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Tour de Suisse
Pörtner in Ostermundigen
Surprise-Standorte: Verkaufsstelle Center Einwohner*innen: 18 044 Sozialhilfequote in Prozent: 7,0 Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 31,0 Bauwerk: Der «Bäre-Tower» mit 100 Metern Höhe und 32 Stockwerken
ist das höchste Wohnhaus im Kanton Bern.
In Ostermundigen kommt vieles zusammen. Neben modernen Hochhäusern stehen alte Bauernhöfe, gegenüber dem Familienzentrum mit Ludo- und Bibliothek die Gelateria und Crêperia, neben der wiederum sich das Kunstreich befindet, das Vergoldungen und Einrahmungen anbietet. Auf der Quartierstrasse ist Tempo 40 vorgeschrieben, eine selten gesehene Höchstgeschwindigkeit im Gegensatz zu Tempo 50 oder 30. An dieser Strasse befindet sich ein kleiner Park oder eher ein Platz, auf jeden Fall ist es eine Station des Begegnungsweges. Ein Plakat weist auf Unterstützung beim Bearbeiten der vielen Papiere für Menschen der Gruppe 60+ hin. Darauf ein Cartoon von einem Mann, der am Telefon versichert, er habe alle Rechnungen bezahlt, er sei früher Führungskraft gewesen und halte Ordnung. Der Tisch vor ihm ist voller Papiere, es soll wohl darstellen, dass der Mann die Sache nicht ganz so im Griff hat, wie er das vorgibt.
Auf der Bank davor sitzt ein Mädchen, das solche Probleme, zumindest altersbedingt, noch lange nicht haben wird, und isst eine Glace. Die Strasse führt vorbei an einer Siedlung, die sich im Besitz einer Pensionskasse befindet und saniert wird. Interessant wäre zu wissen, ob den Bewohner*innen der Standard nicht mehr genügt hatte oder ob die Pensionskasse mehr Gewinn erzielen muss.
Hinter der Siedlung wähnt man sich bereits auf dem Land, steht am Rande eines Kornfeldes, im Hintergrund die bewaldeten Hügel. Hier warten ein modernes, nicht allzu bequemes Bänklein und der nächste Posten des Begegnungsweges. Der Titel: «Ich fühle mich verpflichtet zu helfen». Ob Ostermundigen einen besonders hohen Rentneranteil hat oder ob diese besonders gerne diesen Weg entlanggehen, lässt sich nicht feststellen, es sind allgemein wenig Leute unterwegs, am ehesten Frauen mit Kindern und Einkaufstaschen.
Was es hier mehrfach gibt, sind einstöckige Bauten, in denen sich Ladengeschäfte aneinanderreihen, darunter meist ein sogenanntes Ankergeschäft, ein Discounter etwa, der das Publikum anzieht. Rundherum siedeln sich unabhängige Geschäfte an, etwa ein mediterraner Gemüsehändler, der das Angebot des Discounters ergänzt. Fachmännisch beklopft ein Kunde die Wassermelonen. Da ist ein kleines Café-Restaurant, an dessen Aussentischen Betrieb herrscht, ein Flair von Grossstadt-Boulevard kommt auf, ein Ehepaar trinkt gepflegt einen kühlen Weissen, Männer, die von der Arbeit kommen oder gerade Pause machen, diskutieren lebhaft, ein Rentner trinkt Kaffee und raucht dazu. Die Leute flanieren vorbei, hier und da wird gegrüsst und geredet.
Gegenüber steht ein kleines Einfamilienhaus auf einer ungemähten Wiese ohne Zaun. Eine nicht optimale Ausnutzung des Bodens, die etwas aus der Zeit gefallen wirkt, ganz im Gegensatz zu der dahinterliegenden Siedlung, in der es einen Friseur- und Barbiersalon gibt. Sehr beliebt ist der Automat, der Geld verteilt, angebracht an einer Bank, die zu Werbezwecken eine Bank vor der Tür stehen hat, darauf das Motto: Die Bank von Ostermundigen. Darauf muss man erst mal kommen.
STEPHAN PÖRTNER
Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.