2 minute read

Moumouni

Next Article
Corona-Krise

Corona-Krise

… bekommt Mails

Ich sitze in einem Café in Paris und wundere mich über die Schweiz. Ich trinke einen Kaffee und esse ein Croissant. Bei des ist selbstverständlich gut. Nirgendwo eine französische Flagge oder ein Slogan, die mir penetrant beweisen wollen, dass alles hier gut ist. Angenehm. Ich lasse die letzten paar Wochen Revue passie ren, in denen ich aus der Quarantäne-bedingten Isolation direkt in einen Medientrubel gerutscht bin. Ich lese amüsiert ein paar der Mails, die ich in Reaktion auf die SRF-«Arena» bekommen habe, für die ich vorher keine Kraft oder Zeit hatte. Die ganz schlimmen Beleidigungen habe ich vorher aussortieren lassen. Es ist immer noch viel Absurdes dabei, ab und zu muss ich kichern und schaue mich dann verstohlen um. Aber ich bin ja in Paris, nicht etwa in einem Schweizer Zug – es interessiert niemanden, dass ich Geräusche mache. «WENN WIR EIDGENOSSEN SOOOO RASSISTISCH SIND, WARUM WOLLEN SO VIELE AUSLÄNDER IN DER SCHWEIZ LEBEN???», lese ich oft. Ein Grossteil meiner Kritiker*innen scheint zu finden, dass man sich nur über Länder aufregen darf, in denen man nicht lebt. Ich pro biere es aus: «Wääh, in Paris riecht es an wirklich vielen Ecken nach Pisse», murmle ich vorsichtig vor mich hin. Fühlt sich, ehrlich gesagt, nicht viel legitimer an als die sehr überlegte Kritik an der Schweiz, die ich sonst versuche anzustellen. Dann versuche ich es mit: «Frankreich hat ein Rassismusproblem. Dieses Problem liegt in der europäischen sowie französischen Geschichte und Politik begründet.» Legitim, das zu sagen. Warum sollte es nicht legitim sein, dasselbe über die Schweiz zu sagen? Offenbar sind viele Schweizer*innen es nur nicht ge wohnt, das zu hören. Ich bekomme viele Mails, die nichts mit dem Thema der Sendung zu tun haben. Wo jetzt die Demos für den französischen Busfahrer seien, der letztens zu Tode geprügelt wurde, und: «Meinen Sie, dass es in Deutschland besser ist??» Eine Frau, die mir schreibt, sie habe als Lehre rin 43 Jahre lang mit viel Liebe Kinder «aller Ethnien» unterrichtet, erzählt mir von meinen «Landsleuten», die sehr oft keine Fahrscheine lösen. Sie meint Schwarze Menschen. Sie merkt nicht, wo der Fehler sein könnte, alle Schwarzen Menschen als meine «Landsleute» zu bezeichnen und von ihrer Hautfarbe auf das Lösen von Tickets zu schliessen. Ich frage mich, wie viel sie in ihren 43 Jahren Liebe sonst noch nicht gemerkt hat.

Ich lese mehrere Mails, in denen mir ge sagt wird, dass Schwarze Menschen keine Engel seien. Auf katholischen Gemälden habe ich tatsächlich noch nie einen Schwarzen Engel gesehen, das stimmt. Und das hat sogar etwas mit Rassismus zu tun.

Ich bekomme aber auch viele Komplimente. «Schönes Gesicht. Ich liebe so Frauen», schreibt mir jemand in Reak tion auf meinen «Arena»-Auftritt. Die sehr sympathische Frau aus der Maske beim SRF hat mir erzählt, dass sie schon oft Christoph Blocher für die «Arena» geschminkt habe. Ich frage mich, ob er auch hinterher so viele Kommentare wegen seines Aussehens erhielt. Christoph Blocher sieht aber auch einfach nicht so gut aus wie ich, man muss ja nicht über all Sexismus sehen, denke ich mir. Und wenn es mir nicht passt, dass man mich schön findet, muss ich ja auch einfach nicht schön sein. Ich übe mich darin, Ar gumentationsstrukturen, die mir in den letzten Wochen entgegengebracht worden sind, zu übernehmen. Das macht das Leben einfacher.

FATIMA MOUMOUNI

bedankt sich für die vielen lieben Mails und auch für berechtigtere Kritik, die sie in Reaktion auf ihren «Arena»-Auftritt ebenfalls bekommen hat.

This article is from: