Ich bin dann mal offline

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Digital

Digital Detox

Ich bin dann mal offline 1769 ungelesene E-Mails, drei Facebook-Kommentare, zwei Snapchat-Nachrichten und eine Instagram Message: Mein iPhone nervt mich gerade mit seinen roten Hinweispunkten. Überall zeigt es mir an, dass ich mit meiner digitalen Kommunikation im Rückstand bin. Gefühlte 24 Stunden am Tag, 7 Tage in der Woche bin ich online. Wieso schaffe ich es trotzdem nicht, dass ich meine digitale Kommunikation im Griff habe? Text Sven Ruoss

Manchmal frage ich mich, wie gesund mein Umgang mit Social Media ist. Man postet ein Bild auf Instagram und freut sich über die vielen Likes. Ist bei einem Bild die Anzahl der Likes mal deutlich weniger als üblich, bin ich enttäuscht. Mit der Zeit habe ich sogar gelernt, welche Art von Bildern besonders viele Likes ergeben. Bei Likes von gewissen Personen freue ich mich besonders. Das Schlimmste für mich ist, wenn ich keine Likes erhalte. Ist das noch normal? Noch schlimmer als keine Likes zu erhalten, ist für mich, wenn jemand aktiv unsere digitale Freundschaft auf einer SocialMedia-Plattform beendet. Dies habe ich bisher zwei Mal erlebt bzw. zwei Mal tatsächlich realisiert, dass dem so war. Die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich höher. Und jedes Mal hat mich dies zumindest kurzfristig sehr beschäftigt. Vor einigen Jahren hat eine gute Freundin von mir unsere Facebook-Freundschaft beendet. Sie wollte mir auf diesem Weg zeigen, dass mein damaliges Verhalten nicht tolerierbar war. Realisiert habe ich ihre Tat erst einen Monat später. Und das tat weh. Ein anderes Mal hat ein uralter Primarschulkollege unsere Facebook-Freundschaft beendet. Wir waren nie eng befreundet, sondern einfach Schulkameraden. Ich habe diesen Typen sicherlich 10 bis 15 Jahre nicht mehr gesehen. Er hat vermutlich entschieden, dass mein Leben für ihn zu wenig Relevanz hat. Rational auch für mich nachvollziehbar. Doch trotzdem hat mich sein aktives Unfriend-­ButtonKlicken emotional beschäftigt. Unabhängig, wie nah mir eine Person ist, eine digitale Be-

endigung der Freundschaft tut weh. Bin ich deswegen krank? Der tagtägliche digitale Dauerbeschuss nervt mich. Hier eine Message, dort ein Like. Da eine digitale Freundschaft, dort keine WhatsApp-Antwort. Das Tempo der Kommunikation steigt. Und manchmal treibt mich diese Beschleunigung in den Wahnsinn. Zum Glück kommt nun die Sommerpause. Mein Ziel für die Sommerferien: Digital Detox. Ich mache eine digitale Diät oder besser gesagt einen kalten Entzug. Zumindest ein paar Tage werde ich komplett offline sein: Ohne Internet, ohne Smartphone und ohne Social-Media-Plattformen. Machen auch Sie mit beim Digital Detox! Es wird uns allen gut tun.

Der Autor: Sven Ruoss … … ist Studienleiter CAS Social Media Mana­ gement an der HWZ Hochschule für Wirt­ schaft Zürich, Studiengangsleiter des CAS Social Media Management und Dozent am Center for Digital Business der HWZ Hoch­ schule für Wirtschaft Zürich. Mindestens ein­ mal pro Jahr macht er eine digitale Diät. Svenruoss.ch, Fh-hwz.ch/cassmm

Nachgefragt

Was ist eigentlich ... Fingerprinting im Online­marketing?

Foto: zVg

Im Onlinemarketing ist ein Fingerprint nicht das, was im Allgemeinen darunter verstanden wird. Es ist eben nicht ein biometrisches Merkmal – «Abdruck des menschlichen Fingers» –, wie er bei staatlichen Institutionen oder technischen Autorisierungs- und Authentifizierungssystemen verwendet wird. Es handelt sich vielmehr um den Abdruck einer technischen Hard- und

Der Autor: Christian Rakowski ... ... ist Senior Data Analyst bei Goldbach D ­ igital Services.

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Software-Umgebung und ihrer Konfiguration. Es wird hierbei versucht, für jedes Gerät einen eindeutigen Schlüssel zu generieren, der nicht auf dem Gerät selbst gespeichert werden muss und somit auf den ersten Blick die Restriktionen und Nachteile von Cookies eliminiert. Man unterscheidet zwei Arten von Fingerprinting: Browser- und Canvas-Fingerprinting. Erhoben werden: —— Browser und dessen Version —— Betriebssystem und dessen Version —— Landes- und Spracheinstellungen —— Zeitzone —— Auflösung des Bildschirms —— installierte Schriften —— installierte Browser-Plug-ins Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Merkmale, die für diesen Zweck genutzt werden können:

—— Log-in-Status für Facebook, Twitter, Amazon etc. —— Dauer für die Ausführung von JavaScript-Operationen —— Art und Weise, wie Texte pixel-genau auf dem Bildschirm dargestellt werden (Canvas-Fingerprinting). Der Nutzer des Geräts hat keine Möglichkeit, Browser-Konfigurationen und Sicherheitseinstellungen so zu konfigurieren, dass er nicht profiliert bzw. getrackt wird. Die Artikel-29-Datenschutzgruppe empfiehlt hierfür, ein explizites Opt-in vom zu profilierenden Internetnutzer einzuholen.

Hinweis: Alle Begriffe dieser Serie finden Sie hier zum Nachschlagen: Werbewoche.ch/ glossar


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