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Rätsel
Der Wert unseres Skikulturerbes
Eines Morgens erscheint eine fröhliche Kinderschar im Presseraum der Lauberhornrennen. Es ist die 3. und 4. Primarklasse von Wengen, eine bunt zusammengewürfelte Gruppe mit Buben und Mädchen aus aller Herren Länder – multikulti im Berner Oberland. Interessiert schauen sie den Journalisten über die Schultern, was sie in ihre Laptops tippen. Einer zeigt ihnen einen Beitrag über das 90-Jahr-Jubiläum. Er ist bebildert mit früheren Cracks wie Karl Schranz oder auch Ernst Gertsch, Gründer und erster Sieger der Rennen. Da meldet sich einer und sagt nicht ohne Stolz: «Das ist mein Urgrossvater!» Es ist Niklas Gertsch, Sohn von Philipp Gertsch, Enkel von Viktor Gertsch und eben Urenkel von Lauberhorn-Vater Ernst Gertsch. Der Besuch der Schüler im Medienzentrum ist nur ein kleine Episode im Rahmen der 90. Lauberhornrennen – aber mit Symbolkraft. Allmählich wächst die nächste Generation der Skipioniere von damals heran. Sie wird das Erbe ihrer Väter, Grossväter und Urgrossväter übernehmen und einiges aus anderer Optik betrachten. Der Ski- und Schneesport befindet sich im Wandel. Verdienstvolle Persönlichkeiten treten ins zweite Glied. In Wengen hat der leider schon verstorbene Viktor Gertsch den Stab vor sechs Jahren Urs Näpflin übergeben. Nach 14 Jahren hört Geschäftsführer Markus Lehmann auf. In Adelboden gab Präsident Peter Willen nach 25 Jahren sein Amt ab. Und bei der FIS verlässt Gian Franco Kasper nach 22 Jahren die oberste Kommandobrücke. Neue Leute mit neuen Ideen übernehmen das Ruder. Das ist gut so und hilft, teilweise ver
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Richard Hegglin war als Agenturjournalist während vier Jahrzehnten für den Skisport unterwegs und sass 20 Jahre im FIS-Weltcup-Komitee. Heute schreibt er für Snowactive und diverse Tageszeitungen.
krustete Strukturen aufzubrechen. Aber als Basis bleibt das, was unsere Vorfahren erarbeitet und uns hinterlassen haben – einen faszinierenden Sport, der weitergepflegt und entwickelt werden muss mit einem gesunden Mix zwischen Tradition und Fortschritt. Friktionen sind unvermeidlich, unterschiedliche Meinungen gab es immer. Ich erinnere an den Zwist von zwei Urvätern des Skijournalismus, Serge Lang und Karl Erb. Lang war Initiant des Weltcups, Erb jedoch dagegen, weil er einen Bedeutungsverlust der damaligen Klassiker wie Gornergrat-Derby oder Blauherd-Abfahrt befürchtete, beide übrigens in Zermatt. Sie rauften sich zusammen, und im Januar 1967 fand am Lauberhorn die erste WeltcupAbfahrt statt – der Beginn einer neuen Ära im Skisport. Serge Lang dirigierte den Weltcup in jovialdiktatorischem Stil, bis er der FIS zu stark wurde. Oft entstanden Konflikte – auch ums Geld. Die Vorstellungen der verschiedenen Player – FIS, Landesverbände, Ausrüster, Veranstalter und Athleten – liefen zuweilen diametral auseinander. Bernhard Russi erkämpfte als erster mit einer sogenannten B-Lizenz den Profi-Status. Aber
IMPRESSUM
Snowactive Februar 2020, 53. Jahrgang; erscheint 4-mal jährlich ISSN 1661-7185
Herausgeber und Verlag Strike Media Schweiz AG, Gösgerstrasse 15, 5012 Schönenwerd, Telefon 062 858 28 20, Fax 062 858 28 29 in Kooperation mit Swiss-Ski, Postfach, 3074 Muri, Telefon 031 950 61 11, Fax 031 950 61 12 Redaktion Snowactive Gutenbergstrasse 1, 4552 Derendingen, Telefon 058 200 48 28 Verlagsleitung Wolfgang Burkhardt Redaktionsausschuss Joseph Weibel (Leitung; j.weibel@snowactive.ch), Röbi Brandl, Wolfgang Burkhardt, Christian Stahl (Leitung; christian.stahl@swiss-ski.ch), Roman Eberle (roman.eberle@swiss-ski.ch), Annalisa Gerber (Sponsoring; annalisa.gerber@swiss-ski.ch)
Foto redaktion Erik Vogelsang Inserate Prosell AG, Schönenwerd, Rebekka Theiler (r.theiler@prosell.ch), Wolfgang Burkhardt (w.burkhardt@prosell.ch) Übersetzungen Syntax Übersetzungen AG, Thalwil Konzept, Design und Produktions verantwortung Brandl & Schärer AG, Olten, Röbi Brandl, Kurt Schärer Aboservice Prosell AG, Schönenwerd, info@prosell.ch, Telefon 062 858 28 28 Jahresabonnement CHF 49.– für ein Jahr, CHF 89.– für zwei Jahre (inkl. MwSt.) Copyright Strike Media Schweiz AG, Gösger strasse 15, 5012 Schönenwerd Nachdruck Nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion gestattet www.snowactive.ch, feedback@snowactive.ch, info@snowactive.ch
erst in den 90er-Jahren flossen (bescheidene) Preisgelder, nachdem die Girardellis u. a. argumentiert hatten: «Sogar die Bowlingspieler kassieren mehr als wir Skifahrer.» Auch die Organisatoren fighteten immer wieder um ihre Budgets. Viktor Gertsch bezeichnete einst den gezielten Vertragsbruch mit Kuoni als «schwärzeste Stunde» seiner Amtszeit. Er konnte der Konkurrenzofferte von Manager Marc Biver, der das Doppelte bot, nicht widerstehen und bezahlte eine sechsstellige Konventionalstrafe – ein Ehrenmann gewissermassen in Notwehr beim Überlebungskampf der Lauberhornrennen. Ein anderes Mal entstand Wirbel um einen österreichischen Sponsor im Slalom, der dann im letzten Moment durch Wallis Tourismus ersetzt wurde – auch das nicht ganz nach dem Gusto der Berner Oberländer. Und schon deutet Sölden-Zampano Jack Falkner beiläufig an, Werbung am Hundschopf könnte er sich durchaus vorstellen ... Kreativität ist von allen gefragt, aber noch mehr die moralische Verpflichtung gegenüber unseren Vorfahren und Urvätern, den Skisport in ihrem Sinn und Geist weiterzuführen und zu entwickeln. Und nach einvernehmlichen Lösungen zu suchen – losgelöst von individuellen Befindlichkeiten. Zur Erinnerung: Adelboden und Wengen sind neben Kitzbühel die einzigen Veranstalter, die schon beim Weltcup-Start 1967 dabei waren. Sie sind unser Skikulturerbe – und dieses Jahr sogar mit Schweizer Siegern an beiden Orten. Das gab es vorher erst einmal, 2003 durch Didier Cuche und Bruno Kernen. Und wir reden tagelang nur übers Geld. RICHARD HEGGLIN
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