwirtschaft konzentriert. Dort leitet sie den Bereich Mode und Kosmetik für alle Investmentplattformen und sitzt im Vorstand mehrerer Start-ups mit bahnbrechenden Kreislaufmodellen, darunter For Days, The Renewal Workshop, DAI und Retrievr. Vorher arbeitete Brown in Spitzenpositionen bei globalen Modekonzernen wie Donna Karan International und DKNY für LVMH, bei Carolina Herrera und Akris. Ihre Karriere begann im Marketing bei Giorgio Armani. Brown ist heute auch Beraterin am Martin Trust Center for Entrepreneurship an der MIT Sloan School of Management. Sie ist in New York geboren und aufgewachsen und hat argentinische Wurzeln. www.closedlooppartners.com
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Wer meint, die Art und Weise, wie Produkte Realität werden, ändere sich, der untertreibt maßlos. In der Kette von Idee bis Konsum bleibt kein Stein auf dem anderen. Wir erleben die wohl radikalste Disruption, seit wir uns nicht mehr in Mammutfelle hüllen.
1 SEE CLEARLY 2 ACT NOW 3 BE PART 4 DIGITAL FASHION style in progress
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DIE ZEITENWENDE Es hätte nicht 2020 gebraucht, um zu beweisen, dass unsere bisherige Supply Chain aus den Fugen geraten ist. Und doch hat es 2020 gebraucht, um diese Kette viel tiefgründiger in Frage zu stellen. Ein Kommentar von Martina Müllner-Seybold
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ichts in der Wertschöpfungskette bleibt so, wie wir es bislang kannten. Die revolutionärste Umwälzung passiert im Entwurf, Prototyping, Mustererstellung, Produktionsvorstufe und Darstellung von Mustern oder Mode: Virtual Fashion. Hinter diesem Zauberwort versteckt sich Bahnbrechendes. All diese Phasen der Supply Chain erfahren gerade eine Entmaterialisierung. Die Physis des Produktes zu überwinden, ist nicht nur in Sachen Nachhaltigkeit ein riesiger Schritt nach vorne. Auch bislang nachgelagerte Prozesse wie Vermarktungsideen, Bedarfsabfrage oder Marktforschung können viel früher ins Produkt einfließen. Das ist nicht nur ein enormer Gewinn an Effizienz, sondern macht auch alten Top-Down-Hierarchien den Garaus. Dass Design, Vertrieb und Marketing ineinandergreifen müssen, war bislang oft eine leere Worthülse. Damit hat 2020 im Eiltempo Schluss gemacht, denn erstaunlicherweise hat die physische Distanz viele träge Unternehmensformen aufgebrochen, aus Tankern Schnellboote werden lassen. Digitale Tools haben geholfen, Teams und Ideen zu vernetzen, die neue Agilität lässt jeden Meeting-Marathon alt aussehen. Und weil Entscheidungen schnell und beherzt fallen mussten, hat die Modeindustrie ihre wesentlichste Eigenschaft zurückerobert – Kreativität.
Denn wohin uns die Systeme, die meinen, in der Mode jedes Risiko ausschalten zu können, gebracht haben, hat uns 2020 ebenso deutlich vor Augen geführt. Es war eine beachtliche Koinzidenz, dass die Ersten, die sich unter die Rettungsschirme flüchteten, jene waren, die sich seit Jahren anschickten, Kreativität in ein Null-Risiko-System zu pferchen. Doch in der Enge von Forecasts, Systemen und Excel-Szenarios ist echte Kreativität nicht zu Hause. Um Sie zu retten, müssen wir der Mode bedingungslos zurückgeben, was sie ausmacht. Mit all den Veränderungen in der Supply Chain kann genau das gelingen: Effizienz in den Prozessen, Kreativität im Schaffen.
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SEE CLEARLY Die Nebel lichten sich. Der Blick in die Zukunft ist fast schon zwingend von Transparenz geprägt. Die wichtigste Botschaft lautet, dass man seine Geheimnisse nicht verliert, wenn man sie offenlegt. Man teilt sie nur mit einer größeren Community – und genau dazu dient die Öffnung: Sie macht aus Kunden Mitwissende.
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„NACHHALTIGKEIT IN DER MODE IST KEINE PHILANTHROPISCHE AUFGABE“ Eva Kruse ist Mrs. Nachhaltigkeit. Als Gründerin der Global Fashion Agenda und des Copenhagen Fashion Summits, dem weltweit größten Nachhaltigkeitsforum für Mode, hat sie einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, das Thema auf die internationale Agenda zu setzen. Sie war jedoch in ihrem Ansatz nie dogmatisch und setzt sich genauso leidenschaftlich für Kreativität und Schönheit wie für Umwelt, Klima und Menschenrechte in der Mode ein. Interview: Martina Müllner-Seybold. Fotos: Copenhagen Fashion Summit
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ann war der Moment, in dem Sie erkannten, dass sich das aktuelle System in der Mode ändern muss? Nun, diese Erkenntnis reifte im Laufe der Jahre allmählich – 2005 und 2006, würde ich sagen. Im Jahr 2006 wurde Al Gores „Inconvenient Truth“ veröffentlicht, das hat mich gepackt und nach und nach entwickelte ich ein erhöhtes Bewusstsein für Klima, unseren Planeten und seine Ressourcen. Ein bisschen liegt das in meiner Erziehung: Meine Eltern haben mich immer ermutigt, in einem größeren Kontext über soziale und ökologische Fragen nachzudenken, auch wenn sie mich nicht direkt betroffen haben. Ich fing also an, mit verschiedenen Menschen in der Modebranche über deren Auswirkungen zu sprechen, womit ich viele Marken sehr überfordert habe. Denn sie selbst hatten noch kaum Einblick, wie sehr die Modeindustrie zur Umweltverschmutzung beiträgt. Damals sorgte bestenfalls Kinderarbeit für ein paar Schlagzeilen, aber jenseits dieser Thematik hatte niemand ein klares Bild von den Auswirkungen unserer Branche. Als wir anfingen, tiefer zu schürfen und Stück für Stück mehr herausfanden, war ich von den enormen Auswirkungen wie gelähmt. Die Modeindustrie ist eines der größten Industriesegmente der Welt – und eines der ressourcenintensivsten. Es heißt, der zweitgrößte Umweltverschmutzer … Das ist nicht ganz richtig. Es hängt davon ab, wie Sie es betrachten. Unbestreitbar hat die Mode erhebliche Auswirkungen auf die natürlichen Ressourcen, nicht zuletzt auf Wasser, und durch Chemikalien, Industrieanlagen und CO2-Emissionen. Die Modeindustrie ist für vier Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Ein erheblicher Betrag! Wie weit sind wir auf dem Weg zu einer nachhaltigen Modebranche? Quer durch die Branche kann man sagen, dass Marken und Handelsformate auf dem Weg sind. Es sind nur wenige, die schon sehr weit sind, aber mindestens 50 Prozent unserer Branche hat den Weg nachhaltigerer Geschäftspraktiken eingeschlagen. Das bedeutet auch, dass 50 Prozent entweder sich noch gar nicht bewegt haben oder nicht weit genug gekommen sind. Das ist ein
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„50 Prozent der Modebranche haben sich auf den Weg gemacht, was Nachhaltigkeit betrifft“, sagt Eva Kruse, Gründerin der Global Fashion Agenda und des Copenhagen Fashion Summits. Für die anderen 50 Prozent seien jetzt Politik und Gesetzgebung gefragt, Druck aufzubauen. „Sonst werden wir unsere Klimaziele niemals schaffen.“
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erstaunlich hoher Prozentsatz. Also haben wir noch viel Arbeit vor uns. Dennoch blicken Sie sehr optimistisch in die Zukunft. Ja, weil es im Moment gerade so viel Innovation gibt. Die Zahl der Lösungsanbieter, die mit ihren Tools bei der Optimierung und Minimierung helfen, steigt enorm. Das zeigt die Innovationskraft und den Erfindungsreichtum unserer Branche. Genau das macht die Schönheit der Mode aus – ihre Fähigkeit zur Innovationen. Nachhaltigkeit in der Mode ist nicht nur eine philanthropische Aufgabe. Es geht nicht nur darum, Gutes zu tun. Es geht darum, Ihrem Unternehmen Gutes zu tun. Denn alles, was die Überproduktion minimieren, den Einsatz natürlicher Ressourcen wie Stoffe, Wasser und sogar Chemikalien minimieren oder Ihr Geschäftsmodell optimieren kann, verbessert Ihr Unternehmen als Ganzes. Das haben die Führungskräfte in der Mode verstanden und daher blicke ich sehr positiv in die Zukunft. Hat die Pandemie den Übergang zur Nachhaltigkeit beschleunigt? Zu Beginn haben wir uns ein bisschen panisch gefragt: Oh mein Gott! Was bedeutet das jetzt für die Nachhaltigkeitsinitiativen? Denn nachhaltiger zu sein, erfordert von einem Unternehmen zusätzliche Anstrengungen. Es kostet Geld und bindet in ihrem Team auch Ressourcen, es erfordert Zeit und Investitionen. Was also würde bleiben, wenn die Branche jetzt unter wirtschaftlichen Druck gerät, fragten wir uns. Aber im Verlauf der Pandemie war klar zu erkennen, dass sie bei uns als Verbraucher und Bürger ein Bewusstsein schafft. Dass sie uns nachdenken lässt, was uns wirklich wichtig ist. In meinem gesamten Netzwerk auf der ganzen Welt war das die Frage, die uns alle bewegte. Wir haben alle darüber nachgedacht, worauf es wirklich ankommt. Das hat den Fokus auf Nachhaltigkeit nur noch erhöht. Natürlich ist aufgrund der Pandemie in vielen Unternehmen der wirtschaftliche Druck gestiegen, aber dennoch hat für einige Nachhaltigkeit unverändert oberste Priorität. Was ich sehr ermutigend finde. Stimmen Sie zu, dass Nachhaltigkeit, insbesondere im Luxussegment, in naher Zukunft Standard werden muss? Können Sie sich vorstellen, dass in fünf bis zehn Jahren noch Luxusgüter, die nicht nachhaltig sind, verkauft werden können? Nein, denn es beginnt damit, dass Luxusmode an sich einen nachhaltigeren Kern hat. Die Qualität ist besser, die Produkte halten länger, und sie haben größeres Wiederverkaufspotenzial. Viele Verbraucher wägen sorgfältiger ab, wenn sie etwas kaufen, das mehr kostet, besonders wenn sie dafür sparen müssen und den Kauf länger planen. Daher hat Luxusmode für mich generell einen anderen Wert, Slow Fashion ist zweifellos ein Teil des Nachhaltigkeitsbildes. Ich würde davon ausgehen, dass Luxuskunden, die Tausende von Euro für ein Kleidungsstück bezahlen, nicht nur erwarten, dass diese Marken bessere Produkte herstellen, sondern auch dass jede Hand, die in den Prozess involviert war, profitiert – sogar der Landwirt und die Produktionsarbeiter. Luxuskunden erwarten, dass sich die Marken entlang der gesamten Wertschöpfungskette um die Menschen kümmern. Wenn Sie die Macht hätten, einen Aspekt des aktuellen, komplexen Wirtschaftssystems der Mode nachhaltiger zu gestalten, welcher wäre es? Am schwierigsten zu ändern ist wahrscheinlich das kapitalistische System. Bitte nicht falsch verstehen, ich bin nicht gegen den freien Markt, aber dass unser gesamtes gesellschaftliches und wirtschaftliches Erfolgsverständnis auf Wachstum gründet, halte ich für sehr bedenklich. In Bezug auf die Bevölkerung sind wir bereits zu stark gewachsen. Was unseren Konsum betrifft, müssen 094
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wir unser Wachstumsprinzip überdenken. Aber das ist natürlich leichter gesagt als getan. Selbst wenn ein paar Leute zu konsumieren oder zu produzieren aufhören, werden andere versuchen, diesen Marktanteil zu erobern und mit noch billigeren Waren von noch minderer Qualität ihr Wachstum zu realisieren. Aber ich weiß, welche Mammutaufgabe es ist, diese allem zu Grunde liegende Idee des Wachstums zu verändern – denn sogar der Erfolg eines Staates wird in seinem BIP-Wachstum gemessen. Wachstum ist allgegenwärtig, auch in unserer Sprache. Alles, was wir tun, basiert auf einem Wachstumsnarrativ, das zementiert die Idee, dass Wachstum das einzige Mittel ist, um erfolgreich zu sein. Ich würde diese hypothetische Macht also darauf verwenden, genau das zu ändern – auch wenn ich nicht einmal sicher bin, wie ein alternatives Modell aussehen kann. Aber klar ist, dass es ein Modell sein müsste, das innerhalb der Grenzen arbeitet, die unser Planet nun mal hat. Was nur auf globaler Ebene gelöst werden kann, richtig? Ja, aber das ist der schwierigste Aspekt. Nehmen wir zum Beispiel die Gesellschaft in Schwellenländern. Was sollen wir den Menschen in diesen Ländern sagen, die gerade ihren Status als Entwicklungsland hinter sich gebracht haben und nun voll Enthusiasmus ihre Mittelschicht aufbauen? Natürlich wollen diese Gesellschaftsschichten jetzt einmal so konsumieren, wie wir es die letzten zehn Jahre getan haben. Sie wollen die gleichen Vorteile genießen und Erfahrungen machen. Wir können ihnen das nicht untersagen. Doch in gewisser Weise müssen wir das – aber das setzt voraus, dass wir uns alle ändern. Es wird uns allen etwas abverlangt. Wir haben nicht gelernt, zwischen Greenwashing und echter Nachhaltigkeit zu unterscheiden. Wer kann uns Orientierung geben? Eine Lösung à la one size fits all ist in der Frage der Nachhaltigkeit fast unmöglich. Zum Beispiel klingt für viele das Konzept der Biobaumwolle zunächst schlüssig, besonders in jenen Ländern, in denen Biolebensmittel schon lange zum Alltag gehören. Im Fall von Biobaumwolle bleibt der Ressourceneinsatz genauso hoch. Das einzig nachhaltige ist vielleicht der geringere Einsatz von Pestiziden. Aber die Baumwolle wächst unverändert flächenintensiv und benötigt diese riesige Menge Wasser. Aber welcher Kunde hat jedes Mal, wenn er ein Kleidungsstück aus Biobaumwolle kauft, die Zeit, um alle diese Informationen abzuwägen? Ein weiteres Beispiel für die Komplexität der Nachhaltigkeitsfrage ist Polyester. Ein leicht recycelbares Material, das in der Regel sortenrein verarbeitet wird und daher auch sehr ressourcenschonend recycelt werden kann, aber es bleibt Polyester. Ist es recycelt, hat es eine gute Seite. Die negative Seite aber, dass es etwas Synthetisches ist, das Flüsse und Ozeane mit Mikroplastik verschmutzt, bleibt. Diese beiden Beispiele zeigen, dass es verständlicherweise für Journalisten schwierig ist, Empfehlungen auszusprechen, und für Konsumenten, in diesem Dicklicht sich zu orientieren. Also bleiben nur Zertifikate und Stellen, die das professionell bewerten? Einer unserer strategischen Partner, die Sustainable Apparel Coalition und ihre Mitgliedsorganisationen, bieten eine Bewertung nach Punkten, die die soziale und ökologische Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens oder Produkts genau messen und bewerten kann. Sie stehen knapp davor, ein neues Tool dafür zu präsentieren, das in der Lage sein soll, beim Kauf eine klare Orientierung zu bieten. Der Grund, warum die Entwicklung neun Jahre gedauert hat, ist, dass es äußerst diffizil ist, die sozialen und ökologischen Aspekte eines Produkts zu
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sezieren und nach ihren sozialen und umwelttechnischen Aspekten zu bewerten. Die Umweltseite ist definitiv messbarer. Aber wie erfasst man die soziale Komponente genau? Ich bin überzeugt, dass diese neue Scorecard von SAC ein wichtiges Zeichen ist und einen großen Impact haben wird. Denn die Sustainable Apparel Coalition repräsentiert fast 40 Prozent der globalen Schuh- und Bekleidungsindustrie. Also einen ziemlich großen Teil der Branche. Wenn sie sich durchsetzt, wird es für uns viel einfacher sein, nachhaltig hergestellte Produkte zu erkennen und zu kaufen. Mit anderen Worten: Transparenz ist von grundlegender Bedeutung? Ja, Transparenz steht auf Seite eins des Lehrbuchs der Nachhaltigkeit. Transparenz und Rückverfolgbarkeit sind entscheidend. Als ich mich 2005 auf meine Reise begab, waren das die beiden Teile des Puzzles, die fehlten. Allerdings nicht, weil die Unternehmen nicht bereit gewesen wären, Informationen, wie ihre Produkte hergestellt wurden, offenzulegen. In vielen Fällen wussten sie schlicht nicht, wo und wie ihre Produkte produziert wurden. Das war durch die Struktur bedingt, dass viele Marken und Handelsformate bis heute über Agenten produzieren. Gerade kleinen und mittleren Unternehmen fehlte über den Agent hinaus komplett die Information. Und selbst wenn sie wussten, in welchen Fabriken ihre Aufträge landeten, dann hatten sie häufig keine Ahnung, woher die Knöpfe kamen oder woher die Sohlen der Sneaker bezogen wurden. Da Verbraucher mehr Transparenz und Rückverfolgbarkeit fordern, brauchte die Industrie jetzt endlich Antworten. Ob Chips, RFID, QR-Codes oder Bitcoin, wir werden Tools sehen, die dem Verbraucher Klarheit geben, wo und wie die Produkte hergestellt wurden. Diese Informationen werden auch in Bezug auf AfterSales und Recycling helfen. Ja, es ist dringend geboten, dass unsere Mülldeponien nicht weiter so rasant – um jährlich bis zu 70 Prozent – anwachsen und dass die meisten Dinge, die dort landen, nicht recycelt werden. Wir brauchen ein zirkuläres Ressourcenmanagementsystem. Es ist wichtig, mit Politikern und politischen Entscheidungsträgern zusammenzuarbeiten, damit wir dieses Thema auf die höchste Agenda heben. Ist die Politik nicht auch gefragt, unsere Märkte vor dieser Flut von billigem Mist zu schützen? Die EU ist einer der größten Märkte der Welt, nachhaltige Spielregeln zu definieren, welche Waren auf unseren Markt dürfen, wäre gar nicht so schwierig. Wenn wir mit einem Augenzwinkern Strafzölle auf Artikel wie Denim aus US-Produktion etablieren können, warum dann nicht auch auf Produkte, von denen wir wissen, dass sie die Natur, Ressourcen und Menschen ausbeuten? Auf jeden Fall brauchen wir die Politiker, um die Regeln für unser Spielfeld zu definieren. Ich habe vorhin erwähnt, dass sich 50 Prozent der Branche auf die Nachhaltigkeitsreise gemacht hat, während sich die anderen 50 Prozent überhaupt nicht bewegen. Um das zu ändern, braucht es Druck vom Gesetzgeber – egal ob über den Wasserpreis, Vorschriften bei Chemikalien oder andere Regelungen. Ich gehe sogar noch weiter und finde, man sollte die Politik auffordern, sich stärker in die Preisgestaltung einzubringen. Man könnte zum Beispiel den Mindestpreis eines Produkts bestimmen. Ich weiß, dass ich mich jetzt auf wirklich dünnem Eis bewege, weil wir einen freien Markt haben, der es im Grunde erlaubt, zu verlangen, was man will. Aber je tiefer die Preise gedrückt werden, desto weniger Respekt haben die Verbraucher vor dem Produkt. Wenn wir weiterhin glauben, 096
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„Transparenz steht auf Seite Eins des Lehrbuchs der Nachhaltigkeit.“ billige Produkte wären legitim, sollten wir das gesamte System unter die Lupe nehmen. Wir sollten darüber sprechen, warum Geschäftsmodelle, die bewusst auf Überproduktion und eine anschließende Entwertungslogik setzen, immer noch so hoch profitabel sein können. Dieses Prinzip ist für die gesamte Branche ungesund. Das müssen wir auf EU-Ebene klären. Wir sollten definieren, wie oft im Jahr es Sale geben darf. Was sagen all diese Mid-Season- und sonstigen Sales dem Verbraucher über den Wert des Produkts? Welcher Gewöhnungseffekt tritt durch diese konstante Sale-Politik ein? Denn im Grunde sagt dieser Dauersale, dass Sie das Produkt, das Sie gerade gekauft haben, nicht wertschätzen müssen. In diesem Punkt brauchen wir die Unterstützung der Politik, auch im Zeitalter des Freihandels. Denn wenn sie in diesem Punkt nicht helfen kann, dann werden wir auch keine CO2-Reduktionsziele erreichen. Sollten wir also der Fast Fashion abschwören und neue Regeln für die Modebranche schreiben? Ob wir wirklich 52 Kollektionen pro Jahr brauchen, ist definitiv Teil der Diskussion. Wir müssen uns fragen, ob wir wieder realistischer werden können. Während der Pandemie hat Dries van Noten diesen fantastischen Dialog begonnen, wie viele Kollektionen pro Jahr wir benötigen und wann wir in den Sale gehen sollten. Dieser Blödsinn, im April eine Prekollektion zu liefern, die bedeutet, dass vorher gelieferte Trends exakt dann, wenn sie eigentlich gerade auf ihrem modischen Peak wären, plötzlich überholt sind und herabgesetzt werden müssen. Ein wirklich ungesundes System. Was H&M und andere Fast-Fashion-Anbieter betrifft, bin ich der Meinung, dass wir Mode für jeden Geldbeutel brauchen. Die Mehrheit der Menschen, selbst in Europa, hat für teure Luxusgüter nicht das Geld. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass demokratische Mode wichtig ist. Sie muss lediglich verbessert werden, und der Preis muss alle externen Kosten widerspiegeln. Spiegelt ein T-Shirt für einen oder zwei Euro die Kosten für den verschmutzten Fluss, den beschädigten Wald oder die Person, die das Produkt hergestellt hat, wider? Nein. Wir brauchen also Preise, in die diese Aspekte einfließen. Ein T-Shirt würde wahrscheinlich dann wahrscheinlich zehn oder 15 Euro kosten, was immer noch im Rahmen ist. Das Ziel ist also ein Modesystem, in dem sich alle Menschen Kleidung leisten können und Teil der Gesundung der Branche sind, während sie toll aussehen und die Mode genießen. Wie sehen Sie digitale Mode? Glauben Sie, dass sie zur Lösung einiger Nachhaltigkeitsprobleme beitragen kann? Ich finde das ein bisschen abgefahren. Rein digitale Mode würde für mich persönlich nie funktionieren. Es erstaunt mich aber, zu sehen, was in unserer Zeit funktioniert, wie neue Generationen oft intensiver in der digitalen als in der realen Welt leben. Daher bin ich sicher, dass digitale Mode funktionieren wird, denn sie bringt wieder Spaß und Kreativität in die Mode. Und selbstverständlich spart es Ressourcen, wenn wir ein Gucci-Outfit nur als digitales Abbild mieten, um uns darin auf Insta gram zu zeigen. Ich habe ein wenig Angst davor, dass wir eines Tages vielleicht digitaler als physischer sein werden. Der Gedanke, wie unsere Welt wohl sein wird, wenn wir uns nicht von Zeit zu Zeit in die Augen schauen, beunruhigt mich ein bisschen.
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Lange konnte die Modebranche im Unklaren lassen, wie umweltfreundlich und sozial verträglich produziert wurde. Heute reichen die gängigen Markenversprechen nicht mehr. Auf Konsumentenseite wächst der Wunsch nach Transparenz und mehr Ehrlichkeit. Wie kann diese Ehrlichkeit aussehen und welche Herausforderungen folgern wir daraus für die Produktionskette? Kann Transparenz vom Wettbewerbsvorsprung zum Taktgeber werden? Branchen akteure beziehen Stellung. Text: Nicoletta Schaper. Fotos: Ansprechpartner
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TRANSPARENZ IST EINE CHANCE
Dirk Nienaber, Geschäftsführer Marlino Group „Mehr Transparenz ist absolut nötig und auch möglich. Wer mit Nachdruck, Überzeugung und Enthusiasmus die einzelnen Prozesse in der Supply Chain offenlegen will, schafft das auch. Bestimmte Audits, Zertifizierungen und Initiativen wie Grüner Knopf und Lieferkettengesetz sind Ansätze, um Marken wie Filialisten in die Pflicht zu nehmen. Das Problem sind die großen, billigen Player, weil sie bei ihrer Preispolitik nicht in der Lage sind, sich zu committen und bei Offenlegung herauskommen würde, in welchen unsozialen und nicht nachhaltigen Fabriken sie produzieren. Denn nur dort sind die niedrigen Preise möglich. Transparenz ist wohl auch eine Frage der Mentalität. Wir befürchten immer, dass uns wer den Wettbewerbsvorteil nimmt, wenn wir zu offen sind. Aber Transparenz ist keine Gefahr, sondern die Chance, die Marktmechanismen zu drehen. Daran arbeiten wir aktiv seit mehreren Jahren, so fertigen wir heute zu 80 Prozent in Europa und nur noch zu 20 Prozent in Fernost, statt wie früher umgekehrt. Ich sage ganz selbstkritisch: Wir sind noch nicht nachhaltig genug, aber wir sind ununterbrochen damit beschäftigt, alle Prozesse zu verbessern. Letzten Endes geben Transparenz und Ehrlichkeit dem Verbraucher die Entscheidungsfreiheit über die Auswirkungen seines Kaufes, der nicht mehr auf dem Preis basiert, sondern die Produktleistung und Herstellung mit einbezieht.“
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Martin Höfeler, CEO Armedangels „Als Marke ist es unser Job, dass uns der Kunde voll und ganz vertrauen kann. Erste Voraussetzung ist interne Transparenz. Die meisten Unternehmen wissen überhaupt nicht, wer alles an der Lieferkette beteiligt ist, wer das Rohmaterial oder das Garn fertigt. Wir kennen jeden Schritt der Kette genau und arbeiten nur mit zertifizierten Betrieben, was uns selbst Kontrolle und Sicherheit gibt. Und wahre Transparenz erreichen wir letztendlich durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Diese interne Transparenz geben wir weiter. Zu jedem unserer Produkte können wir Hersteller, die Zertifikate und vor allem Einsparungen an beispielsweise Wasser und giftigen Chemikalien gegenüber Standardprodukten veröffentlichen. Es ist für den Kunden fast unmöglich, alles zu überprüfen und im Dschungel der Zertifikate den Überblick zu behalten. Umso mehr soll er sich auf uns verlassen können und wissen, dass alles, was wir tun, zu 100 Prozent nachhaltig und fair ist. Wir arbeiten stetig daran, diesem Vertrauen, das er in uns setzt, gerecht zu werden.“
WIR MÜSSEN DIE STORY ERZÄHLEN
Anja Buchcik, Sustainability Manager Organic Basics „Launchen wir ein Produkt, erläutern wir dazu, wie produziert wird und woraus es besteht, sei es unsere Biobaumwolle oder recyceltes Cashmere. Je genauer wir die Story erzählen, etwa in unserem Onlineshop, desto größer ist die Bereitschaft, dafür mehr zu zahlen. Transparenz zahlt sich für uns aus und wir achten darauf, dass auch unsere Produktionspartner zertifiziert sind, etwa mit dem GOTS Siegel und SA8000. Die Glaubwürdigkeit einer Marke wächst, wenn sie eine ethisch korrekte und umweltfreundliche Fertigung zu ihren Grundfesten erklärt hat. Wir hinterfragen unser Tun täglich, auch, wie viel Emissionen jeder Schritt erzeugt. So lernen wir jeden Tag dazu.“
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BEWUSSTSEINSWANDEL
Christian Klemp, Geschäftsführer Modehaus Zinser „Wir haben dem Thema in unseren Geschäften mit der Kampagne Love my Planet einen Namen gegeben. Der Bedarf wächst spürbar, vor allem in der jungen Generation spüre ich einen Bewusstseinswandel. Doch die Zusammenhänge sind komplex und es ist nicht klar ersichtlich, wofür welche Marke steht und was die Zertifizierungen bedeuten. Im vergangenen Herbst haben wir die Kommunikation gestartet, über entsprechende Corners in den Geschäften, Displays, Hangtag-Informationen und über unsere Mitarbeiter, die für unsere Kunden nach wie vor die Instanz für Orientierung sind. Für mich wird Transparenz zu einem Megathema, und nur derjenige wird künftig Erfolg haben, der sich damit auseinandersetzt.“
DIE INITIATIVE MUSS GLAUBWÜRDIG SEIN Matthias Mey, Geschäftsführer Mey
Matthias, wird künftig Transparenz ein Wettbewerbsvorteil und Wirtschaftsfaktor sein? Es könnte ein Wettbewerbsvorteil sein, allerdings eher in der Nische. Bioprodukte nehmen im Foodbereich immer noch nur fünf Prozent ein, in der Bekleidung liegt der Anteil noch unter einem Prozent. Echte Nachhaltigkeit und Transparenz kosten mehr Geld, sodass ein Konsument bereit sein muss, auch mehr zu zahlen. Von Transparenz als Wirtschaftsfaktor sind wir noch weit entfernt. Einige Mey Produkte sind mit dem Siegel Grüner Knopf zertifiziert. Ja, als eins der nachhaltigsten Modeunternehmen Deutschlands gehen wir den Weg mit. Allerdings sind die Regeln der meisten Zertifizierungen für mich nicht durchgängig schlüssig und für den Konsumenten kaum durchschaubar. So kann beispielsweise ein günstiges Produkt, in Bangladesch zum dortigen Mindestlohn gefertigt, dennoch das GOTS Siegel erhalten. Für mich liegt echte Nachhaltigkeit darin, nicht nur die Umwelt, sondern auch die Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen. Was tut Mey in Sachen Transparenz? Wir sind im Prozess, unser Packaging zu relaunchen und wollen künftig über QR-Codes mehr Infos zur Produktion liefern. Aktuell beschäftigen wir uns mit der Neutralisierung unserer CO2-Bilanz, wobei die Initiative zu uns passen muss. Das kann zum Beispiel die Förderung der Bodenregeneration einer regionalen nachhaltigen Demeter-Landwirtschaft sein, damit der Boden mehr CO2 absorbiert. Das schaffen wir aus dem Stand heraus noch nicht in großen Mengen, aber es ist in unserer Region und ich kenne den Bauern. Das ist unser Weg in Richtung mehr Nachhaltigkeit und Transparenz, der uns auch glaubwürdig macht.
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SENSIBLE DATEN
Henriette Pieszak, CEO Tomorrow Denim „Die Zukunft der Mode ist die Nachhaltigkeit, die ohne Transparenz und Nachvollziehbarkeit nicht möglich ist. Deshalb ist Transparenz gleichbedeutend mit wirtschaftlichem Wert und Wachstum. Als eine durch das Nordic Swan Ecolabel und das EU-Umweltzeichen zertifizierte Marke ist es obligatorisch, dass unsere Lieferkette und Produkte hundertprozentig rückverfolgbar sind. Der Zugang zu qualitativ hochwertigen Daten führt zu besseren Entscheidungen und Rechenschaftspflicht. Aus unserer Perspektive kann die hundertprozentige Transparenz jedoch auch eine gewisse Herausforderung darstellen, da all die harte Arbeit, die wir in der Lieferkette geleistet haben, auch unsere Alleinstellungsmerkmale und damit Informationen sind, die wir als zu sensibel empfinden könnten, um sie zu teilen.“
GREENWASHING UND INTRANSPARENZ
Gerhard Flatz, Managing Director KTC Group „Kurz und prägnant gesagt, interessiert es die meisten Akteure überhaupt nicht, fair und umweltbewusst zu produzieren, und jeder ruht sich darauf aus, dass es der andere nicht besser macht. Worin die meisten Unternehmen momentan aktiv werden, ist bestenfalls Greenwa shing. CSR ist für die meisten CEOs immer noch ein Fremdwort; mir persönlich ist jedenfalls noch kein CEO über den Weg gelaufen, der die CSR-Agenda aktiv vorantreibt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die ganze Branche total intransparent und Vertrauen untereinander wie von Konsumentenseite kann erst entstehen, wenn die Branche transparent wird.“
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PIN 1876
TRANSPARENZ IST ALLES
PIN 1876, der Schalhersteller aus dem Hause Botto Giuseppe, ist das Beispiel für perfektes Zusammenspiel von Made in Italy, transparenten Produktionsketten, Nachhaltigkeit und innovativem Denken. Ein Interview mit Managing Director Alberto Zia. Interview: Janaina Engelmann-Brothánek. Fotos: PIN 1876 by Botto Giuseppe
Managing Director Alberto Zia findet, Nachhaltigkeit sei das natürlichste der Welt. Die Marke PIN 1876 und ihr Mutterunternehmen arbeiten seit 150 Jahren so.
Alberto, PIN 1876 by Botto Giuseppe ist ein relativ junges Unternehmen mit stark etablierten Werten: 100 Prozent made in Italy, kontrollierte Produktionsketten, Nachhaltigkeit und höchste Qualität. Hat es sich gelohnt, von Anfang an die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben? Für uns sind die genannten Werte eine Selbstverständlichkeit, sie sind schon immer Teil unserer DNA gewesen. Das Lanificio Botto Giuseppe, zu dem unser Unternehmen gehört, ist fast 150 Jahre alt. Das Lanificio war die erste Fabrik des Dorfes, rundherum siedelten sich unsere Arbeiter an und somit war klar, dass man das Wasser des Flusses nicht verschmutzen durfte. Jedoch ist Nachhaltigkeit für uns nicht nur Umweltschutz. Bei PIN 1876 sind die Menschen die wichtigste Ressource. Soziale Fairness und Würde der Arbeit sind für uns seit jeher fundamental. Wir leben von dieser engen Verbindung zwischen unserem Unternehmen und den Menschen, die ein Teil davon sind. Nachhaltigkeit darf meiner Meinung nach kein Marketing sein. Und um zur Frage zurückzukommen: Ja, es zahlt sich aus, auch finanziell. Wir steigern unsere Umsätze und insbesondere der deutsche Markt scheint unser Produkt und die Philosophie dahinter verstanden zu haben. Das ist natürlich auch unseren Agenten Joern Meier und Marco Rybinski zu verdanken. Sie haben unsere Werte verinnerlicht und verkaufen das Produkt mit viel Leidenschaft. Ihr könnt jeden Schritt akribisch nachverfolgen, obwohl Cashmere kein italienisches Rohmaterial ist. Wie funktioniert das? Unsere Produktionsketten sind ein vertikal integriertes System. Der einzige Schritt, der nicht in unseren italienischen Produktionsstätten passiert, ist die Beschaffung des Rohmaterials. Alle anderen Schritte werden komplett hier abgewickelt: das Weben, das Färben, das Finishing bis hin zur Entstehung
des Schals. Was das Material angeht, sourcen wir in China, besser gesagt in der Inneren Mongolei. Wir arbeiten mit ausgewählten Farmern, prüfen jedes Jahr vor Ort die Arbeitsbedingungen und die Zucht der Ziegen. Aktuell arbeiten wir mit anderen CashmereProduzenten an einem Projekt, das den Bauern vor Ort helfen soll. Außerdem streben wir ein gemeinsames Siegel an. Was wünscht du dir für die Zukunft der italienischen Modebranche? Ich wünsche mir, dass der Endverbraucher und im speziellen der junge Kunde sich wieder mit der Kultur des Produktes auseinandersetzt. Unsere Kinder müssen verstehen, dass, wenn sie einen Synthetik-Pulli für fünf Euro kaufen, sie sich letzten Endes selbst schaden, weil genau diese Plastikpartikel wieder im Meer landen. Wir müssen ihnen klar machen, wie wertvoll eine natürliche Faser ist. Denn wenn man diese gut behandelt, kann sie immer wieder erneuert werden. Darum geht es: Qualität zu kaufen, um weniger Geld zu verschwenden und weniger zu verschmutzen. style in progress
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GANT
„NACHHALTIGKEIT IST KEIN FELD FÜR WETTBEWERB“
Never stop learning lautet das Credo von Gant. Die Company hat ihre Ziele für mehr Nachhaltigkeit und Transparenz hoch gesteckt. Dafür hat Global Sustainability Director Jessica Cederberg mit ihrem Team eine klare Strategie entwickelt.
Werden Nachhaltigkeit und die Rückverfolgbarkeit der Supply Chain künftig über den Erfolg einer Marke entscheiden? Eindeutig ja, was uns die wachsende Nachfrage sowohl bei B2B als auch von Konsumentenseite bestätigt. Was ich großartig finde! Transparenz ist der Schlüssel, um auch in Zukunft ein profitables Modeunternehmen zu sein. Vage Versprechen reichen nicht mehr und wir als Marke wollen dafür Sorge tragen, dass die Schritte der Supply Chain vom Rohmaterial über faire Arbeit in den Fabriken bis zum Kunden hin nachvollziehbar sind. Klingt nach einer komplexen Aufgabe. Sicher, und man muss bei jedem Schritt ansetzen. Aber sie zu lösen, ist nicht unmöglich. Unsere wichtigste Erkenntnis: Es braucht vor allem echte Partner in der Kette, die nur in enger Zusammenarbeit funktioniert. Den Weg zur Nachhaltigkeit geht man nicht allein und ebenso wenig ist Nachhaltigkeit ein Feld für Wettbewerb. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt? In unserer Anfang 2020 veröffentlichten Strategie haben wir zum Beispiel festgehalten, dass unsere Baumwolle bis 2022 zu 100 Prozent aus rückverfolgbaren, nachhaltigen Quellen stammen soll. Bis 2025 wollen wir sicherstellen, dass all unsere Hauptmaterialien zu 100 Prozent nachhaltig bezogen werden. Heute liegt der Anteil bei 55 Prozent. Hinzu kommt der soziale und ethische Aspekt, für den wir ein Social-Compliance-Programm bis 2023 verfolgen. Alle Zulieferer müssen die Richtlinien einhalten, ebenso wie die Produktionsbetriebe, was wir auch durch unabhängige Dritte überprüfen lassen. Wir sind außerdem Teil verschiedener Mitgliedsprogramme und Initiativen wie die Better Cotton Initiative und der Charta für Klimaschutz der Modebranche, um nur zwei Beispiele zu nennen. Insgesamt ist eine offene Unternehmenskultur in unserer Markentradition fest verankert, die bis zum Konsumenten reichen soll, sei es über die Website oder Social Media sowie auch über Hangtags, die Aufschluss über die Materialien geben. Für mehr Traceability werden nicht nur wir bei Gant in digitale Tools investieren. Weil für mich klar ist, dass die Verantwortung nicht beim Konsumenten, sondern bei uns als Unternehmen beginnt. Heißt das auch, dass das nachhaltige und rückverfolgbare Produkt mehr kostet? Wir haben die Preise für die Konsumenten im Großen und Ganzen nicht erhöht, als wir auf nachhaltigere Materialien und Transparenz umgestiegen sind. Das war uns möglich, weil wir auf eine klare Art und Weise und in enger Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten und externen Drittpartei-Partnern stehen. Und wenn doch, so zahlt sich das Produkt in noch besserer Qualität aus. Ein Shirt aus hochwertiger Baumwolle ist langlebig und kann über 300 mal gewaschen werden. Genau da fängt Nachhaltigkeit an. 102
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Global Sustainability Director Jessica Cederberg: „Nachhaltigkeit ist ein Lernprozess, der niemals endet. Das ist spannend und eröffnet uns viele Möglichkeiten.“
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MEINDL AUTHENTIC LUXURY
„TRANSPARENZ HEISST FÜR MICH VERTRAUEN“
Markus Meindl hat mit seiner AuthenticLuxury-Kollektion Icons geschaffen, die im urbanen Umfeld genauso funktionieren wie in einer alpinen Umgebung. Ob Bikerjacke aus Hirschleder, eine lange Lederhose in coolem Five-Pocket-Schnitt oder Röcke und Kleider für Damen. Die Meindl-Produkte haben mit ihrer sämischen oder vegetabilen Gärbung einen entscheidenden Vorteil: Sie sind schadstofffrei. Text: Martina Müllner-Seybold. Fotos: Meindl
Markus Meindl erzählt die Marke mit seinen eigenen Worten, ist er doch ihr bestes Rolemodel.
Markus, bei kaum einem Produkt gibt es in der Herstellung so viel richtig oder falsch zu machen wie bei Leder. Gibt es beim Konsumenten ein Bewusstsein dafür? Es beginnt. Zum Beispiel haben viele Konsumenten ein Bewusstsein rund um Chrom. Allerdings ist das oft Halbwissen: Chrom-VI oder Chrom-IV Freiheit ist dann das Nonplusultra, dabei wissen wir heute, dass sich auch Chrom-III unter bestimmten Bedingungen – zum Beispiel Sonneneinstrahlung – in das krebserregende Chrom-VI verwandeln kann. Was ist euer großes Plus? Dass wir die ganze Kette kennen, oft vom Tier und Jäger bis zum fertigen Stück. Da ist nicht nur das Tierwohl garantiert, sondern auch die Gesundheit der Menschen, die unser Leder weiterverarbeiten. Mit einer sämischen Gerbung, wie wir sie anwenden, setzen wir auf Natur pur. Stichwort Nachhaltigkeit. Manche Marken verabschieden sich unter der grünen Flagge ganz von Leder und verwenden Ersatzstoffe dafür. Ich vermute, das wird bei Meindl nie der Fall sein? Genau, weil ich es nicht ansatzweise nachhaltig finde, dass man ein tierisches und damit am Ende seines Lebenszyklus abbaubares Produkt durch Plastik ersetzt und das dann als grün feiert. Uns ist in vielerlei Hinsicht die Verhältnismäßigkeit abhandengekommen. Das beginnt damit, dass Kinder überhaupt nicht mehr wissen, wie die Natur in ihrem eigentlichen Kreislauf funktioniert. Ein Reh oder einen Hirsch unter Einhaltung der geltenden Regeln zu jagen und das Leder danach in ein für Generationen tragbares Produkt zu verwandeln, kommt meiner Idee von Nachhaltigkeit sehr nahe. Ich finde es grotesk, dass wir solche Kreisläufe verteufeln, um dann etwas
Mit zu Icons gewordenen Produkten wie der Daytona Jacket hat Meindl Klassiker geschaffen.
anzuziehen, was synthetisch hergestellt wurde und tausende Transportkilometer hinter sich gebracht hat. Setzt du zur Demonstration deiner kurzen Beschaffungswege und natürlichen Produktionsmethoden auf Sigel oder Zertifikate? Ich setze darauf, dass meine Kunden unserer Marke vertrauen. Dazu müssen wir ganz bestimmt mehr über unsere Produkte erzählen und das, was für uns ganz selbstverständlich ist, erklären. Wer unserer Social-Media-Kommunikation folgt, wird sehen, dass wir das intensiv tun. Wir zeigen Einblicke in alle Produktionsschritte – ungekünstelt und authentisch, wie man sich das von uns erwartet. style in progress
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UM DIE INVESTITION KOMMT KEINER HERUM
Hrishikesh Rajan, Co-Founder und CSO TrusTrace „Es gibt definitiv eine viel höhere Nachfrage von Verbrauchern, Einzelhändlern und Regulierungsbehörden nach mehr Transparenz. Wir haben in den letzten dreieinhalb Jahren TrusTrace einen dramatischen Anstieg dieser Forderungen erlebt. In der Tat verlangen viele Verbraucher nach diesen Daten und die jüngsten Eingaben deuten darauf hin, dass während der Pandemie bis zu zehnmal so oft nach nachhaltigen Produkten gesucht wird. Jeder im Ökosystem muss Anstrengungen unternehmen, um transparenter zu sein. Das bedeutet, dass mehr Geld in Datenerfassung, Audits, Zertifizierungen fließt. Davon ist kein Einzelhändler, keine Marke oder Zulieferer ausgeschlossen. Aber mit der Größenordnung und der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren können diese Kosten drastisch sinken.“
VERANTWORTUNG
Adam El-Zayat Hjorth, Sales & Marketing Director Colorful Standard „Transparenz wird definitiv Auswirkungen haben und den Markt beeinflussen.Ein schnell wachsender Teil der Modeindustrie legt bereits jetzt viel Aufmerksamkeit auf die Nachhaltigkeit. Aber die große Mehrheit des Bekleidungsgeschäfts wird immer noch von der traditionellen Produktion angetrieben, die nicht sehr verantwortungsbewusst ist. Zum Beispiel macht Biobaumwolle nur ein bis zwei Prozent der weltweiten Baumwollproduktion aus. Und das, obwohl bekannt ist, dass die konventionelle Baumwollproduktion eine echte Bedrohung für den Planeten darstellt. Deshalb arbeiten wir nur mit Biobaumwolle und produzieren in Portugal in einer eigenen Fabrik, wo wir jeden Mitarbeiter kennen. Kunden sind immer willkommen, um sich die Anlagen anzusehen.“
TRANSPARENZ IST AUCH IN DER HIGH FASHION ALTERNATIVLOS
Florian Braun, Geschäftsführer Unger „Ist es den Konsumenten im Luxussegment egal, wie Mode produziert wird? Für die Kunden von Unger und Uzwei kann ich ganz klar mit Nein antworten. Nachhaltigkeit ist kein Trend, viel mehr ein Lifestyle, mit dem wir uns als Händler mitbewegen. Es ist kein Zufall, dass wir mit Stella McCartney über einen Shop-in-Shop eng zusammenarbeiten, die zu 90 Prozent auf Leder verzichtet, oder dass wir jährlich 500 Paar Veja Sneaker verkaufen. Seit zwei Jahren fragt uns auch niemand mehr nach einem Zobel, für mich ist das sowieso ein Relikt der 1980er-Jahre. Wir sind nicht dogmatisch, aber für ein Luxushaus fortschrittlich und wollen Nachhaltigkeit auf spielerische Weise mit Storytelling transparent machen. Es gibt keine Alternative zu Transparenz und künftig wird es nicht mehr möglich sein, sich irgendwie intransparent durchzuschummeln. Auch nicht in der High Fashion.“ 104
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TRANSPARENZ IST KEIN MARKETING Marco Lanowy, geschäftsführender Gesellschafter Alberto
Lange konnte die Branche unklar lassen, was und wie produziert wird. Doch mehr und mehr fordern Konsumenten mehr Transparenz ein. Transparenz ist für mich kein Marketing. Wer uns fragt, wo und wie wir produzieren, bekommt eine hundert Prozent ehrliche Antwort. Wir haben in unserem Store eine Befragung gestartet, unter anderem darüber, wie wichtig Nachhaltigkeit und Transparenz sind. Mit dem Ergebnis, dass es unseren Kunden allem voran wichtig ist, dass wir in Betrieben mit fairen Arbeitsbedingungen fertigen. Das gewährleisten die Produzenten, die als passive Lohnveredler für uns arbeiten. Darüber hinaus haben wir sie auch BCI zertifizieren lassen, wovon sie ebenso profitieren wie auch andere Marken, die dort fertigen. Was könnte die Kehrseite der Medaille sein? Die Zusammenarbeit mit den Produzenten basiert auf Vertrauen. Würden zum Beispiel große Händler auf die Produzenten zugehen, um mit unseren Passformen und Materialien das gleiche Produkt deutlich günstiger zu produzieren, würde ich durchaus ein Fragezeichen dahintersetzen. Das Produkt landet dann im Preisdumping, was nicht nur uns, sondern auch dem Produzenten schadet. Für mich bedeutet Transparenz in erster Linie, offen, ehrlich und aufklärend zum Kunden hin zu kommunizieren. Da stehen wir in der Pflicht.
Wenn wir etwas ganz nahe an uns heranlassen, um uns zu wärmen und zu berßhren, wollen wir genau wissen, woher es kommt und woraus es gemacht ist. steiner1888.com
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LENZING GROUP
„MARKEN KÖNNEN DURCH TRANSPARENZ NUR GEWINNEN“
Als weltweiter Marktführer für nachhaltige, holzbasierte Zellulosefasern nimmt die Lenzing Group Fahrt auf, diese Nachhaltigkeit auch offenzulegen. Im Gespräch erklärt Florian Heubrandner, Vice President Global Business Management Textiles, wie Transparenz über die Supply Chain gewährleistet werden kann – bis hin zum Verbraucher. Foto: Lenzing Group
Lange waren Ökobilanz und sozialverträgliche Produktion Randthemen im Modebusiness. Wächst der Wunsch der Konsumenten nach mehr Ehrlichkeit? Ja, wir spüren diese Forderung deutlich, was uns eine Inhouse-Studie mit über 9.000 Konsumenten weltweit bestätigt hat. Und sie kommt auch verstärkt von den Brands. Wer sich Sustainability auf die Fahne geschrieben hat, muss beim Material anfangen und auch dessen Rückverfolgbarkeit sicherstellen. Wie begegnen Sie diesem Anspruch konkret? Zum einen über physische Tracer in den Fasern, um nachvollziehbar zu machen, ob sie wirklich von Lenzing stammen. Zum anderen arbeiten wir mit Blockchain-Technologie und haben im Herbst ein Pilotprojekt mit einigen Brands gestartet. Für jedes Kilo Faser imitieren wir auf digitaler Ebene eine Fibre-Coin, einen digitalen Zwilling, der zum Spinner mitgeschickt wird, der sie wiederum an den Weber weiterschickt und so fort, bis hin zu den Brands. Auf diese Weise können sie nachvollziehen, wie viel Prozent Lyocell im Produkt steckt und welche Route die Supply Chain genommen hat. Im November sind wir damit live gegangen, mit durchweg positivem Feedback, allen voran von den nachhaltigen ValueChain-Teilnehmern. Wir glauben aber, dass auch die große Mehrheit der Marken durch Transparenz nur gewinnen kann. Gerade sind wir im Prozess, entsprechende Überzeugungsarbeit mit Webinaren zu leisten. Wie kann die Transparenz bis hin zum Konsumenten gelangen? Zum Beispiel mittels QR Code auf dem Hangtag. So können Brands etwa kommunizieren, dass sie auf eine regionalere Lieferkette setzen. Es wird interessant sein, ob die Marken die Transparenz nur intern nutzen oder inwieweit sie für den Konsumenten ersichtlich 106
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„Echte Nachhaltigkeit funktioniert nicht ohne Transparenz.“ Florian Heubrandner, Vice President Global Business Management Textiles Lenzing Group.
machen, ob ein Produkt durch die halbe Welt geflogen ist. Wir wollen nicht nur mit unseren Produkten dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern, sondern auch durch andere Ansätze, etwa, indem wir unsere Ware mit dem Zug statt mit dem Schiff nach China schicken, wo übrigens die Nachfrage an nachhaltigen Fasern sprunghaft wächst. Um Transparenz kommen wir künftig nicht herum. Vor allem junge Menschen hinterfragen, wo etwas herkommt und sind auch bereit, mehr Geld für mehr Nachhaltigkeit auszugeben. Um sie zu erreichen, informieren wir über Social Media, über www.tencel. com und immer mehr über unsere Cobranding-Partner, darunter die Bestseller Gruppe, Levi’s, Closed und H&M. Für uns ist das eine sehr zeitgemäße Strategie, weil beide Seiten vom Reach des anderen profitieren.
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FIL NOIR
„WIR NEHMEN UNSERE VERANTWORTUNG SEHR ERNST“
Das letzte Jahr hat viel bewegt und Veränderungen gepusht. Es hat auch einmal mehr dafür gesorgt, dass Marken wie Fil Noir umso stringenter ihren Weg gehen, wie Fil Noir Gründer Heiko Storz im Interview erklärt. Fotos: Fil Noir
Heiko, zunächst einmal: Was hat 2020 bei Fil Noir Gutes bewirkt? Die Saison Frühjahr/Sommer 2021 hat uns ein zweistelliges Umsatzplus im Vergleich zu Frühjahr/ Sommer 2020 gebracht. Das beweist, dass wir viel richtig gemacht haben: klassisches Orderbusiness, keine Mindestorder, wodurch wir Überproduktion und Überhänge vermeiden. Wir setzen auf passive Lohnveredelung, kaufen unsere Stoffe und Zutaten selbst ein und können bei unserem Produzenten selbst Kleinstmengen fertigen lassen. Das macht uns extrem flexibel, was uns in den vergangenen Monaten besonders zugute kam und sicher der Grund für die hervorragende Auslieferungsquote ist. Was verstärkt ihr jetzt? Unser ganzheitlich nachhaltiges Denken. Unser Unternehmen ist vollständig plastikfrei und unser für die Kunden kostenloser Versand ist zu 100 Prozent klimaneutral. Besonders stolz sind wir auf unsere nachhaltigen Verpackungskonzepte aus recyceltem Papier, die wir als erster Hemdenanbieter schon vor zwei Jahren umgesetzt haben. Ebenso haben wir im Frühjahr/Sommer 2020 die GOTS zertifizierte Kapsel Fil Noir Respect lanciert. Unsere Verpackung mit Pfandsystem ist auch ein Novum im europäischen Hemdenmarkt. Der GOTS zertifizierte Beutel aus recycelter Baumwolle kann als Goodie weitergegeben oder retourniert werden; bei Fil Noir wird er nach Zero-Waste-Prinzip in den Produktionskreislauf zurückgeführt. Der Händler erhält für jeden retournierten Beutel eine Gutschrift von zwei Euro für die nächste Order. Von Beginn an setzen wir auf den Produktionsstandort Europa und ermöglichen unseren zwei Partnerbetrieben, bis zu 50 Prozent über dem landesüblichen Mindestlohn zu zahlen. Was tut sich im Produkt? Als feste Größe im gehobenen Einzelhandel haben wir signifikant an Relevanz hinzugewonnen. Gerade jetzt zählen bewährte Produkte, ebenso wie Langlebigkeit und Qualität. Unsere lässige Kernaussage ist umso zeitgemäßer, zumal im Homeoffice Formales keine
Heiko Storz agiert mit Herzblut für die Kollektion Fil Noir.
Im Kern lässig und immer innovativ: Hemden wie Blusen von Fil Noir.
Option ist. Fil Noir Donna hat ein Drittel unseres Umsatzvolumens erreicht, hier sehen wir erhebliches Wachstumspotential. Nachdem wir Fil Noir Donna im Herbst/Winter 2020 in Kanada eingeführt haben, ziehen wir in dieser Saison mit Fil Noir Uomo nach. Insgesamt können wir uns mit einer Auslieferungsquote von 99 Prozent und einer Retourenquote von 0,3 Prozent als verlässlicher Partner für den Einzelhandel bezeichnen und übernehmen darüber hinaus auch als Innovationstreiber eine führende Rolle in unserem Segment. Um unserer Verantwortung gerecht zu werden, bauen wir unsere Marke kontinuierlich aus. Das heißt: Wachstum ja, aber nur, wenn es sinnvoll ist. Wichtiger ist unsere Investition in innovative Ideen, um das zu bleiben, was wir sind: the finest in casual. style in progress
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STETSON EUROPE
„TRANSPARENZ SCHAFFEN, OHNE KNOW-HOW ZU VERLIEREN“
Ein faires Produkt zu fairen Konditionen, das ist bei Stetson Europe elementar in der Marken-DNA verankert. Wie viel Sinn macht Transparenz in der Lieferkette allerdings für ein Unternehmen, dessen Wettbewerbsvorteil sich auch darauf gründet, dass es die richtigen Heim- und Handarbeiter verpflichten kann? Ein Gespräch mit Klaus Kirschner, CEO Stetson Europe. Interview: Stefanie Buchacher. Fotos: Stetson Europe GmbH
Klaus Kirschner, Europa CEO von Stetson sieht in völliger Transparenz die Gefahr, kopiert zu werden und damit Wettbewerbsvorteile zu verlieren.
Was tut Stetson in Sachen Transparenz? Was steckt hinter dem Stetson Wiki? Wir versuchen hundert Prozent transparent zu sein, ohne dabei unser Know-how für jeden zugänglich zu machen. Wir leben davon, dass wir überall auf der Welt nach den besten Herstellern für jede Produktkategorie suchen, und würden wir Namen und Adressen öffentlich zugänglich machen, nähme uns das unseren Wettbewerbsvorteil. Aber wir nennen schon lange das Ursprungsland in jedem Artikel, sodass jeder Verbraucher selbst entscheiden kann, was er möchte. Unser Wiki ist ein Service für die Verbraucher. Da nicht in jedem Laden, der Stetson vertreibt, immer ein Verkäufer zur Verfügung steht, der alles über den Artikel weiß. Über das Wiki kann der Verbraucher sich über den Scan des QR-Codes die Informationen selbst beschaffen. Transparenz ist derzeit fast in aller Munde. Worin liegen die Herausforderungen, um Transparenz und Rückverfolgbarkeit über die gesamte Lieferkette herzustellen? Bedeutet ein nachhaltigeres und rückverfolgbares Produkt auch höhere Kosten? Bis zu einem gewissen Grad ist das machbar, da wir aber stark handarbeits-lastige Produkte vertreiben, nutzen viele unserer Partner Subunternehmer oder Heimarbeiter – diese wechseln auch immer wieder und natürlich ist das auch der Wettbewerbsvorteil unserer Produktionspartner, die kein gehobenes Interesse daran haben, uns jede Heimarbeiterin und jeden Subunternehmer persönlich vorzustellen. Extrem aufwändig wird es, wenn man das alles dokumentieren und regelmäßig prüfen möchte. Damit kommen wir zur Kostenseite. Aus meiner Sicht ist es ohne große Mehrkosten machbar, auf die gesamte Lieferkette zu achten und die Partner zu einer fairen Produktion anzuhalten, bis hin zu der Konsequenz, die Zusammenarbeit mit Partnern zu beenden, wenn es Missachtungen gibt. Das leben wir auch schon. Kostenintensiv wird es mit der Dokumentation und der Beweispflicht. Durch Transparenz – insbesondere durch das Lieferkettengesetz – wird Verantwortlichkeit für die einzelnen Produktionsschritte festgemacht. Welche Konsequenzen bringt dies mit sich? 108
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Jeder Produktionsschritt erfordert dann eine exakte Dokumentation, wir schaffen also Bürokratie. Sehen Sie Gefahren darin, alle Produktionsinformationen offenzulegen, auch beispielsweise Informationen zu Produzenten? Ja, Unternehmen wie wir, die nicht bei den anderen kopieren, sondern in Kooperation mit den Produzenten neue innovative Produkte entwickeln und optimieren, müssen sehr viel Zeit und Geld für diese Entwicklung investieren – während andere, die das Produkt lediglich nachstellen, sich diese sparen. Die Offenlegung von allem nimmt uns ein bis zwei Saisons Wettbewerbsvorteil gegenüber den Kopisten.
SOFTSHIRTS AUS REINER WOLLE. NACHHALTIGE PRODUKTION VEREINT MIT BESTEN EIGENSCHAFTEN.
Sorgfältig und fein ausgewählte Stoffe der besten Weber in Italien bilden die Basis der Premium Hemden. Unsere Soft Shirts werden in den höchstmöglichen Standards nachhaltig produziert und bestehen zu 100% aus reiner Wolle. Vereint mit besten Eigenschaften sind unsere Soft Shirts treue Begleiter der Herrengarderobe – Tag für Tag.
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Marino Edelmann ist seit 2019 Managing Brand Director von Strellson. Seine Spielidee als neuer Cheftrainer eines Traditionsclubs: „Wir wollen dynamischer sein, mehr nach vorne spielen – modernen Angriffsfußball spielen.“
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„UM ERFOLGREICH ZU SEIN, MÜSSEN WIR UNS IMMER WIEDER HINTERFRAGEN“ Seit Herbst 2019 ist Marino Edelmann Managing Brand Director von Strellson und hat sich vorgenommen, die Traditionsmarke radikal zu ändern. Für ihn hat das viel mit Mindset und Mut zu tun. Interview: Stephan Huber. Text: Stefanie Buchacher. Fotos: Strellson
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arino, du hast ein spannendes Jahr hinter dir, spannender als ursprünglich geplant. Was sind deine prägendsten Erfahrungen? Prägender als das, was die letzten Monate passiert ist, geht nicht. Was mich markentechnisch erwartet hat, wusste ich ein Stück weit. Die Aufgabe war anspruchsvoll und ist durch Corona noch anspruchsvoller geworden. Aber so schwierig die letzte Zeit auch war, sie hat uns mit Vollgas in die Zukunft gekickt. Bereits im Januar haben wir begonnen, vieles zu ändern, beispielswiese die Sportivität zu stärken. Das ist im Juli und August zum Tragen gekommen – sehr erfolgreich, weil der Handel nicht zuletzt durch die Branchenherausforderungen offen für Veränderungen war. Bei Strellson wurdest du sozusagen als neuer Cheftrainer verpflichtet. Wie ist deine Spielidee für diesen Traditionsclub? Wir wollen dynamischer sein, mehr nach vorne spielen – modernen Angriffsfußball spielen. Bezogen auf die Marke und die Produkte versuchen wir, innovativer zu sein. Wir müssen uns jede Saison fragen: Was war gut? Was übernehmen wir daraus? Was entwickeln wir neu und wohin bewegt sich der Markt? Meine Überzeugung ist, dass man sich, um erfolgreich zu bleiben, immer wieder hinterfragen muss. Erfolg kommt nicht davon, dass man immer so weiterspielt wie in den letzten zehn Jahren. Für die erste, neue Kampagne haben wir den Claim #wearindependent entwickelt – unabhängig sein möchte jeder Mann, aber es ist genauso eine Anspielung auf unsere Schweizer Wurzeln. Das spielen wir nach innen und nach außen – und das kommt extrem gut an. Eine Herausforderung ist die Konfektion – sie wird nie mehr das zentrale Fundament der Männermode sein. Gleichzeitig war Konfektion immer ein Teil der StrellsonDNA. Lässt sich das so einfach ändern? Eine Marken-DNA sollte man nie ändern. Zur Strellson-DNA gehören die Swiss Cross Jacke und die Konfektion. Strellson steht für gute Konfektion und das stärkt den Wiedererkennungswert. Unsere Kunden können sich auf Qualität, Passformen und Verarbeitung verlassen. Was sich ändert, ist der Style. Einen Anzug wird es weiterhin geben,
er wird anders sein. Man muss die DNA zu neuem Leben erwecken. Die Marke stand schon immer für Innovation und Progressivität. Über die Jahre ist an manchen Stellen der Mut verloren gegangen und jetzt geht es darum, diesen wieder zurückzubringen. Ist das nicht ein generelles Problem unserer Branche, dass Innovation und Kreativität in den letzten Jahren eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben, quasi LUG vor Idee? Ganz klar: Es geht um Relevanz. Pünktlichkeit, Warenverfügarbeit und Qualität können wir. Für uns geht es deshalb in Zukunft auch wieder mehr um Haltung und Werte. Wie schafft man es, die Consumer richtig anzusprechen? Zum einen sind die Zielgruppen uneindeutiger und zum anderen gibt es viel mehr Kanäle. Entscheidend ist, wie man sich als Marke selbst wahrnimmt und wo man sich aufgehoben fühlt. Ich glaube an Social Media, weil es hier die Schnelligkeit, die wir leben möchten, gibt und auch unsere Bildsprache passt. Auch in der Kommunikation geht es darum, jede Saison zu evaluieren und Neues zu versuchen. Es braucht immer die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Ich bin für Trial and Error. Natürlich muss man das Risiko eingehen, dass etwas nicht funktionieren könnte. Wir sind daher 2020 gestartet – einfach weil wir es als Marke ausprobieren wollten. Die letzten Monate haben insbesondere den unternehmerisch handelnden, inhabergeführten Fachhandel gestärkt hervorgehen lassen. Wie stellt sich Strellson in der hybriden Handelslandschaft auf? Ich bin ein absoluter Fan des Facheinzelhandels. Gemeinsam mit starken Partnern lässt sich eine extrem gute Plattform für die Marke kreieren. Viele Fachhändler haben auf die Herausforderungen der letzten Monate innovativ und schnell reagiert. Das ist Unternehmergeist und Innovationsbereitschaft – das ist ein Mindset, das man unabhängig von Corona hat oder nicht. Diesen Vibe und diese Flexibilität kleinerer Unternehmen versuche ich, für uns als größeres Unternehmen zu etablieren. Bei uns war es das digitale Ordertool, das wir innerhalb kürzester Zeit fertig gestellt haben. Im Juli hatten wir alles fotografiert und digitalisiert und konnten im Showroom an großen Screens arbeiten.
Wir konnten unsere Kunden entweder zu Hause im Wohnzimmer abholen oder bei uns im Showroom – und ihnen zusätzlichen digitalen Content vermitteln. Das wird jetzt im Januar noch einmal besser. Auch in der Zusammenarbeit mit unseren Fachhändlern geht es darum, gemeinsam schnell neue Ideen auszuprobieren, unkonventionell und pragmatisch zu handeln. Trotz digitalem Ordertool – wie wichtig sind dir Messen? Die Entscheidung, die kommenden Messen abzusagen, ist absolut verantwortungsvoll und richtig. In unserer jetzigen Phase wären Messen als Meeting Point enorm wichtig, um die Marke zu erklären, unsere Reise zu vermitteln und möglichst vielen Menschen die Weiterentwicklung von Strellson zu präsentieren. Jetzt werden wir dies digital versuchen – der Effekt wird nicht der gleiche sein. Was erwartest du von einem zukünftigen, gemeinsamen Auftritt der Branche? Wir sollten das vom Kunden her denken. In dem Fall ist unser Kunde der Händler, der schnell und komprimiert innerhalb von drei Tagen möglichst viel Input bekommen möchte. Gemeinsam mit den Messen müssen wir uns jetzt überlegen, wie wir es dem Händler erleichtern und ihn bestmöglich abholen können. Ich freue mich auf Frankfurt – da wird es Aufbruchsstimmung geben. Gehen wir optimistisch davon aus, dass wir im ersten Quartal 2021 eine neue Normalität leben können. Wie wird diese neue Normalität in unserer Branche aussehen? Dazu gibt es viele Prognosen, wie dass es zum Beispiel zu Revenge Buying kommen wird. Ich denke, dass wir spätestens ab März wieder eine Aufbruchsstimmung verspüren werden. Ich glaube, dass wir wieder extreme Lebensfreude entwickeln werden und diese jetzige Tristesse versuchen werden, zu kompensieren. Ich glaube auch, dass wir weniger reisen werden. Was aus der jetzigen Situation heraus bleiben wird, ist, dass Marken ihre Relevanz über ihre Basis aus Werten und ihren Geschichten behalten werden. Das ist als Fundament wichtig, für die Kunden und ebenso für die Mitarbeitenden. Es geht darum, ein attraktiver Verein zu sein, für den man gerne spielt.
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American-Vintage-Gründer Michael Azoulay will das Richtige tun.
Jersey, Fleece und Strick sind Kernelemente von American Vintage.
AMERICAN VINTAGE
ZURÜCK ZUM WESENTLICHEN Soziale Verantwortung ist für Michael Azoulay kein Slogan, wie er in den Zeitgeist passt. Viel mehr versucht er es, für sein Unternehmen American Vintage zu leben. Im Interview spricht der American-Vintage-Gründer über sein Werteverständnis und was er aus dem herausfordernden Jahr 2020 gelernt hat. Text: Nicoletta Schaper. Fotos: American Vintage, Charlotte Lapalus
Corporate Social Responsibility ist ein Begriff, der für American Vintage eine wichtige Rolle spielt. Was verstehen Sie darunter? Für mich ist es sehr wichtig, wie wir miteinander zusammenarbeiten und dass wir unseren Mitarbeitern die Möglichkeit geben, sich weiterzuentwickeln. Wir wollen sie ermutigen und stärken, dass sie sich frei fühlen, offen sind und dass sie eigenverantwortlich handeln. Das hat für mich oberste Priorität. Wir investieren viel in die Firma und 112
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in unsere Werte, so haben wir 2011 beim Neubau unseres Headquarters in Marseille einen Fitnessraum und ein Spa für alle Mitarbeiter integriert. Außerdem investieren wir in Coaching, um die Mitarbeiter für unser herausforderndes Business zu stärken. Wie steht es mit dem Thema Nachhaltigkeit? Als 2005 gegründete Marke sind wir nicht vom Start weg ein nachhaltiges Unternehmen. Aber wir entwickeln uns mehr und mehr in die Richtung. Zum Beispiel setzen wir zunehmend Biobaumwolle ein und fertigen Jeans bei einem nachhaltigen Produzenten, der den Wasserverbrauch wesentlich reduziert. Es geht uns nicht um das Mehr und Mehr, das entspricht nicht den Werten unserer Firma. Sondern es geht uns darum, das Richtige zu tun. Wir wollen keinen Druck ausüben, weder mit Ware im Markt, noch indem wir die Konsumenten pushen, noch mehr zu konsumieren. Lieber wollen wir organisch wachsen, wie es der Philosophie unserer Company entspricht. Wir dürfen nicht vergessen, dass es bei Ame-
rican Vintage um Emotion geht und um die Passion für das Produkt. Worin zeigt sich das? In unserem Kernprodukt, dem T-Shirt, das wir wieder mehr in den Fokus stellen. Jersey, Fleece und Strick sind und bleiben unsere Stärken. Hinzu kommt mehr und mehr Denim, der immer aus 100 Prozent Baumwolle gefertigt wird. Ganz neu sind Jacken und Mäntel, mit denen wir die Kollektion abrunden. Was haben Sie aus 2020 gelernt? Sehr viel! Etwa, dass wir uns auf das Wesentliche zurückbesinnen müssen. Wir alle haben gelernt, dass wir nicht so viel reisen müssen, um miteinander gutes Business zu machen. Umso mehr haben wir in die Digitalisierung investiert, die für mich ein Tool ist, um unsere Stärken wie unseren Service umso schneller und direkter zum Kunden hin zu vermitteln. Ich möchte nicht nur von künstlicher Intelligenz umgeben sein. Ich glaube generell, dass wir mit dem Wesentlichen glücklich sein können. Ja, am Ende des Tages bin ich mit Brot und Butter glücklich.
begehrlich verlässlich leidenschaftlich visionär partnerschaftlich schnell
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„Die Kunden haben Les Deux ins Herz geschlossen und wir werden uns noch mehr anstrengen, um dem gerecht zu werden.“ Les Deux CEO Andreas von der Heide
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Das Gesamtpaket stimmt: Les Deux entwickelt sich zum starken Produkt, nicht nur in Deutschland.
LES DEUX
„WIR WOLLEN NOCH RELEVANTER WERDEN“ Wie gelingt es einer Marke, trotz schwieriger Zeiten dynamisch im Markt zu wachsen? Andreas von der Heide, CEO der dänischen Marke Les Deux, hat einige Antworten. Interview: Nicoletta Schaper. Fotos: Les Deux
Andreas, mit 800 Händlern und einem Umsatzplus von über 50 Prozent im europäischen Markt ist Les Deux gerade sehr erfolgreich. Ja, wir sind dabei, den europäischen Markt auszubauen, wobei Deutschland im Fokus steht. Unser Vorteil: Les Deux ist ein frisches, unverbrauchtes Label, das perfekt zum deutschen Markt und seinen Konsumenten passt. Als kleines Unternehmen sind wir außerdem besonders flexibel, was ein weiterer Vorteil im Vergleich zu manchen Big Playern ist. On Top haben wir mit der Agentur von Stefan Wittmann in Düsseldorf und der Masch 114
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Agency in München die richtigen Partner, um die Händler optimal zu supporten. Was versteht ihr darunter? Uns ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe wichtig. Darunter verstehen wir, dass die Distributoren und Händler von uns nicht nur gut mit Ware versorgt sind, sondern wir wollen auch, dass sie einen guten Sell-out haben. Dazu gehören Onlineteaching, Special Events und Pop-up-Store-Lösungen, die wir gemeinsam mit den Händlern erarbeiten. Auch Shop-in-Shops, wie bei Engelhorn, wollen wir ausbauen. Was zeichnet euch noch aus? Eine Dreierkalkulation und ein bedarfsnaher Rhythmus. Zu den zwei Hauptkollektionen kommen zwei Precollections und Capsules, mit denen wir straight to market agieren. Zusätzlich haben wir Ware am Lager, die kurzfristig abrufbar ist. Bei allem Wachstum wollen wir aber so nachhaltig und transparent wie möglich agieren und setzen zunehmend organische und zertifizierte Materialien sowie recyceltes Polyester ein, die aber nicht mehr als die Styles aus konventioneller Ware kosten. Darüber hinaus werden wir künftig noch stärker kommunizieren, mit welchen
Produzenten wir seit wann und wo arbeiten und wie viel die Arbeiter verdienen. Seit vergangenem Sommer machen wir einen großen Rollout in unserem Heimatmarkt Skandinavien mit unserer sogenannten Re-wear: Die Kunden können getragene Teile von Les Deux im Laden zurückgeben und bekommen einen Rabatt von zehn Prozent auf unsere neuen Styles. Wir reinigen die Teile und verkaufen sie wiederum im Onlineshop unter Re-wear. Was passiert im Produkt noch? Les Deux ist auf dem Weg zur Lifestylebrand. Wir wollen ein Les Deux Universum bieten. Deshalb erweitern wir jetzt die Menswear um Taschen und Schuhe, die wir jetzt erstmalig in unseren zwei neuen großen Showrooms in München und Düsseldorf präsentieren werden. Besonders stolz sind wir auf den Launch unserer Denimwear, die zur vergangenen Saison schon sehr vielversprechend gestartet ist. Die Styles sind organic und den Wasserverbrauch konnten wir auf nur sieben Prozent des üblichen Verbrauchs reduzieren, ebenso wie wir damit auch den CO2Ausstoß um 75 Prozent reduzieren konnten. Unser Denim wird der nachhaltigste im Markt sein.
KEEP GOING & STAY STRONG U N T I L W E CA N M E E T AGA I N
# M U N I C H FA B R I C S TA R T
M U N I C H FA B R I C S TA R T
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W W W . M U N I C H FA B R I C S TA R T . C O M
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Meike Schilcher kreiert ihre Kollektion Daddy’s Daughters nicht nur, sie lebt sie. Und sie versteht sehr gut, was ihre Zielgruppe will.
DADDY’S DAUGHTERS
„ICH BIN ERFOLGREICH, WEIL ICH NICHT GIERIG BIN“ Sie traut sich was: Meike Schilcher steht für ihr Label Daddy’s Daughters mit ihrer Persönlichkeit und geht für die auf Cashmere basierende Kollektion auch mal ungewohnte Wege. Ihre Kunden lieben sie dafür. Interview: Nicoletta Schaper. Fotos: Daddy’s Daughters
Meike, nicht viele modeln selbst für die eigene Kollektion. Wie kam es dazu? Ich habe damit im vergangenen März begonnen, weil wir zur neuen Kollektion einen Katalog brauchten. Das tolle Feedback von den Handelskunden, meinem eigenen Vertrieb und Freunden war eine echte Überraschung. Es gefällt ihnen, weil es zeigt, dass ich zu 100 Prozent für meine Kollektion stehe und dass es mir im Kern um Persönlichkeit geht. Und um Kundennähe. In Österreich wird Daddy’s Daughters von Meta Pesch vertrieben und manchmal komme ich zu den Ordergesprächen und frage die Händler, was wir besser machen können. Das 116
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sind sie von manch anderen Marken kaum gewohnt. Ich möchte für sie Partner und Mitstreiter sein, weshalb wir auch keinen Onlineshop haben und keine großen Filialisten bedienen. Mittlerweile haben wir rund 180 Kunden im deutschsprachigen Markt sowie Südtirol. In dieser Saison kommt Benelux hinzu, wo Daddy’s Daughters über die Agentur Bo Terry Fashion Agency in Amsterdam vertrieben wird. Ich bin gespannt! Wie experimentierfreudig bist du? Ich liebe es, zu überraschen und ergänze die zwei Hauptkollektionen, in denen es 100-prozentigen Cashmere sowie Blusen, Kleider und Röcke gibt, mit besonderen Kapseln. Vor zwei Jahren habe ich ein neues Garn für uns entdeckt: Cashmere umsponnenes Spandex, das megaflauschig und elastisch ist. Der Style von Daddy’s Daughters ist eher sportiv, aber jetzt habe ich mit der Make-upMeisterin Sylvia Spitzbart aus Salzburg eine feminine Loungewear-Capsule entwickelt. Ich versuche, für unsere Kunden vorauszudenken. Wenn ich selbst an etwas glaube und das dem Kunden auch vermitteln kann, ist der erste Schritt auf neues Terrain kein Risiko. Du hast früher für den Otto Konzern gearbeitet und später bei Eybl in Österreich
den Zentraleinkauf Mode für Fremd- und Eigenmarken verantwortet. Kommt dir das zugute? Ja. Ich arbeite konzeptionell und glaube, zu verstehen, was die Händler und Endverbraucherinnen wollen. Dabei hilft mir meine Produktkompetenz nach 30 Jahren in der Textilbranche und mein kleines, feines Netzwerk. Bevorzugt arbeite ich mit kleineren Bertrieben, für die ich mich sozial mitverantwortlich fühle. Unser Cashmere aus der Inneren Mongolei wird auch dort produziert. Die Blusen, Kleider und Röcke werden in zwei zertifizierten Betrieben in Portugal gefertigt. Neu sind wunderbar kuschelige Alpaka-Mäntel. Das Material stammt aus Peru, gefertigt wird in Tschechien. Was macht deinen Erfolg aus? Erfolg ist ein großes Wort. Ich glaube, dass wir mit unserem Produkt angenommen werden, weil wir echt sind. Und möglicherweise, weil ich nicht gierig bin, sondern am glücklichsten, wenn eine schöne Kollektion geschaffen ist und unsere Kunden das honorieren. Und nicht zuletzt, weil ich bei Daddy’s Daughters machen darf, was mich neben meinem zweiten Hauptberuf als Modeagentur ausfüllt.
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Creative Director Stina Andersson und CEO und Orthopädietechniker Peter Hedström wollen Frauen stärken: mit High Heels, die auch nach längerem Tragen möglichst keine Schmerzen bereiten. Die Schuhkollektion Stinaa.J verspricht hohen Tragekomfort, zeitloses Design und Qualität.
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STARKER AUFTRITT High Heels, die der Trägerin keine Schmerzen verursachen? Das muss möglich sein, meint die schwedische Unternehmerin Stina Andersson. Mit ihrer Schuhkollektion Stinaa.J tritt sie in Zusammenarbeit mit dem Orthopädietechniker Peter Hedström den Beweis an. Interview: Nicoletta Schaper. Fotos: Stinaa.J
Bisher waren High Heels und orthopädische Schuhe ein Widerspruch. Peter Hedström, CEO Stinaa.J: Völlig richtig. Viele Frauen, die High Heels tragen, haben Schmerzen und fühlen sich auf hohen Absätzen einfach nicht wohl. Das wollte Stina Andersson ändern und hat sich an mich gewandt, zumal ich als Orthopädietechniker für die Sportschuhindustrie Sohlen nach orthopädischen Gesichtspunkten entwickelt habe. Stina Andersson, Creative Director Stinaa.J: Ich liebe High Heels, weil sie mir ein Gefühl von Stärke und Selbstvertrauen geben. Aber ich kenne auch das Gefühl schmerzender Füße am Abend, denn ich bin ständig in Bewegung – früher als Bauingenieurin und PR
Consultant, heute als Mutter dreier Kinder und als Unternehmerin. Bisher wurden High Heels immer nur für den Betrachter designt, nicht aber für die Frau, die sie trägt. So kam mir die Idee zu Stinaa.J, einer hochwertigen Schuhkollektion, die einen hohen Modegrad mit medizinischer Funktionalität vereint. Wie funktioniert das? Peter Hedström: Wir haben eine dreilagige, biomechanische Innensohle entwickelt, die auf der Auswertung von einer Million 3DFuß-Scans und auf 30 Jahren orthopädischer Erfahrung basiert. Die Materialien stammen aus der Welt der Sportschuhindustrie, kombiniert mit einer hochentwickelten Polsterungstechnologie aus der Raumfahrt, sodass der Stoß des Auftretens absorbiert wird und sich der Druck zur Entlastung der Gelenke besser verteilen kann. Die erweiterte Vorderfußzone, eine stabile Fersenkappe und der gepolsterte Absatzbereich beugen außerdem Verletzungen etwa durch Umknicken vor. Dank unserer Schuhtechnologie kann der Fuß trotz hohem Absatz abrollen, wie bei der natürlichen Laufbewegung.
Stina Andersson: Im Jahr 2016 sind wir gestartet, zunächst über unseren Onlineshop, ausgewählte schwedische Multilabelhändler und über unser Studio in Stockholm, das wir auch unser Test-Lab nennen. Wir haben uns viel Zeit genommen, das Produkt weiterzuentwickeln, dafür hören wir den Kundinnen und Händlern genau zu. Außerdem haben wir die Kollektion mit flacheren Varianten wie Sneakers, Pumps, Ballerinas und ganz neu mit Boots ergänzt, damit es für jede Gelegenheit den passenden Schuh gibt. Peter Hedström: Jetzt starten wir im deutschsprachigen Markt gemeinsam mit der Soop Handelsagentur und der Agentur Martin Bundlechner und sind noch auf der Suche nach Vertriebspartnern in Österreich und der Schweiz. Der selektive Vertrieb und der Austausch mit unseren Partnern liegen uns am Herzen, damit wir uns weiterhin verbessern können. Es ist ein tolles Gefühl, wenn uns eine Kundin im Studio erzählt, dass sie jahrelang keine hohen Absätze mehr getragen hat und das nun dank unserer Technologie wieder kann. Das ist das Beste an unserem Job! style in progress
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ACT NOW Wer statt Überkonsum Wertschöpfung innerhalb der Leistungsgrenzen unseres Planeten will, darf sich darauf verlassen, einen genialen Partner an seiner Seite zu haben. Die Inno vation. Ein kraftvoller Hebel, der aus Utopien praktikable Lösungen macht. Angefeuert von Digitalisierung und Nachhaltigkeit, den beiden wichtigsten Achsen, die die Zukunft unserer Industrie definieren.
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WIE KANN SICH ITALIEN NEU ERFINDEN?
Die neue Normalität erfordert große Veränderungen: Digitalisierung, Transparenz, Nachhaltigkeit und Fairness. Wie wird Italien, das Land der Mode per Definition, die kreative Seele der Welt, diese Herausforderung meistern? Text: Janaina Engelmann-Brothánek. Illustrationen: Claudia Meitert@Caroline Seidler
EIN DOPPELTER SALTO
WIEDERFINDEN, NICHT NEU ERFINDEN.
Cinzia Macchi, Inhaberin und Designerin von LaMilanesa „Ehrlich gesagt, es ist nicht einfach, diese Frage zu beantworten. Spontan würde ich sagen: Wir brauchen einen Zauberstab (lacht). Für mich ist es eher ein Wiederfinden als ein Neuerfinden – zurück zu unseren Werten, begleitet von Technologie, die uns zusammenbringt, obwohl wir auf Distanz sind (und bleiben müssen). In unserem Fall werden wir darauf achten, dass wir das Kunsthandwerk, die Qualität und das Made in Italy noch mehr unterstützen und gleichzeitig viel in unsere Community investieren, in dem wir den Followern in den sozialen Medien, aber auch den Kunden im stationären Handel wirklich zuhören und verstehen.“
Camilla Zambelli, Brand Manager von Les Copains „Für Les Copains ist die neue Normalität mit dem Abenteuer des Relaunches zusammengefallen: ein doppelter Salto in Sachen Design und Horizonte erweitern. Diese neue Ära haben wir als Chance und nicht als Einschränkung gesehen. Unsere Kollektionen wurden natürlich digitalisiert, die Sprache und die Emotionen haben wir dem Bild überlassen, um auch die entfernten Kunden und Lieferanten zu erreichen. Wir wollten aber diesen digitalen Raum füllen und haben unseren Partnern Päckchen mit Mustern, Garnen in allen Farben der kommenden Kollektionen, geschickt. Viele kleine Herzstücke von Les Copains, die die taktilen Emotionen und das Know-how des Unternehmens direkt in die Hände unserer Kunden gebracht haben. Italien wird sich wie wir, dank der Kreativität, die unserer DNA innewohnt, abermals neu erfinden. Ich bin davon überzeugt, dass Handwerkskunst, Erfindungsreichtum und Zusammenarbeit immer Teil der Identität italienischer Modefirmen sein werden.“
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INMITTEN DES ÜBERGANGS
Marisa Selfa, CEO, North Sails Apparel „Es ist tatsächlich für ein Land wie Italien eine Herausforderung, das Gleichgewicht zwischen diesen neuen Elementen und seinen Kernwerten wie Tradition, Improvisation und Kunsthandwerk zu finden. Ich denke, dass sich Italien bereits inmitten dieses Übergangs in die neue Ära befindet, weil das Land sich ernsthaft mit Themen wie Technologie, strategische Planung, Innovation und Digitalisierung auseinandersetzt. Vielleicht braucht es etwas mehr Flexibilität und Kreativität, um die richtigen Instrumente zu erkennen und diese dann so anzuwenden, dass das italienische Produkt nicht seine Identität verliert. Eine weitere große Herausfordrung für die italienische Modeindustrie ist natürlich die Umwelt. North Sails ist sich dessen schon länger bewusst und wird weiterhin maßgeblich an der Erhaltung der Meere und der Reduzierung der Kunststoffverschmutzung arbeiten. Ein Engagement, das die wahre DNA der Marke reflektiert.“
PHYGITAL
Giulio Di Sabato, Sari Spazio Fashion Showroom, Präsident von Assomoda, Mitgründer von Best Showroom „Die Modewelt wird künftig ganz anders aussehen. Wir werden uns auf das Internet 4.0 verlassen müssen, das Internet der Dinge. Ein globaler Umbruch, in dem wir Italiener mehr als jedes andere Land weiterhin uns auf den Erhalt unserer Stärken wie Artigianato (Kunsthandwerk) und einzigartige Produktionsketten konzentrieren sollten. Made in Italy ist unsere Kraft und eine Lebensart, die uns irgendwann wieder das Vergnügen geben wird, Hände zu schütteln, ein Lächeln auszutauschen und angenehme Abende damit zu verbringen, persönlich über Arbeit zu sprechen. Heute, mehr denn je, haben wir verstanden, dass zwischenmenschliche Beziehungen unersetzlich sind. Es braucht die richtige Kombination aus Digitalem und Physischem. Italien hat es vorgemacht und als erstes und vorerst einziges Land weltweit eine hybride, sogenannte phygitale Modewoche organisiert.“
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ANPASSUNG IST UNSERE STÄRKE
Enrico Accettola, Chairman Emporio ADV und CEO von Izmee „Ich glaube, dass die Frage, wie man mit dem New Normal umgeht, nicht ausschließlich eine italienische Diskussion ist, sondern eine globale. Wir Italiener haben jedoch einen Vorteil, eine angeborene Qualität: die Fähigkeit zur Anpassung. Wir sind von Natur aus kreativ und haben angesichts von Schwierigkeiten immer eine Lösung parat. Ich glaube nicht, dass ein kälteres und digitales Zeitalter diese Haltung oder die Anerkennung, die Made in Italy erlangt hat, aufheben kann. Es ist ein Wert, ein Aushängeschild, das uns auf dem Markt einen Vorteil verschafft. Wer sich dessen bewusst ist und trotz des Klimas des Misstrauens weiterhin an seinem Projekt festhält, wird gewinnen.“
Germany-Austria-Switzerland
Niklas Rill
Müchen Römerstrasse, 14 80801 – Müchen (11-17 February 2021)
+49 176 84837541 mail@maend.de
Düsseldorf Cecilienallee, 40 40474 – Düsseldorf
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WRÅD LIVING
„LINEARE PRODUKTIONSKETTEN FÜHREN ZU UMWELTVERSCHMUTZUNG UND AUSBEUTUNG“ Matteo Ward, Silvia Giovanardi und Victor Santiago kündigen 2015 ihre gut bezahlten Jobs in der Fashionindustrie und starten eine Bewegung für umweltfreundliches Denken. 2017 bekommt das Ganze Namen und Form: WRÅD Living. WRÅD steht für RAW (Roh) und RAD (lässig, cool) und ist eine Aufklärungswerkstatt über Nachhaltigkeit in der Modebranche für Schulen, Universitäten, Firmen und Institutionen. Im Interview mit style in progress formuliert Matteo Ward Gedanken zur Zukunft der italienischen Modeindustrie.
Matteo Ward, Mitgründer von WRÅD Living, Start-upper, Aktivist, TEDx-Talker mit klarem Ziel: Mode muss durch Nachhaltigkeit und innovatives Denken neu definiert werden.
Interview: Janaina Engelmann-Brothánek. Fotos WRÅD Living
„Challenging the status quo“ ist euer Motto. Wie sehr hat diese Krise beigetragen, die Revolution, für die ihr seit Jahren kämpft, auf das nächste Level zu bringen? Die Corona-Krise hat mich als Individuum, aber auch uns als WRÅD-Team in unseren Werten wie Nachhaltigkeit und Fairness nur bestärkt. Klar sind diese Themen auch in der Fashionindustrie noch stärker geworden. Man könnte sagen, es sind jetzt Alltagsthemen. Aber wir wissen beide, dass die Probleme der Textilbranche nicht Covid-19 zuzuschreiben sind – Covid-19 hat nur alte Probleme ans Licht geholt. Lineare Produktionsketten führen zu Umweltverschmutzung und Ausbeutung, das wussten wir schon davor. Könnte Reshoring und Made in Italy die richtige Antwort sein? Als erstes müssten wir Made in Italy neu definieren. Ich meine das im gesetzgeberischen Sinne. Was ist heute Made in Italy? Wenn Made in Italy ein strenges Siegel wie in der Lebensmittelindustrie wäre, dann könnte ich sagen, ob Made in Italy die Lösung sein könnte, aber bisher ist mir der Begriff zu undefiniert. Was ein komplettes Reshoring angeht, wäre ich auch vorsichtig. Nach Jahren der Ausbeutung in anderen Ländern jetzt alles wieder in Italien herstellen und den Menschen in den betroffenen Ländern alles entziehen? Mich interessiert eher, wie und wer mein T-Shirt herstellt, nicht wo. Es braucht einen Mittelweg und ein globales Umdenken. Die Konsumenten müssen den Value-Action-Gap füllen (Anmerk. der Red. Diskrepanz zwischen Einstellung und Handeln des Konsumenten), die Finanzwelt muss neben dem Profit auch an das Humankapital und die Umwelt denken und die politische Klasse muss Bewegungen wie unsere unterstützen. Was ist dann die Lösung für ein gesundes Modesystem, das gleichzeitig auch konkurrenzfähig sein kann? Es geht darum, speziell in Italien, zurückzu blicken. Nicht zu den 1990er- oder 2000er-Jahren, als es nur um Profite ging, sondern zu den Zeiten unserer Großeltern. Sie wussten, was 122
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Silvia Giovanardi und Matteo Ward mit einem Einwohner von Monterosso Calabro. Das Städtchen in Süditalien benutzt seit dem alten Rom Graphitpulver für die Färbung von Textilien. Hier entstand die Idee von WRÅD Living zum GRAPHI-TEE®: das erste T-Shirt weltweit, das bis zu 20 Gramm Graphit recycelt, das sonst im Müll und dementsprechend später in unseren Böden landen würde.
Handwerk ist, sie haben aus Nichts Wunderbares erschaffen. Dieses Italien existiert immer noch und besteht aus kleinund mittelständischen Unternehmen, aus Kunsthandwerkern, Designern und Vordenkern, wo heute eine junge Generation am Werk ist, die auch digitale Instrumente der Gegenwart beherrscht. Wir müssen diesen Generationssprung zulassen, diesen Leuten Platz machen und sie werden die Chance ergreifen, aus Italien ein humanes, gesundes und leistungsfähiges Land zu machen. Was machst du als nächstes? Ich überlege ernsthaft in die Politik einzusteigen. Unsere Revolution, wie jede andere auch, hat an der Basis angefangen, muss aber jetzt andere Dimensionen erreichen. Wir sind die letzte Generation, die wirklich noch was ändern kann. Wir sehen uns 2024 zu den Wahlen. (lacht) Ich wähle dich!
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CRUNA
DER ERFOLG ALLER IST DAS ZIEL Cruna, der Hosenhersteller aus Vicenza, geht trotz globaler Krise auf Expansionskurs und setzt dabei auf die D-A-CH-Region. style in progress hat mit den zwei Gründern der Marke, Alessandro Fasolo und Tommaso Pinotti, über die Erkenntnisse dieser Zeit und die Zukunft gesprochen. Interview: Janaina Engelmann-Brothánek. Fotos: Cruna
Cruna ist relativ neu, kam erst 2014 auf den Markt. Ist diese Jungunternehmermentalität in diesen Zeiten ein Vorteil – zum Beispiel beim Thema Digitalisierung? Alessandro Fasolo: Digitalisierung ist ein wichtiges Thema, das wussten wir schon vor der Krise. Für 2025 wird prognostiziert, dass 30 Prozent des Umsatzes in der Mode online erzielt werden. Die Pandemie hat diese Entwicklung beschleunigt. Wir haben einen digitalen Showroom und eine B2BPlattform etabliert, digitale Verkaufskanäle sind ein wichtiger Teil unseres Businessplans. Wir haben uns mit sozialen Medien intensiv auseinandergesetzt und glauben an eine Omnichannel-Strategie. Trotzdem bleiben wir eine großhandelsorientierte Marke und die Beziehungen zu unseren B2B-Partnern sind unser größtes Asset. Im Physischen sind wir Experten, nun geben wir dieser Expertise noch digitalen Approach on top. Wir nennen es phy-gital, wir stellen die Läden auch in unserer Digitalstrategie in den Mittelpunkt. Als junge Firma haben wir die Flexibilität und können uns schnell an veränderte Rahmenbedingungen anpassen. Es ist uns wichtig, dass wir das gemeinsam mit unseren Partnern tun, als gemeinsame Stimme, die Antwort auf die neuen Bedürfnisse des Kunden gibt. Wie steht ihr zu Nachhaltigkeit? Tommaso Pinotti: Nachhaltig ist für uns ein Produkt, das lokal hergestellt wird und höchste Qualität aufweist. Wir lassen unsere Kollektionen komplett hier im Veneto von kleinen und mittelständischen Unternehmen herstellen. Wir stehen mit diesen Handwerkern täglich im Kontakt und können alle Prozesse begleiten. Eine Hose, die schön verarbeitet ist, trägst du für immer. Das ist nachhaltig. Zudem haben wir die Natural Wonders Capsule lanciert. Eine Kollektion aus 100 Prozent natürlichen Fasern: Baumwolle, Leinen und Wolle. Wir sind mit dem Ergebnis sehr glücklich und werden diese Capsules fortsetzen. Welche Erkenntnis hat 2020 gebracht? Tommaso Pinotti: Wir haben festgestellt, wie wichtig gute Kommunikation in der gesamten Lieferkette ist. Im letzten Jahr waren offene Gespräche mit Lieferan-
„Eine Hose, die gut und schön verarbeitet ist, trägst du für immer. Das ist nachhaltig“, sagt Tommaso Pinotti von Cruna. Die italienische Marke macht sich für den D-A-CH-Markt fit.
ten und Einzelhändlern wesentlich, um Prozesse zu verbessern. Daraus ist unglaublicher Zusammenhalt entstanden. Wir sind ein Team und der Erfolg aller, nicht nur der des Einzelnen, ist das Ziel. Wir glauben an eine offene Gesellschaft, in der Kooperation und ein inklusiver Zugang essenziell sind. Trotz voranschreitender Digitalisierung hat der menschliche Austausch gewonnen. Wir sind uns nähergekommen und davon profitiert das Unternehmen und alle, die daran hängen. Wie sind eure Zukunftsaussichten? Alessandro Fasolo: Wir haben uns die ersten Jahre überwiegend auf den Heimatmarkt konzentriert und sind stolz auf das Ergebnis – wir zählen ca. 120 Points of Sale in Italien. Die internationale Expansion, und auch außerhalb Italiens als Marke wahrgenommen zu werden, sind jetzt unser Fokus. Die D-A-CH-Region haben wir deshalb zur strategischen Priorität gemacht, weil dort die Konsumenten ein Faible für qualitative und handgefertigte Produkte haben. Deshalb haben wir mit unserem Agenten, Elvis Giglione von Elvis Fashion, an einer speziell für diesen Markt entwickelten Kollektion gearbeitet und sind voller Zuversicht. Für die Zukunft haben wir große Ambitionen, wir wollen eine Männermarke sein, die den italienischen Stil exportiert und die man für ihre Kompetenz, die Premiumhose, kennt. style in progress
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JACOB COHËN
„PRODUKT BLEIBT KING“
Bedeutende Entwicklungen bei Jacob Cohën. style in progress hat mit dem neuen CEO Luca Roda über die Konstanten und Learnings aus dem letzten Jahr gesprochen. Text: Janaina Engelmann-Brothánek. Fotos: Jacob Cohën
Luca Roda ist seit April 2020 CEO von Jacob Cohën und setzt für die kommende Saisons den Fokus auf die Damenkollektion und auf Nachhaltigkeit.
Luca, es war ein interessantes Jahr für einen frisch ernannten CEO. Wie läuft es? 2020 kann man mit keiner anderen Zeit wirklich vergleichen, es ist ein Sui-generis-Jahr, in dem sich alle wirtschaftlichen und sozialen Parameter verändert haben. Das war für mich von Vorteil, als ich den Posten des CEO angetreten bin, weil ich, ohne auf die vergangenen Programme zurückzublicken, sofort mit neuen Tools und Zielen durchstarten durfte. Ich betrachtete es auch als eine große Geste des Vertrauens, dass die Inhaber mir diesen Job nach fünf Jahren Zusammenarbeit angeboten haben. Meine Arbeit wird geschätzt und ich scheine die richtigen Eigenschaften zu haben, um diese Situation zu meistern. Wir haben ein gut abgestimmtes Team zusammengestellt, das die Begeisterung und das Vertrauen in Jacob Cohëns Wachstum teilt. Die Casualisierung hat noch mal richtig Fahrt gewonnen, das kommt Jacob Cohën entgegen … Das ist schon lange kein Trend mehr, das ist eine wahrhaftige Evolution. Die Entkrawatisierung und natürlich die Sneakerisierung. Jacob Cohën steht seit seinen Anfängen für Casual. Product is King und das ist bei uns nicht nur ein Slogan – unsere Hose ist Handwerkskunst und qualitativ nicht zu schlagen. Zudem produzieren wir in Italien und Made in Italy war und bleibt ein Gütesiegel. Jacob Cohën ist Luxury Casual, genau das, was diese neue Normalität braucht. Eine weitere Entwicklung ist die Etablierung der Damenkollektion, richtig? Mit unserer Präsidentin Jennifer Tommasi Bardelle sprechen wir schon lange über eine reine Jacob-Cohën-Frauenkollektion und haben endlich ein eigenständiges Team, das diese entwickeln wird. Natürlich werden wir das Erbe der Marke fortführen, aber für eine Frau, die komplett für sich und nicht mehr im Schatten des Jacob-Cohën-Mannes steht. Wir haben in dieses Projekt viel investiert. Uns ist bewusst, dass die Frau modisch vielseitiger ist, sie kauft Outfits, sie ist anspruchsvoll. Wir haben große Erwartungen, auch weil es in Sachen Internationalisierung ein wichtiger Schritt ist. 124
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In Mailands Via della Spiga ist das Produkt Mittelpunkt der Inszenierung.
Nachhaltigkeit ist momentan in aller Munde. Wie denkst du über dieses Thema? Es gibt keine Alternative zur Nachhaltigkeit. Schon gar nicht in der Modebranche. Ich habe Kinder, Jennifer Tommasi Bardelle hat Kinder, wir wissen, dass wir für eine bessere Zukunft hart arbeiten müssen. Natur ist die schönste Form der Kunst, allein deshalb verdient sie es, dass wir das Thema ernst nehmen. Es ist nicht immer möglich, echte Nachhaltigkeit mit den Produktionsanforderungen in Einklang zu bringen, aber wir haben uns das als Ziel gesetzt und investieren bereits in diese Richtung. Für uns soll Nachhaltigkeit wirklich gelebt werden und nicht nur Marketingzwecken dienen. Wir arbeiten an recycelten Jeans, versuchen Papierverbrauch zu vermeiden, möchten Plastik drastisch reduzieren usw. Das Thema ist auf unserer Prioritätenliste.
TOM RIPLEY
„ITALIENISCHE QUALITÄT IST FÜR UNS ALTERNATIVLOS“ „The Italian way of Americano“ ist die Subline der Polo- und Strickkollektion Tom Ripley. Hinter der Kollektion stehen die Eigentümer des Polo- und Casualwear-Spezialisten hajo, doch für Tom Ripley setzt man ausschließlich auf italienische Qualität. Im Duett mit deutscher Organisation ein Erfolgs garant, findet Markenmacher Wolfgang Müller. Text: Martina Müllner-Seybold. Fotos: Tom Ripley
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ine deutsche Passform ist einfach immer noch etwas anderes“, lacht Wolfgang Müller. Sein Vater gründete die hajo-Strick GmbH in Weiden, in Sachen Männerpolos eine echte Marktmacht in Deutschland. „Während wir für hajo eigene Werke in China und Indien haben, stand für unsere Premiumkollektion Tom Ripley von Anfang an fest: Wir wollen italienischen Stil und damit auch in Italien produzieren“, berichtet Wolfgang Müller. Was können Italiener denn jetzt besser? „Die Kreativität des Landes ist immer wieder überwältigend. Ich habe mir 2020 die Zeit genommen, alle unsere Lieferanten in Italien zu besuchen und war beeindruckt“, so Wolfgang Müller. „Insbesondere auch die Entwicklungen in Richtung Nachhaltigkeit nehmen jetzt in Italien Fahrt auf, mit italienischer Fully-Fashioned-Produktion schonen wir die Ressourcen.“ Size, Fit und Passform kommen allerdings weiterhin aus Deutschland. „Wir bauen auf jahrelange Erfahrung und begeistern mit Pullis und Polos, die auch großen Männern gut passen.“ Dazu kommt, dass es die Einstiegsmodelle der Kollektion – trotz made in Italy – unter die 100-Euro-Marke schaffen. „Mit einem Merino-V-Pulli in allerbester H2DRY-K-WOOL bieten wir dem Handel eine attraktive Einstiegspreislage, die perfekt zu männlichem Shopping passt. Denn wenn der Pulli sitzt, nimmt ein Mann auch gerne mal einen zweiten oder dritten mit.“ QUALITÄTSVERSPRECHEN
Tom Ripleys Versprechen kommt im Handel gut an. Ein Produkt, das wegen seines stimmigen Preis-Leistungs-Verhältnisses fast selbsterklärend ist. Innovationen wie die pflegeleichte H2DRY-K-WOOL werden auf Hangtags ausführlich erklärt. Diese hochfunktionelle Wollqualität aus der italienischen Spinnerei Zegna Baruffa aus Valle Mosso ist atmungsaktiv, elastisch, knitterfest und pflegeleicht. Neben dieser Wolle
Italienische Qualität gepaart mit Passformen, die dem D-A-CHMarkt perfekt entsprechen: Tom Ripley geht bewusst den Weg des Produktspezialisten. Für Polos, Pullis und neu auch Sweatshirts.
kommen Merino Extrafine, Stereo System (außen Wolle, innen Baumwolle) und neu ab Herbst/Winter 2021/22 auch Pure Cashmere zum Einsatz. Die 30 Modelle der Kollektion überzeugen mit einer Vielfalt bei Strickmustern wie Hebegitter, vertikaler Fischgrat, Chevron-Muster in diagonalem Verlauf oder einem Mix aus Waffle Rib und Seersucker. Die kompakte Produktpalette wird in der aktuellen Saison um Jersey und Sweat ergänzt: „Passend zur Casualisierung und dem Home-Office-Look“, erklärt Wolfgang Müller. Vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen, will man trotzdem nicht. „Sinnvolle Ergänzungen der Kollektion ja, aber wir bleiben Produktspezialist. Sowohl Einkäufer als auch Endverbraucher sollen eine klare Orientierung haben, wofür Tom Ripley steht.“
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SALONGESPRÄCH
AUF GEHT’S!
Das Modeland Italien hat ein herausforderndes Jahr hinter sich: menschlich, wirtschaftlich, politisch. Die Lockdowns haben viele genützt, um Veränderungen voranzutreiben – zu Digitalisierung, Transparenz oder Nachhaltigkeit. Krise heißt hier Chance, Fortschritt und Neufindung. Zum style in progress Zoom-Talk trafen sich Dondup-CEO Matteo Anchisi, Nicolas Bargi, CEO von Save the Duck, Giuseppe D’Amore, Geschäftsführer von FGF Industry), UashmamaMitgründerin Giulia Marconi und die Autorin und Italian Fashion Revolution-Koordinatorin Marina Spadafora. Interview: Janaina Engelmann-Brothánek. Illustration: Simona Gala Baronti
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llen Unkenrufen zum Trotz: In vielen Gesprächen haben wir alle festgestellt, wie positiv die Branche auf die Covid-Krise reagiert. Täuscht dieser Eindruck oder könnt ihr ihn auch bestätigen? Marina Spadafora, Italian Fashion Revolution: Ich habe bereits während des ersten Lockdowns und in den Monaten danach in unzähligen Zoom-Calls und Webinaren immer wieder darüber gesprochen, dass diese Zeit auch eine große Chance darstellt. Ich arbeite als Beraterin mit unterschiedlichen Marken zusammen und weiß, dass es für die Modeindustrie und für die Marken natürlich nicht einfach war und weiterhin ist. Es ist hart. Aber man kann aus dieser Krise gestärkt herauskommen, wenn man den Weg der Innovation und der Nachhaltigkeit einschlägt. Wir haben beobachtet, dass auch Buyer und Endkonsumenten diese Monate genützt haben, um in sich zu gehen und sich mehr und mehr mit Themen wie Umwelt und sozialer Gerechtigkeit auseinanderzusetzen. Dieses Umdenken, diese Revolution kann nicht von null auf hundert passieren. Es ist klar, dass die Industrie nicht von heute auf morgen alles umstellen kann, das erwarten wir auch nicht. Es sind die kleinen Schritte in die richtige Richtung, die sich lohnen werden. Alle Marken, die sich jetzt schon dahingehend verändern oder schon vor der Krise damit angefangen haben, werden davon profitieren. Alle anderen, so unsere Prognose, werden in den nächsten Jahren ein Drittel ihres Umsatzes verlieren. Matteo Anchisi, CEO Dondup: Wer heute ein Unternehmen führt, hat natürlich mit Schwierigkeiten zu kämpfen, manche davon sind größer, andere kleiner. Uns bei Dondup hat es nicht so schwer getroffen, wir haben schon vor längerem den wie wir ihn nennen Detox-Prozess begonnen. Diesen Weg haben wir sehr style in progress
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ernst und gewissenhaft eingeschlagen. Wir investieren in unserer Region und produzieren nur noch lokal. Zudem geht es bei diesem Umdenken nicht nur darum, wo und wie unser Produkt hergestellt wird, sondern auch von wem. Wir wollten für unsere Mitarbeiter ein noch besseres Klima schaffen, so verwendet zum Beispiel unsere Kantine nur lokale Zutaten, im Sommer bieten wir kürzere Arbeitstage an, damit die Mitarbeiter das schöne Wetter genießen können. Das ist unser Investment. Lässt es sich aktuell schon im Umsatz ablesen? Nein. Aber wir können es uns leisten, weil wir einen Fonds hinter uns wissen, wofür ich sehr dankbar bin. Fonds planen langfristig und diese Eigentümerstruktur gibt den Projekten die Zeit, die sie brauchen. Wir sehen auch schon Effekte. Unsere Mitarbeiter sind produktiver und zufriedener – das ist uns wichtig. Nicolas Bargi, CEO Save the Duck: Wir sind vielleicht als Unternehmen atypisch, weil unsere Umstrukturierung zwischen 2008 und 2012 schon genau auf den Prinzipien basierte, die jetzt so relevant sind. Wir haben also schon damals auf nachhaltiges Denken gesetzt und daraus ein komplett animal-free Produkt entwickelt: keine Daune, keine Wolle, keine Seide. 2012 – als noch niemand in unserer Branche ernsthaft über das Thema Nachhaltigkeit gesprochen hat. Außerdem sind wir angetreten, Outdoor und Fashion zu vereinen, wie es amerikanische und deutsche Hersteller schon vorgelebt haben. Dass wir das Umweltthema ernst nehmen, resultierte dann darin, dass wir das erste B-Corp-Unternehmen in der italienischen Modeindustrie waren. Nachhaltig zu werden, ist ein Mammutprojekt und kann nur mit einer gewissen finanziellen Struktur und einer starken Haltung bewältigt werden. Ich bin übrigens auch der Meinung, dass jetzt der Zeitpunkt für diese Wende ist, weil es auch die kommende Generation so fordert. Die jungen Konsumenten weisen seit Jahren darauf hin, dass wir etwas für die Umwelt machen müssen. Eco-friendly und fair sind heute ein Mindset. Vielleicht auch aus Protest gegen die Generation der Eltern, die ja diese Katastrophe zugelassen hat. Trotzdem müssen Brands in den nächsten zehn Jahren diese Schritte einleiten, sonst verlieren sie sicherlich einen großen Teil der Käufer. Giuseppe D’Amore, CEO FGF Industry: Die junge Generation ist ein gutes Stichwort. Das Thema Nachhaltigkeit ist bei dieser Generation sicherlich wichtiger, gleichzeitig aber lassen sie sich auch leicht beeinflussen. Es reicht ein Influencer, der ein nicht umweltfreundliches Produkt vermarktet, und schon ist das Thema weniger relevant. Außerdem gebe ich zu bedenken, dass die Kaufkraft der Gen Z noch limitiert ist und sie alleine deshalb nicht so nachhaltig konsumieren können, wie sie vielleicht wollen. Das heißt, Nachhaltigkeit muss sich rechnen, um breitenwirksam zu sein? Giuseppe D’Amore: Ja, Nachhaltigkeit muss auch in industriellen Maßstäben realisierbar sein. Unsere Gruppe vermarktet unter unseren Marken USA, BPD und noch weiteren Labels 700.000 Jacken pro Jahr. Hundertprozentige Nachhaltigkeit ist bei diesen Stückzahlen bislang noch nicht möglich. Wir haben Capsules, die animal-free sind und versuchen, Daunen zu ersetzen. Der Weg zur kompletten Umstellung ist aber langwierig. Nachhaltigkeit muss ja auch finanziell für die Marke tragbar sein. Ein Unternehmen muss wirtschaftlich arbeiten und hier liegt meiner Meinung nach das Problem. Die ganze Produktionskette müsste umgestellt werden, auch die Lieferanten müssten umdenken, die Preise angepasst werden. Und von der Politik müsste auch mehr Unterstützung kommen. 128
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Nicolas Bargi: Richtig, das Umdenken ist wichtig, genauso aber, dieses Umdenken zu evaluieren. Man kann nicht alle Prozesse komplett umstellen und das Unternehmen eventuell finanziell ruinieren. Dann bist du zwar nachhaltig, aber auch pleite und kannst keine Investments mehr machen. Das ist nicht der Sinn der Sache. Es braucht ein Programm, erst dreijährig, dann zehnjährig und die richtige Kommunikation nach außen. Wir kommunizieren Themen, die uns wichtig sind und unsere Fortschritte, diese Transparenz zahlt sich aus. Marina Spadafora: Als externe Berater in Sachen Nachhaltigkeit ist unsere Idee, Industrie und Marken auf diesem Weg mit viel Aufmerksamkeit, Geduld und ja, sogar Liebe zu begleiten. Wir treten nicht an, um mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Wir erwarten nicht, dass die Branche sofort einen Marathon läuft. Bildlich stelle ich es mir eher wie ein Kind vor, das das Laufen lernen muss. Ich finde es gut, wenn man mit einer CapsuleKollektion anfängt oder auch nur gewisse Bereiche der Firma umstellt. Hauptsache man nimmt den Weg ernst und benutzt Nachhaltigkeit nicht als Feigenblatt in der Kommunikation. Sustainability heißt nämlich auch Kontinuität. Wenn Nachhaltigkeit nur als ein einmaliges Event in den Kollektionen behandelt wird, ist es leider Greenwashing. Giulia Marconi, Mitgründerin Uashmama: Im Vergleich zu den anderen in dieser Runde sind wir eher ein kleines Unternehmen. Für Familienbetriebe wie uns, die außerdem nicht nur Mode, sondern auch Home- und Fashion-Accessoires machen, ist es wahrscheinlich einfacher, ein so großes Thema wie das der Nachhaltigkeit umzusetzen. Wir stellen Produkte aus waschbarem Papier her und das ausschließlich in der Toskana. Wir haben von vornherein die Umwelt zu unserer Priorität gemacht und auch Dank dieser Einstellung konnten wir weltweit erfolgreich werden. In Sachen Digitalisierung hat jetzt auch Italien einen Raketenstart hingelegt – zwangsläufig, aber immerhin! Matteo Anchisi: In diesen harten Monaten des Lockdowns war die Digitalisierung ein Segen. Die digitalen Tools haben uns geholfen, weiterhin Business machen zu können. Ich finde auch, dass uns die Technik zusammengebracht hat. Seit März des letzten Jahres haben wir verschiedene Whatsapp-Gruppen, die absolut hilfreich sind. Und genau hier kommt auch das Zusammenspiel von Technik und Menschlichkeit: Wir haben ein technisches Gerät dafür genutzt, um uns auszutauschen und gegenseitig Mut zuzusprechen. Wir haben durch das Telefon die Wärme und Nähe, für die wir Italiener ja bekannt sind, übermitteln können. Giulia Marconi: Uashmama ist in vielerlei Hinsicht sehr traditionell. Wir sind ein typisch italienischer Familienbetrieb. Mein Vater, meine Mutter, meine drei Schwestern und ich sind alle im Firmenleben involviert. Die Produktion unserer Papierprodukte erfolgt fast komplett In-House und zu 100 Prozent in der Toskana. Sogar die Biobaumwolle wird zwischen Florenz und Lucca gewoben. Nichtsdestotrotz ist Digitalisierung ein großes Thema. Wir haben das, was wir für die nächsten zwei Jahren geplant hatten, vorgezogen und viel in Online investiert. Wir haben z. B. die Website in weitere Sprachen übersetzt und sind auf den Social-Media-Kanälen aktiver geworden. Durch die Interaktion mit unseren Followern haben sich die Onlineverkäufe gut gehalten, insbesondere in Deutschland. Wir freuen uns heute umso mehr, dass wir für Innovation bereit waren. Das ist auch eine mentale Arbeit, die man da leisten muss. Wir vermissen Messen und den persönlichen Kontakt zu unseren Kunden. Unser Produkt muss gesehen und angefasst werden. Wir produzieren ein sehr spezielles Material, ein waschbares Papier, das eine Lederhaptik hat. Das kann man online nicht rüberbrin-
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gen und noch weniger erklären. Die Messen sind deshalb für uns essenziell, wenn es um die Akquise von Neukunden geht. Giuseppe D’Amore: Die Messe ist schon lange nicht mehr nur ein Schaufenster für die neueste Kollektion – es ist ein Treffpunkt für die Akteure unserer Branche. Ich genieße es, diese Menschen ein paar Mal im Jahr persönlich zu treffen und mich ehrlich über alles auszutauschen. Selbstverständlich haben wir unsere Kollektionen auch online orderbar gemacht – das geht, man verkauft auch so. Zudem hat man mit weniger Reisen auch wieder was für die Umwelt getan. Nur das Persönliche, das fehlt uns sehr und wir hoffen, dass wir bald wieder so handeln können wie vor Covid-19 – das brauchen wir Italiener, und bestimmt auch die anderen Länder. Marina Spadafora: Die Krise hat Innovation sichtbarer gemacht – in Italien gibt es ganz wunderbare Firmen, die tolle Entwicklungen in Sachen Materialien gemacht haben, wie z. B. Orange Fiber, Vegea, Frumat. Diese Unternehmen produzieren aus Lebensmittelresten Stoffe, Lederimitate usw. Außerdem hat sich bei den Färbungen viel getan, z. B. mit Graphit oder Ziegelstein. Ich freue mich, dass dieses junge Italien jetzt sichtbar wird. Diese Unternehmen haben einen entscheidenden Vorteil. Weil sie von Anfang an nachhaltig konzipiert wurden, sind sie agiler als die, die Bestehendes umstellen müssen. Nicolas Bargi: Es braucht Mut zur Innovation, speziell dann, wenn man mit sehr traditionellen Strukturen zu tun hat, die noch in vielen italienischen Firmen präsent sind. Das Unternehmen meines Großvaters, Forest, war das größte toskanische Textilunternehmen der Nachkriegszeit und zählte damals schon mehr als 500 Mitarbeiter – der dreht sich im Grab um, wenn er mitbekommt, dass ich unsere Jacken mittlerweile in China produziere. Dieser Schritt hat mich emotional viel gekostet, aber war essenziell, um meine Idee einer animal-free Jacke zu entwickeln, die auch finanziell tragbar ist. In China habe ich fünf Partner gefunden, die all meine stilistischen und technischen Anforderungen für unser Produkt erfüllen. In Italien hätte ich mit grotesk vielen kleinen Unternehmen arbeiten müssen, circa 40 an der Zahl, um die Mengen zu produzieren, die wir brauchen. Diese Zersplittung hätte viel zu viele Variablen in die Rechnung gebracht. Man denke nur an die unterschiedlichen Qualitätsstandards von 40 verschiedenen Betrieben. Wichtig ist mir, dass wir das italienische Design erhalten und so vereinen unsere Produkte das moderne Italien und das, was ich noch von meinem Opa kenne. Matteo Anchisi: Wir hingegen haben uns entschieden, wieder alles in Italien zu produzieren, weil ich das konsequenter für unsere Marke finde. Was machen die anderen? Giulia, ihr produziert in Italien? Giuseppe? Giulia Marconi: Ja, auch jetzt, wo wir global Fuß gefasst haben und eigene Monobrandstores in den USA und Australien betreiben, wollen wir die Produktion weiterhin in Italien halten. Das Made in Tuscany oder Made in Italy hat ein enormes Standing im Ausland und wir leben vom Export. Giuseppe D’Amore: Als Hersteller von Premiumjacken können wir nicht in Italien fertigen. Erstens, weil hier die Volumina nicht möglich sind, zweitens, weil die Verarbeitung der High-Tech-Materialien in Asien fortschrittlicher ist. Und am Ende ist es auch eine Preisfrage – eine Blauer USA Jacke made in Italy würde beim Großteil unserer Kernzielgruppe den finanziellen Rahmen sprengen. Wir würden keine einzige Jacke verkaufen. Nicolas Bargi: Da muss ich Giuseppe recht geben. In Italien kannst du ohne Probleme große Mengen an T-Shirts, Hosen und anderen Bekleidungsstücken herstellen, aber nicht Jacken. Nicht die Jacken, die wir machen, mit innovativem Material und nicht 130
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in diesem Volumen – wir bei Save the Duck machen 600.000 Jacken im Jahr. Über Italiens Zukunft wird viel spekuliert – wagen wir einmal einen Ausblick … Matteo Anchisi: Als Land hat uns diese Krise geeint. Wir haben die Zeit zum Nachdenken genützt, als Unternehmen wie als Gesellschaft. Ich sehe sehr viel Positives und denke, dass Italien den Sprung in die Zukunft umso erfolgreicher meistert, je mehr es sich treu bleibt. Giulia Marconi: Wir haben aus dieser Zeit gelernt, wie unglaublich wichtig der Austausch zwischen den Generationen ist, unsere Eltern oder ältere Mitarbeiter sind krisenfester und haben uns viel mitzugeben. Gleichzeitig dürfen wir ihnen unser digitales Knowhow nahebringen. In diesem Austausch liegt viel Magie. Nicolas Bargi: Unsere DNA als Unternehmen ist nachhaltig, schon in zwei Jahren werden wir einen Anteil von 80 Prozent recycelbare Produkte oder Jacken aus recycelten Materialien aufweisen. Was die Digitalisierung angeht, bin ich der Meinung, dass man es ins Extreme ziehen sollte. Die Digitalisierung muss der Kultur, an die sie sich richtet, angepasst werden. Natürlich müssen wir alle auf Online vorbereitet sein, aber das Leben und das Business gehen auch physisch weiter. Wir dürfen den Endverbraucher nicht vergessen, weder den Onlinekäufer noch den Retail-Kunden. Ein Unternehmen muss alle Kanäle beherrschen, um so auch alle Arten von Käufern bedienen zu können. Ich glaube an eine integrierte Zukunft aus Digitalem und Physischem. Giuseppe D’Amore: Wir von Blauer USA werden weiterhin unsere Jacken auf höchstem Niveau produzieren. Wir werden an der Digitalisierung von Prozessen arbeiten und auch gewisse Themen zu Nachhaltigkeit angehen. Ich stimme auch Nicolas Bargi zu, wenn er sagt, dass es die richtige Mischung aus digitaler und realer Welt sein muss. Retail wird wichtig bleiben und wir müssen ihm weiterhin große Priorität einräumen – und zwar sowohl den großen Departmentstores als auch den kleinen Shops in der Provinz. Was Italien angeht, mach ich mir keine Sorgen. Wir haben eine unglaublich gute Anpassungsfähigkeit, wir werden den Sprung schaffen. Marina Spadafora: Für die Zukunft dieser Branche und für Italien wünsche ich mir Transparenz, Zuverlässigkeit, Lust auf einen Neustart, aber auch Kontinuität. Zudem hoffe ich stark, dass die Hilfen, die uns von der EU zustehen, in Innovation und die junge Generation investiert werden. Junge Leute, die was bewegen möchten, müssen von Institutionen und mit Subventionen unterstützt werden, sonst riskieren wir, eine ganze Generation zu verlieren. Italien muss das erkennen und Mut zeigen, auch politisch. Sind wir uns einig, dass die italienische Politik mehr machen muss? Nicolas Bargi: Welche Institutionen wäre meine erste Frage? Schwieriges Thema. Ich bin 2020 intensiv in Italien gereist, meiner Meinung nach ist unsere Tourismusbranche in den 1970ern stehen geblieben. Wenn wir also nicht einmal in unsere Vorzeigesektoren wie Tourismus – und auch die Mode – investieren … Giuseppe D’Amore: Wir hätten sogar Politiker, die gute und alternative politische Programme hätten. Aber die dürfen nicht regieren … Matteo Anchisi: Die italienische Politik hat uns in der Krise nicht geholfen. Wir sind noch da, weil wir gesunde Unternehmen sind, die zum Glück auf eigenen Beinen stehen. Die Krise wird in der italienischen Modebranche natürlich auch zu einer Selektion führen, es werden die überleben, die ein funktionierendes Businessmodell haben, oder die, die sich erneuern.
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ZIRKULÄR STATT LINEAR Unbestritten, dass Ressourcen im Materialfluss gehalten werden müssen. Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft etablieren sich zunehmend Geschäftsmodelle rund um die Stufen „Sharing und Pre-loved“, „Reuse und Upcycling“ bis hin zu „Closed Loop“. Um den Kreis wirklich zu schließen, braucht es die Industrie ebenso wie den Handel – und die Konsumenten. Text: Stefanie Buchacher. Fotos: Hersteller
eine kurzfristig gewinn- und eigentumsorientierte Wirtschaft zu unterstützen, muss die Modebranche zum Aufbau einer langfristig prosperierenden und teilungsorientierten Weltwirtschaft beitragen.“
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ährlich werden mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke neu produziert und weniger als ein Prozent davon wird recycelt. Während die Weltbevölkerung bis 2030 voraussichtlich auf 8,5 Milliarden Menschen anwachsen und dies zu einer Steigerung der Bekleidungsproduktion um 63 Prozent führen wird, werden Rohstoffe immer knapper. Zwangsläufig stößt das lineare Wirtschaftssystem an die planetaren Grenzen. Was es braucht? „Eine radikale Transformation“, wie es Nachhaltigkeitspionierin Stella McCartney ausdrückt und Dr. Anna Brismar, Gründerin des Circular Fashion Networks, weiterführt: „Wir müssen uns darauf konzentrieren, wertvolle Dienstleistungen anstelle kurzfristiger Produkte zu schaffen. Anstatt weiterhin
ZIRKULARITÄT BEGINNT IM DESIGNPROZESS
Im Gegensatz zum linearen System von Nehmen, Nutzen, Entsorgen ist es Ziel der Kreislaufwirtschaft, Materialien und Rohstoffe nach ihrer Beschaffung dauerhaft im Fluss zu halten. Kleidung soll nach dem Gebrauch nicht als Abfall enden, sondern es soll sich ihr Lebenszyklus durch vielfaches Nutzen so weit verlängern, bis die Materialien wieder zu Rohstoffen recycelt werden und daraus wiederum kreislauffähige Produkte hergestellt werden können. Oder die Textilien zersetzen sich vollständig und rückstandsfrei und werden so wieder in die Natur – in den biologischen Kreislauf – zurückgeführt. Aus Sicht von Sebastian Klinder, Geschäftsführer der Munich Fabric Start, muss die Denkweise, Produkte zu kaufen, zu besitzen und zu entsorgen, überwunden werden. „Der Wert eines Produktes bemisst sich an dessen Langlebigkeit, Produktivität, Funktionalität und Regenerationsstyle in progress
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fähigkeit. Kleidung wird zu Ressourcen-Depots“, sagt Klinder, der rückblickend auf die letzten Messen einen enormen Interessenszugewinn und eine Zunahme der innovativen Textilien bemerkt. „Der Grundstein für funktionierende Circular Fashion wird in der Produktentwicklung gelegt: Design wird komplexer. Nicht nur Optik, Haptik, Passform und Funktionalität spielen eine Rolle, sondern auch Zero-Waste-Fähigkeit, Reversibilität, Modularität, Langlebigkeit, Reparatur- und Recyclingfähigkeit. Und auch die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Stoffe müssen nach neuen Maßstäben bewertet werden.“ DAS MONSTER IM KLEIDERSCHRANK
Ein Umdenken seitens der Industrie und der Gesellschaft ist bemerkbar. Einfluss trägt auch die zunehmend durch jüngere Generationen geprägte Sharing Economy – längst ist es üblich, nicht nur Betten zu teilen oder Mitfahrgelegenheiten anzubieten. Auch propagieren NGOs und Stiftungen seit Jahren ein Wirtschaftssystem, in dem der Verbrauch von Ressourcen auf ein Minimum reduziert wird. Um tatsächlich Veränderungen in diese Richtung zu bewirken, muss die gesamte Textilbranche zusammenarbeiten und sich vor allem viele Unternehmen dieser Vision anschließen. 2017 launchte die Ellen McArthur Foundation die Initiative Make Fashion Circular, während die Global Fashion Agenda zur Unterzeichnung des Circular Fashion System Commitments aufrief und sich mehr als 160 Unternehmen verpflichteten, Kreislaufziele festzulegen, sowie neue, auf Zirkularität ausgelegte Geschäftsmodelle, nachhaltigere Materialien und umweltschonende Technologien (weiter-)zuentwickeln. 2019 zeigte sich, dass die Unterzeichner lediglich 21 Prozent der 213 Ziele für eine Kreislaufwirtschaft in der Mode erreicht haben – und damit die Mode noch weit von Zirkularität entfernt ist. Auch wenn eine Transformation einer Branche, die seit Jahrzehnten auf schnelle Rhythmen und Kostenersparnisse setzt, nicht von heute auf morgen stattfinden kann – nutzen Branchenriesen wie auch Start-ups Kapazitäten, um mit nachhaltige(re)n Systemen, Konzepten und Technologien zu experimentieren. Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft etablieren sich zunehmend Geschäftsmodelle rund um die Stufen „Sharing und Pre-loved“, „Reuse und Upcycling“ bis hin zu „Cosed Loop“. ZIRKULÄRE GESCHÄFTSMODELLE
Auch wenn Tchibo den Share-Service Ende 2020 eingestellt hat, bleibt das Kleider-Abo ein nicht mehr wegzudenkendes Geschäftsmodell: So verleiht das deutsche Start-up Fairnica Kleidungspakete, bestehend aus aufeinander abgestimmten Fair-FashionOutfits, während sich über eine Mitgliedschaft bei Rent The Runway Designerkleidung oder Accessoires mieten lässt. Jüngst startete die Schweizer Laufschuhfirma On den weltweit ersten Abo-Service für Laufschuhe und -bekleidung. Der aus über 50 Prozent aus biobasierten Materialien bestehende PerformanceLaufschuh Cyclon kann nach der Nutzungsphase 134
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gegen ein neues Model eingetauscht und vollständig recycelt werden. Innerhalb der letzten Jahre avancierte ebenso pre-loved Mode im Online- und Fachhandel wie auch High-Fashion-Markt – dank wertig kuratierter Sortimente beispielsweise von Vite En Vogue oder als zusätzliches Segment bei Playern wie &Other Stories oder Zalando, die Secondhandmode direkt und für den Kunden ansprechend integrieren. Bestes Luxusbeispiel ist The Real Real mit bereits getragener Designerkleidung von Burberry, Gucci und anderen. Marken wie Nu In, Silfir, Mud Jeans oder Ecoalf, ebenso auch Sneakermarken wie Nat-2, Womsh oder Thousand Fell haben darüber hinaus den Kreislauf von Anfang an mit nachhaltigen Materialien, saisonunabhängigen Designs, Recyclingfähigkeit und eigenen Rücknahmesystemen einbezogen. Branchenriesen wie H&M, Asos, C&A haben sich ebenfalls kreislauffähige Kollektionen oder Aktionen auf die Agenda gesetzt. Auch startete beispielsweise Zalando in Zusammenarbeit mit dem Berliner Start-up Circular.Fashion ein Pilotprojekt zur Kreislaufwirtschaft. Entwickelt wurde die Kapselkollektion redeZIGN for Cicularity nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft als End-to-End-Lösung – über einen eingenähten QR-Code lassen sich nicht nur Informationen zu Materialien und Produktion erfahren, sondern auch zu Pflege und Rückführung in den Kreislauf. WAS DAS DEM FACHHANDEL BRINGT?
„Der stationäre Handel hat damit die einmalige Chance, sich zu positionieren – und zwar nicht nur als Sales Point, sondern als Activity Point“, skizziert Thimo Schwenzfeier, Show-Direktor der Neonyt. „Als Anziehungspunkt zum Kunden hin, um diesen persönlich oder auch interaktiv einzubinden und so einerseits die Markentreue zu steigern und andererseits neuen Umsatz zu generieren.“ Die Transformation zu einem zirkulären Geschäftsmodell hilft nicht nur, Umwelt- und Ressourcenproblemen entgegenzuwirken, sondern ermöglicht Einzelhändlern, in einer Einzelhandelslandschaft, in der nachhaltige Alternativen auf dem Vormarsch sind, relevant zu bleiben. Das bestätigt auch Lisa Fiedler vom Outdoorspezialisten Vaude: „Bei der Kreislaufwirtschaft spielt der Fachhandel eine enorm wichtige Rolle, Kundinnen und Kunden nicht nur über die richtige Kleidung und Ausrüstung zu informieren, sondern auch über die Möglichkeiten, die sie selbst haben – wie beispielsweise die richtige Pflege, Reparatur, einen möglichen Wiederverkauf und eine sinnvolle Rückgabe.“ Auch bei der Rückgabe bzw. -nahme spielt der Fachhandel eine zentrale Rolle, indem gemeinsam mit der Industrie Rücknahmesysteme aufgebaut und als Schnittstelle zu Recyclern betrieben werden können. Parallel dazu muss aus Sicht von Lisa Fiedler die bewährte Recyclingstruktur ausgebaut werden: „Im Idealfall sollen ausgediente Kleidungsstücke über die Müllentsorgung – so wie wir heute eine Trennung nach Biomüll, Glas oder Plastik kennen – entsorgt werden können, mit einem angeschlossenen echten Recyclingsystem vom alten Textil zur recycelten Faser für ein neues Textil.“ In jedem Fall muss für den Kunden die Rückgabe so einfach wie möglich gestaltet werden, um den Kreislauf wirklich schließen zu können. „Dadurch, dass wir am Anfang dieser Revolution stehen, gibt es verschiedene Wege, die alle funktionieren können“, sagt Schwenzfeier. „Jeder Schritt zählt. Wichtig ist jedoch Kooperation anstelle von Kompetition.“
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Alina Bassi zählt zu den Forbes 30 unter 30 in der Kategorie „Fertigung und Industrie“.
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„WIR WANDELN TEXTILABFALL IN EIN 100 PROZENT NACHHALTIGES MATERIAL UM“ Alina Bassi gründete 2019 das in Berlin ansässige Start-up Kleiderly, nachdem sie in verschiedenen Entwicklungsländern die Auswirkungen von Kleidung, die auf Deponien als Müll lagern, erlebte.
Welche Technologie verwenden Sie? Ich habe ein industrielles Verfahren entwickelt, um Textilien in eine Kunststoffalternative umzuwandeln. Kleiderly verhindert, dass Kleidungsabfälle auf Mülldeponien oder in Verbrennungsanlagen landen. Das Ergebnis ist ein robustes, haltbares Material, das zu 100 Prozent recycelbar ist und auf den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft basiert. Das Material kann nahtlos verwendet werden, genau wie Kunststoffe, daher kann es verwendet werden, um alles herzustellen, von Kleiderbügeln über Kunststoff-Diebstahlsicherungsetiketten bis hin zu Möbeln, Koffern und vielem mehr. Die Möglichkeiten sind endlos und unsere Technologie ist zum Patent angemeldet. Was ist die Herausforderung bei der Kreislaufwirtschaft? Die größte Herausforderung in der Kreislaufwirtschaft ist der Mangel an angemessener Bildung und Information darüber, was genau
Kreislaufwirtschaftsdesign ist und wie uns dies sowohl aus gesellschaftlicher als auch aus ökologischer Sicht zugute kommen kann. Das ist eine unserer Missionen bei Kleiderly. Wir teilen konsequent Inhalte über die Probleme mit Abfällen, wo Abfälle landen, was Mülldeponien oder Verbrennungsanlagen sind und wie eine Kreislaufwirtschaft uns bei diesen Herausforderungen helfen kann. Was sind deine nächsten Schritte? Wir befinden uns derzeit mit Kleiderly an einem Wendepunkt, da wir bald unser erstes Produkt auf den Markt bringen. Wir konzentrieren uns auch darauf, unsere Lösung Einzelhändlern und Marken anzubieten, die ihren CO2-Fußabdruck reduzieren möchten. Ich spreche mit vielen der großen Modehändler und -marken in der Branche über mögliche Kooperationen und Markenbekanntheit.
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„CIRCULAR FASHION LÄSST SICH NICHT MEHR WEGDISKUTIEREN“ Marcus Schönhart, geschäftsführender Gesellschafter von Reverse Retail, glaubt daran, dass Resale zukünftig ein ganz natürlicher Bestandteil des Fashionhandels sein wird.
Wie schätzen Sie die Entwicklung von Resale/Circular in den nächsten Jahren ein? Es gibt seriöse Studien, die besagen, dass der CircularFashion-Markt in wenigen Jahren größer sein wird, als der heutige Fast-Fashion-Markt. Unabhängig davon, ob diese Prognosen vollständig erreicht werden, ist heute schon klar, dass sich der Circular-Fashion-Markt etabliert hat und eine relevante Rolle im Fashionmarkt spielen wird. Welche Vorteile bringt Resale integriert im gut sortierten (stationär wie online) Handel? Für uns hat das zwei Seiten – zum einen veranstalten wir mit etablierten Handelspartnern wie Breuninger, KaDeWe, Engelhorn etc. Ankaufevents, auf denen wir den Endverbrauchern die nicht mehr geliebten Fashionartikel abkaufen und diese dafür einen Gutschein des Händlers erhalten. Somit zahlen diese Events umgehend in den Umsatz des Handelspartners ein. Auf der anderen Seite verkaufen wir über Onlinekooperationen oder auch offline Pop-up-Flächen Secondhandmode an den Endverbraucher. Und zudem zahlt eine Kooperation mit uns direkt in die Nachhaltigkeitsstrategie des Händlers ein – somit profitieren die Händler, deren Kunden und wir.
Resale zwischen Firstsale: „Auch im Automobilsektor ist es völlig üblich und etabliert, dass jeder Neuwagenhändler auch Gebrauchtwagen verkauft.“ Marcus Schönhart von Reverse Retail.
„CIRCULAR FASHION HAT VIEL MIT RÜCKVERFOLGBARKEIT UND INFORMATION ZU TUN“ Mit Circular.Fashion berät Mitbegründerin Ina Budde Unternehmen zur Kreislaufwirtschaft und brachte mit Zalando die erste Kreislaufkollektion heraus.
Ina Budde von Circular.Fashion: „Es gibt viele technische Lösungen – jetzt müssen wir Mengen dahinter bekommen, sodass regenerative Fasern wirtschaftlich werden.“
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Was macht Circular.Fashion? Wir entwickeln Tools und Services für kreislauffähige Designs und helfen dabei, Infrastrukturen sowie Recycling- und Sortierverfahren zu verbessern, um ein wirkliches Faser-zuFaser-Recycling zu ermöglichen. Dafür haben wir ein Netzwerk aus Recycling- und Sortierbetrieben, Lieferanten von kreislauffähigen Materialien und Unternehmen aufgebaut. Wir verbinden alle Akteure auf unserer Plattform und bieten Modemarken die Dienste dieses Netzwerks an. Zudem haben wir unsere circularity.ID entwickelt, ein scanbares Etikett, über das alle für ein Kleidungsstück wichtigen Informationen nachverfolgbar und abrufbar sind – von Herstellung über Materialzusammensetzungen, Pflegehinweisen bis hin zu Informationen, welches Recyclingunternehmen geeignet ist. Es ist wichtig, Kundinnen und Kunden wirklich mit einzubinden. Wie gelingt der Switch zur Kreislauffähigkeit? Viele Unternehmen haben Sorge, von Anfang an nicht 100 Prozent kreislauffähig zu sein. Es ist immer die große Frage: Wo fängt man an? Zuerst alle Produkte kreislauffähig gestalten, bevor die Rücknahme steht? Oder erst die Rücknahme aufbauen, damit es überhaupt Sinn macht, kreislauffähige Produkte zu gestalten? Eine holistische Vision ist aus unserer Perspektive essenziell und wir können daher mit unseren Lösungen direkt auf beiden Ebenen gleichzeitig unterstützen. Das Wichtigste allerdings ist, überhaupt anzufangen und das ganzheitliche Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Dabei spielt es weniger eine Rolle, welcher Schritt der erste ist.
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Marco Götz und Patrick Braun: „Auch in unabwägbaren Zeiten gibt es Chancen – und das macht Mut für die Zukunft.“
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„ABSTAND VON DER GLEICHGÜLTIGKEIT“ Auch Drykorn blickt auf ein toughes Jahr zurück. Ein Jahr, das das Unternehmen genutzt hat, um den Herausforderungen mit Innovationsgeist, Reliabilität und einer klaren Haltung zu kontern. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Marco Götz und Head of Brand Communication Patrick Braun. Interview: Stephan Huber. Text: Stefanie Buchacher. Fotos: Drykorn
2020 war sehr turbulent und hat die ganze Wirtschaft durchgerüttelt. Dennoch ist Drykorn mit vielen Neuerungen an den Start gegangen. Lässt sich die Krise auch als Motor verstehen? Marco Götz: Bei uns eindeutig. Wir haben unterschiedliche Bereiche, wie unseren eige138
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nen E-Commerce, den wir deutlich verstärkt haben. Vor allem haben wir unsere digitalen Prozesse verändert, eine komplette Integration von der Kollektionsentwicklung, die wirklich bis auf den Entwurf des einzelnen Modells digital abläuft, über die Erstellung des Bildmaterials bis hin zur digitalen Order. Vor einem Jahr hätte ich gesagt, hierfür bräuchten wir fünf Jahre und gebraucht haben wir drei Monate – die Konsequenz war eine ganz andere. Quer durch die Branche lässt sich beobachten, dass sich viele Unternehmen aus der Notwendigkeit heraus die eigene Tätigkeit viel genauer ansehen mussten und viel für die Zukunft gelernt haben. Ohne die letzten Monate beschönigen zu wollen, lässt sich sagen, dass unsere Bran-
che gesünder, zukunftszugewandter und fokussierter hervorgeht. Marco Götz: Unternehmen, die die Möglichkeit haben oder hatten, sich auf Veränderungen schnell einzustellen, werden sicherlich positive Ergebnisse in der Zukunft erzielen. Es fordert Stärke und Dynamik, um sich im Markt erfolgreich zu behaupten. Die Ruhe und der zeitweise Stillstand erlaubten es, nicht nur die markttechnischen Möglichkeiten, sondern vor allem die eigenen Möglichkeiten im Unternehmen auszuloten: Mit welchen Ressourcen kann ich was erreichen und wie setze ich diese richtig ein? Hier hat ein großes Umdenken stattgefunden. Vergleichbare Effekte lassen sich auch gerade beim inhabergeführten Fachhandel feststellen, der sich als wesentlich resisten-
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Mode, die auch Haltung kommuniziert: Drykorn.
ter und zukunftsfähiger bewiesen hat. Inwieweit trifft dies auch für den Fachhandel zu, der größtenteils positive Entwicklungen vorweisen kann? Marco Götz: In den letzten Monaten war Unternehmertum gefordert, eine kurze Meinungskette und keine Angst vor Entscheidungen. Das kam inhabergeführten Fachhändlern und Boutiquen zugute, sie mussten wirklich handeln. Vorher konnten sie handeln, jetzt hatten sie keine Option mehr – diese fehlende Option ist bei vielen in Motivation umgeschlagen. Was vorher vielleicht aus Rendite- oder Kostensicht nicht relevant war, war jetzt eine Möglichkeit, Umsatz zu machen und mit Kunden in Kontakt zu treten, z. B. über Instagram. Kleinere Player konnten sich besser behaupten als große filialisierte Händler. Der Stillstand hat auch gezeigt, wie wichtig der Kontakt zum Kunden ist und wie stark die Treue der Kunden zum Händler ist. Beratung ist Personal Business und es geht immer darum, wie man dem Kunden einen Mehrwert bieten kann. Das zeigt, dass es auch in unabwägbaren Zeiten Chancen gibt – und das macht Mut für die Zukunft. In den letzten Monaten ist die Außenkommunikation von Drykorn rougher geworden, eine starke Veränderung im Narrativ mit sehr klaren Botschaften. Was steckt dahinter? Marco Götz: Wir wollten von der Gleichgültigkeit Abstand nehmen. Es gibt Dinge, die uns am Herzen liegen und die wir kommunizieren wollen, ohne hochpolitisch zu sein. Patrick Braun: Wir haben früher viel mit Augenzwinkern gemacht, unsere DrykornIronie. Sich selbst nicht ganz so ernst zu nehmen, war ein schönes Stilmittel. In der letzten Zeit war es uns wichtiger, unsere Haltung zu kommunizieren – und gerade nach dem Lockdown wollten wir Botschaften senden, die den Leuten Kraft geben. Wie beispielsweise eine Kooperation mit dem Künstler Eike König, aus der wir unsere „Future Now“-Kampagne entwickelt haben. Indem wir angefangen haben, direkter zu kommunizieren, ist ein wirklicher Dialog entstanden. Marco Götz: Unseren Händlern haben wir zum Beispiel „Future Now“-Shirts geschickt, um zu zeigen, dass es weitergeht und dass wir gemeinsam durch diese Krise gehen. Obwohl das nur eine kleine Geste war, haben wir Wochen später immer noch gute Reaktionen bekommen. Aus vielen Gesprächen kristallisiert sich heraus, dass Partnerschaft und deren Notwendigkeit an Bedeutung gewonnen haben. Ist es die Erkenntnis, dass, wenn man im gleichen Boot sitzt, auch miteinander rudert? Marco Götz: Es kommt immer auf die Situation an. Glücklicherweise haben wir erfolgreiche Jahre hinter uns, die uns die
Möglichkeit gegeben haben, partnerschaftlich zu handeln, Entgegenkommen zu zeigen und Hilfestellungen zu leisten. Vielmehr geht es uns darum, eine optimistische Zukunft aufzuzeigen. Ich bin überzeugt, dass es einen Sprungfedereffekt geben wird und ich glaube, dass wir als Branche, wenn wir Flexibilität beweisen, ab dem kommenden Frühjahr wieder erfolgreich agieren können. Zunehmend lässt sich eine Auflösung des starren Saisonen-Korsetts beobachten – hin zu thematischen Capsules oder Limited Editions. Wird es durch die Anforderungen der letzten Monate zu einer Verschiebung der Rhythmen kommen? Marco Götz: Die Produktionsrhythmen sind relativ fix. Wir versuchen viel hinsichtlich der Kurzfristigkeit zu verändern. Es geht nicht darum, kurzfristigen Bedarf zu decken, sondern künftigen Bedarf zu erkennen und zu versorgen. Als Basis haben wir zwei Hauptkollektionen und darum herum bieten wir immer mehr, um unsere Haltung zu kommunizieren, unsere Ideen weiterzuentwickeln und um Attraktivität und Relevanz gegenüber unseren Konsumenten zu behalten. Mittlerweile haben wir etwa acht bis zehn Aktivitäten pro Jahr – und dabei geht es uns nicht um modische Themen, sondern Themen aus anderen Bereichen wie unsere Aktionen „Verantwortung tragen“ oder „One Warm Winter“. Uns geht es weniger darum, viele Klamotten zu verkaufen, sondern um eine gewisse Einzigartigkeit und Limitierung. Patrick Braun: Über Capsules versuchen wir, relevante Themen des Zeitgeistes zu bespielen und auf wichtige Dinge aufmerksam zu machen, wie bei der Initiative „Verantwortung tragen“, die wir unterstützt haben. Wir haben ein T-Shirt entworfen und die Erlöse gehen an die Organisation Sea Watch. Auch hierbei geht es uns nicht um Politik, sondern um Menschlichkeit. Solche Aktionen machen wir nicht aus einer Marketingentscheidung heraus, sondern weil wir sie wirklich tun und damit etwas Gutes bewirken möchten. Die Veränderung der Arbeitskultur beeinflusst auch die Bekleidungskultur hin zu einer zunehmenden Casualisierung. Wie geht Drykorn mit diesem Paradigmenwechsel um, schließlich ist Konfektion Kernbestandteil? Marco Götz: Konfektion ist immer ein wichtiger Bestandteil, aber bereits seit ein paar Saisons zeichnet sich ein leichter Rückgang ab, den wir durch andere Produktgruppen und Themen kompensieren konnten. Es wird bedarfsorientierter gekauft werden. Ich denke, die Nachfrage nach Konfektion wird wieder leicht steigen – nicht mehr jedoch in dem Maße, das wir einmal kannten. Unabhängig davon wird sich die Mode weiterhin verändern, allein weil unsere Kinder nicht aussehen möchten wie ihre Eltern. style in progress
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Selbst der Teaser für die BPOP-Capsule wurde mit viel Liebe in Zusammenarbeit mit dem international bekannten Illustrator François Berthoud gestaltet.
„Ich bin immer wieder von der Stärke der Marke Bogner in der internationalen Wahrnehmung beeindruckt“, sagt Heinz Hackl. Er verantwortet als Co-CEO die Bereiche Sales, Design, Marketing & Lizenzen bei Bogner in München.
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NEWNESS MIT CAPSULE COLLECTIONS Bogner schärft mit exklusiven Capsule Collections in der kommenden Herbst-/ Winter-Saison 2021 die Fashionaussage. Genialer Coup: Kreative Kooperationen, wie mit dem britischen Pop Magazine und Fashion Editor Tamara Rothstein, verleihen Bogner eine Extraportion Coolness und erschließen neue Zielgruppen. So ist die BPOP getaufte Kooperationskollektion von Heritage-Styles und Lady Diana inspiriert, die als großer Fan der Marke Bogner galt. Text: Martina Müllner-Seybold. Fotos: Bogner
Schlanker, wendiger, agiler – genau dieses Image vermittelt Bogner unter der Leitung der beiden Co-CEOs Gerrit Schneider und Heinz Hackl. Für den kommenden Herbst/ Winter 2021 verknüpft das Traditionsunternehmen geschickt die außergewöhnliche Markengeschichte mit zeitgenössischen Designakzenten. Der Fashiongrad des Münchner Unternehmens hat sich im Laufe der letzten Saisons, unter anderem durch die Zusammenarbeit mit globalen Wholesale-Partnern aus dem Luxussegment, wie net-a-porter, Matches Fashion oder Mytheresa, kontinuierlich gesteigert. „Etwas Neues zu schaffen, geht nicht nur mit dem Blick in den Rückspiegel“, sagt 140
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Heinz Hackl, Co-CEO von Bogner. „Unsere Kunden weltweit sind anspruchsvoll. Sie erwarten eine schnelle Taktung, Progression und eine hohe Exklusivität. Bogner steht seit jeher für eine besondere Sportlichkeit, jedoch immer mit modischer Eleganz. Mit den exklusiven Capsule Collections werden wir den aktuellen Kundenentwicklungen gerecht und bleiben dennoch unserem Markenprofil treu.“ GROSSMEISTER DES STORYTELLINGS
2021 macht Bogner die nächsten Schritte in Richtung Nachhaltigkeit und definiert für sich selbst eine eigene Bogner Circular Mission. Im Rahmen dessen wird bereits im Herbst/Winter die Bogner x Econyl Kapsel lanciert: eine gezielte Auswahl starker Styles aus Econyl, einem recycelten Nylongarn. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsbestrebung kommt zusätzlich im kommenden Winter auch erstmals recycelter Cashmere zum Einsatz. „Hypes nehmen heute deutlich schneller an Fahrt auf, sind aber oft auch nur sehr kurzlebig. Den Nerv der Zeit zu treffen und dabei das Thema Nachhaltigkeit nicht aus den Augen zu verlieren, ist von entscheidender Bedeutung“, ist Heinz Hackl überzeugt. Das Storytelling der einzelnen Kapselkollektionen ist deshalb bereits im Entstehungsprozess ein wichtiger Aspekt. Bogners exklusive BPOP Capsule, die im September 2021 gelauncht wird, wurde in Kooperation mit dem britischen Pop Magazine kreiert. Die renommierte Moderedakteurin Tamara Rothstein zollt mit dem Oversized-Look, inspiriert von Bogner Heritage-Styles und ikonischen
Farbwelten den 1980er-Jahren Tribut und erinnert an die Looks von Lady Diana oder Madonna. Nur maximal 30 ausgewählte Kunden weltweit werden BPOP im Winter 2021 führen. Inszeniert wird die Capsule zudem in einer mehr als 30-seitigen Strecke von der deutsch-koreanischen Modefotografin Heji Shin in der Herbst-/Winter-Ausgabe des Pop Magazines. „Willy Bogner hat mit seinen Filmen und seiner Art, Kollektionen als Geschichten zu inszenieren, bereits in den 1960er- und 70er-Jahren unschätzbare Pionierarbeit geleistet. Derselbe Geist wohnt unserer Art des modernen Bogner Storytellings inne“, so der Co-CEO weiter. „Als Organisation haben wir an Geschwindigkeit gewonnen“, freut sich Heinz Hackl. Doch Agilität ist nur die eine Komponente, Kontinuität die andere. Icons, wie das Bogner Jacket, welches sommers wie winters in verschiedenen Varianten angeboten wird, sind fest in der Bogner-DNA verankert. Bereits 1957 entwickelte Maria Bogner ihre erste Interpretation der Daunenjacke. Was folgte, war eine kontinuierliche Weiterentwicklung des heutigen Klassikers in jeder Kollektion. Solch ikonische Styles sind Markenanker, die den Wiedererkennungswert steigern und den Kundenwünschen entsprechen. Heinz Hackl fasst zusammen: „Customer Centricity steht für uns im Fokus und wir haben das große Glück, so viele treue Kunden zu haben, die seit Jahren BognerFans sind. Unsere Aufgabe ist es, unserem Stil treu zu bleiben, die Kollektionen aber gleichzeitig mit dem richtigen Athluxury-Zeitgeist aufzuladen.“
Er kann beides: weit nach vorne schauen und im Moment leben – Marco Lanowy von Alberto.
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REIN IN DIE KOMFORTZONE Dem erneuten Casualisierungsschub bei Hosen und Jeans sieht Premiumspezialist Alberto gelassen entgegen. „Dass man in unserer Hose auch bequem auf der Couch lümmeln kann, ist ohnehin unser Anspruch“, so Geschäftsführer Marco Lanowy im Gespräch mit style in progress. Text: Martina Müllner-Seybold. Fotos: Alberto
„Ich beschäftige mich gerade intensiv mit Ethik“, sagt Marco Lanowy und markiert damit die Geisteshaltung eines vorausschauenden Geschäftsführers, der auch in turbulenten Zeiten den Blick fürs große Ganze nicht verliert. Abgehoben? Nein, handfest, denn ist es nicht gerade die Haltung einer Marke, die in diesen Tagen so entscheidend ist? „Unsere Aufgabe ist es, die Lunte im Voraus zu riechen. So hat Alberto zum Beispiel schon als der Dezember-/Januar-Lockdown im Raum stand, alle Händler kontaktiert, ob die Januar-Liefertermine wie geplant ausgeliefert werden sollen“, erzählt Marco Lanowy. CODE OF FUTURE
„Es gibt mehr gute Händler da draußen, als man vermutet, das ist eine der großen Erkenntnisse aus 2020. Mit solchen unternehmerischen Persönlichkeiten als Partner ist man als Fachhandelsmarke zukunftsfähig. Doch gerade mit diesen außergewöhnlichen Menschen, ist mir wichtig, dass nicht Kalkulation und Konditionen über allem stehen. Ich sage gerne, pardon my french: Kalkulation und Konditionen sehen im Schaufenster scheiße aus“, schmunzelt Marco Lanowy. „Und das gleiche gilt für mich für Nachhal-
Casualisierung? Diesen Geist atmen die Hosen von Alberto längst, denn auch wenn sie angezogen aussehen, ist ihr Komfort immer schon das Argument, das Männer wieder kaufen lässt.
tigkeit und Transparenz. So, wie wir sie heute kommunizieren, ist das Info für ein Hangtag, aber sicher nicht für das, was am Point of Sale stattfinden soll. In der physischen Begegnung geht es um Emotion, Begeisterung, Begehrlichkeit, wir sollten uns tief auf den Zauber einlassen, den nur ein Laden mit seiner Menschlichkeit bieten kann.“ Für seine eigene Kommunikation hat Alberto ein Format gefunden, wie alle Puzzlesteine, aus denen sich die Haltung der Marke zusammensetzt, kommuniziert werden: AZine heißt ein redaktionell getriebenes Format auf der Website, das vom langjährigen Hosenmodel bis zum Golf-Pro viele spannende Persönlichkeiten vorstellt. Je intensiver man sich mit dem Alberto-Kosmos beschäftigt, umso deutlicher wird die Botschaft: Hose ist eine Haltung. WACHSTUM DURCH EFFIZIENZ
Braucht die Hose 2021 noch viel mehr Casualchic, wollen wir von Marco Lanowy wissen: „Es war schon immer unser An-
spruch, dass man sich in unseren Hosen auch einen gemütlichen Feierabend auf der Couch machen kann. Wenn ein Kunde diesen Komfort besser versteht, wenn zwei Joggingkordeln am Bund baumeln, haben wir sie selbstverständlich. In unserem Laden allerdings machen wir gerade eine sehr interessante andere Beobachtung: Hosen, die besonders wertvoll und haptisch anspruchsvoll aussehen, finden Anklang. Vielleicht ist der Kunde also auch schon Jogginghosenmüde.“ Doch in Mönchengladbach weiß man: Nicht das eine oder das andere, sondern das eine und das andere machen die Stärke eines Spezialisten aus. „In den nächsten Jahren kann Wachstum nur durch mehr Effizienz entstehen. Wir wollen also eine diverse, aber präzise Kollektion anbieten. Seine Kompetenz ständig zu schärfen, hat sehr ursprünglich etwas mit Nachhaltigkeit zu tun. Und Nachhaltigkeit hat sehr ursprünglich mit Haltung zu tun“, schließt Marco Lanowy den Kreis.
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Mattia d’Orlando verantwortet Myths als Exportmanager.
Viel Research und Experimentierfreude, aber auch italienische Stilistik machen die Hosen von Myths aus.
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„WIR WOLLEN UNVERGLEICHLICH SEIN“ Wie kaum eine andere Hosenkollektion steht Myths für Innovation, allem voran im Material. Das Ziel? Im Markt sollen die Hosen einzigartig sein, wie Exportmanager Mattia d’Orlando im Interview erklärt. Interview: Nicoletta Schaper. Fotos: Myths
Mattia, lässt sich die Hose neu erfinden? In gewisser Weise, ja. Wir haben es uns bei Myths zur Aufgabe gemacht, ein neues Konzept für Hosen zu kreieren. Unsere Stärke sind ganz besondere Vintage-Effekte und hochentwickelte Treatments, um mit den Hosen unvergleichlich zu sein. Mit unserer Frosted Wool ist uns beispielsweise eine Innovation gelungen, womit wir die Ersten am Markt waren. Der Vintage-Effekt der garment-dyed Teile ist ebenso wie die Haptik etwas Einzigartiges. Heute ist Frosted Wool unsere Signature im Markt, zumal uns das in sämtlichen Märkten die Türen geöffnet hat. Darauf bauen wir weiter auf. 142
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Wie arbeitet das Team von Myths, um das Unvergleichliche möglich zu machen? Mit Mut zum Experiment und mit der Geduld, die es für Innovation braucht. Innerhalb von 40 Jahren hat unser Unternehmen GDM das Know-how und das Produkt weiterentwickelt. Zur aktuellen Saison ergänzen wir unsere Frosted-Wool- und Frosted-Flanel-Styles mit einem garment-dyed Baumwollcord, der einem ähnlichen Verfahren unterzogen wird. Damit haben wir ein rundes Angebot für Hosen mit unserem besonderen Vintage-Effekt, noch dazu in vielen Farben. Ebenfalls neu sind unsere active garment-dyed Pants aus Wolle und Baumwolle, die auf all unserer Forschung der letzten vier Jahre aufbauen und die in gewisser Weise unsere Masterpieces sind. Mit besonderen Kapseln reagieren wir gezielt auf den anspruchsvollen Markt und bringen mit unserer Limited Edition Luxury nur 499 Hosen heraus, einem hochwertigen Gemisch aus recycelter Wolle mit recyceltem Polyester, die in einer besonderen Verpackung geliefert werden. Im Juni gibt es eine weitere Kapsel mit Liefertermin September zu ordern, die in Koope-
ration mit den bekannten Produktdesignern Spalvieri & DelCiotto entworfen wird. Auch damit wollen wir für das Besondere stehen. Bei aller Innovation ist es für uns wichtig, das Preis-Leistungs-Verhältnis zu halten. Hosen aus Baumwolle kosten zwischen 169 und 199 Euro im VK und Wool-Frosted-Pants zwischen 249 und 279 Euro. Eure stärksten Märkte sind neben Italien Skandinavien und Deutschland. Was habt ihr erreicht und wonach greift ihr in Zukunft? In den letzten zwei Saisons hat die Menswear ein Umsatzplus von zehn Prozent verzeichnet und die Womenswear 30 Prozent, das ist ein gutes Ergebnis für ein schwieriges Jahr. Wir sind stolz darauf, Topkunden in Deutschland und Österreich wie Daniels, Lodenfrey, Helmut Eder und Dantendorfer zu unseren Partnern zählen zu dürfen. Gemeinsam mit Heritage Showroom wollen wir unsere Handelspartnerschaften weiter vertiefen, etwa mit Kooperationen, Schaufenstern und Pop-up-Flächen. Wir teilen dieselbe Idee, und wir können nur gemeinsam miteinander erfolgreich sein.
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SoSue ist All-Season: Pullis, Kleider, Jeans, Sweater, Strickjacken, Hoodies oder Röcke können das ganze Jahr über getragen werden.
Sue Giers verbindet gute Geschichten mit guter Mode.
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ZUM ANGREIFEN Für die Fans ihrer Marke ist Sue Giers das perfekte Rolemodel. Mit ihrem Kosmos aus dem Label SoSue, einem eigenen Blogzine und dem dazu passenden Multilabel-Onlineshop hält sie ihre Community auf Instagram auf dem Laufenden. Doch auch die echte Nähe wird kultiviert – bei der persönlichen Order für Handelskunden oder bei Events mit Stores. Interview: Kay Alexander Plonka. Fotos: Anna Daki/SoSue
SoSue ist bei großen Onlineanbietern wie Douglas oder About you vertreten und bei inhabergeführten Independent Stores wie Lindner oder AprilFirst. Warum verträgt sich das so gut miteinander? About you und Douglas sind super Verkaufsplattformen, an die wir glauben, weil sie nicht nur Mainstream, sondern auch Content getrieben sind. Besonders Douglas und die neuen Strategien von Tina Müller in Bezug auf Ausbau des Premiumsegments und Diversity-Themen, für die sie sich einsetzt, haben uns überzeugt. Wir sind das erste Modelabel bei Douglas und es funktioniert gut. Da ich selbst Ageless Beauty-Ambassador von Douglas bin und regelmäßig Kolumnen im Douglas-Magazin schreibe, ist auch ein Ver-
kauf über diese Plattform konsequent. Aber auch der Einzelhandel in den Städten ist uns sehr wichtig. Sie sind unsere Offlinefenster zu unserer Community, die sich immer wieder gern auch ein „handfeel“ und reales Kauferlebnis in ihrer Nähe wünschen. Es ist spannend, zu sehen, wie unterschiedlich der Einzelhandel regional bedingt einkauft. Für Viele sind wir mit unseren Tops und Kleidern eine schöne Ergänzung ihrer Kollektion, für Händler wie Frl. Schumacher oder Ortner sind wir mittlerweile eine Vollkollektion. Welche Fehler gilt es, zu vermeiden, damit das Offlinegeschäft nicht von Onlineverkäufen kannibalisiert wird? Aus unserer Sicht kann die Beratung viel besser im Laden stattfinden, das können wir online nicht so gut leisten. Die Verkäuferin kennt ihre Kundin und kann authentisch vermitteln, was genau ihr steht und wie sie es stylen kann. Online können wir inspirieren und unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten zeigen. Das sind reale Bilder an realen Frauen und keine Lookbook-Modelle. Bei Pop-up-Events haben wir gern unsere Laptops dabei, damit wir auch parallel online zeigen können, wie unsere Styles schon mal kombiniert wurden. Wie wichtig ist, dass du selbst regelmäßig bei deinen Händlern präsent bist und was nimmst du aus den Endverbraucher
innengesprächen in die Kollektionsentwicklung mit? Ohne die Begeisterung und die Nähe zu unseren Kunden und Followern – offline wie online – gäbe es uns nicht. Wir brauchen reales und virtuelles Feedback. Gern stimmen wir Farben und Materialien mit unseren Followern per Votings ab. Das hilft uns enorm in den Orderprozessen, vor allem bei den Stückzahlen. Nichts ist schöner, als direktes Feedback bei unseren Events zu bekommen. Der Glow in den Augen und die Körpersprache, wenn eine Kundin von einem Style begeistert ist, sind einfach unbezahlbar und für uns Motivation und Inspiration pur. Vor allem Tops zu kreieren, die divers sind – also wirklich vielen Frauen passen – ist für uns Anspruch und Herausforderung zugleich. Aber auch unsere Händler geben uns sehr gerne Feedback. Wir haben keine Vertriebsagentur. Die etwa 40 Händler in Deutschland und fünf in Österreich und der Schweiz sind proaktiv an uns herangetreten. Es zeigt ihr echtes Interesse und die Leidenschaft, SoSue führen zu wollen. Im Gegenzug gehen wir offen und fair mit Anfragen von Shops aus der gleichen Stadt um. Da schauen wir genau hin und entscheiden nicht immer strategisch, sondern auch gerne mal emotional, wen wir beliefern. Lesen Sie die ganze Version des Gesprächs auf www.style-in-progress.com.
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BE PART Wo in der neuen Systematik wir Menschen bleiben? Ganz einfach: Sie sind diejenigen, die mit Entschlossenheit und Unternehmergeist die richtigen Hebel in Bewegung setzen. Tugenden, die das Krisenjahr 2020 wieder an die Oberfläche gebracht hat. Die Zukunft gehört denen, die sie gestalten.
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ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT Einen ganzen Tag durchs Kaufhaus flanieren, Departement für Departement entdecken: Was bis vor kurzem noch eine reizvolle Vorstellung war, hat in diesen Zeiten seinen Glanz verloren. Die so wichtige internationale Kundschaft fällt weg, der Kampf des Kaufhauses um seine Existenz geht in die nächste Runde. Aus den USA schwappen unterdessen Schreckens szenarien über den Atlantik. Die Krise als Chance? Text: Petrina Engelke. Fotos: Lupi Spuma, Gesprächspartner
EIN UNTERGANGSSZENARIO ALS AUSGANGSLAGE
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is Neujahr 2021 soll mehr als die Hälfte der Kaufhäuser verschwunden sein, die in den USA als Anker für Malls dienen, sagte eine Studie von Green Street Advisors im Sommer 2020 voraus. Ohnehin sind nur noch wenige der mehr als 200 Namen übrig, die Mitte des 20. Jahrhunderts die US-Kaufhauslandschaft prägten. Mit einem Paukenschlag setzte Neiman Marcus im März 2019 ein Gegengewicht und unterschrieb einen 50-Jahres-Vertrag für den Einzug in New Yorks schöne neue Welt namens Hudson Yards. 16 Monate später war das Luxuskaufhaus schon wieder weg – und pleite, ebenso wie andere bekannte US-Häuser wie Barneys, Lord & Taylor, J.C. Penney oder Sears.
Das Phänomen hieß schon „Retail Apocalypse“, als noch niemand ahnte, dass im Jahr 2020 ein Virus Menschenleben und Geschäfte bedrohen würde. Jetzt lässt sich das Grauen kaum noch übertreffen. Die Zukunft der Kaufhäuser fängt mit Endzeitstimmung an. Welche Gestalt diese Zukunft annimmt, ist deshalb auch eine Frage der Perspektive. Gibt es nach dem Verschwinden der altbekannten Kaufhauslandschaft ein Ödland – oder eine Leere, die sich mit guten Ideen bevölkern lässt? Den US-Kaufhausexperten Jan Kniffen hat jahrzehntelange Branchenerfahrung zum gefragten Berater für Investoren und Aufsichtsräte gemacht. Er meint, wenn mehr Läden schließen, als neue hinzukommen, dann eröffnen sich Chancen. „So ist das im Handel. Die kreative Zerstörung und Wiedergeburt trifft auf den Handel mehr zu als auf jeden anderen Wirtschaftszweig.“ Trotz tausender Schließungen in den Vorjahren gab es in den USA Anfang 2020 immer noch durchstyle in progress
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schnittlich knapp 2,2 Quadratmeter Ladenfläche pro Einwohner. In Großbritannien waren es nur rund 0,4 Quadratmeter, in Deutschland 0,2. Deshalb könnte man die Massenschließungen in den USA auch als die Häutung einer Branche bezeichnen, die Überflüssiges abstreift. Dortige Ideen dafür, was nun aus den leerstehenden Immobilien werden soll, nutzen aber möglicherweise auch europäische Kaufhäuser und Einkaufszentren. IDEEN UNTER DACH UND FACH
Als idealer Test gilt die Alderwood Mall in Lynwood, einem Vorort von Seattle. Nach dem Abriss eines verwaisten Kaufhauses baut Besitzer Brookfield einen neuen Anker für das Einkaufszentrum: Wohnraum. 300 Wohnheiten sollen dort 2022 zum Einzug bereitstehen. Gut 8.300 Quadratmeter verbleiben für Läden und Gastronomie. Brookfield setzt damit auf einen Wandel in der amerikanischen Gesellschaft: den Wunsch nach einem fußläufig gestaltbaren Alltag. Ehe das Arbeiten außer Haus aus der Mode kam, waren als neue Nutzungsform auch Büros im Gespräch. Das angeschlagene Traditionskaufhaus Lord & Taylor etwa verkaufte seinen Flagshipstore in New York an das Co-Working-Unternehmen We Work. Nur ein Jahr später übernahm Amazon das Gebäude. Ausgerechnet mit dem Onlinehandelskoloss will nun auch der größte Mall-Betreiber der USA die Lücken füllen, die Ankerkaufhäuser wie J.C. Penney und Sears in die Einkaufszentren gerissen haben. Ein Knackpunkt ist allerdings die Verkehrssituation: Für die nötigen Mitarbeiterparkplätze und den massiven LKW-Verkehr solcher Logistikzentren müsste eine Lösung gefunden werden, die weder Ladenbesitzer noch deren Kunden abschreckt. Einmal ganz abgesehen von der Frage, ob mit diesem Schritt nicht der Fuchs in den Hühnerstall einzieht. VON DER KÜR ZUR PFLICHT: GRENZENLOS EINKAUFEN
„Wie alle Einzelhändler müssen auch Kaufhäuser lernen, online zu verkaufen, Abholservice sowohl im Laden als auch vor dem Laden zu bieten und obendrein einen Lieferservice, bei dem auch die Rücksendung kostenlos ist“, findet Jan Kniffen. Notgedrungen während der Pandemie entwickelte Verkaufsformen wie etwa „Curbside Pickup“ zeigen, dass die Grenze zwischen Online und Offline eine Fata Morgana ist. Stationäre und digitale Angebote können eins werden. Das Modesortiment kommt Kaufhäusern dabei zugute. Trotz der Pandemie wollen viele Kunden weiterhin mit den Produkten auf Tuchfühlung gehen – und da gewinnt, wer stationär ebenso gut wie online aufgestellt ist. So sieht etwa Alexander Petrskovsky in seinem Alltag als Vorstand der österreichischen Kaufhauskette Kastner & Öhler ein gestiegenes Interesse an der digitalen Kaufvorbereitung. Mit Click and Reserve etwa könnten sich Kunden im Internet eine Auswahl selbst zusammenstellen und dann einen Termin im Kaufhaus vereinbaren, wo sie auf Wunsch schnell anprobieren, das Personal sie berät und ihnen vielleicht noch einen Artikel dazu empfehlen kann. Allerdings hält Petrskovsky es für schwierig, solche Angebote ohne einen bereits funktionierenden Onlinekanal anzugehen: „Ich kann Click and Reserve nur machen, wenn ich meine Produkte im Webshop zeige, die Bestände am Standort habe und sie reservierbar mache.“ 148
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„Die kreative Zerstörung und Wiedergeburt trifft auf den Handel mehr zu als auf jeden anderen Wirtschaftszweig“, sagt der US-Kaufhausexperte Jan Kniffen. DER VERSTECKTE ONLINEVORTEIL
Als die Menschen wegen der Corona-Krise begannen, zu Hause zu bleiben, war in den USA zunächst erwartet worden, dass Amazon profitiert. Das hat das Unternehmen auch, aber dennoch lief der Handelsriese Walmart ihm mit Abholangeboten den Rang ab. Denn 90 Prozent der US-Bürger wohnen im Zehn-Meilen-Radius einer Walmart-Filiale – und der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Das können sich auch Kaufhäuser zunutze machen und bewusst ihre Bekanntheit in der direkten Umgebung stärken. Schließlich taugt die gut betuchte Kundschaft aus Asien oder Russland unter den neuen Bedingungen ohnehin nicht mehr als Platzhirsch im Finanzkonzept. Als großen Vorteil sieht Alexander Petrskovsky die Einzigartigkeit des Kaufhauses im Umfeld der meisten Innenstädte – denn genau das fordern Verbraucher, die die immer gleichen Ladenketten leid sind. „Der gute Departmentstore wird in Zukunft wahrscheinlich der letzte Motor einer funktionierenden Innenstadt“, so Petrskovsky. DIE RETTER DES KAUFHAUSES
Dabei kommt dem Personal eine besondere Rolle zu. Denn auch wenn ein Kaufhaus sich konzeptuell mit Bistro, Wellnessoase oder Veranstaltungen vom E-Commerce absetzen kann: Letzten Endes hängt das Kundenerlebnis nicht von Ideen, sondern von Menschen ab. Um das zu demonstrieren, verweist Kathy Gersch, COO bei der US-Unternehmensberatung Kotter und vorher Führungskraft bei Nordstrom, auf den US-Elektrohändler Best Buy. Dorthin gingen Kunden nicht wegen der tollen Auswahl, sondern weil sie Personal befragen können, das äußert gut darin sei, technische Details verständlich zu erklären. Dasselbe Prinzip gelte inzwischen auch für Kaufhäuser, so Gersch: „Um Kunden anzuziehen, muss das Personal mehr Fachwissen haben und mehr Teil des Erlebnisses sein als einfache Verkäufer.“ Dazu muss die Kaufhausleitung nicht nur Fachschulungen einrichten, sondern auch konsequent für eine attraktive Unternehmenskultur und Bezahlung sorgen. Davon profitiert auch das Markenimage. Eine bessere Bezahlung und Wertschätzung von Einzelhandelspersonal findet derzeit eine breite Zustimmung in der Bevölkerung. Schließlich hat sich durch die Pandemie erwiesen, dass ohne die „Helden des Alltags“ an Supermarktkassen und in Versandzentren gar nichts ginge.
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DIE CORONA-POLIZEI, DEIN FREUND UND HELFER
Heimlich verändert das Coronavirus die Rolle der Verkäufer. Sie sind neuerdings auch für die Sicherheit im Haus zuständig. Damit das gelingt, braucht das Personal klar kommunizierte Gesundheitsregeln und bereitstehende Schutzausrüstung, aber auch praktische Übungen für die Durchsetzung der Regeln – und für den Umgang mit Kunden, die diese missachten und andere gefährden. Natürlich kostet das Zeit und Geld. Aber die Vorteile überwiegen. „Je mehr ein Mitarbeiter sich dafür gerüstet und dabei unterstützt fühlt, in den aktuellen Gegebenheiten zu arbeiten, desto sicherer wird er sich fühlen – und das überträgt sich direkt auf das Vertrauen der Kunden in den Laden“, so Kathy Gersch. Sie definiert die Kernfrage in puncto Kundenservice so: „Wie lässt es sich in einer Zwei-Meter-Abstand-Welt erreichen, dass sich Kundenservice wieder sympathisch und persönlich anfühlt?“ Schließlich wird das Coronavirus den Alltag wohl noch eine ganze Weile prägen. WAS AUF DER FLÄCHE PASSIERT
Auch auf der Verkaufsfläche selbst hat die Pandemie etwas verändert. Die Größe der Umkleidekabinen oder der Abstand zwischen den Warenträgern sind plötzlich nicht mehr allein ästhetische Entscheidungen. „Es gibt zwar den alten Spruch: ‚Wo sich die Ärsche reiben, da werden Geschäfte gemacht‘, aber die Zeit kommt so schnell nicht wieder“, meint Alexander Petrskovsky. Zuweilen verschwinden sogar die Kleiderstangen von den Etagen. „Gastronomie plus Hotel, auch Veranstaltungsraum, das kann einen Departmentstore gut ergänzen“, sagt Petrskovsky und erwähnt als Vorbild den Muji-Flagshipstore in Tokio. Zudem verweist er darauf, wie sehr die Bedeutung von Lebensmitteln im Alltag der Kunden gestiegen ist: „So einen Eataly im Keller würde ich schon nehmen.“ Zu den radikaleren Formen der Kaufhausgestaltung gehört das von der Stadt Berlin subventionierte Recycling-Warenhaus. Theoretisch ließe sich diese Idee auch auf eine Kaufhausetage oder Teilfläche übertragen, auf der Kunden nicht nur Gebrauchtes abgeben und kaufen, sondern beispielsweise auch reparieren lassen können oder Selbiges in Workshops lernen – alles gute Gründe, die Menschen ins Kaufhaus zu locken.
„Der gute Departementstore wird in Zukunft wahrscheinlich der letzte Motor einer funktionierenden Innenstadt“, meint Alexander Petrskovsky, Vorstand der österreichischen Kaufhauskette Kastner & Öhler. INVESTIEREN STATT INVESTOREN
Der Innovation steht jedoch oft ausgerechnet ein Grundprinzip des Modegeschäfts im Weg: sein Rhythmus. Shorts im Februar, Pelz im August und die dazugehörigen Order-Zeiträume belasten das Geschäftskonto Monate, ehe die Ware verkauft wird, und verringern die Gewinnspanne durch bald darauf nötige Preisreduzierungen. Selbst Nordstrom, der mit seinem Vorreiterstatus in puncto Onlinehandel eigentlich als Favorit in die Corona-Krise ging, hat im Oktober still und heimlich 15.000 Produkte in den Ausverkauf gegeben – mit bis zu 40 Prozent Nachlass. Durch den Lockdown verursachte Liquiditätsprobleme haben auch offenbart, wie viele Kaufhäuser sich schon seit Jahren über Investoren finanzieren, die Dividenden erwarten und Gelder abziehen, statt sie für Verbesserungen einzusetzen. Unter den überlebenswichtigen Punkten, auf die Kaufhäuser achten müssen, setzt Jan Kniffen deshalb die Schuldenfalle an erste Stelle. „Wie alle Einzelhändler müssen sie vorsichtig mit der Aufnahme von Fremdkapital sein“, sagt er. ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT
„Wie lässt es sich in einer Zwei-Meter-Abstand Welt erreichen, dass sich Kundenservice wieder sympathisch und persönlich anfühlt?“, fragt Kathy Gersch, COO bei der US-Unternehmensberatung Kotter.
Das wahre Mantra für die Spitze der Kaufhäuser ist allerdings gar nicht neu, meint Kniffen und zitiert es auch gleich: „Gib der Dame, was sie will, wann und wo sie will, zu einem Preis, den sie zu zahlen bereit ist … und mach es zum Vergnügen.“ Ebenso altbekannt ist ein Alleinstellungsmerkmal, das sich gerade zur Zukunftschance mausert. „Es wirkt so, dass in Zeiten dieser Corona-Pandemie das Modehaus der letzte sozial akzeptable Platz ist, um sich mit anderen Menschen zu treffen“, berichtet Petrskovsky von einem Kaufhaus-Samstag im Oktober und verweist auf das 19. Jahrhundert. Damals war es in den oberen Gesellschaftsschichten undenkbar, dass eine Frau alleine ausgeht, es sei denn, sie geht ins Kaufhaus. Nun muss sich noch erweisen, ob Kaufhäuser tatsächlich eine gesellschaftliche Funktion erfüllen können. Vom Nachbarn im neuen Wohnkomplex bis zum innerstädtischen Mittelpunkt des sozialen Lebens liegen jedenfalls viele Ideen in der Luft. style in progress
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RETHINK THE TANKER
Prominente Kaufhäuser expandieren in neue Städte, gleichzeitig stellt sich allen die Frage: Was muss ein Kaufhaus größerer Dimension heute eigentlich können, um seine Flächenkonzepte mittelfristig zu refinanzieren? Eine Naturoase in der Metropole, Resale-Ansätze und digitale Touchpoints für Multichannel-Shopping – die Vielfalt neuer Ideen ist groß. Text: Isabel Faiss. Fotos: Stores
Fast die Hälfte des Stockwerks stellte Karstadt am Hermannplatz in Berlin dem Pop-up-Store B-Wa(h)renhaus zur Verfügung.
B-Wa(h)renhaus/Berlin
RESALE IM GROSSEN STIL Wie sieht das Kaufhaus der Zukunft aus? Eine Frage, die die Berliner Stadtverwaltung gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz in Form eines temporären Projektes in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Galeria Kaufhof mit einer eigenen Resale-Fläche beantwortete. Der sorgsame Umgang mit Produkten steht hinter den Schlagworten Reduce, Reuse und Recycle. So eröffnete im September ein Multi-Product-Pop-up-Store in der dritten Etage des Karstadt-Hauses am Hermmannplatz in Berlin, wo verschiedene Start-ups und Unternehmen ausstellen. Repair-Cafés, nachhaltige Gastronomieformate und Workshops bilden das Rahmenprogramm. Unter dem Titel B-Wa(h)renhaus versammeln sich sämtliche Wiederverwendungsinitiativen wie die Nochmall der Berliner Stadtreinigung, der Verein Re-Use oder das Repair-Café. Das B-Wa(h)renhaus ist nur ein Teil der der Initiative Re-Use der Senatsverwaltung und soll vorerst ein Pilotprojekt für sechs Monate sein. www.berlin.de/re-use
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Jewel/Singapur
DER GRÖSSTE INDOOR-GARTEN DER WELT Eine neue Shopping-Mall der Superlative eröffnete 2019 am Changi Airport in Singapur. Mit fünf Stockwerken überirdisch und fünf unterirdisch, integriertem Soundsystem und authentischer Klimatisierung. Jewel verbindet alle drei Terminals des Flughafens, und noch viel wichtiger: Es bringt die Natur in die Metropole zurück. Neben Wasserfällen, Schlingpflanzengärten und Wäldern hat Architekt Moshe Safdie in den Flächen zwischen den insgesamt 280 Stores und Cafés eine grüne Oase mit vielen Überraschungen wie Hängebrücken, Kletternetzen und Irrgärten inszeniert. www.jewelchangiairport.com
Atemberaubende Eindrücke, authentische Geräusche und Naturerlebnisse. Die neue Mall am Flughafen in Singapur trägt ihren Namen als Programm: Jewel.
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Ein begrünter Dachpark mit Aussicht über die Wiener Innenstadt ist das Herzstück des für das Jahr 2024 geplanten KaDeWe in Wien.
KaDeWe/Wien
TRADITION ALS HYBRID Es soll ein Mix aus Shopping, Gastronomie, Hotel und konsumfreien Zonen entstehen, ein Mamutprojekt in Wien. Die Vollendung ist für den Herbst 2024 angesetzt, dann soll das neue KaDeWe in der österreichischen Hauptstadt seine Türen öffnen und ein starkes Zeichen für die Zukunft des stationären Einzelhandels setzen. Der Standort in der inzwischen verkehrsberuhigten Mariahilfer Straße am Platz des ehemaligen Leiner-Möbelhauses ist für ein Symbol dieser Art wie geschaffen. „Dieses Landmark-Projekt bietet uns als KaDeWe Group die einmalige Chance, das Warenhaus des 21. Jahrhunderts an diesem einzigartigen Standort zukunftweisend neu zu interpretieren“, sagte Vittorio Radice, Executive Chairman der La Rinascente und KaDeWe Group bei der Pressekonferenz in Wien. www.kadewe.de
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Breuninger/Nürnberg
RELAUNCH AUF 11.000 QUADRATMETERN Von einem Shoppingerlebnis für alle Sinne sprach Holger Blecker, CEO Breuninger bei der Wiedereröffnung des Flagshipstores von Breuniger in der Nürnberger Innenstadt Anfang September letzten Jahres: „Gerade in herausfordernden Zeiten wie diesen ist es unsere Aufgabe als Einzelhändler, uns für die Belebung und Attraktivität der Innenstädte einzusetzen.“ Zwei zentrale Themen standen für die Umgestaltung auf dem Plan: die Integration digitaler Lösungen auf der Fläche und neue Serviceangebote. Konkret bedeutet das unter anderem digital vernetzte Umkleidekabinen, Multichannel-Touchpoints als Informationsservice zum häuserübergreifenden Sortiment, Click-&-Collect-Angebote, separate Beauty-Rooms und Personal-Shopping. www.breuninger.com
Ein Alteingesessener in Nürnberg in neuem Gewand: Breuninger eröffnete im September nach einem umfassenden Relaunch und digitaler Frischzellenkur.
Kastner & Öhler ist österreichweit bereits an 14 Standorten in fünf Bundesländern vertreten. Mit Innsbruck kam im September der 15. Standort hinzu.
Kastner & Öhler/Innsbruck
DAS GRÖSSTE MODEHAUS IN TIROL … eröffnete Kastner & Öhler Mitte September im Kaufhaus Tyrol in Innsbruck. Auf 6.500 Quadratmetern erstreckt sich der Store über drei Etagen. „Der stationäre Handel lebt. Deshalb freuen wir uns, dass wir in Innsbruck ein besonderes Haus eröffnen konnten“, freut sich Martin Wäg, Vorstandsvorsitzender von Kastner & Öhler. „Natürlich spielt aber auch der Onlinehandel eine wichtige Rolle. Durch unser Engagement in beiden Welten fühlen wir uns für die Zukunft gut vorbereitet.“ In der neuen Filiale in Innsbruck bedeutet das konkret einen Click & Collect und Click & Reserve-Service sowie Personal Shopping Angebote. www.kastner-oehler.at
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Ein Italiener in Kopenhagen: Andrea Baldo war bei Marni, Maison Margiela und Diesel, ehe er als CEO zu Ganni wechselte. Er übernahm diese Aufgabe vom Gründer Nicolaj Reffstrup, nur wenige Monate nachdem dieser gemeinsam mit seiner Frau, der Kreativchefin Ditte, die Mehrheit des Unternehmens an die US-amerikanischen Private-Equity-Gesellschaft L Catterton verkauft hatte. Beide Gründer sind weiterhin im Unternehmen, Andrea Baldo arbeitet von den Londoner Ganni-Büros aus.
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„WIE KÖNNEN WIR DAS SYSTEM HACKEN?“
Gemeinsam mit Gannis Gründerduo, Ditte und Nicolaj Reffstrup, legt CEO Andrea Baldo in vielen Zukunftsfragen Tempo vor. Ob Nachhaltigkeit, Kommunikation, 3D-Design oder Transparenz, die Marke setzt Maßstäbe. Im Interview mit Stephan Huber und Martina Müllner-Seybold verrät der Italiener, warum der Vertrieb über Multibrandshops Priorität hat, warum Kapitel manchmal besser sind als Geschichten und was er von seinem Lego-verrückten Sohn lernt. Interview: Stephan Huber, Martina Müllner-Seybold. Text: Manfred Thurner. Fotos: Ganni
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anni hat sich sehr ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Kann Mode jemals nachhaltig sein? Das ist die Frage, die wir uns gestellt haben, als wir vor zwei Jahren mit dem Projekt Ganni Lab begonnen haben. Wir waren sehr ehrgeizig, haben uns die gesamte Wertschöpfungskette angesehen. Wir wollten wissen, ob es möglich ist, ein vollständig CO₂-neutrales Produkt zu schaffen. Wie immer, wenn Sie die Messlatte hoch legen, entdecken Sie, dass es viele Möglichkeiten gibt, die in der täglichen Produktion genutzt werden können, um letztendlich eine solche Kollektion zu schaffen. Unsere 100 Prozent recycelte Jerseykollektion Ganni Software ist ein Ergebnis des Ganni Labs, sie kam vor ein paar Monaten auf den Markt. Es ist unsere bisher verantwortungsvollste Kollektion mit vollständig recyceltem Garn, einer Kombination aus recycelter Baumwolle und Polyester. Dieses erste Ganni-Lab-Projekt schafft 75 Prozent Rückverfolgbarkeit in den Stufen eins bis drei der Lieferkette – unser Ziel ist eine hundertprozentige Rückverfolgbarkeit. Nachhaltigkeit ist ein Weg der ständigen Verbesserung, der in allen Abteilungen eines Unternehmens ganz oben auf der Agenda stehen muss. Sie ist nicht nur wichtig für Produktion und Beschaffung, sie muss auch in Bezug auf Design oder die Art und Weise, wie wir kommunizieren sowie unsere Herangehensweise an den Einzelhandel berücksichtigt werden. Als Unternehmen, das von Anfang an von einer starken Community begleitet wurde, haben wir auch über unsere Social-Media-Kanäle gespiegelt bekommen, dass Nachhaltigkeit ein Thema ist, das unsere Follower anspricht. Dieses Thema löst manchmal sogar mehr Interaktion aus, als der Drop einer neuen Kollektion. Deshalb gehen wir mit unseren Anstrengungen, verantwortungsvoller zu sein, offen und transparent um. Glauben Sie, dass Nachhaltigkeit einmal geschäftsentscheidend sein wird? Schließlich verlangt der moderne Verbraucher in diesem Marktsegment verantwortungsvoll gemachte Produkte. Ja, das Thema hat seinen Weg in die Herzen und Köpfe der Verbraucher gefunden, vor allem derjenigen, die bereit sind, einen Premiumpreis für Mode zu zahlen. Auf unserem Preisniveau wird verantwortungsvolles Handeln zu einer Frage der Kommunikation und leistet style in progress
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einen wichtigen Beitrag im Entscheidungsprozess des Verbrauchers. Unsere Zahlen zeigen, dass verantwortungsbewusste Produkte eine höhere Conversion haben. Das beweist ein steigendes Interesse an dem Thema. Bei gleichem Preisniveau wählen die Menschen fast immer die nachhaltigere Version. Sie sind jedoch nicht bereit, einen höheren Preis für Nachhaltigkeit zu bezahlen – so zumindest unsere Erfahrung. Sind Sie als CEO nachhaltigen Zielen verpflichtet? Als ich ins Unternehmen kam, war ich wirklich erstaunt, wie viele Nachhaltigkeitsprojekte bereits in Gang gesetzt waren und inwieweit Nachhaltigkeit bereits in die Unternehmenskultur eingebettet war. Nikolaj, einer der Gründer, ist fast ein Aktivist. Das gesamte Team lebt es und es ist wichtig, dass wir Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt unseres Narrativs stellen. Folglich haben wir uns auf eine Reise begeben, die wir den 4P-Plan nennen: product, planet, people und prosperity. Da sich Instagram längst als der natürliche und organische Kommunikationskanal unserer Marke etabliert hat, haben wir uns entschlossen, ein unabhängiges GanniLab-Konto zu erstellen. Dort stellen wir detailliertere Informationen bereit und veranschaulichen, wie wir uns entwickeln. Wir haben uns bewusst entschieden, völlig transparent zu sein. Wir sind ehrlich, aber nicht perfekt – das ist unser Ansatz. Aufgrund der Pandemie waren Sie gezwungen, 50 Prozent der geplanten Kollektion wegzulassen. Welche Lehren haben Sie daraus gezogen? Das weniger manchmal mehr ist (lacht). Für Ditte und das Designteam war die Situation damals sicher am schwierigsten. Sie hatten die gesamte Kollektion aufgeplant, und dann der Cut um die Hälfte. Sie haben allerdings schnell entdeckt, dass es möglich ist, eine Geschichte in weniger Worten zu erzählen. Das Zweite, was wir gelernt haben, ist, dass unsere Marke sich in einem ständigen Prozess des Wandels befindet, weil wir uns auf die Reise gemacht haben, die irgendwann in ein monatliches Drop-Konzept gipfeln soll. Wir bewegen uns sozusagen auf „buy now, wear now“ zu. Diese Evolution fügt der Geschichte einer Kollektion sogar weitere Kapitel hinzu. Wir müssen allerdings die Erzählweise ändern: Von einer großen saisonalen Geschichte in eine Erzählung, die auf Kapiteln basiert, und das ist ziemlich beeindruckend. Wir sind eine Marke, die von echter Innovation, nicht von Neuigkeiten um ihrer selbst willen, getragen ist. Unsere Kunden reagieren sehr gut, wenn wir neue Produkte ausliefern – sie sind immer schon gespannt, was als nächstes kommt. Unsere Kernkunden besuchen achtmal im Jahr unsere Läden, also sehr oft. Das spornt uns an, umzudenken. Wir wollen die Mengen reduzieren und gleichzeitig die Frequenz erhöhen, in der wir Neues präsentieren oder Produkte wieder auflegen, die gut funktionieren. Das könnte die Formel werden, mit der wir Überhänge vermeiden. Statt das gleiche Produkt in großen Stückzahlen auf Lager zu haben, werden wir die Verfügbarkeit begrenzen. Wir werden jedoch schnell auf Rückmeldungen, was tatsächlich funktioniert, reagieren. Und diese Neuinterpretation von Silhouetten oder Produkten wird unsere Art sein, Neuheit zu gewährleisten. Kundenorientierung ist im Moment ein großes Schlagwort. Können Sie als daten- und analysegetriebenes Unternehmen einige Lehren aus dem Datamining teilen? Oder gerne auch, was haben Sie daraus gelernt, weil Sie Ihrem Kunden zuhören? Wir sprechen viel über Lokalisierung, darüber, wie wir die US-Westküste anders als Kunden in Kopenhagen ansprechen müssen. In gewisser Weise, nicht zuletzt aus Produktsicht, müssen wir verschiedene Sprachen sprechen. Dann gibt es wieder Produkte, die zu globalen Bestsellern 156
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„Kuratieren, Innovationen einführen und immer einen Schritt voraus sein. Genau das ist, worin MultibrandStores am besten sind.“
werden. Was mich in der Analyse unserer Kunden am meisten verblüfft hat, ist der Unterschied zwischen GenZ-Kunden und unseren Kernkunden im Alter von 24 bis 34 Jahren. Die jüngeren Kunden haben eine Vorliebe für den stationären Handel, sie lieben die Idee des Storebesuchs, genießen diese Erfahrung. Millennials hingegen kommen oft über Formate wie net-a-porter.com mit Ganni in Kontakt, da sie lieber online einkaufen. Ist die Tatsache, dass gerade die jüngere Generation ein starkes Interesse an physischen Stores hat, nicht eine bemerkenswerte Erkenntnis? Ja, absolut. Lassen Sie mich ein sehr persönliches Beispiel nennen. Mein Sohn liebt Lego, wirklich. Wenn er ein konkretes Lego-Set will, sagt er: Lasst uns auf Amazon gehen und eines kaufen! Doch jedes Mal, wenn wir im Zentrum einer großen Stadt sind, sei es in London, Mailand oder Kopenhagen, besteht er darauf, in einen Lego-Laden zu gehen. Er sehnt sich nach dem Zauber, in diesen Läden mit all seinen Sinnen angesprochen zu werden. Wenn wir Läden nur als Verkaufsstellen ansehen, sind wir komplett auf dem falschen Dampfer. Im Jahr 2020 darf ein Laden nicht mehr nur ein Ort sein, an dem Waren lagern – das Lager kann man auch online anbinden. Stores müssen in Bezug auf ihr Entdeckungspotenzial, ihre Kundenaktivierung und ihr Storytelling-Potenzial neu bewertet werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass das auch für Multibrand-Stores gilt, weil sie dem Konzept der Kuration Leben einhauchen. Was bedeutet das für die Interaktion zwischen Marken und Händlern? Oder ist es vielleicht sogar eine Interaktion zwischen Marken, Einzelhändlern und Verbrauchern? Als CEO kann ich eine klare Antwort auf diese Frage geben. Die Kundenaquisationsskosten pro Endverbraucher sind immer noch am niedrigsten, wenn dieser über einen unabhängigen Händler aktiviert wird. Das Geschäftsmodell Großhandel ist für uns immer noch die günstigste Art und Weise, neue Kunden für die Marke zu gewinnen. Die Eröffnung eigener Läden ist mit extrem hohen Grundkosten verbunden, so dass die Aktivierung neuer Endkunden auf diese Weise viel teurer ist. Wirtschaftlich gesehen ist es absolut sinnvoll, in den Großhandel zu investieren. Unsere Leser, die meist Multibrandhändler sind, werden das gerne lesen. Ich bin fest davon überzeugt, dass ausgezeichnete Multibrand-Stores im Grunde Kuratoren sind. Sie kennen ihre jeweiligen Community und wählen ihre Marken sorgfältig aus. Das ist eine ideale Situation, denn wir als Marke können auch von ihnen lernen. Am Anfang hatten wir ein sehr enges Vertriebskonzept, das unsere Positionierung als die führende Contemporary Marke etablierte. Wir arbeiten mit halb so viel Accounts wie unsere Mitbewerber, weil wir bestrebt sind, mit denen zusammenzuarbeiten, die die Marke bei den richtigen Leuten einführen. In diesen Läden wird die Marke erst mal entdeckt, denn die Kunden in einem solchen Laden befinden sich in einem Discovery-Modus. Wenn sie dann in den Kaufmodus wechseln, ist der Ort dafür nicht mehr entscheidend – das kann auch online abgewickelt werden
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Stay safe. Showroom Düsseldorf 27.01. – 03.02.21 „Sturmfreie Bude“, Georg-Glock-Str. 3, Nähe Kaiserswertherstr. Showroom Munich, Römerstr. 14 www.diehinterhofagentur.de
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Ditte und Nicolaj Reffstrup haben Ganni als Contemporary Brand gegründet. Zeitgemäß ist auch ihre Herangehensweise an viele Themen, ob Nachhaltigkeit, Kommunikation oder Distribution.
und es besteht kein Zweifel, dass immer mehr Menschen online kaufen werden. Aber für Entdeckungen, für den Discovery-Modus, ist das Internet meiner Meinung nach kein geeignetes Medium. Das Beispiel Intragram zeigt das: Als Instagram mit seiner Shoppingfunktion startete, dachten viele, dass das der Todesstoß für den normalen E-Commerce und den Einzelhandel im Allgemeinen sein würde. Erstaunlicherweise ist der kommerzielle Erfolg von Intragram Shopping jedoch gering, da sich die Menschen auf Instagram im Discovery-Modus befinden, nicht im Kaufmodus. Lassen Sie mich also auf die Frage zurückkommen, welche Rolle der Multibrand-Retail eigentlich spielt. Jeder Kanal hat seine ureigene Rolle und stationäre Läden sind für mich Discovery-Modus. Solange Sie sich dem Discovery-Modus verschreiben, sind Sie verpflichtet, zu kuratieren, Innovationen einzuführen und immer einen Schritt voraus zu sein. Genau das ist, worin Multibrand-Stores am besten sind. Das bedeutet aber, dass wir das Erlösmodell neu bewerten müssen. Bisher werden die Einzelhändler für die Umsätze bezahlt, die sie generieren. Wenn alles, was Sie über den Discovery-Modus gesagt haben – und wir stimmen Ihnen zu – wahr ist, sollte ein Händler nicht mehr für den Kaufabschluss bezahlt werden, sondern dafür, dass er einen Kunden aktiviert, der dann vielleicht online oder direkt bei der Marke kauft. Ja, ich glaube fest, dass wir das bisherige Erlösmodell ändern müssen. Ich denke, dass sich das Marktplatzmodell als die Option für die Zukunft etablieren wird. Denn beide Seiten müssen von ihrer Rolle wirtschaftlich profitieren. Der Kunstaspekt wird im Laden behandelt, um die Erfahrung, die Geschichte zu vermitteln. Der Kaufaspekt wird dann an anderer Stelle erfüllt. Wie kann man also diese beiden Modelle verbinden? Ich habe das Gefühl, dass das Marktplatzmodell an Fahrt gewinnt. Schauen Sie sich Amazon und Alibaba an, oder sogar Farfetch. In den meisten Fällen sind die Marken Eigentümer der auf den Marktplätzen präsentierte Ware. Die Marke schultert das Risiko, und der betreffende Marktplatz nimmt eine Ver158
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kaufsprovision. Je mehr Marken es sich leisten können, desto mehr werden ihren eigenen Warenbestand in den jeweiligen Ökosystemen platzieren. Die Aufgabe der Marktplätze wiederum ist, ihren Teil dazu beizutragen, dass eine Verbindung zwischen Marken und Konsumenten hergestellt wird. Was den Marken wiederum ermöglicht, sich neu zu fokussieren und alles daran zu legen, eine möglichst lange Kundenbeziehung aufzubauen. Was die Inhaber von Läden in die Waagschale werfen können, sind ihr Standort und ihre Community, die sie rund um ihren Laden, ihre Kunden und die Sortimente geschaffen haben. Mit anderen Worten, sie müssen voll in der Kuratorenrolle aufgehen. Folglich müssen wir einen Weg finden, dieses Kurationsmodell für Multibrand-Stores wirtschaftlich tragfähig zu machen. Es gibt einen weiteren Punkt, der eine enge Verknüpfung so wichtig macht: Die vielleicht wichtigste Voraussetzung für Nachhaltigkeit ist doch, dass wir nur mehr produzieren, was tatsächlich Absatz findet. Wenn wir das Beste aus dem Warenbestand machen, könnten wir tatsächlich verantworten, das aktuelle Wachstum beizubehalten – weil wir wachsen, ohne Entwertung und Abfall zu generieren. Das ist der Grund, warum Marken die Kontrolle über ihre Bestände bis zur letzten Meile bekommen müssen. Glauben Sie, dass die neuesten Entwicklungen im 3DDesign und in der virtuellen Mode die Nachhaltigkeit fördern werden? Auch wenn über die Auswirkungen noch spekuliert wird, es ist definitiv etwas, was wir auf dem Schirm haben. Unser Ziel für 2021 ist, statt der physischen Prototypen nur noch digitale zu machen. Wir stellen uns der Frage, ob wir in der Lage sind, ein digitales Kleid zu entwerfen, das tatsächlich wie ein echtes aussieht. Wir wollen es schaffen, dieses Kleid jemandem anzuziehen, auch wenn es noch gar nicht real ist. Weil wir die digitale Version nutzen wollen, die Reaktionen darauf abzutesten. Das würde uns ermöglichen, dann viel präziser auf Grundlage der Nachfrage zu produzieren. Wir stellen uns also der Frage: Wie können wir das Produktionssystem hacken? Unsere Vision ist, eine Kaufentscheidung möglich zu
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machen, ohne bis dahin Ressourcen zu verschwenden. Mit diesem System-Hack können wir auch viele andere Themen lösen, wir müssen uns bessere Daten und Prozesse für Prognosen, Größenschlüssel oder zu erwartende Nachfrage zunutze machen. Das wird in gewisser Weise die Lieferkette verdichten. Wenn es uns gelingt, weniger Non-Seller zu produzieren und mehr zum vollen Preis zu verkaufen, können wir uns höhere Produktionskosten für das betreffende Stück erlauben. Dies kann letztlich sogar zu verbesserter Qualität führen. Ich glaube, dass sich unser Denken ganz grundsätzlich ändern muss. Wirtschaftlichkeit dürfen wir nicht erst bei einem gewissen Lot erreichen, die Wirtschaftlichkeit jedes einzelnen Teils muss unser Ziel sein. Was für ein gewaltiger Sprung wäre es für die Nachhaltigkeit, wenn man zum Beispiel Influencer nicht mehr mit echten Teilen, sondern mit digitaler Mode ausstatten könnte. Digitale – oder virtuelle – Identitäten von Menschen sind etwas, über das wir uns als Modemarke Gedanken machen müssen. In Gaming-Kreisen achtet man sehr darauf, pflegt seine digitale Identität aufwändig. Auch hier müssen wir nur unsere Kinder beobachten, um Veränderungen im Verbraucherverhalten vorherzusehen. Die Kids nutzen Snapchat und dergleichen, um ihre Personas zu erstellen. Für sie sind digitale Tools, um verschiedene Lippenstift-Töne auszuprobieren, absoluter Standard. Stellen Sie sich einfach vor, was passiert, wenn es die Technologie endlich hergibt, dass diese Kinder mit virtueller Mode experimentieren. Denn die Idee davon haben sie schon längst in ihr Leben integriert. Wann werden wir also Gannis digitale Mode sehen können? Wir befinden uns in einem frühen Stadium, und aufgrund der Pandemie müssen wir abwägen, wie viel Mittel wir für dieses Projekt bereitstellen wollen. Wie viele andere Unternehmen mussten wir umsatzkritische Projekte priorisieren. Vielleicht müssen wir also 2021 noch abwarten, um dann 2022 die ersten Umsetzungen zu sehen. Wichtig ist, dass wir uns bereits auf diese Reise gemacht haben. Denn wir Modeunternehmen stehen vor der riesigen Herausforderung, alle Stufen, die vor dem eigentlichen Produkt stehen, zu dematerialisieren.
„Wenn wir Läden nur als Verkaufsstellen ansehen, sind wir komplett auf dem falschen Dampfer.“ Lassen Sie uns noch ein letztes Schlagwort diskutieren, das die Modebranche gerade auf den Kopf stellt: die Zirkularität. Die wichtigste Frage für jede Marke sollte sein: Wie können wir unsere Artikel so lange wie möglich im Kreislauf halten? Das bedeutet, dass wir Produkte anbieten müssen, die langlebig sind, damit sie länger im Einsatz bleiben können. Dieser Aspekt ist unglaublich wichtig, wenn es um eine jüngere Generation geht. Junge Kunden springen total auf das Thema Rent und Resell an. Sie nehmen Produkte beinahe als Kapital wahr, als Wertgegenstände, die verwendet und weiterverkauft werden können. Für uns als Marke beinhaltet Zirkularität auch das Auftrennen und Recycling von Produkten am Ende ihrer verlängerten Lebensdauer. Beide Aspekte haben einen großen Einfluss auf das Design. Im Moment ist die Arbeit mit wirklich zirkulären Produkten sehr frustrierend für Designer, weil wirklich zirkuläre Artikel aussehen, als wären sie direkt aus Orwells 1984 entsprungen (lacht). Die Technologie hat einfach noch nicht das entsprechende Niveau erreicht. Das wird sich natürlich ändern. Es gibt so viele Innovationen bei allen Produktionsstufen. Unsere Designer tief in die Circularity-Diskussion eintauchen zu lassen, hat den Ansatz unserer Marke jedoch bereits erheblich verändert. Allein die Gedanken über Wiederverkaufsoption haben sie schon inspiriert, neue Teile zu entwerfen, die in der Größe variabel sind. Kleider, die man immer noch tragen kann, wenn sich der Körper verändert oder die man an Menschen verkaufen kann, die eine andere Größe als man selbst tragen. Das macht mich unheimlich stolz auf mein Team. Das ist das Schöne, wenn man sich als Unternehmen der Lernkultur verschrieben hat: Unser Weg von der Idee bis zum Mock-up ist rasend schnell.
Ganni Software ist eine Jerseykollektion, mit der Ganni seinen Anspruch im verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen markiert sehen will.
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SIE HABEN IHR ZIEL ERREICHT! Der primäre Zweck des Stores hat sich komplett verändert: vom Ort, an dem man sich Produkte ansieht, hin zum einzigartigen, teilbaren und sinnlichen Echtzeiterlebnis. Der Destination Store ist von Größe und Konzept losgelöst. Immersion ist der Schlüssel zum Erfolg, denn die Digitalisierung macht es möglich, Erlebnisse zu miniaturisieren, zum Beispiel durch Virtual Reality. Onlineshopping ist hinsichtlich Produktauswahl und Bequemlichkeit konkurrenzlos, überlässt dem stationären Geschäft aber die Felder Atmosphäre und Emotion. Diese Herausforderung haben Storeinhaber weltweit als Chance begriffen und Destination Stores der nächsten Generation geschaffen. Das Einkaufen ist hier nicht das Ziel, sondern die logische Konsequenz der Partizipation am Gesamterlebnis. Diese Stores sind kultureller Treffpunkt, digitaler Spielplatz oder Plattform identitätsstiftenden Lifestyles. Das Kaufen steht nicht im Vordergrund, es passiert ganz nebenbei. Text: Isabel Faiss. Fotos: Stores
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Preziös gesteuertes Erlebnis: Auf Schritt und Tritt verändert sich der fensterlose Raum durch Lichtreflexe und sensorgesteuerte Special Effects.
Über die kostenlose App Hipanda Now trifft der Kunde überall im Store auf den Hausherren, den grimmigen Panda als Markenzeichen von Hipanda.
Hipanda/Tokio Digitale Geisterbahn Wer die Generation Goldfisch mit ihrer durchschnittlichen Aufmerksamkeitsspanne von acht Sekunden in einer vibrierenden Stadt wie Tokio begeistern will, braucht ein so skurriles Angebot, dass es alle SmartphoneKameras auf sich zieht. Der neue Hipanda Store setzte das als gruselige Fusion aus Kunst, Streetwear und Gaming um. Wo ist der Hausherr? Wer den Store durch die Hipanda Now App betrachtet, die er sich über einen QR Code neben der Eingangstür kostenlos herunterlädt, begegnet über ein Virtual Reality Tool überall Hipanda, dem grimmigen Pandabären als Markenzeichen der Streetwearmarke. Wie ein Geist wandelt er durch den Store, hinterlässt Spuren, verschwindet urplötzlich und spukt umher. Von Geisterhand drehen sich Kleiderbügel analog den Bewegungen des Betrachters, Schaufenster füllen sich mit dichtem Nebel und klaren Sekunden später wieder auf. Geheimnisvolle Lichtreflexe im Fußboden und an den Wänden verändern stetig die Proportionen des Raumes. Alles nur ein Spiel Hipanda kann als Galerie für moderne Kunst, als multidimensionaler Erlebnisraum oder als erlebbares Videospiel gesehen werden. Das japanische Designteam von Curiosity arbeitete mit den AR-Spezialisten des Designteams von WOW zusammen, um hier die Grenzen zwischen der realen und der virtuellen Welt verschwimmen zu lassen. Die grundlegende Idee des Stores ist allerdings so alt, wie die Geschichte der Menschheit und braucht gar keine Augmented Reality, um gut zu sein: der Spaß am Spiel. Hipanda Flagship Store, 4-21-8 Jingumae, Shibuya, Tokio/Japan, www.hipanda.jp style in progress
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In einer Mischung aus Hotellobby und VIP-Lounge am Flughafen empfängt die Store-Crew ihre Kunden zu einem virtuellen Vorgeschmack auf die zu buchende Reise.
Digitale Special Effects wie diese Kabine mit Touchscreen sollen die Kunden schon vor der Buchung das maximale Urlaubsgefühl vermitteln. Digitale Seitenfenster simulieren den Blick aus dem Flugzeug.
Der Clou des Stores: Im geheimen Kinosaal transportieren Kurzfilme zum jeweiligen Reiseziel erste Eindrücke.
Virgin Holidays/Liverpool Die Safari im Kinosessel Die Reise beginnt am Schalter – das Erlebnis aber schon vor der Buchung. Virgin Holidays launchte im Januar 2020 im Einkaufszentrum Liverpool One sein bisher innovativstes V-Room-Konzept. Ziel des Stores ist es, den Kunden bereits vor dem Buchen einer Reise multidimensional und sinnlich aus dem Alltag zu entführen. Multidimensional und digital Reisekataloge können eine Vorstellung kreieren, aber sie bleiben eindimensional. Virgin Holidays hat sich die Frage gestellt, wie ein Reisebüro heute aussehen muss, um einen Kunden bereits bei der Auswahl und Buchung 162
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einer Reise das maximale Erlebnis des Urlaubs spüren zu lassen. Die Antwort lag im Zusammenspiel aus digitalen Tools und persönlichem Service. Direkt am Eingang erhält der Gast ein Getränk seiner Wahl. Reisen schon vor der Reise Der gesamte Store ist wie eine Mischung aus Hotellobby und flauschiger Senator-Lounge aufgebaut, die Servicemitarbeiter tragen die kirschrote Uniform der Flugbegleiter. In einer Kabine kann man sich über einen Sensory Pod zu Reisezielen inspirieren lassen, die einem Eindrücke zu jedem gewünschten Ziel in VR-Qualität erleben lassen. Das Highlight des neuen Stores ist allerdings ein geheimer Kinoraum, der über Großbildleinwand und Surroundsoundsystem in Kurzfilmen die Reise zum Kunden bringt, noch bevor er diese überhaupt antritt. Virgin Holidays, Liverpool One, 5 Wall St., Liverpool/UK, www.virginholidays.co.uk
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Slowear18/Mailand Der Look zum Schluck Guten Geschmack sagt man Italien in jeder Hinsicht nach. Ein Kompliment, den der Anfang 2020 in Mailand neu eröffnete Store Slowear18 wortwörtlich nahm. Tagsüber steht die Mode der Eigenmarken Incotex, Zanone, Montedoro und Glanshirt flankiert von Marken wie Norse Projects oder Arc’terix im Mittelpunkt des kleinen Ladenlokals inmitten des historischen Altstadtviertels Brera. Abends verwandelt sich der Raum zur Aperitif-Bar. Slowear ist ein Big Player Das Multilabelkonzept von CEO Roberto Compagno ist weltweit mit 29 Stores in Städten wie New York, Seoul, London oder Paris vertreten. Mit Slowear18 in Mailand sollte ein Store entstehen, der sich von der prominent besetzten Nachbarschaft der Mailänder Einkaufsstraßen nicht durch sein Sortiment, sondern durch seinen Charakter als geselliger Treffpunkt abhebt. „Tagsüber leben die zwei Seelen des Stores völlig unbehelligt nebeneinander, während sich abends die Einrichtung buchstäblich verwandelt“, beschreibt es Giorgio Di Bernardo von Visual Display, der hinter dem Ladenbau und der Konzeption steht. Aperitivo Als starken Partner für den Barbetrieb wurde das Franciacorta-Konsortium mit an Bord geholt. Dessen erklärtes Ziel ist es, den Schaumwein mindestens so bekannt zu machen wie Prosecco. Sobald der Modeladen offiziell schließt, fährt um den Warenträger in der Mitte des Raumes eine Stehbar herunter und das Team serviert italienische Aperitifs, kleine Häppchen und ausgewählte Spirituosen. „Unsere Idee war es, mit dieser Bar der italienischen Aperitif-Tradition und der geselligen Atmosphäre in unseren Stores einen Raum zu geben, um damit einmal mehr Pioniere in der Erschaffung neuer Bezugswelten zwischen unseren Produkten und unseren Kunden zu sein“, beschreibt es Roberto Compagno, CEO von Slowear. Slowear18, Solferino 18, Mailand/Italien, www.slowear.com
Verwandlung per Knopfdruck: Slowear18 in Mailand ist tagsüber ein Store mit Café, abends eine Aperitif-Bar nach traditioneller italienischer Art. Dreh- und Angelpunkt des Konzepts ist die mobile Stehbar, die nach Verkaufsschluss über den Warenständer in der Mitte des Raumes fährt.
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Mit dem Konzept Nordstrom Local bietet das Haus eine raffinierte Serviceoffensive für Kunden, unter anderem für Bring- und Holservices, Änderungen und Bestellungen. Im New Yorker Flagshipstore ist ein Local Store integriert, in anderen Stadtvierteln gibt es Local Stores ohne Ware als Servicepoints.
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Nordstrom/New York Ein Haus mit viel Strahlkraft Spätestens als sich Virgil Abloh, Chefdesigner bei Louis Vuitton und Gründer des Hypes rund um die Streetwearmarke Off White, in einem Interview als Verfechter der Recommerce-Ideologie outete, ging ein Ruck durch die Branche. Ein Beben, das sich in Zahlen belegen lässt: Laut ThredUp Resale-Bericht 2019 ist der Secondhandmarkt seit 2017 21mal schneller als der Einzelhandel gewachsen. Bis 2028 prophezeit die Studie dem Segment einen höheren Marktanteil als Fast Fashion. Ein Pilot, der flog Mit dem Launch von See you tomorrow im Januar 2020 zollte Nordstrom dem Recommerce-Hype Tribut. Im New Yorker Flagshipstore, der im Oktober 2019 eröffnet hatte, entstand unter der Leitung von Olivia Kim, Kreativchefin bei Nordstrom, ein Pilot-Shop-in-Shop, für dessen Launchevent überwiegend retournierte Produkte aus dem Onlineversand von Nordstrom der letzten Jahre angeboten wurden. Wer selbst Vintage-Teile beisteuern wollte, konnte diese in den Laden bringen und ausgewählte Stücke kamen ins Sortiment. Mit See you tomorrow war Nordstrom einmal mehr Pionier in der Bestrebung, sich als Departmentstore jeden Tag neu zu erfinden. 2019 wurde das Konzept Nordstrom Local als Store Concept of the Year ausgezeichnet. Seit 2017 eröffnete Nordstrom unter dem Titel Nordstrom Local neben den großen Departmentstores kleine Ladenlokale ohne Ware als reine Servicepoints für Kunden, um bestellte Ware abzuholen oder umzutauschen, personalisieren zu lassen oder um Hilfe bei Bestellungen und Stilberatung zu bekommen. Vom Day Spa bis zum Concierge Service, Abwechslung und ständige Veränderung ist das Credo des Unternehmens. Dafür baute es im vergangenen Jahr die Erlebniswelt des New Yorker Flagshipstores on- und offline weiter aus. Es entstand ein Full-Service-
House, unter anderem mit ergänzenden Gastronomie- und Beauty-Angeboten wie dem hauseigenen Nordstrom Day Spa, einem jederzeit bereitstehenden Hairstyling-Team für ein schnelles Aufpolieren der Frisur, kostenfreien Storeservices wie einem Concierge als Unterstützung für Kunden, einem eigenen 24/7 Abhol- und Bringservice, dem virtuellen Styling-Chat ohne Kaufverpflichtung, verschiedenen Personalisierungsstationen und einer eigenen Kreativwerkstatt für Kundinnen, die unter Anleitung eines Profis ihre eigene Handtasche designen möchten – um nur ein paar wenige Stationen des New Yorker Flagshipstores zu nennen. Nordstrom NYC. 235 West 57th Street, New York/USA, www.nordstrom.com
Im Oktober 2019 eröffnete Nordstrom in New York den größten Flagshipstore, der seitdem als Benchmark für Departmentstores vergleichbarer Größe gilt. Oberstes Credo der Kreativchefin Olivia Kim: Service und kontinuierliche Veränderung.
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Stil Premium Goods/Wien Das Stilkonglomerat Sie haben den ersten Shutdown kreativ genutzt, um die Eröffnung eines weiteren Ladengeschäfts in Wien vorzubereiten. „Wir wollten damit beweisen, dass es auch ein Leben nach Corona geben wird, und darauf freuen wir uns jetzt schon“, sagte Michael Paul während des Softopenings im vergangenen April. Der Store Stil Premium Goods in der Lindengasse 51 zählt seit seiner Eröffnung 2005 zu einem der Szenetreffs für Premiumstreet- und -sportswear in der Wiener Innenstadt. Nun kam mit dem Ladengeschäft direkt gegenüber in der Hausnummer 46 der Stil Skate Goods hinzu, der auch einen Personal Record Room präsentiert, kuratiert von Superfly FM Host DJ Preddy. Kaffee und Kinder Zusätzlich bekam das bestehende Ladengeschäft Stil Premium Goods ein eigenes Café mit integrierter Spielecke für Kinder. Beide Stores sind Treffpunkt, Plattform und Kulisse für den Community-Charakter rund um die Stil-Läden, der über das Team des Stores und die enge Bindung zu den Stammkunden sowie das eigene Skate-Team zum Ausdruck kommt. Stil Premium Goods, Dodo Coffeeshop, Lindengasse 51, Wien/Österreich, www.stil-laden.com Stil Skate Goods, Personal Record Room, Lindengasse 64, Wien/Österreich, www.stil-laden.com
Seit der Eröffnung des ersten Stil Premium Goods im Jahr 2005 ist der Store eine Institution in Sachen Sneaker und Streetwear in Wien. Im April 2020 kam ein weiterer Store schräg gegenüber mit Private Record Room hinzu.
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Im integrierten Dodo Coffeeshop serviert das Stil-Team seit Oktober 2019 direkt importierten Kaffee aus Südamerika, vegane Süßspeisen und Biosteckerleis aus Österreich.
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Ein Store wie ein begehbares Lifestylemagazin. Cai Chongda hat sich als prominenter Autor, Schriftsteller und Designer in China einen Namen gemacht – nicht zuletzt mit Projekten wie Magmode.
Magmode/Hangzhou Die lesbare VIP-Lounge Das dreidimensionale Magazin oder vielleicht besser: der lesbare Store. Egal, wie herum man es betrachtet, Magmode in Hangzhou war und ist mit seinem Konzept in der chinesischen Einzelhandelslandschaft ein Pionier. Der leise und subtile Auftritt, die inhaltliche Tiefe und die prominente Besetzung des Chefsessels macht Magmode zu einem authentischen Innovation-Lab für lokale Designer und internationale Marken. Die weißen Seiten … … des Magazins füllt das Mutterunternehmen Mintang über die Kooperation mit lokalen und internationalen
Jeder Bereich erzählt eine andere Geschichte. Meist überlässt sie Chongda einem prominenten lokalen oder internationalen Designer, um sich und seine Produkte zu inszenieren. Magmode bietet die Plattform, über Kooperationen gestaltet das Team das Sortiment.
Designern. Der gesamte Laden ist wie ein Magazin aufgebaut, die einzelnen Storys sind die Storebereiche, die verschiedene Designer mit ihren Kollektionen und Geschichten füllen. Dafür unterstützt Cai Chongda, kreativer Mastermind und Gründer von Mintang, auch unbekannte lokale Künstler und Designer mit Kooperationen im gesamten Produktentstehungsprozess bis hin zum Verkauf der Ware. Networking Mit geschicktem Namedropping verstand es Cai Chongda von Anfang an, sein Storeformat als Plattform und Inkubator für die Kunst- und Modeszene zu inszenieren. Masha Ma, Sun Xiaofeng und Sean Suen waren die ersten chinesischen Designer, die Chongda über Magmode positionierte, inzwischen sind es mehr als 100. Als ehemaliger Kreativdirektor der chinesischen GQ und Redakteur für verschiedene chinesische Lifestylemagazine kennt Chongda den Wert neuer Trends und Themen und den berühmten Namen. Magmode war ein Experiment, aus dem ein Kult geworden ist. Magmode, Hangzhou Kerry Center/China, www.magmode.com style in progress
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Gestaltet im Stil eines Pariser Appartements setzt die Private Styling Lounge auf eine familiäre, vertraute Wohlfühlatmosphäre inmitten der belebten Mall.
Die Private Styling Lounge im Shoppes at Parisian ist der neueste Service-Clou des Hauses. Hier können sich Kundinnen mit ihren Stylistinnen zum Personal Shopping treffen.
Shoppes at Parisian/Macao Showdown der Superlative Mehr ist mehr, und das liegt in China. Entlang des Cotai Strips in Macao reihen sich riesige Casinos, Einkaufszentren und Hotels aneinander, die größtenteils das in Las Vegas ansässige Unternehmen Sands errichtete und betreibt. Darunter auch Hotels und Shoppingmalls, die die international geprägte und multikulturelle Historie der chinesischen Sonderverwaltungszone aufgreifen und unglaublich dick auftragen. Klein Paris Shoppes at Parisian ist nur eine der vielen Luxusmalls, ein Imperium bestehend aus einem Hotel mit einer integrierten Mall mit 150 Luxusboutiquen, einem Theater, Restaurants und Day Spas. Wie der Name verrät, im Stil französischer Prachtbauten umrahmt mit Nachbildungen von Pariser Sehenswürdigkeiten wie dem Eiffelturm im Maßstab eins zu 50 und den Champs Élysées, Cafés, Bistros und Patisserien. Die Zitate der französischen Hauptstadt kommen bei der chinesischen Konsumgesellschaft gut an, in ihren Gängen reiht sich das Who-is-who internationaler Luxuslabels aneinander. Privacy Als neueste Innovation und Serviceoffensive launchte Shoppes at Parisian im Herbst 2019 die Private Styling Lounge. Ein Konzept, das konsumfreudigen Kundinnen ermöglicht, sich mit buchbaren Stylistinnen zum Private Shopping Event in eine private Wohlfühloase zurückzuziehen. Designt wie ein Pariser Apartment im neoklassizistischen Stil ist der separate Raum die perfekte Illusion eines privaten Rückzugsortes inmitten der trubeligen Shoppingmall. Die Buchung läuft online und ist zwischen 30 Minuten und drei Stunden frei wählbar. The Parisian Macao, The Cotai Strip/Macao, www.parisianmacao.com
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Forsthofgut/Leogang Home away from Home „Unser Ziel ist es, dass unsere Gäste ein Stück unserer Atmosphäre, positive Assoziationen und Gefühle rund um ihren Urlaub im Forsthofgut mit nach Hause nehmen können“, beschreibt Christina Schmuck die Philosophie ihres Conceptstores. Im Oktober eröffnete das Familienunternehmen im Forsthofgut erstmals die Türen zum eigenen Inhouse-Store Lieblingsdinge. Der Baum als Symbol Geerdete Naturverbundenheit und ein hoher Anspruch an Qualität und Komfort ist das Motto, das Familie Schmuck in ihrem Resort konsequent umsetzt – und mit dem Baum als Logo auf eigenen Produkten versinnbildlicht hat. Aus den vielen Anfragen der Hotelgäste nach einzelnen Dekorations- und Einrichtungsgegenständen entstand bei der Geschäftsführung die Idee, auf einer Fläche von rund 170 Quadratmetern einen eigenen Destination Store einzurichten, der den Designstil und die Liebe zu schönen Dingen zelebriert. Den Einkauf verantwortet Christina Schmuck selbst und achtet dabei vor allem auf eine gesunde Mischung aus nachhaltig produzierter Ware und lokaler Produktion. So gibt es neben Mode von Marken wie Veja und Ecoalf auch Polstermöbel aus Hirschleder aus dem eigenen Wildgehege, selbstgemachte kulinarische Präsente und selbst entwickelte Produkte, die in Zusammenarbeit mit lokalen Herstellern entstehen. Der Store verkörpert das Ambiente und das Gesamtkonzept des Luxusresorts. Die positiv aufgeladene Assoziation mit dem Urlaub, die Erinnerungen an den letzten Aufenthalt im Forsthofgut oder eine lokale Besonderheit – jeder Kunde kann sich hier ein Stück davon mit ins eigene Zuhause nehmen.
Das Raumkonzept „Für unser Sortiment arbeiten wir eng mit Partnern wie der Agentur Room with a view in Salzburg zusammen“, sagt Christina Schmuck, die ihren Store wie ein luxuriöses Apartment nach Produktgenres entsprechend dem jeweiligen Raum aufgebaut hat. So folgt der Laden einer gewissen Dramaturgie, die sich durch alle Lebens(raum)bereiche durchzieht. „Für uns war dieser Store auch eine logische Konsequenz aus der aktuellen Entwicklung, die das Wohlfühlen in den eigenen Räumen noch einmal in einen ganz anderen Kontext setzt.“ Immer wieder entwickelt Christina Schmuck mit lokalen Unternehmen auch eigene Ideen wie eine kleine Strickkollektion aus Wolle aus der Region oder einigen Zierkissen, die in Zusammenarbeit mit einer Tiroler Teppichmanufaktur gefertigt werden. Forsthofgut, Hütten 2, Leogang/Österreich, www.forsthofgut.at
Christina Schmuck sieht im Inhouse-Store Lieblingsdinge eine ideale Ergänzung zum Gesamtkonzept Forsthofgut.
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WAS MUSS MESSE KÖNNEN?
Die Zeiten, in denen Messebesuche gewohnheitsmäßig absolviert wurden, sind vorbei. Was müssen Messen – unabhängig von Hygienekonzepten – bieten können, um wieder zu einem internationalen Anziehungspunkt zu werden? Text: Stefanie Buchacher. Illustrationen: Claudia Meitert@Caroline Seidler
HÖHERES OUTCOME
NETWORKING-PLATTFORM
Henning Korb, Creative Director Apropos Concept Store „Ich habe in den letzten Monaten gemerkt, welch wichtigen Stellenwert diese Veranstaltungen in unserem Business haben und wie sehr ich sie dann doch vermisse. Die Messe als Networking-Plattform, als Ort, um sich auszutauschen, Zwischentöne zu hören und zu verstehen. Trends und Schwingungen zu erkennen, zu analysieren, Kollektionen zu vergleichen und abzuwägen, was man im Endeffekt möchte, das können Zoom, Teams, Skype oder die diversen Ordersysteme bei weitem nicht ersetzen. Auch die internationalen Fashion-Week-Standorte leiden unter der fehlenden Interaktion, der fehlenden Bühne, dem fehlenden Publikum. Bestes Beispiel waren die gespannt erwarteten Debütkollektionen von Raf Simons und Miuccia Prada oder Matthew Williams für Givenchy. Beide bekamen nur einen Instagram Wimpernschlag Aufmerksamkeit und konnten nicht den nötigen Buzz kreieren.“ 170
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Alexander Lochner, Inhaber Lochner Top Fashion „Wir erwarten uns entweder absolute Inspiration oder es handelt sich um eine reine Arbeitsmesse. Der Austausch mit den Lieferanten findet in den letzten Monaten nahezu permanent digital statt. Das ist nicht mehr wie vor Covid-19, dass man einmal zu Beginn der Saison und dann während der Order Gespräche führt. Die Info über die bestehenden Lieferanten bezüglich deren Kollektionen ist oft sogar besser als früher. Unsere Info und Recherche findet ohnehin ganzjährig statt. Oftmals entdecken wir die neuen Brands über Instagram und schreiben die Marken dann direkt an.“
SO LÄUFT’S
B e Pa r t
INSPIRATIONSORT
Kerstin Görling, Inhaberin Hayashi Store „Eine Messe muss mehr sein als nur Orderplattform – eine Art Moodboard, das sich nicht nur mit den Modemarken beschäftigt. Ich will Impulse bekommen, auch aus Kunst, Interieur, und vor allem Trends, Stoffe, Farben, Storedesign, Merchandising sehen. Dafür würde ich auch einen hohen Eintrittspreis zahlen. Die Marken an sich kann ich auch in Showrooms oder virtuell finden. Ich brauche kreativen Input, Trendvorträge. Die Messe muss Spirit haben, wie früher ein Trip in eine unbekannte, bunte, kreative Stadt. Dafür braucht es Kuratoren wie in einem Museum. Der Besucher muss mit neuen Ideen die Messe verlassen. Das macht den Einzelhandel wieder spannender. Der Handel braucht seinen Zauber wieder und das geht nur, indem er den Kunden überrascht.“
FASHION WEEK ALS DIGITALER ORT
NEUE GENERATION
Marco Voigt, Co-Founder Greentech Festival „Wir vom Greentech Festival sind überzeugt vom Festivalkonzept. Aber was ist das Besondere an solch einem Format? Es macht möglich, begeisterte Menschen zusammenzubringen, die noch nicht verbohrt im eigenen Saft schwimmen. Eine wichtige Inspiration sind für uns Event-Formate aus den USA wie das SXSW. Da treffen sich Menschen bei Bier, Musik auf kleinen und großen Bühnen und tauschen sich über das Neueste aus – vom CEO bis hin zum Nerd. Da mutieren ganze Stadtviertel zu neuen Spielwiesen. Dieser holistische Ansatz zeigt sich auch in der Digitalisierung von Events. Wir glauben, hybride Events, eine Kombination aus Live-Geschehen mit Formaten, die auch rein digital und zudem global funktionieren, sind die Zukunft – auch im Sinne der Nachhaltigkeit.“
Rebekka Sommerhalder, Inhaberin Glore Schweiz „Messen sind für uns Inspiration und Beziehungspflege. Wie die Fashion Week zukünftig wird? Vielleicht tatsächlich ein digitaler Ort. Bilder, Videos, Botschaften erklären die Kollektionen und verhelfen den Einkäufern zu einem Überblick. Möglicherweise mit persönlichen Video-Calls, sollte das gewünscht sein. Umso wichtiger werden dann aber die Termine in den Showrooms, denn Haptik, Schnittführung, Farbenspiel und Tragekomfort können nicht über den Bildschirm transportiert werden – noch nicht, jedenfalls.“
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Er hat gleich zwei Asse im Ärmel: Leo Padulo, Commercial Director bei Max Moda, der Mutterfirma der beiden Senkrechtstarter Freedomday und Outhere.
Markenzeichen von Freedomday sind die Fotodrucke im Inneren der Jacke. Outhere steht für technische Innovation.
MAX MODA
NEUE IMPULSE FÜR DEN ENDVERBRAUCHER Über zwei Generationen lang hat sich das italienische Unternehmen Max Moda auf Outerwear spezialisiert. Seit sieben Jahren betreibt es mit viel Leidenschaft zwei Jackenlabels: Freedomday und Outhere. Commercial Director Leo Padulo im Gespräch über die Marken und ihre Potenziale. Text: Janaina Engelmann-Brothánek. Fotos: Max Moda
Leo, verrate uns, wie sich Max Moda in den letzten Jahren gewandelt hat. Max Moda wird seit zwei Generationen von der Familie Russo geführt und hat sich in dieser Zeit vom White-Label-Produzenten von Sportoberbekleidung zu einem erfolgreichen Unternehmen entwickelt, das zwei eigene Jackenlabels herstellt und vertreibt. Mit den innovativen Modellen von Freedomday und Outhere möchte die Gruppe neue Impulse in der Modebranche setzen und dem Endverbraucher ein unkonventionelles Produkt anbieten. Was ist das Konzept von Freedomday und Outhere? Freedomday und Outhere unterscheiden sich in der Aufmachung, sie ergänzen sich aber auch. Beide teilen die Werte von Max Moda. Für Freedomday gilt das Motto „Travellers of 172
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the World“. Die Marke nährt ein Bedürfnis, das in jedem von uns steckt: Aus der eigenen Komfortzone herauskommen, um die Welt zu entdecken. Neugier ist die Energie, die Menschen dazu bringt, ihre Grenzen hinter sich zu lassen, um sich selbst wiederzuentdecken – an einem neuen Ort, mit neuen Augen. Die Freedomday-Pieces sind für einen interessierten, alterslosen Entdecker, der sich allen Stereotypen entzieht. Für zeitgemäße Globetrotter, die den Thrill lieben, sich zu verlieren und einfach nur zu reisen – aber immer ganz schön modisch. Auf der anderen Seite dann Outhere. Technologie, Forschung und konstante Innovation sind die Leitmotive, die es der Marke ermöglichen, immer wieder zu überraschen und sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Wir wollen dem Endkonsumenten ermöglichen, sich jenseits dessen, was zur Routine geworden ist, selbst auszudrücken. Mit Outhere zelebrieren wir einen eleganten Minimalismus. Ganz besonders innovativ ist unsere Produktlinie Advance+: innovative High-Tech-Materialien, die durch unser Design emotional aufgeladen werden. Outhere ist unser Forschungslabor. Hier möchten wir mit allen Mustern brechen und setzen voll auf Technologie und Innovation. So gibt es „Glow in the Dark“-Modelle, die sich mit Licht aufladen und im Dunkeln
leuchten. Oder die H2O Reactive-Jacken, bei denen die Slogans auf der Außenseite durch Kontakt mit Wasser erscheinen. Was plant das Unternehmen mit den zwei Marken für die kommende Saison in der D-A-CH-Region? Die Pandemie hat das Einkaufsverhalten der Verbraucher und die Art und Weise, wie Mode- und Luxusunternehmen kommunizieren und verkaufen, verändert. Die Digitalisierung hat es im Zeitraffertempo ermöglicht, dass ein immer größerer Anteil online verkauft wird. Kleine sowie mittlere Unternehmen sind dabei keine Ausnahme. Wir glauben jedoch, dass der stationäre Einzelhandel heute wichtiger denn je ist, denn wenn es eine Sache gibt, die niemals von Digitalem ersetzt werden kann, dann ist es der Touch. Das heißt, wir werden noch mehr in den Einzelhandel investieren, auch in der D-A-CH-Region. Meiner Meinung nach sollte die intensive Interaktion und Kommunikation mit dem Endverbraucher im Mittelpunkt jeder Unternehmensstrategie stehen, um ein echtes Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln. Um den Kunden in den Laden zu locken, braucht es außerdem innovative Produkte, die wirklich etwas können. Und Freedomday und Outhere können wirklich etwas.
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Typisch Mou: Gegründet von der Britin Shelley Tichborne, treibt der italienische Lizenzpartner das Geschäft mit dem unverkennbaren Boot weiter voran.
Sie will am deutschsprachigen Markt reüssieren: Brand-Managerin Katiuscia Baccani.
MOU
zu finden ist. Ich wage die These, dass eine Mou-Trägerin das Outfit um den Schuh kreiert und nicht umgekehrt. Das ist ein Feedback, das wir sehr oft bekommen – die Schuhe sind nicht nur Accessoire, sie sind ein Eyecatcher. Was sind die Pläne für die kommende Zeit? Und was erwartet ihr von der D-A-CH-Region? Wir werden die Slipper-Kollektion noch weiter ausbauen. Das letzte Jahr haben wir sehr viel Zeit daheim verbracht und die Nachfrage nach gemütlichen Schuhen für Zuhause ist extrem gestiegen. Homewear ist auch bei Schuhen ein großes Thema. Was den deutschsprachigen Raum angeht, haben wir festgestellt, wie viel wir online verkaufen, nicht nur im letzten Jahr. Wir gehen davon aus, dass in dieser Region ein sehr hohes Wachstumspotenzial für den Wholesale existiert. Wir glauben sehr stark an die Synergie zwischen stationärem und digitalem Handel und wollen uns genau darin tief einarbeiten, um im deutschen Einzelhandel noch präsenter zu sein. Momentan sind wir in Deutschland mit 50 und in Österreich mit 15 PoS vertreten. Diese Zahlen zu steigern, ist unser kurzfristiges Ziel.
COSYNESS UND COOLNESS Mou ist Kult: Anfang der 2000er-Jahre von der Londoner Designerin Shelley Tichborne gegründet, steht die Marke für Ethno-Boots. Beim italienischen Lizenzpartner Artcrafts International fließen im Hintergrund wichtige Fäden zusammen: Produktion, Vermarktung und Marketing. Brand-Managerin Katiuscia Baccani verrät, was es braucht, eine Marke so klar zu positionieren. Text: Janaina Engelmann-Brothánek. Fotos: Mou
Katiuscia, was ist das Geheimnis des Erfolges von Mou? Wie kam es, dass ein kleines Label aus der Portobello Road heute so begehrt ist und von VIPs wie Demi Moore oder Jessica Simpson getragen wird? Das ist wohl eine Mischung aus unterschiedlichen Faktoren. Erstens hat der Schuh ein besonderes Design. Shelley (Tichborne) wollte damals einen komfortablen, warmen Stiefel entwickeln, der cosy ist, aber eben
nicht langweilig, sondern richtig fashion. Das ist ihr mit ihrem Design gelungen – die Boots haben einen hohen Wiedererkennungswert. Zweitens wird jedes Paar von Mou handgefertigt und nur hochqualitative Materialien kommen zum Einsatz. Drittens hat das Unternehmen viel Wert auf eine selektive Distribution gelegt, sodass der Schuh heute den Status eines Nischenproduktes genießt. Zudem haben Promis wie Demi Moore, Jessica Simpson, Gwyneth Paltrow oder Paris Jackson, die unsere Schuhe tragen, natürlich sehr geholfen, den Bekanntheitsgrad zu steigern. Wie unterscheidet sich Mou von anderen Stiefelherstellern? Es gibt tatsächlich viele gefütterte Boots, aber Mou hat sich schon immer durch die Optik abgehoben. Ein Mou soll ein bequemer Stiefel sein, aber eben mit einem Twist. So sind unsere Modelle oft mit Pailletten, Stickereien oder besonderen Mustern verziert, das kommt gut an. Jede Saison präsentieren wir neue Modelle und Farben, sodass die Kunden eine große Auswahl haben. Was sich nie ändert, ist unser Wiedererkennungsmerkmal: die handgenähte Crochet-Naht, die seit Anfang an bei fast jedem Modell
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Neben seinen Jacken in einem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis erobert Canadian Classics jetzt mit Capsules und einer Recycled-Linie neue Händler.
Canadian Classics ist eine seiner Perlen im Portfolio: Simone Ponziani, Inhaber und CEO von Artcrafts International.
CANADIAN CLASSICS
KONTINUIERLICHE ERNEUERUNG IST VITAL Canadian Classics, das Outdoorlabel aus Italien, existiert bereits seit 30 Jahren. Heute produziert das Unternehmen Jacken und macht mit der Linie Recycled die ersten wichtigen Schritte in Richtung Nachhaltigkeit. Ein Gespräch mit Simone Ponziani, Inhaber und CEO von Artcrafts International, der Muttergesellschaft von Canadian Classics. Interview: Janaina Engelmann-Brothánek. Fotos: Canadian Classics
Simone, Canadian Classics steht für unaufgeregte und zugängliche Outerwear und das seit 30 Jahren. Wie hat sich das Label in den letzten Saisons entwickelt? Canadian Classics war in den Anfängen ein Accessoirelabel. Wir waren damals die ersten, die „convertible“ Handschuhe auf den italienischen Markt gebracht haben. Heute machen wir Jacken und haben uns darauf spezialisiert. Uns ist wichtig, Modelle zu produzieren und zu verkaufen, die qualitativ gut und trotzdem bezahlbar sind. Das ist 174
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uns gelungen, wir halten seit den Anfängen an einem Mark-up von 2,8 fest, was heute fast bei allen anderen Standard ist, aber nicht immer so war. Jetzt möchten wir etwas mehr experimentieren und haben neben der Kollektion Basic Urban eine Capsule ins Leben gerufen, die mit modischeren Jacken die junge Frau ansprechen soll. Hier spielen wir mit anderen Volumina, Schnitten und innovativen Materialien. So gibt es Modelle wie The Eugenie, das an asiatische Shapes erinnert, oder Modelle aus changierendem Perlmuttstoff und reflektierenden Materialien. Hiermit konnten wir schon die letzten Saisons andere Retailer ansprechen, die Canadian sonst zu kommerziell fanden. Es ist eine tolle Leistung, wenn man den Zugang zu unterschiedlichen Einzelhändlern findet. Es gibt auch eine nachhaltige Linie – Recycled. Ja, darauf sind wir sehr stolz. Ich denke, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema ist und wir wollten eine Jacke produzieren, die vollkommen nachhaltig ist. Alle Modelle der Re-
cycled-Kollektion sind aus regenerierten und wiederverwendeten Materialien – vom Polyester des Innenfutters bis hin zum Reißverschluss. Aber wir sprechen von Materialien, die auch durchaus sehr modisch sein können, wie zum Beispiel Metallic-Oberstoffe mit irisierendem Effekt. Das ist in der Produktion tatsächlich ein großer Aufwand, vor allem dann, wenn wir an unserer Preispolitik festhalten möchten. Aber wir haben es geschafft und sind froh, diese ersten Schritte in diese Richtung gemacht zu haben. In Deutschland kommen diese Modelle sehr gut an. Du sprichst Deutschland an. Was sind eure Pläne für dieses Gebiet für 2021? Wir mögen die deutschsprachige Region sehr, weil es hier neben den großen und erfolgreichen Multibrand-Departmentstores (die wir in Italien eher weniger haben) auch noch zahlreiche, interessante klein- und mittelständische Händler gibt. Die D-A-CHRegion ist neben Italien unser wichtigster Markt. Hier möchten wir weiterwachsen und werden dafür entsprechende Energie einsetzen – so wie man es von uns kennt.
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Gennaro Dargenio, CEO und Kreativkopf von Circolo 1901, lebt den Style seiner Marke vor.
Circolo 1901 ist für alle, sogar für richtig lässige Skateboarder – das ist die neue Devise der Marke aus Süditalien.
CIRCOLO 1901
NEUES IMAGE, DIESELBE DNA Wenn man die Bildsprache der letzten Kampagnen und die neuesten Aktivitäten des süditalienischen Labels Circolo 1901 auf den sozialen Medien beobachtet, merkt man eine Veränderung – weg vom klassisch Eleganten. Wir haben mit Gennaro Dargenio, Inhaber, Gründer und kreativer Kopf der Marke, über das neue Image gesprochen. Interview: Janaina Engelmann-Brothánek. Fotos: Circolo 1901
Gennaro, was passiert gerade mit dem Image von Circolo 1901? Bruch oder eher eine Evolution? Ehrlich gesagt keins der beiden. Es ist eher eine Rückkehr zu sich selbst. Wir haben sozusagen ein Reshoring der Marketing- und Kommunikationsarbeit gemacht. Indem wir diese Prozesse wieder intern abwickeln, können wir unser authentisches Ich zeigen und
ohne Filter kommunizieren: Ein altersloser Total Look für Frauen und Männer, von Millenials bis zu den Boomers, die sich gerne gut kleiden, aber extrem lässig sind. Unsere Kollektionen sind multifunktional und stilübergreifend. Du kannst Circolo immer tragen, nicht nur für einen speziellen Anlass. Ich sage immer gerne, dass unsere Kollektionen morgens ins Büro und abends für einen Aperitivo immer passen. Euer Icon-Piece bleibt aber die Easy Jacket. Ja klar, weil diese natürlich genau diesen Mood verkörpert und Komfort mit Style gut vereint. Zudem hat sich im letzten Jahr die Nachfrage nach solchen Produkten extrem gesteigert. Dekonstruierte Sakkos wie unsere Easy Jacket aus Jersey sind für Homeoffice und informelle Geschäftstermine ideal. Aber wir sind nicht nur Easy Jacket, Circolo 1901 ist eine ganze Welt und das wollen wir auch stärker kommunizieren. Wir möchten als eine Total-Look-Brand wahrgenommen werden, im Speziellen auch in der D-A-CHRegion.
Du sprichst das bereits an. Wie sind eure Pläne für die deutschsprachigen Länder? Deutschland ist unser wichtigster Markt. Die Jungs vom Heritage Showroom haben wirklich wunderbare Arbeit geleistet. Insbesondere Deutschland hat viel Potenzial und ich denke, dass wir die richtigen Produkte im richtigen Moment haben – die Casualisierung spielt uns in die Hände. Wir werden in diese Länder weiterhin investieren und möchten unseren Fokus auch auf die DOB-Kollektion setzen. Wie ich schon sagte, das wiedergefundene, wahre Ich und das passende Image dazu wird uns bestimmt noch weitere Türen öffnen. Worauf freust du dich 2021? In unserer Kommunikationsstrategie werden wir junge Künstler involvieren. Wir wollen, dass Circolo 1901 so authentisch wie möglich wahrgenommen wird und dafür brauchen wir keine VIPs, sondern Persönlichkeiten, die unseren Style kreativ und natürlich in Szene setzen.
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Die Brüder Renato und Roberto sind heute die Geschäftsführer von Maurizio Baldassari Brera, das Herrenlabel, das in den 1980er-Jahren von Vater Maurizio gegründet wurde und sich zu einem erfolgreichen Familienunternehmen entwickelt hat.
Das Produkt soll selbsterklärend sein – wie einer der Bestsellers des Labels, das Swacketmodell Brenta.
MAURIZIO BALDASSARI BRERA
DER AUFSTIEG DES SWACKETS Maurizio Baldassari Brera, der Name des Herrenlabels aus Mailand, beinhaltet mehr als man denkt: den Gründernamen, die Familie, die dahintersteckt, und das Viertel, wo die Marke heute zu Hause ist. style in progress im Gespräch mit Renato Baldassari, einem der zwei Söhne Maurizios, über Family-Business und Casualisierung. Text: Janaina EngelmannBrothánek. Fotos: Maurizio Baldassari Brera
Renato, Maurizio Baldassari war ein erfolgreiches, jedoch eher klassisches Herrenlabel. Wann kam es zur Casualisierung der Marke? Mein Vater Maurizio hat das Label Mitte der 1980er-Jahre in Mailand gegründet. Er hatte davor lange Jahre bei Rinascente als Buyer gearbeitet und dann doch Lust bekommen, was Eigenes aufzubauen. So kam es zu Maurizio Baldassari: Tailoring für Herren made in Italy. Der Erfolg war von Anfang an ein globaler, unsere Marke war z. B. eine der ersten italienischen Kollektionen, die bei 176
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Takashimaya in Tokio hing. In den 2000erJahren kam die Expansion in den USA hinzu und schon damals haben wir zu diversifizieren angefangen und nicht nur Anzüge, sondern eine größere Spannbreite an High-End-Produkten anzubieten. Als mein Bruder Roberto und ich dann endgültig ins Familiengeschäft einstiegen, wussten wir, dass wir an ein paar Stellschrauben drehen müssten, um wieder genau die gleiche Begehrlichkeit wie damals als junges Label zu bekommen. So entstand vor ein paar Jahren Maurizio Baldassari Brera. Brera steht nicht nur für das Mailänder Viertel, wo unser Hauptsitz ist, sondern für alles, was diese Gegend verkörpert: das Mailand der Boheme, der Kunstliebhaber, der ungezwungenen und entspannten Milanesi. Sie leben die Casualisierung. Wie haben sich die Kollektionen verändert? Wir wollten eine Alternative zum klassischen Business-Look schaffen. Speziell der BusinessAnzug hat an Strahlkraft verloren, uns war wichtig, etwas auf den Markt zu bringen, dass Leisure und Kleidung für den Job vereinte. So haben wir uns auf Produkte wie das Swacket konzentriert. Die Definition Swacket kommt aus dem Amerikanischen und steht für die Fusion von Jacket mit Strickjacke. Es ist unser
Bestseller geworden, weil wir in die Qualität und Aufmachung viel investiert haben. Bei uns soll das Produkt nicht verkopft sein, es soll sich selbst erklären, spätestens in dem Moment, wenn man es anprobiert. Natürlich ist es dann noch schön, wenn das ein Verkäufer erklärt, aus welch exklusivem, eigens produzierten Jersey oder Cashmere manche Teile sind oder dass es vollständig made in Italy ist. Unser Anspruch ist, den Endverbraucher schon beim ersten Hineinschlüpfen zu überzeugen. Wie lauten die Zukunftspläne? Wir möchten eine „Brand to discover“ bleiben. Wir sind ein Nischenprodukt und möchten z. B. in den USA nur noch selektiv weiterwachsen. Wir sind in den für uns 60 relevanten Shops vertreten und sehr glücklich darüber. Was Deutschland und Österreich angeht, gibt es definitiv noch ein Potenzial. Wir sind dankbar, Timo (Moormann von Moormann & Co. Textilvertrieb) gefunden zu haben. Er hat unsere Philosophie und Geschichte verinnerlicht und extrem gute Ergebnisse erzielt. Händler wie Braun, Dantendorfer, Helmut Eder oder Lodenfrey machen uns sehr stolz und wir freuen uns auf weitere Partnerschaften.
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White Sand steht für Komfort und Style made in Italy. Besonders die Womenswear hat im Markt Potenzial für den Ausbau.
WHITE SAND
DIE VISIONÄRE Als GDM vor fünf Jahren das Label White Sand mit Joggingpants gründete, hat das italienische Unternehmen Weitblick und Intuition bewiesen. Jetzt soll White Sand vom Monoprodukt zur Marke werden. Text: Nicoletta Schaper. Fotos: White Sand
Die modische Evolution kommt White Sand entgegen. Joggingstyles sind dank ihres unschlagbaren Tragekomforts nicht nur rehabilitiert, sondern auch gefragt wie nie. Noch dazu, wenn sie mit italienisch-modischem Stilgefühl wie bei White Sand umgesetzt werden. 2016 wurde das Label von Mauro Russo und Simone Bernardi, Inhaber des Hosenspezialisten GDM, ins Leben gerufen. Die Idee war, hochentwickelte Smart Casual Materialien, die zum Großteil aus Japan stammen, mit italienischer Fertigungstradition zu verbinden – für Jogginghosen, die von Männern wie Frauen getragen werden können. „2016 waren diese Hosen noch vielen Konsumenten zu casual, doch das hat
sich grundlegend gewandelt“, so Exportmanager Mattia d’Orlando. „Heute ist es gerade der Komfort, der White Sand so erfolgreich macht.“ Von Saison zu Saison hat die Kollektion ein Umsatzplus von 20 Prozent erreicht; für 2020 hat man sich zum Ziel gesetzt, 100.000 Hosen zu verkaufen. „Wir sind stolz darauf, dass wir das in diesem schwierigen Jahr erreicht haben.“ ENERGIE UND POWER IM PRODUKT
Für weiteres Wachstum bietet die Kollektion die richtigen Voraussetzungen, die klassische Hosen lässig und neu interpretiert. Cargo Pants mit Tunnelzug oder Hosen mit einer oder zwei Bundfalten zählen zu den Icons von White Sand. Das Besondere zeigt sich außerdem in den spannenden Materialien und ausgefeilten Treatments, eine Kernkompetenz von GDM, die sich weniger als einfache Produzenten und mehr als Innovatoren sehen. „Wir stecken viel Arbeit und Energie in die Entwicklung einzigartiger Styles, das spüren und schätzen unsere Kunden“, so Mattia d’Orlando. Zusätzlich sprechen die Hauptpreislagen von 169 bis 189 Euro/VK
und ein Mark-up von 2,8 für White Sand. „Jetzt wollen wir vom Monoprodukt zur internationalen Marke werden.“ Neue KeyItems wie Overshirts passend zu den Hosen unterstreichen diese Ambition für lässige, neu interpretierte Anzüge in der Herren- und der Damenkollektion. Die wichtigsten Märkte sind Italien, Japan und Südkorea; Louisa Via Roma, Antonia, Barney’s und Isetan zählen zu den Handelskunden. In Deutschland wird White Sand seit zwei Jahren von der Agentur Komet und Helden vertrieben. Die Zeichen stehen auf Ausbau, aber sehr fachhandelsorientiert. So werden auf dem Instagram-Profil von White Sand die Kooperationen mit ausgesuchten Händlern herausgestellt. Den Anfang haben ab November Lodenfrey in München und Greta & Luis in Berlin gemacht. Weitere Kooperationen, etwa in Form von Popup-Flächen und Capsules, sind außerdem geplant. „Wir sind jetzt bereit, richtig in den deutschen Markt zu investieren“, so d’Orlando. „Denn wir sind überzeugt, dass Deutschland innerhalb weniger Saisons neben Italien unser wichtigster Markt werden wird.“ style in progress
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DIGITAL FASHION Digital Fashion stellt die Materialität großer Teile der bekannten Supply Chain in Frage. Die virtuelle Welt wird zur neuen Leinwand der Kreativität. Mode schöpfen verliert nicht nur seine zwingende Physis, sondern auch seine Top-Down-Logik. Warum erst kreieren und aufwändig vermarkten, was dann vielleicht nicht gefällt? Angesichts der Klima-Urgenz ein Geschäftsmodell, das dringend überholt werden muss, wollen wir nicht selbst zum Dinosaurier werden.
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DIGITAL FASHION
SIZE & FIT RECOMMENDATION
CURATED SHOPPING ON DEMAND PRODUCTION
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KISS THE FUTURE Kann es gelingen, komplexe Fragestellungen der Modeindustrie mithilfe künstlicher Intelligenz und Software zu lösen? Ja, antwortet die von style in progress befragte Community der Experten einstimmig. Und danach wird es vielfältig, denn die Möglichkeiten, die der ganzheitliche Ansatz der Digitalisierung vom Kollektionsent stehungsprozess über 3D-Tools bis hin zur Kommunikation mit dem Endkonsumenten bieten, sind grenzenlos. Sie haben alle eines gemeinsam: Sie eröffnen völlig neue Spielfelder für die Entfaltung grenzenloser Kreativität und schonen gleichzeitig natürliche Ressourcen. Einsparung auf der einen, Expansion auf der anderen Seite und das Ganze nachhaltig – digitale Designtools und systemgesteuerte Prozessoptimierung sind das neue Spielfeld der Mode. Text: Isabel Faiss. Titelbild: Maro Kim. Fotos: Hersteller
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Wenn die Grenzen zwischen analog und digital verschwimmen, entstehen neue Möglichkeiten, von denen alle profitieren: der Kunde, die Industrie und die Natur.
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THE FABRICANT
LOSGELÖST VON DER PHYSIS Wann beginnt ein Produkt zu existieren? Auf dem Papier, als virtuelles dreidimensionales Rendering oder sobald es haptisch erfassbar ist? Kerry Murphy ist auf diesem Gebiet Pionier. Er will die gesamte Denkweise von Mode verändern, sie nachhaltiger machen und Kreativität von physischen Gesetzmäßigkeiten lösen.
F
ashionauts sagen sie im Team zueinander. Mit seinem 2018 in Amsterdam gegründeten Unternehmen The Fabricant erforscht der gelernte Filmtechniker und Experte für Special Effects Kerry Murphy die Möglichkeiten digitalen Designs und kreiert virtuelle Mode, die es physisch nie geben wird. Dass der Markt dafür besteht und schnell wächst, sagt ihm keine Glaskugel, sondern die Nachfrage. Es ist ein Zukunftsmarkt. Die Digitalisierung eröffnet der gesamten Branche unzählige Möglichkeiten und grenzenlose Flexibilität, davon ist Kerry Murphy überzeugt. Seine Status-quo Analyse macht Sinn. Immer mehr Menschen pflegen ein digitales Alter-Ego. Und Selbstdarstellung funktioniert eben nicht nur analog, vor allem für junge Menschen verlagert sie sich zunehmend ins Digitale. Für diese Zielgruppe gibt es laut Kerry Murphy kaum noch eine Divergenz zwischen digitaler und analoger Welt. Virtuelles 3D-Design ermöglicht es den Digi-Sapiens, ihre Mode aktiv mitzugestalten. Digitaler Mode sind keine Grenzen durch Materialien, Dimensionen, Saisons, Trends, Passformen oder Preise gesetzt. Das klingt nach dem, was Mode ursprünglich mal war: einem unermesslich großen Raum zum Ausprobieren, Inszenieren und Konsumieren. Kerry, verraten Sie uns Ihren Business Case: Wie verdient man mit Mode, die es nur virtuell gibt, Geld? „Eine gute Frage und eine vielschichtige Antwort. Wir haben vier verschiedene Geschäftszweige definiert, wo wir mit Unternehmen zusammenarbeiten. Zum einen ist das die Digitalisierung des Designprozesses in Form von virtuellen 3D-Samples, Lookbooks und digitalen Showrooms. Wir können den gesamten Kollektionsentstehungsprozess begleiten und optimieren. Zum anderen kreieren wir digitalen Content, ebenso wie Marketingund Anzeigenkampagnen, zuletzt mit Brands wie Puma oder Off White. Das sind die Sparten, in denen sich kommerziell Umsatz machen lässt. Unser vierter Bereich ist der experimentellste, hier geht es um Designs, die es physisch nie geben wird. Wir kreieren ein interaktives Erlebnis und bringen dabei Technologien wie Virtual Reality und Augmented Reality mit ins Spiel. Für viele ist das noch ein völliges Mysterium, wir sind mit dem
Kerry Murphy genießt in der Digital Design Community Prominentenstatus. Mit The Fabricant stellt er die Weichen für die Industrie neu.
Thema in einer sehr frühen Phase der Akzeptanz. Ich sehe aber enormes Potenzial, nicht zuletzt für Webstores, Social-Media-Plattformen und die Gaming-Szene. Es sind keine Grenzen gesetzt. Ein Mysterium ist doch auch, für etwas zu bezahlen, das es faktisch nicht gibt, oder? Wir experimentieren momentan mit Digital-only-Fashion zwischen einem und 10.000 US-Dollar. Das ist noch in einem so frühen Stadium, dass wir dazu kaum Referenzen hinsichtlich der Preisakzeptanz haben. Sicher ist aber, Virtual Fashion sprengt die Grenzen des physischen Besitzes. Das ist für eine wachsende Zahl an Konsumenten ein nennenswerter Mehrwert für den sie auch bereit sind, Geld zu zahlen. Außerdem löst das ein Problem, das in dieser Zielgruppe große Akzeptanz hat: sie schont die natürlichen Ressourcen und verursacht keinen Müll. Ein gutes Beispiel: Wenn sich ein Influencer Designerkleidung online ordert, um darin einen Post für Instagram zu generieren, und sie anschließend zurücksendet, ist das ein ökonomisches und ökologisches Desaster. Virtuell lässt sich dieses Bedürfnis aber umsetzen. 2018 bespielten sie zwei temporäre Pop-up-Stores in Tokio und Paris – ein Pilotprojekt als Game Changer für den Modehandel? Das war ein fantastisches Projekt in Zusammenarbeit mit dem Luxusretailer I.T aus HongKong zum 30-jährigen Firmenjubiläum. Wir haben die Jubiläumskollektion virtualisiert und einen Pop-up-Store ohne physische Ware kreiert, der einen Imagefilm und alle einzelnen Teile der Kollektion als animierte dreidimensionale Ansicht zeigte. Auf großen, viereckigen Säulen mit Screens lief die Kollektion mit Designs von unter anderem Helmut Lang, Alexander McQueen oder Marques Almeida. Erst nach der Bestellung wurde physisch produziert. Wir waren 2018 zu einem sehr frühen Zeitpunkt mit dem Thema auf der Fläche, trotzdem war es ein großer Erfolg, weil es gezeigt hat, was mit Digital Fashion alles möglich ist. www.thefabricant.com style in progress
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ALBERTO LOVISETTO/MONCLER
DER INFORMATIONS INKUBATOR Als einer der ersten 3D-Designer weltweit legte Alberto Lovisetto Hand an das heiligste Gut der Mode: die Haute Couture. Als der Experte für digitales Design von Sportswear und Luxusmode zuletzt dabei half, Teile der Genius-Kollektion von Moncler virtuell umzusetzen, ging ein Raunen durch die Branche. Dieses Prestigeprojekt stieß auf die globale Pandemie und plötzlich kam so viel Schwung in das Thema Digitalisierung, dass Alberto Lovisetto zum Shootingstar der Szene wurde. Fotos: Moncler, Alberto Lovisetto
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Der Ritterschlag für digitales Modedesign: Alberto Lovisetto half dabei, mit digitalem 3D-Design die Haute-Couture-Kollektion von Moncler zu entwickeln.
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r sieht das ganz pragmatisch. Digitales Modedesign hat eine Prämisse: Klarheit schaffen, und zwar für alle Beteiligten des Kollektionsentstehungsprozesses. Als Alberto Lovisetto vor fünf Jahren mit Clos3D startete, hatte das nur Vorteile, die auf der Hand lagen: Es gab keine ungeklärten Fragen mehr zu Detaillösungen. Seit zwei Jahren ist er der verantwortliche 3D-Projektkoordinator bei Moncler und beobachtet, wie die Digitalisierung Fahrt aufnimmt. Während der Corona-Pandemie gewann er den globalen Clos3D Designwettbewerb, den KTTA Award 2020. Erfolge wie diese schaffen Öffentlichkeit und belohnen digitales Design mit der Aufmerksamkeit, die es alleine aus wirtschaftlicher Sicht verdient. Vor zwei Jahren begannen Sie Ihre Arbeit bei Moncler. Inzwischen ist Clos3D dort zum Standard geworden. Wie war das in so kurzer Zeit möglich? Durch die Pandemie ist die Nachfrage nach digitalen Lösungen exponentiell gestiegen. Plötzlich scheint jeder zu verstehen, was das Potenzial von 3D ist, denn die vielen Vorteile sind eindeutig: Man sieht den Prototypen als fertiges Produkt in den entsprechenden Proportionen und in allen Farbvarianten. Als Pionier des 3D-Designs haben Sie Teile der Genius Haute Couture von Moncler digital umgesetzt. Ein Meilenstein? Definitiv. Und eine große Herausforderung. Es war Pionierarbeit, die Möglichkeiten des 3D-Designs mit der Handwerkskunst und den Gesetzmäßigkeiten der traditionellen Haute Couture zu verschmelzen. Ein völliges Neuland für alle. Vor allem für die Schnittdirektricen war es eine unschätzbare Hilfe, durch die virtuelle Ansicht genau zu sehen, an welcher Stelle welches Muster sitzen muss. Ich hoffe, dass die Entscheidungsträger in der Modebranche möglichst bald verstehen, dass 3D als Tool eine sinnvolle Unterstützung ist und kein Staatsfeind Nummer eins. Hier stehen wir aber noch ganz am Anfang.
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Alberto Lovisetto ist einer der Pioniere des 3D-Designs für Luxusmode, Motorrad- und Skibekleidung und seit zwei Jahren 3D-Projektkoordinator bei Moncler.
Verteidigt Italien auch im 3D-Design seine führende Position in der Modewelt? Bis jetzt ist das Thema und all die Vorteile, die es bringen wird, in der italienischen Modebranche noch nicht vollständig antizipiert. Vor allem die Akzeptanz, dass 3D eine sinnvolle Unterstützung und keine Konkurrenz ist. Wenn es gelingt, digitale Designtools in den traditionellen Kollektionsentstehungsprozess zu integrieren, bringt es enorme Vorteile hinsichtlich Timing und Lead Times, weil es realistische Modelle innerhalb von wenigen Stunden schafft, was interne und externe Kosten spart und Ressourcen schont. Das ultimative Buzzword ist Klarheit. Virtuelle dreidimensionale Samples liefern ein unübertreffbares Maß an detaillierten Informationen für alle Abteilungen und Personen, die am Kollektionsentstehungsprozess beteiligt sind. Die digitale Darstellung ist eine Simulation der Wirklichkeit, denn sie hat die richtige Ästhetik, Schnitt, Proportion, Farbe und Muster. Davon profitiert jeder, auch das Marketing und der Handel für Visual Merchandising oder PoS-Aktionen. 3D ist ein sehr starkes Tool mit Optimierungspotenzial für alle Business-Functions. Für mich ist das unglaublich. Ein weiterer Mehrwert liegt darin, dass virtuelles Design die Distanz zwischen dem Designer und dem Konsumenten auf ein Minimum reduziert. Denn im Idealfall ist der Avatar, auf dem man etwas modelliert, der des Kunden. Wie wird das Zusammenspiel von digitalen und analogen Designprozessen in Zukunft ablaufen? Ich würde allen raten, mehr in die Digitalisierung zu investieren, sodass 3D-Design in der Modewelt zum Standard wird. Wenn die 3D-Software in die PLM unserer Zulieferer integriert wird, spart das sehr viel Zeit und Abstimmungsrunden. Das Unternehmen der Zukunft wird auf einem geschlossenen Warensystem basieren, das digital getrieben ist. 3D wird zum Informationsinkubator für die gesamte Branche. Im Moment steigt das Bewusstsein dafür exponentiell an. 2030 wird sich die Durchdringung mit Digitalisierung in unserer Branche meiner Meinung nach verdreifacht haben. www.moncler.com
Alberto Lovisettos Covid-19-Outfits gewannen den globalen 3D-Designwettbewerb KTTA Award 2020.
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Taisia Karpova ist Head of 3D-Design bei der SC Fashion Co. Ltd in Utrecht in den Niederlanden. www.scfashion.online
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Lebt den Pionierstatus: Ahmet Mercan, CEO von AlphaTauri.
Im Digitalen Designprozess ist AlphaTauri weit voraus und sieht hier unter anderem die große Chance, die Logik von Bedarf und Nachfrage im Markt neu zu definieren.
ALPHATAURI
PULL STATT PUSH In der Digitalisierung des Design- und Produktions prozesses sieht Ahmet Mercan, CEO von AlphaTauri, die große Chance für einen Kulturwechsel der Nachfrageökonomie in der Modebranche. Seit Gründung der Marke beschäftigt sich das Unternehmen intensiv damit, Brücken zwischen Online und Offline zu schlagen.
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err Mercan, Ihr Ziel ist die ganzheitliche Digitalisierung des gesamten Unternehmens. Welche Schritte des Kollektionsentstehungsprozesses sind heute schon konkret von der Digitalisierung betroffen? Eine unserer Kernkompetenzen innerhalb der Kollektionen sind neben Outerwear 3D-Knits. Alle unsere Strickwaren werden mittlerweile mit der 3D-Knit-Technologie designt. Vorteile sind hier neben einer nachhaltigeren Produktionsweise, nahtlose Strickwaren mit einem deutlich höheren Tragekomfort und Fit. Wir gehen dabei so weit, dass wir auf das individuelle Body-Size-Profil hin maßgeschneiderte Pullover erstellen. Wo sehen Sie das größte Potenzial und die ökonomischen Chancen?
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Für die Modebranche liegt ein großes Potenzial darin, aus einem Push-Markt einen Pull-Markt zu machen. Viel zu lange unterliegt die Industrie schon dem Irrglauben, dass Produkte von Kreativen entwickelt werden und via noch kreativeren Marketingkampagnen in den Markt gedrückt werden, um dort eine Begehrlichkeit zu erzeugen. Viel interessanter und auch nachhaltiger ist doch der Ansatz, Konsumenten-zentriert zu hinterfragen, was der Kunde eigentlich will. AlphaTauri geht auch hier einen Schritt weiter und bietet dem Konsumenten Lösungen für Bedürfnisse an, von denen der Konsument noch gar nicht wusste, dass die Modeindustrie diese bedienen kann. Wie beispielsweise ein auf meine eigenen Körpermaße gefertigter 3D-Knit-Pullover in der gewünschten Farbe und Garnzusammensetzung oder ein wasserabweisender Merinopullover, der nicht funktional ausschaut. Welchen Einfluss hat die Digitalisierung eigentlich auf die Zusammenarbeit mit Handelspartnern? Unsere Handelspartner hatten seit der letzten Saison bereits die Möglichkeit, via des AlphaTauri DSA-01 den Übergang zwischen physischem Orderprozess im Showroom und digitalen Zusatztools zu erleben, ohne dabei die menschliche Bindung zu verlieren. Der DSA-01 ist ein eigens für AlphaTauri entwickelter digitaler Sales- und Studioassistent, der es Einkäufern ermöglicht, den Showroom über Teams, Zoom oder ähnliche Programme zu besuchen und zu erleben, um so den Onlineorderprozess zu unterstützen. Ein selbstfahrender Roboter sozusagen, der über eine frei bewegliche Studiokamera verfügt, die auch vom Handelspartner selber durch den Showroom gesteuert werden kann. In Anbetracht der aktuell notwendigen Dynamiken in der Fashionbranche findet der DSA-01 bei uns vielseitige Einsetzbarkeit. So haben wir beispielsweise auch schon Onboarding-Maßnahmen mit neuen AlphaTauri Mitarbeitern über den DSA-01 steuern können.
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Emily Switzer arbeitet von Toronto aus als Freelancerin. Das Gucci-Outfit war ihre Einsendung für die Teilnahme an den 2020 Digital Innovation Fashion Awards. www.emilyswitzer.com
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Yun Kyung Lee ist selbstständiger 3D-Designer und engagiert sich unter anderem für die digitale Katalogisierung von Materialien. Er lebt in Cypress nahe Los Angeles. www.instagram.com/adl.3d.dream
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Als Digital Tailoring Artist hat sich Melinda Manunta in Budapest selbstständig gemacht. Sie verbindet 3D-Design mit klassischer Schneiderkunst. www.artstation.com/virtailor
Sie hat sich beim polnischen Unternehmen LPP auf das digitale Design von Schuhen und Accessoires spezialisiert. Katarzyna Kanturska lebt in Danzig. www.behance.net/katarzynakanturska
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22nd Century Jeanne d’Arc nennt der in Seoul ansässige 3D-Designer Maro Kim dieses Modell. Er gewann den CLO Digital Design Contest 2020 Award in der Kategorie After Covid-19 (siehe Titelbild). www.instagram.com/3dbymaro
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Sizolution, der Marktführer für Size and Fit Apps im russischen Markt ist mittlerweile auch in Europa mit Unternehmen wie Hirmer, Nu-in und Hugo Boss vertreten.
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VIRTUAL FASHION BESTEHT AUS DATEN Vahe Taamazyan hat eine Vision davon, die Industrie mit ihren bisherigen Produktionssystematiken über cleveres Datenmanagement komplett auf rechts zu drehen. Begonnen hat alles mit der Size-and-Fit-App Sizolution, die seit drei Jahren auf dem Markt und bei zahlreichen internationalen Webstores und Marken im Einsatz ist.
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as Sizolution im ersten Schritt macht, nämlich die Simulation einer virtuellen Anprobe, um über eine Minimierung der Retouren das Onlinebusiness zu optimieren, lässt sich laut Vahe Taamazyan so hochskalieren, dass am Ende alle Seiten profitieren: die Industrie, die Kunden und die Natur. Vahe, wohin geht die Reise, die ihr mit Sizolution vor rund drei Jahren begonnen habt? Für uns war die erste Prämisse, das größte Problem des Onlinehandels zu lösen: die hohen Retourenquoten. Der Prozess des Anprobierens war nie Teil des Businessmodells von E-Commerce. Eine Size and Fit App wie Sizolution liefert in erster Linie Daten, den Stoff, aus dem Virtual Fashion mit einem wirtschaftlichen Anspruch besteht. Wir kennen nicht nur die Passform des Kunden, sondern erfahren auch viel über seinen Geschmack und bevorzugte Materialien. Meiner Meinung nach gibt es unendlich viele Möglichkeiten, unser Geschäftsmodell konsequent in weitere Felder der Digital Fashion zu expandieren. Dieses Thema ist super spannend, ein weißes Blatt, von dem noch keiner genau weiß, was irgendwann darauf stehen wird. Das primäre Produkt von Sizolution ist ein Avatar anhand eines 3D-Scans. Welche Türen öffnet das in Bezug auf Digital Fashion? Unendlich viele, aber auch das ist eine Frage, auf die es bisher nicht die einzig richtige Antwort gibt. Unsere lautet Hyper Personalization. Wir geben dem Avatar die exakten Maße des Kunden und lassen ihn ähnlich aussehen. Aber es ist kein perfektes Abbild des Kunden, sondern mehr ein virtuelles Model. Glaub mir, niemand möchte sich selbst als 3D-Modell von allen Seiten betrachten, zumindest nicht mit den Renderings, die es momentan gibt.
Mit Sizolution schlägt Vahe Taamazyan die Brücke zwischen digitaler Mode und ihrem Kunden: einen Avatar mit exakten Maßen.
Was sind realistische Szenarien, wo Digital Fashion die Modeindustrie bereichern und optimieren kann? Neben dem reinen Nutzen des Schutzes und der Isolation hat Mode viele weitere Soft Skills, allen voran die Selbstinszenierung. Wir verbringen immer mehr Zeit online und auch in dieser virtuellen Parallelwelt haben wir eine Identität und ein Image. Beispielsweise bei Instagram ist die Anzahl deiner Follower Teil deines Images. Heute wird bereits unglaublich viel Mode ausschließlich dafür produziert, um mit ihr virtuellen Content zu kreieren. Sei es in Onlineshops, in der Vororder oder in den Social Media Kanälen. Man stelle sich mal vor, welche Ressourcen eingespart würden, wenn das alles virtuell abgedeckt wäre. Oder wenn ein Onlineshop einem Kunden anhand der Daten über seine Figur, Passform und Stilpräferenz statt 1.000 willkürlicher Produkte 50 exakt passende herausfiltern würde. Und es geht noch einen Schritt weiter: Bisher funktioniert Mode so, dass ein Designer ein Produkt kreiert und es produziert wird, bevor es der Kunde überhaupt sieht. Viel ökonomischer und ökologischer wäre es, den Kunden virtuell ein Produkt aussuchen und anprobieren zu lassen und es dann on demand zu produzieren. An genau diesen Stellen setzen wir an, indem wir die entsprechende Passform des Kunden erfassen. Der größte Vorteil, den Virtual Fashion hat, ist, dass es kein klassische Overhead-Struktur gibt wie bei analoger Mode, keine Logistik, keine Warenbestände, keine Produktionszyklen. Ein digitales Objekt lässt sich viel leichter an die individuellen Bedürfnisse des Kunden ausrichten, Customizing ist innerhalb weniger Arbeitsschritte möglich. Wie wird das die Kommunikation über Mode verändern? Stell dir vor, einem Kunden werden nicht mehr x-beliebige Fotos von Produkten als Werbung angezeigt, sondern auf ihn und seinen Stil zugeschnittene hochprofessionelle Renderings von Mode, die ihm passen und gefallen. Das spart allen Beteiligten Zeit, Ressourcen und Arbeit. Jeder Kunde schätzt andere Dinge. Manche wollen möglichst effizient ohne Umwege ein Produkt finden. Andere schätzen die Inspiration, das virtuelle Bummeln. Digital kann man auch die Kommunikation und Werbung auf jeden Kundentypen passgenau zuschneiden. www.sizolution.com style in progress
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Susana Meiras ist in Esposende in Portugal als Freelancerin für die Kollektion Ad-Tech des Unternehmens Adalberto verantwortlich. Für den europäischen Marktführer im Bereich 3D-Printing entwickelte sie die vollständig biologisch abbaubare Kollektion virtuell. susanameiras.com
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Unter der Leitung von Kreativdirektorin Margerita Maccapani Missoni entstand diese Capsule-Kollektion mit Save the Duck. Sie besteht aus veganem Plumtech und verzichtet komplett auf Daunen. www.savetheduck.it
Maximilian Rabe ist seit 2017 als Designer der Menswear für G-Star in Amsterdam tätig und kreiert nebenher eigene 3D-Designs, die er unter seinem Instagram-Account @resilient_official veröffentlicht.
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Nike übersetzt die Möglichkeiten digitaler Designtools in die Welt des Retails und ist einer der Pioniere auf diesem Gebiet. www.nike.com
Er kommt ursprünglich aus der Gaming-Szene. Mit seinem Hunter gewann Christian Zollinger 2020 den 3D Apparel Creation Contest von Marvelous Designers.
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Taisia Karpova, www.scfashion.online
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HEIKO SCHÄFER/HUGO BOSS
DAS DIGITALE SPEEDBOAT
Wenn man mit Pionieren des 3D-Designs spricht, nennen sie häufig Hugo Boss als Benchmark. Das Unternehmen aus Metzingen war nicht nur eines der ersten, das die Digitalisierung im Designprozess auch industrieseitig etabliert hat. Es ist sicherlich auch am konsequentesten im Rollout-Prozess und setzt dabei neue technische Standards in der Branche – und das für den gesamten Produktzyklus. Fotos: Hugo Boss
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ls Unternehmen hat die Hugo Boss AG ein paar zentrale Schalter für die Digitalisierung früh umgelegt und seit 2015 kontinuierlich an der Implementierung des Themas in allen Bereichen gearbeitet. Dass sie mit eigenen Produktionsstätten und der nötigen Manpower als Innovationsinkubator am momentan längsten Hebel in der Branche sitzt, definiert Hugo Boss Chief Operations Officer Heiko Schäfer als große Chance und auch als Herausforderung, einheitliche technische Standards für alle zu erreichen. Herr Schäfer, Hugo ist Ihr digitales Speedboat, mit dem sie Innovationen erst einmal ausprobieren, bevor Sie sie über das Flaggschiff Boss ausrollen. Wie läuft das Rennen aktuell?
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Ja, in der Tat bietet Hugo hier die Möglichkeit, Dinge einfacher zu testen. Aber letztendlich stehen sich die beiden Marken heute eigentlich in nichts nach. Wir haben uns wie viele andere erstmals 2017 mit Hugo über den digitalen Showroom an das Thema herangetastet. Im gleichen Jahr kam dann der Zeitpunkt, an dem wir anfangs noch als Projekt mit einem cross-funktionalen Team bestehend aus Designern, Technikern und Experten für 3D-Visualisierung begonnen haben, digitale Tools konsequent in den Kollektionsentstehungsprozess zu integrieren. Die Digitalisierung großflächig auszurollen und neue Standardprozesse zu etablieren, kam 2019. Und 2020 haben wir nun unter Boss die erste voll digital entwickelte Kollektion auf den Markt gebracht. Von welchen Volumen sprechen wir hier? Über alle Kollektionen und Marken betrachtet, haben wir mit der Frühjahr-/Sommer-Kollektion 2021 deutlich mehr als 50 Prozent der Styles digital designt und entwickelt. Bei Hugo Menswear liegen wir allerdings schon bei knapp 75 Prozent, bei Hugo Womenswear bei knapp unter 50 Prozent. Auch bei Boss nimmt der Anteil mit immer größeren Schritten zu. Unser Ziel ist es, bis Ende 2022 insgesamt 80 Prozent unserer Kollektionen digital zu entwickeln. Wenn man Digitalisierung als ganzheitlichen Ansatz betrachtet, wo stehen Sie gerade? Wir beginnen bereits in der textilen Vorstufe, wo es um die digitale Materialentwicklung und die Digitalisierung bereits vorhandener Materialien geht. Um das Kleidungsstück digital designen zu können, müssen zuerst die Stoffe, Rohmaterialien und Zutaten wie Knöpfe digital verfügbar sein. Momentan arbeiten wir intensiv daran, alle benötigten Materialien mit den entsprechenden Lieferanten digital abzubilden. Da ist unser Status derzeit bei rund 40 Prozent. Wie gut klappt hier die Zusammenarbeit mit der Vorstufe? Wir sind in der Branche in der Tat einer der Vorreiter darin, technologische Standards zu setzen. Unser Ziel ist es, unsere Lieferanten ins Boot zu holen, damit wir einheitlich mit einer gewissen Logik arbeiten. Wenn wir keine klaren Vorgaben zu beispielsweise Datenformaten erarbeiten, ist die Kommunikation über die Supply Chain ineffizient und wir verursachen viele Komplexitätskosten bei Lieferanten. Die Herausforderung ist es ferner, nicht nur die virtuelle Erscheinung eines Materials abzubilden, sondern auch die physischen Eigenschaften beispielsweise eines Stoffes voll zu simulieren und ein Kleidungsstück später auf einem Avatar zeigen zu können. Der zweite Schritt ist die Nutzung dieser digitalisierten Materialien im Designprozess und anschließend die gemeinsame digitale Entwicklung eines Styles unter Einbezug der Produzenten. Die Kernfrage ist hier die digitale Interaktion mit der Produktion: Wie können wir sinnvollerweise die Informationen zu einem Style mit einem Lieferanten so austauschen, dass er alle nötigen Informationen relativ einfach für seinen Produktionsprozess umsetzen kann? Am Ende wird das Produkt als 3D-Rendering für den Showroom verwendet und nur noch sehr begrenzt physisch als Sample produziert. Hugo Boss gibt ein hohes Tempo und einen gewissen Anspruch an den Professionalisierungsgrad vor. Gehen das Ihre Partner in der Branche mit? Da gibt es eine hohe Varianz. In der Vorstufe ist der Professionalisierungsgrad oft noch überschaubar. Hier sind wir in der Tat dabei, Standards zu etablieren. Für viele unserer Partner in der Produktion sind 3D-Prototypen und Renderings nichts Neues. Die Digitalisierung ist also in vielen Bereichen angekommen. Welche direkten Auswirkungen hat die Digitalisierung auf Ihre internen Ressourcen?
Hugo Boss Chief Operations Officer Heiko Schäfer kennt die Potenziale der Dematerialisierung von vielen Prozessen genau.
Digital designt und entwickelt. Durchschnittlich 50 Prozent aller Kollektionen von Hugo Boss werden bereits digital produziert.
Dort, wo wir die Digitalisierung konsequent umsetzen, können wir den Entwicklungskalender um bis zu 70 Prozent verkürzen. Geschwindigkeit und Flexibilität sind ein unglaublicher Vorteil. Aber auch in Sachen Nachhaltigkeit sprechen wir von einem deutlich geringeren Materialeinsatz. Über die Prozessstandardisierung können wir Abläufe automatisieren, sind aber auch in der Lage, bessere Entscheidungen in einer frühen Phase der Produktentwicklung zu treffen. Erstens: Corona hat den Prozess der Eliminierung physischer Samples extrem beschleunigt. Wir reden hier durchaus von Beträgen im zweistelligen Millionenbereich, die wir durch die Digitalisierung der Muster einsparen können. Zweitens haben wir unter dem Stichwort Industrie 4.0 in unserem eigenen Werk in Izmir auch digital unterstützte Arbeitsprozesse implementiert. Und drittens setzen wir in vielen administrativen Bereichen Tools wie Robotic Process Automation ein, mit der einfache repetitive Arbeitsschritte durch einen automatisierten Bot direkt im IT-System übernommen werden. Welche Möglichkeiten sehen Sie hinsichtlich Kommunikation und Einbindung des Konsumenten? Der nächste logische Schritt ist, dass man die Daten eines 3D-Designs mit denen eines Kundenavatars verknüpft, um dem Kunden eine simulierte Anprobe zu ermöglichen. Auch die Personalisierung von Produkten ist damit einfacher, zum Beispiel im Bereich Made to Measure. Production on demand kann dann später hinsichtlich Nachhaltigkeit ein übergeordnetes Ziel werden. style in progress
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REGINA TURBINA/REPLICANT.FASHION
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ MACHT MODE In Russland war sie die Erste, die ein digitales Kleidungsstück real verkaufte. Als Regina Turbina 2019 mit ihrem Onlinestore für Virtual Fashion startete, konnte sie es selbst kaum glauben, wie schnell die Nachfrage stieg. Fotos: Replicant.Fashion
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erade designte Regina Turbina eine Virtual-Fashion-Kollektion, indem sie mithilfe künstlicher Intelligenz neuronale Netzwerke in Mode übersetzte. Mit Replicant.Fashion zeigt sie, dass grenzenlose Kreativität losgelöst von den Gesetzen der Physik einen Business Case ergeben, den bis jetzt nur wenige auf dem Schirm haben. Regina, wie verkauft man eigentlich Mode, die es physisch nicht gibt? Ich verstehe digitale und physische Mode als Einheit. Als ich als erste Designerin in Russland 2019 ein virtuelles Design verkaufte, bekam ich durch die mediale und öffentliche Aufmerksamkeit plötzlich so viele Aufträge, dass es Sinn machte, den Replicant.Fashion-Onlinestore als Plattform für die Community für Virtual Fashion zu launchen. Anfangs haben wir physische Kollektionen von Marken wie Akoa oder Yuliya Yefimtchuk ins Digitale übersetzt und verkauft, später kamen die rein digitalen hinzu. Momentan verkaufen wir zwei Varianten, die digitale und auf Bestellung auch eine physisch produzierte personalisierte
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Regina Turbina hat eine Vision: Der nächste große Schritt der Digital Fashion wird auf Augmented Reality basieren – einer neuen Realitätsstufe, die ihrer Meinung nach in fünf bis zehn Jahren kommerziell etabliert sein wird. Hier trägt sie Virtual Fashion auf Basis von künstlicher Intelligenz neuronal designt.
Variante des Designs. Das ist ein Geschäftsmodell, an dem auch andere wie The Farbicant, Carlings oder Tribute Brand arbeiten. Dress-X-Marketplace eröffnete ein paar Monate nach uns. Das lässt uns hoffen, dass der Markt schnell wächst. Mit Replicant.Fashion sind Sie gleichzeitig auch Kurator digitaler Mode? Ja. Ein gutes Beispiel ist der Contemporary Designer Passgoaltriple. Er hatte immer schon eine einzigartige Vision von Mode und eine eigene Bildsprache. Über Replicant. Fashion kann er diese jetzt mit einem breiten Publikum teilen, ist völlig frei in der Gestaltung und verkauft digitale Mode. Sie kooperieren auch mit Marken wie Puma. Was hat es damit auf sich? Es ist so wichtig, dass große Marken Ditigal Fashion als Thema begreifen und ihre Möglichkeiten promoten. Wir haben gemeinsam die erste digitale Puma-Kollektion entwickelt, die nicht nur Influencern zur Verfügung gestellt, sondern bei einem Live-Event präsentiert wurde und anschließend online zu kaufen war. Die Kollektion hieß Unitgravity und die Reaktionen der Kunden, die sie virtuell anprobierten, war fantastisch. Momentan ist die Kollektion bei uns ausverkauft, aber wir hoffen auf eine weitere limitierte Drop-Kollektion. www.replicant.fashion
THE FUTURE IS WIDE OPEN! ...AND THE STYLE IN PROGRESS NEWSLETTER IS A SMART GUIDE TO GET THERE.
www.style-in-progress.com www.facebook.com/styleinprogressonline/
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Pinar Eris lebt und arbeitet in Los Angeles und betreibt ein kleines Atelier, wo sie ihre selbst designten Prints und Kollektionen herstellt und vertreibt. www.pinareris.com
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„Mit 3D-Design zu arbeiten, bedeutet, zu experimentieren, auszuprobieren, neue Ideen umzusetzen, um diese mit anderen zu teilen“, beschreibt Maria Ruano aus Madrid auf der Instagram-Seite ihres Labels Hacer Virtual Fashion die Motivation für ihre Arbeit. www.mariaruanodesign.com
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Innovativ und nachhaltig – die Jacken von Esemplare sind beides.
Fulvio Botto und Francesco Martorella, Gründer und Inhaber von Esemplare in der Firmenzentrale bei Turin.
ESEMPLARE
„DIGITALISIERUNG IST EIN INVESTMENT, KEINE AUSGABE“ Esemplare, die High-End-Outerwearmarke aus Turin, vereint alle wesentlichen Attribute der heutigen Zeit: Innovation, Nachhaltigkeit und Tradition. So aufgestellt möchten Fulvio Botto und Francesco Martorella, Esemplare-Gründer und -Inhaber, auch den deutschsprachigen Raum erobern. Interview: Janaina Engelmann-Brothánek. Fotos: Esemplare
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evor Esemplare ins Leben gerufen wurde, haben Sie gemeinsam Pattern gegründet. Wie haben Sie beide sich gefunden und warum dann Esemplare? Fulvio Botto: Wir arbeiten seit 1987 zusammen. Erst als Kollegen in großen Modefirmen, seit 2000 an unseren gemeinsamen Projekten. Also länger als eine durchschnittliche Ehe (lacht). Die Erfahrung im Bereich Modelling und Prototypen-Entwicklung bei großen Häusern haben uns bestens auf das Unternehmertum vorbereitet und Pattern schnell zu einem Marktführer in Sachen Schnittmuster und Produktion gemacht. 2014 hatten wir den Wunsch, in eine eigene Marke zu investieren und so kauften wir Esemplare. Zu Beginn war es ein reines Kreativlabor, in dem wir mit den neuesten Stoffen und Technologien experimentierten, ehe wir sie Kunden anboten. Vor zwei Jahren haben wir uns entschlossen, strategisch und langfristig eine Marke daraus zu machen, in sie zu investieren und sie sichtbar zu machen. Was die Digitalisierung der Lieferketten und anderer Prozesse angeht, gehören Sie zu den Vorreitern. Was ist die nächste große Entwicklung? Francesco Martorella: Wir haben früh in die Digitalisierung 4.0 investiert. Denn Digitalisierung ist ein Invest-
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ment, keine Ausgabe. Wir haben seit zwei Jahren ein internes 3D-Team. Das hat uns einen enormen Vorsprung während des ersten Lockdowns verschafft, wir konnten ohne Verzögerungen unsere Kollektion präsentieren. Wir arbeiten stetig an der Transparenz und der Verbesserung unserer Lieferkette. Aktuell tüfteln wir an einem neuartigen Lagersystem, bei dem RFID-Etiketten eine tragende Rolle spielen. Doch nicht nur intern: Wir haben soeben eine Esemplare-Jacke kreiert, deren RFID-Etikett alle Infos vom Rohstoff bis zum Finishing enthält, eine Jacke mit integriertem Lebenslauf sozusagen. Ich glaube, dass diese Transparenz der gesamten Lieferkette bald von uns allen verlangt wird. Esemplare ist bestimmt von Zukunft und Innovation, wie passen da Handwerk und italienische Modetradition dazu? Francesco Martorella: Wir sind sehr innovativ und haben futuristische Visionen, aber wir sind unserem Land und der handwerklichen Kunst sehr verbunden. Technologie kann viel, aber nicht alles. Wir verarbeiten keinen Stahl, sondern Stoffe und Fasern mit viel Leben und es gibt Dinge, die nur Hände machen können. Dessen sind wir uns bewusst. Wir unterstützen kleinere „eccellenze“ aus unserer Branche und investieren in diese Kleinbetriebe, wenn sie finanzielle Schwierigkeiten haben. Es geht darum, das Können und die Fertigkeit zu bewahren. Fulvio Botto: Das ist für uns, aber auch für die Zukunft wichtig. Wir müssen dem Humankapital angemessenen Wert geben und diese Art von kleineren Unternehmen unterstützen, speziell jetzt. Wir müssen vereint bleiben, uns gegenseitig stärken, Know-how austauschen und aus Synergien profitieren.
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ERMINA AVDISHA/NAPAPIJRI
DIE DIGITALBOTSCHAFTERIN Ermina Avdisha vermittel zwischen zwei Welten, die sich ihrer Meinung nach weder gegenseitig ausschließen noch ersetzen: das digitale und das analoge Design. Als gelernte Schneiderin und passionierte Pionierin des 3D-Designs versteht sie beide Seiten. Ihre Vision ist das konsequente Umdenken von Konsum in Bezug auf physische Produkte zugunsten grenzenloser Kreativität. Fotos: Ermina Avdisha
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ie kommt aus der klassischen Modeproduktion. Als gelernte Schnittdirektrice für Jacken eignete sie sich in der Produktion für Sportswearmarken wie Colmar das entsprechende Know-how an. Parallel verfolgte sie von Anfang an die Entwicklungen im 2D- und 3D-Design und setzt es seit April 2020 bei Napapijri als technische 3D-Design-Spezialistin um. Ermina, Sie kennen beide Welten und ihre Konflikte. Wie vernetzt man sie? Anfangs waren das wirklich zwei getrennte Welten und alles wurde in analog und digital kategorisiert. Dank meiner Ausbildung kenne ich die Anforderungen und Problematiken der Produktion und die Lösungen dafür mit 3D-Software. Am Anfang bin ich oft auf Vorurteile gestoßen, es gab bizarre Diskussionen. 3D ersetzt nichts Dagewesenes, es ist eine komplett neue, eigene Welt, die für sich ihre Berechtigung hat. Digitale Designtools helfen uns, Entscheidungen zu treffen, aber das Digitale wird nie das Physische ersetzen. Was ist mit Digital Fashion noch alles möglich? Ich könnte mir vorstellen, dass wir in Zukunft viel weniger physische Mode tragen und stattdessen mit der 3D-Technologie die Möglichkeit haben, uns selbst kreativer und individueller zu inszenieren, ohne noch mehr zu konsumieren. Überall, wo das virtuelle das physische Produkt ersetzen kann, macht es Sinn, denn es spart Ressourcen. Vielleicht tragen wir alle irgendwann nur noch schwarze oder weiße Basics auf die durch eine AugmentedReality-Brille individuelle Designs virtuell draufgespielt werden. Digitale Mode ermöglicht uns, unserer Kreativität komplett freien Lauf zu lassen. Momentan hat ein Konsu-
ment Zugriff auf eine schier unbegrenzte Anzahl von Kleidung und ein vergleichsweise kleines Maß an Kreativität. Einige Modemarken haben die Aufgabe schon angenommen, kreativ zu sein, ohne noch mehr zu produzieren. Die Technologien dafür gibt es, aber der Konsument muss sie erst annehmen. Bestes Beispiel: Zoom gab es immer schon. Aber es brauchte erst eine Pandemie, damit wir auf die Idee kamen, uns virtuell zu treffen, statt für ein Meeting um die halbe Welt zu fliegen.
Die grenzenlosen Entfaltungsmöglichkeiten für Kreativität faszinieren sie am 3D-Design: Ermina Avdisha, Spezialistin für 3D-Design-Technologie bei Napapijri.
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Sie zählt zu den High Potentials der nächsten Generation der 3D-Designer: Tiany (Tenny) Chen studiert Modedesign an der Hanyang University in Seoul. www.instagram.com/ctychenty
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Als Digital Fashion House hat sich das Unternehmen The Fabricant von Kerry Murphy und Amber Jae Slooten als Vorreiter auch für das Thema Digital-only-Fashion etabliert. www.thefabricant.com
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MODE
Nothing else
mat ters
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MODE
Das Jahr 2020 hat die Weichen für die Mode unerwartet umgestellt. Es hat damit Entwicklungen beschleunigt, die es schon lange gab, die aber stiefmütterlich behandelt vor sich hin existierten. Digitale Tools verändern den Produktentstehungs prozess, traditionelle Saisonrhythmen lösen sich weiter auf, der Endkonsument rückt als mündiger Entscheidungsträger immer mehr in den Fokus. Mode ist so ak tuell wie selten zuvor, denn egal wie soziale Kontakte stattfinden, Selbstinszenierung hat Hochkonjunktur. Gleichzeitig wächst die Sehnsucht nach Natur und Freiheit, nach Selbstbestimmtheit und Entfaltung – alles Spielfelder der Emotionen, die Mode perfekt bedienen kann. Redaktion: Isabel Faiss. Fotos: Marken
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MODE
The Big Easy
Mode ist zum persönlichen Rückzugsort geworden, zur luxuriösen Komfortzone. Das ist eine Absage an Dekoration, Glamour und komplizierte Looks. Dominante Farben, kaum Muster, entspannte sportive Silhouetten und eine fein austarierte Balance zwischen Leisure und Luxus.
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Wunderfell
Penn & Ink
Silk Sisters
Bogner
Marc O’Polo
Circolo 1901
F 65.0
American Vintage
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MODE
Stephan Boya
Lara Krude
Bob
Freedomday
Gustav
Premium Basics
Vicario Cinque
Dornschild
10 Days
Mou
LiebesglĂźck
Maurizio Baldassari
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MODE
Just me, my(better)self and I
Die Tendenz zu Workleisure setzt sich ungebremst fort. Viele Sortiments setzen auf verständliche, gut kombinierbare Non-Colours, auf Bequemlichkeit im Twist mit Chic und reduzierte Optiken, deren Stil und Qualität auch digital problemlos erfassbar sind. Das Homeoffice ist zum PoS und Schaufenster geworden, nicht nur für das virtuelle Gegenüber, sondern auch für den Retail. Wertschätzung und Bequemlichkeit gehen eine Liaison ein. Nach der Jogginghosen-Welle kommt die Sehnsucht nach Selbstinszenierung zurück, danach, sich gut gekleidet dem Alltag zu stellen.
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A Fish Named Fred
Daddy‘s Daughters
Circolo 1901
By Malene Birger
Joop
Dondup
Les Deux
Canadian Classics
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MODE
Pride to Be
Incentive Cashmere
Tom Ripley
Funky Staff
Controfigura
JC Sophie
Fil Noir
TRVLDRSS
Sophie Schnoor
Minimum
Cruna
StinaaJ.
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MODE
Never out of Season
Die Absage an klassische Saisons ist die Zusage an Ganzjahreskollektionen, die unabhängig von Raum und Zeit, Wind und Wetter ihre Berechtigung haben, weil sie den Zeitgeist treffen. Kein Lobgesang auf Basics und NOS-Lager, sondern vielmehr der Mut, die Berechtigung eines Produktes ßber andere Parameter als den Zeitpunkt der Auslieferung und den einzuplanenden, saisonbedingten Sale zu definieren. Diese Kollektionen erlangen ihre Relevanz Anhand der Designidee, nicht aufgrund der Saison.
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Blauer USA
Wool & Co
Aymuse
Mey
Save the Duck
AlphaTauri
Phil Petter
RRD
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MODE
Mey Story
PIN 1876
Les Deux
Windsor
Steiner 1888
Fil Noir
Parajumpers
Lightning Bolt
Sportalm
Warm Me
Outhere
StinaaJ.
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MODE
Size Matters
Sie sind wieder um Längen voraus. Die Hose hat sich ihren Stellenwert in den Kollektionen zurückerobert. Die Band breite der verschiedenen Cuts, Längen und Silhouetten lässt ein wenig von der Panik erspüren, die der kürzlich so plötzliche Fokus auf Oberteile provoziert hat. Jetzt fährt die Vorstufe auf, was sie zu bieten hat: massive Denims, luxuriöse Wollmixes und weiche, fließende Baumwollstoffe. Im Design werden daraus markante Stiefelhosen, lässige Joggers, Retro-Flaires oder schrille Skinnys.
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Dondup
Amê
White Sand
Dolores
Penn & Ink
Drykorn
The Nim
Alberto
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MODE
Sand
Phil Petter
Goldgarn
Funky Staff
Dante 6
Marc O’Polo
Cruna
Myths
Munthe
Myths
Nümph
TRVLDRSS
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MODE
Einfach raus
Das Thema Outdoor bleibt auch nach dem ersten Goldrausch eine Erfolgsstory. Bedingt durch die Stay-at-home-Erfahrung ist die Natur und das Draußensein zum größten Gut geworden. Positive Assoziationen und Emotionen, von denen der Einzelhandel profitiert. Der urbane Look der Outerwear bleibt absolute Grundbedingung.
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Freedomday
Alberto
Strellson
People of Shibuya
Parajumpers
Pride to Be
IQ+ Berlin
Nobis x Serge Ibaka
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MODE
Sportalm
Capobianco
Sebago
Canadian Classics
RRD
Esemplare
American Vintage
Goldwin x Maison KitsunĂŠ
Bogner
Mou
Peuterey
Stetson
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VOR ORT
STOREFRONT Frequenz? Machen wir uns selbst!
TICKER
Challenge accepted: Die Krise hat Raum geschaffen, Unbekanntes zu wagen, mit Mut zum Risiko und klarem Bekenntnis zu Trial and Error. Die Chance ist da, unter Beweis zu stellen, was ohnehin die Stärken des Multilabelhandels sind. Diese Händler haben sie genutzt, um ihre Kunden mit Persönlichkeit und Kreativität aufs Neue zu begeistern.
Mit ihren Look of the day Videos auf Instagram inspirieren Mirela Stanoiu, Lara Güner und Anna-Lena Fischer die Kundinnen, wieder ins Geschäft zu kommen.
Text: Martina Müllner-Seybold, Nicoletta Schaper. Fotos: Stores
Donna, Hannover Heidrun Schloen setzt auf Wohlfühlatmosphäre und Innovation im Sortiment.
HABEN WOLLEN! „Fast egal, was wir in unseren Instagram-Videoposts tragen: Die Kundinnen wollen es haben!“, erzählt Donna-Inhaberin Mirela Stanoiu. Seit März stellt sie im Wechsel mit den jungen Kolleginnen Lara Güner und Anna-Lena Fischer den Look of the day vor, jede nach ihrem persönlichen Style. „Wir setzen das mit technischem Aufwand in Szene, aber die Mühe lohnt sich, zumal wir schon im ersten Lockdown viel darüber verkauft haben.“ Jetzt werden die Videos beibehalten, weil sie wieder spürbar mehr Kundinnen in den Laden bringen. „Unsere persönliche Präsenz in Social Media ist unverzichtbar geworden. Denn auch wenn wir die Kunden am liebsten im Store beraten, gibt es wohl niemanden mehr, der sich nicht von Insta und Co inspirieren lässt.“
Braun, Hamburg
STATEMENT FÜR KOMPETENZ
Heidrun Schloen, Kiel
GLÜCKSMOMENT
Für größtmögliche Normalität und Kontinuität hat Heidrun Schloen ihr Geschäft möglichst wenig verändert. „Wir öffnen zu den normalen Öffnungszeiten und haben ein Hygienekonzept, das jedem ermöglicht, sich möglichst frei zu bewegen“, sagt die Händlerin. „Umso stärker haben wir auf neue Kollektionen und Looks gesetzt, die wir immer anders präsentieren. Zu große Vorsicht ist fehl am Platz.“ Wer zu Heidrun Schloen kommt, will das Besondere, seien es die innovativen Kleider von Philo oder die Overshirts von Arma. „Unsere Auswahl gibt Orientierung, was begeistert aufgenommen wird. Umso mehr, wenn das farbliche Bild im Geschäft zusammenspielt. Das zu sehen, ist ein Glücksmoment!“
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Mit dem Journal 365 zeigt Lars Braun eine überzeugende Bandbreite hochwertiger, luxuriöser und zeitloser Menswear.
„Warum sollte ein Kunde zu uns ins Geschäft kommen? Weil ihn dort Neues erwartet“, so Lars Braun, Inhaber Braun. Zum Relaunch des Webshops im September wurde erstmals das Journal 365 mit Never-out-of-Season-Styles an die Kunden verschickt – ein Statement für einen hohen Qualitäts- und Luxusanspruch. „Das positive Feedback hat sich nicht nur online widergespiegelt, sondern auch viele Kunden in unseren stationären Geschäften kaufen lassen. Es ist wie die Speisekarte eines guten Restaurants, die Klassiker appetitlich anrichtet. Im Store setzt sich diese Performance fort, mit schöner Inszenierung von spannender Ware.“ Lars Braun wird das Thema weiterspielen, mit Updates online und einer weiteren Printausgabe zum Sommer. „Wir müssen mehr tun, dürfen Investitionen nicht scheuen und müssen noch kreativer sein.“
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Brownie & Kleid, Ebenhausen
URLAUB FÜR DIE AUGEN
Wer in das Geschäft von Katja Jelinski und Nicky Keyl kommt, ist geflasht, was auf kleiner Fläche präsentiert wird, von Mode übers Minigewächshaus bis zum dänischen Lakritz. „Es ist wie Urlaub für die Augen“, beschreibt Katja Jelinski. „Hier im ländlichen Umland Münchens haben wir Parkplätze vor der Tür, sodass sich jeder zu uns traut, dem die Stadt zu voll ist“, fügt Nicky Keyl hinzu. „Die Stammkunden verlassen sich auf unsere ehrliche Beratung und darauf, dass wir sie immer neu überraschen, zum Beispiel mit einem selbstgebackenen Brownie.“ Im Frühjahr 2020 haben beide Insta gram entdeckt, viel improvisiert und gelernt: zum Beispiel, dass es besser ankommt, sich selbst auf Instagram zu zeigen. „Umso lieber kommen die Leute wieder zu uns ins Geschäft. So gelingt es uns, ihnen aus dem Herzen zu sprechen.“
Martina Schormann ist bei Dresscode nicht nur modische Instanz, sondern auch perfekte Gastgeberin. Katja Jelinski (li.) und Nicky Keyl machen ihren Kundinnen mit Mode und viel Herz gute Laune.
Dresscode by Martina Schormann, Detmold
FELS IN DER BRANDUNG
„Wissen Sie was, ich mache Ihnen erst mal einen warmen Bio-Ingwer.“ So begrüßt Martina Schormann ihre Kundinnen bei schlechtem Wetter. „Den Druck herausnehmen, ist so wichtig!“ Martina Schormann ist für ihre Kundinnen ein Fels in der Brandung. Jeden Morgen fragt sie sich, wie sie selbst in einem Geschäft empfangen werden möchte, und motiviert auch ihr Team neu. „Das Bauchgefühl ist entscheidend, auch bei der Order“, betont Schormann. „Wir können uns nicht auf zwölf erfolgreichen Jahren ausruhen, sondern müssen mehr tun – den Kunden an die Hand nehmen und Entscheidungshilfen geben: ‚Du hast schon zwei graue Jacken, nimm lieber die in Grün!‘ Sie sind dafür so dankbar. Diese Aufmerksamkeit haben wir intensiviert.“
PKZ Women, Schweiz
PERSÖNLICHKEIT
Seine Wurzeln als Familienbetrieb zelebriert die PKZ Gruppe in der Schweiz mit Personalisierung – hier die Stylistin Lusia Rossi bei ihren erfolgreichen Instagram-Sessions.
Mit 39 Filialen und 580 Mitarbeitern ist die PKZ Gruppe einer der größten Modeanbieter in der Schweiz. Durch die Krise haben nicht zuletzt der 2011 gelaunchte Onlineshop und das InsideMagazin geholfen. In ihrem Personalisierungskurs ist PKZ CEO Manuela Beer besonders erfolgreich. Private Shopping und ausgewiesene Beratungsflächen stehen bei jedem Um- und Neubau im Fokus, mit Bars, Lounges, Kinderspielflächen oder Leckerlis für Hunde. Styleworkshops gehören bei PKZ zum guten Ton, insbesondere für die Mitglieder des Kundenclubs. Auf Social Media hat PKZ seinen Star gefunden. Die Schweizer Stylistin Luisa Rossi berät in den Instagram-Live-Sessions mit viel Herz und Kompetenz, auch mal bis zu 30 Minuten lang – und die Zugriffszahlen geben Recht: bis zu 3.500 Zuseher, Tendenz steigend.
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VORORT TROTZ ALLEM
Zugegeben, 2020 war nicht unbedingt das beste Jahr, um neu mit einem Laden zu starten. Oder vielleicht doch? Denn das große Wunder des ersten Pandemie-Jahres war, dass kleine, unabhängige und lokale Läden viel besser durch die Irrungen und Wirrungen der Lockdowns navigierten als alle gigantomanischen, gleichgeschalteten und monotonen Konzepte. Auf die Kraft der Ideen ist im Handel Verlass – insbesondere, wenn hinter den Ideen Menschen stehen, die das Unmögliche möglich machen. Text: Martina Müllner-Seybold, Kay Alexander Plonka, Nicoletta Schaper, Veronika Zangl
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VOR ORT
The Viennese Guy / WIEN
LOCAL HEROES
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infach aus dem Hamsterrad aussteigen und dem Alltag den Rücken zukehren. Wovon viele träumen, setzte Markus Radakovits in die Tat um, als er sich für einige Wochen nach Neuseeland verabschiedete. „In Auckland gab es viele Geschäfte, die Ware aus eigener Produktion und von Produzenten der Region anboten.“ Ein echter Impulsgeber für Radakovits, der davor als Buchhalter arbeitete. Eine Tätigkeit, die ihn nicht erfüllte. „Nach meiner Rückkehr gründete ich mein eigenes Label. Ich begann mit Turnbeuteln, die ich selbst herstellte. Nach wenigen Monaten konnte ich meinen ersten kleinen Store eröffnen. The Viennese Guy hatte damals knapp 18 Quadratmeter Verkaufsfläche und bot Platz für vier bis fünf Designer.“ Inzwischen übersiedelte The Viennese Guy an einen größeren Standort und wurde um ein Café erweitert. 19 Designer aus Wien und der Ostregion nutzen das Potenzial des Conceptstores, das über ein Angebot aus Mode, Taschen, Schmuck, Kosmetik, Schreibwaren und Lebensmitteln verfügt. „Kaum eine Phrase wurde letztes Jahr so oft bemüht wie ‚Support your local‘. Wir leben diese drei Wörter aber seit Stunde null. All unsere Produkte sind regional, fair und nachhaltig. Ich will aufzeigen, was die Region leistet und den Menschen dahinter eine Bühne geben.“ Inzwischen könne sich Radakovits ein Leben ohne nicht mehr vorstellen. „Die Marke hat eine Dynamik entwickelt, die mich täglich wieder mitreißt, begeistert und mir zeigt, dass ich den besten Job der Welt habe.“
Fotos: The Viennese Guy
Eine Auszeit in Neuseeland inspirierte Markus O. Radakovits zu The Viennese Guy. Mit seinem Conceptstore gibt er regionalen Designern und Produzenten eine Bühne.
Ziel von The Viennese Guy ist eine lockere Atmosphäre, in der man ungestört Stöbern und Relaxen kann. Kunden sollen sich wertgeschätzt und gut beraten fühlen.
The Viennese Guy Wiedner Hauptstraße 113, Wien/Österreich, www.conceptstore.wien, @thevienneseguy Eröffnung: 16. September 2017 Inhaber: Markus O. Radakovits Verkaufsfläche: ca. 60 qm Marken: Anne Hermine Recycling & Upcycling, Anna Illustrationen, beeQueen, Die Lena, Die Schlawienerin, Fabulous Flamingocorn, fleck., goina, holy shhht!, House of Q, Just Cute, Knor Bio Hof, Lovely, Midsummer Illustrations, NDCM, StegoPrint, The Fabulous Winery, The Viennese Guy, Urban Prey
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LesDeux Men / ZUG
MÄNNERSPIELWIESE Ein brandneuer, 660 Quadratmeter großer Conceptstore auf zwei Etagen für Männer, das ist zweifelsohne ein Paukenschlag. Doch Silvio Bischof ist kein abgehobener Traumtänzer, wohl aber jemand, der die Fähigkeit besitzt, viele Bälle in der Luft zu halten.
Bei LesDeux Men greifen die Disziplinen ineinander und sorgen für Spannung auf der Fläche. Ob Mode oder Möbel, Caffè oder Wein: Alles steht zum Verkauf.
kleiden, die mittels einer Fernbedienung undurchsichtig werden. Technische Spielereien dieser Art liebt Silvio Bischof, der sich selbst als Netzwerker beschreibt, begeisterungsfähig, offen und kreativ. „Ich habe viele Ideen von meinen Reisen mitgebracht und möchte den Kunden etwas bieten, was nur wir stationäre Händler bieten können.“ Damit die Kunden auch kommen, hat sich Silvio Bischof etwas Besonderes einfallen lassen, denn der Conceptstore ist auch Ausstatter der Schweizer Eishockeyspitzenmannschaft EV Zug. „Diese Connection hat schon so manchen Kunden zu uns gebracht und auch dem einen oder anderen die Schwellenangst vor dem modernen Store genommen“, lacht Silvio Bischof. Sein Handelsunternehmen LesDeux Boutique ist in der Schweiz eine feste Größe und ein Familienunternehmen mit zwei Generationen. Vor 25 Jahren von Angela Billi-Tosio gegründet, sind Tochter Fabienne BischofBilli und ihr Mann Silvio seit 2013 mit in die Geschäftsleitung eingestiegen und verantworten heute alle vier Geschäfte, dazu zählen die drei erfolgreichen Damenstores in Flims, Horgen und Zug. Im Menswearstore sind nun zwei Geschwister mit an Bord: Für den Wein ist Kajo Bischof zuständig und Janine NotterBischof für die Kosmetik. Alle gemeinsam bilden sie ein Team, motiviert, sympathisch und mit ansteckender Begeisterung.
LesDeux Men Bahnhofstraße 28, Zug/Schweiz, www.lesdeuxmen.ch Eröffnung: 17. August 2020 Inhaber: Silvio Bischof Gesamtfläche: 660 qm, Verkaufsfläche: 450 qm Männermarken: 7East, Alberto, AD.M, Azado, Baldessarini, Burlington, Calvin Klein, Colours & Sons, Fynn Hatton, Joop, Les Deux Copenhagen, Mayser Hats, Neumühle, Nudie Jeans, Øeste, Paul & Shark, P.F. Candle Co., Rubirosa, Seidensticker, Siech Cycles, Sneaky Steve, Windsor u. a.
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Fotos: LesDeux
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ack to his roots: Auf derselben Verkaufsfläche von LesDeux Men hatte Silvio Bischof in den 1990er-Jahren seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann absolviert. Daran erinnert jedoch nichts mehr. Statt viel Ware wird jetzt bewusst weniger platziert und in einer Art moderner Wohlfühloase inszeniert, die Silvio Bischof gemeinsam mit Studio63 Raumprojekte gestaltet hat: mit Betonboden und begrünten Wänden, Maßfertigungsschneiderwerkstatt plus einem Corner für Kosmetikbehandlungen, einem Coiffeur, der auch Bärte trimmt, sowie der Wein- und italienischen Caffèbar. „Alles, was man im Store sieht, kann man auch kaufen“, sagt Silvio Bischof. Dazu zählen die Velos und die Möbel ebenso wie auch die Remote Control Folien für die Wände der Um-
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Silvio Bischof, Inhaber LesDeux Men: „An erster Stelle steht für mich das Konzept, gefolgt vom Personal, dem Service und last but not least den Marken.“
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Sonja und Stefanie Ragaller setzen mit Ecollections auf das Umdenken der Industrie und der Verbraucher.
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ie Geschwister Sonja und Stefanie Ragaller haben langjährige Erfahrungen in der Modebranche. Gemeinsam betreiben sie seit 2012 mit Almliebe einen auf Trachtenmode spezialisierten Multilabelstore in der Münchner Innenstadt mit angeschlossenem Onlineshop. Jetzt haben die beiden mit ecollections.de ein neues nachhaltiges Fashionprojekt gestartet. „Jeder kann ein Stück weit die Welt verändern. Wir fangen da an, wo unsere Leidenschaft liegt, in der Mode. Unser neuer Onlineshop ist unsere Antwort auf Fast Fashion, Wegwerfmentalität und die damit verbundenen verheerenden Umweltschäden. Durch bewussteres Konsumieren von Mode können wir die Verschmutzung der Meere und der Luft reduzieren und die Verschwendung von Ressourcen stoppen“, so Sonja Ragaller. Ihre Schwester Stefanie Ragaller ergänzt: „Mit Tracht und Tradition haben wir bereits auf Nachhaltigkeit gesetzt und einen erfolgreichen Onlinehandel aufgebaut. Mit Ecollections richten wir uns an Verbraucher, die umweltbewusst einkaufen wollen, ohne auf Fashion und Style zu verzichten. Unsere Lieferanten suchen wir sehr sorgfältig aus, checken ihre Werte und Ziele.“ Bei der Auswahl der Produkte und Marken spielen zahlreiche Nachhaltigkeitskriterien eine Rolle. Dazu zählen umweltverträgliche Produktion in Europa mit einem geringstmöglichen Einsatz von Chemikalien oder Wasser und mit einem Minimum von Abfällen. Außerdem das Bekenntnis zur Achtung der Menschenwürde, Verzicht auf Kinder- oder Zwangsarbeit, Einhaltung von Arbeitszeiten, die Zahlung von angemessenen Löhnen sowie sichere und saubere Arbeitsplätze. Verkauft werden vornehmlich Produkte aus natürlichen Fasern und biologisch angebauten Rohstoffen oder Produkte, die recycelbar sind oder aus recycelten Stoffen hergestellt wurden. Neben Givn Berlin oder Lovejoi, die ausschließlich nachhaltig produzieren, finden sich im Onlinestore mit dem eingängigen Namen auch große Marken wie Drykorn, Set und Closed, die Schritt für Schritt immer mehr Produkte aus umweltschonenden Materialien fertigen.
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Ecollections bietet Green und Fair Fashion im Premiumsegment.
www.ecollections.de Gründung: Herbst 2020 Inhaberinnen: Stefanie und Sonja Ragaller Marken: A beautiful Story, Alienina, Armed Angels, Closed, Drykorn, Elvine, Freequent, Givn Berlin, Just Female, Langerchen, Lanius, Lovjoi, Madara, Minimum, Nui Cosmetics, Samsøe Samsøe, Set, Soulbottles
Fotos: Mein lieber Schwan
UMDENKEN ONLINE UMSETZTEN
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Solefood / MÜNCHEN
EIN HERZ UND EINE SOHLE
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er eine Passion für gefragte Sneaker und gutes Essen hat, ist bei Solefood im Münchner Gärtnerplatzviertel genau richtig. Mitgründer Philip Mönius hat vor sieben Jahren mit dem Sammeln seltener Turnschuhmodelle angefangen. Das Besondere bei Solefood: Hier werden Sneaker verkauft, die längst nicht mehr im klassischen Handel zu bekommen sind. „Während meines Medien- und Kommunikations-Management-Studiums hab ich schon immer meinen Kommilitonen die Schuhe besorgt, die sie gerne gehabt hätten. Letztlich hatte ich so viele Schuhe auf Lager, dass es durch den Verkauf von drei Viertel meiner Sammlung für den Grundstein des eigenen Ladens gereicht hat. Ich wollte aber keinen 08/15-ResellShop aufmachen. Darum habe ich gemeinsam mit meinem besten Freund und Geschäftspartner Alaa, der vor drei Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen ist, den Sneakerladen mit vegetarischen Köstlichkeiten aus der arabischen Küche kombiniert“, erklärt Philip Mönius. Der 27-Jährige isst selbst aus ethischen Gründen seit über zehn Jahren kein Fleisch und will seinen Kunden zeigen, dass frische und gesunde Köstlichkeiten eine gute Möglichkeit sind, den Fleischkonsum ohne geschmackliche Einschränkung zu reduzieren. Dafür wurde der Arrabito kreiert, der das Aussehen eines Burritos mit einem arabischen Innenleben wie dem traditionellen Moghrabie vereint. Über die Bestellkarte können aus einer bunten Vielfalt von Zutaten das Weizenfladenbrot genauso wie Bowls oder Salate individuell zusammengestellt werden. Solefood ist in kürzester Zeit seit Eröffnung Mitte April zu einer bevorzugten Anlaufstelle für die Münchner Sneaker Community geworden und darf von sich behaupten, den besten Arrabito der Stadt anzubieten.
Was arabische Küche und Sneaker zusammenführt? Eine Freundschaft – zwischen Philip Mönius und seinem Geschäftspartner Alaa.
Eine Besonderheit von Solefood ist der Arrabito.
Fotos: Solefood
Solefood Reichenbachstraße 38 80469 München www.sole-food.de
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Flächenerlebnis als sozialer Kommunikator: Bei Matter dreht sich jeden Tag alles um PersÜnlichkeit, Herzlichkeit und Aufmerksamkeit.
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Matter Urban Market / HAMBURG
PRACTICE WHAT YOU PREACH
Fotos: Matter Urban Market
Er ist wieder da: Nachdem Andreas Feldenkirchen seinen Laden am Hamburger Gänsemarkt vor vielen Jahren schloss, entwickelte er verschiedene Formate und Konzepte für Marken und andere Einzelhändler. Jetzt hat er in einem 1920er-Jahre-Backsteinklinkerbau eine Destination für begeisterungsfähige Kunden geschaffen.
„Die schönsten Dinge entstehen durch Veränderung“, sagt Andreas Feldenkirchen.
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wischen Eppendorf und Eimsbüttel liegt in unmittelbarer Nähe der U-Bahnstation Hoheluftbrücke der Matter Store in hochfrequenter Verkehrs- und Wohnlage. Das Gebäude war ursprünglich ein Tanzsaal des benachbarten Restaurants, später eine Sparkassen-Filiale und anschließend ein Brautmodengeschäft. Jetzt prangt in großen Lettern „Matter Urban Market“ vor dem besonderen Gebäude. Für Umbau und Sanierung hat Andreas Feldenkirchen selbst Hand angelegt. Entstanden ist ein Raum mit Galeriecharakter, nicht zuletzt durch die riesigen Fenster und Oberlichten und die sechs Meter Raumhöhe. „Kunden lieben schöne und spannende Dinge. Wir wollen für den Kunden neue Erlebnisse nach Art einer Ausstellung schaffen“, erklärt Feldenkirchen. „Unser Retail-Konzept ist ein ‚Design by Doing‘ und ein ständiger Beta-Test. Wir entwickeln unsere Verkaufselemente und das Merchandising direkt im Laden und erleben sofortige Kundenreaktionen. Neue Flächenerlebnisse fungieren als sozialer Kommunikator. Wir setzen neue Ideen schnell auf der Fläche um. Unser Ladenbau ist Ausdruck von Zeitgeist und damit kundenorientiert und nicht mehr an eine fünf- bis achtjährige Abschreibungsdauer geheftet.“
Das Sortiment umfasst eine Vielzahl von Lifestyleprodukten, darunter Duftkerzen, Poster und Prints, Streetart-Fotografien, Notizbücher, Möbel, Geschirr, Bücher, Parfüm, Weine und Schokoladen. Ein großer Tresen, an dem ein Barista Kaffee zubereitet und Kuchen und Sandwiches anbietet, rundet das Konzept ab. Neben klassischem Einzelhandel, dem Café und der Vermarktung von Partnerflächen fungiert Matter außerdem als Showcase für die von Feldenkirchen vertriebene Software JTL PoS, ein Warenwirtschafts- und Kassensystem, das eine marktplatzfähige E-Commerce-Software beinhaltet. Mehrwert will Andreas Feldenkirchen auch für die Kunden schaffen: „Es geht darum, neue Ansätze zu finden und nachbarschaftlich zu agieren, etwa Shop Local Days einzuführen. Neben kleineren Events an Abenden oder Wochenenden mit einzelnen Marken oder Designern, wie das individuelle Prägen von Leuchturm-Notizbüchern, wollen wir in Zukunft z. B. einmal im Quartal für drei bis vier Tage auch größere Veranstaltungen mit Markt- oder Messecharakter bei uns abhalten, um immer öfter auch das Spektrum der Onlinewelt auf der Fläche, sprich im wahren Leben, stattfinden zu lassen.“
Matter Urban Market Schlankreye 71, Hamburg/ Deutschland Inhaber: Andreas Feldenkirchen Anzahl der Mitarbeiter: 3 Eröffnung: 24. Oktober 2020 Verkaufsfläche: 250 qm www.matter-hh.de Marken: 101CPH, Aeoeaa_act, Archive Studio, Atelier Alpiniste, Autry, Boyhood, Castart, Closed, Colorful Standard, Dawn & Dare, G-Lab, Howlin, Karhu, Kragenweite, Leuchtturm1917, Maska, Monocle, Plty, Serax, Stetson
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Lanzer Loft / GRAZ
AUF EIN NEUES
Stephan Lanzer hat einen radikalen Neubeginn geschafft: Mit Lanzer Loft hat er nun am Rand der Grazer Innenstadt sein Quartier aufgeschlagen. Ein progressiver Markenmix, außergewöhnliche Architektur und viel Persönlichkeit prägen den Laden.
ich nicht wegen jeder Fahne, die ich vor meinem Laden aufstellen will, eine Genehmigung einholen muss. Endlich kann ich Ideen umsetzen, mit Unternehmen aus anderen Branchen kooperieren.“ FREIHEITEN AUSTESTEN Viel Freiheit hat sich Stephan Lanzer auch in der Gestaltung des Sortiments genommen. Einige Marken, mit denen noch aus Knilli-Zeiten enge Verbindungen bestanden, sind mitgewandert, dazu hat er vor allem Contemporary Brands wie Ganni, MSGM oder Aspesi dazugenommen. Mutiger Einkauf werde durch seine langjährige Partnerschaft mit Farfetch möglich: „Zum einen sichern wir über die Onlineverkäufe den frühen Cashflow, zum anderen können wir unseren Grazer Kunden Teile zeigen, die ich nicht einkaufen würde, hätte ich Farfetch als Absatzkanal nicht“, argumentiert Stephan Lanzer. „Ich habe natürlich auch den Traum vom eigenen Onlinestore geträumt, aber wie man es auch rechnet, der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Wir lokale Händler haben andere Mittel – Social Media zum Beispiel. Das ist unser Medium, weil es uns auch im Storytelling unterstützt“, so Stephan Lanzer. Die Zeit, seinen Kunden Geschichten zu erzählen, will sich Stephan Lanzer unbedingt persönlich nehmen, denn: „Wer könnte das besser als wir Inhaber, die wir so direkt an den Marken dran sind?“
LNZR Loft Selected Labels MP09, Liebenauer Tangente 4–6, Graz/Österreich, www.loftselected.com, @lanzerloft Eröffnung: Herbst 2020 Inhaber: Stephan Lanzer Verkaufsfläche: 440 qm Marken: Aspesi, Autry, Avant Toi, Barena, Closed, Drykorn, Dsquared, Etro, Ganni, Golden Goose Deluxe Brand, Harris Wharf, Helmut Lang, Heron Preston, Holubar, Isabel Marant Etoile, MSGM, New Balance, On Running, Polo Ralph Lauren, Roberto Collina, Tonello, Zadig & Voltaire So sieht Freiheit aus: Stephan Lanzer hat einen kompletten Neustart gewagt.
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Fotos: Lanzer Loft
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eicht ist es gerade für niemanden, aber ich war noch nie der Typ, der jammert“, lacht Stephan Lanzer und wischt damit das aktuelle Gesprächsthema Nummer eins vom Tisch. Wobei: Sein neues Lanzer Loft mit der Subline Selected Labels ist ein pandemietaugliches Konzept. Statt in der engen Altstadt ist es im weitläufigen, modernen Tagungscenter MP09 untergebracht. Das ist ein spektakulärer Bau, geräumige 440 Quadratmeter mit einem riesigen Vorplatz und Parkmöglichkeiten direkt vor der Türe. Trotzdem täglich 20.000 Autos am Geschäftslokal vorbeifahren, braucht es Absicht und Willen, um hierher zum Shopping zu kommen. „Genau das Richtige für einen wie mich. Wer heute noch in seinem Laden wartet, das zufällig ein Kunde vorbeikommt, ist ohnehin verloren“, findet Stephan Lanzer. „Wenn am Samstag gute Stimmung herrscht, drehen wir am DJ-Pult die Musik lauter und machen ein Flascherl Wein auf“, freut er sich über die neu gewonnene Freiheit. „Ich genieße es, dass
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Die moderne Architektur und GroĂ&#x;zĂźgigkeit spiegeln sich in einem progressiven Sortiment wider.
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Lindner Fashion / DORTMUND
KÖNIGIN DES WELLNESS-SHOPPINGS
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Der First Floor bietet Privacy, mit Marken wie Christian Wijnants, Dorothee Schumacher, Acne Studios und Hidnander.
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„Kreativität wird mehr denn je das Nonplusultra sein, um weiter bestehen zu können“, sagt Susanne Lindner, Inhaberin Lindner Fashion.
Lindner Fashion Kleppingstraße 12, Dortmund/Deutschland, www.lindner-fashion.com Neueröffnung: 6. August 2020 Inhaberin: Susanne Lindner Verkaufsfläche 200 qm Marken: Agolde, American Vintage, ATP Atelier, Citizens of Humanity, Ganni, Harris Wharf London, Lala Berlin, Lis Lareida, Loulou Studio Paris, Nili Lotan, Pomme D’Or, Simone Wild, Totême, Tol Eyewear, Veja u. a.
Fotos: Nick Leuze
irst Floor, First You. Daten. Glücksreif. Knallvergnügt!“ Mit diesen Worten bewirbt Susanne Lindner ihr neues Konzept. Die Idee: Während im Erdgeschoss Fashion, Accessoires und Schuhe geshoppt werden können, ist der First Floor nach Verabredung für Private Shopping reserviert. „Die Kundin ist die Königin und kann nach Herzenslust eine Stunde Wellness-Shopping genießen“, erklärt Susanne Lindner. „Direkt beim Start im Sommer haben wir gemerkt, dass damit der Spaß für alle zurückkommt. Das war wie eine Offenbarung!“ Seit 38 Jahren hat sich Susanne Lindner ihre Unabhängigkeit als Händlerin bewahrt, wohl gerade, weil sie nötige Änderungen nicht scheut. „Ich habe eine Spürnase für Trends und kann größere Zusammenhänge schnell erfassen. Zum Glück kann ich als kleine Händlerin ohne Umwege agieren, was sicher eine Stärke ist.“ Dabei Teamplayer zu sein und die Mitarbeiter je nach Talent einzusetzen, hat Susanne Lindner nicht zuletzt durch ein ganzheitliches Coaching gelernt. Manchmal ist ihre Direktheit auch bewusst unbequem, so lässt sie sich auch von Vertriebsseite kein X für ein U vormachen. Auch das neue Konzept eckt bei dem einen oder anderen an. „Wer etwas neu durchsetzt, hat den steinigen Weg gewählt. Aber ich bin überzeugt, dass in zwei Jahren die Hälfte der kleinen Multibrandhändler es ähnlich machen werden. Denn mit unserem Konzept können wir uns jetzt voll und ganz denjenigen widmen, die unsere Mode und Beratung wirklich wertschätzen.“
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Bei Voice in Kassel reiht sich progressive Sportswear an temporäre Sortimente wie Bücher, Wein, Kleinmöbel, Outdoormöbel, Gadgets und ähnliches.
Voice Store / KASSEL
Nach 20 Jahren gaben Manuel Milbert (im Bild) und Michael Maciejewski schweren Herzens den alten Standort auf – der Umzug lohnte sich. Auf 300 Quadratmeter entfaltet Voice sein ganzes Potenzial.
ZUWACHS FÜR DIE KASSLER INNENSTADT
Fotos: Voice Store
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er Elefant im Porzellanladen? Im Fall von Voice tanzt er höchstens als gertenschlankes Exemplar mit Hang zu Premiummode durch den Store. 2020 übernahmen Manuel Milbert und Michael Maciejewski das Ladenlokal eines ehemaligen Porzellanhauses. „Den alten Standort mussten wir nach 20 Jahren schweren Herzens aufgeben, da die Straße immer mehr zur Verwaltungszone mutierte. Ganz anders an der neuen Adresse, wo individuell geführte Geschäfte die Nachbarschaft prägen“, sagt Milbert und gerät ins Schwärmen. „Wir hatten das Glück, ein sehr schönes Ladenlokal von Inhabern zu übernehmen, die in Ruhestand gingen. Der besondere Zuschnitt der Fläche gab uns die Möglichkeit, das Sortiment zu erweitern und zusätzlichen Raum für temporäre Themen zu schaffen. Als besonderen Bonus hat das Ladenlokal eine Dachterrasse, die wir als Eventlocation und Showroom für Outdoormöbel nutzen.“ Outside-the-Box-Denken ist das Stichwort. Das zeigt sich nicht nur am Segment der progressiven Premiumsportswear von Voice. „Ich bin der Meinung, dass Nachhaltigkeit etwas Selbstverständliches ist und aus dem Affekt heraus geschieht. Wir sind bei der Auswahl dem Zeitgeist unterworfen, arbeiten aber nur mit Marken und Partnern, die ebenfalls auf Zeitlosigkeit und Langfristigkeit setzen, wie beispielsweise Stone Island.“ Bei so viel Individualität versteht es sich von selbst, dass Planung und Entwurf auf Eigenleistung basieren. Das Mobiliar des alten Stores wurde großteils erhalten und um neue Möbel erweitert. Ebenfalls eine Form der Nachhaltigkeit.
Voice Store Wilhelmsstraße 4a, Kassel/ Deutschland, www.voice-store.de, IG voicestore Eröffnung: September 2020 Inhaber: Manuel Milbert, Michael Maciejewski Verkaufsfläche: 300 qm Marken: Ahirain, Axel Arigato, Canada Goose, Closed, Ferm Living, Hope, Jonny Love, Lala, Les Deux, NN07, Samsøe Samsøe, Stone Island, Transit, Veja, Woolrich u. a.
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VOR ORT SALZBURG
SALZBURG Platz für uns
Mehr als neun Millionen Tages touristen – damit zählt Salzburg gemessen an der Einwohnerzahl zu einer der weltweit am stärksten besuchten Städte. 3.308.801 Menschen nächtigen pro Jahr in Hotels, die sich über eine durchschnittliche Auslastung von 80 Prozent freuen können. Seit 2020 sind all diese Zahlen nur mehr in der Vergangenheitsform gültig. Damit steht die Mozartstadt exemplarisch für all die Regionen, denen die Pandemie ihr Geschäftsmodell geraubt hat. Allen Unwägbarkeiten zum Trotz ist die Heimatstadt von style in progress ein Beispiel, das Mut gibt. Unternehmerische Initiative und insbesondere viele couragierte Frauen, die aus der Krise eine Chance machen – wir stellen sie vor.
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Schneiders
GRIASS DI, SALZBURG
Im Markennamen trägt Schneiders seine Heimat stolz, mit der Eröffnung eines Shops ist die Liebe nun perfekt: Veronika Schneider, Head of Marketing und PR, freut sich: „Unser erster eigener SchneidersStore ist großartig geworden und wir können uns nun endlich in der vollen Bandbreite und so darstellen, was wir sind – als Premiummarke.“ Die Griesgasse, in der der Store untergebracht ist, profitiert von der Verkehrsberuhigung, die hier etabliert wurde.
AlphaTauri
EIN OHR AM KUNDEN
Der Laden in der Heimatstadt ist für AlphaTauri mehr als ein Flaggschiff. VP Tanja Gündling steht mit dem Store mitten in der bekannten Getreidegasse in direktem Austausch. Das Ohr am Endkunden zu haben, sei durch nichts zu ersetzen, so die erfahrene RetailManagerin. Der modern-schlicht designte Store ist nicht nur für die Mode ein Live-Test, auch die Retail-Technologie der Marke kommt hier prominent zum Einsatz.
Sportalm
AUFTRIEB
Sportalm hat auch 2020 seinen Retail-Expansionskurs weiter vorangetrieben: in München gemeinsam mit Lodenfrey am Dom, im tschechischen Pec mit einem Partner, in Salzburg in Eigenregie. Übrigens der bereits zweite Store in der Mozartstadt, denn im Einkaufszentrum Europark betreibt die Marke schon lange einen eigenen Laden. In Österreich ist es nun der insgesamt sechste Store, seine gute Lauflage inmitten der touristischen Getreidegasse soll auch als internationales Schaufenster dienen.
Eibl
PASSENDER GEHT’S NICHT
Tanja und Markus Eibl haben ein gutes Jahr hinter sich. Die Pandemie bedingten Ausfälle konnte Tanja Eibl mit massivem persönlichen Einsatz fast wettmachen. Ihre fast täglichen Social-MediaPosts haben vielen potenziellen Kundinnen und Kunden erst gezeigt, welches Kleinod sich in den Ausläufern der Altstadt versteckt. Auffällig gut performt die von Tanja und Markus Eibl selbst entworfene Linie Amalia O. aus Kleidern und schönen Röcken. Sie werden in der Steiermark und Norditalien in Kleinstserien gefertigt. Dressy und unkompliziert zugleich, Stücke, die Frauen schöner machen. Und weil die Linie so gut ankommt, haben die beiden ein paar befreundete Modehändler mit ins Boot geholt. Erfolgsgeschichten, wie sie das Leben schreibt.
Unternehmer mit Herz
ZUSAMMENHALT UND AUSTAUSCH
Manuela Schirlbauer von Misc und Julia Gehmacher von Gehmacher sind beide Modeunternehmerinnen, denen innerstädtisches Konkurrenzdenken fernliegt. Mit Unternehmer mit Herz haben sie eine Plattform ins Leben gerufen, die den ungezwungenen Austausch zwischen inhabergeführten Unternehmen in der Altstadt ermöglichen soll. Schon beim ersten Stammtisch folgten mehr als 30 Personen der Einladung. Es wurde sofort umgesetzt: Ob Schatzsuche, Lebkuchenherzen von einem Salzburger Lebzelter, ein Mini-Ersatz für den abgesagten Rupertikirtag oder gemeinsam geschmückte Christbäume am Mozartplatz, wo normalerweise in der Adventzeit eine Eislauffläche für Frequenz sorgt. Auch heikler Missionen nehmen sich die Unternehmer mit Herz an – so will man dafür sorgen, dass der Sale gemeinschaftlich später startet.
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Madl Couture
Mit einer neuen Fläche am Grünmarkt kreierte Carolin Sinemus einen kreativen Concept store als Touchpoint für das Madl Couture Atelier im ersten Stock.
„WIE DIOR IN DEN 1950ERN“
Foto: Madl Couture
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enn Carolin Sinemus über das Couture Atelier Madl im Herzen Salzburgs spricht, mischt sich Leidenschaft und Aufbruchsstimmung mit jeder Menge Respekt. Das drückt auch den Fahrplan aus, den die neue Inhaberin für Madl hat: eine sanfte Modernisierungskur unter Würdigung der eigenen Tradition. Im April unterschrieb sie den Kaufvertrag für Madl, eine Institution in Salzburgs berühmter Getreidegasse. Carolin Sinemus brachte als erfahrene Designerin ihre Leidenschaft für Trachten und Couture mit, ihre Begeisterung für Handwerkskunst und besondere Qualitäten. Mit dem Ladengeschäft im ersten Stock übernahm sie auch zehn Mitarbeiterinnen unter anderem im hauseigenen Maßatelier, einen umfangreichen Stofffundus und ein wertvolles Archiv mit Couture- und Trachtenmodellen. Carolin Sinemus erwarb mit dem wahrscheinlich letzten Full-Service-Couture-Haus in 1-a-Lage einer Innenstadt eine Rarität und Zugang zu einer sehr prominenten, internationalen und hoch anspruchsvollen Stammkundschaft, die den besonderen Service zu schätzen weiß. Gleichzeitig möchte sie Madl zu einem „Gesamtkonzept ausbauen, das die Begeisterung für das Besondere auch für eine etwas jüngere, urbane Kundin zugänglich machen soll. Dafür haben wir im Dezember auf rund 30 Quadratmetern eine kleine, progressivere Fläche in unserem Schaufensterraum zum Grünmarkt konzipiert, auf der wir um erlesene Vintage-Modelle der Hauskollektion herum eine Lifestylewelt kreiert haben. Hier integrieren wir auch Produkte anderer Marken, Schmuck und Accessoires“, beschreibt die ambitionierte Geschäftsfrau. „Madl ist eine Perle, ein Privileg. Es ist ein wahrer Modeschatz und erinnert mich ein bisschen an Dior der 1950er-Jahre. Diesen Schatz möchte ich etwas entstauben und ihn wieder in seiner ganzen Schönheit zeigen.“ Und diese sieht Carolin Sinemus auch in einem genreübergreifenden Kulturangebot, das sie zukünftig bei Madl präsentieren möchte. Dazu zählen Kunstausstellungen und Events. „Ich möchte Madl als Treffpunkt für diese spannende, internationale Klientel mit jeder Menge Inspiration und Input aus der Kunstszene anreichern, ich möchte tolle Menschen zusammenbringen, die Freude am Besonderen haben.“
Madl Haute Couture und Tracht by Carolin Sinemus Getreidegasse 13, Universitätsplatz 12 Salzburg/Österreich @madl_salzburg www.madlsalzburg.at Inhaberin: Carolin Sinemus Neueröffnung: April 2020
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„Wenn bei mir wer ein Kleid kauft, ist man sicher, dass es nur zwei bis drei dieser Modelle in Salzburg gibt“, erklärt Andrea Kriechhammer. Mit Wow inStyle realisierte sich das ehemalige Model und die Inhaberin einer Eventagentur den Traum von der eigenen Boutique.
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ode spricht, bevor man es selbst tut. Ich drücke damit aus, wie ich mich gerade fühle und ziehe mich so an, wie ich wahrgenommen werden möchte.“ Andrea Kriechhammer lebt Mode. Mit 16 führte sie das ins Modelbusiness. Es folgte eine eigene Eventagentur. Alles also schon geschafft? „Ich habe schon sehr viel in der Branche ausprobiert“, zieht die Geschäftsfrau zufrieden Resümee. „Aber was mir noch fehlte, war der Verkauf.“ Das änderte Kriechhammer und eröffnete letzten Juli in der Salzburger Griesgasse ihre erste Boutique. „Eigentlich eine 1-b-Lage, die sich jetzt aber als sehr gut für uns erweist. Das liegt an den Touristenmassen, die sich täglich durch die Getreidegasse schieben. Viele Einheimische weichen auf der Flucht davor zu uns aus. Unsere Kundinnen sind extrem liebe und taffe Geschäftsfrauen. Sie managen Familie, Job und Haushalt, nehmen sich aber trotzdem die Zeit, sich gut zu stylen.“ Den Rahmen dafür kreierte Andrea Kriechhammer in Eigenregie. „Wir haben alles selber geplant und beim Tischler anfertigen lassen. Vorbild waren die unterschiedlichsten Boutiquen, die mir über die Jahre von Paris bis Mailand aufgefallen sind.“ Das Gewölbe sei ideal, so Kriechhammer. Für die Decke setzte sie auf Stuck, die Wände sind aus Marmor. „Wir waren genau fertig mit der Order, als der Lockdown kam. Klar überlegt man sich da kurz, ob man nicht doch einen Rückzieher macht. Aber ich bin ein positiver Mensch und sehe die Krise als Chance. Bis jetzt haben wir das nicht bereut.“
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Wow inStyle Griesgasse 6, Salzburg/Österreich, www.wowinstyle.at, @wow_instyle Eröffnung: 16. August 2020 Inhaber: Andrea Kriechhammer, DDr. Gert Üblagger Verkaufsfläche: 90 qm Marken: Anine Bing, Bacon, Custommade, Dream Sister Jane, Edward Achour Paris, Ella Silla, Eric Bompard, Entoure, Ephyre, Hanky Panky, Hermina Athens, Holy Caftan, Kubera 108, Luna Sarah, Maison Ravn, Naturae Sacra, Paige, Philosophy di Lorenzoni Serafini, SLY010, Utzon, Vanessa Bruno, Ventcouvert
Fotos: Wow inStyle
VOM MODEL ZUR EIGENEN BOUTIQUE
SALZBURG VOR ORT
Gehmacher
EINE FAMILIE AUF EXPANSIONSKURS
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Erst im Januar 2020 hat die Salzburger Unternehmer familie Gehmacher einen Laden für Bekleidung eröffnet, als jetzt mehrere angrenzende Ladenlokale leer standen, entschloss man sich zu gleich vier Neueröffnungen.
Gehmacher Judengasse, Salzburg/Österreich, www.gehmacher.at, @gehmachersalzburg Inhaber: Familie Helmut und Heidi Gehmacher
Fotos: Gehmacher
in Betrieb, klare Strukturen. Vielleicht ist das das Geheimrezept der Familie Gehmacher, die seit vielen Jahren einen hochwertigen Home- und Interieurladen am Alten Markt in Salzburg führt und erst 2020 mit einem Bekleidungsgeschäft ihr Spielfeld erweiterte. Chancen werden bei Gehmachers beherzt ergriffen: Als jetzt vier weitere Läden in der direkt angrenzenden Judengasse leer standen, rief das die Familie auf den Plan. Ausschlaggebend war das Bekenntnis von Tochter Julia, ihre berufliche Zukunft im elterlichen Betrieb zu sehen. „Ich erkannte, wie wertvoll so ein Familienbetrieb ist.“ Ihre Mutter Heidi Gehmacher freut sich sehr über Julias Entscheidung, „und dass sie jetzt mit Leidenschaft Unternehmerin ist. Bei uns hat jeder sein eigenes Aufgabengebiet. Ich liebe das Schnelle und Wechselnde, Julia liebt die Planung. Deshalb bin ich für die Mode zuständig und Julia für das Marketing und den Bereich Home. Mein Mann hat die Finanzen im Griff und macht alles, was mit Bauverhandlungen, Vermietern und Ähnlichem zu tun hat. Wir ergänzen uns perfekt – nicht nur als Familie, sondern auch als Unternehmer.“ „Warum in die Höhe bauen, wenn auch die Breite funktioniert“, schmunzelt Heidi Gehmacher und zeigt sich voller Tatendrang. Im Oktober eröffnete die Familie den ersten der neuen Standorte nur wenige Schritte von den ursprünglichen entfernt. Weitere werden folgen, unter anderem auch ein eigenes Ladenlokal für Kollektionen von Rettl und ausgewählten Marken. „Es soll ein hochwertiges Konzept werden. Vom Preis etwas gehobener als in unserer bisherigen Filiale, aber dennoch nicht zu hoch. Außerdem befindet sich gegenüber bereits die nächste Gehmacher Home Filiale, wo wir auch Clothing anbieten.“ An den neuen Marken werde noch gefeilt, verrät die Geschäftsfrau und plaudert aus dem Nähkästchen: „Ich komme ursprünglich aus dem Großeinkauf, deshalb war es anfangs auch immer so, dass ich für den Home-Bereich wahnsinnig viele Accessoires geordert habe. Meine üblichen Lots waren Paletten oder Container – da habe ich erst einmal lernen müssen, mich zu disziplinieren“, lacht die Geschäftsfrau und verrät: „Tief drinnen fällt es mir immer noch schwer, von etwas nur ein oder zwei Stück zu bestellen.“ Die Gehmachers sind eine kurzentschlossene Familie. „Das liegt vermutlich schon in unserem Namen, schließlich heißen wir ja Gehmacher“, mutmaßt Heidi Gehmacher fröhlich. Anders sieht das schon in Sachen Expansion aus: Vier neue Ladenlokale schön und gut. Das bedeute aber noch keinesfalls das Ende, denn „jetzt sind wir schließlich im Flow“.
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VOR ORT SALZBURG
Golden Soul
HOMMAGE AN DIE ACHTSAMKEIT
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tellen Sie sich vor, Sie stehen kurz vor der Eröffnung und es ist Lockdown. Ein Szenario, das Lisa Leitner mit ihrem Concept store Golden Soul erlebte. „Die erste Auslieferung war eine Herausforderung. Wir ließen alles in die Wohnung liefern. Zum Glück war mein Bruder gerade ausgezogen“, erinnert sich Lisa Leitner schmunzelnd. „Aber es hatte auch sein Gutes, schließlich konnten wir alles entspannt und bei guter Musik von Zuhause aus erledigen.“ Die Eröffnung fand einen Monat später als geplant statt. „Wir haben direkt nach dem Lockdown am Pfingstmontag aufgesperrt, ohne Ankündigung. Es durften ja nur zwei Leute auf einmal ins Geschäft. Wir konnten also nicht abschätzen, wie das ankommen würde. Umso erstaunter waren wir, als sich alles so gut aufteilte. Wir sind wunderbar gestartet und bis heute sehr zufrieden.“ Das Sortiment ist breit gefächert. „Wir wollten einen Store kreieren, den es bei uns so noch nicht gibt, mit ganz besonderem Urlaubsfeeling.“ Dafür setzt Lisa Steiner auf skandinavische Einrichtung, Beauty-Produkte und Firmen, die Geschichten erzählen. Firmen wie das Cashmere-Label Warm Me oder die Marke Saturday and Sunday, die mit der ganzen Familie am Wochenende Halsketten kreieren. Auf die persönliche Note und die Förderung kleiner Unternehmen legt Lisa Leitner großen Wert. Diese Achtsamkeit spiegelt sich auch im Namen: „Golden Soul ist eine Hommage an meinen Vater, der vor zwei Jahren durch einen Autounfall starb. Auch wenn er fort ist, seine Seele bleibt für immer.“
„Das Ladenkonzept entwarfen wir selbst, ließen es aber von einem Salzburger Tischler umsetzen“, erzählt Lisa Leitner, die sich ihren Traum vom eigenen Store gemeinsam mit ihrer Mutter erfüllte. „Ich finde es sehr schön, wenn man mit Experten aus dem eigenen Umfeld zusammen arbeitet.“
Fotos: DGolden Soul
Es sind die Vielseitigkeit und die Offenheit, die den Conceptstore Golden Soul prägen.
Golden Soul Kaigasse 22, Salzburg, www.goldensoul.at, IG @golden. soul_salzburg Eröffnung: 1. Juni 2020 Inhaberin: Lisa Leitner Verkaufsfläche: 50 qm Marken: Colorful Standard, House Doctor, I am in Peace, Love Stories, Meraki, Saturday and Sunday, The Glow, Warm Me u.a.
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SALZBURG VOR ORT
Diva Salzburg hat eine neue Eigentümerin. Katrin Koller-van Eersel sorgt für Modernität und Dynamik.
Zur Übernahme gönnte Katrin Koller-van Eersel dem Luxusshop in einer Seitenstraße der bekannten Getreidegasse ein kleines Make-over.
Diva
NEUBEGINN
Fotos: Diva
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itten im Corona-Jahr hat Katrin Koller-van Eersel die Salzburger Luxusboutique Diva übernommen. Doch das ist längst nicht das einzige Projekt der umtriebigen Fashionunternehmerin. „Dynamisch, modern und auch mal lustig“, beschreibt Katrin Koller-van Eersel die neuen Charakterzüge der Diva Salzburg. Nach einer fast dreijährigen Übergangsphase hat die Unternehmerin die etablierte Boutique im Herzen von Salzburg gekauft. Dazu wechselte die gesamte Familie Koller-van Eersel von Regensburg nach Salzburg. „Mein Mann ist Holländer, der hat keinen Augenblick gezögert, als ich Salzburg ins Spiel brachte“, erinnert sich Katrin Koller-van Eersel. Näher an den Bergen leben, damit erfüllte sich für sie ein Herzenswunsch. „Ich war Österreich immer sehr verbunden, ich habe schon als Kind viel Zeit in Kitzbühel verbracht, wir haben sogar dort geheiratet.“ Entsprechend leicht falle ihr auch der Zugang zur Salzburger Kundschaft. „Ich habe eine große Leidenschaft für diese Branche“, sagt die BWL-Absolventin „und ich bin leidenschaftliche Unternehmerin. Es war mir wichtig, nach meinen Vorstellungen arbeiten zu können.“ Katrin Koller-van Eersel will moderne Frauen einkleiden, die Acne mit Gucci, Ganni mit Herno kombinieren, die große Labels mit dem gleichen Selbstverständnis wie heißbegehrte Neuentdeckungen wie Paris Texas tragen. „Designermarken sind ein wichtiger Teil der DNA unseres Konzepts, aber 2020 hat vieles auf die Probe gestellt. Wir können uns weder auf Festspielgäste noch auf Touristen verlassen.“ Ein Farfetch-Onlineshop, ein inspirierender Instagram-Account, ein Lieferservice namens Fashion Agent, innovative Gutscheine mit Videobotschaft – Omnichannel ist längst Realität. Denn im Laden zu stehen und zu warten, bis die Türe aufgeht, war noch nie Katrin Koller-van Eersels Stil. Sie liebt es, groß zu denken. So hat zum Beispiel ein eigener WeChat-Channel für Diva die Unternehmerin und ihren Mann Marco van Eersel auf den Plan gerufen, die kommerzielle Brücke nach China zu schlagen – das Cross-Border-Commerce-Unternehmen Weretail ist das Ergebnis. Eine innerösterreichische Allianz ist jene zwischen Casa Moda und Diva: In Katrin Koller-van Eersels Händen laufen der Einkauf und die Organisation von Casa Moda in Linz und St. Pölten, Knilli in Graz und Tom Ford in München zusammen. Wie viel Zeit bleibt da noch für Salzburg? „Im Moment mehr als genug“, lacht Katrin Koller-van Eersel. Wer mitten im zweiten Lockdown so viel Humor hat, der hat viel Zukunft.
Diva Sigmund-Haffner-Gasse 5, Salzburg/Österreich Inhaberin: Katrin Koller-van Eersel Übernahme: Juni 2020 Verkaufsfläche: 400 qm Marken: Acne, Balenciaga, Dolce & Gabbana, Dorothee Schumacher, Frame, Galvan, Ganni, Gucci, Herno, Hogan, Iro, J Brand, Loewe, Max Mara, Missoni, Paris Texas, Red Valentino, Simfinity, Stella McCartney, Talbot Runhof, Tagliatore, Tom Ford, Victoria Beckham, Zimmermann
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EDITOR’S LETTER
Der Stresstest
Warum ich, trotz allem oder gerade deshalb, voller Optimismus in das Jahr 2021 gehe. Ich habe es, soweit möglich, vermieden, mich öffentlich direkt zu Corona zu äußern. Es ist, um leicht adaptiert das Genie Karl Valentin zu zitieren, tatsächlich alles gesagt worden … im Zeitalter von Social Media noch dazu von fast allen. Dieser Subjektivitäts-Overkill war und ist definitiv Teil des Problems und nicht der Lösung. Mich aber interessieren immer nur Lösungen. Auch wenn wir gerade erst aus einem harten Lockdown kommen und der tatsächliche Impact der gestarteten Impfaktionen noch auf sich warten lässt, gehe ich dennoch voller Zuversicht und mit sehr viel positiver Spannung in dieses neue Jahr. Ich will begründen warum und damit vielleicht einen anderen Blickwinkel etablieren. Keine Frage, 2020 war, individuell und gesamtgesellschaftlich, ein Stresstest von historischer Dimension. Eine Destabilisierung, die wir, die so sehr von Glück gesegneten Nachkriegsgenerationen Mitteleuropas, so gar nicht gewohnt sind. Von vielen wird Corona als „Brandbeschleuniger“ bezeichnet. Ein eher schiefes Bild, vor allem, wenn man die Funktion von Wald- oder Steppenbränden innerhalb natürlicher Kreisläufe versteht. Beschleuniger ist allerdings ohne jede Frage zutreffend – und zwar scharf in beide Richtungen und somit eben auch sehr viel Schub in Richtung Zukunft. Beispielsweise ein Innovationsschub. Das Frühjahr 2020 war für die Digitalisierung der Modebranche wohl produktiver als die Jahre davor. Auf wirklich allen Ebenen wurde aus einem oft noch zögerlichen „Irgendwie sollten wir ...“ ein klares „Jetzt aber, und zwar schnell!“ Das gilt ganz besonders für den stationären Handel, den ich, auch wenn manche diesen Satz vielleicht öfters lesen müssen, gestärkt in Richtung „The New Normal“ gehen sehe. Gezwungen zur Fokussierung und existenziell auf die Probe gestellt, wurden Unternehmergeist und Mut freigesetzt. Das hat vielfach zu Lösungen geführt, die nicht einfach nur Plan B während einer Ausnahmesituation bedeuten, sondern eine Erweiterung und Verbesserung des eigenen Geschäftsmodells. Ob erfolgreicher Insta-Verkaufskanal, personalisierte Stylingberatung über Videochat oder Local Delivery Service – all diese neuen Angebote sind ja mehr als ein Notprogramm, sondern vielmehr nachhaltige Antwort auf das volatile Einkaufsverhalten eines hybriden Konsumenten, heute und in Zukunft. Vielen ist es also gelungen, das Beste
IMPRESSUM
Medieninhaber/Verleger/ Redaktion/Anzeigen style in progress B2B Media GmbH Lasserstraße 13, 5020 Salzburg, Österreich T +43 664 3583488 info@style-in-progress.com www.style-in-progress.com facebook.com/styleinprogressonline Geschäftsführung Stephan Huber
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Chefredaktion Stephan Huber stephan@style-in-progress.com Martina Müllner-Seybold martina@style-in-progress.com Redaktion Stefanie Buchacher Petrina Engelke Janaina Engelmann-Brothánek Isabel Faiss Kay Alexander Plonka Nicoletta Schaper Veronika Zangl Art Direktion/Grafik/Produktion Elisabeth Prock-Huber elisabeth@style-in-progress.com
aus zwei Welten zu verknüpfen. Human Touch, hohe Servicequalität und echtes Wissen, sowohl über die Kundinnen und Kunden als auch über das Sortiment. Der Konsument wiederum hat neu entdeckt, welche vielschichtige Qualität lokaler Handel bieten kann. Es ist ja oft so, dass etwas erst einmal verloren sein muss, um dann ganz bewusst gesucht und gefunden zu werden. Auch davon wird viel bleiben und besonders spürbar werden, wenn im Laufe des Frühjahrs das Konsumklima ins Plus zu tanzen beginnt. Sie können mir diesen Satz gerne um die Ohren hauen, sollte ich mich geirrt haben. Ich bin also tatsächlich davon überzeugt, dass die Konfrontation mit einer noch vor einem Jahr unvorstellbaren Herausforderung in vieler Hinsicht auch eine sehr positive Beschleunigung mit sich gebracht hat. Und diesen Schwung sollten wir gemeinsam nützen, um der Mode gesamtgesellschaftlich eine andere, eine bessere Bedeutung zu geben.
The Future is Wide Open! Mit besten Grüßen Ihr Stephan Huber stephan@style-in-progress.com PS: Ich will mich an dieser Stelle aus tiefstem Herzen bei unseren Partnern und allen unseren Leserinnen und Lesern bedanken. Alles, was ich oben beschrieben habe, trifft letztlich auch auf style in progress zu. Auch wir haben uns hinterfragt, uns weiterentwickelt, unser inhaltliches Angebot für die Branche vertieft. Ihr so zahlreiches positives Feedback war dafür die perfekte Motivation. Und ein unheimlich gutes Gefühl!
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