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Tour de Suisse
Tour de Suisse
Pörtner in Stäfa
Surprise-Standorte: Migros Einwohnerinnen und Einwohner: 14708 Sozialhilfequote in Prozent: 5,7 Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 19,3 Anzahl Kühe: 151
Der Tag hat aufgehellt. War es am Morgen noch nass und kalt, ist es nun schon sommerlich warm. Die Coiffeursalons und Gartencenter haben wieder geöffnet. Beim Grossverteiler in diesem kleinen Einkaufszentrum sind diverse Rayons mit rot-weissem Band abgesperrt. Die Lage normalisiert sich, noch aber herrscht kein Normalzustand.
Ein Mann bleibt mit seinem Einkaufswa gen nach der Handdesinfektion verträumt stehen, bis ihn derjenige, der darüber wacht, wie viele Menschen in den Laden dürfen, auffordert einzutreten. Möglicher weise ein neuer Beruf: Publikumsaufmarschkontrolleur oder Eingangsbereichsüberwacherin oder einfach Tropfenzähler.
Zwei Buben fahren mit ihren Velos die Treppe vor dem Gemeindehaus hinunter, der eine forsch, der andere zögerlich, auf den unteren, steilen Teil wagt er sich nicht, während der Grössere schon beim zweiten Durchgang waghalsig die Stufen überspringt. Zwei Polizistinnen gebieten dem Treiben Einhalt und erklären geduldig, dass es wahrscheinlich keine so gute Idee sei, zwischen Gemeindehaus und Einkaufszentrum die Treppe hinunterzublochen. Das sieht der Bub ein oder tut zumindest so, denn eben noch sah es aus, als fände er das eine Superidee. In der Apotheke sind Atemmasken erhältlich, ein Mann kommt mit zwei Packungen unter dem Arm aus dem Geschäft.
Das Elektrovelo hat sich als Nahverkehrsund Einkaufsfahrzeug durchgesetzt. Hat das Velo aber einen Anhänger, ist es nicht ganz einfach, einen Parkplatz zu finden, eine Frau kurvt mehrfach herum. Zwei Buben mit Trottis tragen ihre Ge fährte die Treppe hinunter, vielleicht wurden sie gewarnt, dass es nicht gern gesehen werde, wenn man sie hinunterspringe. Wenig später hocken sie auf die Treppe zum Chipsessen.
Eine Frau gewinnt zwar keinen Blumen topf, kauft aber einen in der draussen aufgebauten Gartenabteilung. Eine andere trägt eines dieser Insektenhotels, die ge gen eine Anzahl Punkte gratis abgegeben werden oder so etwas. Die Insektenun terkünfte wurden, als das noch möglich war, aus China importiert, sodass unsere Bienen in Föhrenzapfen hausen, die um die halbe Welt transportiert wurden. Es ist nicht einfach, ein Nature Hero, ein Held der Natur zu sein. Eine Produktion in Europa wäre zu teuer gewesen, lässt das Unternehmen verlauten. Zu teuer zum Verschenken.
Es wird sich zeigen, ob sich das Konsum verhalten ändert, ob es wirklich als Verlust von Wohlstand empfunden wird, anstatt Unmengen billiger Produkte aus Fernost zu kaufen und rasch wegzuschmeissen, lokal Produziertes und Dauerhaftes zu erwerben und so neben der einheimischen Hotellerie auch die einheimische Insektenhotellerie zu un terstützen. Die Krise hat gezeigt, dass wir vieles gar nicht so dringend brauchen. In diesem kleinen Einkaufszentrum werden keine Hamsterkäufe getätigt, da für Schwätzchen gehalten, mit dem nötigen Abstand natürlich, auf dem Platz vor dem Eingang. Aber schon ziehen wieder Wolken auf, der Himmel verdüstert sich. Die Luft wird ein paar Grad kälter, und damit hat es sich mit Herumstehen.
STEPHAN PÖRTNER
Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.