4 minute read

Viele Bälle in der Luft

„Meine Eltern haben mir ihr Vertrauen geschenkt, das heißt aber nicht, dass ich nicht liefern muss“, sagt Andreas Weitkamp, der das Unternehmen von seinen Eltern Veronika und Karl-Jürgen Weitkamp (Foto links) übernommen hat.

Weitkamp und Modehaus Schnitzler, Münster Viele Bälle in der Luft

In diesem Jahr feiern das Modehaus Schnitzler und Weitkamp ihr 125-jähriges Jubiläum. Heute denkt Andreas Weitkamp das Familienunter- nehmen nach vorne, indem er das Be- stehende wahrt, ohne jemals stehenzubleiben. Text: Nicoletta Schaper. Fotos: Weitkamp

Mittags herrscht Trubel auf dem Prinzipalmarkt Münsters, das Publikum ist vom Alter her bunt gemischt. Auch bei Schnitzler ist einiges los. Immerhin bietet das Haus auf großzügigen 2.000 Quadratmetern ein vielfältiges Angebot, dem der Spagat gelingt, den Ansprüchen älterer wie jüngerer Kunden gerecht zu werden, mit Marken von Odeeh und Dorothee Schumacher über Closed und Drykorn bis hin zu Bogner, Moncler und Stone Island. „Wobei wir tendenziell den Modegrad erhöhen, um unser Profil weiter zu schärfen“, sagt Andreas Weitkamp, der das Unternehmen 2012 von seinen Eltern übernommen hat, welches neben dem Stammhaus, dem Menswearstore Weitkamp ein Van-Laack-Geschäft und einen Onlineshop umfasst.

Ein besonderes Erbe Andreas Weitkamps Erbe ist ein besonderes. Was im Jahr 1892 als Fachgeschäft für Regenschirme begann, wuchs zum Geschäft für Premiummode und wird heute in fünfter Generation mit 130 Mitarbeitern geführt. Auch die Eltern Veronika und Karl-Jürgen Weitkamp haben den Erfolg der Firma von den 1970er-Jahren an maßgeblich geprägt: Die Mutter mit Herzlichkeit und Modegespür, mitten im Kundengeschehen, die Seele des Betriebs. Der Vater im Hintergrund agierend, kaufmännisch veranlagt und analytisch. „Das Duo hat immer super funktioniert“, erklärt Andreas Weitkamp. „Als Jugendlicher hatte ich wenig mit dem Geschäft zu tun, bis mich eines Samstags meine Eltern baten, im Verkauf auszuhelfen. Von da an war mir klar, dass ich den Job toll finde.“ Weitkamp ging bei Engelhorn in die Lehre und arbeitete anschließend zweieinhalb Jahre als Substitut in der Menswear. „Im ersten Jahr musste man schon Powerpointpräsentationen vor der Geschäftsführung machen, das

schult“, sagt Andreas Weitkamp. Er lernte bei Engelhorn alles Fachliche, vor allem aber, was den inhabergeführten Einzelhandel ausmacht, und vertiefte dieses Wissen bei weiteren Handelsunternehmen in Vail, Colorado und in München. „Der inhabergeführte Einzelhandel hat eine ganz besondere Nähe zu den Kunden, das muss man wollen – und können.“ Nach fünf gemeinsamen Jahren bei Schnitzler und Weitkamp übergaben seine Eltern Andreas Weitkamp die volle Verantwortung, ohne Einschränkung. Als Bürde hat er das nie empfunden und die Eltern geben heute ihren Rat nur, wenn sie gefragt werden. „Mein Vater befürwortete einen Onlineshop, ich aber war unsicher, ob wir online das spielen können, was uns im Geschäft ausmacht“, beschreibt Andreas Weitkamp. „Nach einiger Zeit sind unser langjähriger Geschäftsführer Michael Wiemer und ich zu dem Schluss gekommen, dass wir zunächst einmal ein schlüssiges Sortiment bieten und diese Onlinepräsenz nach und nach ausbauen. Heute weiß ich, dass wir auch online die Kundennähe fördern müssen, für die wir stehen.“

Mut und Respekt Was braucht es noch, um ein 125-jähriges Geschäft in die Zukunft zu führen? Keine Traditionen, ist Weitkamp überzeugt. „Viel mehr fühle ich mich unseren Werten verpflichtet, dazu zähle ich Mut und Neugier, Toleranz und Respekt.“ Eine Haltung, die die Weitkamps von jeher pflegen, wie es die alten Werbeanzeigen von Schnitzler belegen. So zum Beispiel eine Anzeige aus den 1990er-Jahren, die Veronika Weitkamp mit fünf Mitarbeitern zeigt, unter dem Slogan: „Wir beschäftigen viele Ausländer, von der Chefin angefangen.“ Mut zum Risiko braucht es auch darin, Investitionen zu tätigen, wie in den Webshop oder das eigene Kundenmagazin. Und ebenso in die Umgestaltung des Stammhauses vor drei Jahren, wobei auch ein größerer eigener Bereich für die Kinderabteilung entstand. Anfang des Jahres eröffnete der Menswearstore Weitkamp rundum renoviert, vergrößert auf 270 Quadratmeter, mit großem Schaufenster nach vorn und einem überzeugenden Angebot zeitgemäßer Sportswear.

Werte und Vision Andreas Weitkamp macht seinen Job mit Dynamik und Verve. Immer mit dem Gefühl dafür, wie viel Vision nötig ist, um seine Stores auch künftig zu wichtigen Anlaufstellen für Mode zu machen. Dafür engagiert er sich, wie auch schon sein Vater und sein Großvater, über das eigene Business hinaus und bringt sich in mehrere Interessengemeinschaften ein – zum Beispiel die Innenstadt

Das Modehaus Schnitzler und Weitkamp gehört zu den prägenden Destinationen für Premiumfashion, und das weit über Münsters Grenzen hinaus.

initiative, ein Zusammenschluss von Gastronomen, Hauseigentümern und dem ansässigen Handel, um Münster als hochwertigen und attraktiven Standort zu stärken. „Gemeinsam mit Münster Marketing und einer Wirtschaftsinitiative wird einiges für die Stadt getan, beispielsweise setzen wir uns für einheitliche Straßenschilder ein oder dafür, dass die Gastronomie keine Sonnenschirme mit Werbung benutzt“, erklärt Weitkamp. Alles ist in Bewegung, und das ist gut so, steht auf der Website von Mode Schnitzler. Auch für Andreas Weitkamp. „Ich glaube, es ist vielleicht ein besonderes Talent von mir, dass ich viele Bälle in der Luft halten kann.“

This article is from: