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Zurück in die digitale Welt

Für Armutsbetroffene bleiben die digitalen Türen oft verschlossen.

Das hat Auswirkungen auf Arbeitsbiografien. Und könnte mit relativ einfachen Mitteln angegangen werden.

Text Florian W Stholz

«Der digitale Graben wird sich nicht einfach so schliessen», sagt Christine Mühlebach von Sozialinfo. Um so wichtiger sei es, Personen Hilfe zu leisten, die bereits heute abgehängt sind. Mit Unterstützungsangeboten oder – ganz einfach – mit Geräten. Ein solches hat auch Tobias Lehmann kürzlich den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt ermöglicht. Der 40-Jährige war früher als Logistiker tätig, bis ihm die Sucht zum Problem wurde. «Ich konnte immer wieder ein bisschen arbeiten und landete dazwischen beim Sozialamt», sagt Lehmann. In jener Zeit muss er von rund 700 Franken im Monat leben – jede Ausgabe überlegt er sich zweimal. «Ein gutes Smartphone oder einen Laptop hätte ich mir nie leisten können.»

Stattdessen ist Lehmann weiter auf seinen «alten Knochen» angewiesen, wie er sein Handy nennt – und findet sich vor digital verschlossenen Türen wieder. Eine gute Bewerbung schreiben oder sich di- gital weiterbilden? Schlicht unmöglich. «Immer häufiger werden heute Online-Bewerbungen verlangt», sagt Lehmann. «Wie willst du das auf einem alten Smartphone oder ohne Internetzugang vernünftig anstellen?» Über das Arbeitsprogramm wurde er auf das Angebot von «Wir lernen weiter» aufmerksam gemacht. Seit April 2020 sammelt der Verein ausgediente Laptops, bereitet sie professionell auf und verteilt sie über ein Netzwerk an bedürftige Personen in der Schweiz. «Innerhalb einer Woche war das Gerät in meinem Briefkasten», sagt Lehmann. «Ich war völlig sprachlos und gleichzeitig glücklich, denn der Laptop war für mich der Grundstein, um überhaupt wieder arbeiten und mich bewerben zu können.»

Lehmann war so begeistert vom Projekt, dass er sich über eine Vermittlung des RAV freiwillig im Verein engagierte. «Ich ging zwei, drei Tage pro Woche vor- bei und half mit», erzählt er. Die Zusammenarbeit lief so gut, dass er bald vom Verein ein Stellenangebot erhielt – mittlerweile arbeitet Lehmann Vollzeit beim Verein und organisiert die Aufbereitung sowie den Versand der Geräte. «Ich wusste, wie wichtig diese Dienstleistung für viele ist. Ich habe ja selber davon profitiert und gesehen, wie eine so einfache Sache das eigene Leben verändern kann.»

Lehmann denkt dabei auch an Schüler*innen und armutsbetroffene Familien, die sich plötzlich mehrere teure Geräte anschaffen müssen, damit die Kinder lernen können. Tatsächlich gehen viele der rund fünfzig Geräte, die Lehmann pro Woche verschickt, an bedürftige Schüler*innen und Lehrlinge – ausgestattet mit offener Software, die den Nutzer*innen keine zusätzlichen Lizenz- und Abogebühren aufhalsen. Ein Unterschied, der für manche kaum sichtbar ist. Für andere aber bedeutet es das Tor zur Welt.

Janita-Marja Juvonen, 43, hat vierzehn Jahre Drogenabhängigkeit und Obdachlosigkeit hinter sich. Heute engagiert sie sich in der Aufklärungsarbeit über Obdachlosigkeit und in der Suchtprävention.

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