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Buam, wie stellts euch des vor?

Meindl „Buam, wie stellts euch des vor?“

Schon Hannes Meindl hat gemeinsam mit seinem Bruder von seinem Vater übernommen. Dass sein Sohn Markus in seine Fußstapfen treten würde, stand außer Frage. Eine geregelte, ja fast selbstverständliche Übergabe in Raten. Text: Stephan Huber. Foto: Peter Straub

Hannes Meindl, Sie haben schon beides erlebt. Die Situation des jungen, der den Betrieb übernimmt und dann die Situation dessen, der den Betrieb weitergibt. Was war schwieriger?

Hannes Meindl: Beides war nicht schwierig, aber sehr unterschiedlich. Als ich angefangen habe, haben wir fünf oder sechs Leute in der Schuhmacherei gehabt und mein Bruder, der elf Jahre älter war, hat die Kleidung nebenbei gemacht. Mein Bruder und ich haben die Firma mehr oder weniger aufgebaut. Aber mein Vater hat die finanzielle Grundlage gegeben, uns aber dann völlig alleine wirtschaften lassen. Nur mal als Beispiel: Wenn ich mit 20 Jahren nach Rosenheim zum Ledereinkaufen gefahren bin und dann für 50.000 oder 80.000 Mark Leder eingekauft habe, dann hat das der Papa registriert, aber es war nicht sein Milieu. Um die Übergabe zwischen meinem Vater und uns beiden Brüdern zusammenzufassen: Das waren fünf Minuten. Mein Vater hat uns in sein Büro kommen lassen und hat gesagt: „Buam, wie stellts euch des vor?“ Ich war elf Jahre jünger und habe gesagt: „Papa, ich möchte 40 Prozent und Alfons 60 Prozent, weil er schon elf Jahre länger aufgebaut hat.“ Aber mein Bruder hat gesagt, dass wir 50:50 machen und die Sache war erledigt.

Markus, wie war dein Gespräch dann? Auch nur fünf Minuten?

Markus Meindl: Es hat nie ein Gespräch gegeben, da ich von den Windeln raus gleich ins Unternehmen reingekommen bin. Ich kenne jeden Lichtschalter. Ich habe einfach freie Hand gehabt. Ich habe unsere Mitarbeiter zur Weißglut gebracht, weil ich ihnen das ganze ‚Klumpat‘ immer weggenommen und Maschinen verstellt habe. Ich bin hier aufgewachsen, die Firma war mein Zuhause.

Für dich war also von Anfang an klar, das ist auch deine DNA?

Markus Meindl: Natürlich, in allen Bereichen. Wir durften und mussten in den Ferien arbeiten und wurden dabei nicht gestreichelt. Um sieben in der Früh ist es losgegangen und um vier am Nachmittag war es vorbei, aber danach mussten wir am Bauernhof noch mähen. Im Winter habe ich den Skikeller (Anm.: ein Sportgeschäft, das damals Teil des Meindl-Verkaufshauses in Kirchanschöring war) gemacht. Keine Ahnung, wie viele hundert oder tausend Ski ich da unten montiert, geschliffen, gewachst und die Kanten gemacht habe. Weil unsere Eltern gesehen haben, dass wir arbeiten wollen und Spaß dabei haben, durften wir im Grunde tun und lassen, was wir wollten.

Gab es eine Phase des Ausprobierens, ehe die Rolle im Unternehmen definiert wurde?

Markus Meindl: In unserer Familie wurde sehr früh geschaut, dass die Kinder am Unternehmen beteiligt werden, auch finanziell. Eine Übergabe funktioniert nicht von heute auf morgen beziehungsweise kostet sie wahnsinnig viel Geld, wenn es so sein muss. Deshalb muss man zusehen, Werte früh und stückweise zu übergeben. Mein Vater und mein Onkel haben nie Probleme gehabt, sich von Sachen zu trennen.

Jede neue Generation hat ihre Themen und Sichtweisen.

Hannes Meindl: Markus war immer schon sehr innovativ, mit 15, 16 Jahren hat er schon Modelle gemacht, die richtungsweisend waren. Umgekehrt hat er natürlich auch Flausen gehabt und gedacht, er kann mit anderen Produkten noch das eine oder andere Geschäft machen. Ich habe ihn immer machen lassen. Auch wenn das eine oder andere in die Hose gegangen ist.

War das Wissen, dass man Dinge einfach mal probieren kann, wichtig?

Markus Meindl: Ganz wichtig! Wenn du neue Sachen ausprobierst, zahlst du einerseits Lehrgeld, andererseits solltest du daraus lernen. Um es beim nächsten Mal nicht mehr ganz so verkehrt zu machen, sondern ein bisschen richtiger.

Ihr arbeitet als Familienunternehmen mit anderen Familienunternehmen zusam men und seid darauf ange wiesen, dass es dort ebenfalls weitergeht.

Markus Meindl: Ich folge dem Spruch: In guten wie in schlechten Zeiten. Wir haben schon Zeiten erlebt, in denen wir unsere Gerbereien durchgefüttert haben. Dadurch gibt es auch heute noch Betriebe, die diese Produkte für uns machen können. Auch während der Generationswechsel, die bei vielen unserer Produzenten anstehen, sind wir in sehr engem Kontakt, damit es auch in der nächsten Generation gut weitergeht. Hannes Meindl: Leben und leben lassen. Speziell bei Gerbern, die ein Naturprodukt kaufen und wo es ein Prozess von Wochen und Monaten ist, bis die Haut fertig ist. Dass da mal was schiefgehen kann, ist ganz logisch. Dann muss man auch einsehen, dass man vielleicht einmal etwas zahlt, was das Produkt nicht wert ist. Aber leben und leben lassen, hat sich immer bewährt. Um auf die Grundsatzfrage zurückzukommen. Generationswechsel: Mein Vater hat uns voll vertraut, so wie ich auch meinem Sohn vertraue. Der Übergang zu Markus ist nicht von heute auf morgen passiert, sondern er wurde im Vertrauen eingebunden und hatte fast freie Hand. Und das hat sich bewährt.

Ist es ein Glücksfall, wenn die Erfahrung und Kontakte des

Früh in die Pflicht nehmen, vertrauen und eigene Erfahrungen machen lassen: Dass Vater Hannes an seinen Sohn Markus Meindl übergeben würde, stand immer außer Frage.

Vorgängers dem Unternehmen lange erhalten bleiben? M anchmal sagt ja die Vorgän gergeneration auch: Mach du d as und ich gehe Golf spielen!

Markus Meindl: Ich bin froh, dass mein Vater mit seinen fast 77 Jahren noch so aktiv ist, sich mit der Arbeit im Unternehmen fit hält und mit dabei sein möchte. Auch dass er sein Wissen einbringt und mich unterstützt. So habe auch ich die Möglichkeit, dass ich mal einen Tag Golfen bin. (lacht) Was ich aber nicht tue. Jägern wär’s bei mir. Hannes Meindl: Mein Vater war, solange er gelebt hat, in der Firma. Wenn Markus sagt, er braucht mich nicht mehr, dann bin ich morgen weg, keine Frage. Aber mir macht es nach wie vor Spaß.

Gibt es aus eurer Erfahrung mit Familienunternehmen Wünsche, Forderungen, Kritik an die Politik? Es wird ein entscheidendes gesellschaft liches Thema sein, wie diese U nternehmerkultur weiterlebt und wie man sie politisch bewusst unterstützt, fördert oder ihr zumindest keine Knüppel in den Weg wirft.

Markus Meindl: Knüppel gibt es meiner Meinung nach genug. Das beginnt schon bei der Erbschaftsthematik. Jeder denkt, man hätte Glück, weil man so ein riesiges Erbe übergeben bekommt. Dieser Aufgabe musst du aber erst gewachsen sein und es gibt viele Bausteine, die zusammenpassen müssen, damit das Unternehmen in die nächste Generation geführt werden kann. Das sollte nicht weiter erschwert werden, sonst verlieren viele, die sich diese Verantwortung ans Bein hängen wollen, die Lust. Wenn Unternehmen nicht mehr inhabergeführt weiterbestehen, sondern in irgendeine andere Gesellschaftsform umgewandelt werden, verliert sie ihr Herzstück und ihre Kultur und das eine oder andere Handwerksunternehmen wird verschwinden. Aber Basis des deutschen Unternehmertums ist und bleibt nun mal das Handwerk.

Du hast noch geraume Zeit, bis das Thema für dich aktuell wird, dass du übergibst.

Markus Meindl: Ich rede schon jetzt mit meinen Kindern, die sind jetzt sechs, vier und zwei. Der Sechsjährigen sage ich ganz offen, wenn sie mal übernehmen möchte, muss sie auch mal mit mir in die Firma kommen. Das macht ihnen ohnehin so großen Spaß, dass sie alle ein-, zweimal in der Woche kommen. Es muss spielerisch laufen, aber ich rede schon heute mit ihnen darüber, dass sie, wenn sie das Unternehmen führen möchten, auch viel dafür arbeiten müssen. Hannes Meindl: Viele aus meinem Freundeskreis haben große Unternehmen. Eines der größten Speditionsunternehmen Deutschlands zum Beispiel. Der Inhaber hat seine drei Söhne studieren lassen, sie waren nie in der Firma und als es an der Zeit für eine Übergabe war, hat keiner mehr Interesse an der Firma gehabt. Wenn ich die Kinder jahrzehntelang von der Firma weghalte und plötzlich sollen sie einsteigen, dann sagen sie: Ich mache lieber den Doktor.

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