D A S W AT T E N M E E R I N D Ä N E M A R K U N D N O R D F R I E S L A N D
K U LT U R FÜHRER K U LT U R
GESCHICHTE
ERLEBNISSE
Foto Wasabi Film
Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres
Foto Wasabi Film
5 Dinge, die man erlebt haben muss
Foto Adam Mørk
Eiderstedt Südlich von Husum liegt die Halbinsel Eiderstedt mit einer Vielzahl von Sehenswürdigkeiten – vom Gutshaus bis zum Dorfladen und vom Eidersperrwerk bis zum Leuchtturm Westerhever. S. 60
Foto Wasabi Film
Mühle Hoyer Liegt am Rande der Marsch mit Blick auf das Wattenmeer und ist eines der Tore zum Nationalpark Wattenmeer. S. 29
Foto Wasabi Film
Wattenmeer-Zentrum Es sind nicht nur die Ausstellungen des Museums, die begeistern, sondern auch die Architektur des Museums. Mit seinem großen Reetdach passt es perfekt in die Landschaft. S. 21 Schloss Husum Das Schloss wurde in den Jahren 1577-1582 erbaut und auf der Schlossinsel befindet sich eine Garten- und Parkanlage, die für ihren Teppich aus violetten Krokussen im Frühjahr bekannt ist. S. 58
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Fanø Nur wenige Inseln haben so viel Charme wie Fanø. Früher war die Insel durch Schiffbau und Schifffahrt sehr wohlhabend. Heute genießen die Gäste die schönen alten Häuser. S. 14
S
E
Tryksag 5041 0004
INHALT
Blåvand
— 10
Seebüll
— 38
Esbjerg
— 12
Niebüll
— 40
Fanø
— 14
Sylt
— 42
Ribe
— 16
Föhr
— 46
Mandø
— 22
Fahretoft
— 48
Rømø
— 24
Ballum
— 50
— 26
Hallig Langeneß & Hooge
Højer
Hamburger Hallig
— 52
— 28
Tøndermarsken
Nordstrand
— 54
— 30
Møgeltønder
Husum
— 56
— 32
Tønder
Eiderstedt
— 60
— 34
Tönning
— 64
Dieser Kulturführer wird vom dänischen „Nationalpark Vadehavet“ herausgegeben. Der Kulturführer wurde im Rahmen des Interreg 5 A-Projekts NAKUWA erarbeitet. Dieses Projekt wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert.
Autorin: Anette Jorsal Redaktionsschluss: 1. Mai 2020 Vielen Dank an: Alle Mitwirkenden Übersetzung: Easy Translate, Kopenhagen Titelbild: Wasabi Film Grafikdesign: KIRK & HOLM, Esbjerg Druck: Rosendahls, Esbjerg ISBN: 978-87-93477-15-5 (EAN 9788793477155)
Nationalpark Vadehavet Havnebyvej 30 DK-6792 Rømø tlf. +45 72 54 36 34
www.nationalparkvadehavet.dk vadehavet@danmarksnationalparker.dk
Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres
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Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres
Ein Welterbe – zwei Nationalparks Blåvand Esbjerg Fanø Ribe Mandø
Rømø Ballum Højer Møgeltønder Tønder Tøndermarsken
Sylt
Seebüll Niebüll Fartoft
Föhr Hallig Langeness
Hamburger Hallig Hooge Nordstrand
Eiderstedt Tönning
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Husum
Bevor Sie in das Wattenmeergebiet fahren, sollten Sie sich über die Öffnungszeiten der Sehenswürdigkeiten und die Abfahrtszeiten der Fähren informieren und Ihre Reisen durch das Wattenmeergebiet planen, beispielsweise in Bezug auf die Gezeiten. Hier finden Sie einige praktische Informationen.
Nehmen Sie Rücksicht Das UNESCO-Weltnaturerbe umfasst die unersetzlichen Kulturund Naturwerte, die wir aus der Vergangenheit geerbt haben und mit denen wir heute leben und die wir an zukünftige Generationen weitergeben. Es ist das Kultur- und Naturerbe, das unser Leben inspiriert und bereichert. Das ist unser Bezugspunkt, der dazu beiträgt, unsere Identität zu schaffen. Nehmen Sie daher bei Reisen im Wattenmeer Rücksicht auf die Natur.
Passen Sie auf Das Wattenmeer kann das gan ze Jahr über besucht werden, egal ob die Sonne im Sommer scheint oder der Wind das Haar zerzaust und Tränen auf die Wangen treibt. ABER – es gibt eine Reihe von Dingen, die man das ganze Jahr über beachten sollte. Denn im Wattenmeer müssen auch die Gezeiten berücksichtigt werden. Daher wird empfohlen, das Watt nur mit einem Führer zu betreten und sich Wind und Wetter entsprechend anzuziehen.
Fähren zu den Inseln Es gibt Fähren zu vielen Wattenmeerinseln in Dänemark und Deutschland. Die Abfahrten der Fähren hängen von der Jahreszeit ab. In der Regel gibt es mehr Abfahrten in den Sommermonaten. Überprüfen Sie daher die Abfahrtszeiten auf den Websites der Fährgesellschaften:
Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres
Praktische Informationen
Die Öffnungszeiten können variieren Beachten Sie, dass die Sehenswürdigkeiten unterschiedliche Öffnungszeiten haben. Einige von ihnen haben z. B. während einiger Wintermonate oder den ganzen Winter über geschlossen. Die Öffnungszeiten finden Sie auf den Websites der einzelnen Sehenswürdigkeiten.
Von Esbjerg nach Fanø www.fanoelinjen.dk Von Havneby auf Rømø nach Sylt www.syltfaehre.de Von Dagebüll nach Föhr und Amrum www.faehre.de Von Schlüttsiel nach Hooge und Hallig Langeneß www.faehre.de
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Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres
Leben mit dem Wasser Sie haben nie die Oberhand über die Natur und ihre Kräfte gewonnen. Sie konnten nicht einfach ein Haus bauen, wo sie wollten, und sicher sein, dass es für immer Bestand hat. Sie konnten auch nicht einfach bis zur Küste hin Felder anlegen, mit dem Wissen, wie weit das Wasser kommen würde. Sie mussten sich immer den Gezeiten und ihrem Rhythmus anpassen, und nicht zuletzt ihrer Wildheit, wenn sie in Form von Sturmfluten und Überschwemmungen ihre Zähne zeigt. Alle Menschen, die am Wattenmeer wohnen, müssen mit dem Wasser leben. Sie müssen sich an den Gezeitenrhythmus anpassen, der hauptsächlich vom Mond bestimmt wird, und sich immer auf das Schlimmste vorbereiten, wenn sich eine Sturmflut ankündigte. Natürlich wurden im Laufe der Zeit Dämme, Deiche und Schleusen gebaut, die das Wat tenmeer zum Schutz der Bevöl kerung bis zu einem gewissen Grad neu gestaltet haben. Aber die hier lebenden Menschen haben immer noch eine innere Wachsamkeit in ihrer DNA, wenn der Wind auffrischt und
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Deiche und Schleusen in Ballum Foto: Wasabi Film
Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Menschen am Wattenmeer an Wind und Wetter angepasst – und nicht zuletzt an das Wasser. Schon seit alten Zeiten haben sie Warften (aus Erde aufgeschüttete Siedlungshügel) angelegt, auf denen sie ihre Höfe und Häuser vor Sturmfluten geschützt bauten. Sie haben ihre Siedlungen auch auf den natürlichen Höhen in der Landschaft, den eiszeitlichen Geesten, angelegt.
Welterbe Im Einklang mit der Natur und den Gezeiten haben die Menschen zu jeder Zeit mit Hilfe von Deichen und Dämmen eine einzigartige Kulturlandschaft mit Marschgebieten und Poldern geschaffen. So ist das Wattenmeer
heute eine der am besten erhaltenen Küstenlandschaften der Welt. Deshalb hat die UNESCO das Wattenmeer auf die Liste der Welterbestätten gesetzt. Hier gibt es viel zu sehen. Nicht nur die besondere Natur und das ungewöhnlich vielfältige Zugvogelvorkommen. Die Menschen im Wattenmeer haben seit der ersten Besiedlung dieser Gegend ein Alltagsleben und eine Lebensgrundlage entwickelt, die eng mit den Gegebenheiten der Region verbunden ist. Heute kann man daher eine Vielzahl kulturhistorischer Perlen besuchen, die vom Wattenmeer geprägt sind. In der Vergangenheit schufen die Bewohner des Wattenmeeres ihren eigenen Baustil: Den Westschleswiger Hof, der aus einem Langhaus besteht, in dessen Westseite die Scheune liegt und heftigen Wind und durchdringende Kälte abfangen kann, während sich der Wohn-
Knuttstrandläufer Foto: Lars Gejl
bereich im Osten befindet und somit durch Scheune und Stall geschützt ist. Andere ließen sich von den Friesen in den Niederlanden inspirieren und bauten riesige Dachkonstruktionen über einem Vierseitenhof, dem sogenannten Haubarg (siehe Seite 59), von denen es viele auf der deutschen Halbinsel Eiderstedt gibt.
Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres
der Wasserspiegel steigt. 1999 war man hier wirklich froh, dass der Hurrikan des Jahrhunderts bei Ebbe wütete. Die Schäden waren schlimm genug, aber hätte es eine Flut gegeben...
Im deutschen Teil entwickelte man auch eine eigene Sprache, Nordfriesisch, und auf beiden Seiten der Grenze grüßt man auch heute noch mit Moin.
Hallig mit auf einer Warft errichteten Häusern Eine typische Anpassung an die veränderliche Umgebung Foto: Carlos Arias Enciso
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Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres
Sturmflutsäule Im Hafen von Rømø Foto: Wasabi Film
Unabhängig von der Geographie haben die Menschen hier ihre eigenen Begriffe für die Natur, die vom Rhythmus des Wattenmeeres geschaffen wird: Priele, Lahnungen, Warften, Schlick, Statt Polder eher Köge usw. Sie haben ihre eigenen Traditionen wie z. B. das Biikebrennen/Pers Awten (siehe Seite 45), wo man die Ankunft des Frühlings feiert, und sie hatten ihre eigenen Trachten, was man u. a. heute noch an den schönen Fanø-Trachten sehen kann (siehe Seite 14).
Fruchtbares Land Man mag sich fragen, warum Menschen schon vor der Wikingerzeit beschlossen haben, sich im unsicheren Wattenmeergebiet niederzulassen. Aber dafür gab es viele gute Gründe. Es war ein fruchtbares Gebiet mit gutem
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Gras für Rinder und Schafe und fruchtbarem Boden für den Ackerbau. In der Nordsee gab es Zugang zu Fischen, Robben, Austern und anderen Leckereien. Von hier aus hatte man auch einen weiten Blick, was allmählich zu einem blühenden Handel mit anderen Gebieten im heutigen Deutschland, den Niederlanden und England führte. Der Handel, u. a. mit Rindern und Spitze, verhalf den Bewohnern zu beträchtlichem Wohlstand. Die Menschen am Wattenmeer wurden zu guten Seeleuten, und viele der Männer von den Inseln im dänischen und deutschen Teil des Wattenmeeres heuerten auf einem der vielen Seeschiffe an, die die Holländer in ihrem goldenen Zeitalter im 17. und 18. Jahrhundert in die
Welt hinaus schickten. Ihre Heuer gaben die Seeleute für Luxusgüter wie edle Möbel, Schmuck und holländische Fliesen aus, die viele der Kapitänshäuser schmücken, die heute in Form von kleinen Museen zugänglich sind (siehe z. B. Kommandergården Seite 25 und Königspesel Seite 51). Seit Jahrhunderten prägen Sturmfluten das Wattenmeer, nicht zuletzt die beiden großen Sturmfluten mit zahlreichen Toten von 1362 und 1634. Tausende ertranken und Tausende flüchteten weiter ins Landesinnere, und das Wasser veränderte während der Orkane das Erscheinungsbild des Wattenmeeres vollständig. Ganze Inseln wurden geteilt oder verschwanden, wie im Nordfriesland Museum Nissenhaus gezeigt wird (siehe Seite 57).
Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres (letzterer wird auch als Nordfriesland bezeichnet) bietet viele landschaftliche Erlebnisse vom Hinterland mit Marsch und Kögen bis zu den Wattenmeerinseln und den deutschen Halligen, kleinere, ungeschützte Inseln, auf denen die Bauernhöfe und Häuser auf Warften liegen. Das alles ist durch Dämme und Fähren verbunden.
AUSERDEM
UNESCO Welterbe Die UNESCO hat das Wattenmeer zum Welterbe erklärt, da es die größte Gezeitenzone der Welt ist, in der natürliche Prozesse ungestört an den Küsten Dänemarks, der Niederlande und Deutschlands ablaufen. Dies ist eine Anerkennung der einzigartigen globalen geologischen und ökologischen Werte dieses Gebiets. Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es eine so vielfältige und dynamische Landschaft mit zahlreichen Lebensräumen, die ständig vom Wind und den Gezeiten geprägt werden.
Die gemeinsamen Lebensbedingungen im Wattenmeergebiet haben seine Bewohner im Laufe der Zeit zusammengeschweißt. Ein altes friesisches Sprichwort lautet: „Wer nicht will deichen, der muss weichen“. Mit anderen Worten – man muss sich einig sein und jeder muss das Seine dazu beitragen, wenn ein Deich gebaut werden soll. Tatsächlich hatte man das Recht, einen Eigentümer von seinem Land zu werfen, wenn dieser nicht zur gemeinsamen Sicherheit beitrug.
Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres
Zusammenhalt
Dieser Zusammenhalt besteht noch heute in der Zusammenarbeit zwischen den drei Wattenmeerländern beim Erhalt und dem Schutz der Natur und der Tierwelt des Wattenmeeres und beim Finden gemeinsamer Lösungen, um dieses einzigartige Küstengebiet vor dem Klimawandel zu schützen. Die in diesem Kulturführer aufgeführten Sehenswürdigkeiten haben alle einen Bezug zum Wattenmeer. Einige wichtige kulturelle Attraktionen, die keinen direkten Bezug zum Wattenmeer haben, werden in jedem Kapitel unter Sonstiges behandelt.
Wo Himmel und Erde sich die Bühne teilen Foto: Colin Seymour
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Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres
Blåvand Blåvand ist eine der größten Ferienhaussiedlungen Dänemarks. 2017 wurden die Türen zu einer besonderen Sehenswürdigkeit geöffnet: Tirpitz. Das Gebiet südlich von Blåvand ist nicht durch Deiche geschützt und hat eine unverwechselbare Natur. Tirpitz Das Museum und Erlebniszentrum Tirpitz wurde bei seiner Einweihung im Sommer 2017 begeistert aufgenommen. Im ersten Jahr besuchten 300.000 Gäste aus dem In- und Ausland Tirpitz, denn die Nachricht von seiner ungewöhnlichen Architektur, die von Bjarke Ingels, einem der berühmtesten Architekten Dänemarks, stammt, verbreitete sich schnell. Aber auch die Ausstellungen selbst sind voller interessanter Geschichten über das Leben an der Nordsee.
Tirpitz Museum Foto: R. Hjortshøj
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Tirpitz liegt in den Dünen bei Blåvands Huk, wo das Wattenmeer beginnt – oder endet. Das Welterbe Wattenmeer erstreckt sich von Blåvands Huk bis hinunter nach Den Helder, der nordwestlichsten Gemeinde Hollands. Das Museum selbst befindet sich in den Dünen und bietet wechselnde und permanente Ausstellungen, u. a. eine Ausstellung über das Leben der Menschen mit dem Meer durch die Jahrhunderte. Ein unterirdischer Tunnel führt zum alten Bunker, wo die als Teil von Hitlers Verteidigungs-
Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres Blåvand Dänemark
Sturmflutsäule bei Janderup Ladeplads Foto: Wasabi Film
linie, Atlantikwall, geplanten riesigen Kanonen nie aufgestellt wurden. Tirpitzvej 1, Blaavand vardemuseerne.dk/museum/ tirpitz/
Sturmflutsäule in Janderup Während im größten Teil des Wattenmeeres Deiche zum Schutz von Marsch und Menschen gebaut wurden, gibt es an der Mündung des Varde Å keine Deiche zum Schutz des Marschlandes. Daher kann Jan-
derup Enge im Landesinneren überschwemmt werden, wenn das Wattenmeer bei Sturmflut hineindrängt, während das Wasser des Varde Å von der anderen Seite dagegen drückt. Das Wasser kann sogar den Friedhof an der Kirche von Janderup überschwemmen. Am alten Ladeplatz neben der Kirche steht eine Sturmflutsäule aus dem Jahr 2000, die die alte Säule ersetzt hat. 1634 wurde das Gebiet von einer Sturmflut heimgesucht,
die so gewaltig war, dass sie den Namen „Das 2. „Grote Mandränke“ (großes Ertrinken) erhielt. Sie brach mit so großer Gewalt herein, dass sie Sønderside auslöschte, ein großes Fischerdorf aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Sønderside lag zwischen Ho Klitplantage und Skallingen, und es wurde versucht, den Hafen wieder aufzubauen, aber die Sturmfluten hatten die Strömungsverhältnisse so stark verändert, dass dies fehlschlug. Præstegårdvej 29, Janderup
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Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres
Esbjerg Esbjerg ist historisch gesehen eine junge Stadt. Hier blicken vier große Männer aus weißem Stein auf das Meer hinaus, und ein Museum erzählt viele Geschichten von den Tieren in der Nordsee und im Wattenmeer. Im Jahr 1860 war Esbjerg nicht viel mehr als ein paar Bauernhöfe und einige Häuser mit insgesamt etwa 30 Einwohnern. Vier Jahre später verlor Dänemark den Krieg gegen Preußen und musste den nördlichen Teil von Schleswig, von den Dänen als Sønderjylland bezeichnet, abgeben. Während des Krieges ging der wichtige Hafen von Altona bei Hamburg verloren und es wurde beschlossen, einen neuen Hafen in Esbjerg nördlich der neuen Grenze zu errichten. Handwerker und Unternehmen ließen sich hier nieder, und bald nahm der Ort eine rasante Entwicklung, und Esbjerg wurde nicht nur zu einem großen, wichtigen Hafen für den Warenversand, nicht zuletzt nach England, sondern auch zu einem großen Fischereihafen. Heute ist Esbjerg eine der größten Städte Dänemarks. Es gibt nur noch wenige Fischerboote, stattdessen prägt die Offshore-Industrie den Hafen seit vielen Jahren u. a. als großer Verschiffungshafen für Windkraftanlagen.
Fischerei- und Seefahrtsmuseum Der Mensch am Meer
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Unter dem Dach hängt ein riesiges Skelett eines Zwergwals und be-
AUSERDEM
Esbjerg Museum Zwei Ausstellungen im Esbjerg Museum befassen sich mit der Zeit der deutschen Besetzung Dänemarks 1940-1945, zum einen mit dem Alltag der Familie Hansen 1943 und zum anderen mit dem Widerstandskampf in Esbjerg, Ribe und Bramming. Darüber hinaus gibt es eine Ausstellung mit der rekonstruierten städtischen Umgebung von Esbjerg in den Jahren 1900-1950. Torvegade 45 esbjergmuseum.dk
Esbjerg Kunstmuseum
Esbjerg Dänemark
Neben jährlich fünf bis sieben wechselnden Ausstellungen bietet das Kunstmuseum auch eine schöne Sammlung moderner dänischer Kunst aus dem 20. Jahrhundert, u.a. von Vilhelm Lundstrøm, den Cobra-Malern, Christian Lemmerz, Michael Kvium, Kirstine Roepstorff. Darüber hinaus gibt es eine Sammlung internationaler Grafiken, u. a. von Miro, Dewasne und Corneille. Havnegade 20 eskum.dk
Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres
grüßt die Gäste, wenn sie das Fischerei- und Seefahrtsmuseum betreten und entweder zum Aquarium oder zur Ausstellung über die Geschichte des Fischfangs oder des Offshore-Lebens auf den Plattformen in der Nordsee gehen. Draußen kann man vier gut genährte Robben unter Wasser verfolgen, die wo sie spielerisch herumgleiten und ihre Köpfe über die Wasseroberfläche strecken und die Gäste begrüßen. Neben dem Robbarium befindet sich eine Ausstellung, die übersichtliche Informationen zum Wattenmeer und dem Leben in diesem anbietet. Es besteht zu dem die Möglichkeit, eigenes Wissen über ausgewählte Tiere im Wattenmeer in einem Quiz unter Beweis zu stellen. Tarphagevej 2 fimus.dk
Der Mensch am Meer Da sitzen vier Männer in Sædding am Strand und starren über die Einfahrt zum Hafen und nach Skallingen, einer Landenge in der nördlichsten Ecke des Wattenmeeres. Hier sitzen sie schon lange auf ihren Steinblöcken wie vier Menschen, die die großartige Natur betrachten. Die Skulptur heißt „Der Mensch am Meer“, wird aber im Volksmund „Die vier weißen Männer“ genannt. Sie sind 9 m hoch und aus weißem Beton gefertigt. Ihr Schöpfer ist der bekannte dänische Künstler Svend Wiig Hansen. „Der Mensch am Meer“ wurde 1995 enthüllt. Anlass war das 100-jährige Bestehen Esbjergs als unabhängige Gemeinde, das 1994 gefeiert wurde. Die Skulptur hat seit ihrer Enthüllung viel Aufmerksamkeit erregt, und heute sind die vier Männer das unangefochtene Wahrzeichen von Esbjerg.
Fischerei- und Seefahrtsmuseum
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Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres
Fanø Nur wenige Inseln haben so viel Charme wie Fanø. Früher war die Insel durch Schiffbau und Schifffahrt sehr wohlhabend. Heute verdient die Insel ihr Geld mit dem Tourismus, wo die vielen Gäste sich an den schönen alten Häusern erfreuen. Viele Jahre lang hatten die Menschen auf Fanø den großen Traum, die Insel vom König zu kaufen. 1719 ergab sich dann endlich die Gelegenheit, als der König Fanø, Mandø und Güter bei Ribe versteigern ließ, aber die Leute auf Fanø hatten nicht genug Geld. Das löste eine große Sparbewegung auf der Insel aus, damit man finanziell gerüstet wäre, wenn sich die Chance erneut bieten sollte. 1741 brauchte der dänische König Christian VI. Geld und Fanø wurde wieder zum Verkauf angeboten. Diesmal gelang es den Bewohnern von Fanø, ihre eigene Insel für 6.000 Reichstaler zu kaufen.
Frauen aus Fanø in Tracht halten Ausschau nach Seeleuten Foto: Wasabi Film
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Es war der Beginn einer Blütezeit auf Fanø. Der Schiffbau begann und es wurden alte Schiffe in den Niederlanden aufgekauft. Bald waren die Fanøer in ihren eigenen Booten unterwegs und wurden zu Konkurrenten der Ribe-Händler, die nicht gerade begeistert waren. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde Sønderho, das zu dieser Zeit einen eigenen Hafen hatte, zu einer bedeutenden Seestadt, deren Stellung Ende des 19. Jahrhunderts dann von Nordby übernommen wurde. Die boomende Seeschifffahrt bedeutete Wohlstand auf der Insel, wobei Fanø zu diesem
Zwei Sturmflutsäulen Die beiden alten Seemannsdörfer auf Fanø, Nordby und Sønderho, haben jeweils eine Sturmflutsäule. Sie wurden beide in jüngerer Zeit errichtet und sind mit Hinweisen darauf versehen, wie hoch das Wasser bei verschiedenen Sturmfluten stand. In Sønderho, wo die Säule 1998 in dem kleinen Hafen errichtet wurde, kann man sehen, dass die schlimmsten Sturmfluten 1835 und 1839 waren, als das Wasser 5,33 m über dem normalen Wasserstand erreichte. In Nordby wurde die Sturmflutsäule 1969 an der Ecke Havnevej und Langelinie errichtet.
Fanø Museum Beim Betreten der Wohnräume von Ane und H. P. Thomsen und ihren vier Kindern kann man sehen, dass es der Seemannsfamilie, die von 1880–1914 in dem Haus lebte, gut ging. Schöne Möbel, hübsche Fliesen, Gemälde an den Wänden und zartes Porzellan. Das Haus, das 1699 errichtet wurde und in dem bis 1939 dieselbe Familie lebte, ist ein gutes Beispiel
Im ehemaligen Stall wird von den Lebensbedingungen in den Seemannsdörfern auf Fanø berichtet, und im Garten kann man sehen, welche Sorten in den damaligen Gemüsegärten angebaut wurden. Skolevej 2, Nordby fanomuseum.dk
Hannes Hus Eines Tages fuhr der Seemann Poul Thomsen Sørensen mit seinem Schiff von Sønderho nach Island, aber er erreichte nie sein Ziel, weil sein Schiff unterging. Zu Hause saß seine 34-jährige Frau Hanne mit den drei Kindern Hans, Karen und Maren und musste von nun an allein klarkommen. Hier können wir viele Jahre später sehen, wie die Familie lebte, denn Tochter Karen blieb im Haus wohnen, bis sie 1965 im Alter von 84 Jahren ausziehen musste.
gen teilzunehmen. Der Erlös aus dieser jährlichen Veranstaltung geht an das Fanø Schifffahrtsund Trachtenmuseum. In diesem Museum kann man verschiedene Beispiele für Fanø-Trachten sehen und in der Schifffahrtsausstellung etwas über die Blütezeit der kleinen Wattenmeerinsel im Bereich der Seefahrt erfahren. Eine Zeit, die der Insel Wohlstand brachte, was u. a. in der für die Fanø-Trachten verwendeten Seide und Silber zum Ausdruck kam. Hovedgaden 28, Nordby fanoskibs-dragt.dk
Vogelkojen auf Fanø Ende des 19. Jahrhunderts wurden an der Ostküste von Fanø vier Vogelkojen gebaut, in denen Enten gefangen wurden, ohne einen einzigen Schuss abzugeben. Diese Art des Vogelfangs wurde bereits 1931 verboten, und heute sind nur noch zwei der Vogelkojen erhalten geblieben. Das ist die Sønderho Gamle Fuglekøje, Landevejen 105, und die Albue Fuglekøje, auch bekannt als Nordby Fuglekøje. An beiden Orten kann man heute die reiche Vogelwelt der Insel beobachten.
Fanø Dänemark
Ende des 19. Jahrhunderts endete dann die Erfolgsgeschichte von Fanø. Der Hafen von Sønderho versandete, und Nordby verlor seine Bedeutung, als nach der Niederlage gegen Preußen im Jahr 1864 beschlossen wurde, einen Hafen in Esbjerg zu bauen. Bereits zu dieser Zeit war Fanø mit seinen Kurbädern ein beliebtes Touristenziel, allerdings vor allem für wohlhabende Bürger. Noch heute strömen Touristen auf die Insel – nicht zuletzt, um die vielen alten, schönen Häuser aus der Zeit zu bewundern, in der Sønderho und Nordby wohlhabende Seemannsdörfer waren.
für den typischen Baustil auf Fanø, mit den Wohnräumen am östlichen und Stall und Scheune am westlichen Ende des Gebäudes. Auf diese Weise konnten der Stall und die Scheune den stärksten Wind und die schlimmste Kälte aus dem Westen abfangen.
Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres
Zeitpunkt eine der größten Handelsflotten Dänemarks besaß.
Vorbeiziehende Wildentenschwärme wurden in einen künstlich angelegten Teich gelockt, wo sie in überdachten Kanälen gefangen werden konnten (siehe Seite 55). 1887 war das beste Jahr für den Entenfang, als man ca. 9.000 Wildenten fing, während es in anderen Jahren etwa 2.000-3.000 Enten waren. Die meisten Enten wurden über einen Kaufmann in Nordby an Fanø Schifffahrtsund Trachtenmuseum Wildhändler, an Hotels oder Jedes Jahr im Juli holen viele Frau- nach Kopenhagen geliefert. Eine en auf der Insel ihre hübsche Fanø- Ente konnte damals 35-70 Öre einbringen, wobei ein Brot 5-6 Tracht aus dem Kleiderschrank, Öre kostete. Der Entenfang war um an drei Tagen Mitte Juli mit Liedern, Tänzen, Geschichten und jedoch hauptsächlich ein Nebenerwerb für die Landwirte. Erzählungen an den FannikerdaUnter den Gästen von Hanne waren zahlreiche Künstler. So holte sich Julius Exner in den 1870er Jahren Motive von Hannes Haus und der Umgebung für eine Vielzahl seiner Gemälde. Auch der Maler Heinrich Dohm war hier zu Gast. Sein schönes Porträt von Hanne hängt heute im Haus. Øster Land 7, Sønderho
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Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres
Ribe Dänemarks älteste Stadt und einst eine wichtige Hafenstadt. Die alten Häuser von Ribe sind sehr gut erhalten. Mitten in der Stadt liegt der Dom und die Spuren der Wikingerzeit finden sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der Stadt. Während die Wikinger die schwierigen Bedingungen in dem Gebiet fürchteten, wo die Nordsee nördlich von Blåvand auf die Westküste trifft, waren die Gewässer im Windschatten der Wattenmeerinseln viel friedlicher und für die Wikinger bei ihrem Landgang zugänglicher. Sie wählten daher eine Furt am Fluss Ribe Å, die etwas über dem flachen Land lag, und erbauten hier Anfang des 8. Jahrhunderts einen Handelsposten, der schließlich zur Stadt Ribe, der ältesten Stadt Dänemarks, wurde.
Ribes schöne Straßen Foto: Wasabi Film
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Der Handelsposten hatte eine günstige geografische Lage im Verhältnis zu anderen wichtigen Märkten in England und im fränkischen Reich im Westen Europas, sodass Ribe allmählich zum Tor Skandinaviens in den Westen wurde. Hier herrschte ein reger Handel mit den verschiedensten Gütern, von Kämmen aus Knochen und Schmuck mit Glasperlen bis hin zu Krügen, Werkzeugen, Schuhen und nicht zuletzt Rindern, die vom saftigen Gras der Salzwiesen profitierten, bevor sie für den Export verschifft wurden.
Sturmflutsäule Mit ihrer vergoldeten „Kappe“ ähnelt die Sturmflutsäule in Ribe den Anlegepfählen für die Gondeln in Venedig, und das ist auch gar nicht so weit hergeholt, denn die Säule in Ribe wurde wahrscheinlich von diesen Pfählen inspiriert, während das Vorbild für die Dekoration die Säulen in einer Schatzkam-
Maritime Tage in Ribe im Juli Foto: Wasabi Film
mer in Mykene in Griechenland ca. 1300 v. Chr. waren. Kupferringe um die Säule zeigen, wie hoch das Wasser während der schwersten Sturmfluten aller Zeiten gestanden hat. Am Schlimmsten war es 1634, als das Wasser bei einem plötzlich einsetzenden Orkan auf 6,01 m über den normalen Wasserstand stieg. Die ganze Stadt war überschwemmt, und im Dom kann man an der Säule, die die Kanzel trägt sehen, wie hoch das Wasser im Dom stand, nämlich 1,70 m über dem Boden. Die Sturmflutsäule steht am Hafen auf der Skibbroen.
Skibbroen An der Skibbroen stehen Seite an Seite kleine Häuser mit Blick zum Ribe Å, wo die Wikinger im 8. Jahrhundert einen Handelsposten errichteten. Ihre großen Schiffe konnten nicht durch den inneren Teil des Wattenmeeres bis ganz nach Ribe fahren, sodass sie ihre Waren das letzte Stück auf Lastkähnen mit flachem Boden zum Kai transportierten.
Ribe Domkirke Sturmflutsäule in Ribe Foto: Wasabi Film
Die Türme des Doms von Ribe erheben sich als Wahrzeichen der alten Domstadt. Sie sind schon von weitem zu sehen, und wenn
Sie Städte wie Brügge und Gent in Belgien oder andere Städte in den Niederlanden besucht haben, erkenne Sie eine gewisse Ähnlichkeit mit den Türmen in diesen Städten. Dies ist kein Zufall, denn die Händler aus Ribe kamen viel herum – sowohl in den Wattenmeerländern als auch weiter im Hinterland im fränkischen Reich.
Ribe Dänemark
Während des gesamten Mittelalters war Ribe eine wichtige Handelsstadt. Nach dem Verlust von Sønderjylland (Nordschleswig) an Deutschland im Jahr 1864, war Ribe isoliert und die Entwicklung stand still, während die neu errichtete Hafenstadt Esbjerg im Norden immer weiter wuchs. Allerdings konnte Ribe dadurch seine Altstadt bewahren. Die mittelalterlichen Straßenzüge sind fast intakt geblieben und ziehen heute Tausende von Gästen aus dem In- und Ausland an.
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Ribe erhielt auch eine zentrale Bedeutung bei der Verbreitung des Christentums in Dänemark, als der Missionar Ansgar, der aus Frankreich stammte und Bischof in Hamburg gewesen war, Mitte des 9. Jahrhunderts die Erlaubnis erhielt, eine Kirche in Ribe zu bauen. 300 Jahre später, etwa im Jahre 1150, begann der Bau des Doms, der heute in Ribe steht.
Etwa 1150 wurde mit dem Bau einer Kirche aus vulkanischem Tuffgestein begonnen, das wahrscheinlich aus einem Steinbruch am Rhein südlich von Köln stammt. Es geschah zu einer Zeit, als der erste Bischof dieser Kirche, Elias, aus Flandern, dem heutigen Belgien, kam. Es gab also jede Menge Einflüsse von außen, als man mit dem Dombau begann, der 100 Jahre dauern sollte. 1283 begann der Bau des quadratischen Turms, des sogenannten Bürgerturms, der einen noch höheren Turm ersetzte, der am Weihnachtstag 1283 abgestürzt war und mehrere Bürger der Stadt unter sich begraben hatte. Nach 50 Jahren Bauzeit war der Bürgerturm fertig. Die Kirche teilte sich den Turm mit den Bürgern, die dort die großen Strurmglocken der Stadt anbrachten, mit denen die Einwohner vor einer herannahenden Sturmflut gewarnt wurden.
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Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres Ribe Dänemark
Blick auf Ribe. Dom mit Skibbroen im Vordergrund
Die Kanzel stammt aus dem Jahr 1597, der Prospekt der großen Orgel aus der Mitte des 17. Jahrhunderts und es sind etwa 100 Grabplatten erhalten, die entweder an den Wänden der Seitenschiffe stehen oder noch in den Boden eingelassen sind. In den Jahren 1882-1904 wurde der fast verfallene Dom bis auf den Chor umfassend restauriert. Die Ausgestaltung des Chors wurde mehrmals begonnen und wieder aufgegeben, bis der Künstler Carl-Henning Pedersen 1982 damit beauftragt wurde. Das Ergebnis löste eine hitzige Debatte im ganzen Land aus, zog aber später viele Gäste an, die es mit eigenen Augen sehen wollten. An der Südseite des Doms stehen drei Statuen von Männern, die für Ribe, aber auch für die dänische Geschichte von entscheidender Bedeutung waren: Ansgar, der ca. 860 die erste Kirche in Ribe und damit in Dänemark errichten ließ, Hans Tavsen, ein Schüler Luthers, der Bischof von Ribe und Refor-
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Offene Schleusentore an der Kammerslusen Foto: John Frikke
Kannikegården
Museum Ribes Wikinger Früher versorgte das vieleckige Gebäude Ribe und die Umgebung mit Strom, heute erzählt das Haus von der Zeit, in der die Wikinger einen großen und bedeutenden Handelsposten an einer Furt am Fluss Ribe Å errichteten und damit den Grundstein für Dänemarks erste Stadt, Ribe, legten. Die obersten Bodenschichten in Ribe waren eine Fundgrube für Archäologen, die dort zahlreiche Funde, nicht zuletzt aus der Wikingerzeit, gemacht haben und immer noch machen. Das Museum bildet den Rahmen für eine beeindruckende Sammlung, die über das Leben und
Jacob A. Riis Museum Viele der von Jacob A. Riis angefertigten dokumentarischen Fotos der New Yorker Slums lagen viele Jahre lang versteckt in seinen beiden Häusern in den USA. Glücklicherweise fand sein Sohn sie Mitte der 1940er Jahre, und heute bilden einige von ihnen den Grundstock des Jacob A. Riis-Museums, das 2019 in seinem Geburtsort Ribe eingeweiht wurde. Jacob A. Riis hat um das Jahr 1900 herum Dinge in der amerikanischen Gesellschaft verändert. Er war 1870 in die USA ausgewandert und lebte dort die ersten drei Jahre im Slum von Manhattan, die meiste Zeit hungrig und arbeitslos. Zufällig landete er bei einer Presseagentur, wo er Artikel schreiben sollte, was er sehr gut konnte. Er stieg auf und wurde berühmt für seine vielen Artikel über die Slums der Stadt und seine späteren epochalen Fotos. Er wurde ein Freund des späteren Präsidenten Theodore Roosevelt, der Jacob A. Riis „den idealen Amerikaner“ nannte.
Ribe Dänemark
2012 wurden bei Ausgrabungen Überreste des alten Kanonikerklosters gefunden, das sich neben dem Dom befand und Ende des 12. Jahrhunderts abbrannte. Die Ruinen, die wahrscheinlich vom Speisesaal des Klosters stammen, befanden sich genau dort, wo der Bau eines neuen Gemeindehauses für die Domgemeinde geplant war. Daher wurden die Architekten von Lundgaard & Tranberg beauftragt, die Ruinen so zu erhalten, dass sie in dem neuen Gebäude sichtbar sind. Seit der Einweihung 2016 kann man also die Überreste des alten Klosters und damit eines der ältesten Backsteingebäude Dänemarks in einem Teil des Neubaus besichtigen, der Neues und Altes vereint. Torvet, over for Domkirken
AUSERDEM
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mator in Dänemark wurde, und schließlich Bischof Hans A. Brorson, einer der größten dänischen Psalmendichter.
Das Museum befindet sich im Geburtshaus von Jacob A. Riis im Zentrum von Ribe. Hier werden seine Fotos gezeigt und seine Geschichte erzählt, u. a. in einem kleinen, sehr emotionalen Film. Sortebrødegade 1 jacobariismuseum.dk
HEX! – ein Hexenmuseum Im Sommer 2020 wird ein weiteres Museum im schönen alten Quedens Gaard eröffnet, in dem sich das Jacob A. Riis Museum befindet. Es ist das Museum HEX!, in dem es um Hexen geht. Dänemarks wahrscheinlich berühmteste Hexe Maren Spliid wurde 1641 in Ribe verbrannt, und das Museum erzählt ihre Geschichte, aber auch die anderer Hexenprozesse und informiert über die Hexenverfolgung im 16. und 17. Jahrhundert.
Ribe Kunstmuseum Im 19. Jahrhundert entstanden auf private Initiative mehrere Kunstmuseen, denn nun sollten die Bürger des Landes durch die bildende Kunst aufgeklärt werden. Die Familie Giuertz war sehr wohlhabend. Sie besaß eine Baumwollfabrik und eine Dampfweberei und baute mitten in der Stadt eine große Villa. Als die Familie Ribe verließ, wurde in der schönen Villa ein Kunstmuseum eingerichtet, das bis weit ins 20. Jahrhundert hinein von ehrenamtlichen Kräften betrieben wurde. Die ständige Sammlung umfasst Kunst von 1750 bis 1950. Darüber hinaus gibt es jedes Jahr Sonderausstellungen. Sct. Nicolaj Gade 10 ribekunstmuseum.dk
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die vielen Waren erzählt, die durch Ribe gegangen sind. Dazu gehören u. a. Gefäße und Utensilien, Silberwaren sowie 839 Glasperlen, die in der Abfallschicht des Marktes gefunden und als Schmuck auf Schnüre gezogen wurden. Odins Plads 1 ribesvikinger.dk
Ribe VikingeCenter Hühner laufen umher, Kühe kauen wider, während der Falke auf dem Arm des Falkners sitzt. Handwerker und Händler sind auf dem Markt beschäftigt, und die Gäste des Ribe VikingeCenters genießen die vielen Eindrücke, denn hier können sie sehen, wie Schmiede, Holzschnitzer, Münzer und viele andere zu der Zeit arbeiteten, als Ribe um 710 noch in den Kinderschuhen steckte. Etwas südlich von Ribe liegt das Ribe VikingeCenter, das auf der Grundlage der zahlreichen Ausgrabungen und archäologischen Funde in Ribe die Geschichte der Wikinger und der Entwicklung der Stadt erzählt, vom frühen Handelszentrum über Rekonstruktionen von Wikingerhäusern von 825 bis hin zu einer Reproduktion der Ansgar-Kirche, wie sie wahrscheinlich 860 ausgesehen hat. Lustrupvej 4 ribevikingecenter.dk
Auf der Skibbroen in Ribe kann man jedes Jahr u. a. eine Wikingerwerkstatt erleben Fotos: Wasabi Film
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Das Design der Architektin Dorte Mandrup spiegelt die umliegende Landschaft wider und stellt eine Verbindung zur Architekturgeschichte der Wattenmeerkultur her. Foto: Adam Mørk
RUNDT UM RIBE
Kammerslusen 1911 begann der Bau des Großprojekts, bei dem zum einen zwischen Vester Vedsted und Darum, südlich von Esbjerg, ein 15 km langer und 4 m hoher Deich errichtet und zum anderen an der Mündung des Ribe Å ins Wattenmeer eine Schleuse mit zwei Kammern erbaut werden sollte. Bagger konnten zwar helfen, aber es musste noch viel von Hand getan werden, was starke Männer erforderte, wie ein Journalist in der Zeitung Ribe Stiftstidende feststellte, wo er über die dänischen und polnischen Arbeiter schrieb: „Die Arbeiter, lauter zähe, sehnige Kerle – weniger starke Leute würden das hier überhaupt nicht schaffen – arbeiten in dem zähen Matsch, dass die Werkzeuge krachen.“ Im November 1911 wurden die Bauarbeiten kurz unterbrochen,
als eine Sturmflut den Deich an mehreren Stellen durchbrach und Ausrüstung und Wohnunterkünfte der Arbeiter weit ins Hinterland gespült wurden. Aber 1912 war die Schleuse dann fertig und wurde zu einer wichtigen Touristenattraktion. Um 1930 wurden einige kleine Ferienhäuser am Ufer des Flusses gebaut, und es entstand eine bunte Ferienhauskolonie, von der aus man segeln, fischen und jagen konnte.
WattenmeerZentrum Ein größerer Vogelschwarm steht auf Pfählen im Wattenmeer-Zentrum. Diese sind aus Holz. Erst wenn man durch eines der Ferngläser schaut, bekommt jeder einzelne Vogel sein eigenes Leben im Wattenmeer. Das Erleben der Zugvögel ist nur eines der Erlebnisse im Wattenmeer-Zentrum, das voller Geschichten über das Leben
draußen im Wattenmeer ist. Über den Zug der Vögel von Nord nach Süd und umgekehrt, über die kleinsten Tiere, die den Vögeln besonders schmecken, und über das größte Raubtier des Wattenmeeres, das sonst so niedlich aussieht: die Robbe. Auf dem Hof des Museums wurde ein Tundra-Garten angelegt. Es sind nicht nur die Ausstellungen des Museums, die begeistern, sondern auch die Architektur des Museums. Mit seinem Reetdach und den großen und leicht schrägen Linien passt es perfekt zur Natur und zu seinem Inhalt. Deshalb wurde das von der Architektin Dorte Mandrup entworfene Museum, das 2017 eingeweiht wurde, für den European Museum Award 2020 als europäisches Museum des Jahres nominiert. Okholmvej 5, Vester Vedsted vadehavscentret.dk
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Mandø Eine kleine Insel mit großartigen Erlebnissen, unter anderem dank der Verbindungsstraße zum Festland, die nur bei Ebbe befahrbar ist.
Das Wattenmeer bestimmt, wann man nach Mandø fahren kann, denn bei Flut befindet sich die Schotterstraße zur Insel unter Wasser. Bei Ebbe kann man jedoch für eine bestimmte Zeit hinüberfahren. Es wird empfohlen, mit dem Traktorbus nach Mandø zu fahren, man kann aber auch das eigene Auto oder das Fahrrad nehmen. Die Einwohner von Mandø lebten viele Jahre von der Fischerei, danach von der Schifffahrt und anschließend von der Landwirtschaft. Mandø wurde auf die gleiche Weise „unabhängig“ wie Fanø. Die Einwohner ersteigerten Mandø 1741 bei einer Auktion vom dänischen König.
Die Sturmflutsäule von Mandø Foto: Wasabi Film
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2019 hatte die Insel 34 Einwohner, die auf einem kleinen Hügel im westlichen Teil der Insel leben. Einige von ihnen leben von den Touristen, die wegen der Natur und der Ruhe auf die Insel kommen. In den letzten Jahren sind immer mehr Menschen auf eine ganz besondere Attraktion auf der Insel aufmerksam geworden: Dark Sky. Mandø ist einer der Orte in der Welt, an denen man
Die Sturmflutsäule auf Mandø Am westlichsten Punkt von Mandø steht eine Sturmflutsäule, an der die höchsten erreichten Wasserstände bei Sturmfluten markiert sind. Die Säule wurde 1959 von einem Hofeigentümer aufgestellt und hat oben einen Kranz, auf dem die Himmelsrichtungen angegeben sind.
Mandø Museum
An einem Ende des Hauses werden im ehemaligen Stall separate Ausstellungen u. a. mit Schiffsmodellen gezeigt. Eine Ausstellung erzählt die Geschichte der Rettungsstation und von den dramatischen Geschehnissen 1940-45, als mehrere alliierte Flugzeuge auf der Insel abstürzten. Mandø Byvej 5 mandoehuset.dk
In der Hochsaison ist die Mühle jeden Tag einige Stunden geöffnet. Die Öffnungszeiten sind am Brugsen-Geschäft angeschlagen. mandoemoelle.dk
Die Kirche von Mandø Im Laufe der Zeit hat Mandø zwei Kirchen durch heftige Stürme verloren. Das erste Mal zerstörte ein heftiger Sturm die Kirche 1558 vollständig. Die kleine, weiße Kirche, die heute auf Mandø steht, stammt aus dem Jahr 1639. Sie steht in einer der kleinsten Gemeinen
Die Mühle ist der höchste Punkt von Mandø Foto: Melanie Christensen
Dänemarks, wird aber immer noch genutzt und mit Pfarrern vom Festland besetzt. In der Kirche kann man sich unter anderem vier Schiffsmodelle anschauen, die von Mandøern geschaffen wurden, die eine Verbindung zu dem jeweiligen Schiff hatten. Ursprünglich hing hier auch ein Gemälde von Joakim Skovsgaard „Christus führt den Räuber ins Paradies“. Heute ist hier allerdings nur eine Kopie des Gemäldes zu sehen. Wegen Feuchtigkeit wurde das Original in die Sammlung Hirschsprung nach Kopenhagen gebracht.
Mandø Dänemark
In einem langen weißen Haus kann man erfahren, wie die Seemannsfamilien auf Mandø wohnten. Mit holländischen Kacheln an den Wänden, einer feinen Spitzentischdecke auf dem Esstisch, gusseisernem Ofen, Kommode, Strohschuhen, Sextant und vielem mehr ist das ehemaligen Kapitänshaus so gut wie unberührt.
Die Mühle wurde 1820 erbaut. Bis dahin wurde das Getreide der Bauern auf dem Festland zu Mehl verarbeitet, was jedoch sehr beschwerlich war. Deshalb wollte man eine eigene Mühle auf der Insel haben. Die bekam man, und die Mühle wurde bis zum 2. Weltkrieg genutzt. Der Heimatverein von Mandø übernahm die Mühle mit dem Versprechen, dass sie als Wahrzeichen der Insel erhalten bleiben würde.
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ohne „Lichtverschmutzung“ einen vollkommen sternenklaren Himmel sehen kann.
Die Mühle von Mandø Die Mühle ist der höchste Punkt auf Mandø und aus weiter Entfernung sichtbar. Um die Jahrtausendwende war sie in einem so schlechten Zustand, dass sie gründlich renoviert werden musste. Nach vier Jahren Arbeit hatte Mandø wieder eine funkelnagelneue Mühle.
Mandø Kirche Foto: Henrik Olsen
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Rømø Rømø ist bekannt für seinen breiten Strand, der viele Touristen anzieht. Im Laufe der Geschichte erlebte Rømø eine Blütezeit, als viele Menschen gutes Geld mit dem Walfang verdienten.
Beim Betreten der relativ großen Kirche von Rømø, Sankt Clemens, kann man die Geschichte der Insel auf verschiedene Arten ablesen. Die ursprünglich kleine Kirche wurde mehrmals mit Seitenschiffen erweitert, weil die Insel immer mehr Einwohner bekam, als Rømø ab dem 17. Jahrhundert einige Jahrhunderte lang eine Blütezeit durch den Walfang hatte. Die Kirche hat fünf schöne Kronleuchter und in der Kirche sind zahlreiche Huthaken zu sehen, die für die Seidenhüte der Walfänger geschmiedet wurden, die sie im Winter beim Kirchgang trugen, bevor sie mit den Walfangbooten hinausfuhren. Die Kirche befindet sich in Rømø Kirkeby zwischen dem Damm und Havneby.
Rømøs berühmter breiter Strand
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Wal- und Robbenfang und Fischerei waren früher die Haupteinnahmequellen auf der größten Insel im dänischen Teil des Wattenmeeres. Heute ist der Tourismus die dominierende Einnahmequelle. In Havneby wird immer noch etwas Fisch angelandet, aber die Hauptfunktion des Hafens besteht heute darin, Fähranleger für die Fähre zur deutschen Insel Sylt zu sein.
Kommandørgården. Ein Beispiel für den Reichtum, der mit dem Walfang kam Foto: Anette Jorsal
Bis 1948 wurden alle Transporte von und nach Rømø mit dem Boot ab Ballum durchgeführt. Erst als der 9,2 km lange Damm fertig war, konnte man zwischen der Insel und dem Festland mit dem Auto fahren. Die Bauarbeiten wurden 1939 als großes Beschäftigungsprojekt für Arbeitslose begonnen. In den ersten Jahren waren dort 400 Männer beschäftigt, die in zwei Schichten arbeiteten und 1 Krone und 42 Öre pro Stunde erhielten. Um den Damm zu bauen, mussten nicht weniger als 2 Mio. m3 Erde bewegt werden, was damals mit Muskelkraft geschah. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts gab es Pläne, Rømø dauerhaft mit Jütland zu verbinden, diese wurden jedoch aufgegeben, als Dänemark 1864 den Krieg gegen Preußen verlor. Es gab noch 1969 und einige Jahre später Pläne, weitere Dämme zu bauen und Neulandgewinnungen durchzuführen. Der Sturmflutausschuss des Ministeriums für öffentliche
Arbeiten hatte einen Plan erarbeitet, ein riesiges Gebiet zwischen Rømø, Mandø, Fanø und Esbjerg trockenzulegen. Das Gebiet sollte von einem Damm zwischen Esbjerg und Fanø und einem Damm zwischen Rømø und Fanø umschlossen werden. Wenn die Deutschen mitmachen würden, könnte auch noch ein Damm nach Sylt gebaut werden. Das eingedeichte Gebiet sollte für die Landwirtschaft genutzt werden. Trotz eines gewissen Interesses seitens der Politik wurde der Plan nie umgesetzt, teilweise auch aufgrund von Protesten von Umweltorganisationen. Einige Jahre später wurde eine Regierungszusammenarbeit zwischen den Niederlanden, Deutschland und Dänemark etabliert, um das Wattenmeer gemeinsam zu schützen und zu entwickeln.
Rømø Dänemark
Rømødæmningen
Kommandørgården ist seit 1600 in der 12. Generation im Besitz derselben Familie. Der Hof, in dem sich heute ein Museum befindet, stammt aus dem Jahr 1749, und im 18. Jahrhundert war die Familie dank Walfang und Küstenfischerei äußerst wohlhabend. Der Walfang gab Rømø im 17. und 18. Jahrhundert Wohlstand. Viele der Wände des prächtigen Hauses mit Blick auf das Wattenmeer sind mit holländischen Kacheln dekoriert, die Möbel sind feine Tischlerarbeiten und Schranktüren usw. wurden mit Bildern verziert. In der Scheune hängt das riesiges Skelett eines Pottwals.
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ernährte sich die Familie auf dem Hof wie viele andere auf der Insel Rømø vom Walfang, und die Fliesen kamen mit Handelsschiffen aus Friesland in den Niederlanden in das Wattenmeer.
Neben dem Hof liegt die wahrscheinlich kleinste Schule Dänemarks, die Toftum Skole aus dem Jahr 1784. Juvrevej 60
Tønnisgaard
Kommandørgården
Tønnisgaard ist ein alter Kapitänshof und war der Sitz eines Kapitäns auf einem der Walfangboote. Hier liegt das Naturzentrum Tønnisgaard, das viele Aktivitäten in der Natur organisiert – von Austernund Garnelenfang bis hin zu Sammel- und Bunkertouren. In der alten Scheune gibt es eine Ausstellung über die Natur zwischen „Wattenmeer und Nordsee“.
Holländische Kacheln und ein Skelett eines Pottwals. Beide sind auf dem beeindruckenden Hof Kommandergården zu sehen und es gibt eine Verbindung zwischen ihnen. Viele Jahre lang
Der Nationalpark Wattenmeer hat ein Büro im eigentlichen Bauernhaus. Havneby 30 tonnisgaard 20
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Ballum Ein kleines Dorf, in dem es viele sehenswerte instandgesetzten alte Häuser gibt. Und am östlichen Ende liegt Dänemarks schönster Bauernhof.
„Ein Dorf in der Superliga der Dörfer”. So nannte das dänische Kulturamt das Dorf Ballum, als es 2007 einen Atlas zum kulturellen Erbe für das Wattenmeer erstellte. Einige Jahre später stiftete der A.P. Møller und Frau Chastine Mc-Kinney MøllersFond 3.1 mill EUR für die Verschönerung der alten Häuser. Die Familie Mærsk Møller stammte von Rømø, und der erste, der den Namen trug, war Anders Niels Mersch (1617-1698) aus Ballum. 54 von 75 Häuser in Vesterende Ballum und Østerende Ballum beantragten Zuschüsse. Dachziegel wurden durch Reet ersetzt. Fenster, Türen und Tore wurden ersetzt, um den Häusern wieder das ursprüngliche Aussehen zu verleihen. Rund um die Kirche gibt es schöne Beispiele für alte Häuser, u. a. das alte Tinghus, aber auch entlang der Straße durch Østerende gibt es schöne Beispiele für den alten Baustil.
Klægager
Klægager – der alte Deichgrafenhof Foto: Wasabi film
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Auf der Østerende 13 liegt der Hof Klægager. 2017 wurde er zum schönsten Bauernhof Dänemarks gekürt. Der Vierseitenhof im Westschleswig-Stil stammt aus dem Jahr 1857 und ist in sechster Generation im Besitz der Eigentümer. Es ist ein
Møllehuset und Markmandshuset
Das etwas weiter nördlich gelegene Markmandhuset wurde 1809 für den Dorfhirten in Ballummarsken gebaut. Es liegt auf einer der Warften, die die Friesen 4-5 m über dem Meeresspiegel anlegten, um dort ihre Bauernhöfe zu errichten, als sie im 14. Jahrhundert in diese Gegend kamen. Die Enklave der Bauernhöfe hieß Misthusum, aber nach mehreren starken Sturmfluten, die letzte 1720, zogen die Bauern allmählich in die Geest, wo sie sicherer waren. Das Markmandshuset besteht aus Materialien der verlassenen Bauernhöfe. Man kann
Westschleswiger Baustil Im Wattenmeergebiet Dänemarks und Deutschlands sind viele Häuser und Bauernhöfe im westschleswiger Baustil erhalten geblieben, und in den letzten Jahren wurde eine Reihe von Initiativen ergriffen, um dieses bauliche Erbe zu bewahren, z. B. in Højer und Ballum. Der westschleswiger Baustil ist häufig bei Höfen zu sehen, die leicht erhöht im Übergang zwischen Geest und Marsch liegen. Sie bestehen aus einem langen Gebäude mit der Fassade nach Süden. Der Stall befindet sich im westlichen Teil des Gebäudes, während sich die Wohnräume im Osten, im Windschatten des Stalls, befindet, der den manchmal harten Westwinden standhalten muss. Es gibt verschiedene Varianten des Langhauses. Beispielsweise den Vierseitenhof (z. B. Højergaard in Højer) und den selteneren Haubarg, bei dem die vier Seiten des Hofs und der eigentliche Hof mit einem gemeinsamen Reetdach bedeckt sind (z. B. Roter Haubarg in Deutschland, siehe Seite 59).
Ballum Dänemark
Nördlich von Ballum liegen zwei kleinere Gebäude, das Markmandhuset und das Møllehuset. Das Møllehuset liegt auf einer Warft direkt neben den Mühlen von Ballum. Da das Grundwasser und das Wasser in den Gräben der Marsch zu salzig war, um die Tiere zu tränken, wurden sogenannte Bewässerungsmühlen errichtet, die Wasser aus dem Fluss pumpten. Von 1842 bis 1965 versorgten die Schneckenmühlen die Tiere mit frischem Wasser. Die Mühlen sind nur im Sommer zu sehen. Im Winter befinden sich die Flügel im Mühlenhaus, wo es auch eine kleine Ausstellung über ihre Funktion und ihre Geschichte in der Region gibt.
AUSERDEM
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alter Deichgrafenhof, das heißt, die Männer waren einige Generationen lang als Deichgrafen und Oberdeichinspektoren tätig, die die Deiche überwachten. 2005 wurde der Hof einer umfassenden Restaurierung unterzogen und erhielt u. a. sein Reetdach zurück. Heute wird der Hof als Bed & Breakfast, Festsaal und Ausflugsziel genutzt. Østerende 13
Charakteristisch für ein westschleswiger Gebäude ist die Giebelgaube über der Eingangstür, ein Dacherker, der zu einem Hausflur gehört, der durch das ganze Haus verläuft und Stall und Wohnbereich teilt. Die westschleswiger Bauernhöfe sind aus gebranntem Schlick gebaut, dem vor Ort gewonnenen Material aus dem Wattenmeer, eine Mischung aus Ton, organischen Substanzen und Sand, die von den Gezeiten abgelagert werden.
Klægager – der alte Deichgrafenhof Foto: Jens L. Hansen
den Weg zwischen Møllehuset und Markmandshuset auf dem Wanderweg Æ Markmandssti zurücklegen.
Ballum Sluse Von der Schleuse Ballum Sluse hat man einen schönen Blick über das Wattenmeer und nicht zuletzt auf die vielen Vögel, die sich sich an der Mündung des Brede Ås
versammeln. Anfang des 20. Jahrhunderts trafen drei Sturmfluten die Ballummarsch hart, und es wurde vereinbart, einen Deich zu bauen. Der Bau begann 1914, aber der Erste Weltkrieg, der im selben Jahr ausbrach, verzögerte ihn, sodass er erst 1919 mit Hilfe russischer und französischer Kriegsgefangener abgeschlossen wurde.
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Højer Die Stadt liegt direkt am Marschgebiet Tøndermarsken. Viele der alten Häuser der Stadt werden derzeit renoviert, darunter das alte Mühlengebäude an der Mühle, in dem sich eines der Tore zum Wattenmeer befindet. Højer hat eine der größten Konzentrationen an denkmalgeschützten und erhaltenen Häusern in Dänemark. Hier liegen Häuser und Bauernhöfe direkt nebeneinander. Sie sind erhaltenswert, und 2017 wurden die Verschönerungen der alten Häuser in Højer Teil der großen Tøndermarsk-Initiative (Siehe Seite 31). Die Geschichte von Højer reicht zurück bis ins 13. Jahrhundert. Im 16. Jahrhundert hatte Højer eine Blütezeit als Handelsstadt, da es aufgrund der angelegten Deiche nicht mehr möglich war, Tønder mit dem Schiff zu erreichen.
Nachtfoto von Højer Foto: Ulrik Pedersen, Tøndermarsk Initiativet
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Højer bekam einen geschäftigen Hafen an der Mündung des Flusses Vidå in das Wattenmeer, und die Handelsschiffe fuhren von Højer nach Deutschland, England und Holland. Im 19. Jahrhundert kamen viele Touristen nach Højer, die die Fähre von Højer nahmen, um Badeurlaub auf Sylt zu machen. Die Stadt hatte damals mehrere Hotels, von denen eines erhalten geblieben ist, das Marskhotellet von 1888, das zu jener Zeit natürlich einen deutschen Namen hatte: Bahnhofshotel.
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In der Mühle von Højer und den dazugehörenden Speichern sind jetzt eine schöne Ausstellung über das Leben in der Marsch untergebracht Foto: Anne Marie Overgaard
Højergaard Mitten in Højer liegt der Højergaard, ein schöner Vierseitenhof, der von der Stiftung Realdania gekauft wurde. Bis 2019 wurden umfangreiche Restaurierungsarbeiten durchführt und jetzt wird der Hof von der Firma Arla als Kochschule genutzt. Torvet 1
Højer Mølle Die Mühle von Højer liegt am Rande der Marsch und bietet vom Mühlenturm aus einen schönen Blick auf das Wattenmeer. Sie ist eines der Tore zum Nationalpark Wattenmeer und zur Tøndermarsken. In der alten Mühle von 1857 wird die Geschichte des größten
Marschgebietes Dänemarks, Tøndermarsken, erzählt. Wie es vom Meer geschaffen wurde und wie Menschen es seitdem mit Deichen, Schleusen, Kanälen und Warften geformt haben. Darüber hinaus gibt es hier ein KlimaLab, in dem man selber versuchen kann, den Klimawandel in einem Marschgebiet zu steuern. 2019 wurde das Müllerhaus nach einer sehr gelungen Restaurierung wiedereröffnet. Hier gibt es jetzt neben dem Ticketverkauf einen Laden und ein Café. Møllegade 13 msj.dk/hoejer-moelle
Kiers Gaard Neben der Mühle befindet sich Kiers Gaard, ein schöner, denk-
malgeschützter Vierseitenhof von 1759. Heute ist der Hof ein Kulturzentrum. Søndergade 12
Østerspakhuset Auf dem Hof, fast am Rande der Marsch, liegt der Speicher Østerspakhuset. Seit vielen Jahrhunderten werden im Wattenmeer Austern gesammelt, die in Højer im 18. Jahrhundert vom Speicher Østerspakhuset aus verschickt wurden. Die Austernfischerei war ein königliches Privileg und erforderte eine spezielle Genehmigung. Das war ein richtig gutes Geschäft. Von Hojer aus wurden im 18. und 19. Jahrhundert Austern in alle Welt geliefert, sogar bis an den russischen Hof. Søndergade 12
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Tøndermarsken Dänemarks größtes Marschgebiet, das zweimal im Jahr Tausende von Zugvögeln anzieht. Ein großes Projekt soll das ganze Marschgebiet aufwerten, unter anderem mit einem neuen Wanderweg.
Tøndermarsken ist in vielerlei Hinsicht etwas ganz Besonderes. Dies ist Dänemarks größtes Marschgebiet, das eine riesige Speisekammer für Zugvögel ist und seit Jahrhunderten seine eigene Geschichte mit dem Anlegen von Deichen, Schleusen und Dämmen hat. Es ist schwer vorstellbar das Tønder marsken, heute ein eingedeichtes Gebiet mit viel Weideland, einmal eine große Bucht im Wattenmeer war. Eine Bucht, die bis nach Tønder reichte und einmal einen umfangreichen Handel durch die Schifffahrt hatte.
Vidåslusen Foto: Ulrik Pedersen
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Im 12. Jahrhunderts wanderten Friesen aus Friesland (heute Teil der Niederlande) ein und legten am Wattenmeer Warften (künstliche Erhebungen) an, auf denen sie ihre Höfe bauten. Aber wenn die Nordsee tobte, stieg das Wasser und Bauernhöfe und ganze Dörfer wurden weggespült. Mitte des 16. Jahrhunderts wurde ein 15 km langer Deich ins Meer von Højer bis hinunter nach Lægan und weiter in südöstliche Richtung gebaut. Diejenigen, die in dem Marschgebieten lebten, erhielten das Recht auf ihr Land. Im Gegenzug mussten sie die Deiche unterhalten. Daher stammt der Ausdruck: „Wer nicht will deichen, der muss weichen“.
Vidåslusen Die Schleuse besteht aus 3 Kammern, die bei Sturmflutgefahr geschlossen werden. Im Gegensatz zu anderen Schleusen, ist sie nicht für die Schifffahrt geeignet. Von der Schleuse hat man einen weiten Blick über das Wattenmeer. Im Osten blickt man über das vom Menschen geschaffene Marschland, das über Jahrhunderte trockengelegt und kultiviert wurde.
Sturmflutsäule An der Vidåslusen außerhalb des Fremskudte Dige befindet sich seit 1975 eine Sturmflutsäule. Es ist ein einfacher Eichenstamm mit mehreren Bronzebändern, die anzeigen, wie hoch das Wasser während der verschiedenen Sturmfluten stand. Die Spitze entspricht dem Wasserstand bei der Sturmflut im Jahre 1976, dem höchsten seit 1825.
Der große Deichbau im 16. Jahrhundert führte dazu, dass größere Schiffe nicht mehr bis ganz nach Tønder kamen. Teile des Vidå-Deltas versandeten ganz einfach. Darum wurde der kleine Hafen Lægan südlich von Tønder in der Nähe von Aventoft gebaut, wo Schiffe anlegen konnten, um die Waren auf kleinere Boote zu verladen, die bis nach Tønder fahren konnten.
Marskstien Marskstien ist ein 54 km langer Wanderweg, der durch die ge-
samte Tøndermarsken führt. Das letzte Stück wurde 2019 angelegt und bietet nicht nur die Möglichkeit zu wandern und eine Reihe von Sehenswürdigkeiten zu erreichen. Es ist hier auch möglich, die Nacht in Unterständen zu verbringen. Außerdem kann man eine der Tarnhütte besuchen, wo man die Beobachtungshütte Vogelwelt studieren kann, ohne die Vögel zu stören, und schließlich kann man sich in drei Informationszentren über die gesamten Region informieren. Diese befinden sich an der Schleuse Vidåslusen, an der Pumpstation in Lægan und in der Mühle Højer Mølle.
AUSERDEM
In Planung von Ulrik Pedersen, Tondermark Initiative:
Tøndermarsken Dänemark
Während einer starken Sturmflut im Jahr 1976 erreichte der Wasserstand knapp 5 m über dem Normalwert und ein großes Gebiet hinter den Deichen wurde evakuiert. Nach dem Ende des Sturms wurde beschlossen, den so genannten Fremskudte Dige (Vorgeschobener Deich) anzulegen, der offiziell als DänischDeutscher Deich bezeichnet wird und von Emmerlev Klev im Norden bis zum Hindenburgdamm in Deutschland verläuft.
Lægan
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Im Laufe der Jahrhunderte wurden weitere Gebiete eingedeicht und trockengelegt und erhielten Namen wie Højer Kog, Møgeltønder Kog, Gammel Frederikskog, Ny Frederikskog, Rudbøl Kog und zuletzt 1981 Margrethe Kog. Diese Köge waren ausgezeichnetes Ackerland, das hauptsächlich als Rinderweide genutzt wurde.
In der Marschstadt Højer sollen erhaltenswerte Bauernhöfe und Häuser instandgesetzt werden. Ein Wegesystem soll die Tøndermarsken erschließen statt verbinden, die Geschichte der einzigartigen Natur des Wattenmeeres und der Marsch soll erzählt werden, die Städte Vidå und Tønder müssen an die Herausforderungen des Klimawandels angepasst werden und Wirtschaft und Tourismus in der Tøndermarsken müssen entwickelt werden. Das ist das Ziel der Tøndermarsk-Initiative, die 2016 vorgestellt wurde. Damit dies gelingt, wurde weit über eine Viertelmilliarde Kronen in einem Fonds bereitgestellt und die Geldgeber sind sowohl die öffentliche Hand als auch Investmentfonds. Die Partner des Projekts sind: Realdania, A.P. Møller og Hustru Chastine Mc-Kinney Møllers Fond til Almene Formaal, Nordea-Fonden und die Gemeinde Tønder. Zu den bisherigen Ergebnissen gehören der Wanderweg Marskstien und die Renovierung des Højergaard mitten in Højer (siehe Seite 29).
Tøndermarsken Foto: Ulrik Pedersen
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Møgeltønder Ein kleines Dorf mit großartigen Sehenswürdigkeiten in Form eines königlichen Schlosses und einer kleinen Kirche mit viel Dekoration, verbunden durch eine einzigartige Straße.
Wenn es einen Wettbewerb um Dänemarks schönste Straße gäbe, wäre die Slotsgade in Møgeltønder ein harter Konkurrent. In einer Reihe stehen hier die Straße entlang schöne alte Häuser mit Reetdächern und Sprossenfenstern. Auf jeder Straßenseite stehen die Linden, die früher zwei Funktionen hatten: den Häusern in einer Zeit, in der es keine Kühlschränke gab, Schatten zu spenden, während die Wurzeln als Ablauf fungierten, damit keine Feuchtigkeit in den Häusern aufstieg. 1234 wird die Burg Møgeltønderhus erstmals erwähnt. Mitte des 17. Jahrhunderts übergab König Frederik III. die mittelalterliche Burg an Hans Schack, einen anerkannten Feldherrn. Hans Schack beschloss, auf dem Grund und Boden westlich des Schlosses eine Reihe von Häusern für die Angestellten und Handwerker des Schlosses zu errichten. 1750 sah die Straße dann in etwa so aus wie heute.
Schloss Schackenborg Das Restaurant Schackenborg Slotskro Foto: Colin J. Seymour
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1664 ließ Hans Schack auf dem Areal der Burg Møgeltønderhus Schloss Schackenborg errichten,
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Schloss Schackenborg Gartenseite
Møgeltønder Dänemark
das über viele Generationen weitervererbt wurde. Es wurden zahlreiche Bauernhöfe aufgekauft und einst war Schackenborg eines der größten Güter Dänemarks. Hans Schack der 6. schenkte das Schloss 1978 dem jüngsten Sohn der dänischen Königin, Prinz Joachim, der 1993 in das Schloss einzog. Der Prinz verkaufte das Schloss 2014 an einen Fonds, behielt aber selbst 600 ha Land und hat noch eine Residenz im Südflügel. Führungen durch das Schloss finden jeden Mittwoch und Samstag statt. schackenborg.dk
Die Kirche von Møgeltønder Die Kirche von Møgeltønder am westlichen Ende der Slotsgade bietet beim Betreten ein wahres Feuerwerk an visuellen Eindrücken. Von Fresken im Chor über den goldbemalten Flügelaltar aus dem 15. Jahrhundert mit geschnitzten Figuren bis hin zu den großen Malereien an der Decke des Kirchenschiffes. Der älteste Teil der Kirche stammt aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Am südlichen Rand von Møgeltønder ist deutlich zu erkennen, dass das Dorf auf einer Geest im Marschland Møgeltønder Kog liegt. Sønderbyvej 2 møgeltønderkirke.dk
Der Schlosspark Schackenborg wird in Kürze für Besuche geöffnet, damit jeder die schöne Landschaft genießen kann. Foto: Ulrik Pedersen, Tøndermarsk Initiativet
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Tønder Die Stadt ist bekannt für ihr Festival, ihre Spitzen und ihre Sammlung von Wegner-Möbeln, lädt aber auch zu einem Spaziergang ein, unter anderem auf der Uldgade, der Straße mit den vielen Erkern. Wenn man heute Tønder sagt, denken viele Leute gleich an das Tønder-Festival. Die Stadt ist weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannt dafür, dass sie Ende August Gastgeber eines großen Festivals für traditionelle und moderne Volksmusik ist. Andere denken an die TønderSpitze, die in der Geschichte eine wichtige Quelle für Export und Wohlstand war.
Kostbare Spitze, die Tønders Wohlstand sicherte, im Drøhses Hus Foto: Museum Sønderjylland
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1253 erhielt Tønder das Stadtrecht. Straßennamen wie Skibbroen (Schiffskai) und Skibbrogade (Kaistraße) zeugen noch heute davon, dass die Stadt damals eine wichtige Hafenstadt am Vidåen war, die Handel mit Deutschland und den Niederlanden betrieb. 1532 wurden die Stadt und das Umland von einer heftigen Sturmflut heimgesucht, bei der das Wasser 5,3 m über dem normalen Wasserstand erreichte. In der Kirche von Tønder stand es fast 2 m hoch. Um so etwas in Zukunft zu vermeiden, begann man mit dem Bau von Deichen. Der Preis für den Deichbau war allerdings, dass der Fluss Vidå im 16. Jahrhundert nicht mehr bis nach Tønder schiffbar
Zu dieser Zeit hatte Tønder eine umfangreiche Produktion und einen Export von feiner Spitze, was im 18. und bis hinein ins 19. Jahrhundert ein wirklich gutes Geschäft für die Stadt wurde.
Tønder-Festival Es ist schwierig, über Kultur und Tønder zu sprechen, ohne das weithin bekannte Tønder-Festival zu erwähnen. Es begann 1974 mit einem Johannisfest in einer Mühle am Fluss Vidå. Drei Tage lang wurde dort Musik gespielt, gesungen und gefeiert. Im darauffolgenden Jahr gab es erneut ein Fest, diesmal drei Tage lang Ende August, und seitdem ist das letzte Augustwochenende gleichbedeutend mit dem Tønder-Festival, das alljährlich 7.000-8.000 Teilnehmer anzieht. Heute kommen Bands und Musiker aus vielen Teilen der Welt hierher und spielen alte und neue Volksmusik. Das Festivalgelände befindet sich westlich des Museums. Festivalpladsen ligger vest for museet tf.dk
Tønder Dänemark
1864 wurde Tønder deutsch und die Stadt gewann jetzt ein großes Hinterland im Süden hinzu. Um 1900 wurde Sylt zu einer beliebten Insel für den Strandurlaub, und sowohl Tønder als auch insbesondere Højer profitierten von den vielen Touristen, die von Højer nach Sylt fuhren. Nach der Abtretung Nordschleswigs an Dänemark 1920 kam dieser Verkehr jedoch zum Erliegen. Bis in das 20. Jahrhundert hinein erfolgte die Entwässerung der Tøndermarsch, die aufgrund der umfassenden Tøndermarsch-Initiative (siehe Kasten Seite 31) jetzt viel Aufmerksamkeit erhält. Heute zieht Tønder viele Touristen an, die die vielen Häuser in den Straßen der Stadt bewundern, z. B. die bekannten Häuser mit den Erkern.
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war. Zunächst übernahm Rudbøl die Hafenfunktion, aber auch hier war es schließlich nicht mehr möglich, direkt bis nach Rudbøl zu fahren. Daher übernahm Højer die Funktion der Hafenstadt der Region.
Kulturgeschichte in Tønder Von Tønders altem Schloss Tønderhus ist nicht viel übrig geblieben, aber zum Glück blieb das Torgebäude erhalten. Hier kann man einen bedeutenden Teil der Geschichte der Stadt und der Region kennenlernen, wenn man bereit ist, eine Wendeltreppe hinaufzugehen und einige Male den Kopf einzuziehen. Das Haus erzählt von der Zeit, als die Wattenmeerstadt Tønder und
Ein Abend auf dem Tønder-Festival Foto: Madeleine Glindorf
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Ein Grenzstein mitten auf der Straße in Rudbøl. Hier kann man mit einem Bein in jedem Land stehen Foto: Wasabi Film
große Teile Westschleswigs eine wohlhabende Gegend mit einem lebhaften Handel mit den Niederlanden, dem heutigen Belgien und Holland war. Ein Reichtum, der durch die Schifffahrt, den Viehhandel und die Spitzenindustrie geschaffen wurde. In einem Raum oben unter dem Dach sind holländische Kacheln ausgestellt, die sowohl als Dekoration als auch als Brandschutz dienten und die Wärme vom Kachelofen in den Raum leiteten. Große Schränke und
andere Möbel zeigen, wie die Möbelhersteller von der niederländischen Renaissance inspiriert wurden, während die Spitzenindustrie in mehreren Räumen dargestellt wird. Das erste Schloss in Tønder wurde um 1270 erbaut und dann schrittweise erweitert. 1750 wurde das Schloss jedoch abgerissen und nur das Torgebäude von 1543 blieb erhalten Der Umriss des alten Schlosses ist vom Turm aus zu erkennen, da er mit Hecken nachgebildet wurde. In den neueren Anbauten des Museums gibt es ein Kunstmuseum mit wechselnden Ausstellungen, während im Turm dänische Möbelkunst von einem der großen dänischen Möbeldesignern, Hans J. Wegner, gezeigt wird. Wegners Plads 1 kulturhistorie-tonder.dk
Drøhses Hus Hübsche Häuser in der Uldgade Foto: Wasabi Film
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Früher war das Spitzenklöppeln eine so wichtige Beschäftigung in der Gegend von Tønder, dass
der König Frauen, die sich auf das Klöppeln verstanden, verbot, das Land zu verlassen und das Handwerk mitzunehmen. Das Klöppelhandwerk kam nach Tønder und Umgebung, ja, nach ganz Westschleswig, als im 16. und 17. Jahrhundert ein reger Handel mit den Niederlanden bestand. Spitze wurde als Kragen, Manschetten und Hauben sowie als Bordüre an Tischdecken und Bettwäsche sehr beliebt. Hunderte von Frauen saßen zu Hause und klöppelten die feinsten Muster mit einem besonders dünnen Leinenfaden. Die Spitzenhändler verdienten gutes Geld, während die Handwerker, die Klöpplerinnen, nur einen geringen Lohn erhielten. Im Laufe der Jahre wurde die Spitze mehr und mehr zum Allgemeingut. Mitten in der Fußgängerzone von Tønder liegt das Drøhses Hus aus dem Jahr 1672, das mit seinem Erker und dem Barockstil besonders auffällt. Das Haus ist voller Spitzen und Geschichten über die Arbeit und den Handel mit dem feinen Handwerk. Das Haus selbst ist ebenfalls eine Sehenswürdigkeit, nicht zuletzt der Garten, der als Klöppelmuster angelegt ist. Torvegade 14 droehses-hus.dk
Die Grenzstraße in Rudbøl In der Grenzstadt Rudbøl, die am Rudbøl-See und am Fluss Vidåen liegt, gibt es eine besondere Straße. Im südlichen Teil der Stadt befindet sich die Grenzstraße Grænsegaden und teilt die Stadt zwischen zwei Ländern auf. Der Westteil der Straße liegt in Dänemark, während die Nachbarn auf der Ostseite der Straße in Deutschland leben. Dies ist mit Grenzsteinen markiert, die in die Fahrbahn eingelassen sind.
Walfang Obwohl es vom Wattenmeer aus sehr weit bis nach Spitzbergen und Grönland ist, war der Walfang einige hundert Jahre lang eine wichtige Einnahmequelle für die Wattenmeerinseln Mandø, Fanø, Rømø, Sylt und Föhr. Die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts war in vielerlei Hinsicht hart für die Bewohner des Wattenmeergebietes. Die Seeschlacht im Lister Tief, bei der die dänische Marine eine schwedisch-niederländische Marine besiegte, kostete ca. 800 Seeleuten das Leben. Schwedische Soldaten verwüsteten daraufhin Rømø und verbrannten 26 Schiffe der Insel. Die katastrophale Sturmflut im Jahr 1634 traf dieses Gebiet sehr hart, und der Heringsfang bei Helgoland war stark zurückgegangen. Daher wurde die Seefahrt für viele ein Ausweg aus der verzweifelten Lage und viele Männer von den genannten Inseln heuerten ab Mitte des 17. Jahrhunderts auf Walfangbooten an.
Die Seeleute von den Wattenmeerinseln waren als Arbeitskräfte gefragt, und viele von ihnen wurden Kapitäne auf den Walfangbooten. Das Leben als Walfänger war hart, und zu Hause blieben die Frauen zurück, um sich um die Familie und vielleicht eine kleine Landwirtschaft zu kümmern. Die Walfänger, die das Glück hatten, wieder nach Hause zurückzukehren, hatten gutes Geld verdient, und ihr Wohlstand ist noch heute in vielen der erhaltenen Kapitänshäusern zu sehen.
Tønder Dänemark
Im 16. Jahrhundert hatten Engländer und Holländer einen neuen Seeweg nach Asien gesucht. Sie versuchten es im Norden, aber die Route war durch Eis blockiert. Stattdessen erblickten sie die vielen Wale, und es begann ein umfassender Walfang, obwohl es eine lange, kalte und gefährliche Reise war, auf der Wale getötet werden mussten oder Schiffe im Eis steckenblieben und zerquetscht wurden.
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Walskelett, das auf der Commander’s Farm in Rømø zu sehen ist Foto: Wasabi Film
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Seebüll Oder Søbøl, wie der Ort auf Dänisch heißt. Hier bautee der Künstler Emil Nolde ein Haus, in dem er ein Atelier hatte. Heute befindet sich darin ein Kunstmuseum mit Noldes Werken.
Nolde-Museum Emil Nolde lebte einen großen Teil seines Lebens im Grenzgebiet um die dänisch-deutsche Grenze. Er wurde 1867 auf einem Bauernhof in Nolde bei Tønder geboren. 1902 heiratete er die dänische Schauspielerin Ada Vilstrup und änderte seinen Nachnamen Hansen in Nolde. Viele Jahre lang lebte das Paar abwechselnd in Berlin und im Sommer auf Alsen. 1920, als Nordschleswig (Sønderjylland) dänisch wurde, beantragte und erhielt Emil Nolde die dänische Staatsbürgerschaft. Das Ehepaar lebte zehn Jahre lang in Ubjerg ganz in der Nähe von Tønder, bevor es 1926 auf die andere Seite der Grenze zog, wo es in Seebüll ein Haus und ein Atelier baute, die der Künstler selbst entwarf. Hier lebte Emil Nolde bis zu seinem Tod 1956.
Emil Nolde in einem Fischerboot in Ruttebüll ca. 1920 Foto: Nolde Stiftung
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Gemälde von Emil Nolde Foto: Nolde Stiftung
Danach wurde das Haus in ein Museum umgewandelt. Emil Nolde und seine Frau Ada hatten einen Fonds eingerichtet, um ein Museum zu betreiben, das „eine Brücke des Verständnisses zwischen Skandinavien und Deutschland bilden“ sollte, wie es in der Stiftungssatzung heißt. Daher kann man heute eine große Sammlung seiner expressiven und farbenfrohen Aquarelle und Gemälde im ehemaligen Wohnhaus des Künstlers sehen. Emil Nolde wurde einer der größten Expressionisten Deutschlands. Er war ein fleißiger Maler und reiste viel umher, um zu malen u. a. im Wattenmeergebiet. Im Jahr 1909 hielt er sich z. B. in Rudbøl auf, als er seine ersten religiösen Motive malte. 1919
malte er während eines Aufenthalts in Hallig Hooge eine Reihe von Aquarellen. Nolde war Mitglied der NSDAP, obwohl 1.052 seiner Bilder in deutschen Museen beschlagnahmt und als entartet bezeichnet wurden. 1941 erhielt er sogar ein Malverbot, malte aber immer noch kleine Aquarelle, die er als ungemalte Bilder bezeichnete. Viele von ihnen dienten ihm nach dem Krieg als Vorlagen für Ölgemälde. Ada starb 1946. Zwei Jahre später heiratete er als 80-Jähriger die 26-jährige Jolanthe Erdmann. Emil Nolde erhielt in den letzten Jahren seines Lebens zahlreiche Auszeichnungen.
HINWEIS – Das Nolde Museum wird 2020 umfassend restauriert. In diesen Jahre wird die Austellung den Räumlichkeiten des neuen Anbaus gezeigt, in dem sich auch das Café befindet. Seebüll 31 nolde-stiftung.de
Nolde Haus – Seebüll Foto: Nolde Stiftung
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Niebüll Im Dorf kann man dank eines Pfarrers, der angefangen hat, alte Gegenstände zu sammeln, mehr über den Alltag im Wattenmeergebiet erfahren.
Friesisches Museum Als Nordfriesland nach der Schlacht an den Düppeler Schanzen Teil Preußens wurde, begann der Pfarrer von Niebüll, Friedrich August Feddersen, historische friesische Gegenstände zu sammeln. Nach seinem Tod übernahm der friesische Verein in der Region die Sammlung, und 1929 wurde mit Spendengeldern ein Bauernhof gekauft und als Museum eingerichtet.
Kinderfest am Friesenmuseum 2012 Foto: Stadtmarketing Niebüll Gmbh
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tan hätten – mit Wiege, Töpfen und Pfannen, Klöppelbrett, Kacheln an den Wänden, Kommode, Porzellan und vielem mehr. Das Museum ist ein schönes Beispiel für ein typisch friesisch eingerichtetes Langhauses mit
Reetdach und Sprossenfenster. Das Haus wird von starken Eichenbalken getragen und ist so gebaut, dass die Holzkonstruktion und das Dach stehen bleiben, wenn eine Sturmflut die Wände eindrückt. Osterweg 76, Niebüll friesisches-museum.de
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Hier im Friesischen Museum Niebüll kann man die Lebensbedingungen der Region im 18. und 19. Jahrhundert kennenlernen. Die Küche, das Schlafzimmer, das Wohnzimmer und die „gute Stube“ sind so eingerichtet, wie es die damaligen Bewohner ge-
Niebüll Deutschland
Kommen Sie mit auf eine Wattwanderung, machen Sie einen Spaziergang auf dem Meeresboden, erleben Sie die Natur und lauschen Sie den Geschichten über das Wattenmeer und seiner Menschen Foto: Red Star
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Sylt Hier gibt es einige der teuersten Häuser Deutschlands, und selbst in den Dörfern gibt es exklusive Geschäfte. Im Dorf Keitum sind zwei der vielen schönen, renovierten Häuser als Museum eingerichtet. Sylt Sylt ist keine besonders große Insel. Sie ist knapp 40 km lang und 350 m bis 13 km breit. Dennoch ist sie die größte deutsche Wattenmeerinsel und auch die Insel, die die meisten Touristen anzieht. Die Insel empfängt jährlich rund 600.000 Gäste, so dass sich die Bevölkerung von rund 21.000 Einwohnern jedes Jahr vervielfacht.
Sylt Museum Foto: A. Jorsal
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Sylt wird in den Medien gerne als das Urlaubsgebiet der wohlhabenden Deutschen dargestellt und wenn man hier ein Sommerhaus kaufen möchte, muss man sehr viel Geld in die Hand nehmen, denn die Immobilienpreise auf Sylt gehören zu den höchsten in ganz Deutschland. Viele Markengeschäfte und Restaurants befinden sich in reetgedeckten Häusern, die dem ursprünglichen Baustil der Insel sehr ähnlich sind. Nur im Hauptort der Insel, Westerland, haben sich moderne mehrstöckige Gebäude eingeschlichen. Bereits im 19. Jahrhundert wurde Sylt zu einem beliebten Reiseziel für Deutsche, die Strandurlaub machen und den
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Für die Gegend charakteristische Tür. Eingang zum Sylt Museum Foto: A. Jorsal
40 km langen Sandstrand in einem Strandkorb genießen wollten. Zuvor war Sylt eine Wattenmeerinsel mit vielen Seeleuten, die auf den Walfangbooten aus Hamburg, Holland und Norwegen fuhren, um von Frühling bis Herbst Wale im Seegebiet zwischen Grönland und Spitzbergen zu fangen.
Sylt Museum Herrlichem Blick auf das Wattenmeer werden weit mehr Geschichten erzählt, als man glauben kann. Über die Geschichte der Insel, über die Seeleute von Sylt, über den Alltag, über Kleidung und Schmuck und über die Männer von Sylt, die einen Platz in der Geschichte eingenommen haben, wie Uwe Jens Lornsen.
Er war der Sohn eines Kapitäns, wurde selbst aber Jurist und dann acht Jahre lang in Kopenhagen Beamter in der Kanzlei für Schleswig, Holstein und Lauenburg. 1830 wurde er Landvogt auf der Insel Sylt, d. h. Stellvertreter des dänischen Königs auf der Insel, aber es dauerte nicht lange, bis Uwe Jens Lornsen begann, für eine größere Unabhängig-
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Innenansicht aus dem Altfriesischen Haus Foto: A. Jorsal
keit Schleswig-Holsteins zu kämpfen. Unabhängig von den erzählten Geschichten verwendet das Museum leicht verständliche Texte, die die Besucher ansprechen. Trotz der begrenzten Größe des Museums gibt es auch Raum für wechselnde Kunstausstellungen mit Bezug zum Wattenmeer. Am Kliff 19, Keitum soelring-museen.de/ syltmuseum
Altfriesisches Haus Es ist, als würde man in der Geschichte zurückgehen und in die schönen Wohnräume und die gut ausgestattete Küche des Kapitäns eingeladen werden. Das Altfriesische Haus ist ein kleines Füllhorn an Kacheln, Holzschnitzereien, bemalten Möbeln und Wänden. Die Kleidung liegt ordentlich in der Truhe gefaltet und die Wiege steht bereit für die jüngsten Bewohner des Hauses. Es ist nicht groß, aber es macht Eindruck. In der alten Scheune an einem Ende des Hauses befindet sich eine archäologische Sammlung, die von einem ehemaligen Bewohner stammt: dem Lehrer, Organisten, Archäologen und Volkskundler Christian Peter Hansen (1803- 1879), einem der bekanntesten Söhne der Insel.
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Eingang zum Altfriesischen Foto: A. Jorsal
Keitum ist in vielerlei Hinsicht ein sehr ungewöhnliches Dorf an der Ostseite von Sylt und einen langen Spaziergang wert. Das Dorf hat viele gut erhaltene Friesenhäuser mit Reetdächern, die man in den engen Gassen bewundern kann, in denen man im Prinzip Ruhe vor Autos hat, da man aufgefordert wird, außerhalb des Dorfes zu parken. Man muss nicht weit zwischen den bewundernswerten Fassaden gehen, bis man eine besondere Exklusivität spürt – sei es die hervorragende Sanierung der Häuser oder die exklusiven Geschäfte, die in einem Teil der Gebäude eingerichtet sind. Auch wenn man sich das Schaufenster des Immobilienmaklers ansieht, wird klar, dass man schon recht wohlhabend sein muss, um sich hier anzusiedeln. Hier kann ein Haus schon mal bis zu 4 Mio. Euro kosten. Keitum ist eines der am besten erhaltenen Dörfer des Wattenmeeres und auch sehr schön oben auf dem „Grünen Kliff“ gelegen, von wo aus man einen herrlichen Blick auf das Wattenmeer hat.
Biikebrennen und Pers Awten Jedes Jahr am 21. Februar stehen auf Sylt neun Feuer bereit. Auf der ganzen Insel versammeln sich die Menschen in Gruppen und zünden ihre Fackeln an, bevor sie in Fackelprozessionen zu ihrem Feuer gehen, begleitet von Trompetenmusik. Am Feuer werden dann Reden gehalten, eine auf Deutsch und eine auf Friesisch, und wenn der friesische Redner „Tjen di Biike ön“ gerufen hat, werfen alle ihre Fackeln in das große Feuer, und auf der ganzen Insel lodern Feuern auf. Solche Feuer gibt es auch auf anderen nordfriesischen Inseln und auf dem Festland, ebenso wie entlang der dänischen Wattenmeerküste, auf Rømø und auf Fanø. Dort heißt diese Tradition allerdings Pers Awten. Nach dem Feuer findet das traditionelle Grünkohlessen statt. Heute brennen die Feuer, um den Winter in die Flucht zu schlagen und den Frühling zu begrüßen, aber im Laufe der Zeit hatte das Biikebrennen/Pers Awten unterschiedliche Bedeutungen. In der frühen Geschichte waren die Feuer ein Opfergeschenk für die nordischen Götter. Im 17. und 18. Jahrhundert war das Feuer der zentrale Teil eines großen Abschiedsfests für die vielen Männer, die sich mit Beginn des Frühlings auf die langen Walfangreisen nach Norden begaben.
Sylt Deutschland
Das Dorf Keitum
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Als Sylt sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an die vielen Badegäste auf der Insel anzupassen begann, sah Christian Peter Hansen den dringenden Bedarf, historische Gegenstände zu sammeln, um die Geschichte von Sylt zu vermitteln. Das Museum Altfriesisches Haus basiert auf der Privatsammlung des fleißigen Lehrers und ist heute als wohlhabende Kapitänswohnung eingerichtet. Am Kliff 13 soelring-museen.de/ altfriesisches-haus
Pers Awten Foto: Wasabi Film
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Föhr Draußen im Wattenmeer auf der Insel Föhr befindet sich ein Kunstmuseum mit Werken von Künstlern, die rund um die Nordsee gelebt haben. Ausgangspunkt war eine Privatsammlung. Museum Kunst der Westküste Edvard Munch, Anna und Michael Ancher, Krøyer, Nolde, Max Liebermann, Piet Mondrian. Dies sind nur einige der großen Maler, die in der umfangreichen Sammlung des Museums Kunst der Westküste auf der Insel Föhr vertreten sind. Alle Künstler haben eines gemeinsam, sie kommen aus den Ländern rund um die Nordsee und haben mit Motiven gearbeitet, die zum gemeinsamen Thema „Meer und Küste“ des Museums gehören.
Museum Kunst der Westküste Foto: Gerhard Kassner
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Das Museum wurde 2009 gegründet. Ausgangspunkt war die Privatsammlung von Professor Frederik Paulsen (1909-1997), die viele Werke aus den Jahren 1830-1930 umfasst. Das Museumsgebäude ist eine Kombination aus alter und neuer Architektur und bietet einen großartigen Rahmen für die wechselnden Ausstellungen. Das Museum hat keine Dauerausstellung, sondern zeigt wechselnde Ausstellungen mit Werken aus der Sammlung zu verschiedenen Themen. Darüber hinaus zeigt es auch eine Reihe von Ausstellungen zeitgenössischer Kunst.
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Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum. Foto: Föhr Tourismus GmbH/Harald Bickel
Das Museum liegt im Ort Alkersum, wo sich um 1900 eine kleine Kunstkolonie bildete. Margaretha Dorothea Hayen betrieb ein kleines Gasthaus namens Grethjens Gasthof, in dem sich die Künstler versammelten. Ein neu gebautes Restaurant neben dem Museum trägt ebenfalls den Namen Grethjens Gasthof. Hauptstraße 1, Alkersum mkdw.de
Dr.-Carl-HäberlinFriesen-Museum Im Jahr 1900 ließ sich ein Arzt aus Süddeutschland auf der Insel Föhr nieder. Sein Name war Dr. Carl Häberlin. Er begeisterte sich so für die Insel und ihre
Besonderheiten, dass er begann, Gegenstände zu sammeln, die von der Geschichte und den Menschen der Insel erzählen konnten. Nach ihm wurde später das kulturhistorische Museum in Wyk, dem Hauptort auf Föhr, benannt. Die Sammlung des Museums ist umfangreich und reicht von archäologischen Funden bis zu Gegenständen aus der Zeit als aus der Zeit als die Insel im 19. Jahrhundert ihr Kurbad im Seebad Wyk auf Föhr hatte, das durch den Besuch des dänischen Königs Christian VIII. in der Kurstadt bekannt wurde. Von der Blütezeit der Insel als Walfänger-
insel bis zur großen Auswanderung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als 40 % der konfirmierten jungen Männer der Insel nach Amerika gingen. Das älteste Haus der Insel, Haus Olesen, stammt aus dem Jahr 1617 und wurde 1927 von seinem ursprünglichen Standort abgebaut und auf dem Museumsgelände wiedererrichtet. Hier sind die Zimmer mit antiken Möbeln, Kacheln und Hausrat eingerichtet. Eine Mühle und eine alte Scheune wurden ebenfalls auf das Museumsgelände verlegt. Rebbelstieg 34, Wyk friesen-museum.de
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Fahretoft Das älteste Haus des Ortes ist als Museum eingerichtet und erzählt die unglaubliche Geschichte eines Mannes mit vielen Talenten.
Hans Momsen Haus Die Geschichte von Hans Momsen ist eine dieser unglaublichen Geschichten über einen Menschen, der so viel konnte, dass man es kaum fas sen kann. Er wurde 1735 in Fahretoft geboren, wo sein Vater, der einst in den Niederlanden als Navigationslehrer gearbeitet hatte, Bauer war. Als junger Mann bekam Hans Momsen eine Stelle als Landvermesser in Dithmarschen, der Marsch südlich der Eider, bevor er nach Hause zurückkehrte und den Hof übernahm. Er war nicht nur Bauer und Vater von neun Kindern, sondern brachte sich auch selbst viel über Mathematik und Astronomie bei. Er lernte Fremdsprachen, um Bücher zu beiden Themen zu lesen, und unterrichtete begabte Kinder in Fahretoft, wo die inzwischen geschlossene Schule nach diesem Multitalent benannt wurde. Übrigens eine Schule, in der Schüler auch auf Nordfriesisch unterrichtet wurden. Hans Momsen Haus Foto: Gerd Vahder
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Das Café im Hans-Momsen-Haus mit den gemütlichen alten Möbeln Foto: Gerd Vahder
Hans Momsen baute auch eine Orgel für die Kirche, die allerdings nicht lange in Betrieb war. Im Gegenzug hängt aber die Sonnenuhr, die er für die Kirche entworfen hat, immer noch über dem Eingang. Das Hans-Momsen-Haus ist um 1712 gebaut und damit das älteste Haus in Fahretoft. Es
liegt auf der Gabrielswarft. Viele Häuser in Fahretoft bezeugen heute noch den Halligcharakter.
Gabrielswarft, Kirche von Fahretoft cafeinhansmomsenhaus.de
Heute gibt es im Hans-MomsenHaus ein Café, in dem noch die alten Möbel, auf den Tischen gestickte Decken und an den Wänden Kacheln mit fries. Motiven zu sehen sind.
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Hallig Langeneß & Hooge Zwei Halligen mit zwei sehr schönen Häusern. Das eine hat 1.600 holländische Kacheln in der guten Stube. In dem anderen hat ein König übernachtet, als ein Sturm aufkam.
Eine Hallig ist eine Insel ohne Dämme, von denen es im norddeutschen Teil des Wattenmeeres zehn gibt. Bei Sturmflut wird die Hallig überschwemmt, bis auf die künstlich aufgeschütteten Erhebungen, den Warften, auf denen die Häuser gebaut sind. Hallig Langeneß mit 18 Warften, auf denen rund 130 Einwohner leben, ist 10 km lang und die größte von allen. Hallig Hooge ist die zweitgrößte mit fast 100 Einwohnern. Man erreicht die Halligen mit dem Boot und auf Hallig Hooge kann man sich mit der Pferdekutsche fortbewegen. Ansonsten eignen sich beide Halligen hervorragend zum Radfahren und Wandern.
Kapitän Tadsen Museum
Hallig mit auf einer Warft errichteten Häusern Eine typische Anpassung an die veränderliche Umgebung Foto: Carlos Arias Enciso
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1741 baute Kapitän Tade Volkerts, der auf holländischen Schiffen fuhr, ein Haus auf Hallig Langeneß, das bis 1981 im Besitz der Familie war. Heute ist das Haus der Öffentlichkeit zugänglich und der größte Teil des Einrichtung, vom Wohnzimmer bis zur Speisekammer,
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stammt von seinen ehemaligen Bewohnern. Das Haus ist nicht zuletzt bekannt für seine rund 1.600 holländischen Kacheln mit Bibelmotiven. Es ist nicht nur schön, sondern auch groß. Während einer Sturmflut 1825 wurde ein Großteil des Gebäudes zerstört. Beim Wiederaufbau wurde es gleichzeitig erweitert. Ketelswarft museen-sh.de
Königspesel auf Hallig Hooge
Hallig Langeness & Hooge Deutschland
1825 besuchte der dänische König Frederik VI. mit seinem Gefolge Hallig Hooge, aber bevor er die Hallig verlassen konnte, kam ein Sturm auf und die königliche Gesellschaft musste über Nacht auf der Hallig bleiben. Es wurde sofort der Alkoven im schönsten Haus der Hallig für sie geräumt, das der Witwe Stienke A. B. Hansen gehörte. Der König schlief im Alkoven im Pesel, wie die gute Stube des Hauses auf Friesisch genannt wird. Deshalb heißt das Haus seitdem „Königspesel“. Das Haus wurde 1776 vom wohlhabenden Kapitän und Schiffseigner Tade Hans Bendix erbaut. Das Haus ist wunderschön eingerichtet mit verschiedenen Einrichtungsgegenständen, die von Fahrten um die Welt mit nach Hause gebracht wurden, einschließlich vieler holländischer Kacheln mit biblischen Motiven. Hanswarft 1
Gemeinde Langeneß Foto: Gemeinde Langeness – Iris Dammann
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Hamburger Hallig An einem Ende dieser Hallig gibt es eine Gastwirtschaft. Auf dem Weg zur Hamburger Hallig passiert man einen Koog, in dem die Höfe durch eine gleichartige Architektur geprägt sind.
„Lammkoteletts über Deichgras geräuchert“. So könnte eine Mahlzeit aussehen – mitten im Wattenmeer. Dazu muss man zur Hamburger Hallig, genauer gesagt zur Warft im westlichsten Teil der Halbinsel entweder mit dem Rad oder dem Auto fahren oder wandern. Hier gibt es drei Gebäude und in einem befindet sich die Gaststätte Hallig Krog. Das zweite Gebäude beherbergt einen Servicestützpunkt für die Mitarbeiter des Nationalparks Wattenmeer und im dritten Haus sind die „Watt-Werkstatt“ des Nationalparks und eine Ausstellung über das Wattenmeer untergebracht. Im Winter ist die Hallig unbewohnt, aber im Sommer kommen fast 100.000 Tagesgäste zur Hamburger Hallig, um die besondere Natur mit vielen Schafen und einer reichen Vogelwelt zu erleben.
Hamburger Hallig Foto: Jörg Hansen
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Die Hamburger Hallig ist eine ehemalige Hallig, d. h. eine kleine, nicht eingedeichte Insel. Zwei Brüder aus Hamburg kauften 1624 die Hallig, daher der Name Hamburger Hallig, und begannen, die Insel einzudeichen. Doch im Laufe des
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Hamburger Hallig Foto: Oliver Franke, Nordfriesland-Tourismus GmbH
17. Jahrhunderts verschwanden die Deiche der Brüder und 1875 wurde die Hallig über einen Damm mit dem Festland verbunden. Neben der Ausfahrt zur Hallig steht auf dem Festland ein Gebäude, das Amsinck-Haus, wo man Fahrräder mieten und Informationstafeln finden kann.
Sönke-Nissen-Koog Auf dem Weg zur Hamburger Hallig passiert man die eingedeichte Marschlandschaft des Sönke-Nissen-Koogs, wo man über die einheitlichen Bauweise staunen kann. Die Höfe liegen alle entlang einer Nord-Süd-Achse auf dem Koog. Die Wohnhäuser stehen mit der Front zur Straße hin und die Wirtschaftsgebäude auf der Rückseite, alle mit weißen Wänden und hellgrünen Blechdächern.
Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gab es mehrere Versuche, die Fläche östlich von der Hamburger Hallig mit einer Größe von ca. 1.200 ha einzudeichen. Zuerst versuchte es der Staat, aber das Projekt wurde durch den Ersten Weltkrieg gestoppt. Nach dem Krieg griffen Bauern von den benachbarten Kögen das Projekt auf, bekamen aber die Finanzierung nicht zusammen, bis sie sich an Sönke Nissen wandten, der ursprünglich aus dem etwas weiter nördlich gelegenen Dorf Klockries stammte. Er war Ingenieur und hatte beim Bau einer Eisenbahnlinie im damaligen Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, gearbeitet, wo er viel Geld mit Diamanten verdient hatte. Er investierte in die Eindeichung, und die Höfe auf dem Koog wurden
nach Bahnhöfen in Deutsch-Südwestafrika benannt – Keetmanshoop und Elisabethbay. Er wurde nur 50 Jahre alt, aber seine Witwe und sein Sohn lebten weiter auf Elisabethbay. Sie heiratete später einen schwedischen Industriellen, der den Hof im August 1939 für ein Treffen nutzte, das die Weltgeschichte hätte verändert können. Eine englische Regierungsdelegation und Hermann Göring trafen sich auf diesem Hof zu dem Versuch, den bevorstehenden Krieg zu verhindern. Leider ohne Erfolg, wie wir ja alle wissen. Der Boden des Sönke-NissenKoogs gehört zu den fruchtbarsten in Deutschland. 2005 wurden 28 Höfe dort unter Denkmalschutz gestellt.
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Nordstrand Auf Nordstrand gibt es noch eine Vogelkoje, an der man sehen kann, wie früher Wildenten gefangen wurden, indem sie in eine Koje gelockt wurden.
Vogelkoje im Alten Koog Anfang des 20. Jahrhunderts wurden auf Nordstrand zwei Vogelkojen angelegt, eine im Alten Koog und eine im Trendermarschkoog. Hier wurden unzählige Wildenten gefangen. 1923 wurden in der Koje im Trendermarschkoog mehr als 23.000 Enten gefangen. Die Vogelkoje im Alten Koog wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aufgegeben, während die andere Vogelkoje noch bis 1965 in Betrieb war. Heute kann man nur noch die Vogelkoje im Alten Koog besuchen, um dort die zahlreichen Vögel zu beobachten. Die Koje am Puttenweg im Trendermarschkoog ist nicht zugänglich.
Die sogenannte „Pfeife“ der Vogelkoje, die zum Fangen von Wildenten verwendet wurde Foto: Wasabi Film
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Stockente Foto: John Frikke
Entenfang in Vogelkojen Bereits im 17. Jahrhundert waren Vogelkojen in Deutschland und Holland weit verbreitet. Darin wurden Enten gefangen, ohne einen einzigen Schuss abzugeben. Die Vogelkojen in Nordfriesland und im dänischen Teil des Wattenmeeres haben jedoch keine so lange Geschichte. Die erste Vogelkoje wurde 1866 auf Fanø errichtet, während die beiden Vogelkojen auf Nordstrand erst Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurden. Eine Vogelkoje besteht aus einem quadratischen oder sechseckigen künstlichen Teich, in dem an jeder Ecke ein Kanal ausgehoben wird. Die Kanäle werden mit Netzen oder Buschwerk abgedeckt. Die Fangmethode besteht darin, die Wildenten in die Kanäle zu locken, die jeweils in einer Reuse enden, aus der sie nicht entkommen können.
Nordstrand Deutschland
Es wurden speziell Enten gezüchtet, um sie als „Verräter“ einzusetzen, denn sie lockten die Wildenten in die Vogelkojen. Eine Schar Enten lernte, dass sich in der Vogelkoje viel Futter befand, das der Kojenwart dort ausgelegt hatte. Diese Enten wurden trainiert, bevor die großen Wildentenzüge im Frühling und Herbst durch das Wattenmeer kamen. Die zahmen Enten flogen selbst ins Wattenmeer, um nach Nahrung zu suchen. Wenn die Flut kam, flogen sie nach Hause zur Vogelkoje und hatten dann meistens viele Wildenten im Schlepptau. In der Vogelkoje sorgte der Kojenwart dafür, dass er in der richtigen Windrichtung stand, damit die Enten ihn nicht riechen konnten. Indem er Futter in den Kanal warf, lockte er die Enten in den Kanal, und wenn sie weit genug drin waren, konnte er ihn von der Teichseite aus schließen. Die Enten versuchten dann verzweifelt wegzuschwimmen und landeten in den Reusen, in denen sie stecken blieben.
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AUSERDEM
In Dänemark wurden die Vogelkojen nur über einen relativ kurzen Zeitraum genutzt, da das Jagdgesetz von 1931 das Fangen von Vögeln auf diese Weise untersagte, während die letzte Vogelkoje auf Nordstrand erst 1965 aufgegeben wurde. Die meisten Vogelkojen gab es in Holland, wo es weit über 100 waren. Das Wort Vogelkoje leitet sich von dem niederländischen Wort vogelkoije ab. Kooi bedeutet Falle.
Vogelkoje Foto: Wasabi Film
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Husum Früher war Husum weit vom Wattenmeer entfernt, aber das änderte eine der schlimmsten Sturmfluten. Heute ist Husum eine hübsche Handelsstadt, unter anderem mit dem Museum Nissenhaus. Es war eine Katastrophe, die die Entwicklung von Husum in Gang setzte. Im Jahr 1362 tobte im Wattenmeer in Nordfriesland drei Tage lang eine Sturmflut. Tausende Menschen kamen ums Leben, Marschgebiete und große Teile von Inseln verschwanden im Meer. Als der Wind nachließ, konnten die Bewohner von Husum feststellen, dass das Meer bis zur Geest (Anhöhe) vorgedrungen war, auf der Husum lag. Damit erhielt die Stadt plötzlich direkten Zugang zur Nordsee, und es wurde ein Hafen gebaut.
Sturmflutsäule in Husum Foto: Wasabi Film
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Husum wird 1252 zum ersten Mal urkundlich erwähnt und hieß dann Husumbro, ein Ort, an dem die Viehtreiber auf dem Ochsenweg vorbeikamen. Nach dem Bau des Hafens erhielt die Stadt einen großen Viehmarkt, der für Husum und das Umland eine große Bedeutung erhielt. Von Husum aus wurde Getreide aus Nordfriesland verschifft, hauptsächlich in die Niederlande. Der Verkehr durch Husum wurde auch von dem dänischen König Christian I. unterstützt, der Amsterdam 1461 das Recht auf eine
sowohl für den Hafen als auch für die Geschäfte und Gasthäuser der Stadt.
Die Stadt wuchs und gedieh und wenn man heute auf dem großen Marktplatz der Stadt oder unten am Hafen steht, kann man noch einige der schönen Kaufmannshäuser aus der Blütezeit der Stadt vom 15. bis 17. Jahrhundert sehen.
Nordfriesland Museum Nissenhaus
Mitten auf dem Platz steht die Marienkirche. Hier gab es viele hundert Jahre lang eine Kirche, aber zwischen 1828 und 1833 wurde eine völlig neue Kirche gebaut, die von dem Architekten und königlichen Hofbaumeister Christian Frederik Hansen, C.F. Hansen, entworfen wurde. Sein Vater kam aus Husum. Er war der große Architekt klassizistischer Bauwerke im Norden. Von ihm stammen u. a. der Dom in Kopenhagen, die Schlosskirche in Christiansborg und die Vonsild-Kirche südlich von Kolding. Viele Jahre lang wurde auf dem großen Marktplatz mitten in der Stadt der Viehhandel betrieben, der sich jedoch später nördlich der Stadt und des Schlosses etablierte. Der Viehmarkt war bis zu seiner Schließung 1970 von großer Bedeutung für die Stadt,
Es gab einmal im Wattenmeer eine Stadt namens Rungholt. Viele Jahre lang glaubte man tatsächlich, diese Stadt sei ein Mythos, aber Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass es die Stadt Rungholt tatsächlich 1362 in einer Nacht im Meer versank. Damals traf die gewaltige Sturmflut, die als Zweite Marcellusflut oder „Grote Mandränke“ in die Geschichte einging, Nordfriesland und zerriss die gesamte Landschaft des Wattenmeeres. Inseln verschwanden, andere wurden geteilt und die Stadt Rungholt und alle ihre Bewohner verschwanden im aufgewühlten Meer. Diese Geschichte wird im Nord friesland Museum Nissenhaus in Husum erzählt. Aber es gibt noch viele weitere Geschichten im Museum zu Sturmfluten, Küstenschutz, Deichbau und dem Leben am Wattenmeer zu entdecken. Das Museum ist auch bekannt als Nissenhaus, benannt nach Ludwig Nissen (1855-1924), der sein Vermögen und seine Kunstsammlung seiner Heimat-
Schiffahrtsmuseum
Husum Deutschland
Handelsroute von Husum nach Flensburg und von dort weiter in die Ostsee gewährte.
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Nissenhaus, NordfrieslandMuseum Foto: Husum-tourismus.de
stadt Husum schenkte. Als junger Mann wanderte er 1872 nach New York aus, und trotz eines schwierigen Anfangs in der großen Einwandererstadt gelang es ihm, eine Karriere im Perlen- und Diamantenhandel aufzubauen. Er wurde ein sehr angesehener Geschäftsmann, und war bei verschiedenen Gelegenheiten Berater von Präsident Roosevelt, ebenso wie Jacob Riis, Auswanderer aus Ribe (Seiten Zahl! Seite 14). 1937 wurde das Nissenhaus als Museum eingeweiht, in dem auch Platz für die Geschichte des Namensgebers ist. Herzog Adolfl Strasse 25 museumsverbund nordfriesland.de
Es gab eine Zeit, in der Husum im norddeutschen Hinterland lag, aber mehrere heftige Sturmfluten, nicht zuletzt die Sturmfluten von 1362 und 1634, veränderten die Landschaft vollständig. Damals wurden große Gebiete und Inseln weggespült und schließlich erhielt Husum direkten Zugang zum Meer. Die dramatischen Veränderungen in der Landschaft von Husum aus sind im Schifffahrtsmuseum am Hafen von Husum dokumentiert. Die Sammlung des Museums umfasst alte Schiffswracks, u. a. einen kleinen holländischen Frachtsegler, der vor 400 Jahren vor Husum unterging. Die Besatzung bestand aus zwei Mann, die Getreide transportierten. Das Schiff wurde 1994 gefunden und ist heute Teil der Ausstellung, zu der auch Gallionsfiguren, Schiffskarten, Schiffsmodelle und vieles mehr gehören. Zingel 15 schiffahrtsmuseum-nf.de
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Nationalpark-Haus Husum Direkt neben dem inneren Hafen von Husum befindet sich das Nationalpark-Haus Husum, ein Besucherzentrum mit vielen Informationen über das Wattenmeer, über Natur und Vogelwelt sowie darüber, wie man zu Wattwanderungen oder Ausflügen ins Wattenmeer kommt. Im Besucherzentrum gibt es auch einen Weltladen, in dem Fairtrade-Waren aus weiten Teilen der Welt verkauft werden. Hafenstrasse 3 nationalpark-wattenmeer.de
Theodor-Storm-Haus Theodor Storm wurde Anwalt wie sein Vater. Er wurde in Husum geboren und wuchs dort auf und kehrte nach Abschluss des Jurastudiums in Kiel in seine Heimatstadt zurück. Neben seinem Studium und seiner Arbeit schrieb er zahlreiche Gedichte und Kurzgeschichten. 1853 ging er nach Berlin ins Exil, als er sich nach der Niederlage SchleswigHolsteins gegen Dänemark im Ersten Schleswig-Holsteinischen Krieg weigerte, eine Treueerklärung gegenüber dem dänischen König zu unterzeichnen. Als er 1866 nach Husum zurückkehrte, zogen er und seine Frau in die große Kaufmannsvilla mit 14 Zimmern in der Wasserreihe im Zentrum von Husum, ein. Hier lebte er 14 Jahre und war zunächst als Landvogt und dann als Richter tätig. 1888 vollendete er seine wohl berühmteste Novelle „Der Schimmelreiter“, in der es um einen Deichgrafen geht. Er starb später im selben Jahr. Sein Haus ist heute als Museum eingerichtet, wo man in den schönen Räumen u. a. den Schreibtisch sehen kann, an dem er den Schimmelreiter geschrieben hat.
AUSERDEM
Schloss Husum Wenn Sie das Schloss vor Husum etwas an das Schloss Frederiksborg in Hillerød erinnert, dann aus gutem Grund, denn das dänische Schloss in Nord-Seeland war das Vorbild, als das Schloss in Husum in den Jahren 1577-1582 erbaut wurde. Das dreiflügelige Schloss wurde im niederländischen Renaissancestil erbaut und diente im 17. Jahrhundert als Witwensitz für Herzoginnen von Gottorp u. a. Herzogin Augusta, Tochter Friedrichs II. Als sie in dem Schloss lebte, wurde es zu einem kulturellen Zentrum. Nach dem Großen Nordischen Krieg wurde Schleswig-Holstein 1721 dänisch – ebenso das Schloss von Husum. Heute haben mehrere kulturelle Einrichtungen ihren Sitz im Schloss. Zum einen ist das die Musikschule und zum anderen ein Puppentheater-Museum. Außerdem können Besucher im kulturhistorischen Teil des Schlosses sehen, wie die ehemaligen Bewohner ihre Salons und Schlafzimmer eingerichtet hatten. Dort hinterlassen nicht zuletzt große und reich verzierte Kamine einen großen Eindruck. Das Schloss ist von einem Wallgraben umgeben auf der Schlossinsel befindet sich eine Garten- und Parkanlage, die für ihren Teppich aus violetten Krokussen im Frühjahr bekannt ist. Im Park steht eine Büste des großen Schriftstellers der Stadt, Theodor Storm. König Friedrich V Allee museumsverbund-nordfriesland.de
Schloss Husum Foto: Wasabi Film
Roter Haubarg
Dieser Baustil war mehr oder weniger auf die Halbinsel Eider-
stedt beschränkt, wo es Mitte des 19. Jahrhunderts fast 500 Bauwerke dieser Art gab. Zu dieser Zeit verlor der Hoftyp jedoch an Bedeutung und wurde durch andere Baustile ersetzt. Heute gibt es noch ca. 45 Haubarg-Höfe in Eiderstedt, von denen der Rote Haubarg der einzige öffentlich zugängliche ist. In der beeindruckenden Scheune erzählen Plakate vom Baustil und seiner Geschichte. Ergänzt wird die Ausstellung durch alte landwirtschaftliche Geräte. Im ehemaligen Wohnbereich ist ein gemütliches Restaurant in kleinen Räumen mit alten Gemälden, Möbeln und Kacheln eingerichtet. Im Roten Haubarg steht die Skulptur eines Teufels, die sich auf eine Legende über einen jungen armen Mann bezieht, der in einem kleinen Haus an der Stelle lebte, an der sich heu-
te der Rote Haubarg befindet. Er hatte sich in die Tochter des Schmieds verliebt, die weiter oben lebte, und wollte in einer Nacht mit Hilfe des Teufels einen schönen Hof bauen, damit sich die Ablehnung des Schmieds in Wohlwollen für eine Ehe zwischen dem jungen Mann und der Tochter verwandeln sollte. Es fehlte zwar noch ein Fenster, bevor der Hahn krähte, aber der Schmied erlaubte dem jungen Mann trotzdem, seine Tochter zu heiraten. Sand 5, Witzwort roterhaubarg.de
Husum Deutschland
Wenn man mitten in einem Haubarg steht, muss man den Kopf weit nach hinten legen, um bis zur Dachspitze zu schauen. Der überdachte Innenhof ist überwältigend. Der Baustil Haubarg wurde im 17. Jahrhundert von den Holländern auf die Halbinsel Eiderstedt mitgebracht. Es lässt sich am besten als Vierseitenhof beschreiben, der insgesamt mit einem großen, spitzen Reetdach bedeckt ist. Mit anderen Worten, auch der Innenhof selbst ist mit dem Dach bedeckt. Das enorme Dach wird von vier oder sechs riesigen Ständern getragen. So konnten alle Arbeiten auf dem Hof im Trockenen und von Wind geschützt stattfinden. Sollte eine Sturmflut so heftig werden, dass sie die Mauern niederreißt, könnten die Bewohner des Haubargs nach oben auf den Heuboden klettern.
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RUNDT UM HUSUM
Roter Haubarg. Ein Haubarg ist ein beeindruckendes Bauwerk. Die Architektur wurde aus den Niederlanden importiert Foto: Wasabi Film
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Eiderstedt Südlich von Husum liegt die Halbinsel Eiderstedt mit einer Vielzahl von Sehenswürdigkeiten – vom Gutshaus bis zum Dorfladen und vom Eidersperrwerk bis zum Leuchtturm Westerhever.
Herrenhaus Hoyerswort Das Herrenhaus Hoyerswort in Oldenswort hatte einige Jahre im Dornröschenschlaf verbracht, bevor es 2011 vom Keramiker Alfred Jordy wieder geweckt wurde. Er hatte auf Sylt eine Töpferwerkstatt betrieben, wollte aber aufs Festland und kaufte daher das Herrenhaus, das dringend eine liebevolle Hand brauchte. Heute ist Hoyerswort ein kultureller Treffpunkt, an dem es Konzerte und Ausstellungen gibt. Ein Teil des Schlosses ist zu besichtigen ist und man kann in einem der Räume eine Kaffee- oder Mittagspause einlegen. Zudem gibt es hier drei Ferienwohnungen und die Keramikwerkstatt von Alfred Jordy, die in der ehemaligen Kapelle des Schlosses eingerichtet ist. Von März bis November führt der Hausherr jeden Mittwoch Besucher durch das Haus. Neben dem Herrenhaus steht ein Haubarg, der für größere Veranstaltungen und Festlichkeiten genutzt wird. Das Herrenhaus Hoyerswort Foto: Wasabi Film
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Hoyerswort ist das einzige Herrenhaus auf Eiderstedt und wurde
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Ende des 16. Jahrhunderts von Caspar Hoyer erbaut. Sein Vater, Lange Harm Hoyer, war mehrere Jahre lang Heerführer des dänischen Königs Friedrich I. Er wurde geadelt und mit einer unehelichen Tochter von König Friedrich I. verheiratet. Als sie starb, heiratete der Heerführer eine weitere uneheliche Tochter desselben Königs, und sie bekamen einen Sohn, Caspar Hoyer, der ein sehr wohlhabender Mann und Rat des Herzogs von Gottorf wurde. Das Herrenhaus hat mehrere Verbindungen zu Dänemark. Im Rahmen des Großen Nordischen Krieges wurde die Stadt Tönning belagert. Die schwedischen Soldaten in der Stadt waren von russischen, polnischen und sächsischen Soldaten umringt. Während der Belagerung hielt sich der dänische König Frederik IV. im Herrenhaus Hoyerswort auf, bis er dort die schwedische Kapitulation entgegennahm. Hoyerswort, Oldenswort hoyerswort.de
Eiderstedt Deutschland
Haus Peters Klingelingeling. Die zarte Glocke ertönt, sobald man den Kaufmannsladen Haus Peters betritt, in dem das Geschäft fast wie vor 200 Jahren aussieht. In den Regalen stehen heutige Waren, aber es gibt auch Dosen, Kartons und Tüten, die an das Lebensmittelgeschäft der Vergangenheit erinnern. Das Geschäft wurde 1820 vom Lebensmittelhändler Peters eröffnet und bis 1924 von seinen Nachkommen geführt. Der Laden ist im feinsten Biedermeier-Stil eingerichtet, für den es auch im Schlafzimmer und im Wohnzimmer schöne Beispiele gibt. 1991 wurde ein Verein gegründet, um das Geschäft in dem
Der bekannte Leuchtturm Westerheversand Foto: Wasabi Film
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Kulturführer Wattenmeer Der dänische und der norddeutsche Teil des Wattenmeeres Eiderstedt Deutschland
roten Haus zu erhalten, wo es auch permanente und wechselnde Kunstausstellungen gibt. Dörpstraat 16, Tetenbüll haupeters.info
Leuchtturm Westerheversand Der rot-weiße Leuchtturm, der über 40 m hoch ist und sein Licht etwas mehr als 50 km weit über das Wattenmeer sendet, wurde unzählige Male gezeichnet, gemalt und fotografiert und ist heute das beliebte Wahrzeichen von Eiderstedt. Er steht ganz an der Westseite der Halbinsel und hat seit über 100 Jahren Schiffe durch die Sandbänke des Wattenmeeres geleitet. Der Turm wurde
1906-07 erbaut und steht auf 127 langen Eichenpfählen. Er befindet sich ca. 1 km vom Seedeich entfernt, und ist nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen. Der Leuchtturm steht zwischen zwei gleich aussehenden Häusern, die früher Leuchtturmwärterhäuser waren. Heute organisiert der Nationalpark Wattenmeer in diesen Häusern Ausstellungen über das Wattenmeer Die Häuser werden heute von Zivildienstleistenden der Schutzstation Wattenmeer bewohnt. Der Weg zum und vom Turm führt über die Strandwiese entlang des alten, sanierten Stockstiegs.
Für das Besteigen des Turms, von dem aus man einen weiten Blick auf das Wattenmeer und Eiderstedt hat, wird eine Eintrittskarte benötigt. Diese ist im Informationsgebäude auf dem Parkplatz erhältlich. Westerhever ist der Name des kleinen Dorfes, durch das man auf dem Weg zum und vom Seedeich am Leuchtturm fährt. Dort sehen Sie auch die Kirche und einige alte Bauernhöfe auf Warften.
St. Peter-Ording Weit draußen auf der Sandbank im Wattenmeer stehen drei Häuser auf hohen Pfählen. Dies sind aber nicht die einzigen Pfahlbauten in Sankt
Die charakteristischen Pfahlbauten, von denen einige Restaurants sind Foto: Wasabi Film
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Peter-Ording. Es gibt sie an 5 Stellen an dem 12 km langen und fast 2 km breiten Strand. In dem einem Haus befindet sich ein Restaurant, das zweite ist das Toilettengebäude und das dritte eine Rettungsschwimmerstation. Der erste Pfahlbau wurde 1911 auf einer Sandbank errichtet. Um dorthin zu gelangen, musste man durch einen sogenannten Priel (einen Wasserlauf im Watt) schwimmen oder mit dem Boot fahren. 1926 wurde die erste Brücke zu den Pfahlbauten gebaut. Brücke und Häuser sind heute eine Touristenattraktion, da der Weg durch die Salzwiesen an den Pfahlbauten endet. St. Peter-Ording ist heute in Deutschland ein sehr bekannter und beliebter Urlaubsort, der sich aus mehreren Ortsteilen zusammensetzt. Im Ortsteil Bad befindet sich das beliebte Freizeit- und Erlebnisbad Dünen-
therme und viele Restaurants, Cafes und Geschäfte. Vor einigen hundert Jahren war dieses Gebiet nicht besonders attraktiv, da es aufgrund des ewigen Sandflugs und häufiger Überschwemmungen schwierig war, das Land zu bewirtschaften. Der dänische König Friedrich VII. beschloss daher, einen Wald anzulegen, um das Verwehen des Sandes zu verhindern. Im Ortsteil Dorf, direkt gegenüber der auf einer beeindruckenden Warft gelegenen Kirche St. Peter, liegt das kleine Museum der Landschaft Eiderstedt in einem der wenigen erhaltenen alten Häuser. Hier kann man sehen, wie sich die Landschaft der gesamten Halbinsel entwickelt hat. Außerdem gibt es in dem Museum mehrere Wohnzimmer mit Kacheln und schöne, alte Möbel zu bewundern. Olsdorfer Strasse 6 museum-landschaft eiderstedt.de
Eiderstedt Deutschland
Innenraum des alten Lebensmittelladens im Haus Peters Foto: Wasabi Film
1962 wurde Norddeutschland von einer heftigen Sturmflut heimgesucht, die Hamburg und Bremen schwer traf, aber auch das ganze Land entlang der Eider, u. a. Tönning. Nach der Sturmflut begann man mit dem Bau von Deichen und des 4,9 km langen Damms an der Eidermündung im Wattenmeer. Nach fünfjähriger Bauzeit war das Eidersperrwerk fertig. Es besteht aus fünf großen Schleusenkammern mit jeweils zwei 40 m langen Toren. Über die Regulierung der Schleusen tore wird das Hinterland entwässert. Bei Sturmfluten werden die Schleusentore geschlossen und es wird damit verhindert, dass das Wasser aus der Nordsee das Flusswasser der Eider nicht ins Hinterland drücken kann. In der Vergangenheit konnte eine Sturmflut zu Hochwasser bis nach Rendsburg führen.
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Eidersperrwerk
Am nördlichen Endebefindet sich eine Schleuse, in der kleinere Schiffe vom Fluss ins Wattenmeer und umgekehrt gelangen können. Eine Straße über den Damm verbindet Eiderstedt mit Dithmarschen im Süden. Es gibt Parkplätze nördlich und südlich des Damms, wobei der nördliche direkt vor den Schleusentoren liegt.
Die Sturmflutsäule von Sankt Peter-Ording Foto: Wasabi Film
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Tönning Eine alte Hafenstadt, in der glücklicherweise viele der alten Häuser am Hafen erhalten geblieben sind. In der Nähe der Stadt befindet sich ein familienfreundliches Wattenmeerzentrum.
Tönning ist eine hübsche kleine Hafenstadt in der Nähe der Eidermündung. Der Hafen besteht aus einem gewinkelten Kanal und wird heute hauptsächlich von Sportbooten genutzt. Die Geschichte des Hafens reicht bis in das frühe 17. Jahrhundert zurück. Er gewann schnell an Bedeutung als Exporthafen für Butter und Käse von den Bauernhöfen auf Eiderstedt. Mitte des 19. Jahrhunderts verzeichnete der Hafen ein großes Wachstum, als die Engländer begannen, Fleisch zu importieren, um den Bedarf ihres Landes zu decken, das durch eine zunehmende Industrialisierung gekennzeichnet war. Aber schon Ende des 19. Jahrhundert ging es schnell bergab. Die Engländer hörten auf, Fleisch aus Europa zu importieren, und mit der Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals 1895, der größeren Schiffen Platz bot, schwand die Bedeutung des Hafens.
Ein Speicher im malerischen Hafen von Tönning Foto: Wasabi Film
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Die guten Jahre haben jedoch viele Häuser in Tönning geprägt, sowohl entlang des Hafenkanals als auch auf dem Markt, auf dem sich die große St.-Laurentius-Kirche befindet.
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Das Aquarium im Multimar Wattforum. Die Ausstellung informiert über das Welterbe Wattenmeer Foto: Wasabi Film
Wenn man den kleinen weißen Fischen auf dem Bürgersteig folgt, kommt man zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Am Hafen steht eine Sturmflut säule, an der man eindrucksvoll sehen kann, wie hoch das Wasser in Tönning bei verschiedenen Sturmfluten auflief.
Multimar Wattforum schwimmen die verschiedensten Fische umher, vom winzigen Seepferdchen bis zu kleinen Haiarten und selteneren Arten, wie einem Lippfisch.
Im Multimar Wattforum lernen die Besucher durch Drücken von Knöpfen und Ziehen von Schubladen etwas über das Leben im Wattenmeer und in der Nordsee. So kann man durch Hineindrücken eines Griffs Seegang verursachen und seinen eigenen kleinen Sturm erzeugen und sehen, wie dieser sich auf das Watt auswirkt. Gleichzeitig soll mit den Exponaten die Bereitschaft der Besucher verstärkt werden, etwas für das Klima zu tun, vom Ausschalten des Lichts bis zur gezielten Düngung durch die Landwirte.
Das Multimar Wattforum ist ein familienfreundliches Wattenmeerzentrum, in dem Kinder, Jugendliche und Erwachsene viel über das Wattenmeer lernen können. Das Zentrum zog seit seiner Eröffnung 1999 viel mehr Gäste als erwartet an und wurde bereits neun Jahre später erweitert. Draußen gibt es auch einen großen Spielplatz mit Lernelementen. Das Multimar Wattforum bietet eine schöne Aussicht auf die Eider und liegt in der Nähe des kleinen Hafens von Tönning. Dithmarscher Strasse 6a multimar-wattforum.de
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Das NAKUWA-Projekt Nachhaltiger Natur- und Kulturtourismus UNESCO-Welterbe Wattenmeer Im Rahmen des NAKUWAProjekts sind die Projektpartner für die Umsetzung von sechs Arbeitspaketen verantwortlich. Das Projekt will grenzüberschreitende Produkte und Angebote
Radfahren
Wandern
im Natur- und Kulturtourismus im Zusammenhang mit dem Weltnaturerbe Wattenmeer entwickeln und vermarkten. Schlüsselthemen innerhalb des NAKUWA-Projekts sind:
Vogelbeobachtung
Besichtigungen
Kultur
Themen Die grenzüberschreitenden Herausforderungen, mit denen sich das NAKUWA-Projekt beschäftigt, sind u.a.: 1. Entwicklung von Angeboten für Naturund Kulturerlebnisse als integraler Bestandteil eines nachhaltigen Tourismusziels Welterbe Wattenmeer. 2. Entwicklung mehrerer gut funktionierender und nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen sowie Transport-, Beherbergungs- und Restaurantbetriebe, die alle von hoher Qualität sind und auch zur nachhaltigen Entwicklung des Tourismus beitragen können.
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3. Das Kulturangebot am Wattenmeer ist nicht in der Nominierung zum Welt erbe enthalten, aber die vom Menschen beeinflussten Landschaften. So tragen die Deiche, Kanäle, Schleusen sowie die kleinen ländlichen Gemeinden und die historischen Städte, die Baukultur mit der friesischer Architektur und der Bau auf Warften und Geesten zum Erscheinungsbild der Wattenmeerregion maßgeblich bei. Die Geschichte dieser Landschaft mit der Natur als eine sehr gegenwärtige Kraft, die lokalen Traditionen, z. B. in den Bereichen Musik, Tanz, Essen, Handwerk ist einzigartig und so schützens- und erhaltenswert wie das Weltnaturerbe selbst.
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Vogelbeobachtung
Willkommen im Vogelparadies Der Nationalpark Wattenmeer ist ein Paradies für Vögel – und für Vogelbeobachter. Vogelbeobachtung ist eine beeindruckende Naturerfahrung und hilft uns zu verstehen, warum das Wattenmeer so einzigartig ist und geschützt werden muss. Wenn Sie Vögel in freier Wildbahn betrachten möchten, müssen Sie wissen, wann und wo welche Arten zu sehen sind, und Sie benötigen
ein gutes Fernglas oder ein Teleskop. Wir empfehlen Ihnen daher die Vogelbeobachtung mit einem lokalen Führer. Hier finden Sie viele Anbieter von Vogelbeobachtungstouren und die besten Vogelbeobachtungs plätze in der dänischen und Schleswig-Holsteinischen Wattenmeerregion:
www.nationalpark-wattenmeer.de/sh/vogelbeobachtung
Foto Wasabi Film
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D A S W AT T E N M E E R I N D Ä N E M A R K U N D N O R D F R I E S L A N D
Dieses Projekt wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert. Lesen Sie mehr über Interreg auf www.interreg5a.eu