Sepp Odermatt

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Geschichten, die das Leben schreibt 27 Jahre lang teilten sich Sepp Odermatt (52) und seine Ursula alles. Tisch, Bett, Glück, Leid, Einnahmen, Ausgaben und zur Not auch mal die Zahnbürste. Bis Ursula eines Tages aus dem Haus ging und nie mehr zurückkehren sollte. Eigentlich kann ich nur jedem Kind wünschen, dass es eine so schöne Jugend verbringen kann, wie ich eine hatte. Ich bin in einem malerischen Ort im Kanton Solothurn aufgewachsen, hatte Schwestern und liebe Eltern, die uns in allen Belangen förderten. Weil meine besonderen Fähigkeiten eher im handwerklichen Bereich lagen, entschied ich mich für den Beruf des Schleifers. Naja, vielleicht war es auch darum, weil wir eine Schleiferei im Nachbardorf hatten, die ich bequem mit dem Velo erreichen konnte. Meine Frau war mein grosses Glück. Ich war 22ig und wohnte noch bei meinen Eltern, als ich Ursula kennenlernte. Es tönt vielleicht ein bisschen kitschig, aber sie war nicht nur meine erste Liebe, sondern es war auch Liebe auf den ersten Blick. Kaum hatten wir den ersten Kuss ausgetauscht, gab es für mich kein Halten mehr. Obwohl sie ein paar Jährchen älter war als ich und bereits zwei kleine Kinder hatte, wurden wir vom Fleck weg ein Paar. Und ich sollte es nicht bereuen. Während fast 30 Jahren gingen wir durch dick und dünn. Klar stritten auch wir uns wegen des Geldes, wegen der Kinder, wegen dem hochgeklappten Klodeckel und den herumliegenden Socken, aber unsere Liebe füreinander federte auch die grössten Krisen ab. Wir hatten es so gut zusammen, dass wir auf Freunde und Kollegen um uns herum fast gänzlich verzichteten.

Der Tod nahm mir nicht nur meine Frau, sondern auch alles sonst, was mir lieb war.

Bis unsere Beziehung auf einen Schlag – im wahrsten Sinne des Wortes – zu Ende ging. Aus heiterem Himmel schied meine Ursula an einem grauen Novembermorgen durch einen Herzschlag aus dem Leben. Plötzlich war ich alleine auf dieser Welt. Der Tod meiner geliebten Partnerin, die jahrzehntelang mein Ein und Alles war, riss mir komplett den Boden unter den Füssen weg. Ich konnte nicht mehr essen, nicht mehr schlafen und nicht mehr arbeiten. Aber nicht nur seelisch war ich am Ende, sondern auch materiell. Weil ich nämlich nicht mit Ursula verheiratet war und sie kein Testament hatte, «verlor» ich unser gemeinsames Haus an ihre beiden erwachsenen Kinder. So musste ich auf einen Zeltplatz ziehen, wo ich während fast zwei Jahren unter widrigsten Umständen in einem verlotterten Wohnwagen lebte oder besser: vegetierte. Die Zeit auf dem Zeltplatz verbrachte ich wie in Trance. Ich fühlte mich total alleine auf dieser Welt, von allen verlassen und von allen vergessen. Als würde es mich gar nicht geben, ja, als hätte es mich gar nie gegeben! Einsam lag ich tagelang in meiner rostigen Unterkunft und starrte an die Decke, durch die das Regenwasser tropfte. Ich ernährte mich hauptsächlich von Flüssigem und weil das Elend nicht kleiner wurde, versuchte ich mehrmals, mich umzubringen. Erst als dann auch noch grosse gesundheitliche Probleme auftauchten, bekam ich einen Beistand. Und der verhalf mir zu einer kleinen Wohnung in der «Brücke», einem Wohnheim in Liestal, das der Heilsarmee gehört. Vom Einsiedler zurück ins normale Leben. Auf einmal wieder Menschen um mich herum zu haben, war ungewohnt. Aber es tat gut, unendlich gut. Insbesondere die intensiven Gespräche mit den Mitarbeitern der Heilsarmee halfen mir, langsam aus meinem Tief herauszukommen. Ich fühlte mich auf Anhieb verstanden und schätzte es sehr, dass sie immer ein offenes Ohr für mich und meine Sorgen hatten. Meine «Rückkehr» in die reale Welt hat aber auch mit meinem wiedererweckten Glauben zu tun. Während der eine oder andere Heimbewohner dem Glauben eher skeptisch gegenüber steht, fand ich schnell heraus, dass ich mit Gottes Hilfe besser durchs Leben komme. 3 Jahre sind seit meinem Totalabsturz vergangen. Die «Brücke», in der man mich damals so herzlich aufgenommen hat, ist mittlerweile zu meinem Lebensmittelpunkt geworden. Hier wohne ich und hier arbeite ich und vor allem: Hier lebe ich – wieder!

* Zum Schutze der Privatsphäre von Sepp Odermatt haben wir den Namen geändert und die Bilder von einer andern Person verwendet.

Auch wenn nichts und niemand meine geliebte Ursula ersetzen kann, bin ich froh, dass mir die Heilsarmee half, Boden unter den Füssen zu finden und meinem Leben wieder einen Sinn zu geben. Zum Beispiel indem ich jetzt selbst Menschen helfe, die in Not geraten sind.


Bei uns finden Menschen wie Sepp Odermatt Hilfe, Halt und Heimat. Das Wohnheim «Brücke» in Liestal wurde für Menschen eingerichtet, die eine Brücke suchen, über die sie aus ihrer Not herausfinden. Hier haben sie ein festes Dach über dem Kopf und sind integriert in eine familiäre Gemeinschaft. Mit regelmässigen Gesprächen und gemeinsamen

Aktivitäten helfen wir den Bewohnern, möglichst schnell wieder ein selbständiges, eigentverantwortliches Leben zu führen. Die Brücke ist ein Wohnheim für Männer mit insgesamt neun Zimmern. Das Haus

steht allen Männern offen, für die eine zeitlich begrenzte Begleitung nötig oder sinnvoll ist. Dies können Personen sein, die nach einer Suchttherapie, einem Strafvollzug oder wie bei Sepp Odermatt wegen Verwahrlosung Hilfe brauchen. Zum Wohnheim gehört eine kleine Drucke-

rei. Für die Bewohner, die nicht extern arbeiten, besteht dort die Möglichkeit im geschützen Rahmen einer geregelten Arbeit nachzugehen. Was einen ersten, aber enorm wichtigen Schritt zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft bedeutet.

Suppe, Seife, Seelenheil. So hilft die Heilsarmee mit Ihrer Hilfe.

Offene Ohren:

Freie Betten:

Gedeckte Tische:

Alles beginnt mit einer einfühlsamen Person, die sich einem hilfesuchenden Menschen annimmt. Darum empfangen wir Menschen in Not sowohl in unseren 8 Sozialberatungsstellen als auch in unseren 56 Heilsarmee-Gemeinden mit offenen Armen und Ohren.

Wer den Boden unter den Füssen verloren hat, hat oftmals auch kein Dach mehr über dem Kopf. In insgesamt 7 Wohn- und 5 Übergangsheimen, 4 Altersund Pflegeheimen und 2 Passantenheimen bieten wir darum jede Nacht über 1 200 Menschen ein Obdach.

Oft ist das Problem eines hilfesuchenden Menschen ganz profan. Er oder sie hungert nach Essen oder nach ein bisschen Gesellschaft. Darum laden wir gern zu Tisch. Z.B. beim Mittagstisch für Kinder, bei unseren Weihnachtsfeiern oder den Frauen-Zmorgen.

Stiftung Heilsarmee Schweiz | Laupenstrasse 5 | Postfach 6575 | 3001 Bern | Telefon 031 388 05 35 | Fax 031 382 05 91 spenden@heilsarmee.ch | heilsarmee.ch | Spendenkonto 30-444222-5

Tröstende Worte: Unser Tun ist geprägt durch unsere Beziehung zu Gott. Darum bringen wir die Menschen mit Jesus Christus in Berührung. Nicht zuletzt mit unseren Gottesdiensten, die jeden Sonntag in 56 HeilsarmeeGemeinden stattfinden.


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