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Justiz statt Politik

Die Klimajugend hat demonstriert, gestreikt, Flüsse grün gefärbt, Banken blockiert. Nun machen junge Menschen seit Monaten Schlagzeilen damit, dass sie sich auf den Asphalt kleben. Das bringt ihnen nicht nur Sympathien ein, sondern auch Unverständnis und Ärger. Die Aktionen zeugen von wachsender Verzweiflung darüber, dass sich Politik und Gesellschaft Zeit lassen mit konkreten und konsequenten Massnahmen für den Klimaschutz.

Vermehrt gehen die Jugendlichen nicht mehr nur auf die Strassen, sondern auch vor Gericht, um für ihre Zukunft zu kämpfen. 2023 könnte sogar ein Wendepunkt der sogenannten Klimaklagen werden, und zwar weltweit. Dabei gehen Aktivist*innen sowohl gegen die Untätigkeit von Regierungen vor als auch gegen Projekte im Privatsektor. Dass etwa im Juni im US-Bundesstaat Montana die Klage einer Gruppe Kinder und junger Menschen zwischen 5 und 21 Jahren überhaupt angehört wird, kann bereits als Erfolg verbucht werden. Denn meist ist die Zulässigkeit solch umfassender Begehren höchst umstritten –immerhin sollen hier fossile Energien als Ganzes für verfassungswidrig erklärt werden. Bevor dies verhandelt wird, ist es in der Regel ein langer Weg: Vorab gilt es komplizierte Fragen zur Opfereigenschaft der Kläger*innen und dem Zusammenhang zwischen Massnahmen und Reichweite von staatlichen Schutzpflichten zu klären.

Dies gelingt nun aber immer öfter. In Kanada ist eine von sieben Jugendlichen angestrebte Klage gegen die Regierung Ontarios bereits verhandelt worden. Im Verlauf des Jahres wird nun ein Urteil darüber erwartet, ob die Lockerung der Reduktionsziele für Treibhausgase rechtens war. In Südafrika, ein Hotspot für Klimaklagen, werden dieses Jahr gleich mehrere Klimaklagen spruchreif. Mit grösster Spannung fiebern Jugendliche am Kap dem Resultat einer verfassungsrechtlichen Beschwerde gegen die Pläne der Regierung für den Bau eines neuen Kohlekraftwerks entgegen.

Doch nicht bloss Regierungen stehen im Fokus des juristischen Kampfes; Klagen gegen nichtstaatliche Akteure haben mit dem viel beachteten Shell-Urteil Zähne bekommen. Ein Gericht in Den Haag hat 2022 entschieden, dass der Ölkonzern seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 45 Prozent reduzieren muss. Damit wurde erstmals ein Wirtschaftsunternehmen für Klimaschäden in die Verantwortung genommen. Dem australischen Energie-Riesen Woodside droht nach einer Klage das Aus für ein Projekt zur Erschliessung eines gigantischen Offshore-Gasfeldes. In Brasilien kommt es dieses Jahr zu einer Weltpremiere: Dort kommt erstmals ein Fall vor Gericht, mit dem ein Finanzinstitut zu konkreten Klimazielen verpflichtet werden soll: die Entwicklungsbank BNDES.

Aber ist die Durchsetzung von Klimaschutzmassnahmen per Gerichtsentscheid tatsächlich ein sinnvoller Weg, um die Wirtschaft zum Handeln zu zwingen? Ein Ausweg aus der politischen Sackgasse? Oder doch eher ein demokratieschädigender Irrweg, wie Kritiker*innen sagen? Den Jugendlichen dürfte das herzlich egal sein –Hauptsache, es geschieht etwas.

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