Wasser Energie Luft 1/2016

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Überlastkorridor Reuss im Urner Talboden (Bild: Joe Müller)

10. März 2016

· Hochwasserschutzprojekt «Urner Talboden» · Hydroabrasiver Verschleiss · Geschiebebewirtschaftung · Unwetterschäden 2015


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«Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


Editorial Leben mit Hochwasser

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Roger Pfammatter Geschäftsführer SWV, Directeur ASAE

ie Schweiz ist aufgrund ihrer Topografie und der engen Platzverhältnisse seit jeher besonders der Naturgefahr Hochwasser ausgesetzt. Die in den letzten 150 Jahren mit viel Aufwand erreichten Verbesserungen der Sicherheit haben massgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung und zum Wohlstand der Bevölkerung beigetragen. Die Fortschritte bei der Gefahrenabwehr haben allerdings auch dazu geführt, dass wir uns mit Siedlungen und Infrastruktur immer weiter in gefährdete Räume wagen. Die Folge: die Schadensummen haben enorm zugenommen. Allein in den letzten vierzig Jahren verzeichnete das Land Schäden in der Höhe von rund 13 Mrd. CHF, der überaus grösste Teil davon versursacht durch Hochwasser und knapp die Hälfte Resultat der drei grössten Ereignisse von 1978, 1987 und 2005. Dabei setzt jedes grössere Schadenereignis neue und meist höhere Massstäbe. Ein eindrückliches Beispiel für diesen Zusammenhang ist der Urner Talboden, der sich durch besonders enge Platzverhältnisse und erhöhte Nutzungskonflikte auszeichnet. Die letzten drei grossen Hochwasser – allesamt als Jahrhundert-Ereignisse wahrgenommen – haben im

Kanton Uri innerhalb von nur 30 Jahren zu drei millionenschweren Schutzprogrammen geführt. Das letzte Programm ist inzwischen abgeschlossen und soll den Talboden mit teilweise sehr komplexen technischen Massnahmen besser vor unkontrollierten Überschwemmungen schützen (vgl. dazu die umfangreiche Artikelserie ab Seite 31). Gleichzeitig wurden im Urner Talboden aber auch wichtige Erkenntnisse gewonnen, die in die gesamtschweizerische Gefahrenprävention eingeflossen sind. Naturereignisse wie Hochwasser erreichen mitunter gewaltige Ausmasse – und einmal entfesselt, lassen sich die Massen nicht aufhalten. Das wurde spätestens mit den Ereignissen im Unwetterjahr 1987 klar und hat sich 2005 eindrücklich bestätigt. Das neue Credo lautet: Abkehr von der reinen Gefahrenabwehr hin zum integralen Risikomanagement für die Schadenbegrenzung im Ereignisfall. Seither wird raumplanerischen Massnahmen, dem Überlastfall sowie verbesserter Vorhersage und Alarmierung viel grössere Bedeutung beigemessen. Den absoluten Schutz allerdings gibt es auch in Zukunft nicht. Die Schweiz muss mit Hochwasser leben.

Vivre avec les crues

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n raison de sa topographie et de son espace restreint, la Suisse a depuis toujours été particulièrement exposée au danger naturel des crues. Les améliorations de la protection au cours des 150 dernières années ont contribué de manière significative au développement économique et au bien-être de la population. Cependant, les progrès en matière de limitation des risques ont aussi mené au fait que nous nous risquons de plus en plus dans des zones vulnérables. En conséquence, les montants des dommages ont fortement augmenté. Dans les seules quarante dernières années, le pays a enregistré des dégâts d’environ 13 milliards de francs, dont la plus grande partie est due aux crues et près de la moitié résulte des trois grands événements de 1978, 1987 et 2005. Chacun des grands événements a fixé de nouvelles références souvent de plus en plus élevées. Un cas impressionnant de cette relation est la vallée d’Uri, caractérisée par des espaces très restreints et une hausse des conflits d’utilisation. Les trois derniers gros événements de crue – tous perçus comme un événement centennal – ont conduit en seulement

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trente ans à trois programmes de protection à hauteur de millions de francs dans le canton d’Uri. Le dernier programme est maintenant terminé et devrait mieux protéger la vallée contre les crues avec des mesures techniques très complexes (cf. la série d’articles dès la page 31). Simultanément, d’importants enseignements ont été tirés et incorporés dans la prévention des dangers à l’échelle du pays. Les événements naturels tels que les crues atteignent parfois des proportions énormes – et une fois déclenchées, les masses ne peuvent pas être arrêtées. Cela s’est clairement vu tout d’abord avec les intempéries de 1987 et s’est confirmé de manière impressionnante en 2005. La nouvelle devise est: se détourner de la limitation pure des dangers pour se concentrer sur la gestion intégrée des risques afin de limiter les dégâts en cas d’événement. Depuis, une plus grande attention est mise sur les mesures d’aménagement du territoire, les cas de surcharge, l’amélioration des prévisions et l’alerte. Néanmoins, même à l’avenir, la protection absolue n’existera pas. La Suisse doit donc vivre avec les crues.

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Inhalt

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1

Unwetterschäden in der Schweiz im Jahre 2015 – Rutschungen, Murgänge, Hochwasser und Sturzereignisse Norina Andres, Alexandre Badoux, Christoph Hegg

9

Schwebstoffe, hydro-abrasiver Verschleiss und Wirkungsgradänderungen an Peltonturbinen – Ein Forschungsprojekt am KW Fieschertal André Abgottspon, David Felix, Robert Boes, Thomas Staubli 7

25

Strategien zur Geschiebebewirtschaftung im Zusammenhang mit dem Klimawandel Thomas Scheuner, Barbara Wegmann, Severin Schwab, Adrian Schertenleib

31

Hochwasserschutzprojekt «Urner Talboden»

32

Hochwasserschutz für einen starken Kanton Uri Markus Züst

33

Hochwasserschutz in den letzten drei Jahrzehnten im Kanton Uri aus Sicht des Bundes Hans Peter Willi, Eva Gertsch, Adrian Schertenleib, Carlo Scapozza

35

Der Schächen: Ereignisse und Massnahmen Stefan Flury

37

Der «Urner Talboden» muss sicherer werden Ernst Philipp

13

27

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Wie gross sind seltene Hochwasser am Schächen? Roger Frauchiger, Simon Scherrer

41

Das Hochwasserschutzprojekt «Urner Talboden» Urs Müller, Peter Gisler

45

Beherrschung Überlastfall und Überflutungsmodellierung Markus Schatzmann, Dominik Schenk

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Inhalt

52

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Modelluntersuchungen Schächen und daraus abgeleitete Massnahmen Martin Jäggi, Marius Junker

47

Die Umwelt und ihr Stellenwert im Hochwasserschutzprojekt Christoph Könitzer

51

Gestalterische Aspekte Pascal Sigrist

53

Bollwerke gegen Reuss und Schächen Werner Bachmann, Rolf Stärk

54

Das Projekt wird Realität, Bauausführung Peter Gisler

56

Verbesserte Zusammenarbeit mit Notfallorganisationen Fritz Epp, Ernst Philipp

61

Erfolgskontrolle einer Bachrevitalisierung im urbanen Raum – das Beispiel Chriesbach Eike von Lindern, Mario Schirmer, Thomas Lichtensteiger, Andri Bryner Robert Tobias

63

Nachrichten Energiewirtschaft Wasserkraftnutzung Wasserbau/Hochwasserschutz Gewässer/Revitalisierung Veranstaltungen Agenda Literatur

71 71 72 78 79 80 81 81

Branchen-Adressen

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Impressum

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Das Schweizerische Talsperrenkomitee beabsichtigt, auch im Jahr 2017 einen Talsperrenkalender mit je 13 Blättern (Bild und Text, inklusive Titelblatt) herauszugeben. Dazu werden Bilder der Schweizer Talsperren: Bannalp · Cleuson · Les Clées · Hongrin Nord und Süd · Illsee · Innerferrera · Limmernboden · Maigrauge · Mühleberg Räterichsboden · Rossinière · Teufenbachweiher und Vasasca, gesucht. Um allen Interessierten eine Chance zu geben, sich an diesen Kalendern zu beteiligen, führt das Schweizerische Talsperrenkomitee auch 2016 einen Fotowettbewerb durch. An die Fotos werden folgende Ansprüche gestellt: • Gute Qualität, farbig, bei Analogaufnahmen gute Optik und feinkörnigen Film verwenden. Digitale Fotos müssen eine Auflösung aufweisen von 300 dpi (Pixel pro Inch) im Originalformat (mind. A4). Dies entspricht rund 7–8 Mio. Pixel! • Querformat, Verhältnis B/H = 3/2, vergrösserbar bis 40 × 28 cm • Angabe von Ort, Fotograf und Datum (soweit bekannt) • Unentgeltliche Abgabe des Rechts zur uneingeschränkten Verwendung durch das Schweizerische Talsperrenkomitee Teilnahmeberechtigt ist jedermann, es können eine oder mehrere Fotos eingereicht werden. Prämiert werden die jeweils besten Fotos zu den 13 Stauanlagen, welche auf der Vorderseite des Kalenders erscheinen, mit je CHF 200.–. Die Fotos sind einzusenden bis zum 30. Juni 2016 an: Schweizerisches Talsperrenkomitee · c/o Stucky SA Rue du Lac 33 · CH-1020 Renens Le Comité suisse des barrages envisage de publier en 2017 à nouveau un calendrier annuel sur des barrages suisses, contenant 13 feuilles (photo et texte). Dans ce but, nous cherchons des photos présentant des barrages suisses: Bannalp · Cleuson · Les Clées · Hongrin nord et sud· Illsee · Innerferrera · Limmernboden · Maigrauge · Mühleberg · Räterichsboden · Rossinière · Teufenbachweiher et Vasasca. Pour donner une chance à chacun de participer à ce calendrier, la réalisation de ces photos est mise au concours par le Comité suisse des barrages. Les exigences suivantes sont formulées: • Bonne qualité, couleurs, bonne optique et film de grain fin pour des photos conventionnelles. Un minimum de 300 dpi (digits/inch) pour des photos digitales au format final (minimum A4). Ces exigences correspondent à 7–8 mio. de pixels! • Format oblong, proportions L/H = 3/2, agrandissement jusqu’à 40 × 28 cm • Lieu, photographe, date (si possible) • Mise à disposition gratuite du droit de reproduction non limité au Comité suisse des barrages Tout le monde peut participer au concours avec une ou plusieurs photos sur les sujets mentionnés ci-dessus. Un prix de CHF 200.– sera attribué à la photo retenue pour chacun des 13 mois, ainsi que pour la photo de garde du calendrier. Les photos sont à envoyer jusqu’au 30 juin 2016 à: Comité suisse des barrages · c/o Stucky SA Rue du Lac 33 · CH-1020 Renens

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TALSPERRENKALENDER 2017

Schweizerisches Talsperrenkomitee Comité suisse des barrages Comitato svizzero delle dighe Swiss Committee on Dams

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Unwetterschäden in der Schweiz im Jahre 2015 Rutschungen, Murgänge, Hochwasser und Sturzereignisse Norina Andres, Alexandre Badoux, Christoph Hegg

Zusammenfassung Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, WSL, registrierte für das Jahr 2015 Gesamtschäden durch Hochwasser, Rutschungen, Murgänge und Sturzprozesse von gut 135 Mio. CHF. Der Wert liegt deutlich unter dem teuerungsbereinigten Durchschnitt der Jahre 1972–2014 von 315 Mio. CHF. Insgesamt rund 92 % der Gesamtschäden wurden durch Hochwasser produziert, wobei die meisten Schäden auf den Monat Juni (rund 70 % aller Schäden) und einige auf den Monat Mai (rund 18 %) fielen. Verursacht wurden die Ereignisse meistens durch Gewitter (81 %) und vereinzelt auch durch Dauerregen (17 %). Das zweite Halbjahr war in der Schweiz sehr trocken mit nur geringen Schäden. Anfang Mai ereigneten sich infolge von langandauernden Niederschlägen v. a. in den Kantonen Bern, Waadt und Wallis beträchtliche Schäden. Am 7. Juni war der Raum Luzern von Hochwasser stark betroffen. In Dierikon kamen zwei Personen in einem Untergeschoss ums Leben. Eine Woche später wurden in der Ostschweiz hohe Schäden infolge Gewitter verzeichnet, z. B. in Kradolf-Schönenberg TG, Bronschhofen SG und Wil SG.

1. Einleitung Medien berichten regelmässig von Schäden, welche durch Naturgefahrenprozesse verursacht werden. An der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, WSL, werden diese Schadensinformationen seit 1972 in einer Datenbank systematisch erfasst und analysiert. Zusätzlich zur Dokumentation ermöglicht diese lange Zeitreihe einen Vergleich der Schäden in den letzten 44 Jahren. Im nachfolgenden Bericht werden die Ergebnisse der Auswertung der Ereignisse aus dem Jahr 2015 präsentiert und in einem chronologischen Jahresrückblick die schadenreichsten Ereignisse kurz beschrieben. 2.

Erfassung und Auswertung von Unwetterschadensdaten Basierend auf Meldungen aus rund 3000 Schweizer Zeitungen und Zeitschriften sowie zusätzlichen Informationen aus dem Internet, werden Schäden durch auf natürliche Weise ausgelöste Rutschungen, Murgänge, Hochwasser und (seit 2002) Sturzprozesse aufgezeichnet und analysiert. Schäden als Folge von Lawinen, Schneedruck, Erdbeben, Blitzschlag, Hagel, Sturm und Trockenheit werden in den Auswertungen nicht berücksichtigt. Im letzten Abschnitt des Artikels werden

einige dieser Schadensereignisse aus dem Jahr 2015 dennoch kurz beschrieben. 2.1 Schadenskosten Für jedes in der Datenbank aufgenommene Schadensereignis werden die verursachten Sachschäden und Interventionskosten abgeschätzt. Die Schadensangaben beruhen grundsätzlich auf Informationen aus den Medien. Erfolgen dort keine monetären Angaben, werden die Schadenskosten auf Basis von Erfahrungswerten abgeschätzt. Im Falle von folgeschweren Ereignissen werden zusätzliche Informationen von Versicherungen, Krisenstäben und (halb-)amtlichen Stellen von Gemeinden, Kantonen und dem Bund beigezogen. In den Schadenskosten werden sowohl versicherte Sach- und Personenschäden (Gebäude- und Privatversicherungen) als auch nicht versicherte und nicht versicherbare Schäden berücksichtigt. Indirekte Schäden, spätere Sanierungsmassnahmen, Betriebsausfallskosten und ideelle Schäden (z. B. irreparable Schäden an Natur und Umwelt) werden hingegen nicht aufgenommen. Im Jahr 2015 wurden rund 135 Mio. CHF Schadenskosten verzeichnet. Diese Zahl liegt deutlich unter dem arithmetischen Mittel (1972–2014) von 315 Mio. CHF, jedoch über dem Median von 90 Mio.

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CHF. 2015 war das schadenreichste der letzten acht Jahre. Letztmals wurden 2007 Schadenskosten von über 700 Mio. CHF registriert (Hilker et al., 2008). Das Jahr 2005 war seit der Aufnahme der Schadenskosten 1972 mit über 3 Milliarden CHF das schadenreichste Jahr (Hilker et al., 2007). 2.2 Ursachen der Schäden Die Ursachen für die jeweiligen Schadensprozesse werden gemäss den vorherrschenden Witterungsverhältnissen in vier verschiedene Gruppen aufgeteilt (Bild 1). Gewitter und intensive Regen: Rund 81 % aller Schadenskosten wurden 2015 durch Gewitter und intensive Regen verursacht. Dies ist deutlich mehr als im langjährigen Vergleich (1972–2014) mit 45 %. Die höchsten Schäden durch Gewitter wurden 2015 am 14. Juni in der Ostschweiz registriert. Dauerregen: Lang anhaltende, ausgiebige Niederschläge verursachten im Jahr 2015 Schäden in Höhe von rund 22 Mio. CHF. Mit 17 % der Gesamtschäden ist dies deutlich weniger als im langjährigen Vergleich (51 %). Lang anhaltende Regenfälle führten 2015 zu Beginn des Monats Mai zu hohen Schäden. Schneeschmelze und Regen: Durch Schneeschmelze verursachte Schäden (teils kombiniert mit Regen) machten 2015 nur einen sehr geringen Anteil aus (<1 %). Unbekannte oder andere Ursachen: Rund 2% aller Schadenskosten konnten nicht eindeutig einem bestimmten Witterungsverhältnis zugeordnet werden. 2.3 Schadensprozesse Die erfassten Schadensprozesse wurden in drei Kategorien eingeteilt, wobei die Grenzen zwischen diesen Kategorien jedoch fliessend sind (Bild 2). Hochwasser/Murgänge: Diese Gruppe umfasst finanzielle Schäden, die im weitesten Sinne durch stehendes oder fliessendes Wasser, mit oder ohne Ge1


Bild 1. Anteile der verschiedenen Schadensursachen an den Gesamtkosten für die Periode 1972–2014 und für 2015.

schiebe und Schwemmholz, verursacht werden. Dazu zählen Hochwasser und Murgänge mit ihren möglichen Auswirkungen in Form von Überschwemmungen, Übersarungen und Übermurungen. Im Jahr 2015 war der Anteil dieser Schäden mit 95 % aller Schadenskosten leicht höher als im Vergleich der Periode 2002– 2014 (93 %). Von den 95 % ist der Grossteil von Hochwasser verursacht worden,

Bild 2. Anteile der verschiedenen Schadensprozesse an den Gesamtkosten für die Periode 2002–2014 und für 2015 (bis 2001 wurden Sturzprozesse in der Datenbank nicht aufgenommen).

Murgänge führten insgesamt zu Schadenskosten von rund 5 Mio. CHF. Rutschungen: Diese Gruppe umfasst vorwiegend durch Lockermaterial verursachte Schäden, wobei sämtliche Arten von Rutschungsprozessen ausserhalb des unmittelbaren Gewässerbereichs dazugehören. Der Anteil der Schadenskosten, verursacht durch Rutschungen war im Jahr 2015 deutlich geringer (2 %)

verglichen mit der Zeitperiode 2002–2014 (6 %). Sturzprozesse: Dieser Kategorie werden Schäden zugeordnet, die durch Steinschlag, Fels- oder Bergsturz entstanden sind. Rund 2 % der Gesamtkosten wurden 2015 durch Sturzprozesse verursacht.

Bild 3. Ort, Ausmass und Prozesstyp der Schadensereignisse 2015 (Kartengrundlage: BFS GEOSTAT / Bundesamt für Landestopographie). 2

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Tabelle 1. Ereigniskategorien und deren geschätzte Schadenskosten pro Gemeinde (vgl. Bild 3). 2.4

Räumliche Verteilung und Ausmass der Schäden Bei einem Unwetterereignis, welches mehrere Gemeinden betrifft, wird jeweils für jede Gemeinde ein Datensatz erstellt. Für den Schadensschwerpunkt beziehungsweise den Ort des am besten lokalisierbaren Schadens jeder betroffenen Gemeinde, werden die Koordinaten ermittelt. In Bild 3 sind die Schadensorte, -prozesse und -ausmasse gemäss der in Tabelle 1 beschriebenen Kategorien für das Jahr 2015 dargestellt. Die Schadensschwerpunkte liegen am oberen Teil des Genfersees, entlang der Aare vom Neuenburgersee bis Aarau, in der Zentralschweiz im Raum Luzern und in der Ostschweiz. Hohe Schadenskosten gab es in der Westschweiz in Saint-Gingolph VS am 2. Mai und Blonay VD am 27. April durch über die Ufer getretene Bäche und abgelagertes Material. Durch ein starkes Gewitter am 7. Juni gab es Überschwemmungsschäden in Luzern, Dierikon, Udligenswil und Adligenswil LU sowie in Birmensdorf ZH. Weitere heftige Gewitter am 14. Juni führten zu verheerenden Schäden im Kanton Thurgau und in St. Gallen. Stark betroffen waren Kradolf-Schönenberg, Erlen, Bettwiesen TG, Bronschhofen und Wil SG. Auch in Ins BE gab es grosse Schäden. In der Gemeinde Scuol GR führten mehrere Murgänge am 22. Juli zu hohen Schadenskosten. 2.5

Jahreszeitliche Verteilung der Schäden Der Juni war mit über 70 % aller Kosten der schadenreichste Monat im Jahr 2015 (Bild 4). Vor allem die Gewitterregen am 7. und am 14. Juni führten zu den hohen Kosten. Im Mai wurden Schäden in Höhe von rund 24 Mio. CHF Schäden aufgenommen. Vergleicht man die monatliche Verteilung der Schadenskosten mit dem Mittel der Periode 1972–2014, so waren im Jahr 2015 die Schäden in den Monaten Juli bis Oktober deutlich unterdurchschnittlich und im Mai und Juni unverkennbar überdurchschnittlich. Eine ähnliche monatliche Verteilung wurde zuletzt im Jahr 2013 verzeichnet (Andres et al., 2014), als eben-

falls im Monat Juni die höchsten Unwetterschäden entstanden (55 %). 3.

Chronologischer Jahresrückblick über die Ereignisse Witterung des Jahres 2015: Gemäss Klimabulletin (MeteoSchweiz, 2016) erreichte die mittlere Jahrestemperatur von 2015 einen neuen Rekordwert mit einem Überschuss von rund 1.3 °C gegenüber der Norm 1981–2010. Das Jahr war vor allem geprägt durch einen sehr heissen Sommer und verbreitet unterdurchschnittlichen Niederschlagsmengen im Sommer und Herbst. Insgesamt zeigten schweizweit neun Monate einen durchschnittlichen Temperaturüberschuss, verglichen mit der Norm. Eine niederschlagsreiche Periode gab es im Übergang vom April zum Mai, was hauptsächlich in der Westhälfte der Schweiz zu Hochwassersituationen und Schäden durch über die Ufer tretende Wildbäche führte. Die räumlich sehr unterschiedliche Gewittertätigkeit im Juni brachte entsprechend unterschiedliche Niederschlagssummen mit mancherorts hohen Hochwasserschäden. Die Beschreibungen des monatlichen Wettergeschehens (jeweils zu Beginn der folgenden Abschnitte) basieren auf den monatlichen Klimabulletins von MeteoSchweiz (MeteoSchweiz, 2015). 3.1 Januar Die erste Januarhälfte war sehr mild und die Niederschlagsmengen zeigten insbesondere im Tessin und im Engadin deutlich überdurchschnittliche Werte mit 150 bis 250 % der Norm 1981–2010. Das Sturmtief Alexander brachte in der Nacht auf den 4. stürmische Winde, viel Niederschlag und verursachte Schneeschmelze. Die Feuerwehr rückte infolge der Regenfälle im Kanton SG rund 60-mal in über 40 Gemeinden aus, so z. B. in Grabs, Alt St. Johann und Nesslau. Bei der Kantonspolizei Thurgau gingen über 30 Schadensmeldungen ein. 3.2 Februar Die Niederschlagsmengen im Februar stiegen im Süden zum Teil erheblich über die

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Bild 4. Monatliche Anteile der Schadenskosten für das Jahr 2015 (Gesamtkosten ca. 135 Mio. CHF). Die Kreuze geben die monatlichen Anteile der Schäden (alle Prozesse) für die Periode 1972–2014 an. Norm. Im Norden und in den Alpen fielen hingegen regional weniger als die Hälfte der normalen Mengen. Vereinzelte Steinschlagereignisse, welche Strassen beschädigten, wurden in Eisten VS und Weggis LU registriert. 3.3 März Die Temperatur im März lag verbreitet 0.5 bis 1.5 °C über dem Normwert der Periode 1981–2010. Die Niederschlagsmengen blieben in der ganzen Schweiz bis kurz vor Monatsende deutlich unterdurchschnittlich. Am 12. rutschte in Le Noirmont JU ein Teil einer Strasse in den Fluss Doubs ab. Über dem Jurabogen regnete es am 30. ausgiebig, woraufhin z. B. in La Brévine, Les Ponts-de-Martel und La Sagne NE mehrere Gebäude überschwemmt und Wege unterbrochen wurden. 3.4 April Der April war sonnig und mild. Vor allem im Wallis und auf der Alpensüdseite blieben die Niederschlagsmengen deutlich unterdurchschnittlich. In Schwyz SZ geriet am 3. ein Hang im Gebiet Blüemlisberg ins Rutschen. Durch einen provisorisch erstellten Erdwall konnten Geröll, Geschiebe und Baumstämme von Gebäuden ferngehalten werden. Heftige Gewitter führten am Abend 3


des 27. zu Feuerwehreinsätzen in mehreren Kantonen. Diverse Keller mussten in Goldach, Steinach und der Stadt St. Gallen ausgepumpt werden. Auch zwischen Freidorf und Horn TG drang Wasser in mehrere Keller ein. Die Bahnlinie zwischen Cham und Rotkreuz ZG war wegen Schäden am Geleise durch Überflutung während mehrerer Stunden gesperrt. Hagelkörner verstopften Einlaufschächte in Büsserach und Breitenbach SO, woraufhin Wasser in Liegenschaften floss. In der Waadtländer Riviera wurden rund 60 Überschwemmungen registriert. Im stark betroffenen Blonay traten die Bäche L’Ognona und Les Tollettes über die Ufer und überschwemmten und übersarten das Dorfzentrum. Geschäfte und Privathäuser waren betroffen, Keller und Garagen standen unter Wasser. Der Schotter der Bahngeleise auf der Strecke nach Les Pléiades wurde weggespült und Schlamm bedeckte die Geleise. Im benachbarten Saint-Légier-La Chiésaz trat der Bach Bendes über die Ufer, woraufhin es Überschwemmungen gab. 3.5 Mai Der Mai war in der Schweiz verbreitet zu mild und zu nass. Während einer sechstägigen Regenperiode vom Abend des 30. April bis zum Morgen des 6. Mai fielen im Mittel über die ganze Schweiz rund 100 mm Regen. Die grossen Niederschlagsmengen führten vor allem in der Westhälfte der Schweiz zu Hochwassersituationen. Bäche und Flüsse traten über die Ufer und die Pegel einiger Seen stiegen stark an; einige erreichten sogar die Hochwassergrenze (Gefahrenstufe 4 – grosse Hochwassergefahr). Im Kanton Bern waren hauptsächlich der Jurasüdfuss und das Seeland betroffen. Der Bielersee stieg infolge der Regenfälle an und erreichte am 6. ein Maximum von 430.5 m ü.M., 15 cm über der Hochwassergrenze (www.bafu.admin.ch, provisorische Daten). Ufer standen z. B. in La Neuveville unter Wasser, Häuser wurden in Lüscherz und Twann überschwemmt und Wohnwagen in Erlach überflutetet. In Biel musste am 2. im Bözingenfeld eine Bahnunterführung gesperrt werden, da Wasser und Schlamm eine Höhe von bis zu einem Meter erreichten. Zudem waren im Stadtzentrum diverse Keller überschwemmt. Auch im nahe gelegenen Nidau gab es überflutete Untergeschosse. Hier standen am Nachmittag des 9. Häuser entlang des Kanals noch immer im Wasser. Die Industriezone ausgangs Ipsach Richtung Sutz-Lattrigen wurde überflutet, und an der Uferzone des Strandbads 4

entstanden Hochwasserschäden. In Pieterlen und Lengnau pumpte die Feuerwehr Keller aus, platzierte Sandsäcke auf Strassen, erstellte Umleitungen und befreite Verkehrswege von Kies und Steinen. Auch die Regio Feuerwehr Büren verzeichnete vom 1. bis 8. diverse Hochwassereinsätze. Untergeschosse waren auch in Orvin überschwemmt. In der Region Biel und Berner Jura mussten des Weiteren mehrere Strassen infolge von Erdrutschen und Steinschlägen vorübergehend gesperrt werden. Aufgrund von überfluteten Feldern gab es Schäden in der Landwirtschaft zwischen dem Grossen Moos bei Ins BE und Grenchner Witi SO. Im Seeland rückte die Regio-Feuerwehr Aarberg aus, weil in den Gemeinden Jens, Merzligen, Hermrigen und Epsach mehrere Bäche über die Ufer getreten waren und Strassen unpassierbar waren. In Bern wurden ein paar Keller unter anderem in der Matte wegen Grundwassers überschwemmt, und es gab hohe Schäden an den Uferwegen durch Seitenerosion. Auch in Thun musste die Feuerwehr Keller auspumpen. Zudem gab es entlang der Uferbereiche des Thunersees viel Schwemmholz, und Mitarbeiter der Stadt mussten den Einlauf des Hochwasserentlastungsstollens frei von Schwemmholz halten. Stark betroffen war im Kanton Bern auch der Oberaargau mit über 70 Meldungen bei der Kantonspolizei. Die Feuerwehren leisteten Einsätze z. B. in Aarwangen, Schwarzhäusern, Roggwil und Niederbipp. In den Gemeinden Wiedlisbach, Farnern, Rumisberg und Attiswil waren 17 Häuser vom Wasser betroffen, hinzu kamen viele Einsätze wegen über die

Ufer getretener Bäche und Hangwasser. Im Kanton Freiburg waren die Bezirke Vivisbach und Broye am stärksten betroffen. Wegen überschwemmter Keller rückten die Feuerwehren in mehrere Gemeinden aus, z. B. in Attalens, Bossonnens, Granges und Châtel-Saint-Denis. Auch die Feuerwehr Glâne Süd musste wegen zahlreicher Überschwemmungen ausrücken. Im Bezirk Broye wurden bei Estavayer-le-Lac, Cheyres, Portalban und Gletterens Campingplätze und Chalets aufgrund des hohen Pegelstandes des Neuenburgersees überflutet. Der See erreichte am 8. Mai einen neuen Höchststand von 430.44 m ü. M., knapp unter der Hochwassergrenze (www.bafu.admin.ch, provisorischer Wert). Bei Flamatt wurde ein Steuerwagen beschädigt, weil er auf einen Erdrutsch auffuhr, der die Bahngleise verschüttete. Im Kanton Waadt wurden aufgrund des hohen Seepegels des Neuenburgersees Gebäude in Chevroux und Campingplätze in Yvonand, Cheseaux-Noréaz und Grandson überschwemmt. Diverse Einsätze wegen Überschwemmungen leisteten die Feuerwehren in Echallens, Savigny, Forel (Lavaux), Puidoux und in der Region von Jorat und Oron. Der Bach Le Grenet trat in Châtillens in der Gemeinde Oron über die Ufer und überschwemmte mehrere Untergeschosse. In Bussignyprès-Lausanne musste die Feuerwehr ausrücken und Keller auspumpen. Auch in Corsier-sur-Vevey gab es mehrere Überschwemmungen, und durch Oberflächenabfluss angeschwemmtes Material blockierte Zufahrtsstrassen. Schliess-

Bild 5. Die Morge trat am 2. Mai über die Ufer und verwüstete den gesamten unteren Teil des Dorfes Saint-Gingolph VS (Foto: François-Xavier Marquis). «Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


lich traten in Aigle und Yvorne Bäche über die Ufer und Strassen, Keller und Vorplätze wurden überschwemmt. Vom 1. bis 3. gingen im Unterwallis rund 90 Feuerwehralarme und über 200 Polizeialarme ein. Die grössten Schäden entstanden in Saint-Gingolph, wo die Morge über die Ufer trat und den gesamten unteren Teil des Dorfes überschwemmte und übersarte (Bild 5). Die Restaurants an der Seepromenade wurden mit Geschiebe fast bis zur Decke gefüllt. Autos wurden verschüttet, eine Brücke beschädigt und viel Schutt und Schlamm auf die Strassen gespült. In Monthey mussten 300 Personen aus Sicherheitsgründen ihre Häuser verlassen, weil die Vièze einen kritischen Pegelstand erreichte. Diese trat in der Folge aber nur geringfügig über die Ufer. In Troistorrents und Val-d’Illiez kam es zu Strassensperrungen wegen mehrerer Erdrutsche und abgelagertem Geschiebe. Im Val-d’Illiez traten zudem Bäche über die Ufer. Im Kanton Genf leisteten die Feuerwehren vom 2. bis zum 3. rund 60 Einsätze. In der Stadt Genf betrug die Durchflussmenge der Arve 905 m3/s, so viel wie noch nie seit Messbeginn 1935 (www.bafu. admin.ch, provisorische Daten). Gullydeckel wurden wegen des Grundwasserdrucks angehoben und diverse Gebäude standen unter Wasser. In Thônex traten die Bäche Foron und La Seymaz über die Ufer und überschwemmten mehrere Keller. Wasser stieg durch die Kanalisation in Gebäude und überschwemmte am 2. und 4. Untergeschosse und Garagen. Auch im Kanton Neuenburg standen bei MarinEpagnier aufgrund des hohen Pegels des Sees Keller und ein Campingplatz unter Wasser. Bei der Kantonspolizei Solothurn gingen am 1. über 160 Meldungen ein. In vielen Fällen befand sich Wasser in Gebäuden; vereinzelt waren auch Strassenabschnitte kurzzeitig überflutet oder es traten kleine Fliessgewässer über die Ufer. Am stärksten betroffen war der westliche Kantonsteil. Rund um Solothurn und Grenchen waren am Abend des 1. in fast allen Gemeinden die örtlichen Feuerwehren im Einsatz. In Rüttenen gingen beinahe alle Bäche im Gemeindegebiet über die Ufer und etliche Strassenabschnitte waren überflutet oder stark verschmutzt. In Oberdorf verliessen die Bäche Leegasse, Bellevue und Reckholder ihr Bachbett und setzen Keller und Strassen unter Wasser. In Selzach trat der Lochbach über die Ufer und flutete einige Keller im Quartier Altreu. Diverse Wassereinbrüche gab es in Grenchen, Lohn-Ammannsegg, Geral-

fingen und Hubersdorf. Vereinzelt gingen auch Meldungen aus den Regionen Gäu und Olten ein. Im Kanton Aargau rückten vom 1. bis 2. über 30 Feuerwehren rund 110-mal aus. Strassen wurden unterspült, Bäche traten über die Ufer und Keller standen unter Wasser. So z. B. in Rothrist, Vordemwald, Aarburg, Uerkheim, Villmergen, Buttwil und Muri. Vom 2. bis 4. waren rund 18 Feuerwehren im Kanton Luzern im Einsatz. Es traten hauptsächlich Bäche über die Ufer, und es gab überschwemmte Strassen und Keller, so z. B. in Dagmersellen und Reiden. Am 8. stürzten in der Gemeinde Schiers GR unterhalb der Salginatobelbrücke rund 4500 m3 Felsmaterial ins Tobel, woraufhin eine Besucherplattform aus Sicherheitsgründen gesperrt werden musste. Zu Strassenschäden infolge Rutschungen kam es zudem auf einem Alpweg im Bereich Hinter Ressegg. Am Abend des 20. musste die Schöllenenstrasse zwischen Göschenen und Andermatt UR wegen eines Steinschlags mehr als einen Monat lang geschlossen werden. Eine Galerie wurde mit mehreren 10 bis 15 m3 grossen Steinen und Schutt über eine Länge von 50 Metern verschüttet. Dabei entstand ein Riss im Beton der Galerie. Aufgrund weiterer Regenfälle in der zweiten Maihälfte ist in der Gemeinde Unterkulm AG der Hang im Gebiet Goomwald ins Rutschen geraten und hat Teile des Gulmwegs weggerissen. Am 29. ereignete sich ein Felssturz auf die Rieinerstrasse in der Gemeinde Sevgein GR. Rund 10 000 m3 Sturzmasse lagen in der Folge auf der Strasse und oberhalb davon in der Geländerinne. 3.6 Juni Die Schweiz erlebte den viertwärmsten Juni seit Messbeginn 1864. Die räumlich sehr unterschiedliche Gewittertätigkeit brachte entsprechend unterschiedliche Niederschlagssummen. Während auf der Alpensüdseite und im Genferseegebiet zum Teil nur rund die Hälfte der normalen Junimenge fiel, entsprach die Regensumme in der Ostschweiz regional 150 bis 190 % der Norm. Während eines Gewitters am Abend des 6. wurde in Filisur GR die Albulastrasse durch mehrere Murgänge verschüttet. Weil ein Murgangkegel den Lauf des Albula-Flusses gegen die Strasse drückte, wurde diese stark beschädigt. Zudem wurden bei einer Baumschule grosse Schäden angerichtet. Im Kanton Bern traten Bäche über die Ufer und dut-

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Bild 6. In Dierikon LU verliess der Götzentalbach am 7. Juni sein Bachbett und verwüstete das Dorf (Foto: ZSO EMME). zende Keller wurden überflutet, v. a. in der Region zwischen Bern und Thun. In Leytron VS führte ein Gewitter am 6. zu Auswaschungen von Erdmaterial in den Rebbergen und zu überschwemmten Kellern. Am 7. traf ein Gewitterunwetter besonders stark die Zentralschweiz sowie die Kantone Zürich und Bern. Grosse Schäden von mehreren Millionen CHF gab es in der Gemeinde Dierikon LU. Der Götzentalbach trat über die Ufer, durchflutete eine Mühle und eine Bäckerei und wälzte sich dann einer Strasse entlang, wobei Gärten, Scheunen, Werkstätte, Keller und Garagen überflutet wurden (Bild 6). Eine 32-jährige Mutter und ihre 5-jährige Tochter wurden im Keller eines Wohnhauses von den Wassermassen überrascht und ertranken. Auch in Adligenswil, Udligenswil und Ebikon LU wurden Strassen, Keller und Tiefgaragen überschwemmt. In Luzern trat der Würzenbach über die Ufer, suchte sich die Würzenbachstrasse entlang einen Weg und richtete an etlichen Gebäude einen Schaden in Millionenhöhe an. Im Gebiet rund um das Verkehrshaus waren Strassen für kurze Zeit gesperrt, weil das Wasser nicht mehr ablaufen konnte. Wassereinbrüche beim Verkehrshaus und beim RomeroHaus führten zu grossen Schäden. Auch das Entlebuch wurde von Überschwemmungen heimgesucht; in Sörenberg standen die Feuerwehren im Grosseinsatz. Ebenfalls in der Zentralschweiz im Kanton Obwalden hatten vor allem die Feuerwehren von Giswil, Sachseln und Engelberg 5


viel zu tun: Keller wurden überflutet, und es gab mehrere kleine Erdrutsche. In Giswil verschütteten Murgänge das Trassee der Zentralbahn nach Kaiserstuhl. Bei Kaiserstuhl musste die Brünigstrasse von Geröll befreit werden. In nahezu allen Gemeinden im Kanton Nidwalden musste die Feuerwehr ausrücken. Erdrutsche, über die Ufer getretene Bäche oder überschwemmte Keller wurden unter anderem in den Gemeinden Ennetbürgen, Stansstad, Ennetmoos, Dallenwil, Stans und Oberdorf gemeldet. Im Kanton Schwyz drangen grössere Wassermassen in Keller ein. Dies vor allem in Küssnacht am Rigi und Oberiberg. Im Kanton Zürich mussten die Einsatzkräfte in den Gemeinden Uitikon, Birmensdorf, Urdorf und Schlieren rund 300-mal ausrücken, hauptsächlich wegen überschwemmter Keller. Am stärksten von Oberflächenwasser betroffen waren Gebäude in Birmensdorf. Unter anderem drang es in eine Telefonzentrale ein und legte das Swisscom-Netz für mehrere Tage lahm. In Schlieren versanken zudem zwei Autos in einer mit Wasser gefüllten Unterführung. Knapp 90 Einsätze entfielen auf die Stadt Zürich. Grosse Wasserschäden in Gebäuden gab es zudem in Wädenswil, Obfelden, Maschwanden und Geroldswil. Im Kanton Aargau führten Wassereintritte in Keller und Tiefgaragen, ausufernde Bäche sowie rückstauendes Wasser in Kanalisationen zu 100 Feuerwehreinsätzen. Besonders betroffen waren Oftringen, Aarburg, Beinwil im Freiamt und Mühlau. Im Kanton Solothurn traf das heftige Gewitter fast ausschliesslich die Region zwischen Olten und Schönenwerd. Die rund 50 Meldungen, welche bei der Kantonspolizei Solothurn eingingen, betrafen vorwiegend Wasserschäden, vereinzelt auch auf Strassen liegende Äste und Bäume. Im Kanton Bern war das Oberland am stärksten betroffen. In Sigriswil mussten Keller ausgepumpt werden, und durch angeschwollene Bäche und Rutschungen wurde an mehreren Stellen Material auf Strassen abgelagert. In Thun füllten sich diverse Unterführungen, Keller und Garagen mit Wasser, Hänge rutschten ab und Bäche verliessen ihre Bachbetten. Eine Gewitterzelle über dem Zulgtal liess die Zulg erheblich anschwellen, woraufhin sie im Bereich Zelg-Müllerschwelle in der Gemeinde Steffisburg an zwei bis drei Stellen über das Ufer trat. In Schwarzenegg mussten Keller ausgepumpt und Strassen von Kies und Geröll befreit werden. In Horrenbach-Buchen zerstörten Schlamm, Wasser und mitgeführte Baumstämme 6

eine Scheune, und in Schwendibach kam es zu kleineren Erdrutschen, die zu Strassensperrungen führten. Zudem wurden Kieswege ausgespült und ein Grossteil des Materials strandete hernach auf Wiesen und Weiden. Keller standen in Wimmis und der Region Spiez unter Wasser. Auch in Schangnau im Emmental gab es vereinzelt überschwemmte Keller. Zudem wurden Verbauungen, welche in den letzten Monaten infolge des Hochwassers im Juli 2014 erstellt wurden, weggerissen. Am Nachmittag des 12. sorgte im Kanton Basel Landschaft ein heftiges Gewitter über den Gemeinden Reinach, Arlesheim, Münchenstein, Muttenz, Pratteln, Augst, Frenkendorf, Füllinsdorf und Liestal für überschwemmte Wohnund Geschäftsräumlichkeiten. Am frühen Abend zogen heftige, teils von Hagel begleitete Gewitter über den Kanton Schwyz. In Oberiberg und Küssnacht am Rigi drangen an mehreren Orten grössere Wassermassen in Keller und Garagen ein. Gewitter mit Hagel entluden sich am Abend des 13. in der Region Thun und brachten vornehmlich im vorderen, rechten Zulgtal intensive Regenfälle. Überschwemmte Strassen mussten von Kies und Geröll befreit sowie Keller ausgepumpt werden. Am 14. herrschte in der ganzen Schweiz intensive Gewitteraktivität. Besonders heftige Niederschläge gab es dabei in der Ostschweiz. Im Kanton Thurgau traten in Kradolf-Schönenberg der Tüle- und Bitzibach über die Ufer, woraufhin die Wassermassen durch das Dorf strömten und Schlamm und Geröll in Unterführungen, Keller und Tiefgaragen schwemmten. Strassen wurden un-

terspült und Autos aufeinandergestapelt (Bild 7). Es entstanden die im Jahr 2015 finanziell höchsten Kosten an Sachwerten und Infrastruktur in einer Gemeinde (rund 10–20 Mio. CHF). In Erlen rutschte ein Hang in eine Unterführung und sorgte dafür, dass sie sich bis zur Decke mit Wasser füllte. Überschwemmungen gab es zudem in den Gebieten an der Aach. Unter anderem standen auch in Bettwiesen, Tobel-Tägerschen, Münchwilen, Wilen, Wuppenau, Bürglen, Sulgen, Hohentannen, Amriswil, Romanshorn, Kesswil und Güttingen Keller und Tiefgaragen unter Wasser. Im Kanton St. Gallen waren Bronschhofen und Wil am stärksten betroffen. Der Maugwilerbach in Bronschhofen verwandelte sich in einen reissenden Fluss und lagerte etliche Tonnen Geröll auf Vorplätzen, Strassen und in Garagen ab. Verkehrswege wurden beschädigt, Autos mitgerissen und Keller überschwemmt. Auch in Wil haben die Feuerwehrleute Liftschächte, Keller und Tiefgaragen leer gepumpt. Überschwemmtes Ackerland, Kies und Schlamm auf Wiesen und zahlreiche Erosionen prägten das Schadensbild. Naturstrassen wurden weggespült und Fuss- und Wanderwege beschädigt. Zudem floss Wasser auf die A1 und trug Erdreich von einer Böschung mit sich. Dies hatte zur Folge, dass Autos stecken blieben und 250 m3 Material von der Autobahn geräumt werden musste. Der Krebsbach trat in Rossrüti (Bronschofen), Wil und Rickenbach TG über die Ufer. Im Kanton Aargau war vor allem der westliche Kantonsteil betroffen. In Zofingen trat der Stadtbach an verschiedenen Stellen über die Ufer und überschwemmte eine Baustelle und mehrere Keller. Auf der Verbin-

Bild 7. Bäche traten in Kradolf-Schönenberg TG am 14. Juni über die Ufer und verwüsteten das Dorf (Foto: Egli Engineering AG, naturgefahr.ch). «Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


dungsstrasse Zofingen-Bottenwil kam ein Hang ins Rutschen, weshalb die Strasse gesperrt wurde. In Oftringen musste die Feuerwehr etliche verstopfte Abläufe und diverse geflutete Keller auspumpen. Rund 60 Feuerwehraufgebote gingen bei der Einsatzleitzentrale der Polizei BaselLandschaft wegen überschwemmter Privat- und Geschäftsliegenschaften ein, so z. B. aus Pratteln, Muttenz und Liestal. Vereinzelt wurden auch Strassen, Parkhäuser und Unterführungen überschwemmt und Alarmanlagen ausgelöst. Bei der Polizei im Kanton Solothurn gingen wegen der Gewitter und des Starkregens rund 35 Meldungen ein, z. B. aus Däniken, Walterswil und der Region Solothurn. Bei der Kantonspolizei Bern gingen über 160 Meldungen ein, mehrheitlich wegen überschwemmter Keller. 120 Anrufe kamen aus dem Seeland und dem Berner Jura. Am stärksten betroffen war dabei die Region Ins/Gampelen, wo Untergeschosse, Keller und Garagen mit Wasser vollgelaufen waren. In Ins wurden Strassen mit Geröll und Schlamm überdeckt und Autos weggeschwemmt. Im Kanton Freiburg musste die Feuerwehr rund 60-mal ausrücken. Überflutete Keller, Garagen oder Hauseingänge gab es in Cottens, Tafers, St. Antoni, Bösingen, aber auch in Cressier, Galmiz, Murten, Sugiez und Kerzers. Zwischen Kerzers und Ins BE führte der anhaltende Regen an mehreren Orten zu Unterspülungen des Bahntrassees der BLS-Strecke Bern-Neuenburg. Zwischen Kerzers und Müntschemier BE standen zudem Felder unter Wasser, weil das Wasser eines Abflusskanals übergetreten war. Am 16. trat der Laveggio bei Ligornetto TI über die Ufer und überflutete einige Parkplätze. Die Feuerwehr von Mendrisio TI hatte 18 Einsätze infolge von Überschwemmungen. 3.7 Juli Im landesweiten Mittel war der Juli der wärmste seit Messbeginn 1864. Die Niederschlagsmengen waren hingegen insgesamt deutlich unterdurchschnittlich. Lokal ereigneten sich einzelne Gewitter. In der Nacht auf den 4. ist es im Val de Gervan in der Gemeinde Mesocco GR wegen heftiger Niederschläge zu einem Erdrutsch gekommen, welcher einen Bach aufstaute. Daraufhin brach der natürliche Damm und die Wassermassen rissen eine Fussgängerbrücke und Strommasten nieder, was einen Stromausfall zur Folge hatte. Nach starken Gewittern am 22. und 23. über dem Unterengadin gingen in

Bild 8. Ein Murgang aus dem Val Triazza beschädigte am 22. Juli in der Fraktion Pradella der Gemeinde Scuol GR mehrere Gebäude (Foto: Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden). der Gemeinde Scuol GR 18 grosse Murgänge zwischen dem Val d’Uina und dem Val Plavna nieder. In der Fraktion Pradella staute sich das Geschiebe an einer Brücke, woraufhin der Bach über die Ufer trat. Keller und Erdgeschosse von vier betroffenen Gebäuden standen unter Wasser und Schlamm, Häuserfassaden wurden beschädigt, Autos zerstört und Kulturland wurde verschüttet (Bild 8). Auch im Clozza-Bach, welcher durch Scuol fliesst, staute sich Geschiebe und Schwemmholz an einer Brücke, woraufhin der Bach über die Ufer trat, Sitzplätze beschädigte und diverse Gegenstände mitriss. Zudem wurden in der Gemeinde Verbindungsstrassen und weitere Brücken beschädigt oder mit Geschiebe zugedeckt sowie Wasserleitungen zerstört. In Davos GR traten am 22. abends Bäche über die Ufer, und infolge eines Murgangs im Stützbach wurde eine Wasserfassung beschädigt, Mauern und Strassen weggerissen oder überspült und Abwasser- und Stromleitungen entlang der Kantonsstrasse unterspült. Es gab zudem mehrere Rüfen, sowohl im Chüealptal als auch im Ducantal. Auch hier wurden Wege überspült und viel Weideland beeinträchtigt. In Langwies GR im Schanfigg schwoll der Sapünerbach stark an, trat über die Ufer, setzte die Keller von zwei Häusern unter Wasser, zerstörte Brücken und Strassen und riss einen Strommasten mit. Ein heftiges Unwetter mit kräftigem Hagelschlag entlud sich am 24. über dem Gemeindegrenzgebiet zwischen Diemtigen und St. Stephan BE. Im Fermeltal der Gemeinde St. Stephan füllte der Bach das

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Bett mit Geröll auf, unterspülte die Ufer und lagerte das Geröll auf Wiesen ab. Wasserfassungen und Strassen wurden beschädigt. Geröll- und Wassermassen schütteten grosse Flächen Kulturland bei der Alp Kiley in der Gemeinde Diemtigen zu. Eine Holzbrücke wurde zudem weggeschwemmt und eine Strasse in Mitleidenschaft gezogen. In Adelboden BE traten Bäche über die Ufer, führten viele Gesteinsmassen mit sich und verwüsteten zum Teil Weideland. Strassen wurden übersart und Keller überflutet. Am Abend des 24. ging im Raum Eichberg-AltstättenOberriet SG ebenfalls ein heftiges Gewitter mit Hagelschlag nieder. Die Feuerwehren mussten diverse Keller auszupumpen. Im Einsatz waren aber auch die Feuerwehren Rebstein, Buchs, Flums, Wattwil und Kaltbrunn. 3.8 August Weite Landesteile blieben auch im August sehr trocken, während das Wallis und gewisse Regionen der Alpensüdseite deutlich überdurchschnittliche Niederschlagsmengen erhielten. Am 9. erreichten rund 100 Schadensmeldungen aufgrund von überfluteten Kellern aus dem Thurtal und dem Oberthurgau die Notrufzentrale (z. B. aus Weinfelden). Teilweise überflutete das Wasser auch Strassen und Unterführungen. In der Ortschaft Schwendi der Gemeinde Mels SG verklauste der Mülibach an drei Bachübergängen, trat über die Ufer und suchte sich seinen Weg durch das Dorf. Das Wasser drang in mehrere Häuser ein, und Geschiebe wurde abgelagert. Im Wallis löste 7


sich oberhalb von Ausserberg ein Murgang und zog ein Wohngebiet in Baltschieder in Mitleidenschaft. Ausserdem wurden infolge von Niederschlägen im Baltschiedertal drei Wasserleitungen ausgespült. Am 10. lagerte ein Steinschlagereignis Material auf der Strecke Raron–St.German VS ab und beschädigte einen Wanderweg und eine Swisscom-Leitung. Am 13. zog eine Gewitterzelle (mit Hagel) vom Süden des Kantons Freiburg bis in den Sense-Bezirk. Die Feuerwehren im Kanton leisteten 70 Einsätze wegen Überschwemmungen und umgestürzter Bäume, so z. B. in Estavayer-le-Lac. 3.9 September Über die ganze Schweiz gemittelt war der September 0.8 °C kühler als im Vergleich zur Norm 1981–2010. Im zentralen Wallis und im gesamten östlichen Mittelland war es sehr trocken, während im nördlichen Tessin und Graubünden überdurchschnittliche Niederschlagssummen fielen. Im September wurden keine nennenswerten Schäden verzeichnet. 3.10 Oktober Der Oktober war eher kühl, und es war vor allem nördlich der Alpen massiv zu trocken. Am Morgen des 19. lösten sich 1500 bis 2000 m3 Fels vom Mel de la Niva, oberhalb Evolène VS. Einige Blöcke rollten rund 1000 Höhenmeter den Hang hinunter und rissen mehrere Bäume mit sich. Die Stelle wird seit 2013 überwacht. In den Tagen vor dem Ereignis wurden bereits starke Bewegungen registriert, woraufhin eine Strasse gesperrt und ein Weiler vorsorglich evakuiert wurde. 3.11 November Die durchschnittliche Monatstemperatur lag 2.7 °C über der Norm 1981–2010. Sehr trocken war es auf der Alpensüdseite und im Engadin.

Am 21. entgleiste das hinterste Drehgestell eines Personenzuges bei Gurtnellen UR aufgrund eines Steinschlages. Sich dessen unbewusst, fuhr der Lockführer noch rund zwei Kilometer weiter, wobei die Geleise beschädigt wurden. Glücklicherweise wurde beim Vorfall niemand verletzt. 3.12 Dezember Der Dezember war der mildeste seit Messbeginn 1864. Auf der Alpensüdseite war der Dezember durch eine extreme Niederschlagsarmut im Rekordbereich geprägt. Anfang Dezember ereignete sich ein Steinschlag auf die geschlossene Strasse von Derborence VS.

dass zeitweise Wasserentnahmen für die Bewässerung der Kulturen verboten wurden. Dies führte zu Ernteausfällen im mittleren zweistelligen Millionenbereich und Futtermangel für die Tiere. Forellen mussten wegen tiefer Wasserstände oder hoher Wassertemperaturen umgesiedelt werden. In einigen Ortschaften gingen gar die Trinkwasservorräte zur Neige. Auch viele Kleinwasserkraftwerke im Mittelland litten unter dem Wassermangel, ebenso die Rheinschifffahrt, weil Frachtschiffe nur einen Teil ihrer regulären Ladung transportieren konnten. Danksagung Wir danken dem Bundesamt für Umwelt, BAFU, für die langjährige und massgebliche Unterstüt-

4.

Schäden durch weitere Naturgefahrenprozesse Wie auch in den vergangenen Jahren verursachten Hagel und Sturm einige Schäden in der Schweiz. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden nachfolgend ein paar Ereignisse erwähnt. Während des Sturmtiefs Niklas am 31. März wurde ein Autofahrer in Andelfingen ZH von einem stürzenden Baum erschlagen. In der Schweiz forderte der Sturm neben dem Todesopfer mindestens acht Verletzte. Hagelschäden in Millionenhöhe gab es am 27. April in Breitenbach und Büsserach SO. Am Wochenende vom 5. bis 7. Juni führten mehrere Unwetter mit Hagel zu Millionenschäden in der Landwirtschaft und an Autos. Betroffen waren vor allem die Kantone Jura, Neuenburg, Bern, Luzern und Zürich. Das zweite Halbjahr 2015 war geprägt durch langandauernde Trockenperioden. Dies hatte Folgen für die Landwirtschaft. Aufgrund des anhaltenden Mangels an Niederschlägen und der starken Transpiration der Pflanzen sind die Böden ausgetrocknet. Gleichzeitig sanken die Pegel in den Bächen und Flüssen so weit,

zung bei der Erfassung der Unwetterschäden und Andrea Portmann für die wertvollen Kommentare zum Manuskript. Literatur Andres, N., Badoux, A., Hegg, C. (2014): Unwetterschäden in der Schweiz im Jahre 2013. Rutschungen, Murgänge, Hochwasser und Sturzereignisse. «Wasser Energie Luft», 106. Jg., Heft 1: 59–66. Hilker, N., Badoux, A., Hegg, C. (2008): Unwetterschäden in der Schweiz im Jahre 2013. «Wasser Energie Luft», 100. Jg., Heft 2: 115–123. Hilker, N., Jeisy, M., Badoux, A., Hegg, C. (2007): Unwetterschäden in der Schweiz im Jahre 2005. «Wasser Energie Luft», 99. Jg., Heft 1: 31–41. MeteoSchweiz (2016): Klimabulletin Jahr 2015, Zürich. MeteoSchweiz (2015): Das monatliche Klimabulletin der MeteoSchweiz (Monate Januar bis Dezember), Zürich. Anschrift der Verfasser Norina Andres, Dr. Alexandre Badoux, Dr. Christoph Hegg, Eidg. Forschungsanstalt WSL Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf norina.andres@wsl.ch

Hydraulische Lösungen alles aus einer Hand Planen - entwickeln - produzieren Als innovatives Schweizer Traditionsunternehmen sind wir spezialisiert auf hydraulische Steuerungs- und Antriebstechnik. Ob grosse, komplexe Herausforderungen oder Einzelkomponenten: Jeder Auftrag ist für uns der Wichtigste. Bei Fragen, Anliegen oder Projekten freut es uns, für Sie da zu sein. Oelhydraulik Hagenbuch AG, Rischring 1, CH-6030 Ebikon, Tel. +41 (0)41 444 12 00, Fax +41 (0)41 444 12 01 ohe@hagenbuch.ch, www.hagenbuch.ch, www.hydraulikshop.ch 8 «Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


Schwebstoffe, hydro-abrasiver Verschleiss und Wirkungsgradänderungen an Peltonturbinen Ein Forschungsprojekt am KW Fieschertal André Abgottspon, David Felix, Robert Boes, Thomas Staubli

Zusammenfassung Durch schwebstoffhaltiges Wasser kommt es insbesondere bei Hoch- und Mitteldruckwasserkraftanlagen zu hydro-abrasivem Verschleiss an Turbinen und Pumpen mit entsprechenden Wirkungsgradreduktionen. Die Folgen sind erhöhte Unterhaltskosten und Ertragseinbussen. Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurden die Schwebstoffbelastung, die Abrasion an Peltonlaufrädern und die dadurch verursachten Wirkungsgradänderungen am KW Fieschertal während dreier Jahre detailliert gemessen und untersucht. Mit den Messungen konnten die Variation der Schwebstoffbelastung mit der Zeit, die Abhängigkeit von der Gletscherschmelze, von Regenereignissen und auch vom Betrieb der Anlage aufgezeigt werden. Die untersuchten, praxistauglichen Messmethoden erlaubten ein kontinuierliches Monitoring der Schwebstoffbelastung und lieferten somit eine Grundlage für die wirtschaftliche Optimierung des Anlagenbetriebs, beispielsweise für das vorübergehende Ausleiten von Fassungen und den Betriebsunterbruch während eines Hochwassers. Die Abrasion der Laufradbecher wurde mit detaillierten Messungen bestimmt. Um die Auswirkungen der Abrasion auf den Wirkungsgrad zu quantifizieren, wurde eine Methode des Wirkungsgradmonitorings entwickelt, die den Anlagebetrieb möglichst wenig beeinträchtigt. Darauf basierend kann die Wirtschaftlichkeit von Revisionsarbeiten (Nachschleifen, Nachbeschichten) und Ersatzinvestitionen beurteilt werden.

1. Einleitung Dieser Artikel bezieht sich auf die am 30. September 2015 an der Hochschule Luzern während der Tagung «Schwebstoffe, hydro-abrasiver Verschleiss und Wirkungsgradänderungen an Peltonturbinen» in Horw gehaltenen Präsentationen. 1.1 Hydro-abrasiver Verschleiss Eine beträchtliche Anzahl hydroelektrischer Anlagen im Alpenraum und weltweit (vor allem im Himalaya und in den Anden) sind jahreszeit– aber auch ereignisabhängig mit stark schwebstoffhaltigem Wasser belastet. Die betroffenen Wasserkraftanlagen befinden sich meist unterhalb von Einzugsgebieten mit aktueller oder ehemaliger, starker Vergletscherung. Sie weisen keinen

Résumé Les turbines et les pompes des aménagements hydroélectriques à haute ou moyenne chute peuvent subir de l’usure par abrasion causée par des particules minérales contenues dans l’eau. L’usure engendre une diminution des rendements hydrauliques, une augmentation des coûts d’entretien et des pertes de revenu. Dans le cadre d’un projet de recherche, la charge des sédiments en suspension, l’abrasion des roues Pelton ainsi que les différences de rendements hydrauliques en resultant ont été mesurées et analysées à l’aménagement de Fieschertal pendant trois ans. Les mesures ont montré la variation temporelle de la charge en sédiments ainsi que les effets de la fonte glaciaire, des pluies, et de l’exploitation de l’aménagement. Les techniques de mesure investiguées et éprouvées permettent une surveillance en continu de la charge des sédiments en suspension. Ceci fournit une base pour une opération économiquement optimisée, comme par exemple, d’interrompre le captage d’eau et le turbinage pendant les crues. L’abrasion des augets des roues Pelton a été quantifiée par des mesurages détaillés. Pour quantifier l’effet de l’abrasion sur les rendements hydrauliques, une méthode de surveillance a été développée en prenant compte de ne pas entraver l’exploitation. La surveillance des rendements sert de base pour juger la rentabilité des travaux de maintenance (meulage et revêtement sur site) et des investissements de remplacement.

grösseren Stauraum auf, oder es werden Gebirgsbäche direkt in das Triebwassersystem eingeleitet. Hohes Schwebstoffaufkommen wird durch Schnee- und Gletscherschmelze, Starkniederschläge (Bild 1) oder auch durch die Speicherbewirtschaftung (z. B. bei gezieltem Turbinieren von schwebstoffhaltigem Wasser) verursacht. Die Turbinen und Pumpen betroffener Wasserkraftanlagen sind hydro-abrasivem Verschleiss («Silt- oder Sandabrasion») ausgesetzt. Abhilfe wird teilweise mit Entsandern (z.B. Ortmanns 2006) und Beschichtung der Maschinenteile (z. B. Gummer 2009) gefunden. Die Abscheidung der kleineren Partikel (Silt und Feinsand) ist jedoch oft nicht mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand möglich.

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Auch bei kleinen Partikeln treten bei hohen Fliessgeschwindigkeiten und starken Umlenkungen der Strömung rasch Abrasionsschäden an wasserberührten Turbinenoder Pumpenbauteilen auf. Dies trifft auch bei beschichteten Oberflächen (Bild 2) zu. Der hydro-abrasive Verschleiss ist von folgenden Faktoren abhängig (Winkler et al. 2011, IEC 62364 2013): Partikel • Konzentration (Suspended Sediment Concentration, SSC) • Grösse (Particle Size Distribution, PSD) • Form • Härte Turbine und Strömung • Turbinentyp, Bauteil • Geometrie, Strömungsmuster 9


• •

Relativgeschwindigkeit Härte der Beschichtung und des Grundmaterials Gemäss Erfahrung und in der Literatur beschriebenen Berechnungsansätzen (z. B. Sulzer Hydro 1996 in DWA 2006, Winkler et al. 2010) nimmt der hydro-abrasive Verschleiss in Funktion der Relativgeschwindigkeit der Partikel gegenüber den bewegten Turbinenteilen stark zu (v2 bis v4). Bei grossen Nettofallhöhen HN und den damit verbundenen hohen Strömungsgeschwindigkeiten bei Peltonturbinen (v ≈ [2gHN]0.5) ist mit grösseren Abrasionsschäden zu rechnen (z. B. Bajracharya et al. 2008). Aufgrund des Rückgangs der Gletscher und des Permafrosts gelangen von unbewachsenen Flächen tendenziell mehr Sedimente in Fliessgewässer. Mit zusätzlichen ökologischen Bestimmungen (z. B. betreffend Stauraumspülungen) rücken die Thematik des hydro-abrasiven Verschleisses und der Umgang mit Feinsedimenten weiter in den Vordergrund. 1.2

Auswirkungen des hydroabrasiven Verschleisses Durch die Abrasion der Turbinenteile weicht deren Geometrie zunehmend vom ursprünglichen hydraulischen Profil ab. Dies führt zu einer Verschlechterung der Strömungsbedingungen und zu einer Wirkungsgradabnahme (Cateni et al. 2008). Bei unbeschichteten Peltonturbinen werden die Mittelschneiden stumpf und die Becherinnenseite wellig; die bewirkte Wirkungsgradreduktion nach einer Schwebstoffsaison kann mehrere Prozente betragen (Strübin und Bussy 1988, Thomann 1988). Bei beschichteten Peltonturbinen treten grosse Wirkungsgradreduktionen erst auf, wenn die Beschichtung mindestens lokal abgetragen ist und das Grundmaterial erodiert

wird. Von besonderer Bedeutung für die Wirkungsgradreduktion sind die Geometrie der Mittelschneiden und der Bechereintrittskanten. Aus der Literatur (Brekke et al. 2002, Maldet 2008) ist bekannt, dass der Wirkungsgrad um einige Prozent abfallen kann, wenn die Mittelschneidenbreite einige Prozent der Becherbreite erreicht. Die Mittelschneidenbreite wird in der Praxis oft als Indikator für die Abnutzung verwendet (Boes 2010). Die Mittelschneidenbreite ist aber nicht die einzige relevante Grösse für die Beschreibung des Verschleisses und seiner Auswirkungen. Die Wirkungsgradreduktion kann auch mit einer Vertiefung der Becherausschnitte in Verbindung gebracht werden (Hassler und Schnablegger 2006). Hydro-abrasiver Verschleiss kann beträchtliche Kosten für die Instandhaltung und den Ersatz von Turbinenbauteilen verursachen. Weiter können Laufradwechsel zu Produktionsausfällen führen, wenn diese während der Volllastzeit durchgeführt werden müssen. Liegt für das KW Fieschertal (64 MW, 144 GWh/a) beispielsweise eine Wirkungsgradabnahme von 1 % vor, beträgt die Minderproduktion ca. 1 GWh/a, was dem Jahresverbrauch von ca. 200 typischen Schweizer Haushalten entspricht. Kalberer (1988) schätzte die Produktionsverluste infolge Wirkungsgradreduktion bei Peltonanlagen im zeitlichen Mittel auf 0.5 %. Dies ergab bei einer wohl noch heute annähernd gültigen Produktionserwartung mit Peltonturbinen von 13 TWh/a in der Schweiz Produktionsverluste von 65 GWh/a. 1.3

Notwendigkeit kontinuierlicher Messmethoden Wenn Laufräder beschichtet und in der Formgebung speziell für hohe Schwebstoffbelastung ausgelegt werden, ist meistens eine Wirkungsgradeinbusse in Kauf zu nehmen. Der Unterschied in der Wirtschaftlichkeit zwischen der verlängerten Einsatzzeit

Bild 1. Stark schwebstoffhaltiger Gebirgsfluss Wysswasser am 08. August 2013 wenig oberhalb der Wasserfassung des KW Fieschertal und Mikroskopbild der Partikel (Fotos: VAW). 10

gegenüber dem Produktionsverlust infolge der Wirkungsgradeinbusse muss für jede Anlage individuell betrachtet werden. Diese Beurteilung der Wirtschaftlichkeit sollte aber nicht nur statisch vor der Errichtung einer neuen Anlage oder bei einer grösseren Revision (Laufradersatz) durchgeführt werden, sondern basierend auf Messdaten fortlaufend erfolgen. Für ein wirksames Monitoring sind kontinuierliche Messmethoden erforderlich. Diese sollten insbesondere die Schwebstoffkonzentration und den Turbinenwirkungsgrad erfassen, welche die wichtigsten Einfluss- und Auswirkungsgrössen des hydro-abrasiven Verschleisses sind. Gemäss Laboruntersuchungen (Sulzer Hydro 1996 in DWA 2006, Winkler et al. 2011) verursachen gröbere Partikel bei gleicher Schwebstoffkonzentration (SSC) mehr Abrasion als feine Partikel. Deshalb ist zu empfehlen, bei umfassenden Monitorings ebenfalls die Partikelgrössenverteilung (PSD) zu messen. Dabei sollten Messwerte mindestens minütlich erfasst werden, da starke Schwebstoffereignisse zu raschen Anstiegen in der SSC führen können. 1.4

Ausgangslage und Forschungsprojekt Das Problem des hydro-abrasiven Verschleisses ist qualitativ bekannt und es bestehen gewisse Berechnungsansätze zur Abschätzung des Materialabtrags an unbeschichteten Turbinenbauteilen (Sulzer Hydro 1996 in DWA 2006). Es sind aber praktisch keine vollständigen PrototypMessdatensätze bezüglich Schwebstoffbelastung, Abrasion und Wirkungsgradänderungen verfügbar. Physikalische Modellversuche zu Abrasion (Grein und Krause 1994, Winkler et al. 2011) tragen zur Verbesserung des Prozessverständnisses und der Grundlagenkenntnisse bei; aus Gründen der Durchführbarkeit weichen aber die Strömungsverhältnisse zum Teil stark von Prototyp-Bedingungen ab (Massstabseffekte). Es besteht also Bedarf an Messsystemen,

Bild 2. Hydro-abrasiver Verschleiss an Laufrädern im KW Fieschertal nach einer schwebstoffreichen Saison. Die Beschichtung wird meist zuerst auf der Mittelschneide und im Ausschnitt abgetragen (Foto: VAW). «Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


die für den Einsatz an Wasserkraftanlagen geeignet sind, um die Schwebstoffführung des Triebwassers quantifizieren zu können. Neben dem Wunsch nach verbesserten Abrasionsmodellen besteht auch ein Interesse an verbesserten Bemessungsgrundlagen für den Anlagenentwurf und -betrieb. Diese sollten für das Sedimentmanagement und den hydro-abrasiven Verschleiss unter folgenden Gesichtspunkten optimiert werden: • Bestimmung der Bemessungskorngrösse für Entsandungsanlagen • Auswahl von Turbinenbeschichtungen • Auslegung der hydraulischen Maschinen in Bezug auf die Formgebung • Prüfung der Option des gezielten Weiterleitens von Feinsedimenten in Stauseen über den Triebwasserweg • Abschätzung eines Grenzwertes für vorübergehende Kraftwerksabschaltungen während eines kurzzeitigen, starken Schwebstoffaufkommens Zur Verbesserung der Kenntnisse über den hydro-abrasiven Verschleiss an Hochdruckwasserkraftanlagen und geeigneter Gegenmassnahmen haben die Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich und das Kompetenzzentrum für Fluidmechanik und Hydromaschinen (CC FMHM) der Hochschule Luzern im Jahr 2011 ein Forschungsprojekt initiiert. Das Ziel des Projekts war, die Zusammenhänge zwischen Schwebstoffbelastung, Abrasion und Wirkungsgradänderungen weiter zu untersuchen. Das Projekt wurde, gemeinsam mit Industriepartnern, mit Hauptgewicht auf einer Fallstudie am KW Fieschertal durchgeführt. Im Rahmen dieses interdisziplinären Forschungsprojekts wurde unter realen Betriebsbedingungen die Schwebstoffführung des Triebwassers (SSC und PSD) mittels neuartiger Messtechnik kontinuierlich erfasst. Der Verschleiss an den Laufrädern der Peltonturbinen und die Wirkungsgradveränderungen wurden mehrfach gemessen. Der Wirkungsgrad wurde unter anderem auch kontinuierlich gemessen, um ihn der Schwebstoffführung des Triebwassers gegenüberstellen zu können. 1.5 Das Kraftwerk Fieschertal Das KW Fieschertal (schematischer Längsschnitt in Bild 3) ist eine Hochdruck-Wasserkraftanlage mit Tirolerfassung am Bergbach Wysswasser, dessen Einzugsgebiet zu 57 % vergletschert ist (Stand 2009). Es ist kein Stausee vorhanden. Die Fassung wurde in den 1970er-Jahren direkt an der Zunge des Fieschergletschers gebaut. Inzwischen hat sich der Gletscher um ca. 500 m zurückgezogen, wodurch ein Glet-

schervorfeld entstand. Bei geringem Abfluss lagern sich Sedimente ab, welche dann bei grossem Abfluss wieder erodiert werden. Weiter fallen Sedimente in verschiedenen Korngrössen von unbewachsenen, leicht erodierbaren Hängen und vor allem von der Erosion unter dem Gletscher an. Das Wasser fliesst von der Fassung durch einen Kies- und einen Sandfang in einen 2 km langen Freispiegelstollen, der als Tagesspeicher (64 000 m3) dient. Vom Freispiegelstollen gelangt das Triebwasser durch eine erdverlegte Druckleitung zu den zwei Maschinengruppen (MG) im Dorf Fieschertal. In der Zentrale sind zwei horizontalachsige, zweidüsige Peltonturbinen mit einer Nennleistung von je 32 MW installiert. Die Fallhöhe beträgt 509 m und der Ausbauvolumenstrom der Anlage beträgt 15 m3/s. Im Bild 3 sind die im Monitoring des Forschungsprojekts erfassten Informationen dargestellt. Die Farben beziehen sich auf die drei Teilbereiche des Monitorings: (i) Schwebstoffe (gelb), (ii) Verschleiss (grün) und (iii) Turbinenwirkungsgrad (rosa). 2.

Messtechniken und Vorgehen

2.1

Schwebstoffmessungen

2.1.1 Gravimetrische SSC mittels Flaschenproben Schwebstoffkonzentrationen (SSC) können am zuverlässigsten durch Wägung des getrockneten Rückstands im Labor bestimmt werden (gravimetrische Methode). Dafür sind im Feld möglichst repräsentative Proben des sedimenthaltigen Wassers zu entnehmen. Wenn Proben in regelmässigen Intervallen von beispielsweise einigen Tagen entnommen werden, werden in der Regel die SSC-Spitzen schlecht erfasst. Deshalb

wurden an der Wasserfassung und in der Schieberkammer des KW Fieschertal automatische Probenehmer eingesetzt, die von Messrechnern gesteuert wurden (Boes et al. 2013). So konnten auch Proben zu Zeitpunkten mit erhöhter SSC gewonnen werden. Über drei Jahre wurden von 285 Flaschenproben aus der Schieberkammer die SSC gravimetrisch bestimmt. Da die gravimetrische Methode aufwendig ist und die Messresultate nicht in Echtzeit zur Verfügung stehen, sind verschiedene indirekte Methoden entwickelt worden (Wren et al. 2000). Im vorliegenden Forschungsprojekt wurden die folgenden fünf Methoden für das Echtzeit-Monitoring des Schwebstoffaufkommens angewendet, untersucht und weiterentwickelt. 2.1.2 SSC mittels Trübungsmessungen Bei Trübungssonden wird die Dämpfung oder die Rückstreuung von Licht infolge der Schwebstoffe im Wasser gemessen. Viele Streulicht-Trübungssonden haben einen Messbereich von 4000 FNU (Formazine Nephelometric Unit), einige bis 9999 FNU. Trübungsmesswerte hängen von der SSC sowie der Grösse, Form und Farbe der Partikel ab (Sutherland et al. 2000, Boes et al. 2013). Die Umrechnung von Trübungsmesswerten in SSC basiert auf Korrelationen, die durch Vergleich von Trübungsmesswerten und gravimetrischen SSC ermittelt werden. Im Langzeitbetrieb sind automatische Einrichtungen für die Reinigung der Sensorenoptik erforderlich, um Messwertverfälschungen zu vermeiden und den Unterhaltsaufwand gering zu halten. Dafür können Wischer oder Druckluftreinigung eingesetzt werden. Im Wysswasser bei der Wasserfassung des KW Fieschertal und am Ende des Entsanders wurden Eintauch-Trübungs-

Bild 3. Schematisches Längenprofil des KW Fieschertal mit den drei Teilbereichen des Monitorings.

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sonden installiert. Die Sonde im Wysswasser wurde zum Schutz vor Geschiebe und Eisstücken in einem massiven, gelochten Stahlrohr montiert. Diese Sonde hat die Aufgabe, auch aktuelle Trübungswerte zu liefern, wenn die Wasserfassung bei einem Unwetter geschlossen wird. Die Sonde im Entsander ist vor Naturgefahren besser geschützt und erhöht die Zuverlässigkeit des Schwebstoffmonitorings im Fassungsbereich (Redundanz). Von diesen Trübungssonden können hohe SSC aufgrund der Fliesszeit des Wassers im Triebwassersystem mit einer Vorwarnzeit von einer Stunde erkannt werden. In der Schieberkammer des KW Fieschertal wurden versuchsweise

Bild 4. Schwebstoffmessgeräte in der Schieberkammer des KW Fieschertal (Foto: VAW). 12

drei Trübungssonden an einer Probeentnahmeleitung installiert, die von der Druckleitung gespeist wird (Bild 4). Bei zwei dieser Sonden wird die Trübung an der leicht unter Druck stehenden Entnahmeleitung gemessen, bei der dritten an einem frei fallenden Wasserstrahl am Austritt einer kleinen abzweigenden Leitung. Die Bauweise dieser Trübungssonde hat den Vorteil, dass keine Reinigung erforderlich ist, weil die Sensorenoptik nicht mit schwebstoffhaltigem Wasser in Kontakt kommt. 2.1.3 SSC mittels akustischer Methode Akustische Signale im Ultraschallbereich können auf verschiedene Arten für das Schwebstoffmonitoring genutzt werden (Stichworte: forward und/oder backscatter sowie multi-frequency). In diesem Projekt wurde eine akustische Methode eingesetzt, mit der das Schwebstoffaufkommen in einer Druckleitung ohne zusätzliche Sensoren überwacht werden kann, da unterstrom der Schieberkammer eine akustische Durchflussmessung (ADM) installiert ist (vier Pfade, di = 1.95 m, 1 MHz). Bei einer ADM werden Ultraschallpulse von einer Rohrwand zur anderen gesendet. Wenn das Wasser Schwebstoffe enthält, wird das empfangene Signal abgeschwächt. Das Ausmass dieser Dämpfung hängt – ähnlich wie bei Trübungsmessungen – von der SSC und der Partikelsorte ab (Bild 5). Dies wurde vor den Messungen im KW Fieschertal mittels Versuchen im hydraulischen Labor an der Hochschule Luzern in Horw untersucht (Costa et al. 2012, Boes et al. 2013). Die im KW Fieschertal gemessenen Dämpfungen wurden wie bei den Trübungssonden mit den gravimetrischen SSC korreliert. Im Bereich höherer SSC wurden für die Korre-

lation auch Daten der im Folgenden erläuterten CMD- und der Druckmessmethode beigezogen. So wurden die über die Zeit gemittelten Eigenschaften der am Einsatzort vorhandenen Partikel berücksichtigt. Um die ADM für das Schwebstoffmonitoring nutzen zu können, war es mit dem verwendeten Modell (Rittmeyer Risonic) lediglich erforderlich, die Amplituden der empfangenen Ultraschallpulse auf dem Gerät als zusätzliche digitale Ausgangssignale zu definieren und diese dem Messcomputer zuzuführen. 2.1.4 SSC mittels Dichtemessung mit Coriolis-Messgerät Die SSC kann auch mit einem Coriolis Massestrom- und Dichtemessgerät (CMD) indirekt gemessen werden (Bishwakarma und Støle 2008). Ein solches Gerät wurde ebenfalls in die Probenahmeleitung eingebaut (Bild 4). Im verwendeten Gerät sind zwei parallele, gebogene Rohre vorhanden, die elektronisch gesteuert, zu feinen Schwingungen angeregt werden. In einem CMD wird der Coriolis-Effekt genutzt, um den Massestrom zu bestimmen. Die Dichte der Flüssigkeit wird über die Veränderung der Eigenfrequenz der durchflossenen Rohrbögen bestimmt. Gemäss Spezifikation des verwendeten CMDs kann die Dichte auf 0.5 g/l genau gemessen werden. Für die Umrechnung von der gemessenen Gemischdichte auf die SSC müssen die Dichte des Klarwassers und die Dichte des Partikelmaterials bekannt sein. Die Dichte des Klarwassers wurde aufgrund von Literaturwerten und der Wassertemperatur, die ebenfalls im CMD gemessen wird, berechnet. Die Dichte des Partikelmaterials wurde im Labor des Geo-

Bild 5. Dämpfung der Ultraschallsignale in Abhängigkeit der SSC für verschiedene Partikelsorten mit unterschiedlichen mittleren Durchmessern. «Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


technischen Instituts der ETH Zürich an einigen getrockneten Proben mit einem Pyknometer bestimmt (ρs= 2730 kg/m3) und als konstant angenommen. Bei der Berechnung der SSC wurde weiter ein periodischer Dichteabgleich berücksichtigt (< 0.6 g/l). Der Dichteabgleich trägt unter anderem der Konzentration gelöster Stoffe Rechnung und kompensiert die saisonal aufgetretene leichte Biofilmbildung in den Messrohren. 2.1.5 SSC und PSD mittels Laserdiffraktometrie Laserdiffraktometer werden seit einigen Jahrzehnten in Labors für die Messung von Partikelgrössenverteilungen (PSD) verwendet. Seit dem Jahr 2000 sind auch tragbare bzw. eintauchbare Geräte für Messungen vor Ort unter dem Namen «Laser in-situ Scattering and Transmissiometry» (LISST) erhältlich (Agrawal und Pottsmith 2000), mit welchen sowohl die PSD als auch die Konzentration gemessen werden können. In LISST-Geräten werden die Streuung bzw. Beugung (diffraction) und die Dämpfung von Laserlicht gemessen, die von den Partikeln verursacht werden. Mit der mitgelieferten Software werden die Volumenkonzentration der Partikel in 32 logarithmisch verteilten Grössenklassen (nominal von 2 bis 380 μm) berechnet (Agrawal et al. 2008). Daraus können die PSD und die totale Volumenkonzentration ermittelt werden. Die Volumenkonzentrationen wurden mit den Laborresultaten der Flaschenproben auf Massekonzentrationen (SSC) umgerechnet. Mit diesem Vorgehen werden Effekte der Partikelform und allfälliger Flockenbildung auf die SSC berücksichtigt (Felix et al. 2013b). Mit LISST können also die SSC und die PSD im Minutentakt vor Ort gemessen werden. In früheren Studien wurden PSDMessungen aus Kostengründen nur an wenigen Flaschenproben im Labor durchgeführt. Im Gegensatz zu Trübungssonden und der erwähnten akustischen Methode werden beim LISST die aktuellen Partikelgrössen für die Berechnung der SSC berücksichtigt. In der Schieberkammer des KW Fieschertal wurde ein vielseitig einsetzbares, wasserdichtes LISST-Modell (LISST100X) verwendet. Bei diesem Modell wird der Laserstrahl standardmässig auf einer Strecke von 50 mm durch die Wasserprobe gesendet. Um den Bereich messbarer SSC zu erhöhen, wurde die optische Pfadlänge durch Einsetzen des stärksten erhältlichen Pfadreduktionsmoduls (Glaskörper) auf 5 mm reduziert. Das LISST-Gerät wurde in der Schieberkammer des KW Fieschertal so montiert, dass dessen Messkopf seitwärts

in einen spülbaren Behälter mit Überlauf ragte (Bild 4). Der optische Pfad des Geräts befand sich unmittelbar unter dem Auslauf der Probenahmeleitung. 2.1.6 SSC mittels Druckmessungen Eine weitere Möglichkeit für die Überwachung der SSC im Triebwasser von Hochund Mitteldruckwasserkraftanlagen besteht in der Auswertung von statischen Druckmessungen. Wenn das Triebwasser viel Schwebstoffe enthält, sind die Gemischdichte und somit der Druck am unteren Ende der Druckleitung grösser als bei Klarwasserverhältnissen. Am KW Fieschertal werden u. a. der Oberwasserpegel, der Volumenstrom in der Druckleitung und die Drücke jeweils vor den Turbinen gemessen. Aus den Messdaten in stationären Klarwasserverhältnissen konnten die Druckverluste zwischen dem Oberwasserpegel und den Druckmessstellen in der Zentrale für verschiedene Betriebszustände in Funktion des Volumenstroms berechnet werden. Mit diesen Kennlinien sowie mit aktuellen Druck-, Pegel- und Volumenstromdaten konnte die Dichte des schwebstoffhaltigen Wassers in der Druckleitung in stationären Zuständen berechnet werden. Schliesslich wurde von der Gemischdichte, wie im Abschnitt 2.1.4 erwähnt, auf die SSC umgerechnet. Die mit dieser Methode ermittelte SSC bezieht sich im Gegensatz zu den anderen Methoden nicht auf eine Punkt- oder Querschnittsmessung, sondern auf den ganzen Inhalt der Druckleitung. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass höhere SSC ohne zusätzliche Sensoren gemessen werden können. Ein Nachteil ist, dass keine Vorwarnzeit für allfällige Turbinenabschaltungen vorhanden ist. Zu den Schwebstoffmessungen ist generell anzumerken, dass die Messunsicherheiten im Vergleich zu anderen Fachgebieten relativ hoch sind. Bei in-situ SSCund PSD-Messungen gelten derzeit Messunsicherheiten von ± 20 % als realistisch.

(Deltascope FMP30 der Helmut Fischer AG mit Zweipolsonde V7FKB4) beruht auf dem Prinzip der magnetischen Induktion und wurde in Bezug auf das vorhandene Grundmaterial wie folgt kalibriert: An einer unbeschichteten, möglichst ebenen und glatten Stelle eines Bechers wurde der Nullpunkt eingestellt. Dann wurde eine Kunststofffolie bekannter Dicke aufgelegt und der zweite Kalibrierpunkt gemessen. Die Abnutzung der Sondenpole wurde kompensiert. Für die rechte und die linke Becherhälfte wurden je eine Schablone aus Pappmaché durch Abformen an einem Becher erstellt. Beim wiederholten Einsetzen der Schablonen in die Becher der verschiedenen Laufräder mit unterschiedlicher Revisionsgeschichte wurde beobachtet, dass die Lage der Messpunkte auf ca. ±5 mm genau definiert ist. In jeder Messkampagne wurde die Schichtdicke an jedem Messpunkt n = 10 Mal gemessen. Die erweiterte Messunsicherheit (95 %-Vertrauensintervall) des Mittelwerts von n = 10 Schichtdickenmessungen an einem Messpunkt betrug bei der Hälfte der Messungen weniger als 2.5 μm und bei allen als gültig eingestuften Messwerten weniger als 5 μm. Bei einer nominalen Beschichtungsdicke von 300 μm entspricht dies einer relativen Abweichung von 0.8 % bzw. 1.6 %. Aufgrund der Auswertungen wurde weiter abgeschätzt, dass die Reproduzierbarkeit einer über einen Becher gemittelten Schichtdickendifferenz besser als ±5 μm ist. 2.2.2 3D-Digitalisierung Für die wiederholte Vermessung der aktuellen Geometrie der durch Abrasion beanspruchten Becher wurde ein optischer 3DScanner (Comet L3D 5M von Steinbichler bzw. Carl Zeiss Optotechnik) im Turbinen-

2.2 Verschleissmessungen Die Abrasion an den Bechern der Peltonlaufräder des KW Fieschertal wurde mit den folgenden zwei Methoden im Turbinengehäuse gemessen: 2.2.1 Beschichtungsdicke Die lokalen Beschichtungsdicken wurden mit einem Schichtdickenmessgerät und Schablonen (Bild 6) gemessen. Letztere dienten zur Definition der Lage der Messpunkte innerhalb des Bechers und zum Wiederauffinden der Punkte bei Folgemessungen. Das Schichtdickenmessgerät

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Bild 6. Anwendung einer Schablone für die Messung der Schichtdicken in einem Peltonbecher in der Zentrale des KW Fieschertal (Foto: VAW). 13


gehäuse eingesetzt. Das Messsystem hat eine Auflösung von 5 Mio. Punkten pro Aufnahme. Mit einem Messvolumen von 480 × 400 × 250 mm beträgt der Abstand der Messpunkte auf der Objektoberfläche im Mittel 190 μm. Das System basiert auf den Methoden der Streifenlichtprojektion und der räumlichen Triangulation. Der Projektor und die Kamera sind in einem Gerät kombiniert, das auf einem Stativ frei platziert wird (Bild 7). Das Messsystem wurde im Werk kalibriert. Die Abweichungen zum Soll und zwischen zwei Validierungsmessungen betrugen lediglich ca. 10 μm; Abweichungen bis 40 μm werden vom Hersteller als zulässig erachtet. Nach dem Transport des optischen Messsystems zur Kraftwerksanlage wurde jeweils die Kalibrierung des Messsystems mit einer Referenzplatte überprüft. Zur Reduktion von Lichtspiegelungen wurden die zu vermessenden Becher vor dem Digitalisieren mit einer weissen Substanz eingesprüht (Entwicklerspray). Dann wurden Markierpunkte, die zum Zusammenfügen mehrerer Einzelaufnahmen dienen, in einem unregelmässigen Muster aufgeklebt. Aufgrund der gegebenen geometrischen Verhältnisse (Sichteinschränkungen durch benachbarte Becher bzw. durch Becherrand und Mittelschneide) und der Grösse der Peltonbecher im vorliegenden Fall (Becherbreite ≈ 65 cm) kann ein Becher nicht mit einer einzelnen Aufnahme vermessen werden, sondern es sind pro Becher ca. 75 Aufnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln und geeigneter Distanz erforderlich. Die Einzelaufnahmen werden mithilfe der Markierpunkte und aufgrund der Oberflächengeometrie zu einem Gesamtmodell zusammengefügt (sogenanntes

Bild 7. 3D-Digitalisierung im Turbinengehäuse des KW Fieschertal. Das optische Messgerät ist auf einem fahrbaren Stativ aufgebaut (Foto: HSLU). 14

Matching). Es wurde ein Vorgehen entwickelt, mit welchem die Teilaufnahmen, beginnend von der Becheraussenseite, möglichst gut zusammengefügt werden können. Die konsolidierten geometrischen Modelle der Oberflächengeometrien (3DPunktewolken) wurden nachträglich auf dem Bildschirm an Referenzflächen ausgerichtet, um die zu verschiedenen Zeitpunkten aufgenommenen Geometriemodelle zu vergleichen. Als Referenzflächen wurden der Becherrand und die seitlichen Partien der Becherausschnitte verwendet, da diese eben und nicht von hydro-abrasivem Verschleiss betroffen sind. Aus den 3D-Modellen wurden diverse Schnitte erzeugt, in welchen unter anderem die Mittelschneidenbreite bestimmt wurde. Um diese Breite auch bei gerundeten oder unregelmässig abgetragenen Mittelschneiden zu bestimmen, wurden die Tangentensteigungen an den Schneidenseiten bestimmt. Durch den Vergleich der geometrischen Modelle beziehungsweise der Schnitte, die zu verschiedenen Zeitpunkten aufgenommen worden waren, wurden folgende Grössen bestimmt (Abgottspon et al. 2013): • Abnahme der Mittelschneidenhöhe • Zunahme der Mittelschneidenbreite • Zunahme der Becherausschnittstiefe • Volumenabnahme an den Mittelschneiden • Volumenabnahme im Bereich der Becherausschnitte Die Volumenunterschiede wurden mit einer Dichte von 7.7 g/cm3 für das übliche Turbinengrundmaterial in einen Masseverlust umgerechnet. Die Reproduzierbarkeit der ermittelten geometrischen Differenzen wurde untersucht, indem jeweils zwei Geometriemodelle, die in Perioden mit vernachlässigbarer Schwebstoffbelastung aufgenommen worden waren, verglichen wurden. Die Abweichungen betrugen oft weniger als ±0.3 mm, in einem Fall bis ±0.7 mm auf der Innenseite einer Becheraussenwand. Es wurde festgestellt, dass in diesem Bereich und im Bechergrund die Messunsicherheit grösser ist als an den übrigen Partien des Bechers, vermutlich wegen ungünstigeren Bedingungen bei den Aufnahmen (Sichtverhältnisse) und beim Zusammenfügen der Aufnahmen (Anschlusspunkte und Überlappungsflächen). In der vorliegenden Anwendung ist die Geometrie im Bereich der Mittelschneiden und der Bechereintrittskanten relevant. In diesen Bereichen eines Peltonbechers in der untersuchten Grösse wird die Reproduzierbarkeit auf ±0.2 mm geschätzt. Bei einer Abtragstiefe von beispielsweise 1 mm beträgt der relative Fehler 20 %. Für kleinere Peltonbecher oder Teilbereiche von

grösseren Bechern, die mit einer oder wenigen Einzelaufnahmen erfasst werden können, ist die Messunsicherheit geringer und dürfte gegen ±0.01 bis ±0.04 mm tendieren. 2.3 Wirkungsgradmonitoring Um die Änderungen der Wirkungsgrade der beiden Turbinen im Lauf der Zeit zu bestimmen, wurden einerseits regelmässig Indexwirkungsgradmessungen mit dem sog. Sliding-Needle-Verfahren durchgeführt und andererseits eine Auswertemethode für ein kontinuierliches Wirkungsgradmonitoring entwickelt. 2.3.1 Sliding-Needle-Messungen Mit Indexwirkungsgradmessungen werden Vergleichsmessungen durchgeführt. Diese dienen dazu, Wirkungsgradunterschiede zwischen zwei Messkampagnen quantitativ zu bestimmen. Die absoluten Wirkungsgradunterschiede werden bezüglich einer gleichbleibenden Referenzmessung ausgewiesen. Die periodisch wiederholte Bestimmung von Indexwirkungsgraden erlaubt, den Wirkungsgradverlauf einer Turbine über die Zeit zu überwachen (Wirkungsgradhistorie). Für Indexwirkungsgradmessungen sind langzeitstabile Messwertaufnehmer erforderlich, und die Messung des Volumenstromes ist von zentraler Bedeutung. Dabei ist nicht die Messunsicherheit, sondern die Reproduzierbarkeit relevant. Akustische oder magnetisch-induktive Volumenstrommessungen sind besonders geeignet, da das anspruchsvolle Spülen von Druckaufnehmern, beispielsweise bei Venturi-Messungen, nicht erforderlich ist. Das Sliding-Needle-Verfahren erlaubt, während möglichst kurzer Zeit (etwa 1 Stunde) den Wirkungsgrad einer Peltonturbine über ihren relevanten Betriebsbereich aufzunehmen. Bei Francis- und Kaplanturbinen wird das entsprechende Messverfahren als Sliding Gate bezeichnet; es wurde erstmals von Almquist et al. (1995) erwähnt. Eine Übersicht zu diesem Messverfahren ist in Abgottspon und Staubli (2008) aufgeführt. Grundsätzlich wird das Stellorgan (Düse oder Leitapparat) bei quasi-stationären Bedingungen kontinuierlich geöffnet und wieder geschlossen (Bild 8). Es werden alle Messgrössen, die für die Wirkungsgradberechnung relevant sind, mit einer Abtastrate von 1 Hz gespeichert. Klassische Indexwirkungsgradmessungen beinhalten im Gegensatz zu den Sliding-Needle- oder -GateMessungen eine Reihe von Messpunkten von Teil- bis Überlast, während deren Erfassung die Betriebsbedingungen konstant gehalten werden. Aus den während einer Sliding-Needle-Messung aufgezeichneten

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vorwiegend Glimmer (Muskovit und Biotit). Die mineralogische Zusammensetzung der Partikel in Fieschertal ist mit anderen Anlagen im Wallis vergleichbar (vgl. Ortmanns 2006). Gemäss Mikroskopbildern (Bild 1) sind die Partikel vorwiegend kantig, einige sind plättchenförmig (Glimmer). 3.2

Bild 8. Ganglinien einiger aufgezeichneter Signale während eines Sliding-NeedleTests. Daten kann der Wirkungsgrad in Funktion der Leistung berechnet werden. Für jedes Messdatum wurde daraus ein gewichteter Indexwirkungsgrad berechnet und die gewichteten Indexwirkungsgrade in Funktion der Zeit aufgetragen (Wirkungsgradhistorie). 2.3.2 Kontinuierliches Wirkungsgradmonitoring Für einen optimierten Betrieb einer stark von hydro-abrasivem Verschleiss betroffenen Anlage ist es wichtig, den Verlauf der Wirkungsgradreduktion mit einer guten zeitlichen Auflösung zu kennen. Obwohl das Sliding-Needle- bzw. -Gate-Messverfahren darauf optimiert wurde, den normalen Anlagenbetrieb möglichst wenig zu beeinträchtigen (Messdauer etwa 1 Stunde), ist es insbesondere in der Volllastzeit in der Praxis oft nicht gut möglich, z. B. monatliche Indexwirkungsgradmessungen durchzuführen. Daher wurde eine Methode für ein kontinuierliches Wirkungsgradmonitoring entwickelt, welche Daten mit einer hohen zeitlichen Auflösung liefert. Dafür werden die Messdaten idealerweise direkt von den Signalwandlern mit einer Abtastrate von 1 Hz von einem Messrechner gespeichert. Zu jedem Zeitpunkt wird ein Indexwirkungsgrad und bei der Tagesauswertung eine gewichtete Wirkungsgraddifferenz zu einer gleichbleibenden Referenzkurve berechnet. Die Wirkungsgraddifferenzen werden dann in der Wirkungsgradhistorie dargestellt. Beim jetzigen Entwicklungstand der Methode ist es möglich, den Indexwirkungsgrad im Einmaschinenbetrieb auszuwerten. Der Grund hierfür liegt darin, dass beim KW Fieschertal die zuverlässigste Volumenstrommessung in der Druckleitung, oberhalb

der Aufteilung auf die einzelnen Turbinen, installiert ist. Im Zweimaschinenbetrieb kann die Aufteilung des Volumenstroms auf die einzelnen MG nicht genügend genau berechnet werden (erforderliche Unsicherheit kleiner 0.2 %). Das kontinuierliche Wirkungsgradmonitoring erfordert anspruchsvolle Signalverarbeitung und Plausibilitätsüberprüfungen zwischen den Signalen in Echtzeit. Um die Messwerte und die Langzeitstabilität der Messwertaufnehmer zu kontrollieren, wurde ein System von Kontrollen, ähnlich eines Expertensystems, aufgebaut. Dabei werden unter anderem die vor den Turbinen gemessenen Drücke mit der Oberwasserpegelmessung unter Berücksichtigung der hydraulischen Verluste in der Triebwasserleitung verglichen. Weiter werden z. B. die Volumenstrommessungen am oberen und am unteren Ende der Druckleitung miteinander verglichen und die Abweichungen ebenfalls kontinuierlich analysiert. 3.

Resultate der Schwebstoffmessungen

3.1

Allgemeine Partikeleigenschaften Wie erwähnt, beträgt die Dichte des Partikelmaterials im Triebwasser des KW Fieschertal im Mittel 2730 kg/m3. Gemäss weiteren Laboruntersuchungen an einigen getrockneten Proben mit der RietveldRöntgenbeugungsanalyse besteht die Partikelmasse zu 65–80 % aus Mineralien mit einer Mohshärte ≥ 6 (Quarz, Feldspat und Epidot), welche mindestens so hart sind wie das Turbinengrundmaterial. Der Rest sind weichere Mineralien (Mohshärte ≤ 3),

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Verhalten der Schwebstoffmessgeräte allgemein Die mit den verschiedenen Methoden ermittelten SSC-Ganglinien wurden miteinander verglichen, um Erkenntnisse über das Verhalten der Messgeräte unter verschiedenen Bedingungen zu gewinnen. In Bild 9 ist ein Ausschnitt der Ganglinien während zweieinhalb Sommertagen dargestellt. Weiter ist der Medianpartikeldurchmesser d50 dargestellt, d. h. der Durchmesser, der von 50 % der Partikelmasse nicht überschritten wird. Meist lagen die SSC unter 2 g/l, die Partikel waren relativ klein (d50 ≈ 15 μm) und die verschiedenen Messmethoden lieferten ähnliche SSC. In Perioden mit höheren SSC wurden tendenziell gröbere Partikel transportiert. Es wurde jedoch nur eine geringe Korrelation zwischen SSC und PSD festgestellt (Felix et al. 2013a). Dies kann von dynamischen Prozessen wie dem Abflussgeschehen im Einzugsgebiet und unter dem Gletscher herrühren. Weiter variiert die Strömung im Speicherstollen, weshalb es Änderungen der PSD infolge Absetzen und Resuspension von Schwebstoffpartikeln gibt. In Perioden höherer SSC wichen die SSC der verschiedenen Messmethoden bei einigen Ereignissen deutlich voneinander ab. Die SSC der CMD-Methode stimmte auch bei mehreren g/l gut mit den gravimetrischen Referenz-SSC überein; ähnlich wie die SSC des LISST (sofern vorhanden). Die Trübungssonden und die verwendete akustische Methode unterschätzten im Schwebstofftransportereignis von Bild 9 die SSC, weil gröbere Partikel vorhanden waren als bei dieser SCC im zeitlichen Mittel üblich. Wie in den Abschnitten 2.1.2 und 2.1.3 erwähnt sowie in den Bildern 5 und 10 ersichtlich, werden die SSCs von Trübungssonden und der akustische Methode von Veränderungen der Partikelgrösse beeinflusst. In Ereignissen, in denen die Partikelgrösse nicht mit der SSC korreliert, weisen diese beiden Methoden eine erhöhte Messunsicherheit auf. Umgekehrt kann die Tatsache, dass SSC von Trübungsmessungen und der akustischen Methode von der Partikelgrösse abhängen, in Kombination mit einem CMD genutzt werden, um ohne permanenten Einsatz eines LISST mittlere Grössen von aktuell vorhandenen Partikeln zu ermitteln. 15


Das LISST ermöglichte, SSC bis zu einigen g/l von vorwiegend Grobsilt (20– 63 μm) zu messen; bei höheren SSC war das Wasser zu trübe. Die obere Grenze des SSC-Messbereichs hängt stark von der Partikelgrösse und der Partikelform ab. Die Messbereichsgrenze liegt tiefer, wenn feine und deutlich nicht kugelförmige Partikel vorhanden sind. Es gibt LISST-Modelle, die dank automatischer Verdünnung mit Klarwasser in einer Mischkammer gemäss Hersteller bis zu 10-mal höhere SSC messen können. Ein solches Gerät war jedoch im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojekts nicht erschwinglich. Mit einem CMD kann der Messbereich höherer SSC relativ kostengünstig abgedeckt werden, wobei keine PSD-Informationen vorliegen. Für die CMD-Methode mit dem periodischen Dichteabgleich wurde aus den Messungen eine erweiterte Messunsicherheit von ±0.3 g/l ermittelt.

Die CMD-Methode wird für SSC über 1 g/l als geeignet angesehen (relativer Fehler ≤ 30 %). Die Auswertungen zeigten weiter, dass die akustische Methode für SSC über ca. 0.5 g/l geeignet ist, die Druckmethode für SSC über ca. 2 g/l. Mit optischen Messtechniken wie LISST und Trübungssonden können auch tiefe SSC gemessen werden, die aber bezüglich hydro-abrasivem Verschleiss weniger relevant sind. 3.3

Verhalten der Schwebstoffmessgeräte bei Hochwasser Anfang Juli 2012 trat das grösste Hochwasserereignis in den drei Messjahren 2012–2014 auf. Dabei wurden auch am meisten Schwebstoffe transportiert. Das Ereignis gab Aufschluss über das Verhalten der Schwebstoffmessgeräte bei ausserordentlich hohen SSC. Da das CMD während dieses Hochwassers noch nicht installiert und hohe SSC mit den optischen und akus-

Bild 9. Ausschnitte aus den Ganglinien der a) Medianpartikelgrösse und b) SSC von verschiedenen Messmethoden im Triebwasser des KW Fieschertal.

Bild 10 a.) Trübungswerte in Funktion der SSC im Triebwasser des KW Fieschertal, wobei die Farben die Partikelgrössen angeben, und b) entsprechende Messdaten von den Laborversuchen mit verschiedenen Partikelsorten. 16

tischen Messgeräten nicht durchgehend messbar waren, wurde die SSC-Ganglinie während des Hochwassers mit der Druckmethode berechnet. Beide Turbinen wurden während des Ereignisses durchgehend mit dem Ausbauvolumenstrom betrieben, und der Oberwasserpegel entsprach dem maximalen Betriebsspiegel. Gemäss zwei unabhängigen Druckmessungen (eine an jeder MG) war der Druck vor den Turbinen vorübergehend um bis zu 3.5 % grösser als vor und nach dem Hochwasserereignis. Auch die elektrische Leistung nahm während des Hochwassers im selben Ausmass zu. Daraus wurde geschlossen, dass die Dichte des schwebstoffhaltigen Wassers in der Druckleitung vorübergehend auf ca. 1035 kg/m3 angestiegen sein musste. Dies entspricht einem SSC-Spitzenwert von ca. 50 g/l. Die berechnete SSC-Ganglinie während des Hochwasserereignisses ist in Bild 22 dargestellt. Die Grössenordnung von 50 g/l wurde weiter durch eine Flaschenprobe aus der Schieberkammer sowie mehrere Imhoff-Trichtermessungen mit schwebstoffhaltigem Wasser aus dem Unterwasserkanal bestätigt. Die akustische Signaldämpfung während des Hochwassers wurde mit der SSC auf Grundlage der Druckmethode verglichen. Dabei zeigte sich, dass die akustische Methode bis gut 15 g/l funktionierte. Bei höheren SSC wurde das Signal im schwebstoffhaltigen Wasser so stark gedämpft, dass es den Empfänger an der gegenüberliegenden Wand der Druckleitung nicht mehr erreichte. Die ermittelte Messbereichsgrenze von ca. 15 g/l ist kein allgemeingültiger Wert, sondern hängt u.a. von der Partikelgrösse, der Schallfrequenz, der Stärke und Art des gesendeten Signals sowie der Pfadlänge (Leitungsdurchmesser) ab. Während des Hochwassers überstieg die Trübung während mehrerer Stunden den Messbereich des Streulicht-Trübungsmessgeräts (4000 FNU). Gemäss Druckmethode entsprach dies mit den bei diesem Ereignis vorhandenen Partikeln (d50 ≈ 20 μm) einer SSC-Messbereichsgrenze von ca. 6 g/l. Mit dem DurchlichtTrübungsmessgerät (Optek) konnte eine durchgehende Trübungsganglinie aufgezeichnet werden. Durch Vergleich mit der Druckmethode wurde festgestellt, dass das Signal dieses Trübungsmessgeräts über ca. 5 g/l nicht mehr linear mit der SSC zunahm. Vom LISST waren keine Messdaten verfügbar, weil der Messbehälter mit Feinsand gefüllt wurde und das verwendete LISST für Messungen von SSC über einigen g/l nicht geeignet ist.

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3.4

Schwebstoffkonzentrationen und -frachten Aus den SSC-Ganglinien der verschiedenen Messmethoden wurde eine durchgehende Ganglinie zusammengestellt. Bei SSC über 1 g/l wurde dem Messwert der Dichtemessmethode der Vorzug gegeben. Bei kleineren SSC wurden Messwerte des Laserdiffraktometers verwendet, und falls keine solchen vorhanden waren, wurden Messwerte von Trübungssonden und der akustischen Methode verwendet. In Bild 11 sind die SSC-Ganglinien für die Jahre 2012–2014 dargestellt. Im Mittel über die drei Jahre betrug die SSC 0.52 g/l. In der Schwebstoffsaison (ca. April bis Oktober) erreichte die SSC oft mehrere g/l, einige Male überschritt sie 10 g/l und während des Hochwasserereignisses Anfang Juli 2012 erreichte sie wie erwähnt 50 g/l. Aufgrund von Abflussmessungen in der Region wurde die Wiederkehrperiode dieses Hochwasserereignisses auf ca. 20 Jahre geschätzt. Aus den Zeitreihen der SSC und des Volumenstroms in der Druckleitung wurde die Schwebstofftransportrate in jeder Minute berechnet und über die Zeit integriert. Die Schwebstofffracht in der Druckleitung im Laufe der drei untersuchten Jahre ist ebenfalls in Bild 11 dargestellt. Die jährlichen Schwebstofffrachten (107 000, 61 000 und 43 000 t) variieren deutlich stärker als die Volumina des turbinierten Wassers (143, 130 und 128 Mio. m3). Das heisst, die Unterschiede in den jährlichen Schwebstofffrachten kamen vorwiegend durch Variation der SSC zustande (SSC-Jahresmittel = 0.75, 0.47 und 0.34 g/l). Die Schwebstofffracht in der Druckleitung von 61 000 t im Jahr 2013 beispielsweise entspricht, umgerechnet auf die Einzugsgebietsfläche (58 km2), einem Abtrag von 0.4 mm pro Jahr. Gemäss Wittmann et al. (2007) beträgt die langfristige Denu-

dationsrate in den kristallinen Schweizer Zentralalpen 0.9 ± 0.3 mm/a. Die Differenz kann damit erklärt werden, dass nicht das gesamte im Einzugsgebiet erodierte Sediment durch die Druckleitung transportiert wird. Dazu zählen Sedimente in Entkieser-, Entsander- und Stollenspülungen, der Sedimenttransport im nicht gefassten Wasser sowie Ablagerungen in einem neuen kleinen proglazialen See oberhalb der Wasserfassung. In Bezug auf die Turbinenabrasion sind Phasen, in welchen die Schwebstofffracht in relativ kurzer Zeit stark zunimmt, von besonderem Interesse. Steile Abschnitte der Kurven in Bild 11 stellen Schwebstofftransport-Ereignisse dar. Das relativ hohe Schwebstoffaufkommen im Frühsommer wird folgendem Vorgang im Einzugsgebiet zugeschrieben: Auch im Winterhalbjahr wird unter dem Gletscher Fels erodiert. Bei Beginn der Gletscherschmelze im Frühsommer werden die entstandenen Feinsedimentpartikel vermehrt abtransportiert und gelangen ins Triebwasser. Die Kurve der Schwebstofffracht des Jahres 2012 zeigt, dass während des Hochwassers Anfang Juli ein Grossteil der Jahresfracht transportiert wurde und dass die jährlichen Schwebstofffrachten stark von einzelnen Starkregenereignissen abhängen. Aus den LISST-Messungen sind auch die Grössen der Schwebstoffpartikel bekannt. In Phasen, in denen vorübergehend keine LISST-Messungen vorhanden waren, wurden die Partikelgrössen aufgrund von verfügbaren Messdaten mehrerer anderer Methoden und mithilfe von Korrelationen, die in Phasen mit LISST-Daten ermittelt wurden, berechnet. In Bild 12 sind die jährlichen Schwebstofffrachten in der Druckleitung in fünf Partikelgrössenklassen dargestellt. In allen drei Jahren waren etwa 55% der Schwebstoffe Fein- und Mittelsilt

Bild 11. SSC-Ganglinien und Schwebstofffrachten für die Jahre 2012 bis 2014 im KW Fieschertal. «Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden

(<20 μm), etwa 30 % Grobsilt (20–63 μm) und ca. 15 % vorwiegend Feinsand. Im Jahr 2012 war der Anteil gröberer Partikel etwas grösser als in den anderen beiden Jahren, in denen es keine bedeutenden Hochwasser gab. Nebst der Schwebstofffracht in der Druckleitung wurden auch die Schwebstofffrachten berechnet, welche durch die einzelnen Maschinengruppen gelangten. Dabei wurde angenommen, dass in beiden Turbinenzuläufen die gleiche SSC vorhanden war. 3.5 Gründe für Schwebstoffspitzen Die SSC im Triebwasser variierte im Sommer bei Volllastbetrieb je nach Gletscherschmelze. Wie erwartet, traten erhöhte SSC nach Regenereignissen auf, siehe z. B. Bild 13b. Wie in Bild 13a ersichtlich, traten aber markante SSC-Spitzen auch in niederschlagsfreien Perioden auf. In Bild 14 unten ist ein Detail der SCC-Ganglinie zusammen mit der Ganglinie des Medianpartikeldurchmessers d50 der Schwebstoffpartikel während der ersten drei Tage der in Bild 13a gezeigten Periode dargestellt. Der obere Teil des Bilds 14 zeigt die zeitlich entsprechenden Ganglinien des Stollenpegels (gemessen bei der Schieberkammer) und des Volumenstroms in der Druckleitung. In diesen Augusttagen wurde der Speicherstollen zum Ausgleich tageszeitlicher Zuflussschwankungen genutzt. Der Pegel im Speicherstollen erreichte jeweils abends bzw. nachts den maximalen Betriebsspiegel (1643 m ü.M.) und zur Mittagszeit den minimalen Betriebsspiegel (1639 m ü.M.). Bei tiefem Stollenpegel traten höhere SSC und höhere d50 auf als bei vollem Speicher-

Bild 12. Schwebstofffrachten, aufgeteilt nach Grössenklassen. 17


Bild 13. Schwebstoffspitzen, die a) nicht oder b) wesentlich von Regenereignissen abhängen (Felix et al. 2014).

Bild 15. Medianpartikeldurchmesser bei verschiedenen Schwebstoffkonzentrationen infolge der SpeicherstollenBewirtschaftung.

Bild 16. Schichtdickenverteilungen in Bechern des KW Fieschertal (Beispiele jeweils vom Becher Nr. 1 im April 2013). Bild 14. Spitzen der Schwebstoffbelastung bezüglich Konzentration (SSC) und Partikelgrösse infolge der SpeicherstollenBewirtschaftung, gelb markierter Ausschnitt aus Bild 13. stollen. Dies ist auch in Bild 15 zu sehen, in welchem die Messdaten von niederschlagsarmen Perioden (<5 mm/Tag) in den Jahren 2012–2014 zusammengestellt sind. Der verstärkte Transport gröberer Partikel bei tiefen Stollenpegeln kann mit den hydraulischen Verhältnissen im Speicherstollen erklärt werden: Gemäss Berechnungen betragen bei maximalem Stollenpegel die mittlere Fliessgeschwindigkeit im Stollen <0.5 m/s und die Sohlschubspannung <0.5 Pa. Bei tiefem Stollenpegel treten höhere Fliessgeschwindigkeiten (bis 2 m/s) und deutlich höhere Sohlschubspannungen (bis 20 Pa) auf, durch welche abgelagerte Partikel resuspendiert werden und ins Triebwasser gelangen können. Ein Teil der SSC-Spitzen im Triebwasser wird also durch den Betrieb des Speicherstollens verursacht. Feinsedimentablagerungen in der ersten Hälfte des Speicherstollens können durch das Spülfenster ins Wysswasser zurückgegeben werden. Feinsedimente in der zweiten Hälfte des Speicherstollens werden aber früher oder später turbiniert. Mit einem Anheben des minimalen Betriebsspiegels im Speicherstollen könnten betriebsbedingte hohe SSC nur vorübergehend ver18

mieden werden, da die Sedimentablagerungen im Stollen zunehmen würden. 4.

4.1

Resultate der Verschleissmessungen

Verteilung und Abnahme der Beschichtungsdicken Bild 16 zeigt Beispiele der räumlichen Verteilungen der Schichtdicken, die in Bechern von nicht fabrikneuen Peltonlaufrädern im April 2013 im KW Fieschertal gemessen wurden. Die Schichtdicken wurden zwischen den Messpunkten (schwarze Symbole) interpoliert und farblich auf einer ebenen Abwicklung der Becherinnenseite dargestellt. Bei der MG 1 variierten die Beschichtungsdicken zwischen ca. 200 und 500 μm. Bei der MG 2 sind lokal Beschichtungsdicken von bis zu 800 μm vorhanden, da beim Nachbeschichten stellenweise Material auch auf die vorhandene Beschichtung aufgetragen wurde. Auch ohne lokales Nachbeschichten kann die Schichtdicke von benachbarten Messpunkten stark variieren: z. B. variiert die Schichtdicke am linken Rand des Bechers Nr. 1 der MG 1 auf einer Distanz von nur

4 cm um bis zu ca. 200 μm. Dies zeigt, wie wichtig die Lage der Messpunkte ist. An jeweils einem Laufrad haben die Schichtdickenverteilungen der Becher Nr. 1 und Nr. 2 einen ähnlichen Charakter aufgewiesen. Über die Innenfläche der beiden Becher gemittelt, wurden an der MG 1 folgende Reduktionen der Schichtdicke berechnet: 10 μm während der Schwebstoffsaison 2013 (29 000 t Schwebstoffe) und 4 μm während der Schwebstoffsaison 2014 (22 000 t). Mit einer Reproduzierbarkeit der über einen Becher gemittelten Schichtdickendifferenz von ±5 μm wird die Schichtdickendifferenz von 2013 als signifikant eingestuft und als Abrasion interpretiert. Die Schichtdickendifferenz im Jahr 2014 hingegen liegt innerhalb der Messunsicherheit. Die Beschichtung in den Bechern ist also für mehrere Jahre ausreichend, sofern keine grösseren Schwebstofftransportereignisse vorkommen. Am stark beschädigten Laufrad, das nach dem Hochwasser vom Juli 2012 ausgebaut werden musste, betrugen die Schichtdicken an 10 % der Messpunkte nur 50 bis 100 μm, u.a. im Bechergrund in der Nähe von Stellen, an denen die Beschichtung vollständig abgetragen wurde (vermutlich auch durch Sekundärschäden bedingt). Relevant ist der Verschleiss bzw.

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Bild 17. Reduktion der Mittelschneidenhöhe in einem Becher eines Laufrads des KW Fieschertal während der schwebstoffreichen Saison 2012. der lokale Verlust der Beschichtung auf den Mittelschneiden und an den Bechereintrittskanten am Ausschnitt, der im KW Fieschertal auch in Schwebstoffsaisons ohne grössere Hochwasser auftritt. Der vollständige lokale Verlust der Beschichtung ist von Bedeutung, da dort das weichere Grundmaterial oft tief ausgewaschen wird. Die Abnutzung der Beschichtung an den Mittelschneiden und Bechereintrittskanten kann aber mit der verwendeten Schichtdickenmesstechnik nicht oder nicht genügend genau erfasst werden. 4.2

Materialverlust an Mittelschneide und Becherausschnitt Bild 17 zeigt ein Beispiel von zwei Längsschnitten durch die Mittelschneide des Bechers Nr. 1 des Peltonlaufrades der MG 2, welche vor (rot) und nach (grün) der Schwebstoffsaison 2012 gemessen wurden. Die Reduktion der Mittelschneidenhöhe ist als schwarze Linie eingetragen und bezieht sich auf die Achse am linken Rand des Diagramms. Die Mittelschneidenhöhe wurde in diesem Beispiel um bis zu 6.5 mm reduziert. Das Ausmass des hydro-abrasiven Verschleisses am Becher Nr. 2 hat einen ähnlichen Verlauf. Eine Reduktion um 6.5 mm entspricht im Fall des KW Fieschertal 1 % der Becherinnenbreite von 650 mm. In Bild 18 sind die digitalen Geometriemodelle der Mittelschneiden der Becher Nr. 1 und 2 der beiden MG am Anfang und Ende der Beobachtungsperiode 2012, in der die Schwebstoffbelastung infolge des erwähnten Hochwasserereignisses relativ hoch war, dargestellt. Bei der MG 2 war die Mittelschneide infolge Betrieb während dreier vorangegangener Schwebstoffsaisons und vor Ort durchgeführten Revisionen schon vor der Schwebstoffsaison 2012 stark abgeflacht, was zu etwa doppelt so grossem Massenverlust als bei MG 1 führte. In der MG 1 war zu Beginn der Schwebstoffsaison

Bild 18. Quantifizierung des Materialverlusts an den Mittelschneiden im schwebstoffreichen Jahr 2012 (nach Abgottspon et al. 2014). Der Zustand vor der Saison ist halbtransparent dargestellt.

2012 ein neuwertiges Laufrad (nach Revision beim Turbinenhersteller) eingesetzt worden. Im mittleren Drittel der Länge der Mittelschneide, wo der Strahl am längsten einwirkt, wurde am meisten Material abgetragen. Aus den beträchtlichen Unterschieden der Masseverluste der Becher von MG 1 kann geschlossen werden, dass mindestens zwei Becher pro Laufrad digitalisiert werden sollten, um einen repräsentativen Mittelwert für ein Laufrad zu ermitteln. Von den zwei vermessenen Bechern wurde ein mittlerer Massenverlust für das Laufrad der jeweiligen MG hochgerechnet. In der Schwebstoffsaison 2012 mit dem Hochwasserereignis betrug für die MG 1 der Massenverlust 0.9 kg an den Mittelschneiden und 1.5 kg an den Becherausschnitten. Bei der MG 2 betrug der Massenverlust 1.6 kg an den Mittelschneiden und ebenfalls 1.5 kg an den Ausschnitten. An den Ausschnitten kann also etwa gleich oder sogar mehr Material abgetragen werden als an den am meisten beachteten Mittelschneiden. 4.3

Vergleich mit der Schwebstoffbelastung Die Höhen- und Breitenänderung der Mit-

telschneiden sind in Bild 19 in Funktion der kumulierten Schwebstofffrachten für beide MG dargestellt (jeweils Mittelwerte der Becher Nr. 1 und 2). Bei der MG 1 war von 2012 bis 2014 dasselbe Laufrad installiert. Bei der MG 2 waren über denselben Zeitraum drei Laufräder installiert, weshalb nicht alle Datenpunkte miteinander verbunden sind. Ein erster Laufradwechsel war nach dem Hochwasserereignis im Jahr 2012 notwendig. Der zweite Laufradwechsel Ende 2013 war unabhängig von hydro-abrasiven Verschleiss wegen eines Risses nahe der Becherwurzel notwendig. Bei der MG 1 wurde in der Schwebstoffsaison 2012 die Beschichtung an allen Mittelschneiden und Bechereintrittskanten vollständig abgetragen und die grossen Materialverluste entstanden durch Abtrag des Grundmaterials. Bei einer Schwebstofffracht von etwa 60 000 t wurde die Mittelschneidenhöhe um 6.5 mm reduziert, und die Mittelschneide wurde etwa 3 mm breiter. In den Schwebstoffsaisons 2013 und 2014 hingegen wurde bei der MG 1 die Beschichtung nur in einigen Bechern sehr lokal abgetragen, und die Mittelschneidenhöhen und -breiten änderten sich nicht. Bei der MG 2 war die Mittelschneide

Bild 19. a) Reduktion der Mittelschneidenhöhe und b) Zunahme der Mittelschneidenbreite in Funktion der kumulierten Schwebstofffracht für beide MG des KW Fieschertal.

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19


vor der Schwebstoffsaison 2012 mehr als doppelt so breit wie bei der MG 1. Dies hat dazu geführt, dass es mit der weiteren Verbreiterung der Mittelschneide während der Schwebstoffsaison zu weiteren Sekundärschäden kam, welche im Gegensatz zur MG 1 einen Laufradersatz erforderlich machten; dies trotz einer um ein Drittel kleineren Schwebstofffracht bei der MG 2 als bei der MG 1. Dies zeigt, dass der Zustand eines Turbinenlaufrades vor einer Belastungsperiode entscheidend für das Ausmass des Verschleisses ist. 5.

5.1

Resultate der Wirkungsgradmessungen

Historie des Index-Turbinenwirkungsgrades Bild 20 zeigt die Historie der Wirkungsgradveränderung der MG 1 im KW Fieschertal sowohl mittels der Sliding-Needle-Messungen als auch der kontinuierlichen Wirkungsgradauswertung. Die Wirkungsgradveränderung ist referenziert auf eine erste Messung vom Juli 2012. Die Werte der kontinuierlichen Auswertung streuen mehr als diejenigen der Sliding-Needle-Messungen. Durch Filterung und Mittelung der Messsignale des kontinuierlichen Monitorings konnte die Streuung so weit reduziert werden, dass eine verlässliche Wirkungsgradhistorie resultierte. Die Verläufe der beiden Methoden sind qualitativ und quantitativ ähnlich, sodass die Wirkungsgradhistorie als erhärtet betrachtet werden kann. Die Reproduzierbarkeit der gemessenen Wirkungsgradveränderung beträgt etwa 0.2 %. In einem Teil der Schwebstoffsaison 2012 wurde bei der MG 1 während 1902 Be-

triebsstunden eine Wirkungsgradreduktion von 1 % gemessen. Diese Wirkungsgradreduktion ist hauptsächlich auf das im Abschnitt 3.3 erwähnte Hochwasserereignis und dessen Auswirkungen zurückzuführen. Im Jahr 2014 hingegen betrug die Wirkungsgradreduktion lediglich 0.14 % während 3048 Betriebsstunden. In Bild 20 sind auch die jeweils im Winter durchgeführten Reparaturarbeiten an den Laufrädern eingetragen. Beim KW Fieschertal hat sich das Vorgehen bewährt, in jedem Winter ein Nachschleifen und Nachbeschichten vor Ort durchzuführen. Nach beträchtlichem hydro-abrasivem Verschleiss im Jahr 2012 resultierte durch das Nachschleifen der Mittelschneide und des Ausschnittes eine Wirkungsgradverbesserung von +0.56 %. Nach eher geringem hydro-abrasivem Verschleiss im Jahr 2013 resultierte durch das Nachschleifen keine signifikante Wirkungsgradänderung. Die Auswirkung des Nachbeschichtens der Mittelschneiden und der Becherausschnitte auf den Wirkungsgrad konnte zweimal untersucht werden. Diese lokalen Nachbeschichtungen bewirkten keine signifikanten Wirkungsgradänderungen. Im Lauf der Einsatzzeit eines Laufrads mit wiederholten Revisionen vor Ort sinkt sein Wirkungsgrad generell. Durch eine grosse Revision im Werk mit Materialauftragung kann das hydraulische Profil wiederhergestellt und der hydraulische Wirkungsgrad wieder deutlich erhöht werden. Eine detaillierte Wirkungsgradhistorie, wie in Bild 20 dargestellt, ist in der Literatur nicht zu finden. Meist werden zwei Einzelmessungen miteinander verglichen (Lazzaro und Rossi 1995, Brekke et al. 2002, Singh et al. 2013). Eine wichtige Erkenntnis

Bild 20. Verlauf der Wirkungsgradänderung der MG 1 im KW Fieschertal aus den Sliding-Needle-Messungen (blau) und aus dem kontinuierlichen Monitoring (grün). 20

aus dem vorliegenden Forschungsprojekt ist, dass Wirkungsgraddifferenzen infolge Abnutzungen oder Revisionsmassnahmen nur als Tendenz vorhersagbar sind. Ein Nachschleifen der Mittelschneiden beispielsweise hat nicht immer denselben Einfluss auf den Wirkungsgrad. Auch lassen sich die an einem Laufrad ermittelten Ergebnisse nicht einfach auf das andere übertragen. Es ist eine Wirkungsgradhistorie pro Laufrad zu erstellen. Aufgrund der Messdaten mehrerer Jahre kann geprüft werden, ob in Jahren ohne signifikante Wirkungsgradreduktionen und mit wenig Verschleiss (vgl. Bild 19) ein jährliches Nachschleifen und Nachbeschichten notwendig und wirtschaftlich sinnvoll ist. 5.2

Vergleich mit der Schwebstoffbelastung Die aus der Wirkungsgradhistorie in Bild 20 resultierenden Wirkungsgraddifferenzen sind in Bild 21 für die einzelnen Schwebstoffsaisons in Funktion der Schwebstofffrachten für beide MG dargestellt. Gelb markiert ist der Bereich der Reproduzierbarkeit der Messungen von ±0.2 %. In diesem Bereich sollten die Wirkungsgraddifferenzen nicht überinterpretiert werden, insbesondere ein geringer Wirkungsgradanstieg. Bei der MG 2 liegt für das Jahr 2012 keine Wirkungsgraddifferenz vor, da das Laufrad nach dem Hochwasserereignis ungeplant ausgewechselt werden musste. Bei etwa gleicher Schwebstofffracht von 30 000 t resultierten Wirkungsgraddifferenzen, die sich um einen Faktor 3 unterscheiden (-0.97 % bei MG 1 im 2012 im Vergleich zu -0.30 % bei MG 2 im 2013).

Bild 21. Vergleich der gemessenen Wirkungsgradänderungen an den MG des KW Fieschertal mit den entsprechenden Schwebstoffbelastungen.

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Tabelle 1. Erwartungswerte der durch Feinsedimente verur-sachten Kosten für zwei MG des KW Fieschertal im lang-jährigen Mittel, geschätzt auf Basis der Daten von 2012 bis 2014.

Tabelle 2. Spezifische Feinsedimentkosten im langjährigen Mittel, geschätzt auf Basis der Daten von 2012 bis 2014 für das KW Fieschertal. Dies zeigt, dass die Schwebstofffracht alleine kein geeigneter Parameter für die Erklärung und Prognose der Wirkungsgradveränderungen ist. 6. 6.1

Betriebsoptimierung

Warnungen vor hoher Schwebstoffbelastung Da die Schwebstoffbelastung zeitlich stark variiert, kann es wirtschaftlicher sein, bei hoher Schwebstoffbelastung Fassungen vorübergehend auszuleiten und allenfalls das Turbinieren während eines Hochwassers zu unterbrechen. Dabei sind natürlich auch übergeordnete Randbedingungen wie Produktionsverpflichtungen und Produktionsausgleich durch andere Kraftwerke innerhalb einer Bilanzgruppe zu berücksichtigen. Um Situationen mit hoher Schwebstoffbelastung rechtzeitig und zuverlässig zu erkennen sowie vorübergehende Produktionsverluste wirtschaftlich begründen zu können, ist ein Schwebstoffmonitoring erforderlich, welches sich idealerweise nicht nur auf SSC, sondern auch auf die Partikelgrössen beziehen sollte. Um eine Vorwarnzeit für eine Abschaltung zu erhalten, sind nicht nur Messungen im Triebwasser, sondern auch bereits im Fassungsbereich oder im Fluss oberhalb der Fassung empfehlenswert. Für Vorwarnungen sind auch Messgrössen wie Trübung, Abfluss im Oberlauf und Niederschlag verwendbar. Als zusätzliche Entscheidungsgrundlage können zudem Niederschlags- und Abflussprognosen

berücksichtigt werden. Um nach einer Abschaltung zu entscheiden, wann die Anlage wieder in Betrieb genommen werden kann, ist es wichtig, mindestens eine Schwebstoffmessung im Fluss oberhalb bzw. ausserhalb der Wasserfassung zu haben. Wenn die Signale der Schwebstoffmessungen auch im Kraftwerksleitsystem integriert werden, können Warnungen vor hohen Schwebstoffbelastungen wie andere Alarme an den Pikettdienst ausgegeben werden, welcher die Entscheidung einer Abschaltung zu treffen hat. Es sind keine automatischen Kraftwerksabstellungen aufgrund der Schwebstoffsituation vorgesehen. Bei einer Wasserkraftanlage mit Beileitungen aus anderen Tälern müssen in der Regel nicht alle Fassungen oder nicht alle gleichzeitig ausgeleitet werden, da Starkregenereignisse oft sehr lokal sind. Im Fall des KW Fieschertal ist bei grösseren Hochwassern ein Ausleiten der Fassung zu empfehlen, um starken Feinsedimenteintrag in den Speicherstollen und übermässige Turbinenabrasion zu vermeiden. Aufgrund des begrenzten Nutzvolumens des Speicherstollens ist spätestens eine Stunde nach dem Ausleiten der Fassung das Turbinieren vorübergehend einzustellen. 6.2

Berechnung der Abschaltkonzentration Die Berechnung der Abschaltkonzentration basiert auf betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Dafür sind Grundlagendaten über das Schwebstoffaufkommen, Wirkungsgradreduktionen, Unterhaltskosten und

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Strompreise erforderlich. Im Kraftwerk Fieschertal sind solche Daten über drei Jahre vorhanden. Von besonderer Bedeutung ist das Hochwasserereignis vom Juli 2012, bei dem ein Laufrad so stark beschädigt wurde, dass es während der Volllastzeit ausgetauscht werden musste, und am anderen Laufrad eine starke Wirkungsgradreduktion auftrat. Im Folgenden wird ein einfaches Vorgehen für die rechnerische Abschätzung der Abschaltkonzentration am Beispiel des KW Fieschertal aufgezeigt. Die durch Feinsedimente verursachten Reparaturkosten an der Anlage wurden auf etwa 300 kCHF pro Jahr geschätzt (Tabelle 1). Dies unter der Voraussetzung, dass das Kraftwerk bei grösseren Hochwassern nicht abgeschaltet wird und die entsprechenden Schäden auftreten. Dazu kommen Ertragsausfälle wegen Erzeugungsverlusten in der Grössenordnung von 30 kCHF pro Jahr. Für die Berechnung der im langfristigen Mittel erwarteten jährlichen Werte wurden verschiedene Kosten- und Minderertragspositionen mit deren Eintrittswahrscheinlichkeiten berücksichtigt. Aufgrund der Daten von 2012 bis 2014 wurde geschätzt, dass die jährliche Schwebstofffracht im langjährigen Mittel 50 000 t beträgt. Mit der vereinfachenden Annahme, dass die durch Feinsedimente verursachten Kosten proportional zur Schwebstofffracht sind, ergeben sich damit spezifische Kosten pro Tonne Feinsediment von CHF 330 000 / 50 000 t / = 6.6 CHF/t (0.66 Rp/kg). Im Normalfall mit SSC = 0.5 g/l während der Schwebstoffsaison sind in 1 m3 Triebwasser 0.5 kg Schwebstoffe enthalten. Daraus resultieren durch Feinsedimente verursachte spezifische Kosten pro m3 Wasser von 0.66 Rp/kg · 0.5 kg/m3 = 0.33 Rp/m3. Bei SSC = 10 g/l beispielsweise betragen diese 6.6 Rp/m3 (Tabelle 2). Im KW Fieschertal hat eine Maschinengruppe eine Nennleistung von 32 MW bei einem Nennvolumenstrom von 7.5 m3/s. In einer Stunde Volllastbetrieb werden also mit 27 000 m3 Wasser 32 000 kWh erzeugt. Das entspricht einem Arbeitswert von 1.2 kWh/m3. Mit diesem Arbeitswert liegen die spezifischen Feinsedimentkosten im Normalfall bei 0.33 Rp/m3 / 1.2 kWh/m3 = 0.28 Rp/kWh und bei hohen SSC von 10 g/l betragen diese 5.5 Rp/kWh. Bei einer SSC von ca. 10 g/l überschreiten die durch Feinsedimente verursachten Kosten den angenommenen Erlös, und es ist wirtschaftlicher, auf das Turbinieren zu verzichten. Es wird empfohlen, in einigen Jahren den Wert der Abschalt-SSC mit einer erweiterten Datenbasis erneut zu berechnen und gegebenenfalls anzupassen. Gemäss 21


den wenigen auffindbaren Literaturangaben liegen Abschaltkonzentrationen bei andern Wasserkraftanlagen im Bereich von 1.1 g/l (Pelton-KW Dorferbach, Boes 2010) bis einige g/l (z. B. 3 g/l bei einem Kraftwerk in Indien, Singh et al. 2013). Die Abschaltkonzentration muss anlagespezifisch beurteilt werden, da sie von vielen Faktoren abhängt (Fallhöhe, spezifische Drehzahl, Abrasivität der Partikel, Beschichtung usw.). Zusammen mit dem Betreiber des KW Fieschertal und dem für die Maschinen verantwortlichen Ingenieur (BKW Engineering) wurde festgelegt, die Fassung auszuleiten und den Turbinierbetrieb anschliessend zu unterbrechen, wenn die SSC in der Druckleitung während mehr als 15 Minuten 10 g/l überschreitet. Da die Wiederinbetriebnahme mit einem Aufwand verbunden ist, wird der Betrieb erst wieder aufgenommen, wenn die SSC unter 5 g/l gesunken ist und das Ende des Ereignisses absehbar wird. In Bild 22 ist anhand des Verlaufs der SSC im Triebwasser dargestellt, wie dieses Szenario im Fall des Hochwassers vom Juli 2012 ausgesehen hätte. Es ist das einzige Hochwasserereignis während der Beobachtungsperiode von 2012 bis 2014, bei dem das Abstellkriterium erreicht worden wäre. Dies zeigt, dass die Anlage nur bei wirklich relevanten Schwebstoffereignissen ausser Betrieb ginge. Während der Ausserbetriebnahme von 16 h wären 13 000 t Feinsedimente weniger über die Turbinen geleitet worden, das entspricht 12 % der Jahresfracht von 2012 oder etwa 25 % der Fracht in einem Jahr ohne grösseres Hochwasser. Wenn die Fassung während des Hochwasserereignisses ausgeleitet worden wäre, wären zudem deutlich weniger Feinsedimente in

das System eingetragen worden. Dadurch wäre auch die Schwebstoffbelastung in den Wochen nach dem Hochwasserereignis geringer ausgefallen, da die während des Hochwassers im Speicherstollen abgelagerten Feinsedimente anschliessend infolge Resuspension turbiniert wurden. 6.3 Wirtschaftliche Aspekte Die Wirtschaftlichkeit einer temporären Kraftwerksabschaltung wurde am Beispiel des Hochwasserereignisses vom Juli 2012 für das KW Fieschertal vereinfacht nachgerechnet (Tabelle 3). Durch den vorübergehenden Stillstand beider Maschinengruppen ergeben sich Erzeugungsverluste und Ertragseinbussen. Weiter kann eine allfällige Strafgebühr für die Produktionsabweichung negativ zu Buche schlagen. Auf der anderen Seite würden durch die Abschaltung die Reparaturkosten und die Produktionsminderung infolge Wirkungsgradreduktion für beide MG geringer ausfallen, und es gäbe keinen Erzeugungsverlust infolge eines durch das Hochwasser erforderlich gewordenen Laufradtausches. In Summe wäre in diesem Ereignis ein vorübergehendes Einstellen des Turbinierens deutlich wirtschaftlich gewesen. Diese wirtschaftliche Betrachtung im Nachhinein wurde durch Schwebstoff-, Turbineninspektions-, Wirkungsgrad- und Kostendaten ermöglicht. Mitte 2012 standen diese Grundlagen noch nicht alle zur Verfügung. Die Wirtschaftlichkeit von Betriebsunterbrechungen ist von Fall zu Fall verschieden, da die Dauer und Intensität eines Hochwassers bzw. der Sedimentbelastung und die Folgen für die Maschinen variieren können.

Bild 22. Verlauf der Schwebstoffkonzentration im Triebwasser des KW Fieschertal Anfang Juli 2012 mit Szenario für das vorübergehende Einstellen des Turbinierens. 22

7. Schlussfolgerungen Um die Zusammenhänge zwischen der Schwebstoffbelastung, dem hydro-abrasiven Verschleiss und den Wirkungsgradänderungen an Peltonturbinen zu untersuchen, wurden umfangreiche Messungen und Analysen durchgeführt. In einer ersten Projektphase wurde das Verhalten von Schwebstoffmessgeräten unter kontrollierten Bedingungen im Labor erforscht. Anschliessend wurden am Prototyp im KW Fieschertal ein Schwebstoff- und Wirkungsgradmonitoring aufgebaut. Diese werden auch nach Projektende weitergeführt. Der Materialabtrag an den Mittelschneiden und Becherausschnitten wurde mit 3D-Digitalisierungen vor und nach den Schwebstoffsaisons quantifiziert, die Reduktion der Schichtdicke in den Bechern wurden mit Schichtdickenmessungen erfasst. Die im Vergleich zu Trübungssonden kostspieligen LISST-Geräte sind derzeit die einzigen, die nebst der SSC auch die PSD messen können. Wenn die Messung hoher SSC im Vordergrund steht, kann die einfache und kostengünstigere Methode mit der Dichtemessung (CMD) empfohlen werden. Weiter bietet sich an, ADM-Messeinrichtungen, die in vielen grösseren Wasserkraftanlagen vorhanden sind, für das Schwebstoffmonitoring zu nutzen. Diese Methode bietet den Vorteil einer Messung direkt im Triebwasserweg und sie benötigt nahezu keinen Unterhalt. Eine interessante Möglichkeit ist die Kombination von CMD mit der akustischen Methode (oder Trübungsmessung), da so auch die mittlere Partikelgrösse abgeschätzt werden kann, wenn während einer Kalibrierungsphase zusätzlich ein LISST-Gerät verwendet wird. Das SSC-Monitoring mittels Druckmessungen kommt wie die akustische Methode ohne zusätzliche Sensoren aus, bietet aber keine Vorwarnzeit. Für Informationen über die SSC mit mehr Vorwarnzeit und auch im Fall von ausgeleiteten Fassungen sind Messungen oberhalb bzw. ausserhalb der Fassung erforderlich. Dafür eignen sich günstige Eintauch-Trübungssonden, wobei zeitweise ungenaue SSCWerte zu tolerieren sind. Für ein verlässliches Schwebstoffmonitoring sind nach wie vor Schöpfproben erforderlich, die auch mit automatischen Probenehmern genommen werden können. Die Schwebstoffmessungen zeigten, dass die SSC und die PSD nicht stark korrelieren. Sie variieren nicht nur aufgrund von Gletscherschmelze und Regen, sondern werden auch durch den Betrieb der Kraftwerksanlage beeinflusst. In Jahren mit nennenswerten Hochwasserereignissen

«Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


kann die Schwebstofffracht deutlich über dem langjährigen Mittel liegen. Die Schichtdickenmessungen zeigten, dass die Abrasion in den Bechern in Jahren ohne grössere Hochwasser, wie erwünscht, unwesentlich ist. Relevant ist der lokale Verlust der Beschichtungen an den Mittelschneiden und Bechereintrittskanten am Ausschnitt, infolgedessen das Grundmaterial abgetragen wird und Sekundärschäden entstehen. Der Materialabtrag an diesen relevanten Stellen konnte mit der optischen Vermessung (3D-Digitalisierung) erfasst werden. Aufgrund der Variation der Schwebstoffbelastung korreliert der Verschleiss wenig mit den Betriebsstunden oder mit saisonal typischen SSC. Wie die Messungen zeigten, hängt der Verschleiss auch nicht nur von der Schwebstofffracht, sondern stark vom anfänglichen Zustand eines Laufrads (Geometrie der Mittelschneiden und Bechereintrittskanten vor einer Belastungsperiode) sowie vom Abtrag der Beschichtung ab. Mit Sliding-Needle-Indexwirkungsgradmessungen konnten die Wirkungsgradänderungen quantifiziert werden. Um den Messaufwand und die Beeinträchtigung des Anlagenbetriebs weiter zu reduzieren, wurde eine Methode für das kontinuierliche Wirkungsgradmonitoring entwickelt, welche eine höhere zeitliche Auflösung aufweist. Nebst Wirkungsgradabnahmen um bis zu 1.0 % infolge des hydro-abrasiven Verschleisses wurde auch eine Zunahme von bis zu 0.5 % infolge Schleifens der Mittelschneiden gemessen. Wie der Verschleiss korrelieren die Wirkungsgradabnahmen wenig mit den Betriebsstunden oder der Schwebstofffracht. Vielmehr ist die anfängliche hydraulische Kontur des Laufrads wichtig. Da es kaum möglich ist, Wirkungsgradänderungen infolge Abnutzungen oder Revisionsmassnahmen quan-

titativ vorherzusagen, sind Messungen erforderlich, welche die Grundlage für Wirtschaftlichkeitsüberlegungen bilden. Die kontinuierliche Wirkungsgradüberwachung erlaubt es dem Betreiber, Revisionsarbeiten bezüglich deren Wirtschaftlichkeit zu bewerten. Das Beispiel des Hochwassers vom Juli 2012 zeigte, dass es deutlich wirtschaftlich sein kann, das Turbinieren während starker Schwebstoffbelastung vorübergehend einzustellen. Mit einer vereinfachten Berechnung wurde am Beispiel des KW Fieschertal eine Abschaltkonzentration von rund 10 g/l ermittelt. 8. Ausblick Das in diesem Artikel beschriebene Forschungsprojekt bildet den Schwerpunkt der Dissertation von David Felix, welche gegen Ende 2016 publiziert werden soll. Weitere Resultate aus diesem Projekt werden in einem Workshop im Rahmen des IAHRSymposiums on Hydraulic Machinery and Systems am 06. Juli 2016 in Grenoble präsentiert. Die in diesem Projekt gewonnenen Daten bezüglich Schwebstoffbelastung, Turbinenabrasion und Wirkungsgradveränderungen können genutzt werden, um Berechnungsansätze, insbesondere Abrasionsmodelle zur Vorhersage von Turbinenverschleiss, und numerische Modelle zu kalibrieren bzw. weiterzuentwickeln. Dabei sind der Turbinentyp, die beanspruchte Stelle innerhalb der Turbine und das Zusammenwirken von Beschichtung und Grundmaterial gegenüber früheren Untersuchungen stärker zu berücksichtigen. In Ergänzung zur Weiterführung der Untersuchungen am KW Fieschertal sind detaillierte Messkampagnen an weiteren von hydroabrasivem Verschleiss betroffenen Anlagen wünschenswert. Da in Prototypuntersuchungen die Partikelparameter (v. a. die

PSD) nicht kontrolliert und unabhängig variiert werden können und Verschleissmessungen mit hoher zeitlicher Auflösung vom Kraftwerksbetrieb her nicht möglich sind, sind nebst Messungen an Kraftwerksanlagen weitere, möglichst realitätsnahe Laboruntersuchungen zu Abrasion an Turbinenbauteilen erforderlich. Dabei sind nichtlineare Schadensverläufe und das mögliche Zusammenwirken von Abrasion und Kavitation eine besondere Herausforderung. Die untersuchten und weiterentwickelten Messmethoden können in der Praxis eingesetzt werden. Aus einer Palette von Schwebstoffmessgeräten kann eine fallweise passende Kombination ausgewählt werden. Schwebstoffmessungen und das 3D-Digitalisieren können Kraftwerksbetreibern und Turbinenherstellern dazu dienen, Unterhaltsmassnahmen zu optimieren und festzustellen, ob Spezifikationen und Vertragsbestimmungen bezüglich hydro-abrasiven Verschleisses und Kavitation erfüllt wurden. Verbesserte Kenntnisse über den hydro-abrasiven Verschleiss, dessen Ursachen und Auswirkungen sowie Gegenmassnahmen tragen dazu bei, den Entwurf, den Betrieb und den Unterhalt von Hochund Mitteldruckwasserkraftanlagen an sedimentreichen Gewässern zu optimieren. Dies trägt zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit und der Effizienz der Wasserkraftnutzung bei. Verdankung Das Forschungsprojekt wurde bzw. wird durch swisselectric research, das Schweizer Bundesamt für Energie (BFE) und die Gommerkraftwerke AG (gkw) finanziell unterstützt. Von den Firmen Sigrist Photometer, Endress+Hauser und Rittmeyer wurden Schwebstoffmessgeräte leihweise zur Verfügung gestellt. Weiter wurde die Erarbeitung dieser Publikation durch den Forschungsfonds des Schweizerischen Talsperrenkomitees gefördert. Die Autoren bedanken sich bei allen

Kosten- bzw. Ertragspositionen Erzeugungsverlust während ca. 16 h Stillstand in

CHF −60 000.–

Volllastzeit (64 MW, Annahme 55 CHF/MWh) Vermiedene Reparaturkosten für beide MG (Schätzung) Vermiedener Produktionsausfall infolge weniger

+200 000.– +30 000.– +30 000.–

während Volllastzeit (1 MG, 17 h) Strafgebühr/Pönale für starke Abweichung der

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Projektbeteiligten für ihr Engagement und für die

+200 000.–

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Tabelle 3. Das wirtschaftliche Potenzial einer vorübergehenden Ausserbetriebnahme des KW Fieschertal am Beispiel des Hochwasserereignisses vom Juli 2012. «Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden

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«Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


Strategien zur Geschiebebewirtschaftung im Zusammenhang mit dem Klimawandel Thomas Scheuner, Barbara Wegmann, Severin Schwab, Adrian Schertenleib

Zusammenfassung In der Schweiz sind die Jahresdurchschnittstemperaturen in den letzten 150 Jahren deutlich angestiegen. Je nach Klimaszenario ist bis 2060 mit einem weiteren Temperaturanstieg von bis zu 4 °C zu rechnen. Gleichzeitig wird eine tendenzielle Zunahme von Starkniederschlägen erwartet. Diese Veränderungen haben für die Schweiz unter anderem aufgrund der grossflächigen glazialen und periglazialen Gebiete spezifische Konsequenzen. So resultiert beispielsweise aus Gletscherrückzug, Auftauprozessen in Permafrostgebieten sowie vermehrten Unwetterereignissen eine erhöhte Mobilisierung von Geschiebemassen, welche zu vielfältigen Auswirkungen in den Talböden führt. Im Rahmen des hier vorgestellten Projekts werden praxistaugliche Lösungskonzepte zur Geschiebebewirtschaftung im Rahmen eines sich ändernden Klimas präsentiert. In drei Fallstudiengebieten wurde in einem ersten Schritt das zu erwartende Geschiebeaufkommen unter Einfluss der Klimaerwärmung quantifiziert. In einem zweiten Schritt wurden die relevanten Akteure identifiziert und in den Lösungsfindungsprozess miteinbezogen. Darauf aufbauend, wurden integrale Lösungskonzepte in den Kategorien «Organisation», «Vermeiden», «Verwerten» und «Entsorgen» erarbeitet. Verschiedene Bestandteile einer möglichen neuen Strategie zur Geschiebebewirtschaftung liegen in den Bereichen prospektive Gefahrenanalyse, Raumplanung, Massnahmen- und Interventionskonzepte sowie Kommunikation. Diese sollen Bund, Kantonen und Gemeinden auf der Ebene der strategischen Planung sowie bei der operativen Umsetzung von entsprechenden Massnahmen unterstützen.

1. Einleitung In der Schweiz sind die Jahresdurchschnittstemperaturen in den letzten 150 Jahren um rund 1.8 °C angestiegen; je nach Emissionsszenario ist bis 2060 mit einem weiteren Anstieg um bis zu 4 °C zu rechnen [1]. Gleichzeitig wird eine tendenzielle Zunahme von Starkniederschlägen erwartet [2]. Die Schweiz ist aufgrund der ausgeprägten Topographie sowie der grossflächigen glazialen und periglazialen Gebiete besonders sensibel gegenüber solchen Veränderungen. Gletscherrückzug, Auftauprozesse in Permafrostgebieten sowie vermehrte Unwetterereignisse können zu Felsstürzen und Aktivierung von Rutschungen bzw. generell zu einer erhöhten Mobilisierung von Geschiebemassen führen, woraus in den Talböden vielfältige Auswirkungen resultieren. Die vorliegende Studie hatte das Ziel, praxistaugliche Lösungskonzepte zur Geschiebebewirtschaftung im Rahmen

eines sich ändernden Klimas bis ins Jahr 2060 aufzuzeigen, die gesamtschweizerisch und lithologieübergreifend anwendbar sind. Die Lösungskonzepte wurden in drei Fallstudiengebieten erarbeitet. Die vorliegende Studie ist Bestandteil des Pilotprogrammes «Anpassung an den Klimawandel» unter der Leitung des Bundesamtes für Umwelt (BAFU). Es soll die Kantone, Regionen und Gemeinden beim Umgang mit den neuen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel unterstützen. 2.

Methodik

2.1 Ablauf der Arbeiten In einem ersten Schritt wurde, basierend auf bestehenden Unterlagen (Gefahrenkarten, Ereigniskataster, Verbauungsprojekte, regionale Klimastudien usw.), eine prospektive Geschiebeabschätzung für die drei Fallstudiengebiete unter Berück-

«Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden

sichtigung des Klimawandels durchgeführt. Die Resultate dienten als Grundlage für die Planung von Massnahmen zur Geschiebebewirtschaftung der Zukunft. In einem zweiten Schritt wurde für die Fallstudiengebiete eine Kontext- und Akteursanalyse durchgeführt. Ziel war die Identifizierung der relevanten Akteure und deren Miteinbezug ins Projekt. In einem dritten Schritt wurden die Lösungskonzepte erarbeitet und in Massnahmenblättern dokumentiert. In einem vierten Schritt wurden Elemente einer möglichen neuen Strategie zur Geschiebebewirtschaftung konkretisiert. Nachfolgend werden die methodischen Grundlagen der ersten drei Schritte näher erläutert. 2.2

Prospektive Geschiebeabschätzung Im Rahmen der prospektiven Geschiebeabschätzung wird auf Stufe Gefahrenhinweiskarte dargelegt, wie sich der Geschiebehaushalt in den Fallstudiengebieten bis 2060 entwickeln kann. Die Geschiebeverfügbarkeit steht am Ende einer komplexen Prozesskette. So wird beispielsweise berücksichtigt, dass in den Gletscherrückzugsgebieten oder in Gebieten mit auftauendem Permafrost neue Schuttdepots für Erosionsprozesse zugänglich werden und Murgang- und Geschiebeprozesse zusätzlich speisen. Auch wird betrachtet, ob grosse Massenbewegungen (Fels-/Bergsturz, spontane Rutschungen) in den Gletscherrückzugsgebieten infolge Hangentlastung oder Reaktivierungen von Rutschungen möglich sind und neue, heute noch nicht bekannte, geschieberelevante Prozessketten auslösen können. Das Vorgehen ist in Bild 1 skizziert und stützt sich auf die Methodik der GHK periGlazial-Studie ab [3], welche anhand von Klimaszenarien die Entwicklung von Einzugsgebieten im Berner Oberland bis ins Jahr 2060 abschätzt. Durch eine systematische Analyse der Einzugsgebiete 25


wurde das Zusammenspiel der Veränderung der Gletscherausdehnung und des Permafrosts mit den Sturz- und Rutschprozessen, der Murgangauslösung, den Gletschergefahren (Stürze und Seen) sowie möglichen Folgeprozessen (z. B. Flutwelle) untersucht und modelliert. Die resultierenden Gefahrenhinweiskarten zeigen auf, welche Räume zukünftig durch die verschiedenen Gefahrenprozesse tangiert werden können. Für die vorliegende Studie wurden in einem ersten Schritt die Klimaszenarien für die regionalen Untersuchungsgebiete aufbereitet sowie die zu erwartenden Gletscher- und Permafrostflächen sowie die Topographie in den eisfrei werdenden Gebieten hergeleitet. Auf dieser Basis wurde das Geschiebepotenzial im Jahr 2060 abgeschätzt, wobei die Geschiebelieferungen aus primären Gefahrenprozessen (grosse Rutsch- und Sturzprozesse, Murgänge, Geschiebetransport) berücksichtigt werden. Sekundäre Folgeprozesse (z. B. Flutwellen infolge eines Eissturzes in stehende Gewässer) wurden in der vorliegenden Studie nicht untersucht. Schliesslich wurde für die Gefahrenprozesse Murgang und Geschiebetrieb der maximal zu erwartende Geschiebetransport in den Talböden berechnet.

2.3 Kontext- und Akteursanalyse Im Rahmen der Studie wurden je Fallstudiengebiet eine Kontext- und Akteursanalyse durchgeführt. Eine Kontextanalyse dient dazu, die kritischen Rahmenbedingungen, in welchen die Akteure agieren, zu beschreiben und diese zu identifizieren. Das Ziel der Akteursanalyse ist es, alle frühzeitig in einer angemessenen Form in das Projekt einzubeziehen. Dadurch sollen potenzielle Konflikte verhindert werden. Zur Durchführung der Kontextanalyse wurden anhand der vorhandenen schriftlichen Grundlagen die ersten Informationen zum historischen, rechtlichen und politischen/sozialen Kontext zusammengetragen. Der historische Kontext beleuchtet insbesondere jene Ereignisse in den Fallstudiengebieten, welche die Akteure dazu bewegten, Lösungsmassnahmen zur Geschiebebewirtschaftung zu erarbeiten. Der rechtliche Kontext beschreibt die spezifischen gesetzlichen Grundlagen, welche im jeweiligen Fallstudiengebiet bei der Lösungsfindung berücksichtigt werden müssen. Der politische/soziale Kontext zeigt die Verantwortlichkeiten bezüglich der Geschiebebewirtschaftung sowie die Kommunikation und den bisherigen Miteinbezug der Akteure auf. Gleichzeitig konnten durch diese

Arbeit die ersten Akteure, die Mitglieder der Begleitgruppe, identifiziert werden. Die Begleitgruppe, bestehend aus Vertretern der Verwaltung der drei Fallstudiengebiete, unterstützte die gesamte Projektarbeit und diente der Projektleitung als Ansprechpartner. Im Rahmen der Akteursanalyse wurden schliesslich alle relevanten Personen identifiziert und und deren Einbezug ins Projekt – in Form von Interviews, Workshops oder Information mittels Zeitungsartikeln – zusammen mit der Begleitgruppe definiert. 2.4 Lösungskonzepte Aufbau und Inhalt der Lösungskonzepte für die Geschiebebewirtschaftung unter Berücksichtigung des Klimawandels wurden in drei Stufen entwickelt. Zunächst wurde eine erste Auswahl an Ansätzen zur Geschiebebewirtschaftung im Projektteam erarbeitet und beurteilt, wobei auf das Wissen der Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen (Deponieplanung, Wasserbau, Geotechnik usw.) der beauftragten Unternehmen zurückgegriffen werden konnte. Zudem wurde eine Literaturrecherche durchgeführt, wobei der Fokus insbesondere auf aktuelle Forschungs- sowie Praxisprojekte gelegt wurde. Zu ausgewählten Lösungskonzepten fand zudem ein Wissenstransfer durch Expertinnen- und Expertengespräche mit Forschungsinstituten und weiteren Planungsbüros statt. In einem zweiten Schritt wurden diese ersten Massnahmenvarianten anlässlich eines Workshops mit der Begleitgruppe sowie ausgewählten Akteuren aus den Fallstudiengebieten weiterentwickelt und beurteilt. In einem letzten Schritt wurden mit Expertinnen und Experten pro Fallstudienregion relevante Fragen zu ausgewählten Lösungskonzepten vertieft diskutiert und in die Beurteilung aufgenommen (Expertinnen- und Expertengespräche). 3. Fallstudiengebiete Die Arbeiten konzentrierten sich auf die drei Fallstudiengebiete Schwarze Lütschine/Oberer Grindelwaldgletscher im Kanton Bern, das Val Parghera im Kanton Graubünden sowie den Alpbach im Kanton Uri. 3.1

Bild 1. Verschiedene primäre und sekundäre Naturgefahrenprozesse welche durch den Klimawandel im alpinen Raum verstärkt werden können. Die Figur zeigt die generelle Verknüpfung der einzelnen Prozesse (GLOF = Glacier Lake Outburst Flood/ Gletscherseeausbruch) [3]. 26

Schwarze Lütschine/Oberer Grindelwaldgletscher Im Jahr 2011 erfolgte im Einzugsgebiet der Schwarzen Lütschine ein Systemwechsel in der Geschiebelieferung, d. h. vom Geschiebetrieb durch Hochwasser

«Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


Bild 2. Geschiebeentnahmen an der Schwarzen Lütschine im Bereich Mättenbergbrücke in Grindelwald nach den Flutwellen im Jahr 2011 (Foto: Nils Hählen). (ausgelöst durch Niederschlag und/oder Schneeschmelze) zur Flutwellenaktivität durch Wasserausbrüche im Oberen Grindelwaldgletscher. Innerhalb eines Jahres wurden dadurch über 100 000 m3 Geschiebe in den Talboden verfrachtet (siehe Bild 2), was rund der dreifachen Menge eines 300-jährlichen Hochwasserereignisses gemäss Gefahrenkarte entspricht. Die aktuelle Geschiebebewirtschaftungsstrategie verfolgt einen Interventionsansatz mit einem Alarm- und Frühwarnsystem für den Oberen Grindelwaldgletscher sowie der Möglichkeit einer temporären Kiesentnahme und einer Deponie. Die Entsorgung des Geschiebes und nach Möglichkeit dessen Verwertung stehen im Zentrum. Zudem wurden verschiedene Massnahmen umgesetzt, um den Hochwasserschutz zu verbessern. 3.2 Val Parghera, Domat/Ems Im Einzugsgebiet der Val Parghera besteht eine aktive Rutschung, an deren übersteilter Front bei starken Niederschlagsereignissen und Schneeschmelze Geschiebepakete mobilisiert werden und abgleiten. Das Geschiebe wird in Form von feinkörnigen Murgängen ins Tal transportiert. Dank rechtzeitiger Warnung und Intervention konnten die Schäden bisher begrenzt werden. In der Folge wurden Schutzbauten (Geschieberückhalt, Schutzdämme) sowie eine Deponie zur Entsorgung des Geschiebes geplant (siehe Bild 3). 3.3 Alpbach, Erstfeld Bereits heute besteht im Einzugsgebiet des Alpbaches ein erhebliches Geschiebepotenzial, welches unter anderem von verschiedenen murfähigen Runsen herrührt. Aufgrund der vorhandenen Flachstellen im Gerinne wird ein Grossteil des Geschiebes im oberen Einzugsgebiet (Alpwirtschaften) abgelagert, was aufgrund der Abgelegen-

Bild 3. Deponie Plarenga bei Domat/Ems GR zur Entsorgung des Geschiebes aus der Val Parghera (Bild: Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden).

heit eine Herausforderung für die Geschiebebewirtschaftung darstellt (siehe Bild 4). Auf dem Kegel im Talboden besteht aufgrund der limitierten Geschiebetransportkapazität bereits heute ein Schutzdefizit. Zur Vermeidung von Schäden Bild 4. Geschiebeablagerungen durch den Alpbach im Gebiet im Siedlungsgebiet Bodenberg nach dem Unwetter im Jahr 2010 (Foto: Baudirekstehen zurzeit Ge- tion Kanton Uri). schiebesammler zur Diskussion, wobei je nach Projektva- tiert werden. Die Geschiebemobilisierung riante ein Konfliktpotenzial mit allfälligen kann bis zu rund 1 Mio. m3 betragen. Kraftwerkprojekten besteht. Im Einzugsgebiet der Val Parghera ist davon auszugehen, dass ein 4. Resultate Grossteil der aktiven Rutschung von rund 400 000 m3 in den nächsten Jahren als 4.1 Erkenntnisse zu Murgang in den Talboden verfrachtet wird. Geschiebefrachten Die Analysen zeigen, dass die Disposition Die prospektiven Geschiebeabschätzun- für die Aktivierung zusätzlicher Rutschkörgen zeigten auf, dass sich das potenziell per von rund 650 000 m3 im Einzugsgebiet mobilisierbare Geschiebe in allen drei un- der Val Parghera besteht. tersuchten Gebieten in Zukunft mit grosser Das Geschiebepotenzial im EinWahrscheinlichkeit erhöhen und sich zugsgebiet des Alpbaches kann sich bis somit die Geschiebeproblematik tenden- ins Jahr 2060 infolge Gletscherrückzug ziell verschärfen wird. sowie durch die zunehmenden StarknieIn Grindelwald ist davon auszuge- derschläge verbunden mit einer Zuhen, dass sich die Gletscher im Einzugs- nahme von Murgangereignissen auf rund gebiet der Schwarzen Lütschine stark 160 000 m3 verdoppeln. Das zusätzliche zurückziehen und grosse Schuttdepots Geschiebe lagert sich einerseits auf den freigelegt werden. Die durch den Glet- Flachstrecken oberhalb des Siedlungsgescherrückzug auftretenden Hangentlas- bietes bzw. in landwirtschaftlich genutzten tungen sowie das Auftauen des Perma- Gebieten ab, führt andererseits aber auch frostes können zu vermehrter Felssturz- im Siedlungsgebiet zu einer Akzentuierung aktivität führen. Das Geschiebepotenzial der Geschiebeproblematik. Die bisherigen, im Wesentlichen wird also in Zukunft markant zunehmen und kann durch Hochwasserereignisse retrospektiven Methoden zur Festlegung und insbesondere durch die weiterhin zu der Geschiebefrachten in Fliessgewäserwartenden Flutwellen ins Tal transpor- sern reichen deshalb aus Sicht der Auto-

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rinnen und Autoren nicht mehr aus, um die Gefahren- und Wirkungsbereiche der Geschiebeverlagerungsprozesse auch unter dem Aspekt eines sich verändernden Klimas abschätzen zu können. 4.2

Erkenntnisse zum Kontext und zu den Akteuren Die Kontextanalyse in den drei verschiedenen Fallstudiengebieten macht deutlich, wie stark die lokalen naturräumlichen, aber auch die historischen, rechtlichen und politischen/sozialen Rahmenbedingungen die Möglichkeiten zur Planung und Implementierung von konkreten Lösungsansätzen zur Geschiebebewirtschaftung beeinflussen. Dennoch können bei den betrachteten Fallstudiengebieten gewisse Parallelen identifiziert werden: Es zeigt sich, dass insbesondere im Zusammenhang mit geplanten Deponien ein Konfliktpotenzial mit Landbesitzern und -bewirtschaftern besteht, wobei dieses im Zusammenhang mit nicht lokal verankerten Akteuren grösser scheint als mit Ortsansässigen. Ein möglicher Grund dafür könnte ein grösseres Problemverständnis der ansässigen Bevölkerung sein, beispielsweise durch das Erfahren früherer Unwetterereignisse oder durch die aktive Sensibilisierung hinsichtlich der Geschiebeproblematik durch die Gemeinde. Weiter ergibt die Kontextanalyse, dass die bestehenden Massnahmen jeweils reaktiv, im Anschluss an ein Unwetterereignis, umgesetzt wurden. Zudem wird für die Dimensionierung der Schutzmassnahmen stets die aktuelle Geschiebesituation beigezogen, ohne Berücksichtigung möglicher zukünftiger Entwicklungen unter dem Aspekt des Klimawandels. Für eine langfristig nachhaltige Lösung empfiehlt sich jedoch ein prospektiver Ansatz mit flexiblen Massnahmenkombinationen, um den Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Klimawandel so gut wie möglich begegnen zu können. Die Kontextanalyse dient zudem der Identifizierung der beteiligten Personen. Durch die Analyse bisheriger Naturereignisse, die Identifizierung der vorherrschenden regionalwirtschaftlichen Sektoren (z. B. Tourismus, Industrie, Landwirtschaft), das Aufzeigen rechtlicher Rahmenbedingungen sowie durch das Skizzieren der kantonalen und kommunalen Organisation ergibt sich ein Gesamtbild der involvierten Akteure. Die Zusammensetzung zeigt sich in allen drei Fallstudiengebieten ähnlich und beinhaltet Vertreter von Bund und kantonalen Ämtern, den betroffenen Gemeinden sowie 28

Eigentümerinnen und Eigentümer von betroffenem Land, Gebäuden oder Infrastruktur. Weiter zeigt sich, dass es zwei unterschiedliche Kategorien von Akteuren gibt: die von den Ereignissen direkt oder indirekt negativ Betroffenen und die für das Monitoring, die Massnahmenplanung und die Intervention Verantwortlichen. Die Analyse ergibt, dass die Landwirtschaft über alle drei Fallstudiengebiete besonders häufig von Ereignissen betroffen ist, und zwar direkt, beispielsweise durch Übersarung von Landwirtschaftsland, wie auch indirekt durch die Umsetzung von Massnahmen, beispielsweise Geschiebedeponien. Eine weitere Gemeinsamkeit zeigt sich in der zentralen Rolle der Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten bei der Kommunikation. Die transparente und fachlich kompetente Information sowie der persönliche Kontakt mit der betroffenen Bevölkerung erweisen sich als wichtige Voraussetzung zum Schaffen von Vertrauen zwischen allen Beteiligten. Die Bedeutung von Schlüsselakteuren zeigt sich insbesondere im Fallstudiengebiet Val Parghera. Durch die aktiven Bemühungen eines betroffenen Landwirtes konnte das gegenseitige Vertrauen zwischen den Landwirten und der für die Massnahmenumsetzung verantwortlichen Behörden gestärkt werden. Ebenso wichtig ist, dass der Bodenschutzbeauftragte das Vertrauen der Landbesitzer und Bewirtschafter besitzt. Die frühzeitige Identifikation und der aktive Einbezug solcher Schlüsselakteure zur Prävention von Konflikten sind grundsätzlich hilfreich. 4.3

Erkenntnisse zu Lösungsansätzen Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden 14 Lösungsansätze erarbeitet und in Massnahmenblättern dokumentiert (siehe Bild 5). Darin enthalten sind unter anderem die Wirkung und die Anwendungsbereiche der jeweiligen Massnahme, deren Vor- und Nachteile sowie die Flexibilität hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels. Die Ansätze sind grundsätzlich in die Kategorien «Vermeiden», «Verwerten», «Entsorgen» und «Organisation» eingeteilt. Die in den Massnahmenblättern beschriebenen Lösungsansätze dienen den Behörden als Hilfestellung zur Erarbeitung einer Strategie zur Geschiebebewirtschaftung unter Berücksichtigung der erwarteten Klimaänderung. Zudem können die Massnahmenblätter von den Behörden wie auch von spezialisierten Planungsbüros als Hilfsmittel für die Projektkommunikation mit

Gemeindevertretern und der Bevölkerung verwendet werden. Folgende Erkenntnisse bestehen in Bezug auf die Lösungsansätze: • Die Lösungsansätze (Vor- und Nachteile) können je nach Einzugsgebiet bzw. Kontext und Akteuren unterschiedlich beurteilt werden. Dasselbe gilt auch für die Akzeptanz in der Bevölkerung. • Ein Grossteil der möglichen Massnahmen zur Geschiebebewirtschaftung weist präventiven Charakter auf. Kenntnisse über Einzugsgebiete, welche hinsichtlich Geschiebelieferung sensitiv auf den Klimawandel reagieren, sind daher entscheidend, um die vorhandenen Ressourcen effizient für organisatorische, raumplanerische oder bauliche Massnahmen einzusetzen. • Um den bestehenden Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu begegnen, empfiehlt es sich, flexible wie auch robuste Lösungsansätze zu wählen, die man mit geringen Zusatzinvestitionen an ein sich veränderndes Klima anpassen kann. • Die Lösungsansätze sind oft nur in Kombination und nicht als Einzellösung einsetzbar. So ist beispielsweise bei einem Geschiebesammler eine Massnahmenkombination zwingend (z. B. Deponierung, Verwertung oder Gewässerzugabe des Geschiebes). Grundsätzlich sind aber bei Grossereignissen bzw. bei Einzugsgebieten, in welchen die Geschiebelieferung infolge Klimawandel erheblich zunimmt, Massnahmenkombinationen notwendig, da mit Einzelmassnahmen die grossen Geschiebemengen häufig nicht bewältigt werden können. Die beschriebenen Massnahmen zur Geschiebebewirtschaftung werden bewusst allgemein gehalten, um deren Übertragbarkeit auf andere Gebiete zu ermöglichen. Dies vor dem Hintergrund, dass das Pilotprogramm «Anpassung an den Klimawandel» das Übertragen der Erfahrungen in andere Gebiete der Schweiz zum Ziel hat. 5.

Auf dem Weg zu einer Strategie zur Geschiebebewirtschaftung Für eine Strategie zur Geschiebebewirtschaftung unter Berücksichtigung der erwarteten Klimaänderung sind nachfolgende Massnahmen und Handlungsfelder zentral. Sie können Bund, Kantonen

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Bild 5. Übersicht der Massnahmenblätter zu den Kategorien «Vermeiden», «Verwerten», «Entsorgen» und «Organisation». und Gemeinden auf der Ebene der strategischen Planung, aber auch bei der operativen Umsetzung von entsprechenden Massnahmen hilfreich sein. • Prospektive Gefahrenanalyse: Eine Abschätzung der Naturgefahrenprozessräume sowie deren Prozessintensitäten (u. a. Geschiebefrachten) unter Berücksichtigung des Klimawandels stellt für die Behörden eine ergänzende Planungsgrundlage zu den bereits bestehenden Gefahrenkarten dar. Sie kann bei der Planung von grossen Investitionen, der Projektierung und Priorisierung von Schutzmassnahmen wie auch beim Monitoring bzw. der Früherkennung von kritischen Gefahrenquellen dienen. • Raumplanungskonzept: Die prospektive Gefahren- bzw. Geschiebebeurteilung soll raumplanerisch berücksichtigt werden, beispielsweise in kantonalen oder regionalen Richt- und Nutzungsplanungen. So sollen beispielsweise die Deponiereserven unter Berücksichtigung der zukünftig zu erwartenden Geschiebemengen langfristig sichergestellt werden, die Gefahrenflächen im Sinne eines Hinweisprozesses in die Planung von grossen Bau- und Infrastrukturprojekten einfliessen sowie der Raumbedarf der Fliessgewässer zur schadlosen Geschiebeablagerung bzw. -umlagerung gewährleistet werden. • Massnahmen- und Interventionskonzept: Für Einzugsgebiete, in welchen die klimabedingten Risiken gemäss prospektiver Gefahrenanalyse mit hoher Wahrscheinlichkeit zunehmen, sollen vorsorglich Massnahmenkonzepte erarbeitet werden, um im Ereignisfall vorbereitet zu sein. Dazu gehören die Überwachung von Gefahrenquellen, die vorkehrende Erarbeitung von Massnahmenkombinationen inklusive Interventionsplan, die Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Identifikation und der Einbezug der Schlüsselakteure. • Kommunikation: Ein Kommunikationskonzept soll die Bevölkerung und ins-

besondere die betroffenen Akteure über die Thematik der Geschiebebewirtschaftung unter Berücksichtigung der erwarteten Klimaänderung informieren und sensibilisieren. Darin können u. a. Zielgruppe, Ansprechpersonen, Kommunikationsform und -inhalt sowie Periodizität festgelegt werden.

Lösungsansätze zu verfolgen und gegebenenfalls die Rahmenbedingung für die Anwendung derselben zu schaffen. Zu solchen Lösungsansätzen können beispielsweise eine Geschiebeverwertungspflicht in Kombination mit einem finanziellen Unterstützungssystem, die fortlaufende Schüttung von Geschiebe in stehende Gewässer oder Terrainanpassungen in der Grössenordnung von mehreren Zehntausend Kubikmetern gehören. Dank Wir danken der Begleitgruppe, bestehend aus Behördenvertretungen aus den Kantonen Bern, Graubünden und Uri sowie Mitgliedern von Verbänden, für die tatkräftige Mitarbeit: Hansruedi Aebli, Paul Baumann, Lucius Dürr, Georges Eich, Lukas Eggimann, Oliver Hitz, Andreas Hu-

6.

Ausblick

wiler, Laura Rindlisbacher, Reto Sauter, Stefan Schweizer, Oliver Steiner, Christian Wüthrich,

6.1

Entwicklung und Etablierung eines prospektiven Gefahrenmanagements Ein Teilziel der Studie war die Geschiebeabschätzung unter Berücksichtigung des Klimawandels in den drei Fallstudiengebieten. Dabei hat sich gezeigt, dass sich das Geschiebepotenzial in allen Gebieten erheblich vergrössert und zu entsprechenden Auswirkungen in Siedlungsund Bewirtschaftungsgebieten führt. Es scheint daher naheliegend, dass künftig die Ausscheidung von Naturgefahrenbereichen, aber auch die Dimensionierung von Schutzbauwerken den veränderten Rahmenbedingungen infolge Klimawandel Rechnung tragen sollte. Um die möglichen Auswirkungen durch den Klimawandel mitberücksichtigen zu können, ist die Entwicklung und Etablierung eines prospektiven Gefahrenmanagements (Gefahrenabklärungen, Systemanalysen, Überwachungen, Massnahmenkonzepte, usw.) notwendig. Die prospektive Gefahrenabklärung soll dabei als Ergänzung zu den bestehenden Gefahrenkarten und Gefahrenhinweiskarten dienen. Mit einer Abschätzung der künftig zu erwartenden Geschiebefrachten können, sind auch die notwendigen Gebiete für die Geschiebebewirtschaftung (Deponien, Geschiebezugabestellen, Kieswerke usw.) in regionalen oder kantonalen Planungen festgelegt werden.

Martin Wüthrich. Das Projekt wurde zudem im Rahmen des Pilotprogramms zur Anpassung an den Klimawandel durch das Bundesamt für Umwelt, BAFU, gefördert. Literatur [1] Perroud, M. , Bader, S. (2013): Klimaänderung in der Schweiz. Indikatoren zu Ursachen, Auswirkungen, Massnahmen. Umwelt-Zustand Nr. 1308. Bundesamt für Umwelt, Bern, und Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie, Zürich, 86 S. [2] Ban, N., Schmidli, J., Schär, C. (2014): Evaluation of the convection-resolving regional climate modelling approach in decade-long simulations, Journal of Geophysical Research Atmospheres, Vol. 119. [3] ARGE GEOTEST/geo7 (2015): GHKperiGlazial, Berner Oberland – Phase II, Zollikofen/Bern. Anschrift der Verfasser Thomas Scheuner, Severin Schwab GEOTEST AG, CH-3052 Zollikofen thomas.scheuner@geotest.ch severin.schwab@geotest.ch Barbara Wegmann econcept AG, CH-8002 Zürich barbara.wegmann@econcept.ch Adrian Schertenleib Bundesamt für Umwelt, Abteilung Gefahrenprävention, CH-3003 Bern adrian.schertenleib@bafu.admin.ch

6.2

Verfolgen von unkonventionellen Lösungsansätzen Neben den in der Studie präsentierten Geschiebebewirtschaftungsansätzen wird den zuständigen Stellen von Bund und Kanton empfohlen, auch unkonventionelle

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Hochwasserschutzprojekt «Urner Talboden»

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HWS «Urner Talboden»

Hochwasserschutz für einen starken Kanton Uri Markus Züst

Hochwasser gehören wie Erdbeben, Lawinen oder Epidemien zu den Plagen unseres Planeten. Früher versprach man nach einem verheerenden Hochwasser eine Prozession mit Kreuz und Fahne, heute erstellt man ein Hochwasserschutzprogramm. Im Verlauf der Zeit verstand es der Mensch immer besser, sich gegen Hochwasser zu schützen. Dies war auch nötig, denn er setzte sich diesen Gefahren immer stärker aus. Unsere Vorfahren mieden viele Flächen, die heute Orte unseres Wohnens und Wirtschaftens sind. So ist der Kanton Uri mit seinem knappen ebenen Boden auf die Talböden zwingend angewiesen. Es ist eine alte Weisheit, dass man durch Schaden klug wird. Jedes grössere Ereignis setzt wieder andere, meist höhere Massstäbe. So geschehen im Jahre 1977. Nach einer langen, relativ ruhigen Phase – Uri baute die Nationalstrasse und investierte kein Geld für den Wasserbau – zeigte das Hochwasser vom 31. Juli auf den 1. August 1977 auf, wie verletzlich unsere moderne Siedlungs- und Infrastruktur ist. Dieses Ereignis gab Anlass, den Hochwasserschutz im Kanton Uri rechtlich, organisatorisch und finanziell auf eine neue Basis zu stellen. Das erste Hochwasserschutzprogramm 1977 im Umfang von 100 Mio. Franken nahm sich vor allem des Schächens und der zahlreichen Seitenbächen im unteren Kantonsteil an. Zehn Jahre später, am 24./25 August 1987 schlug die Natur erneut zu, diesmal noch stärker und weiträumiger. Der ganze Reusslauf von Realp bis zum See war betroffen. Die Schadenssumme betrug eine halbe Milliarde Franken. Ohne Hilfe des Bundes hätte der Kanton die Folgen nicht bewältigen können. Das Hochwasserschutzprogramm 1987 mit 194.5

32

Mio. Franken übertraf alles Bisherige, läutete aber auch das Zeitalter des modernen Hochwasserschutzes ein. Grundlage dazu bildete die «Richtlinie für den Hochwasserschutz vom 9. Juni 1992», die später weitgehend vom Bund übernommen wurde. Wer nun glaubte, das wär’s, wurde in der Nacht vom 22. auf den 23. August 2005 eines andern belehrt. Trotz den grossen Anstrengungen der Vergangenheit zeigten sich Lücken mit verheerenden Folgen. Die geografische Ausdehnung des Ereignisses war zwar kleiner als 1987, aber es traf das wirtschaftliche Zentrum des Kantons. Verschiedene Industrieund Gewerbeunternehmen überlegten sich, ob sie ihre Betriebe noch einmal aufbauen oder anderswo weitermachen wollen. Der Druck auf Politik und Regierung war enorm. Mit einem neuen Hochwasserschutzprogramm in Höhe von 160.8 Mio. Franken, das vom Volk am 8. Februar 2009 genehmigt wurde, konnte ein Exodus vermieden werden. Kern des neuen Programms ist das Hochwasserschutzprojekt «Urner Talboden», das nun kosten- und zeitgerecht abgeschlossen werden kann. Die folgenden Beiträge berichten darüber. Das Vorhaben war eine grosse Herausforderung für alle Beteiligten und erforderte ein hohes Mass an Fachwissen, Erfahrung und Einsatz. Dafür sei allen herzlich gedankt. Mit Überzeugung können wir heute sagen, dass mit dem umgesetzten Projekt der «Urner Talboden» als Lebens- und Wirtschaftsstandort sicherer geworden ist. Anschrift des Verfassers: Markus Züst Regierungsrat und Baudirektor des Kantons Uri, Klausenstrasse 2, CH-6460 Altdorf

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Hans Peter Willi, Eva Gertsch, Adrian Schertenleib, Carlo Scapozza

Zusammenfassung Ein weiterer grosser Meilenstein in der Hochwasserschutzgeschichte des Kantons Uri ist erreicht. Gut 10 Jahre nach dem verheerenden Hochwasser vom 22./23. August 2005 feiert der Kanton Uri den Abschluss der Bauarbeiten im Hochwasserschutzprojekt «Urner Talboden». 75 Mio. CHF wurden zur Verbesserung der Hochwassersicherheit dafür investiert. Wieso konnte der Kanton Uri dieses Ereignis vergleichsweise sehr rasch bewältigen, welches sind die Erfolgsfaktoren?

1.

Uri als effizienter, erfahrener und weitsichtiger Kanton Der flächenmässig kleine Kanton Uri zeichnet sich durch seine schlanke Organisation im Wasserbau aus. Seit Einführung des Wasserbaugesetzes des Kantons Uri im Jahre 1980 liegt die Wasserbaupflicht beim Kanton. Nach dem Ereignis 2005 und der Einführung des NFA wurden 2008 weitere Anpassungen gemacht, sodass heute das Amt für Tiefbau des Kantons Uri bei allen öffentlichen Gewässern für den Hochwasserschutz, den Wasserbau und den Gewässerunterhalt zuständig ist. Dies garantiert eine hohe Fachkompetenz und Professionalität bei der Leitung von Planungs- und Realisierungsprozessen. Zudem ermöglicht es flexible und effiziente Entscheidungsprozesse und einen geringen Koordinationsaufwand, insbesondere für grossräumige Projekte wie dem Hochwasserschutz «Urner Talboden». Die Bevölkerung und die Behörden des Kantons Uri sind durch die drei grossen Hochwasser innerhalb der letzten drei Jahrzehnte, 1977, 1987 und 2005, sehr sensibilisiert. Jedes Ereignis forderte von den Verantwortlichen eine Standortbestimmung. Dank den Ereignisanalysen konnten wichtige Erkenntnisse gewonnen werden, die auch gesamtschweizerische Bedeutung für die Verbesserung des Umgangs mit den Hochwassergefahren

haben. Grundsteine für ein integrales Risikomanagements im Bereich der Hochwassergefahren wurden gelegt. Eine möglichst rasche Übersicht über den Handlungsbedarf und eine transparente, nachvollziehbare Massnahmenplanung zum weiteren Vorgehen nach einem Ereignis sind zentrale Elemente für ein gutes Katastrophenmanagement. Hier zeigte der Kanton Uri ebenfalls Geschick, indem er nach jedem Hochwasser Massnahmen in Form eines umfassenden Hochwasserschutzprogramms erarbeitete. Darin wurden auch die Prioritäten aufgezeigt, da nicht alles auf einmal umgesetzt werden kann. Die Finanzierung dieser Hochwasserschutzprogramme auf Kantonsebene wurde möglichst bald nach den Ereignissen, als die Schadensbilder noch im Gedächtnis der Bevölkerung waren und die gegenseitige Solidarität noch vorhanden war, über einen Rahmenkredit dem Volk zur Abstimmung unterbreitet; jedes Mal mit Erfolg! 1977 – Hochwasser im Schächen und in den Seitenbächen des Unterlands Das Ereignis vom 31. Juli/1. August 1977 traf den Kanton wenig vorbereitet. Die letzten grossen Wasserbauten waren diejenigen am Schächen nach dem Hochwasser von 1910. Eine Ausnahme bildete ein Teil der Reussdämme zwischen Flüelen und Amsteg im Zuge des Nationalstrassenbaus. Mit dem 77er-Ereignis erhielt der Hochwasserschutz in Uri eine ganz andere Dimension, das erste Hochwasserschutzprogramm wurde auf die Beine gestellt. Da im ganzen Reusstal auch viele Infrastrukturanlagen wie z. B. die Eisenbahn und die Nationalstrasse betroffen waren, wurden mit diesen Infrastrukturträgern Verhandlungen zur Kostenbeteiligung geführt. Basierend auf dem Wasserbaugesetz des Kantons Uri, können die sogenannten «besonders bevorteilten Dritten» (bbD) zur Mitfinanzierung beigezogen werden. Eine Einigung über die Kostenteiler

mit den bbDs (Nationalstrasse, SBB, PTT, EMD, FO) erfolgte erst nach langjährigen, zähen Verhandlungen im Jahre 1987, wo ein Kostenteiler durch einen Bundesratsbeschluss geregelt werden konnte. Eine wichtige Grundlage zur Einigung war eine der ersten grossflächigen Wildbachanalysen der Schweiz (Wildbachanalyse N2), welche durch den damals bekannten Experten Zeller erstellt wurde. Die Mitfinanzierung von Schutzmassnahmen durch Infrastrukturbetreiber ist für den kleinen Kanton Uri auch heute noch von grosser finanzieller Bedeutung. Die «besonders bevorteilten Dritten» ASTRA, SBB, Armasuisse und Matterhorn-Gotthard-Bahn werden auch heute nach bestehendem Wasserbaugesetz an der Finanzierung von Investitionsprojekten und des Gewässerunterhalts risikobasiert beteiligt. Kostenteilerverhandlungen sind, bedingt durch komplexe Projekte, die vielen betroffenen Infrastrukturanlagen und die engen Raumverhältnisse, eine grosse Herausforderung.

2.

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3.

August 1987 – das Reusshochwasser Am 24./25. August 1987, noch lange bevor das Hochwasserschutzprogramm von 1977 abgeschlossen werden konnte, ereignete sich das nächste Jahrhunderthochwasser. Die Reuss richtete vom Urserental bis zum Urnersee riesige Schäden an. Unvergesslich sind im Kanton Uri die Bilder des beschädigten Autobahnviadukts bei Wassen, des wegerodierten Friedhofs und des Pfarrhauses von Gurtnellen, wo die Erosion bis an den Kirchturm reichte, oder die infolge eines Dammbruches grossflächig überschwemmte Talebene im unteren Reusstal. An der umfassenden schweizweiten Ereignisanalyse war der Kanton Uri massgeblich mitbeteiligt (BWW, BUWAL, LHG, 1991). Das Ereignis führte zu mehreren Hochwasserschutzprojekten, welche zusammen mit den noch nicht ausgeführten Massnahmen von 1977 in einem 33

HWS «Urner Talboden»

Hochwasserschutz in den letzten drei Jahrzehnten im Kanton Uri aus Sicht des Bundes


HWS «Urner Talboden»

neuen Hochwasserschutzprogramm integriert wurden. Dabei wurde erstmals ein sogenannter differenzierter Hochwasserschutz umgesetzt. Mit der Differenzierung der Schutzziele kann risikoorientiert auf die Hochwassergefahren reagiert werden. Das spart einerseits Kosten und andererseits können dadurch auch extreme Ereignisse mit geringeren Schäden bewältigt werden. Dabei wurde im Kanton Uri die «Mutter der Schutzzielmatrix» entwickelt, welche auch heute in ihren Grundsätzen als Überprüfungsziele vom Bund empfohlen wird (ARE, BWG, BAFU, 2005). Der Kanton Uri ging auch ganz neue Wege zur Bewältigung extremer Ereignisse, dem Überlastfall. Mit gezielten Überlastausleitungen bei Erstfeld und bei Seedorf werden Abflüsse der Reuss, welche grösser als ein 100-jährliches resp. 50-jährliches Ereignis sind, vergleichsweise schadlos durch die Urner Talebene geleitet. Dabei wird auch die Autobahn in den Korridor integriert, indem diese überflutet werden kann und die Lärmschutzwände als Schutzmauern gegen Hochwasser dienen. Bei Erstfeld fliesst der Abfluss der ausgeleiteten Überlast sogar durch den Taubachtunnel der N2 unter der Siedlung hindurch. Auch bei Gurtnellen mussten für die Reuss Hochwasserschutzmassnahmen geplant und ausgeführt werden. Hier wurde zum ersten Mal erfolgreich eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für ein Hochwasserschutzprojekt durchgeführt. All diese Erfahrungen und Entwicklungen bildeten 2001 eine wertvolle Grundlage für das damalige Bundesamt für Wasser und Geologie, um seine «Wegleitung Hochwasserschutz an Fliessgewässern» zu entwickeln, welche in grossen Teilen auch heute noch gültig ist (BWG, 2001). 4.

August 2005 – Schächenhochwasser und Schattdorfer See Am 22./23. August 2005 dann der Schock. Ein weiteres Jahrhunderthochwasser ereignete sich, und wieder war es der Schä-

34

chen, der zu riesigen Schäden führte. Trotz allen früheren Schutzmassnahmen kam es zu einem teilweisen Versagen des Geschieberückhaltebeckens an der Stiglisbrücke und in der Folge zu einer Geschiebeüberlastung bei der Mündung des Schächens in die Reuss. Der Schächen trat über die Ufer, die «Stille Reuss» wurde rückgestaut, und es entstand der sogenannte «Schattdorfer See» (BAFU, WSL 2007). Auch bei diesem Hochwasser reagierte der Kanton Uri unverzüglich und zielorientiert. Planungsarbeiten für entsprechende Schutzmassnahmen wurden sofort aufgenommen, ein neues Hochwasserschutzprogramm ausgearbeitet. Dieses wurde bereits im Februar 2009 vom Urner Volk genehmigt. Davon wurden 75 Mio. CHF für das Projekt «Urner Talboden» voranschlagt. 61 Mio. CHF waren davon durch den Bund (ASTRA, BAFU und VBS) sowie die SBB abgedeckt. Das BAFU sprach für die geplanten Massnahmen des Hochwasserschutzprojekts «Urner Talboden» den höchstmöglichen Subventionssatz von 65 %. Dieser besteht aus der Grundsubvention von 35 %, Mehrleistungen im Umfang von 10 % und einem Schwerfinanzierbarkeitsanteil von 20 % für Kantone mit besonderer Belastung, denen der Kanton Uri nach dem Hochwasser von 2005 angehörte. Nun ist das Hochwasserschutzprojekt «Urner Talboden» abgeschlossen. Infolge der engen Platzverhältnisse mussten sehr technische und ausgeklügelte Lösungen bei einer äusserst anspruchsvollen Ausgangslage erarbeitet werden. Die drei Gerinne Schächen, Reuss und «Stille Reuss», welche sich bei Hochwasser sowohl flussaufwärts als auch flussabwärts gegenseitig beeinflussen, müssen schadlos durch einen engsten Raum geleitet werden, der von Infrastrukturanlagen und mehreren Verkehrsachsen genutzt wird. Der Kanton Uri und die beauftragten Ingenieure haben es geschafft, ein Schutzsystem zu entwickelt, das bei solch komplexen Bedingungen auch beim Überlastfall redundant funktioniert. Dies war nur

möglich durch einen «mehrstöckigen» Wasserbau, Druckbrücken, Notkanäle, Verschlusstore, organisatorische Massnahmen und eine enge Zusammenarbeit mit den Infrastrukturbetreibern und betroffenen Grundeigentümern. Auch wenn die Natur im Fall des Hochwasserschutzprojekts «Urner Talboden» weichen musste und nur an Ersatzorten aufgewertet werden konnte, ist dieses Projekt aus Sicht des Bundes bei gegebener Ausgangslage gelungen. Es erfüllt die Anforderungen im Sinne des Integralen Risikomanagements. Wir gratulieren dem Kanton Uri ganz herzlich zu diesem Jahrhundertwerk! Literatur ARE (Bundesamt für Raumplanung), BWG (Bundesamt für Wasser und Geologie), BUWAL (Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft), 2005: Empfehlung Raumplanung und Naturgefahren. Bern. BAFU (Bundesamt für Umwelt), WSL (Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft), 2007: Ereignisanalyse Hochwasser 2005. Teil 1 – Prozesse, Schäden und erste Einordnung. Bern und Birmensdorf. BWG (Bundesamt für Wasser und Geologie), 2001: Hochwasserschutz an Fliessgewässern. Wegleitungen des BWG. Bern. BWW

(Bundesamt

für

Wasserwirtschaft),

BUWAL (Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft), LHG (Landeshydrologie und -geologie), 1991: Ursachenanalyse der Hochwasser 1987. Ergebnisse der Untersuchungen. Bern. Anschrift der Verfasser Hans Peter Willi, Bauingenieur ETH, Leiter der Abt. Gefahrenprävention, Bundesamt für Umwelt, CH-3003 Bern Eva Gertsch, Dr. phil. nat., Fachexpertin Sektion Hochwasserschutz, Bundesamt für Umwelt, CH-3003 Bern Adrian Schertenleib, Bau- und Wirtschaftsingenieur FH, Fachexperte Sektion Hochwasserschutz, Bundesamt für Umwelt, CH-3003 Bern Carlo Scapozza, Dr. sc. techn., Sektionschef Sekt. Hochwasserschutz, Bundesamt für Umwelt, CH-3003 Bern

«Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


Stefan Flury

Der Schächen ist der grösste Seitenbach der Reuss im Kanton Uri. Die bisherigen Hochwasserereignisse im «Urner Talboden» waren massgebend von diesem Gewässer geprägt. Hauptproblem beim Schächen ist das Geschiebe. Das steile Gelände, der relativ kleine Waldanteil und die ungünstige Geologie (Flysch) führen zu einem grossen Geschiebeanfall. Der Bergsturz von Spiringen 1887 hat dieses Problem zusätzlich verstärkt. Früher trat das Geschiebe beim Schluchtausgang oberhalb von Bürglen seitlich über die Ufer und schuf so die heutige Landschaft im «Urner Talboden». Seit dem Bau des gepflästerten Schächenkanals im Unterlauf, nach dem Hochwasser von 1910, wird das Geschiebe zu einem grossen Teil bis zur Mündung in die Reuss verfrachtet. Hier treffen zwei ungleiche Gewässer aufeinander. Die Reuss vermag das Schächenmaterial nicht weiterzutransportieren. Es kommt zu einer rückwärtigen Auflandung im Kanal und zu Ausuferungen. Die Liste der Hochwasserereignisse im Schächental ist umfangreich; aus dem 18. Jahrhundert sind 11 und aus dem 19. Jahrhundert 16 bekannt. Einen Eindruck von der damaligen Situation mag der Bericht des Urner Wochenblattes über «Die Wasserverheerungen in der Sankt Andreas Nacht» vom 29./30. November 1885 geben: «Mit weithin hörbarem Gepolter der Steine und in furchtbaren Wogen brauste der Schächen hervor aus seiner Schlucht. Sein angestammter revolutionärer Geist regte sich zwar wieder, doch hielt er sich, wenn auch unwillig, in den von der Obrigkeit gesteckten Grenzen. Eine Zeit lang freilich hatte man Grund zum Bangen gehabt, er möchte dieselben überschreiten und dann weiss Gott, was noch geschehen wäre ...». Von alters her wurden längs des Schächens Wuhren gebaut. Im unteren Teil des Schuttkegels, wo das Material liegen blieb, wurden jährlich die grösseren Steine aufgelesen und seitlich deponiert, sodass sich mit der Zeit schützende Wälle bildeten, die dann überwuchsen.

Nach dem Bergsturz von Spiringen im Jahr 1887 und beim Bau der Klausenstrasse (1892–99) wurden zum ersten Mal grössere Verbauungen durchgeführt. So wurden im sogenannten «Schutt» in Spiringen Sperren und längs der Strasse Ufersicherungen errichtet. Eine systematische Korrektion des Schächens aber unterblieb. 1.

1910 – Das grösste Schächenhochwasser im 20. Jahrhundert Das Hochwasser vom 15. bis 17. Juni 1910 ist das erste gut dokumentierte Ereignis. Im Heft 3, Jahrgang 1914 «Wildbachverbauungen und Flusskorrektionen in der Schweiz» berichtet das Eidg. Oberbauinspektorat, dass bereits vor dem 15. Juni andauernder und warmer Regen niederging. Zusammen mit dem Schmelzwasser errechnete (nicht gemessen!) das Inspektorat für den Spitzenabfluss am 15. Juni 1910 eine Wassermenge von 153 m3/s, eine Zahl, die weder 1977 noch 2005 erreicht wurde. Im gleichen Bericht wird das abgelagerte Geschiebe im Unterlauf auf mindestens 200 000 m3 geschätzt (2005: 200 000–250 000 m3 grobes Geschiebe, inkl. Feinanteil ca. 350 000 m3). Der Ablauf war dramatisch: Am 15. Juni wurde morgens um 5:00 Uhr in der Eidg. Munitionsfabrik mit Kanonenschüssen Alarm gegeben. Der Schächen brachte gewaltige Mengen von Geschiebe aus dem Schächental und lagerte sie weiter unten, wo er nicht mehr das starke Gefälle des Oberlaufes besitzt, ab. In wenigen Stunden hatte er sein Bett von der Mündung bis beinahe zur Schattdorfer Schächenbrücke ausgefüllt. Das mit Wucht heranströmende Wasser fand keinen Weg mehr. Nun brach das Wasser gegen die Munitionsfabrik auf der Altdorfer Seite aus. Im Verlaufe des Vormittags wurde die Durchbruchstelle immer breiter und die Gegend nördlich der Munitionsfabrik unter Wasser gesetzt. Das Wasser floss unkontrolliert zum See und überflutete auch den Bahnhof Alt-

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dorf. Unterdessen waren Genietruppen eingerückt. Zusammen mit den Arbeitern der Munitionsfabrik gelang es ihnen, die Lücke zu schliessen. Das Wasser suchte nun einen Ausweg Richtung Schattdorf. Kanton und Gemeinden boten alles auf, um dies zu verhindern. Der Regierungsrat erteilte sogar «seinen» Truppen, den Batallionen 87 und 129, den Marschbefehl. Am 17. Juni, morgens in der Frühe, wandte sich der Schächen wiederum nach rechts und brach erneut in das Gebiet der Munitionsfabrik ein. Erneut standen der Bahnhof Altdorf und die Allmend zwischen Altdorf und Flüelen unter Wasser. Inzwischen war der Waffenchef der Genie, Oberst Robert Weber, in Altdorf angelangt und übernahm die Oberleitung. Es war ihm sofort klar, dass es nur zwei Auswege gab: Entweder die Munitionsfabrik dem Schächen preiszugeben, um Schattdorf zu retten, oder umgekehrt. Nachdem von Bern die Zusicherung kam, die geschädigten Grundeigentümer von Schattdorf würden vergütet, wurde der Notdamm auf der Schattdorfer Seite gesprengt. Das Wasser ergoss sich über Felder und Wiesen und bildete einen See, wie er aus den Jahren 1977 und 2005 bekannt ist. Die Verheerungen waren enorm. Zügig wurden die Aufräumungs- und Instandsetzungsarbeiten eingeleitet. Das Urner Wochenblatt vom 4. August 1910 berichtet, dass zwischen der Schächenmündung und Spiringen 600 Arbeiter, alles Italiener, eingesetzt wurden. Doch bereits am 31. August 1910 machte ein erneutes, wenn auch weniger heftiges Hochwasser alle Anstrengungen zunichte. Der Schächen brach erneut Richtung Schattdorf aus. Schon a m 22. September 1910 (!) genehmigte der Urner Landrat das Verbauungsprojekt für den Schächen. Ausgehend vom Bergsturzgebiet in Spiringen, wurde das Gewässer mit Sperren und Längswehren bis zur Schattdorfer Schächenbrücke systematisch gesichert. Darauf folgte der rund 1.6 km lange, ge35

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Der Schächen: Ereignisse und Massnahmen


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pflästerte Kanal bis zur Mündung in die Reuss. Man ging unverzüglich ans Werk und leitete den Schächen provisorisch via Schattdorf in die Stille Reuss, sodass der Platz für den Bau des Kanals frei wurde. Der Bund legte wegen der Munitionsfabrik und der Eisenbahnlinie grosses Gewicht auf einen raschen Baufortschritt. Bis zu 900 Mann standen gleichzeitig im Einsatz. Ende 1911 konnte der Schächenkanal fertiggestellt werden. Im folgenden Jahr hemmten schlechtes Wetter und Gewitterabflüsse immer wieder den Baufortschritt der weiteren Etappen. Am 25. September 1912 verunglückte der Gesamtprojektleiter, Kantonsingenieur Wilhelm Epp, bei einer Baustellenbegehung tödlich. Er sollte das einzige Todesopfer dieses grossen Werkes sein. Auch in den Jahren 1913 und 14 wurden die Bauarbeiten nicht mit gutem Wetter verwöhnt. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und der Zusammenbruch der urnerischen Ersparniskasse – der Vorgängerin der Kantonalbank – brachten einen starken Rückschlag. Dennoch konnten bis im Sommer 1915 die Arbeiten mit einjähriger Verspätung abgeschlossen werden. Allerdings musste auf die ursprünglich geplante Verbauung der Seitenbäche verzichtet werden. 2.

1977 – Der Hochwasserschutz bekommt anderen Stellenwert Bis zum 31. Juni 1977 herrschte am Schächen relative Ruhe. Die Bauwerke überstanden ohne grössere Schäden sogar den Starkabfluss von 1939 (Regenmessstation Unterschächen 200 mm/24 h). Der Ablauf des 77er-Hochwassers ähnelt demjenigen von 1910. Wiederum landete die Mündung in die Reuss auf, und zudem verfing sich viel Holz in der Fachwerkkonstruktion der obersten Brücke östlich der Bahnlinie (total gab es unmittelbar hinter-

einander fünf Brücken). Der Schächen trat rechts über die Ufer und überflutete u. a. den Bahnhof Altdorf. Aus der linksufrigen Dammbresche wurde das Areal der Munitionsfabrik total mit Schutt überzogen, und es bildete sich im Schattdorfer Industriegebiet ein See. Obwohl der Spitzenabfluss kleiner war als 1910 («nur» 105 m3/s) waren die Schäden mit weit über 100 Mio. Franken ungleich höher, denn in der Zwischenzeit erfolgte im Überflutungsgebiet eine rege Bautätigkeit. Im darauf folgenden ersten Hochwasserschutz-Mehrjahresprogramm erhielten der Schächen und das Schächental erste Priorität. Dafür reserviert war ein Betrag von 39.7 Mio. Franken (Preisbasis 1982), tatsächlich wurden 56.4 Mio. verbaut (43.8 Mio. Franken Preisbasis 1982). In den Jahren 1978–84 wurde der Schächenkanal und zwischen 1980 und 82 die grossen Sperren «im Schutt» in Spiringen rekonstruiert. Die Munitionsfabrik drängte – wie 1910 – auf eine rasche Verbesserung der Hochwassersicherheit. Als «Notnagel» baute man in den Jahren 1979–82 ein Geschieberückhaltebecken, den Stiglissammler, mit einem Volumen von 100 000 m3. Später wurden über längere Zeit die Seitenbäche des Schächens verbaut, Gebiete aufgeforstet und kritische Hänge entwässert. All diese Massnahmen bewährten sich grundsätzlich, doch der Schwachpunkt, die Schächenmündung, war nicht beseitigt. Dies wurde am 22./23. August 2005 auf dramatische Weise demonstriert. 3.

2005 – Der Lebensnerv wird getroffen Bereits die erste Monatshälfte August 2005 war niederschlagsreich und dann kam am 22. August der Starkregen. In Unterschächen wurden an diesem Tag 184 mm Niederschlag gemessen, während der ganzen

Bild 1. Der schäumende Schächen bei der EW-Zentrale in Bürglen im Sommer 1910. 36

Dauer des Ereignisses waren es 281 mm. Das Hochwasser kam also nicht aus heiterem Himmel, überrascht wurden aber alle Akteure vom Ausmass der Schäden. Man kannte wohl die Schwachstelle Schächenmündung, die man mit dem Hochwasserschutz-Mehrjahresprogramm 1987 vergeblich zu beheben trachtete; trotz intensiven Abklärungen fand sich damals keine befriedigende Lösung. Die Zeit für einen so starken Eingriff, wie er inzwischen im Rahmen des nun abgeschlossenen Hochwasserschutzprojekts «Urner Talboden» realisiert ist, war noch nicht reif. Alle Hoffnungen lagen auf dem Stiglissammler. Dieses Bauwerk hat nicht die Aufgabe, alles Material wie bei einer Talsperre zurückzuhalten. Dies wäre sogar unerwünscht und für den Unterlauf (Erosion) geradezu schädlich. Der Sammler hatte bis anhin bei den kleineren und mittleren Hochwassern problemlos funktioniert. In der Nacht vom 22. auf den 23. August 2005 zeigte er ein eigenartiges Verhalten. Der Sammler füllte sich wohl mit Wasser und Geschiebe, leerte sich aber dann wieder rasch, und dies wahrscheinlich mehrmals. Zu bemerken ist auch, dass die transportierte Geschiebemenge weit grösser war als das Ablagerungsvolumen von 100 000 m3. Wiederum begann das Unheil an der Mündung in die Reuss. Reuss und Schächen führten Hochwasser. Die Reuss staute den Schächen zurück. Die an der Mündung im Einsatz stehenden Bagger (am Schluss drei an der Zahl) mussten kapitulieren. Nachträglich wurde abgeschätzt, dass theoretisch mindestens 15 Bagger notwendig gewesen wären, um die Menge zu verarbeiten, abgesehen davon, dass der Platz für das Aufstellen der Maschinen gar nicht vorhanden gewesen wäre. Die Auflandung im Schächen schritt langsam bachaufwärts und erreichte am

Bild 2. Verklausungen an der Schächenbrücke bei der RUAG im Juli 1977. «Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


Bild 3. «Schattdorfer See» als Folge des Schächenhochwassers im August 2005. frühen Morgen des 23. August die SBBBrücke. Ab diesem Zeitpunkt erfolgte die grossflächige Überschwemmung und Überschüttung des RUAG-Geländes. Als extremer Schwachpunkt erwies sich die «Stille Reuss», die als Talvorfluter dient (Gangbach, Walenbrunnen, Melioration). Sie hat ein Gefälle von nur 0.1 % und kreuzt – als wasserbauliches Kuriosum – mittels einer Unterführung den Schächen. Die «Stille Reuss» ist ein künstlich

angelegtes Gewässer, das in der heutigen Konzeption im Rahmen der Schächenverbauung nach dem Hochwasser 1910 gebaut wurde. Beim Bau der Nationalstrasse wurde die Einmündung in die Reuss um 300 m nach Süden verlegt. Diese Laufverkürzung wirkte sich bei hohem Wasserstand in der Reuss ungünstig auf die Abflusskapazität der «Stillen Reuss» aus. Bereits 1977 kam es zu einer Verstopfung des Durchlasses, die aber nur kurzfris-

Anschrift des Verfassers Stefan Flury, Dipl. Bauingenieur ETH, Kantonsingenieur des Kantons Uri, Klausenstrasse 2, CH-6460 Altdorf

Der Urner Talboden muss sicherer werden Ernst Philipp

Das Augusthochwasser 2005 traf den Kanton Uri im Lebensnerv. Die überfluteten Industriegebiete enthalten einen substanziellen Anteil der urnerischen Arbeitsplätze. Bereits am 30. August 2005, also noch mitten in der Aufräumungsphase, beauftragte der Regierungsrat die Baudirektion, umgehend ein Hochwasserschutzprojekt auszuarbeiten und möglichst rasch zu verwirklichen. Da das Schattdorfer Industriegebiet nicht nur durch den Schächen, sondern auch durch die «Stille Reuss» und die Reuss gefährdet ist, sind auch diese Gewässer in die Betrachtung miteinzubeziehen. Schon am 27. September 2005 erhielt die Ingenieurgemeinschaft «3wasser» den Auftrag, innert einem Jahr ein Generelles Projekt auszuarbeiten. Als

Arbeitshypothese für dieses setzte der Regierungsrat das Ziel, die Seebildung im Schattdorfer Industriegebiet wirkungsvoll zu unterbinden. Vorerst galt es, das jüngste Hochwasserereignis zu analysieren und die Lehren daraus zu ziehen. U. a. führte dieser Prozess zu folgenden Überlegungen: • Der Mündung darf nur so viel Geschiebe und Holz zugeführt werden, wie diese verkraften kann. Um dies zu erreichen, ist der Geschiebesammler Stiglisbrücke nachzurüsten. Ausserdem sind zusätzliche Geschieberückhalteräume zu schaffen. • Es ist dafür zu sorgen, dass der Durchlass der «Stillen Reuss» unter dem Schächen auch in Extremsituationen

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nicht verstopft werden kann, damit die Entwässerung der Ebene von Schattdorf gewährleistet bleibt. Im Mündungsbereich des Schächens ist mehr Platz zu schaffen, damit besser interveniert werden kann und der Wasserabfluss nicht behindert wird. Die mit dem Hochwasserschutzprogramm 1977 im grossen Stil eingeleiteten Massnahmen im Einzugsgebiet wie Aufforstungen, Entwässerungen und Bachverbauungen haben sich grundsätzlich bewährt, sie sind fortzusetzen. Im Schächen selber sind weitere Massnahmen zu treffen, die die Seiten- und Tiefenerosion vermindern. In der Ereignisnacht blieb das Ver37

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tig wirkte und mittels einer Baumaschine entfernt werden konnte. 2005 wurde der Durchlass sechs Meter tief eingeschüttet und durch einen massiven Pfropfen verstopft, der erst nach tagelangen Bemühungen entfernt werden konnte. Die vom Hochwasser betroffene Fläche war insgesamt etwa die gleiche wie im Jahre 1977, auf der Südseite des Schächens allerdings ausgedehnter. Vorerst floss das Schächenwasser nach Norden und überflutete wie 1910 und 1977 viele Teile der Ruag und den Bahnhof Altdorf. Durch die Dammbresche auf der linken Seite des Schächens trat massiv Geschiebe und grobes Geröll ins Fabrikareal aus. Das Wasser bildete den «Schattdorfer See», dessen Pegel gegenüber 1977 um einen Meter höher lag und erst nach sieben Tagen wieder verschwand. Das erklärt die riesigen Schäden von über 350 Mio. Franken. In den folgenden Beiträgen wird beschrieben, welche Lehren gezogen und welche Massnahmen in der Folge des Ereignisses getroffen wurden.


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stopfen des Durchlasses der «Stillen Reuss» vorerst unbemerkt, resp. die Meldung erreichte infolge Verbindungsproblemen die zuständigen Feuerwehren nicht, sodass eine frühzeitige Warnung unterblieb. Parallel zur Projektierung ist eine Notfallplanung in die Wege zu leiten. Zusammenfassend heisst das: Der Abfluss soll gedämpft, der Geschiebeanfall reduziert, das verbleibende Geschiebe und das Holz so bewirtschaftet werden, dass der Mündung nur so viel zugeführt wird, wie diese verkraften kann. Mit baulichen (Objektschutz) und organisatorischen (Notfallplanung) Massnahmen soll dafür gesorgt werden, dass – wenn alle Stricke reissen – das Ausmass der Schäden beschränkt bleibt. 1.

Neues Hochwasserschutzprogramm Schon bald war klar, dass für die Verbesserung der Hochwassersicherheit des Urner Talbodens ein Grossprojekt nötig ist, für das sowohl die technischen und organisatorischen, als auch die finanziellen und politischen Voraussetzungen erst geschaffen werden müssen. Mit andern Worten: Neben der Planung des Wasserbauprojekts mussten die Vorbereitungsarbeiten für ein neues Hochwasserschutzprogramm gestartet werden. Der Kanton Uri kennt im Hochwasserschutz das Instrument des Rahmenkredits, der alle Massnahmen erfasst, die während einer bestimmten Zeitperiode verwirklicht werden sollen. Grundlage für den Rahmenkredit ist ein Hochwasserschutzprogramm. Da aus den früheren Programmen 1977 und 1987 noch nicht alle Massnahmen umgesetzt waren, galt es, die Restanzen auf Zweckmässigkeit, Dringlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Die verbliebenen Massnahmen wurden zusammen mit den neuen als Folge des 2005er-Hochwassers in das neue Hochwasserschutzprogramm aufgenommen. So kam der stolze Betrag

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von 160.8 Mio. Franken zusammen, der vom Volk am 8. Februar 2009 mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 88 % genehmigt wurde. 2. Projekt «Urner Talboden» Ein zentrales Problem zu Beginn der Planung war die Festlegung der Schutzziele. In einer Spezialsitzung bestätigte der Regierungsrat die Richtlinien für den Hochwasserschutz aus dem Jahre 1992 und legte fest, dass die sensiblen Gebiete im Urner Talboden, dazu gehört beispielsweise das Industriegebiet Schattdorf, einen Schutz erhalten, der jeden Hochwasserschaden möglichst ausschliesst. Später wurde dieser Wert auf ein 300-jährliches Ereignis (HQ300) präzisiert. Dem Überlastfall sei besondere Beachtung zu schenken, d. h. dass das Wasser, ohne grosse Schäden zu verursachen, geordnet abfliessen soll. Nach einem breit abgestützten Vernehmlassungsverfahren genehmigte der Regierungsrat am 3. Oktober 2006 das Generelle Projekt. Im März 2008 war das Bauprojekt bereit für die Planauflage. Bestandteil des Projekts war auch das sogenannte «Umgehungsgerinne Schächen», ein kleines Bächlein, das den Schächen im Bereich der Schattdorfer Brücke mit der «Stillen Reuss» verbinden sollte und somit die durch den Bau des Schächenkanals unterbrochene Vernetzung mit der Reuss wiederherstellen sollte. Diesem Projektbestandteil erwuchs kräftige Opposition. Bei der Projektgenehmigung vom 4. November 2008 liess der Regierungsrat dieses Vorhaben fallen und ersetzte es durch diverse andere ökologische Massnahmen innerhalb und ausserhalb des Projektperimeters. Der Kredit wurde auf 75 Mio. Franken festgelegt, dazu kamen noch 5.045 Mio. Franken für Strassenbauten im Zusammenhang mit dem Wasserbauprojekt.

Hauptprojekt mit relativ geringen Kosten von 3.5 Mio. Franken eine rasche Verbesserung der Hochwassersicherheit bringen. Es handelt sich um Folgende: • Geschiebesammler Stiglisbrücke Bürglen: Der Sammler wurde im Frühling 2006 provisorisch baulich so angepasst, dass beim nächsten Hochwasserereignis möglichst viel Geschiebe zurückgehalten werden soll. Dies wurde erreicht, indem die Grundablassöffnung mittels Stahlelementen verkleinert wurde. Später wurde die Sohle im Ausflussbereich mit Beton gesichert und ein beweglicher Schütz eingebaut. • Raum Schächenmündung: Die Querung der «Stillen Reuss» unter dem Schächen wurde provisorisch so geschützt, dass kein Schächengeschiebe den Durchlass verstopfen kann. Zu diesem Zweck wurde die «Stille Reuss» örtlich mit einem Armco-Rohr eingedeckt und der linke Schächendamm westlich der Bahnlinie erhöht. Gleichzeitig wurde der rechte Schächen- damm nach Norden verschoben und das Gelände zwischen SchächenAutobahn und «Stiller Reuss» abgesenkt, sodass im Mündungsgebiet mehr Platz für Geschiebeablagerungen entsteht. • Geschieberückhalteraum Reuss: Die Kiesbänke in der Reuss und im Bereich zwischen den Mündungen von Schächen und Stiller Reuss wurden auf die ursprüngliche Sohlenhöhe ausgehoben. Damit entstand wieder ein grösseres Volumen für Geschiebeablagerungen. • Notfallkonzept: Seit Sommer 2006 steht ein Notfallkonzept bereit, das sukzessive verbessert wurde. Anschrift des Verfassers

3. Sofortmassnahmen Aus der Ereignisanalyse resultierten einige Massnahmen, die unabhängig vom

Ernst Philipp, Dipl. Bauingenieur FH, Abteilungsleiter Wasserbau, Amt für Tiefbau des Kantons Uri, Klausenstrasse 2, CH-6460 Altdorf

«Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


Roger Frauchiger, Simon Scherrer

Zusammenfassung Das Hochwasser vom 22./23.8.2005 am Schächen hat im «Urner Talboden» grosse Schäden angerichtet und galt zuerst als einzigartig. Für die Planung von Geschieberückhalte- und Hochwasserschutzmassnahmen entlang des Schächens wurden mit einem differenzierten Vorgehen die hydrologischen Grundlagen hergeleitet. Ein Teil der Untersuchung befasste sich mit der langjährigen Abflussmessreihe am Schächen. Die Pegelabflussbeziehungen der Pegel musste vor Auswertung der Daten in einem aufwendigen Verfahren verbessert werden. Mittels Erkundung historischer Hochwasser konnte die Hochwassergeschichte der letzten 700 Jahre des Schächen aufgearbeitet werden, welche die Bedeutung des Hochwassers 2005 relativierte. Die Untersuchung der Abflussreaktion des Einzugsgebiets zeigte, dass trotz Steilheit des Geländes ausgedehnte Gebiete mit günstigen Speichereigenschaften den Abflussprozess im Schächen wesentlich verzögern, was sich auf die Grösse der Hochwasser auswirkt. Aus den Ergebnissen dieser Teiluntersuchungen und den Berechnungen mit dem Niederschlag-Abfluss-Modell konnte eine robuste Hochwasserabschätzung für den Schächen in Bürglen erstellt werden.

1. Einleitung und Dank Auf den ersten Blick schien die Erarbeitung der hydrologischen Grundlagen beim Schächen einfach angesichts der langen Abflussmessreihe seit 1926. Das Hochwasser vom 22./23.8.2005 übertraf aber die bisherig gemessenen Abflussspitzen wesentlich und verursachte mit dem lang anhaltend hohen Abfluss und dem damit verbundenen grossen Geschiebetrieb grosse Schäden. Das Hochwasser 2005 schien einzigartig, allerdings warf eine erste Auswertung der Abflussmessungen verschiedene Fragen auf. Daher entschied man sich für eine detaillierte Hydrologiestudie. Die statistische

Einordnung dieses Ereignisses und die Festlegung massgebender Hochwasserszenarien war herausfordernd und benötigte die Zusammenarbeit von Fachleuten. An dieser Stelle sei im speziellen Dr. Felix Naef für seine fachlich konzeptionelle Beratung herzlich gedankt. 2.

Beurteilung der Abflussmessungen Die grösste Hochwasserspitze innerhalb der Messreihe seit 1926 wurde am 22./23.8.2005 von zwei Pegeln registriert: von einem in der Messschwelle installierten Pneumatikpegel 40 m oberhalb der Schatt-

dorfer Schächenbrücke und einem erst seit 2004 an der Schächenbrücke Schattdorf montierten Radarpegel. Die Aufzeichnungen des Wasserstandes vom Hochwasser vom 22./23.8.2005 zeigen beim Pneumatikpegel ein wildes Pulsieren und sind nicht brauchbar. Auch die Messungen des Radarpegels weisen dieses Pulsieren auf. Die Versuchsanstalt für Wasserbau untersuchte deshalb die Strömungsverhältnisse dieses Abschnitts in einem physikalischen Modell (VAW, 2007) und ging diesem Pulsieren auf den Grund. Die Modellversuche der VAW zeigen sowohl in Fliessrichtung als auch quer dazu «Wellenberge» mit Abweichungen von 20–40 cm von der mittleren Wasserspiegellage. Diese stehenden Wellen sind auch auf Fotos des Ereignisses im Bereich der Messstelle sichtbar. Entsprechend unsicher ist die Zuweisung des Abflusses. Aufgrund der Modellversuche konnte die Abflussspitze auf 120–130 m3/s eingegrenzt werden. 3. Historische Hochwasser Ob das Hochwasser 2005 einzigartig war, konnte anhand der Messreihe alleine nicht festgestellt werden. Deshalb wurden Informationen über historische Hochwasser zusammengetragen, um das Zeitfenster weit über die Messperiode hinaus auszuweiten (Scherrer et al., 2011). Die hier durchgeführte Erkundung von Hochwassern (Chroniken, Zeitungen, Archive und

Bild 1. Die Hochwasser am Schächen seit 1250, klassifiziert nach ihrer Grösse anhand der Schilderungen. «Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden

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HWS «Urner Talboden»

Wie gross sind seltene Hochwasser am Schächen?


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verbürgte Angaben) ergab eine Fülle von Informationen über einen Zeitraum von über 700 Jahren (Bild 1). Die Klassifizierung in kleine, mittlere, grosse und sehr grosse Hochwasser erfolgte anhand der Schilderungen. Die Hochwassergeschichte vor 1800 ist allerdings lückenhaft und die Angaben sind vage. Die Untersuchungen zeigten, dass sich in der Vergangenheit mehrere grosse bis sehr grosse Hochwasser ereigneten. Damit war das Hochwasser 2005 (120–130 m3/s) keineswegs einzigartig. Die Rekonstruktion des Hochwassers von 1910 (110–150 m3/s) ergab eine ähnlich hohe Abflussspitze. Diesen beiden grössten Hochwassern der jüngeren Geschichte wird aufgrund der Mengen und der historischen Betrachtung eine Wiederkehrperiode von nur 50 bis 150 Jahren zugeordnet. 4.

Beurteilung der Abflussreaktion des Einzugsgebiets Beim Hochwasser 2005 zeigte der Schächen eine stark verzögerte Abflussreaktion, denn der Abfluss nahm erst wesentlich zu, als bereits 100 mm der insgesamt etwa 200 mm Niederschlag gefallen waren. Diese verzögerte Abflussreaktion bestätigte sich bei der Untersuchung des Einzugsgebiets nach der Abflussbereitschaft. Sie zeigte, dass trotz Steilheit des Geländes ausgedehnte Gebiete mit günstigen Speichereigenschaften den Abflussprozess im Schächen wesentlich verzögern, was sich auf die Grösse der Hochwasser auswirkt (Scherrer AG, 2007). Die sonderbar verzögerte Reaktion des Schächens auf Starkregen wurde auch schon andernorts im Alpenraum (z. B. Saltina in Brig) beobachtet. 5. Niederschlag-Abfluss-Modell Basierend auf den Untersuchungen der Abflussreaktion, wurde ein mathematisches Niederschlag-Abfluss-Modell aufgebaut, das die wesentlichen Prozesse bei Hochwasser nachbildet. Dabei handelt es sich um das ursprünglich am Institut für Hydromechanik und Wasserwirtschaft der ETH Zürich entwickelte und von der Scherrer AG erweiterte Modell QArea. Verschiedene bekannte Hochwasser wurden damit nachgerechnet. 6. Niederschlag-Szenarien Für die Geschiebestudie für den Hochwasserschutz des «Urner Talbodens» waren Hochwasser unterschiedlicher Dauer erforderlich. Um die Reaktion des Einzugsgebiets auf seltene Niederschläge zu untersuchen, wurden Szenarien für extreme Starkregen entwickelt und deren Abflüsse mit dem Niederschlag-Abflussmodell auf 40

Bild 2. Frequenzdiagramm des Schächens beim Pegel in Bürglen (108.5 km2) aus den Jahreshochwassern von 1926–2006 (blau). Zwischen 1930 und 1985 befand sich der Pegel in Bürglen (94 km2). Zusätzlich eingetragen sind das abgeschätzte Hochwasser von 1910 und die Resultate der Modellrechnungen (violett). der Basis einer Gebietsniederschlagsstatistik berechnet. Vom 21.–23.8.2005 regnete es über 40 Stunden mit hoher Intensität. Dieser Niederschlag wurde deshalb (bezüglich räumlicher und zeitlicher Niederschlagsverteilung) als Basis für lange Extremniederschlagsszenarien verwendet. 7. Synthese Die Synthese aus den Ergebnissen der Erkundung historischer Hochwasser, der Hochwasserstatistik aus den bereinigten Abflussdaten, der Untersuchung der Abflussreaktion der Einzugsgebietsteilflächen und der Berechnungen mit dem Niederschlag-Abfluss-Modell ergeben eine robuste Hochwasserabschätzung für den Schächen in Bürglen. Die Auswertung der Pegelmessreihe in Bürglen (blaue Rechtecke in Bild 2) hat bei der Abschätzung der Hochwasserabflüsse ein grosses Gewicht. Wesentlich für die Betrachtung sind die grossen Hochwasser (1910, 1935, 1939, 1977, 1987, 2002 und 2005). Den beiden grössten Hochwassern wird eine Wiederkehrperiode von 50 bis 150 Jahren zugeordnet. Die Abschätzung des 300-jährlichen Ereignisses mit dem Niederschlag-Abfluss-Modell (violetter Balken in Bild 2) fügt sich gut in die Extrapolation aus der Messreihen ein. Das 100-jährliche Hochwasser (HQ100) liegt bei 120–150 m3/s, das HQ300 bei 150–190 m3/s. Die Abflussmessungen am Schächen, aber auch die Untersuchungen im Gelände zeig-

ten, dass die Abflussreaktion des Schächens aufgrund grosser Gebiete mit hohem Schluckvermögen verzögert ist. Auch wenn grössere Niederschläge als im August 2005 das Einzugsgebiet des Schächens treffen, ist aufgrund des heutigen Kenntnisstandes keine überproportionale Abflussreaktion zu erwarten. Literatur: Scherrer AG (2007): Hydrologische Grundlagen des Schächens für den Hochwasserschutz des Urner Talbodens und das Generelle Projekt Schächen. Auftraggeber: Amt für Tiefbau des Kantons Uri. Bericht 06/75. Reinach, November 2007. Scherrer S., Frauchiger R., Näf D., Schelble G. (2011): Historische Hochwasser: Weshalb der Blick zurück ein Fortschritt bei der Hochwasserabschätzung ist. «Wasser Energie Luft» 103. Jg., 2011, Heft 1. Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich (2007): Abflussmessstation des Schächens bei Bürglen, Bericht Nr. 4251. Im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU), Sektion Hydrometrie. Anschrift der Verfasser: Roger Frauchiger, Dr. Simon Scherrer – Scherrer AG, Hydrologie und Hochwasserschutz, Schönmattstrasse 8, CH-4153 Reinach info@scherrer-hydrol.ch

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Urs Müller, Peter Gisler

Der Regierungsrat des Kantons Uri hat kurz nach dem Hochwasser ein Generelles Projekt in Auftrag gegeben, welches ein Gesamtkonzept für den Hochwasserschutz im «Urner Talboden» mit sicher funktionierenden Ausbauvorschlägen für die drei Gewässer Schächen, Reuss und «Stille Reuss» aufzeigen soll. Die Auswirkungen wie nach dem Hochwasser 2005 dürfen nie mehr auftreten, wenn man eine Abwanderung der Industrie vermeiden und die für den Kanton wichtigen Arbeitsplätze erhalten will. Das Hochwasserschutzprojekt «Urner Talboden» beinhaltet neben den geschieberückhaltenden Massnahmen am Schächen auch umfangreiche Schutzbauten im «Urner Talboden», welche es erlauben, auch die Extremhochwasser der Reuss, für welche das bestehende Gerinne eine wesentlich zu kleine Kapazität aufweist, kontrolliert und ohne Überschwemmung der Industrie- und Wohngebiete in Richtung Urnersee abzuleiten. 1.

Projektorganisation und Ablauf der Projektbearbeitung Mit der Erarbeitung und Umsetzung des Gesamtprojekts «HWS Urner Talboden» wurde das Amt für Tiefbau der Baudirektion Uri beauftragt. Basierend auf Erfahrungen aus früheren Hochwasserereignissen und aufbauend auf zum Teil bereits bestehenden und eingespielten Kommissionen sowie Spezialistenteams, wurde im Herbst 2005 eine professionelle Projektorganisation für den Hochwasserschutz im «Urner Talboden» unter der Gesamtleitung des Kantonsingenieurs gebildet. Die Gesamtleitung unterstand direkt der Regierungsrätlichen Baukommission, bestehend aus den Vorstehern der Bau-, Volkswirtschafts- und Sicherheitsdirektion, welche sich in regelmässigen Abständen (quartalsweise) über den Projektfortschritt orientieren liess. Dank dieser frühzeitigen Information und dem zwingend notwendigen Zusammenspiel mit weiteren Pro-

jekten im «Urner Talboden» (NEAT-Anschlussstrecke Nord und Erneuerung/ Erweiterung der Verkehrswege Autobahn A2, Halbanschluss Altdorf, Umfahrung Altdorf, usw.) konnte der Regierungsrat Uri rechtzeitig klare Projektschwerpunkte setzen und das Zusammenspiel und den zeitverzugslosen Ablauf der verschiedenen Projekte garantieren. Wichtig für den Projekterfolg und das rasche Vorliegen der Bewilligung zur Umsetzung des Hochwasserschutzprojekts war aber auch der über die ganze Projektdauer erfolgte direkte Einbezug der erweiterten «Technischen Kommission Hochwasserschutz» mit allen Amtsstellen von Bund und Kanton sowie der «Begleitdelegation» mit den vier Anstössergemeinden im «Urner Talboden» in die massgebenden Projektentscheide. Dank klaren Projektvorgaben und Randbedingungen konnte das Projektteam unter einer zentraler Projektleitung des Amtes für Tiefbau Uri mit den erfahrenen Planern der IG 3wasser (Basler & Hofmann, Synaxis und Projekta) und den Spezialisten für Hydrologie, Geschiebe- und Umweltfragen sowie der Versuchsanstalt für Wasserbau der ETH Zürich (VAW) innert sehr kurzer Zeit ein in sich geschlossenes, sicheres, umweltverträgliches und bewilligungsfähiges Gesamtprojekt erarbeiten. Die Öffentlichkeit wurde in regelmässigen Abständen mit direkten Orientierungen der

Baudirektion oder über die Medien über den Projektstand und die verschiedenen Projektbestandteile orientiert, was für eine rasche Bewilligung des Projekts und der anschliessenden Genehmigung des Projektkredites in der Volksabstimmung mitentscheidend war. Ablauf der Projektbearbeitung: • Sofortmassnahmen zur Wiederherstellung der Gerinne (2005) • Vorgezogene Massnahmen für eine erste wirksame Verbesserung des Hochwasserschutzes im «Urner Talboden» (2005–2006) • Generelles Projekt (Okt. 2005–2006), Genehmigung durch den Regierungsrat am 3. Okt. 2006 • Ausarbeitung des Bau- und Auflageprojekts (Okt. 2006–Nov. 2007) • Vorprüfung bei Amtsstellen von Bund, Kanton und Gemeinden – Ergänzung Bauprojekt (Nov. 2007 bis Jan. 2008) öffentliche Orientierung durch Baudirektion • Öffentliche Projektauflage (ab März 2008) und Projektgenehmigung durch den Regierungsrat (4. Nov. 2008) • Volksabstimmung über das Hochwasserschutzprogramm (8. Febr. 2009) • Baubeginn erste Massnahmen (ab Frühjahr/Sommer 2009) • Bauende «HWS Urner Talboden» (Sommer 2016)

RR Baukommission

NEATͲBehördendelegation Uri

BD, VD, SID

BAV / ATG / UR

Gesamtleitung Kantonsingenieur Technische Kommission HWS

Begleitdelegation

Fachdelegation

Vier Anstössergemeinden

Projektleitung Kantonale Fachstellen

UVBͲHauptuntersuchung

Projektingenieur

Spezialisten Ͳ Hydrologie Ͳ Geschiebe

Modellversuche VAW ETH Zürich

Bild 1. Projektorganisation, Bau- und Auflageprojekt.

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41

HWS «Urner Talboden»

Das Hochwasserschutzprojekt «Urner Talboden»


HWS «Urner Talboden»

Jährlichkeit Schutzziele < 30 Jahre 30–50 Jahre 50–100 Jahre 100–300 Jahre 300–EHQ

Bild 2. Schutzziele für den «Urner Talboden» gemäss Schutzzielmatrix mit erhöhter Schadensgrenze Qa in sensiblen Gebieten. 2.

Schutzziele Hochwasserschutzprojekt «Urner Talboden» Auf der Grundlage der «Richtlinie für den Hochwasserschutz» des Kantons Uri vom 9. Juni 1992 ist das Projekt so ausgelegt, dass Siedlungsgebiete gegen direkte Schäden eines 100-jährlichen Ereignisses (HQ100) geschützt sind. Aufgrund der besonderen Situation im «Urner Talboden» erhalten die sensiblen Industriegebiete einen erhöhten Schutz bis zu einem 300-jährlichen Ereignis (HQ300). Da die Ebene von Schattdorf nicht nur durch den Schächen, sondern auch durch Reuss und «Stille Reuss» gefährdet ist, gelten die genannten Schutzziele gegen Hochwasser für alle drei Gewässer. Im Weiteren wird auf die Artikel von Ernst Philipp sowie Mar-

kus Schatzmann und Dominik Schenk verwiesen. 3.

Konzept und Projektziele Hochwasserschutzprojekt «Urner Talboden» Im Rahmen des Generellen Projekts erfolgte eine umfassende Analyse des Ereignisses 2005 mit Beurteilung der Ursachen des Versagens der bisherigen Hochwasserschutzmassnahmen. Wie erwähnt, lag das Hauptproblem bei der Schächenmündung. Es galt, die Geschiebeproblematik des Schächens zu lösen. Zudem mussten die Abflüsse im Schächen, in der «Stillen Reuss» und in der Reuss für den Bemessungs- und Überlastfall gewährleistet werden, was angesichts der engen Platzverhälnisse und der zahlreichen Hindernisse in Form von Strassen und Bahn eine anspruchsvolle Ingenieuraufgabe darstellte. Die wichtigsten Projektziele: • Wirksamer Geschieberückhalt am Schächen • Schutz der Industriegebiete im «Urner Talboden» (genügende Gewässerräume und Durchflusskorridore für Schächen und Reuss)

Bild 3. Übersichtsplan Schächenmündung mit Gesamtkonzept «HWS Urner Talboden». 42

Sicherung des Abflusses der «Stillen Reuss» (Notentlastung, Verlängerung «Stille Reuss») • Beherrschung von Extremereignissen ohne Gefahr eines Systemkollapses • Einhaltung der Umweltverträglichkeit Die Bemessungsabflüsse und Geschiebefrachten mussten für grössere und länger andauernde Ereignisse als die bisher bekannten Hochwasser von 1987 und 2005 ausgelegt werden. Das gesamte Projekt «HWS Urner Talboden» besteht aus 22 Massnahmen. 4. Massnahmen am Schächen Am Schächen konzentriert sich das Projekt primär auf die Geschiebefragen. Wegen des grossen Gefälles und der bereits früher erstellten Schutzbauwerke bestehen nur sehr lokale Kapazitätsengpässe. Die Massnahmen am Schächen umfassen: • Forstliche und bauliche Massnahmen im Einzugsgebiet (nicht Gegenstand des vorliegenden Projekts) • Sicherer Geschieberückhalt im Geschiebesammler Stiglisbrücke durch Einbau eines regulierbaren Verschlusses in die Grundauslassöffnung und separate Holzrückhaltemassnahme • Sohlenstabilisierungen und Verstärkung der Ufer oberhalb der Schattdorfer Schächenbrücke zur Reduktion des Geschiebeeintrages und Verhinderung eines seitlichen Ausbrechens • Ufererhöhung links um 1.5 m entlang der Schächenschale zur Verhinderung eines Wasseraustritts in Richtung Industriegebiet Schattdorf wie beim HW 2005. Damit bildet diese Dammseite eine klare Verteidigungslinie zum Industriegebiet. • Geschiebesammler im RUAG-Areal: Die Beschickung des rechtsufrigen Sammlers im RUAG Areal erfolgt mit einem 200 m langen seitlichen Streichwehr. Das normalerweise 3 m hohe Ufer der Schächenschale wird hier auf 1 m reduziert. Somit treten bei einer Geschiebeauflandung im Kanal selbsttätig Wasser und gleichzeitig Geschiebe in den Ablagerungsraum (Volumen mindestens 80 000 m3). Das entlastete

Tabelle 1. Bemessungsabflüsse und Geschiebefrachten

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HWS «Urner Talboden»

11.2 Unterführung Wysshus Überlastkorridor Schächen gemäss Detailprojekt ATG (in Arbeit)

21.2 neue Stille Reussbrücke Attinghauserstrasse

11.1 Sekundärdämme Überlastkorridor Schächen

9 Schächenmündung inklusive Ufererhöhung bis Druckbrücke 8.1 Rechtsseitige Ufererhöhung zwischen Entlastungsraum RUAG und ATG-Brücke Druckbrücke Schächen gemäss Auflagenprojekt 06 ATG

7.2 Fussgänger- und Rohrbrücke RUAG

Schächen Kragenmauer gemäss Detailprojekt ATG (in Arbeit)

8 Geschiebeentlastungsraum RUAG rechte Seite

13.2 Aufteilung Reuss bei Schächenmündung

20 Vergrösserung Durchfluss Stille Reuss unter Schächen

7.1 Ufererhöhung RUAG linke Seite

18.2 Notentlasungskanal Stille Reuss 19.2 Durchlass RUAG linke Seite 19.1 Aufweitung Stille Reuss

Bild 4. Geschiebesammler am Schächenkanal mit seitlichem Streichwehr und Massnahmen im Bereich der Schächenmündung. Volumen weitertransportiertes Geschiebe 44770 m3

Volumen Ablagerungskörper: 81 000 m3

Totaler Eintrag: 125 770 m3

Bild 5. Geschiebesammler RUAG – Hydraulischer Modellversuch (VAW). Wasser fliesst weiter unten wieder in den Schächen zurück. Dieses «geschiebelose Wasser» räumt die Schächenschale im Unterlauf wieder frei. Ausbildung, Geometrie und Funktionsweise wurden in einem hydraulischen Modellversuch an der ETH Zürich (VAW) geprüft, optimiert und die Funktionssicherheit bei verschiedenen Szenarien nachgewiesen. Für die sichere Beherrschung des Überlastfalls mit noch grösseren Wasserund Geschiebemengen sorgt rechtsufrig entlang der Schächenwaldstrasse ein Sekundärdamm. Ausserdem leitet beim westlichen Ende des Geschiebesammlers ein befestigter Notüberlauf das Wasser über das gesperrte Strassennetz. Feste und mobile Begrenzungsmauern führen das Wasser zur Unterführung Wysshus (NEATLinie) und weiter in Richtung «Stille Reuss»/Reuss.

Bild 6. Druckbrücke mit Kragenmauern.

Druckbrücke über den Schächen: Unmittelbar oberhalb der Schächenmündung querten neben dem Nationalstrassenviadukt gleich sechs Brücken das Gewässer (3 SBB, Kantonsstrasse, RUAG-interne Strasse, Wuhrweg) Alle Brücken waren zu tief. Der Kanton und die AlpTransit Gotthard AG entschieden sich, alle Brücken zu einer einzigen zusammenzufassen und als Druckbrücke auszubilden. Der hydraulisch optimale Einlaufbereich und die sogenannten Kragenmauern sorgen dafür, dass das Wasser oberstrom der Brücke sich bis zu 6 m aufstauen und so den nötigen Druck für einen sicheren Durchfluss aufbauen kann. Die Druckbrücke ist ein Projekt der AlpTransit, das auf das Auflageprojekt Hochwasserschutz abgestimmt ist. Der Kanton beteiligt sich an den Kosten. Im Rahmen der Projektierung wurden für die Druckbrücke umfangreiche

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Modellversuche an der ETH Zürich (VAW) durchgeführt. Optimierungen im Bereich Schächenmündung: Die Einmündung des Schächens in die Reuss wurde abgewinkelt und dadurch strömungsgünstiger an die Reuss angeschlossen. Die Mündungsbrücke wurde auf höherem Niveau neu gebaut und stromaufwärts verschoben.

5. Massnahmen an der Reuss Die Erhöhung der Hochwassersicherheit der Reuss erfolgte im Rahmen des Hochwasserschutzprogramms 1987 und der Renaturierung des Reussdeltas. Nebst der Sanierung der Reussdämme wurden Überlastkorridore nördlich der Attinghauser Reussbrücke definiert und gesichert. Die erste Verteidigungslinie bildet eine Mauer auf der Ostseite der Autobahn, die zweite der Bahndamm. Zwei Stellen am rechtsufrigen Reussdamm wurden so 43


HWS «Urner Talboden»

Bild 7. Überlastkorridor Reuss im Gebiet Schachen-Schattdorf oberhalb der Schächenmündung mit Notentlastungskanal für die «Stille Reuss». ausgestaltet, dass ab einer bestimmten Wassermenge Reusswasser auf die Autobahn A2 ausgeleitet und dem See zugeführt wird. Das Hochwasserschutzprojekt «Urner Talboden» ergänzt und erweitert diese Massnahmen mit einer dritten Entlastungsanlage sowie mit diversen Sekundärmassnahmen. Anders präsentiert sich die Sachlage im Bereich Erstfeld-Schattdorf. Die aus dem Hochwasser 2005 abgeleitete Forderung, wonach die Überflutung durch die Reuss zwischen Erstfeld und Attinghausen nur noch bis zur Bahnlinie gestattet wird, führt zu einer Verschärfung der Situation im Bereich der Engstelle in Attinghausen, die eine konzeptionelle Anpassung verlangte. Bei sehr grossen Ereignissen dient die Ebene Schachen in Schattdorf als sogenannter Überlastkorridor. Bei Abflüssen über HQ150 kann Reusswasser in diese Ebene austreten. Dazu wird der rechtsufrige Damm oberhalb der Autobahnraststätte auf einer Länge von 500 m überströmbar gestaltet, um so eine kontrollierte Entlastung zu ermöglichen. Die Massnahmen an der Reuss umfassen: • Erhöhung des rechtsseitigen Reussdammes südlich der Schächenmündung mit Schaffung überströmbarer Dammbereiche • Dammerhöhung und Verbreiterung der Reuss bei der Schächenmündung • Anpassung der Reussbrücke Attinghausen (Sicherstellung einer Überströmbarkeit bei grossen Hochwassern und Geschiebeauflandungen unterhalb der Schächenmündung) • Kapazitätserhöhung Attinghausen mit linksufriger Dammerhöhung und neuer dritter Entlastungsanlage rechts auf die Autobahn A2 • Sicherstellung Überlastkorridor Reuss durch Schaffung zusätzlicher Durchflussquerschnitte an der Reuss bei der Schächenmündung und im Bereich des Durchlasses der «Stillen Reuss» unter dem Schächen. Durch Torverschlüsse der Dammunterquer44

ungen an der Riedstrasse und bei der SBB-Brücke über die «Stille Reuss» wird der Bahndamm zum Hochwasserschutzdamm und kann damit den Überlastkorridor der Reuss auf das Gebiet Schachen begrenzen. Unterhalb der Schächenmündung schliesst der Überlastkorridor im Gebiet Eyschachen an die bereits bestehenden Hochwasserschutzmassnahmen entlang der Autobahn A2 und dem Bahndamm bis Flüelen an. 6.

Massnahmen an der «Stillen Reuss» Die «Stille Reuss», welche die Talebene zwischen Erstfeld und Schattdorf entwässert und den Gangbach Schattdorf aufnimmt, hat eine wechselvolle Geschichte. Ursprünglich floss sie südlich der Schächenmündung in die Reuss, was bei hohem Wasserstand in der Reuss zu Rückstau und regelmässiger Überflutung des späteren Schattdorfer Industriegebietes führte. Mit dem Bau des Schächenkanals ab 1910 verlegte man die Einmündung der «Stillen Reuss» nach Norden und verbesserte so die Situation. Dazu wurde die «Stille Reuss» unter dem Schächen hindurch geführt. Die Erfinder dieser nicht alltäglichen Lösung dachten offenbar nicht daran, dass ein über die Ufer tretender Schächen den darunter liegenden Durchlass verschliessen könnte. Das tat er tatsächlich 1977 und 2005. Die verlängerte «Stille Reuss» stand dem Nationalstrassenbau in den Siebzigerjahren im Wege, und aus Kostengründen verkürzte man den Lauf um ca. 300 m. Damit vergrösserte sich wieder die Rückstaugefahr für das Schattdorfer Industriegebiet. Die Massnahmen an der «Stillen Reuss» sind recht umfangreich. Einerseits wurde der Durchlass unter dem Schächen stark erweitert und gegen ein Ausbrechen des Schächens geschützt. Andererseits wurde der Zustand bezüglich Lauflänge und Einmündung in die Reuss, wie er vor dem Autobahnbau bestand, wieder herge-

stellt. Dazu wurde östlich der A2 ein neues, naturnahes Bachgerinne geschaffen und unter der Nationalstrasse ein Durchlass gebaut. Eines der obersten Ziele des Hochwasserschutzprojekts «Urner Talboden» ist es, eine erneute Überschwemmung der Schattdorfer Ebene zu verhindern. Die oben beschriebenen Massnahmen am Schächen genügen dazu nicht. Vielmehr muss das Gebiet auch vor der Reuss geschützt werden. Der neue NEAT-Damm bildet dazu ein ideales Bollwerk. Leider aber gibt es bei der Bahnbrücke über die «Stille Reuss» und bei der Riedstrasse Lücken, die im Ereignisfall geschlossen werden müssen. Damit wird das Problem aber nicht gelöst, sondern nur verlagert. Bei einem Verschluss des Bachgerinnes im Bereich der Bahnbrücke wird die «Stille Reuss» zur Gefahr für das Schattdorfer Industriegebiet. Abhilfe schafft ein unterirdischer, parallel zu den NEAT-Gleisen verlaufender Notentlastungskanal. Ausserdem wird das Industriegebiet entlang der «Stillen Reuss» mit einer Mauer geschützt. Die Massnahmen an der «Stillen Reuss» umfassen: • Schutzmassnahmen entlang der «Stillen Reuss» mit Mauern und Dämmen unter gleichzeitiger Aufwertung und Renaturierung des Gerinnes im Industriegebiet Schattdorf • Überdeckter Notentlastungskanal für die «Stille Reuss», der die Entwässerung der Schattdorfer Ebene immer garantiert • Aufweitung Engnis «Stille Reuss» zwischen Bahndamm und Autobahn • Vergrösserung Durchlass «Stille Reuss» unter dem Schächen mit einer Durchflusskapazität von mind. 70 m3/s für den Überlastfall Reuss • Verlegung und Verlängerung der «Stillen Reuss» um 300 m nordwärts mit einer neuen Durchleitung unter der Autobahn (Durchlass unter A2, ausgeführt durch das ASTRA) • Verlegung Attinghauserstrasse/Industriestrasse und Anschluss mit einem Kreisel an die neue SBB Unterführung Wysshus (Projekt Strassenbau). Anschrift der Verfasser: Urs Müller, Dipl. Bauingenieur ETH, Projektleiter Generelles Projekt und Bauprojekt, IM Maggia Engineering SA, CH-6601 Locarno Peter Gisler, Dipl. Bau-/Wirtschaftstechniker FH, Projektleiter-Stv. Generelles Projekt und Bauprojekt sowie Gesamtprojektleiter Ausführungsprojekt, Amt für Tiefbau, Klausenstrasse 2, CH-6460 Altdorf

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Markus Schatzmann, Dominik Schenk

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im Rahmen der übergeordneten Notfallplanung zum Einsatz. Um auch in einem solchen Fall die Schäden im Industriegebiet Rossgiessen zu begrenzen, dient der Notentlastungskanal «Stille Reuss», welcher auch im Falle von Geschiebeablagerungen des Schächens in der «Stillen Reuss» ein Abfliessen des ausgebrochenen Schächenwassers sowie der «Stillen Reuss» garantiert. Massnahmen HWS UT zur Erreichung Schutzziel Massnahmen HWS UT Überlastfall Fliessrichtung

Notventil Gotthardstrasse

Geschiebeablagerung

en äch Sch

1. Schächen Beim Schächen ist die Darstellung des Überlastfalles etwas einfacher als im Talboden, da entlang des Schächens «nur» zwei Schutzziele gelten: Linksseitig des Schächens, auf Gemeindegebiet Schattdorf, wurde ein Schutzziel HQ300 festgelegt, um das während des Hochwasserereignisses 2005 schwer getroffene Industriegebiet RUAG und Rossgiessen im Sinne einer Sonderzone zu schützen. Rechtsseitig des Schächens, auf Gemeindegebiet Altdorf und Bürglen, wurde das für Siedlungszonen übliche Schutzziel HQ100 festgelegt. Durch diese Vorgabe wurde als generelle Hochwasserschutzmassnahme das linke Ufer des Schächens zwischen Gotthardstrasse und Schächenmündung um 1.5 m höher ausgebildet als das rechte Schächenufer. Dadurch werden Ereignisse HQ100 bis HQ300 gezielt nach Norden geleitet und die Sonderzone bis zum HQ300 geschützt. Der Abfluss- und Geschiebetransportprozess des Schächens ist im Beitrag Jäggi detailliert beschrieben. Demnach setzt sich nach mittlerer Füllung des rechtsseitigen Geschiebeablagerungsraumes RUAG (HQ100) der Geschiebeablagerungsprozess im Schächengerinne wie auch im und oberhalb des Ablagerungsraumes im Rahmen von Ereignissen > HQ100 fort. Um eine Flutung der südlichen Siedlungsgebiete von Altdorf und der

Industriezonen und Entwicklungsgebiete im Bereich des Bahnhof Altdorf möglichst lange hinauszuzögern, wurden im Hinblick auf einen sukzessiv höheren Schutz folgende Überlastfallmassnahmen umgesetzt (Bild 1): Überlastkorridor 1 (Ereignisse HQ100 bis HQ300): 1. Sekundärdamm entlang Schächenwaldstrasse Zusätzlicher Überlastkorridor 2 (Ereignisse HQ200 bis HQ300): 1. Terrainanpassungen 2. Rechtsseitiges Notventil oberstrom Druckbrücke NEAT 3. Grossräumiger Durchlass Wysshus inkl. Schutzmauern und mobiler Massnahmen Bis ca. einem HQ200 werden Abflüsse und Geschiebeablagerungen im sowie rechtsseitig des Schächengerinnes kontrolliert (Überlastkorridor 1). Für Ereignisse im Bereich und grösser als HQ200 geht der Abfluss- und Ablagerungsprozess im Überlastkorridor 1 weiter. Es sind nun aber auch Ausbrüche nach rechts via Sekundärdamm und via Notüberlauf des Ablagerungsraumes sowie zusätzlich oberhalb der Druckbrücke möglich. Für das hier ausgebrochene Wasser inkl. Feinsediment und Geschiebe steht zusätzlich der Überlastkorridor 2 zur Verfügung, welcher den Abfluss sammelt und via Durchlass Wysshus in den Talboden rechtsseitig Reuss, «Stille Reuss» weiterleitet. Die neue Bahnunterführung, ein von der NEAT gebautes und finanziertes Bauwerk, konnte noch rechtzeitig an die Bedürfnisse des Überlastabflusses angepasst werden. Sämtliche weiteren Überlastfallmassnahmen waren vergleichsweise günstig resp. stellen eine wesentliche Verbesserung im Umgang mit dem Überlastfall dar. Für Ereignisse seltener als HQ300 muss schliesslich an verschiedensten Orten entlang des Schächens mit Ausbrüchen resp. Systemkollapsen gerechnet werden. In diesem Falle kommen Evakuations- und Rettungsmassnahmen

Sekundärdamm

Überlastkorridor 1 Überlastkorridor 2 Restrisikogebiet

HQ100-300

HQ200-300

HQ30-100

Terrainerhöhung Mauer

NEAT

Mobiler Verschluss Mauer

Notventil Druckbrücke

NEAT Durchlass Wysshus A2

>HQ200 N

Zusammenfassung Gemäss Bundesamt für Wasser und Geologie (2001) müssen in jedem Hochwasserschutzprojekt Massnahmen zur Beherrschung des Überlastfalles in die Planung einfliessen und wenn immer möglich auch umgesetzt werden. Ziel der Überlastfallmassnahmen ist es, bei selteneren Ereignissen als dem Bemessungsereignis resp. definiertem Schutzziel, das Risiko von Todesfällen und möglicher grosser Schäden mit verhältnismässig kleinen Zusatzinvestitionen zu reduzieren.

A2

Reuss

Bild 1. Überlastfall Schächen: Massnahmen und Abfluss- und Geschiebeablagerungsprozess. 2. Reuss Bei der Reuss greifen die Massnahmen für den Schutz vor dem Bemessungsereignis und dem Schutz vor dem Überlastfall komplex ineinander. Die Massnahmen werden daher in Prozessabfolge resp. unter Berücksichtigung der sehr variablen Schutzziele für die im Talboden zur Verfügung stehenden Flutflächen aufgezeigt. Einige Massnahmen zur Lenkung und Begrenzung des Überlastfalles wurden bereits im Nachgang an das Hochwasser der Reuss von 1987 im Zeitraum 1996 bis 2000 erstellt. Diese wurden dann aufgrund der neu festgesetzten Schutzziele und der durch45

HWS «Urner Talboden»

Beherrschung Überlastfall und Überflutungsmodellierung


HWS «Urner Talboden» Bild 2. Überlastfall Reuss im Talboden: Massnahmen nach Hochwasser Reuss 1987 (realisiert 1996 bis 2000) und Massnahmen im Rahmen Hochwasserschutz Urner Talboden (realisiert 2010 bis 2016): Bild oben: Erstfeld bis Attinghausen. Bild unten: Attinghausen bis Flüelen. geführten Berechnungen (siehe weiter unten) ergänzt (Bild 2). Bis zu einem HQ20 bleibt der Abfluss der Reuss in seinem Gerinne. Bei grösseren Ereignissen finden im Reussdelta zuerst Ausuferungen linksseitig und danach auch rechtsseitig statt, was die Entwicklung der dortigen Auenwälder begünstigt. Ab einem Reusshochwasser HQ50 flutet die Reuss das Gebiet Albenschit oberhalb Attinghausen. Gleichzeitig entlastet die Reuss via Entlastungsanlagen (beidseitig gesicherte Dammscharten) auf die Autobahn A2. Hierzu wird im Rahmen der zugehörigen Alarmorganisation und basierend auf definierten Abflusswerten der Reuss an der Messstation Seedorf der Verkehr auf der A2 rechtzeitig gestoppt. Danach fliesst der entlastete Abfluss im Umfang bis zu 120 m3/s auf der A2 Richtung Reussdelta. Bei Ereignissen um HQ150 entlastet das Wasser zudem via Lärmschutzmauer A2 in die Landwirtschaftsebene und fliesst von da Richtung 46

Reussdelta. Bei Ereignissen grösser als HQ150 entlastet schliesslich auch Wasser oberhalb der Schächenmündung via überströmbarer Dammabschnitte auf die A2 und von da auf die Landwirtschaftsebene. Das angrenzend liegende Schwerverkehrszentrum bei der A2 ist ab Ereignissen HQ200–300 betroffen. Insgesamt entsteht somit rechtsseitig der Reuss ein ausgedehnter Flutkorridor von Erstfeld bis Flüelen. Bei Ereignissen kleiner HQ300 ist der Korridor im Bereich Mündung «Stille Reuss» unterbrochen, da in diesem Fall das Flutwasser der Reuss hier wieder in die Reuss zurückfliesst. Bei Ereignissen grösser HQ300 ist der Korridor zusammenhängend, und ein Teilabfluss fliesst durch das Industriegebiet Eyschachen/Entwicklungsgebiet Bahnhof Altdorf. Um die schadenintensive Industriezone Rossgiessen in Schattdorf bis zu einem HQ300 sowie wenn immer möglich auch

bei höheren Abflüssen der Reuss zu schützen, musste der Korridor östlich auf den Damm der NEAT begrenzt werden. Hierzu gehören in Fliessrichtung folgende Massnahmen: 1. Terrainanpassung im Rynächt beim Walenbrunnen 2. Verschliessbare Tierdurchgänge im Damm der NEAT 3. Automatisch und manuell verschliessbare Verschlusstore bei der Strassenunterquerung Riedstrasse und bei der «Stillen Reuss» 4. Im Damm der NEAT integrierter Notentlastungsstollen «Stille Reuss» zur Gewährleistung des Abflusses der «Stillen Reuss» bei geschlossenem Verschlusstor 5. Blockteppich und Blockverbau beim Übergang der Landwirtschaftsebene in das Engnis der «Stillen Reuss» zwischen Reuss/A2 und ATG-Damm bei der SBB-Brücke «Stille Reuss»

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Für die Entwicklung der Massnahmen im Talboden wurden numerische Überflutungssimulationen mit der Programmsoftware «Mike Flood» des Danish Hydraulic Institute (DHI) durchgeführt. Dabei wurden die Gewässer Reuss und «Stille Reuss» sowie die Flutwege Autobahn A2 und Notentlastungskanal «Stille Reuss» eindimensional gerechnet und der flächige Flutprozess im Talboden zweidimensional, wobei die Berechnungen gekoppelt und instationär unter Verwendung der Hochwasserganglinien der Lastfälle HQ300 und Extremhochwasser EHQ durchgeführt wurden. Vor Durchführung letztgenannter Berechnungen wurde das Reussgerinne anhand von zahlreich eingemessenen Hochwassermarken vergangener Hochwasserereignisse kalibriert und das Gesamtmodell, basierend auf dem Hochwasserprojekt Reuss 1987, validiert.

erhöht, dass ein HQ300 inkl. Freibord abgeführt werden kann. Diese Massnahme berücksichtigt den Überlastfall insoweit, als auch ein grösseres Ereignis noch bordvoll abgeführt werden kann resp. die Ausuferungen moderat ausfallen. Widmung Wir widmen diesen Artikel Heinz Willi Weiss, der sowohl im Nachgang des Hochwassers 1987 wie auch im Nachgang des Hochwassers 2005 massgeblich an der Entwicklung und Realisierung der Hochwasserschutzprojekte im «Urner Talboden» seitens Basler & Hofmann beteiligt war. Heinz Willi Weiss verstarb kurz vor Weihnachten 2015. Anschrift der Verfasser: Markus Schatzmann, Dr. Ing. ETH, bis 12/2015 Basler&Hofmann AG, ab 1/2016 Straub AG, Hartbertstrasse 10, CH-7000 Chur Dominik Schenk, Dipl. Bauingenieur ETH, Bas-

3. Stille Reuss Im Industriegebiet Rossgiessen werden die Ufer entlang der «Stillen Reuss» soweit

ler & Hofmann AG, Bachweg 1, CH-8133 Esslingen

Modelluntersuchungen Schächen und daraus abgeleitete Massnahmen Martin Jäggi, Marius Junker

1.

Geschiebeführung des Schächens während des Hochwassers vom 22./23. August 2005 Der Schächenbach erreichte einen Spitzenabfluss im Bereich von 120–130 m3/s. Er war somit deutlich grösser als der Spitzenabfluss von 1977. Während über sechs Stunden lag der Abfluss über 110 m3/s und darüber, während über 12 Stunden lag er höher als 100 m3/s. Wegen dieser langen Dauer war die mitgeführte Geschiebefracht ausserordentlich hoch. Die Reuss konnte vom herangeführten relativ groben Geschiebe nur wenig weiterverfrachten, und der grösste Teil lagerte sich im Mündungsbereich ab. Dies führte zu einer rückwirkenden Auflandung in die Schächenschale mit Ablagerungen von über 2 m (bei 3 m Uferhöhe). Entsprechend uferte der Schächen zuerst im Bereich der Querung

der «Stillen Reuss» und dann oberhalb der SBB-Brücke aus (23. August 2005; ca. 2:00 Uhr, resp. ca. 6:00 Uhr). 1.1 Übersicht Mittels numerischer Simulation konnte das Ereignis in Bezug auf Geschiebeführung rekonstruiert werden. Bild 1 zeigt das zugehörige Transportdiagramm. Jede Kurve entspricht der kumulierten Geschiebefracht, welche bis zu einem bestimmten Zeitpunkt des Ereignisses entlang des Schächens und des nachfolgenden Reussabschnitts erreicht wurde. Der gesamte Eintrag aus den Seitenbächen und durch Sohlenerosion im Schächen selbst betrug ca. 110 000 m3 (Geschiebe mit Grobkomponenten bis über 30 cm Durchmesser, ohne Sand und Schlamm). Die Reuss konnte nur etwa 2000 m3, über den Bereich des Zusammenflusses hinaus, weiterverfrachten.

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1.2

Geschiebesammler Stiglisbrücke Der Geschiebesammler Stiglisbrücke konnte seine Funktion nur teilweise erfüllen. Der Grundablass war etwas zu gross, sodass der Einstau nicht bis zur Überfallsektion reichte und sich nur gegen 30 000 m3 ablagerten, bei einer Kapazität von ca. 100 000 m3. Auch verklauste entgegen den Erwartungen die Grundablassöffnung nicht durch Holz. Schliesslich wurde der grösste Teil der Ablagerungen beim Abklingen des Abflusses erodiert und ans Unterwasser abgegeben. So verblieben nur etwa 6000 m3 Geschiebe im Sammler. Zwar schien zur Zeit der Projektierung des Sammlers eine solch selbsttätige Entleerung eines Geschiebesammlers zur Milderung eines Geschiebedefizits im Unterwasser wünschenswert, doch führte dies bei diesem Ereignis zu einer zusätz47

HWS «Urner Talboden»

Um die tief liegenden Siedlungszonen in Attinghausen vor Einstautiefen grösser 2 m zu schützen, musste der linksseitige Reussdamm auf Seite Attinghausen auf einer grösseren Länge erhöht werden. Unterhalb der Schächenmündung werden bereits überbaute Industriezonen des Entwicklungsgebietes Eyschachen mittels Mauer bis zu einem HQ300 geschützt. Für die noch nicht bebauten Zonen weiter nördlich erfolgen raumplanerische Massnahmen resp. baurechtliche Auflagen bezüglich Art und Gestaltung der zukünftigen Überbauungen; dies nicht nur zum Schutz Letzterer, sondern insbesondere auch zur Gewährleistung des Durchflusses der im Flutkorridor abfliessenden Entlastungswassermengen. Weiter Richtung Norden öffnet sich der Flutkorridor wieder und eine punktuelle mobile Massnahme sowie ein Damm entlang des Altdorfer Giessens verhindern bis zu Hochwassern der Grössenordnung HQ200 einen Ausbruch aus dem Flutkorridor.


HWS «Urner Talboden»

Bild 1. Geschiebetransportdiagramm für das Hochwasserereignis im Schächen vom 22./23. August 2005, durch numerische Simulation des Geschiebetransports ermittelt. Fliessrichtung von rechts nach links. Eine steigende Kurve entspricht Geschiebeeinträgen oder Sohlenerosion. Eine fallende Kurve entspricht Ablagerung. Die dicken Linien (26.8 und 30.8) entsprechen zeitlich dem Beginn der Ausuferungen bei der «Stillen Reuss» resp. ins RUAG-Areal oberhalb der SBB-Brücke.

Bild 2. Der Wassersprung ob der Passerelle markiert die Front der gegen die Fliessrichtung wandernden Auflandungsfront (Aufnahme am 23. August 2005, Vormittag. Copyright TBA Kanton Uri).

lichen Belastung des schon überlasteten Unterlaufs. Deshalb wurde im Rahmen der vorgezogenen Massnahmen ein Regulierschütz eingebaut.

2.

1.3

Zwischenstrecke Stiglisbrücke bis Schächenschale Wegen der ausserordentlich hohen Abflüsse und deren langen Auftretensdauer erodierte der Schächen im anschliessenden Abschnitt bis zur Schächenschale die Sohle und die Ufer intensiv und zerstörte Uferverbauungen. Die Sohleneintiefung allein ergab ein Geschiebeaufkommen von ca. 36 000 m3; diese Menge wurde durch die Ufererosionen und den Eintrag aus dem Näsital etwa verdoppelt. Ein grosser Teil dieser Menge wurde bereits in der Phase mobilisiert, während welcher der Sammler Stiglisbrücke noch Geschiebe zurückhielt. Mündung in die Reuss und Schächenschale In der Reuss lagerten sich auf kurzer Strecke gegen 20 000 m3 Material ab, was am Ende der Schächenschale zu einer Sohlenhebung von 2.5 bis 3 m führte. Dies führte zu einer rückwirkenden Auflandung, deren Front gegen die Fliessrichtung wanderte und durch einen Wassersprung markiert war (Bild 2). Diese Vorgänge konnten im numerischen Modell nur simuliert werden, indem für den Geschiebetransport eine Formel für den Transport auf glatter Sohle verwendet wurde. Sobald sich Geschiebe auf der glatten Sohle ablagert, erfolgt der

Wechsel auf die übliche Formel auf natürlicher Sohle (Smart und Jäggi, 1983). Da die Uferhöhe nur 3 m betrug, führte die Ablagerung zum erwähnten Ausufern vorerst im Bereich der «Stillen Reuss» und später oberhalb der SBBBrücke. Bild 3 dokumentiert die Ergebnisse der Simulation mit der wandernden Auflandungsfront und dem Anstieg des Wasserspiegels. In der Simulation wurde das Überströmen der Ufer simuliert. Ähnlich wie beim Ereignis in Brig-Glis von September 1993 reduzierte das ausfliessende Wasser die Transportkapazität des Schächens und fachte die Ablagerung weiter an (Bezzola et. al., 1994).

Übersicht über den Geschiebehaushalt für das Dimensionierungsereignis Das Büro Scherrer AG (Scherrer, 2006) analysierte die Hydrologie des Ereignisses. Es definierte für die Dimensionierung der geplanten Bauwerke eine kurze Ganglinie mit einer Spitze von etwa 190 m3/s und eine lange Ganglinie mit einer Spitze im Bereich von 150 m3/s, aber einer Dauer von gegen 40 Stunden. Im simulierten Dimensionierungsereignis führen Einträge aus dem Oberlauf sowie Sohlen- und Ufererosion zu einer Geschiebefracht bis zum Sammler Stiglisbrücke auf gegen 200 000 m3. Davon wird etwa die Hälfte im Sammler aufgefan-

1.4

48

Bild 3. Wasserspiegel und Sohlenlagen gemäss Simulation zum Zeitpunkt des Ausuferns in die «Stille Reuss» (24.1) und ins RUAG-Areal (30.8). Die Uferhöhen betragen 3 m. «Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


HWS «Urner Talboden» Bild 4. Druckbrücke der SBB-NEAT über den Schächen, Abfluss von 225 m3/s im Modell (Quelle VAW). gen, während dann in einer zweiten Phase 100 000 m3 über die Überfallsektion weitertransportiert werden. Je nach Grad der Verbauung in der Zwischenstrecke bis zur Schale belasten bis 60 000 m3 aus der Erosion den Unterlauf zusätzlich. Während der ersten 28 Stunden des Ereignisses lagert sich Geschiebe nur in der Reuss ab (ca. 40 000 m3). Nachher kommt es zur rückwirkenden Auflandung, die den seitlich angeordneten Geschiebesammler auf dem RUAG-Areal anspringen lässt. Schliesslich lagert sich Material weiter bachaufwärts bis 500 m oberhalb der LHG-Messstation ab. Diese Vorgänge können nur dank den nachfolgend beschriebenen Projektelementen schadlos ablaufen. 3.

Die Druckbrücke der SBB-NEAT Die Einhaltung eines üblichen Freibords für ein Dimensionierungsereignis hätte für die SBB-Brücke der NEAT eine massive Hebung des Trassees erfordert, welche für das Längenprofil der Strecke zu einer praktisch nicht realisierbaren Bedingung geführt hätte. Beim Einlaufquerschnitt der Druckbrücke wird eine Verschalung angeordnet. Die Ufermauern müssen oberwasserseitig angepasst werden. Dies erlaubt den Anstieg des Wasserspiegels bis zur Oberkante der Verschalung, und der Abfluss unter der Brücke gerät unter Druck. Im Fall von starker Geschiebeführung und Ablagerung unter der Brücke nehmen durch die zusätzliche Energie Geschwindigkeit und Schleppkraft zu, wodurch der Querschnitt frei bleibt.

3.1 Vordimensionierung Im Rahmen eines Gutachtens (Jäggi, 2005) wurde für verschiedene Kombinationen von Schächenabfluss und Geschiebeablagerung in der Schale die Machbarkeit einer Druckbrücke aufgezeigt. Ohne Hebung des aktuellen Trassees verbleibt die lichte Höhe unter der Brücke auf 3 m. Verschiedene Lastfälle ergaben einen Aufstau beim Brückeneinlauf zwischen 4 und 5.2 m ab Sohle der Schale. Unter Einrechnung einer gewissen Sicherheitsreserve wurde eine Verschalungshöhe von 3 m vorgeschlagen. 3.2 Numerische Simulation Im numerischen Modell des Projekts wurde auch die Druckbrücke berücksichtigt. Dazu musste das numerische Modell GESMAT angepasst werden. Unter Druckverhältnissen ist auch die Brückenunter-

Bild 5. Grundriss der Versuchsanlage HWS «Urner Talboden» (Quelle: VAW). sicht Teil des benetzten Umfangs. Mit dem bekannten Verfahren nach Einstein (Einstein, 1934) kann dies berücksichtigt und der hydraulische Radius der auf die Sohle wirksamen Teilfläche bestimmt werden (Jäggi, 2007), der dann in die Geschiebetransportformel eingeführt wird. Die Energiehöhe oberhalb der Brücke und damit der maximal mögliche Wasserstand lag ca. 1 m unterhalb der Oberkante der Verschalung. Die Differenz zur Energiehöhe im Unterwasser lag bei

Bild 6. Darstellung der Wasserspiegel- und Sohlenlagen beim Stauschild der Druckbrücke (Quelle: VAW).

«Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden

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HWS «Urner Talboden»

chend angehoben werden. In der Simulation lagert sich wie beim Ereignis 2005 Geschiebe im Bereich der Mündung ab. Es folgt das Aufwärtswandern der Ablagerungsfront. Sobald sie den Bereich des Streichwehrs erreicht, tritt ein Teil das Abflusses und des Geschiebes in den Sammler aus. Die Folge ist eine weitere lokale Anhebung der Sohle auf der Höhe des Streichwehrs, welche die weitere Entlastung von Wasser und Geschiebe fördert.

Bild 7. Ansicht in Fliessrichtung des Geschiebesammlers und Streichwehrs im physikalischen Modell. Fächerartige Ausbreitung der Ablagerungen im oberen Teil des Sammlers (Quelle: VAW). etwa 1.3 m. Das für den Geschiebetransport massgebende Gefälle im Bereich der Druckbrücke lag so bei 2.6 % und ist somit deutlich höher als das Sohlgefälle der Schächenschale von 2.2 %. 3.3 Modellversuch Parallel zur numerischen Modellierung der NEAT-Druckbrücke wurde diese Massnahme anhand eines physikalischen Modells an der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich untersucht. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde das Verhalten der Brücke sowie des gesamten Schutzsystems entlang der Schächenbachschale auf dem untersten Kilometer vor der Einmündung in die Reuss in einem Modell mit Massstab 1:50 analysiert. Die Ergebnisse der numerischen Simulation in Bezug auf die Prozesse und das Verhalten der Druckbrücke wurden im physikalischen Modell bestätigt. Die Ablagerungsmächtigkeiten im Lichtraumprofil der Brücke variierten in diesen Fällen im Bereich zwischen 1 und 2 m, was ⅓ bis ⅔ der lichten Höhe entspricht. Trotz dieser Reduktion des Abflussquerschnitts konnte der anfallende Abfluss in allen Fällen die Brücke ohne Ausuferungen passieren. Beim oberwasserseitigen Portal der Brücke stellten sich im Überlastfall bei einer konstanten Beaufschlagung von 225 m3/s und einer Geschiebetransportrate von ca. 5400 kg/s Wasserspiegellagen ein, die bis 0.5 m unter die Oberkante des Stauschildes reichten (Bild 5). Dabei konnte beobachtet werden, dass das Fliessfeld einer markanten Oszillation unterliegt (siehe Bild 6). Im Unterwasser der Druckbrücke stellt sich eine stehende Welle ein. Sie resultiert aus der sprunghaften Expansion 50

des Fliessfelds beim Übergang zum Freispiegelabfluss. Je grösser die Einstauhöhe im Oberwasser, desto höher stellt sich der Wellenkamm im Unterwasser ein. Die Höhe der Uferberandung sollte auf dieses Phänomen ausgelegt werden. 4.

Neugestaltung der Schächenschale und Geschiebesammler für Extremereignisse

4.1 Prinzip und Simulation Bei einem künftigen Extremereignis im Schächen ist wieder damit zu rechnen, dass sich Geschiebe in der Reuss ablagert und wieder eine Auflandungsfront die Schächenschale hinaufwandert. Beim Durchgang der Front steigt der Wasserstand auf der Auflandung gegenüber der Abflusstiefe auf der glatten Schale schlagartig um über 1 m an. Dies nützt das Projekt mit der seitlichen Anordnung eines Entlastungsraums auf dem RUAG-Areal aus. Ein 200 m langes und 1 m hohes Streichwehr ist am rechten Ufer angeordnet. Das untere Ende liegt 600 m oberhalb der Mündung in die Reuss. Solange sich in der Schale kein Geschiebe abgelagert hat, ist der Abfluss schiessend, und die Abflusstiefen sind kleiner als die Wehrhöhe. Mit dem Aufwärtswandern der Ablagerung springt wegen der deutlichen Anhebung des Wasserstands die Entlastung an, und es wird Geschiebe in den Sammler eingetragen. Während des Ereignisses von 2005 war die von der Reuss ausgehende Ablagerung teilweise höher als die 3 m hohen Ufer (Bild 3). Das Projekt umfasst deshalb auch eine systematische Erhöhung der Ufer auf 4.5 m, ausser am rechten Ufer im Bereich des Sammlers. Passerellen über den Schächen mussten auch entspre-

4.2 Modellversuch Die dreidimensionalen Prozesse der Geschiebeausleitung und der Füllung des rechtsseitigen, lateralen Geschiebesammlers wurden im physikalischen Modell intensiv untersucht. Die rückwärts wandernde Auflandung wird durch die Entlastung über das Streichwehr stark verzögert. Erst nach ca. 15 Stunden wird das obere Ende erreicht. In praktisch allen untersuchten Lastfällen wurden dabei rund 70–80 % des anfallenden Geschiebes ausgeleitet und zurückgehalten, d. h. rund 90 000–100 000 m3. Ab einem Abfluss Q> 75 m3/s wird Klarwasser ohne Beeinträchtigung des Geschiebetransports in der Schale über das Streichwehr in den Rückhalteraum ausgeleitet. Es kommt zu einer Seebildung. Sobald die Rückwärtsauflandung das talseitige Ende des Streichwehrs erreicht hat, wird infolge der höheren Sohlenlage sprunghaft mehr Abfluss der Wildbachschale entzogen. Die Transportkapazität wird dadurch schlagartig weiter reduziert, wodurch praktisch die gesamte anfallende Geschiebefracht in den Sammler umgelenkt wird. Ein kleiner Anteil der Geschiebefracht verbleibt in der Schale und nährt die Ablagerungsfront und somit das langsame Fortschreiten der Ablagerung entgegen der Fliessrichtung. Dieser Prozess führt dazu, dass sich das Geschiebe zuerst schicht- und danach fächerartig von unten nach oben im Sammler ausbreitet (Bild 7). Der in den Sammler gelenkte Abfluss wird über einen Auslass wieder in die Wildbachschale zurückgeleitet. Dabei wurde in keiner Versuchskonfiguration Geschiebe mitgeführt. Vielmehr wurde durch die Einleitung des Klarwasserabflusses in die Schale, diese von den bestehenden Ablagerungen komplett freigeräumt. 4.3 Treibholz Im Rahmen der Untersuchung des Überlastfalls wurden Schwemmholzversuche durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass der laterale Geschiebesammler in der Lage ist,

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Literatur

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Bezzola, G.R., Abegg, J., Jäggi, M. 1994: Saltina

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chitekt, Nr. 11, 165–169.

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Jäggi, M. 2005: Tieferlegung der Schächenbrü-

ETH Zürich, Nr. 64.

cken, Gutachten zur Machbarkeit in Bezug auf

Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und

die Hochwassersicherheit, Amt für Tiefbau des

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Kantons Uri, März (unveröffentlicht).

4238, «Hochwasserschutz Urner Talboden» –

Jäggi, M. 2006: Unwetter vom 22./23. August

Physikalische Modellversuche Schächen (un-

2005, Schächen und Reuss, Amt für Tiefbau des

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Anschrift der Verfasser

of pressure flow at bridges, Proceeding of the

Martin Jäggi, PD Dr. Kulturingenieur ETH,

32nd congress of the International Association

Flussbau und Flussmorphologie,

for Hydraulic Research and Engineering, Topic

Alte Zürichstrasse 3, CH-8124 Maur

A.2.b linear transport, July 1–6, Venice, Italy.

Marius Junker, Dipl. Geomatikingenieur ETH,

Jäggi, M. 2008: «Hochwasserschutzkonzept

Basler & Hofmann AG, Bachweg 1,

Urner

CH-8133 Esslingen

Talboden»,

Geschiebesimulationen

Schächen, Amt für Tiefbau des Kantons Uri, Februar (unveröffentlicht).

Hinweis

Scherrer, S. 2007: Hydrologische Grundlagen

Die numerischen Simulationen wurden durch

für den Hochwasserschutz des Urner Talbo-

das Ingenieurbüro Idealp sàrl, Sitten, mit dem

dens und das Generelle Projekt, Amt für Tiefbau

eigenen Programm GESMAT durchgeführt.

des Kantons Uri (unveröffentlicht).

Die Umwelt und ihr Stellenwert im Hochwasserschutzprojekt Christoph Könitzer

1. Ausgangslage Das Hochwasserschutzprojekt liegt in einem ökologisch sensiblen und heute stellenweise naturfernen Raum im Unteren Reusstal. Der Schuttkegel des Schächens und das in diesem Bereich flache Reusstal sind heute weitgehend entwaldet. Neben ausgedehnter Wohn- und Arbeitsnutzung wird hier viel Landwirtschaft betrieben. Strassen- und Eisenbahnlinien von lokaler bis internationaler Wichtigkeit queren den Projektperimeter. Sie sind teilweise schon länger Teil von Hochwasserschutzmassnahmen – und sie sind gleichzeitig auch gefährdet durch Naturgefahren verschiedener Art. Im Osten und Westen ragen bewaldete und sehr steile Berghänge in die Höhe. Sie begrenzen den durch Hochwasser gefährdeten Raum gleichermassen wie sie die Hochwasserfluten in diesen hinunterleiten. Die regionale terrestrische Vernetzung im Projektperimeter war vor Projektbeginn teilweise stark eingeschränkt,

die aquatische Vernetzung von Reuss und Schächen durch die feste Verbauung von Sohle und Böschungen im untersten Teil des Schächens seit vielen Jahren unterbrochen. Die grosse Anzahl an unterschiedlichen, intensiven und sich teilweise räumlich überschneidenden Nutzungen führt dazu, dass den Umweltaspekten im Projekt eine sehr grosse Bedeutung zukommt. Der Kanton Uri hat dies von Anfang an erkannt. Bereits in dem 2006 vom Regierungsrat verabschiedeten Generellen Projekt wurden umfangreiche ökologische und umweltrelevante Ziele für das Projekt definiert: • Der Erhalt von natürlichen und naturnahen Fliessstrecken • Die Ausdehnung und die ökologische Optimierung der Gewässerräume • Die Aufrechterhaltung des natürlichen Geschiebetransports • Die Kompensation und die ökologische

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Aufwertung von Verbauungsmassnahmen entlang der Fliessgewässer. • Die Verbesserung von terrestrischer und aquatischer Vernetzung, speziell entlang von Schächen und «Stiller Reuss» • Die Grundlagenerarbeitung für das Vorhaben «Raumentwicklung Unteres Reusstal» Eine möglichst umfassende und gute Umsetzung dieser Ziele wurde bei der Erarbeitung des Bauprojekts und in der Realisierung auch durch die Umweltfachleute fortlaufend angestrebt. 1.1 Planung Als Bestandteil des Generellen Projekts wurde bereits 2006 eine Voruntersuchung zur Umweltverträglichkeit mit Pflichtenheft für die Hauptuntersuchung abgeschlossen. Darin werden die wichtigsten Untersuchungsinhalte für die Hauptuntersuchung definiert, welche ihrerseits paral51

HWS «Urner Talboden»

einen grossen Teil des anfallenden Treibholzes zurückzuhalten, da sich von Beginn weg im oberen Teil des Sammlers eine Zirkulationsströmung entgegen der eigentlichen Fliessrichtung einstellt. Der grösste Teil des Schwemmholzes wird auf dem Ablagerungskörper festgehalten, ein bedeutend kleinerer Anteil gelangt über die Rückführung zurück in die Schale. Bei der Druckbrücke stellten sich im Zuge der physikalischen Modellversuche keine kritischen Zustände in Bezug auf Verklausungen von Schwemmholz ein. Am grössten ist die Belastung, wenn die Auflandungsfront unter der Brücke hindurch wandert, bis die Entlastung in den Sammler beginnt. Dabei waren temporäre Teilverklausungen möglich, die aber die Funktion der Brücke nicht infrage stellten.


HWS «Urner Talboden»

lel zur Erarbeitung des Bauprojekts bis im März 2008 durchgeführt wurde. Dank dem permanenten und direkten Einbezug der Umweltteams während der Projektentwicklung konnten umweltrelevante Fragestellungen und Probleme frühzeitig angegangen und mit den zuständigen Behörden und weiteren Akteuren diskutiert werden. Auf diese Weise konnten gute und allgemein akzeptierte Lösungen gefunden und ins Projekt integriert werden. So konnten Verzögerungen oder gar grössere Planungsiterationen verhindert werden. Wenig überraschend erwies sich die Frage von Flächenverbrauch und -ersatz als die grosse Knacknuss aus Umweltsicht. Die Hochwasserschutzmassnahmen beanspruchen teilweise grosse Flächen Wald, Landwirtschaftsland oder Bauland. Insgesamt wurden durch das Projekt rund 36 Hektaren Land vorübergehend oder definitiv beansprucht. Die Auswirkungen des Projekts auf die Bevölkerung wurden für die Bauphase insgesamt als grösser beurteilt als für die Betriebsphase. Zur Minimierung der allgemeinen Belastung wurden diverse spezifische Massnahmen definiert, für deren Umsetzung eine Umweltbaubegleitung (UBB) vorgeschlagen wurde. In der Hauptuntersuchung konnte abschliessend das Fazit gezogen werden, dass das Vorhaben unter Berücksichtigung der vorgeschlagenen Massnahmen umweltverträglich realisiert werden könne. Diese Einschätzung wurde von den zuständigen Behörden von Kanton und Bund bestätigt. Die langfristige Sicherung von Umweltmassnahmen und derer positiven ökologischen Wirkungen ist ein wichtiger Bestandteil des Projekts. Aus diesem

Grund wurde im Verlauf des Projekts und in Zusammenarbeit mit dem BAFU ein «Arbeitsprogramm Erfolgskontrolle der Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen für ökologische Mehrleistungen» erarbeitet. Darin wurden für über zwanzig Massnahmen Kriterien für die Erfolgskontrolle bestimmt und ein Umsetzungsprogramm erstellt. Das Programm startet 2016 und läuft bis Ende 2023. 1.2

Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen Im Rahmen des Projekts war eine Vielzahl von Massnahmen umzusetzen und durch die UBB sicherzustellen. Die Auswirkungen auf die Umwelt konnten so kompensiert werden. Als Beispiele werden zwei grössere Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen aufgeführt: Die Wiederherstellung der aquatischen Vernetzung zwischen Reuss und Schächen wurde als Umgehungsgerinne der Schächenschale konzipiert. Aufgrund verschiedener Einsprachen musste jedoch auf das neue Gewässer verzichtet werden. Als Ersatz wurden bei Erstfeld zwei Flächen ökologisch aufgewertet und anschliessend als kantonale Naturschutzgebiete in ihrer neuen Qualität langfristig gesichert. Als weitere Ersatz- und Ausgleichsmassnahme wurde der Unterlauf der «Stillen Reuss» im Rahmen der Verschiebung ihrer Mündung in die Reuss als naturnahes Fliessgewässer auf einer Strecke von mehreren Hundert Metern teilweise neu gebaut. Die Fläche zwischen Autobahn und Kantonsstrasse konnte dank einer Strassenverlegung vergrössert werden und wird heute vollständig von Bach und Gewässerraum beansprucht. Das abschnittweise Ausbringen von geeignetem

Bild 1. Neuanlage und Verlängerung Gerinne und Gewässerraum der Stillen Reuss (Foto Sigmaplan). 52

Sohlensubstrat für die Laichablage war erfolgreich, konnten doch seither in allen Wintern Laichgruben von See- und Bachforellen nachgewiesen werden. 1.3 Realisierung Die Bauherrschaft beauftragte eine Arbeitsgemeinschaft mit der Umweltbaubegleitung. Projektumfang und -dauer erlaubten es, themenspezifische Checklisten, Notfallkonzepte und weitere Dokumente zu erarbeiten, welche in der Folge in allen Losen bedarfsgerecht eingesetzt werden konnten. Unter anderem wurden Checklisten in den Bereichen «Technischer Gewässerschutz – Baustellenkontrollen», «Natur und Landschaft für Baupersonal» und «Baustellenpräsenz Wald Natur Landschaft» erarbeitet. Ergänzt wurden diese Arbeits- und Hilfsinstrumente durch standardisierte Berichtsvorlagen für das regelmässige Reporting an die Bauherrschaft. Die UBB begleitete und kontrollierte die Arbeiten in allen Losen bedarfsgerecht. Dieses Vorgehen hat sich sehr bewährt, indem mit Fortschreiten der Arbeiten zunehmend Synergien zwischen den Losen genutzt werden konnten. Auch die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen auf den Baustellen und den kantonalen Fachstellen war nach kurzer Zeit gut eingespielt, was für Projekt und Umwelt sehr positive Auswirkungen hatte. 1.4 Bilanz Die Gesamtbilanz des Hochwasserschutzprojekts «Urner Talboden» fällt heute aus ökologischer Sicht positiv aus. Es kann davon ausgegangen werden, dass die im Bereich Umwelt unternommenen grossen Anstrengungen mittel- und langfristig noch stärker positive Auswirkungen zeigen werden. Dank der geplanten Erfolgskontrolle

Bild 2. Rechtsufrige Aufweitung an der Stillen Reuss (Foto Duwaplan). «Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


ausgestatteten Gewässerraum zu realisieren. Der natürliche Geschiebetransport bleibt im Normalbetrieb erhalten. Nur nach sehr grossen Ereignissen mit Geschiebeaufstau in der Schächenschale oder sogar Geschiebeeintrag in den neuen Geschiebesammler wird Geschiebe künstlich abtransportiert werden müssen. Die ökologische Aufwertung von neuen oder geänderten Verbauungsmassnahmen wurde entlang der Stillen Reuss und der Reuss wo möglich umgesetzt. Am Schächen war der diesbezügliche Spielraum eher gering. Die Verbesserung von terrestrischer und aquatischer Vernetzung, speziell entlang von Schächen und Stiller Reuss, konnte nicht wie vorgesehen

umgesetzt werden. Die im Umweltbericht vorgeschlagenen Massnahmen konnten weitgehend umgesetzt werden. Die teilweise starken Auswirkungen auf die umliegenden Gebiete konnten so zwar nicht verhindert, aber stark reduziert und in der Regel auf ein vertretbares Mass gesenkt werden. Die ergänzend dazu erfolgte Information der Bevölkerung zu Art und Dauer der nächsten Bauetappen führten zu einer insgesamt hohen Akzeptanz der Unannehmlichkeiten in der Bevölkerung. Anschrift des Verfassers: Christoph Könitzer, Dipl. phil. nat. Geograph, Sigmaplan AG, Thunstrasse 91, CH-3006 Bern

Gestalterische Begleitung Pascal Sigrist

Im Rahmen unserer Arbeit innerhalb der Beratungsgruppe für Gestaltung (BGG) für ein einheitliches Erscheinungsbild und die Integration der neuen Bahnlinie AlpTransit Gotthard (ATG), von Altdorf bis Vezia vor Lugano, wurden wir vom Amt für Tiefbau des Kantons Uri beauftragt, auch einen Teil der Bauwerke des Hochwasserschutzprojekts «Urner Talboden» zu begleiten. Es wäre in der Tat unverständlich gewesen, zum Beispiel bei der Druckbrücke Schächenbach einen gestalterischen Mehrwert zu schaffen, ohne dessen Fortsetzungen bergaufwärts bis zum Geschiebesammler im RUAG-Areal und bergabwärts bis zur Mündung in die Reuss berücksichtigen zu können. Oder wie würden die Bahnbrücke Stille Reuss und die anschliessenden Stützmauern heute aussehen, wenn sie völlig unabhängig vom direkt anschliessenden Notentlastungskanal hätten geplant werden müssen? Eine gegenseitige respektvolle Bearbeitung aller Bauelemente in diesem engen Raum drängte sich förmlich auf. Auch wenn das Hochwasserschutzprojekt «Urner Talboden» sich über mehrere Kilometer zieht und viele Teilab-

schnitte umfasst, bestand von Anfang an der Wunsch der Bauherrschaft, dass es im Betriebszustand vom Erscheinungsbild her als Gesamtbauwerk wahrgenommen wird. Durch das Umsetzen eines einheitlichen, typologisch konsequenten Konzeptes der Landschafts- und Bauwerkgestaltung kommt dies dauerhaft zum Ausdruck. Es wurde Wert darauf gelegt, dass die einzelnen Bauwerke und Anlageteile eine Einheit bilden, indem ihre Querschnitte ineinander fliessen. Bei der konkreten Anwendung versuchte man in einem ersten Schritt jeweils, möglichst früh in der Projektierung sämtliche Anforderungen (Hochwasserschutz, Rohbau, örtliche Gegebenheiten, Umwelt, Sicherheit, Unterhalt usw.) an ein Bauwerk zusammenzutragen, damit dieses im fertigen Zustand nicht einfach als etappenweise Ansammlung von Problemlösungen in Erscheinung tritt. In einem zweiten Schritt wurde jedes einzelne Bauwerk in Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Ingenieuren und Spezialisten integral so bearbeitet, dass schlussendlich dessen Gestaltung bzw. dessen Form allen Bedürfnissen ausgewogen Rechnung trägt.

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Die Gestaltung wird nicht als nachträglich aufgetragenes dekoratives Element verstanden, sondern als Resultat einer interdisziplinären Zusammenarbeit, als präzise Antwort auf präzise Fragen. Ebenfalls im Sinne der gewünschten Homogenität ist die Materialisierung der Kunstbauten bewusst auf das nötige Minimum reduziert, hauptsächlich Beton, Material aus dem die tragenden Strukturen bestehen, und ein wenig Stahl. Im ganzen Bearbeitungsprozess, von der Neukonzipierung von Landschaftsteilen bis hin zur Bauwerkgestaltung, waren auch die unterschiedlichen Massstäbe, denen die Bauten gerecht werden müssen, von grosser Bedeutung, sei es der Massstab der Technik (Hochwasserschutz, Hydraulik), derjenige der Menschen in den Aufenthaltsbereichen oder derjenige der omnipräsenten Berge. Das Hochwasserschutzprojekt ist nicht einfach ein nötiges Übel als Konsequenz der Überschwemmungen von 2005, sondern wurde ebenfalls als Chance wahrgenommen, ganze Landschaften neu zu definieren und etwas mehr Ordnung in einer zum Teil zerstückelten und zersiedelten Umgebung zu schaffen. Das gebaute 53

HWS «Urner Talboden»

können diese bewertet und dokumentiert werden. Der Kanton hat ökologische und umweltrelevante Ziele definiert, die im Rahmen des «Hochwasserschutzprojekts Urner Talboden» zu realisieren waren. Gemessen an den sehr umfangreichen, viel zusätzlichen Raum in Anspruch nehmenden und komplexen baulichen Massnahmen und dem sehr dicht und vielfältig genutzten Raum im Projektperimeter konnten die hochgesteckten Ziele zu weiten Teilen erreicht werden. • Der Gewässerraum konnte vielerorts vergrössert werden. Eine ökologische Optimierung konnte nicht überall, aber vielerorts erreicht werden. Entlang des neuen Verlaufs der Stillen Reuss wurde die Chance genutzt, ein naturnahes Gerinne mit einem gewässergerecht


HWS «Urner Talboden»

Bild 1. Prinzipskizze zur Gesamtgestaltung im Raum Schächenmündung. Projekt ist das Resultat eines gelungenen Zusammenwirkens von Bauherrschaft, Ingenieuren aller Sparten und Architekten mit den Verantwortlichen der Realisierung. Ein Beispiel, das diese integrale Planung besonders gut illustriert, ist der Notenlastungskanal der «Stillen Reuss» und dessen Umgebung. Es waren dort drei Bauherren (Kanton, ATG und SBB) involviert, für die Planung des Rohbaus vier Ingenieurbüros und für die Umsetzung zwei Bauunternehmer. Es handelt sich um ein homogenes Gebilde, das beim Einlaufbauwerk beginnt, die Gleise unterquert, dann parallel zu diesen verläuft, unter dem Schächenbach durchführt und erst beim Auslauf an der Attinghauserstrasse endet, das Ganze auf über 710 Metern Länge, unterteilt in drei Lose. Auf der Ostseite befinden sich jeweils die linearen und schlichten Geometrien der Kunstbauten und auf der Westseite die renaturierte Landschaft der

«Stillen Reuss», deren wellenförmige Böschungen sich an die Betonwand des Notentlastungskanals anschmiegen, immer mit den beeindruckenden Bergkulissen im Hintergrund, allen voran derjenigen des Bristens. Jetzt, wo alles fertiggestellt ist, verschmelzen die zahlreichen Grenzen zwischen den Abschnitten des Hochwasserschutzes und der Bahn, selbst für den genauen Betrachter kaum erkennbar. Durch ihre unmittelbare Nähe hatten die Objekte von AlpTransit Gotthard von der Formensprache her zwangsläufig einen gewissen Einfluss auf Teile des Hochwasserschutzprojekts im «Urner Talboden». Andererseits widerspiegelt sich die Arbeit an einigen Abschnitten des Hochwasserschutzes in der späteren Entwicklung von Kunstbauten mit gleicher Funktion entlang des neuen Bahntrassees im Tessin. Es ist also nicht überraschend, Elemente aus den sagenumwobenen

Landschaften von Uri, die Goethe, Schiller, Liszt, Wagner und so viele andere inspirierten, auf der anderen Seite des Gotthards wiederzuerkennen, sei es im Raum Biasca oder Camorino, an Bauwerken, unter denen Wasser Richtung Süden fliesst, weit in die Ferne, in das Land wo die Zitronen blühn. Auch wenn ortsbezogen geplant, tief verankert in die lokalen Gegebenheiten, gehört das Hochwasserschutzprojekt gleichzeitig ein wenig zu den einheitlichen Bauten entlang der Hochgeschwindigkeitslinie der Bahn durch den Gotthard, wie eine Perle einer homogenen Kette, und trägt somit in einem gewissen Mass dazu bei, die Nordsee und das Mittelmeer etwas näher zusammenrücken zu lassen. Anschrift des Verfassers: Pascal Sigrist, dipl. Architekt ETH, Feddersen & Klostermann, Städtebau, Architektur, Landschaft, CH-8001 Zürich

Bollwerke gegen Reuss und Schächen Werner Bachmann, Rolf Stärk

Die von Schächen und Reuss bedrohte Ebene von Schattdorf wird von der «Stillen Reuss» entwässert, die, wie es der Name sagt, als «stilles» Gewässer den Charakter eines Talvorfluters hat. Auch im Ereignisfall muss ein sicherer Abfluss gewährleistet werden, was in den Jahren 1977 und 2005 nicht der Fall war. Bei einer Überflutung der Talebene zwischen Erstfeld und Schattdorf durch die Reuss bildet der Damm der NEAT die 54

Verteidigungslinie (siehe «Beherrschung Überlastfall und Überflutungsmodellierung»). Doch es gibt in diesem Dispositiv einen grossen Schwachpunkt, denn die «Stille Reuss» muss, um in die Reuss zu gelangen, den Bahndamm queren. Die Lösung besteht im Notentlastungskanal und einem Tor an der SBB-Brücke über die Stille Reuss. Dieser Torverschluss leitet einerseits das Wasser der Stillen Reuss in den Notentlastungskanal und gleichzeitig

verhindert er, dass übergelaufenes Reusswasser durch das Bachbett der «Stillen Reuss» ins Schattdorfer Industriegebiet dringt. 1.

Durchlass «Stille Reuss» unter Schächen Der alte Durchlass der Stillen Reuss unter dem Schächenbach aus dem Jahre 1910 bestand aus einem Bogentragwerk von 9.5 m Spannweite aus unbewehrtem Beton

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HWS «Urner Talboden»

Bild 1. Erstellen der Bohrpfähle im Schächen.

Bild 2. Bauzustand mit Stahlwand für Wasserhaltung, in der Mitte noch sichtbar der alte abzubrechende Bogendurchlass.

Bild 3. Ansicht neuer Durchlass Stille Reuss unter dem Schächen hindurch. mit massiven Betonwiderlagern. Der neue Durchlass weist eine zweifeldrige Betonplatte mit gleichmässigen Spannweiten von 2 × 13.25 m auf. Die Dicke der Platte beträgt im Feld 0.90 m und 1.40 m über der Mittelabstützung. Die beiden Seitenwände werden durch eine 1.25 m dicke, überschnittene Bohrpfahlwand gebildet. Die Mittelabstützung erfolgt analog. Die angeschnittenen Füllpfähle sind unbewehrt und reichen ca. 1.0 m unter die Sohle der «Stillen Reuss». Die bewehrten Pfähle sind entsprechend den vertikalen Lasten tiefer im Schächenschotter eingebunden und fundiert. Die Betondecke ist schlaff bewehrt und verläuft parallel zur Schächensohle. Die Brückenplatte wurde auf eine Erdauflast von 5 m Aufschüttung mit zusätzlicher Nutzlast von 15 kN/m2 ausgelegt. Der Notentlastungskanal wurde ohne tragende Funktion der Decke im östlichen Feld des Durchlasses nachträglich eingebaut. Der Bau der neuen Unterführung für die «Stille Reuss» unter dem Schächen war anspruchsvoll und mit gewissen Risiken verbunden und konnte nur in Etappen jeweils im Winter ausgeführt werden. Für das Winterhalbjahr wurde die Wasserhaltung entsprechend einem 100-jährigen Ereignis auf 60 m3/s ausgelegt; am 10. Oktober 2011 kamen aber 63 m3/s, die zum

Bild 4. Skizzen (oben) und Foto des Hydraulischen Notverschlusses unter SBB-Brücke Stille Reuss.

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Glück schadlos abflossen. Der Schächen wurde jeweils auf eine Seite umgeleitet, sodass auf der frei werdenden Uferseite die Bohrpfähle (insgesamt 112) abgeteuft, das alte Gewölbe abgebrochen und die neue Decke betoniert werden konnte. Der Durchlass wurde in Deckelbauweise in drei Etappen erstellt. In der 1. Etappe wurden die Bohrpfähle ab temporären Schüttungen durch die Schächensohle hindurch abgeteuft und betoniert. In der 2. und 3. Etappe wurde die Deckenplatte betoniert. Der Aushub für die Unterführung erfolgte unter der fertigen Decke. Im Sommerhalbjahr wurden keinerlei Einschränkungen der Durchflussmenge des Schächens akzeptiert und deshalb auch keine Arbeiten im Bereich des Schächens ausgeführt. 2.

Notverschluss an der Stillen Reuss Der Notverschluss ist zweiteilig. Der erste Teil besteht aus einer an der Decke aufgehängten Stahlklappe. Um den Anpressdruck bei Hochwasser zu erhöhen, ist die

Torwand um 5 Grad aus der Vertikalen geneigt. Es kann aber auch passieren, dass auf der «falschen», d.h. der Schattdorfer Seite der Wasserstand höher ist. In solchen Fällen kann das Wasser durch zwei Rückschlagklappen im Tor durchfliessen, ohne den Verschluss zu öffnen. Die Klappe ist an der Decke mechanisch gesichert. Beim Absenken muss die Verriegelung gelöst und das Ventil am Hydraulikapparat geöffnet werden. Die Klappe wird mit einem Seilzug durch das Eigengewicht in ca. 10 Minuten abgesenkt. Das Öffnen der Klappe erfolgt hydraulisch mit der eingebauten Elektropumpe. Der zweite Teil des Verschlusses versperrt den seitlichen Geh- und Radweg. Hier ist ein Flügeltor eingebaut, das ebenfalls hydraulisch betätigt wird. Das Tor wurde in vier Teilen angeliefert, vor Ort zusammengesetzt und montiert. Die grösste Herausforderung waren die Bohrungen für die Schubdübel an der vorgespannten SBB-Brücke. Dazu waren umfangreiche statische Nachweise und

die schriftliche Genehmigung des Bundesamtes für Verkehr notwendig. Es musste peinlich darauf geachtet werden, dass die Vorspannkabel nicht verletzt werden. Die Bohrlöcher wurden von Spezialisten mittels Bauwerk-Scanning angezeichnet und anschliessend mit einer Kleinbohrung von 10 mm sondiert, bevor sie mit einer Diamantkernbohrung von 180 mm Durchmesser ausgeweitet wurden. Technische Daten zum Notverschluss: Torgewicht ca. 22 t Torlänge 11.90 m Torhöhe 5m Stauhöhe Seite Reuss 454.05 m ü. M. Minimaler Wasserspiegel Seite Ost 449.00 m ü. M. Wasserspiegeldifferenz 5.65 m Adresse der Verfasser: Werner Bachmann, Dipl. Bauingenieur FH, Synaxis AG, Marktgasse 4, CH-6460 Altdorf Rolf Stärk, Dipl. Bauingenieur ETH, Synaxis AG, Marktgasse 4, CH-6460 Altdorf

Das Projekt wird Realität, Bauausführung Peter Gisler

Die Planung, Bewilligung und Vorbereitung eines grossen Bauvorhabens dauert relativ lange, aus dem Blickwinkel der Verantwortlichen zu lange. Der Gedanke: «Schaffen wir es bis zum nächsten Hochwasser?», ist permanent im Hinterkopf. Eine gute Prioritätenordnung kann helfen, die kritische Phase zu verkürzen. Die erste Priorität lag deshalb beim Schächen, sowohl bei der Reduktion des Geschiebeanfalls auf der Strecke zwischen dem Geschiebesammler Stiglisbrücke und der Schächenbrücke in Schattdorf (Los A) als auch bei der Schaffung von zusätzlichem Auffangvolumen (Los B). In die gleiche Kategorie gehört die bessere Sicherung der «Stillen Reuss» bei der Querung mit dem Schächen (Los C). Die Massnahmen an der «Stillen Reuss» in Schattdorf und an der Reuss wurden in der zweiten Bauhälfte realisiert. 56

1.

Aufsplittung in Teilprojekte und Baulose Neben den soeben beschriebenen Prioritäten wurde nach Möglichkeit darauf geschaut, auch umfangmässig kleinere Baulose (≤ 8 Mio. Franken) auszuscheiden, sodass kleinere und mittlere Bauunternehmungen aus der näheren Umgebung eine Chance haben, Aufträge zu erhalten. Los A: Stiglisbrücke-Gotthardstrasse • Sohlschwellen im Schächen • Brüstungsmauer längs Klausenstrasse beim Kraftwerk Bürglen • Verstärkung Ufermauern, Fugensanierung Los B: Abschnitt RUAG • Geschiebesammler in RUAG Areal (B1) • Sekundärdamm längs Schächenwaldstrasse (B1) • Erhöhung linkes Schächenufer (B2)

Los C: Durchlass Stille Reuss unter Schächen • Abbruch alter Durchlass • Neuer, erweiterter Durchlass Los D: Verlegung und Verlängerung «Stille Reuss» inkl. Strassenverlegung • Neue Einmündung «Stille Reuss» in Reuss • Verlegung «Stille Reuss» • Verlegung Industriestrasse und neuer Kreisel • Neubau Attinghauserstrasse ab SBB Unterführung Wysshus • Teil Notentlastungskanal • Anpassung Reussbrücke Attinghausen Los E: Massnahmen «Stille Reuss» (Schattdorf) • Aufweitung «Stille Reuss» zwischen SBB-Brücke «Stille Reuss» und Schächen (E1) • Notentlastungskanal längs NEAT (E1)

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Instandsetzung Strassenbrücke «Stille Reuss» und Einlass Bauwerk Notentlastungskanal (E2) • Schutzdamm Rad- und Gehweg längs «Stille Reuss» in Schattdorf (E3) Los F: Massnahmen an der Reuss • Bereich Schächenmündung, rechte Reussseite (F1) • Reussdämme Schächen-Autobahnzubringer Erstfeld (F1) • Schutzmassnahmen wie Torverschlüsse an Riedstrasse und SBB-Brücke «Stille-Reuss» (F2) • Erhöhung Reussdamm linke Seite Attinghausen-Palanggenbach (F3) Los G: Ökologische Ausgleichsmassnahmen • Renaturierung Polenschachen in Erstfeld • Renaturierung Schützenschachen in Silenen Los NS 2A: Dritte Entlastungsanlage und überströmbarer Damm Das Vorhaben «Hochwasserschutz Urner Talboden» erstreckt sich über eine Zeitdauer von sieben Jahren und besteht aus 22 Massnahmen. Zwei besonders markante werden im Artikel «Bollwerke gegen die Reuss» eigens beschrieben, darauf sei verwiesen. Über das Geschehen auf einigen weiteren Baustellen geben die nachfolgenden Ausführungen Auskunft. Anpassen bestehender Geschiebesammler Wie in den Artikeln von S. Flury und M. Jäggi beschrieben, konnte der Geschiebesammler Stiglisbrücke in Bürglen das Geschiebe beim Hochwasser 2005 nur ungenügend zurückhalten. Deshalb wurde in einer vorgezogenen Massnahme die Öffnung in der Betonsperre mit einem beweglichen Schütz aus Stahl nachgerüstet. Vorgängig musste die Sohlenpflästerung in der Grundablassöffnung auf das Niveau der Einlaufschwelle erhöht werden. Die Grundablassöffnung von 4.50 m Breite und 2.25 m Höhe kann künftig je nach Geschiebeverhältnissen im Unterlauf auch während Hochwasserereignissen geschlossen oder stärker geöffnet werden. Das hydraulische Verschlussorgan ist mit einem Notstromaggregat abgesichert.

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Bild 1. Grafik Aufteilung der Baulose.

2.

3. Neuer Geschiebesammler Eine augenfällige Baustelle war der Bau des neuen Geschiebesammlers im Areal der RUAG (Los B). Begonnen wurde mit der Rodung des Waldes im Bereich des Sammlers und für den Sekundärdamm auf der ganzen Länge der Schächenwaldstrasse, ein Eingriff, der vorübergehend markant

Bild 2. Schütz-Geschiebesammler Stiglisbrücke. wahrgenommen wurde. Parallel mit den Arbeiten am Sammler realisierte die AlpTransit Gotthard AG (ATG) die Druckbrücke über den Schächen, die sowohl die Eisenbahnlinie als auch die Kantonsstrasse und die interne RUAG-Strasse umfasst. Im Überlastfall wird Wasser aus dem Sammler über das Strassennetz durch die SBBUnterführung Wysshus via Industriestrasse dem See zugeleitet. 4.

Verlängerung der Stillen Reuss Die Tätigkeiten im Bereich der Attinghauser Reussbrücke im Los D waren primär durch die Änderung des Laufs der «Stillen

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Reuss» im Nordabschnitt und durch die neue SBB-Wysshus-Unterführung, die auf der Westseite ans Strassennetz angeschlossen werden musste, geprägt. Es galt, die Mündung der «Stillen Reuss» wieder dorthin zu legen, wo sie vor dem Bau der Autobahn lag. Dazu musste auf der Ostseite der A2 ein neues Bachbett ausgehoben und vorerst die Industriestrasse verschoben werden, was wiederum Eingriffe auf dem Gelände der Armee und der Firma Merck mit sich brachte. Gewässerund Strassenbau waren eng verflochten und voneinander abhängig; deshalb wurde beides in ein Los zusammengefasst. Die Stille Reuss präsentiert sich heute als na57


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Bilder 3a und 3b. Neuer Geschiebesammler mit 80 000–90 000 m3 Fassungsvermögen.

Bilder 4a und 4b. Verlängerte und renaturierte Stille Reuss.

Bilder 5a und 5b. Notentlastungskanal und Aufweitung Engnis «Stille Reuss». turnahes Gewässer, und Industrie- und Attinghauserstrasse sind mit einem grosszügig bemessenen Kreisel verbunden. Ein wichtiger Meilenstein für das neue Verkehrskonzept im unteren Reusstal war die Eröffnung der neuen Strassenverbindung am 28. September 2012. 5.

Notentlastungskanal für die Stille Reuss Wegen den engen Platzverhältnissen zwischen der neuen ATG-Brücke über die «Stille Reuss» und dem Schächen wurde der Notentlastungskanal in das Bauwerk der ATG integriert (Los E1). Aus praktischen Gründen wurde der Kanal zusam58

men mit der Stützmauer durch die ATG erstellt (Frühling 2011 bis Herbst 2012). Das Gewässer selber wurde zwischen 2013 und Juni 2014 ausgeweitet; während dieser Zeit floss die «Stille Reuss» durch den Notentlastungskanal.

Dies hatte eine Anpassung der Planung und zusätzlichen Landerwerb zur Folge, was zu Verzögerungen führte. Die neue, attraktive Verbindung für den Langsamverkehr konnte am 10. November 2014 eröffnet werden.

6. Stille Reuss in Schattdorf Das Schattdorfer Industriegebiet wird nicht nur von Reuss und Schächen bedroht, es muss auch gegen eine allfällige Überschwemmung seitens der «Stillen Reuss» geschützt werden. Dazu war eine Schutzmauer auf der Ostseite des Gewässers vorgesehen. Nachträglich wurde sie mit einem Rad- und Gehweg kombiniert.

7. Umbau Schächenmündung Die alte Schächenmündung (Los F1) war nicht optimal an die Reuss angeschlossen. Neu ist sie abgewinkelt und dadurch strömungsgünstiger gestaltet. Die Sohlenpflästerung im Schächen wurde erneuert und die Ufer um 1.5 m erhöht. Ausserdem wurde die Schächenschale gegen die Reuss hin mit einer Spundwand

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Bild 7. Bereich Schächenmündung, Anschluss Schächen an die Reuss.

Bild 8. Reussdamm Attinghausen–Erstfeld.

Bild 9. Erhöhter Reussdamm bei Attinghausen.

längs der Reuss gesichert, damit keine Rückwärtserosion an den Bauwerken des Schächens stattfinden kann. Nördlich der Attinghauser-Brücke bis zur ehemaligen Einmündung der «Stillen Reuss» musste das rechte Reussufer leicht erhöht und die Fundation des Pfeilers der Attinghauser-Brücke gegen Erosion zusätzlich geschützt werden.

Schattdorf – wie 1910, 1977 und 2005 passiert – verhindert werden. Als Folge davon wird das Retentionsvolumen der Ebene zwischen Erstfeld und Schattorf reduziert und der Spitzenabfluss der Reuss im Unterlauf erhöht. Als Gegenmassnahme wurde der linke Reussdamm zwischen der Attinghauser-Brücke und dem Palanggenbach erhöht (Los F3).

8.

10. Koordination mit der NEAT Im Bereich der Schächenmündung verläuft die Bahn sehr nahe an den Gewässern, weshalb sich bereits früher Konflikte ergaben. Der Bau der neuen Linie verstärkt diese Problematik. Einerseits geht es darum, die NEAT vor Reuss und Schächen zu schützen, und andererseits muss dafür gesorgt werden, dass die neuen Bauwerke der ATG nicht die Situation verschlechtern. In der Planung und Ausführung war die Koordination zwischen den beiden Projekten ein Gebot der Stunde. Die Lösungen mussten teils hart errungen werden. Zu erwähnen sind etwa die Brücken über den Schächen. Früher querten hier drei Fachwerkbrücken der Bahn, eine Strassenbrücke des Kantons und eine Fachwerkbrücke der RUAG unmittelbar hintereinander den Schächen. Zwischen Kanton und ATG war Linienführung und

Reussdamm südlich Attinghausen Das Bauprojekt für den rechten Reussdamm von der Schächenmündung bis zur Autobahnauffahrt Erstfeld (ebenfalls Los F1), der auf gewissen Bereichen bei Überlast überströmt werden darf, wurde vollständig überarbeitet. Auf den ursprünglich vorgesehenen Betonkern im Reussdamm wurde verzichtet. Stattdessen wurde der Damm auf einzelnen Abschnitten mit einem neuen wasserseitigen Steinsatz und nahezu durchgehend mit einer Vorgrundsicherung stabilisiert. Das Bauende ist im Juni 2016 vorgesehen. 9.

Reussdamm nördlich Attinghausen Wie erwähnt, soll als Hauptziel des Hochwasserschutzprojekts «Urner Talboden» eine erneute Überflutung der Ebene von

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Höhenlage der NEAT zwischen Erstfeld und Altdorf jahrelang umstritten. Erst die Idee einer gemeinsamen Druckbrücke, die von der NEAT-Projektkommission vorgeschlagen wurde, brachte die Lösung. Doch vorerst mussten umfangreiche Modellversuche die Machbarkeit eines solchen Bauwerks beweisen. Lange gerungen wurde auch über die neue Unterführung Wysshus resp. darüber, wer die Kosten zu tragen hat. Ursprünglich sollte zulasten des NEAT Kredits nur die alte Unterführung Walter Fürst angepasst werden. Heute präsentiert sich die neue Unterführung als Meilenstein für das regionale Verkehrskonzept; sie ist übrigens die einzige Querung der Bahn zwischen der Nationalstrassen-Unterführung in Flüelen und dem A2-Zubringer in Erstfeld, die ohne Einschränkung befahrbar ist. Gleichzeitig erlaubt die neue Unterführung, im Überlastfall Schächenwasser abzuleiten, ohne den Bahnhof Altdorf zu überschwemmen. Zwischen Kanton und ATG entwickelte sich bei der Ausführung eine gute Koordination und Zusammenarbeit. Im Auftrag des Kantons baute beispielsweise ATG einen grossen Teil des Notentlastungskanals für die «Stille Reuss». Andererseits realisierte der Kanton den 59

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Bild 6. Schutzmauer mit Rad- und Gehweg.


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höhten Abflusses im Schächen im Oktober 2011 waren die Bauarbeiten durchwegs von guten Witterungsbedingungen begleitet. Ein weiterer wichtiger Aspekt war, dass keine Verzögerungen durch Einsprachen gegen die jeweiligen Arbeitsvergaben erfolgten. Einzige Ausnahme bildete eine Beschwerde gegen eine grosse Blocklieferung im Herbst 2014, die jedoch nach zwei Monaten vom Obergericht abgewiesen wurde. Dadurch konnten die geplanten Arbeiten in der Reuss trotzdem noch in der erforderlichen Niederwasserperiode ausgeführt werden. Eine zweite kleine Terminanpassung war bei den Schutzmassnahmen Stille Reuss in Schattdorf notwendig, weil als Folge der Projektänderung mit dem zusätzlichen Geh- und Radweg ein zusätzlicher Landerwerb erforderlich wurde. Diese Arbeiten begannen rund fünf Monate später als ursprünglich geplant.

Bild 10. Wysshus Unterführung.

13. Kosten Der Kostenvoranschlag rechnete mit Gesamtkosten von CHF 75 000 000.– für den Hochwasserschutz und CHF 5 045 000.– für Strassenanpassungen an Industrie- und Attinghauserstrasse, also insgesamt CHF 80 045 000.–. Die voraussichtlichen Endkosten betragen rund CHF 74 700 000.–. Die Minderkosten von CHF 5 300 000.– sind auf konjunkturbedingt günstigere Arbeitsvergaben und Optimierungen in der Detailplanung bzw. Bauausführung zurückzuführen. Dem Kanton Uri verbleiben nach Abzug von rund CHF 59 000 000.– Beiträgen des Bundes, der Nationalstrasse, den «besonders bevorteilten Dritten» SBB und VBS Restkosten von rund CHF 16 000 000.– resp. rund 21 %.

Bild 11. Terminprogramm. Strassenanschluss zur Wysshus-Unterführung auf der Westseite. 11. Koordination mit der Strasse Auch mit der Nationalstrasse wurde intensiv verhandelt. Zu erwähnen ist die «Stille Reuss», deren Lauf beim seinerzeitigen Bau der Nationalstrasse aus Kostengründen um 300 m verkürzt wurde, was sich als nachteilig erwies. Wie oben erwähnt, wurde, hydraulisch gesehen, der alte Zustand wiederhergestellt und gleichzeitig das Gewässer aufgewertet. Diese Kosten übernahm die Nationalstrasse aufgrund des Verursacherprinzips. Der neue Bach60

durchlass unter der A2 bei der neuen Einmündung der Stillen Reuss in die Reuss wurde von der Nationalstrasse im Rahmen des Sanierungsprojekts direkt erstellt. Gleichzeitig mit dem Wasserbau wurden zwei Vorhaben der Kantonsstrasse realisiert. Einerseits ist es die neue Strassenführung von Industrie- und Attinghauserstrasse und andererseits der neue Gehund Radweg entlang der «Stillen Reuss».

14. Verschiedenes Ein eigens für das Vorhaben Hochwasserschutzprojekt «Urner Talboden» erarbeitetes Projekthandbuch regelt die Abläufe und Kompetenzen. Ergänzt wird dieses Dokument durch das «Beschaffungskonzept für die Ingenieurleistungen der Ausführungsphase». Weiter ist zu erwähnen, dass über alle Baulose Unterhalts- und Pflegepläne erstellt sowie Erfolgskontrollen (Monitoring) durchgeführt wurden. Letztere wurde im Rahmen der Umweltbaubegleitung (UBB) laufend dokumentiert. Adresse des Verfassers:

12. Termine Die beim Start zum Ausführungsprojekt gesteckten Termine konnten sehr gut eingehalten werden. Mit Ausnahme eines er-

Peter Gisler, Dipl. Bau-/Wirtschaftstechniker FH, Gesamtprojektleiter, Amt für Tiefbau des Kantons Uri, Klausenstrasse 2, CH-6460 Altdorf

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Fritz Epp, Ernst Philipp

1. Mobile Massnahmen Ausgelöst durch die extremen Hochwasserereignisse im Kanton Uri von 1977, 1987 und 2005, wurden laufend Schutzprojekte umgesetzt. Damit wurde die Sicherheit gegen Hochwasser massiv verbessert. Neben permanenten sind aber auch zahlreiche mobile Hochwasserschutzmassnahmen umgesetzt worden. Zum Einsatz kommen dabei mobile Elemente wie beispielsweise Alu-Dammbalken oder ablegbare Geländer, welche über beziehungsweise entlang von Strassen, Bahnen und Gebäuden etc. eingesetzt werden können. An wenigen Stellen ist der Einbau von Beaver-Schläuchen vorgesehen. Gemäss Wasserbaugesetz ist der Kanton Uri für den Hochwasserschutz, den Gewässerunterhalt und die Prävention an allen öffentlichen Gewässern zuständig. Im Bereich Prävention geht es dabei um die Notfallplanung, welche im zuständigen Amt für Tiefbau in der Baudirektion umgesetzt wird. Die organisatorischen Massnahmen wurden nach dem Hochwasser 2005 durch die kantonale Fachstelle systematisch aufbereitet, eingeübt und die Unterlagen den lokalen Interventionskräften mit den nötigen Instruktionen übergeben. Der Ersteinsatz im Ereignisfall erfolgt durch die Einsatzkräfte der Gemeinden. Wichtige Erkenntnisse aus dem Ereignis 2005 sind eine gute Vorbereitung in der Notfallplanung, klar geregelte Abläufe zur Bewältigung und das Kennen der verantwortlichen Personen in den Notfallorganisationen. Der Kanton Uri hat die Abläufe nach dem Fünfstufenprinzip des Bundes angepasst und dies kantonal auf allen Ebenen kommuniziert und geschult. Für die Feuerwehreinsätze zur Beobachtung und Intervention wurden spezifische Dokumente erstellt. Die laufende Aktualisierung dieser Dokumente wie auch die Wartung und der Ersatz der mobilen Hochwasserschutzelemente ist eine Daueraufgabe und liegt bei der Abteilung Wasserbau im Amt für Tiefbau. An regelmässigen Übungen mit den örtlichen Ein-

satzkräften hat sich die Schulung etabliert. Im Weiteren gibt es in der Abteilung Wasserbau im Bereich Hochwasserschutz ein Jahres-Pikett. Damit wird sichergestellt, dass zu jeder Zeit eine Fachpersonen für Fragen und Informationen erreichbar ist.

2. Videokonzept Als Bestandteil von Hochwasserschutzprojekten wurden seit 2002 diverse Notfallkonzepte erstellt. Diese bedingen eine frühzeitige Warnung und Alarmierung der zuständigen Einsatzkräfte. Zur Überwa-

Bild 1. Einbau mobiler Dammbalkenelemente.

Bild 2. Material, in Kisten vor Ort gelagert.

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HWS «Urner Talboden»

Verbesserte Zusammenarbeit mit Notfallorganisationen


HWS «Urner Talboden» Bild 3. Einbau Beaver-Schläuche.

Bild 5. Beleuchtung und Elektroinstallationen. Beleuchtungen installiert. Diese sind über das Internet mit dem SeeTec-System verbunden und können über den vorhandenen Fernzugriff direkt ab PC oder Smartphone aufgeschaltet werden. 3. Fazit Die installierten Überwachungskameras sind eine grosse Arbeits- und Aufwandserleichterung für die Mitarbeitenden der Abteilung Wasserbau wie auch für die involvierten Einsatzkräfte. Damit können sich anbahnende Gefahren frühzeitig erkannt und präventive Massnahmen zum Schutz der Siedlungen und Infrastrukturanlagen rechtzeitig eingeleitet werden.

Bild 4. Übersicht der 16 Überwachungskameras.

Adresse der Verfasser: Ernst Philipp, Dipl. Bauingenieur FH, Abtei-

chung von aktuellen Hochwasserabflüssen (nebst den Abflussdaten von Bund und Kanton) wurden deshalb ab 2011 an strategisch ausgewählten Standorten Überwachungskameras installiert. Mit den heute 16 Überwachungskameras können

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die aktuellen Abflüsse online überwacht werden, ohne dass Personal vom Amt für Tiefbau oder Drittpersonen vor Ort sein müssen. Zusätzlich zu den Überwachungskameras wurden an jedem Standort feste

lungsleiter Wasserbau, Amt für Tiefbau des Kantons Uri, Klausenstrasse 2, CH-6460 Altdorf Fritz Epp, Dipl. Bautechniker HF, Sektionsleiter Gewässerunterhalt, Amt für Tiefbau des Kantons Uri, Klausenstrasse 2, CH-6460 Altdorf

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Erfolgskontrolle einer Bachrevitalisierung im urbanen Raum – das Beispiel Chriesbach Eike von Lindern, Mario Schirmer, Thomas Lichtensteiger, Andri Bryner, Robert Tobias

Zusammenfassung Im urbanen Gebiet zwischen den Zürcher Gemeinden Dübendorf und Wallisellen wurde der in den 70er-Jahren kanalisierte Chriesbach in exemplarischer Form revitalisiert. Ziel war es, nicht nur für die Natur, sondern auch für die Menschen einen Mehrwert zu schaffen. Das Erreichen dieser Ziele wurde wissenschaftlich evaluiert, wobei in diesem Artikel der Fokus auf der Wirkung der Revitalisierung auf die Anwohnenden liegt. Eine repräsentative Stichprobe von Anwohnenden wurde sowohl vor als auch nach den Baumassnahmen befragt. Neben direkten Fragen z.B. nach der Zufriedenheit wurden auch aus umweltpsychologischen Theorien abgeleitete Grössen erhoben, um Auswirkungen für die Anwohnenden einzuschätzen. Die Resultate zeigen, dass die Anwohnenden nach der Revitalisierung mit verschiedenen Aspekten des Bachs zufriedener sind und sich stärker positiv mit dem Bach verbunden fühlen. Sie nehmen ihn als Ort wahr, der die Erholung fördert, und sie fühlen sich nach einem Aufenthalt am Bach auch erholter. Aus genaueren Analysen geht aber auch hervor, dass Veränderungen an sich negative Wirkungen haben können, auch wenn es sich um Veränderungen zum Guten handelt. Diese Studie zeigt exemplarisch das Potenzial und die Notwendigkeit, Gewässerrevitalisierungen auch sozialwissenschaftlich zu begleiten.

1.

Das Projekt Chriesbach und die Erfolgskontrolle von Eawag und Kanton Im urbanen Entwicklungsgebiet der Glattalbahn entstand in den Gemeinden Dübendorf und Wallisellen über die Jahre 2010 –2014 ein exemplarischer Revitalisierungsabschnitt. Das Projekt wurde 2002 vom Wasserforschungsinstitut Eawag vorgeschlagen und unter Leitung der Abteilung Wasserbau des Zürcher Amtes für Abfall, Wasser, Energie und Luft, AWEL, zusammen mit der Eawag umgesetzt. Weitere Partner waren die Stadt Dübendorf, der naturemade star-Fonds des ewz und die an den Bach angrenzende, ehemalige Nähseiden-Zwirnerei Zwicky AG. Im Zuge des Autobahnbaus Ende der 1970erJahre wurde der ehemals mäandrierende Sumpfbach zum Schutz vor Hochwasser in grossem Stil abgesenkt und verbaut. Diese Massnahme war wirksam und ist geblieben. Mit der Revitalisierung wurde dem Bach aber durch bauliche Eingriffe Struktur zurückgebracht (Bild 1). Mitten im urbanen Raum soll die Revitalisierung des Chriesbachs beispielhaft die Möglichkeiten einer Aufwertung

zeigen und die erneute Strukturvielfalt für die Öffentlichkeit und für Forschung und Lehre zugänglich machen. Startanlass war ein Eröffnungsfest am 16. und 17. Mai 2014 (Bild 2). Der revitalisierte Abschnitt ist gut 900 Meter lang, wobei 300 Meter durch das Gelände von Eawag und Empa

Bild 1. Mit der Revitalisierung sind nicht nur die Uferlinien vielfältiger geworden, sondern auch Fliessgeschwindigkeiten und Wassertiefen (hier schematisch dargestellt). fliessen. Die Zugänglichkeit ist insbesondere im Bereich der Eawag gegeben. Dort

Bild 2. Einweihung des revitalisierten Abschnitts für die Bevölkerung mit einem Entenrennen. (© Andres Jordi, Eawag).

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ist ein Freiluftlabor entstanden (Bild 3). Weiter unten, kurz vor der Mündung in die Glatt, nimmt der Verkehrslärm zu. In diesem für Freizeitaktivitäten weniger attraktiven Abschnitt wurde ein Bereich geschaffen, der weniger zugänglich für die Bevölkerung ist und sich vorwiegend aus Distanz beobachten lässt. Sowohl für die Eawag als auch für den Kanton ist bei der Revitalisierung die Erfolgskontrolle ein wesentliches Anliegen. Dabei wird nach dem Handbuch des Rhone-Thur-Projekts für die Erfolgskontrolle bei Fliessgewässerrevitalisierungen (Woolsey et al., 2005), an dem die Eawag stark beteiligt war, vorgegangen. Zusätzlich werden verschiedene Aspekte durch Forschungsprojekte vertieft. Von besonderer Bedeutung im urbanen Raum ist dabei die sozialwissenschaftliche Analyse des Erfolgs. Eine solche Studie für den Chriesbach wurde durch das AWEL finanziert. Sie wurde in ihrer ersten Phase kürzlich abgeschlossen und wird hier vorgestellt. Stellvertretend für die weiteren Erfolgskontrollen und laufenden Studien ist im Kasten zur Hydrogeologie der untersuchte Austausch zwischen Grund- und Bachwasser dargelegt. 2.

Psychologische Wirkungen von Gewässerrevitalisierungen Bei der Revitalisierung von Fliessgewässern stehen meist ökologische und ökonomische Faktoren im Vordergrund – das heisst vor allem Aspekte der Biodiversität und des Hochwasserschutzes. Die Vernachlässigung der sozialen Dimension ist aber in zweierlei Hinsicht problematisch. Einerseits können Revitalisierungen auch einen Mehrwert für die Menschen schaffen, womit rein ökologisch und ökonomisch begründete Massnahmen eigentlich unter ihrem wahren Wert verkauft werden. An-

Hydrogeologische Erfolgskontrolle der Revitalisierung Neben sichtbaren Veränderungen gibt es bei Revitalisierungen auch unsichtbare, wie zum Beispiel die Wechselwirkungen zwischen dem Fliessgewässer und dem Grundwasser. Die sichtbaren Veränderungen an der Oberfläche können oft Jahre oder Jahrzehnte in Anspruch nehmen, bis sich wieder ein neues Gleichgewicht eingestellt hat (z. B. die langsame Adaptation von Flora und Fauna). Wir haben versucht, auch die kurzfristigen Änderungen im Untergrund und speziell des Grundwassers zu untersuchen. Um die Verhältnisse vor und nach der Revitalisierung zu vergleichen, haben wir vor der Revitalisierung bereits fünf Piezometer in Flussnähe gesetzt, welche Wasserspiegel, Temperatur und elektrische Leitfähigkeit kontinuierlich messen. Nach der Revitalisierung wurde zusätzlich ein Glasfaserkabel (Bild 4) mittels eines speziellen Pflugs in ungefähr 40 cm Tiefe in das Flussbett verlegt. Das Kabel kann zur Temperaturmessung verwendet werden. Vereinfacht gesagt, werden Photonen, also Lichtteilchen, in das Glasfaserkabel geschossen. Ein kleiner Teil der hineingeschickten Lichtteilchen stösst im Glasfaserkabel an und wird zum Kabelanfang zurückgeschickt. Das Sende- und Empfangsgerät zeichnet dann auf, wann und mit welcher Energie diese Lichtteilchen wieder zurückkommen. Dieser Vorgang wird pro Messung viele Millionen Male gemacht. Das Gerät ermittelt aus der Zeit, die das Lichtteilchen im Kabel war, die Stelle, von der es kam und bestimmt aus dessen Energie die Temperatur an dieser Stelle. So kann man entlang kilometerlanger Kabel die Temperatur in jedem Meter des Kabels messen. Die Methode heisst «Distributed Temperature Sensing» oder kurz DTS (siehe auch Eawag Newsletter 02/2015). Bei dieser Methode der passiven Temperaturmessung kann auf die Fliessverhältnisse im Flussbett geschlossen werden. Im Sommer bedeutet eine Abkühlung in der Regel, dass kühles Grundwasser in den Bach strömt, eine Erwärmung bedeutet, dass warmes Bachwasser ins Grundwasser infiltriert. Im Winter ist es umgekehrt. Anne-Marie Kurth hat im Rahmen ihrer Promotion an der Eawag und der Universität Neuenburg die passive Methode zu einer aktiven weiterentwickelt (Kurth et al., 2015). Dabei wird die metallische Ummantelung des Glasfaserkabels aufgeheizt und die Reaktion auf diese Hitzeinjektion analysiert. Damit kann man zusätzlich darauf schliessen, wie viel Wasser im betreffenden Messabschnitt zwischen Grundwasser und Gewässer ausgetauscht wird. Dabei konnten wir nachweisen, dass sich die Interaktionen durch die Flussrevitalisierung verbessert haben. Wir haben beobachtet, dass sich die Kiesinseln positiv auf den Austausch zwischen Grund- und Flusswasser auswirken, da das Eindringen von Oberflächenwasser in den Untergrund verstärkt wurde. Dieser Austausch kann sich sehr positiv auf die aquatischen Ökosysteme auswirken und somit zum Erfolg von Flussrevitalisierungen beitragen. Wir sind der Meinung, dass der Austausch zwischen Grund- und Flusswasser bei Erfolgskontrollen von Revitalisierungen miteinzubeziehen ist. Das gibt ein umfassenderes Bild, als wenn man sich nur auf die sichtbaren Veränderungen an der Oberfläche fokussiert. Ein ausführlicherer Bericht ist im Newsletter 02 der Eawag vom Juni 2015 zu finden.

Bild 3. Der Chriesbach beim Eawag/Empa-Areal vor (links) und nach der Revitalisierung (rechts). In der Bildmitte oben ist das «Freiluftlabor» zu sehen mit Plattform, Sitzstufen und Trittsteinen zum Queren des Bachs. Dieser Bereich wurde schon kurz nach den Baumassnahmen intensiv genutzt – von Schulklassen und Studierenden zur Ausbildung, aber auch von Kindern zum Spielen und Erholungssuchenden zum Rasten (© Andri Bryner, Peter Penicka, Eawag). 64

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dererseits können bauliche Massnahmen wie Flussrevitalisierungen auch Widerstände in der Bevölkerung wecken, denen Rechnung getragen werden muss. Bei der Revitalisierung des Chriesbachs wurde die gesellschaftliche Ebene bereits bei der Planung einbezogen und als übergeordnete Zielsetzung definiert, dass ein Mehrwert für Mensch und Umwelt geschaffen werden soll (Bild 5). Einen «grüner Korridor» als Erholungszone einzurichten, entspricht Empfehlungen umweltpsychologischer Forschung zur Verbesserung der Gesundheit, des Wohlbefindens und der Lebensqualität der städtischen Bevölkerung, was im Folgenden näher erläutert wird. Vielerorts fühlt sich die Bevölkerung zunehmend gestresster, was sich negativ auf die Gesundheit auswirkt (z. B. Zunahme der Gefäss- und Herzerkrankungen, Kopp & Réthelyi, 2004). Die Attention Restoration Theory (ART, Kaplan & Kaplan, 1989) postuliert nun, dass insbesondere Naturaufenthalte dazu geeignet sind, psychische Erholungsprozesse zu begünstigen. Natürliche Umwelten fördern die sogenannte unwillkürliche Aufmerksamkeit, sodass sich die Aufmerksamkeit in der Natur zerstreuen und ein sich Hingeben an diese äusseren Stimuli erholungsfördernd wirken kann. Die ART lässt also erwarten, dass ein revitalisiertes Gewässer mehr Erholungspotenzial aufweist und damit stärker zu Gesundheit und Wohlbefinden beitragen kann. Die Revitalisierung selber bedeutet aber auch, dass Anwohnende ihre Nutzungsgewohnheiten ändern müssen und die baulichen Eingriffe negative Reaktionen und Ängste hervorrufen können. Schliesslich können Revitalisierungen als die eigene Autonomie einschränkende Eingriffe «von aussen» wahrgenommen werden. Junker & Buchecker (2008) untersuchten solche negativen Effekte und stellten fest, dass 40 % der Schweizer Revitalisierungen von Fliessgewässern in Wohngegenden eher oder stark ablehnend gegenüberstehen. Flussrevitalisierungen können psychologisch also sowohl positiv als auch negativ wirken. Daher ist es notwendig, diese Wirkungen im Rahmen einer sozialwissenschaftlichen Evaluation zu quantifizieren. Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob bzw. wie stark die positiven Wirkungen überwiegen und wie verschiedene Aspekte der Massnahmen beurteilt werden. Zudem erlaubt eine sozialwissenschaftliche Evaluation der Bevölkerung ihre Meinung zu solchen Projekten auszudrücken und – wenn diese Meinungen

Bild 4. Die Forscherin Anne-Marie Kurth misst mit dem Glasfaserkabel feine Temperaturveränderungen im Flussbett. Daraus kann auf veränderte Wechselwirkungen zwischen Bach- und Grundwasser geschlossen werden. (© Andri Bryner, Eawag).

Bild 5. Mit der Revitalisierung wurde die Zugänglichkeit zum Bach und die Aufenthaltsqualität am Bach deutlich verbessert. (© Andri Bryner, Eawag). von offizieller Seite her berücksichtigt werden – Gefühlen eines Autonomieverlustes entgegenzuwirken. 2.1 Studiendesign und Stichprobe Obwohl sich das reine Nutzungsverhalten durch Beobachtungen erheben lässt, können Meinungen und psychologische Wirkungen nur durch Befragungen erfasst werden. Um Veränderungen erfassen zu können, wurden zwei Befragungen durchgeführt: eine unmittelbar vor Beginn der Baumassnahmen im Frühsommer 2013 und eine kurz nach dem Ende der Baumassnahmen im Spätsommer 2014. In einem Gebiet, das bis zu ca. 15 Gehminuten vom revitalisierten Teil des Chriesbachs entfernt liegt, wurden 2013 und 2014 insgesamt 4809 bzw. 5120 Fragebögen per Zufallsverfahren verteilt. Beantwortet wurden 2013 insgesamt 289 und 2014 insgesamt 329 Fragebögen, wobei 129 Personen jeweils an beiden Befra-

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gungen teilgenommen haben. Die Rücklaufquoten sind mit 6.0 % 2013 bzw. 6.4 % 2014 relativ gering. Wir vermuten, dass die Definition des Einzugsgebietes (15 Gehminuten vom revitalisierten Chriesbach) zu grosszügig war, denn für das unmittelbar neben dem Chriesbach liegende Gebiet allein lag die Rücklaufquote bei 25 %. Damit liegt die Rücklaufquote in einem für sozialwissenschaftliche Studien nicht unüblichen Bereich. Tabelle 1 stellt einige Kennwerte der Stichproben zusammen. Hier und bei den folgenden Auswertungen ist dabei zu beachten, dass nicht alle Personen die Fragebögen vollständig ausfüllten. Durch einzelne fehlende Antworten reduziert sich die in Analysen berücksichtigte Anzahl von Fällen, weshalb jeweils angegeben wird, auf wie vielen Fällen (n) die Analysen beruhen. Die im Text verwendeten Abkürzungen sind im Kasten 2 zusammengestellt. Die meisten Befragten kennen den 65


Chriesbach relativ gut: viele (2013, 47.5 %, 2014, 42.8 %) gaben an, ca. wöchentlich oder sogar fast täglich den Chriesbach aufzusuchen. Damit stellen diese Stichproben eine gute Grundlage dar, um die folgenden Forschungsfragen zu untersuchen: Im Text verwendete Abkürzungen n Anzahl Fälle in der Analyse. Diese Information wird z. T. für jedes Jahr und z. T. zusammenfassend gegeben. Z. B. bedeutet n2013= 143–281, dass für die Befragung 2013 die Grösse, für welche am wenigsten Fälle vorliegen, mit 143 Fällen gerechnet wurde, während für die Grösse, für welche am meisten Fälle vorliegen, 281 Fälle in Berechnungen eingingen. M Mittelwert, also der Durchschnitt aller Werte s Standard-Abweichung, welche ein Mass für die «Streuung» von Werten um den Mittelwert herum darstellt. Sie drückt aus, ob die Teilnehmenden sehr ähnliche (geringe Standardabweichung) oder sehr unterschiedliche (hohe Standardabweichung) Antworten gaben. p Fehlerwahrscheinlichkeit eines Schlusses von der Stichprobe auf die Population. Ein Resultat ist statistisch signifikant, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein in der Stichprobe beobachteter Effekt nicht auch in der Gesamtpopulation beobachtet werden kann, p < 0.05 ist. •

66

Als wie wichtig werden verschiedene Aspekte oder Elemente des Chriesbachs betrachtet und wie veränderte sich die Zufriedenheit bezüglich dieser? Wie stark fühlen sich die Anwohnenden mit dem Chriesbach positiv verbunden und wie veränderte sich dieses Verbundenheitsgefühl? Inwiefern weist der Chriesbach Charakteristika auf, die gemäss umweltpsychologischer Theorien einen Erholungseffekt erwarten lassen und wie veränderten sich diese Charakteristika? Wie beurteilen die Befragten selber die Erholungswirkung eines Aufenthalts am Chriesbach und wie veränderten sich diese Beurteilungen? In welchem Zusammenhang stehen Veränderung der selbstberichteten Erholungswirkungen mit Veränderungen der positiven Ortverbundenheit und Veränderungen der erholungswirksamen Charakteristika?

Tabelle 1. Soziodemografische Merkmale der befragten Anwohner und Anwohnerinnen für die Befragungen 2013 und 2014. Wie die entsprechenden Daten erhoben und ausgewertet wurden und welche Ergebnisse resultierten, wird im Folgenden zusammengestellt. Ausführlichere Angaben zu Methoden und weitere Resultate finden sich im Abschlussbericht des Projekts (von Lindern, Pahud, & Tobias, 2015). 2.2

Resultate

2.2.1 Wichtigkeit einzelner Massnahmen und Zufriedenheit damit Die Anwohnenden wurden in der Erstbefragung 2013 danach gefragt, wie wichtig sie bei einer Revitalisierung die Aspekte Sitz- und Rastplätze, Aussehen des Bachlaufs, Zugangsmöglichkeiten zum Bach, das allgemeine Sicherheitsgefühl, Sicherheit für Kinder, Beleuchtung, Pflanzen und Bäume, Tierwelt, das Erscheinungsbild des Chriesbachs insgesamt und Angebote für Kinder finden. Die Wichtigkeit konnte auf einer Skala von 1 = «absolut unwich-

tig» bis 4 = «absolut wichtig» beantwortet werden. Diese Fragen wurden 2014 nicht erneut gestellt, da davon ausgegangen werden kann, dass sich die Wichtigkeit aufgrund der baulichen Massnahmen nicht verändert. Zu denselben Aspekten, die auf der Wichtigkeitsdimension beurteilt wurden, gaben die Befragten sowohl 2013 als auch 2014 zusätzlich an, wie zufrieden sie damit jeweils sind. Das Antwortformat reichte von -2 = «sehr unzufrieden» bis +2 = «sehr zufrieden». Bild 6 stellt die Ergebnisse als Wichtigkeits-Zufriedenheits-Matrix dar. Aus Bild 6 geht hervor, dass allen Aspekten eine hohe Wichtigkeit zugeschrieben wird, doch erwiesen sich Aspekte mit Bezug zu Natur, Erscheinungsbild und Sicherheit als etwas wichtiger als Aspekte mit Bezug zur Infrastruktur. Vor der Revitalisierung drückten die Befragten im Durchschnitt eine mittlere Zufriedenheit mit allen Aspekten aus, während die Zu-

Bild 6. Wichtigkeits-Zufriedenheits-Matrix (Mittelwerte) für unterschiedliche Aspekte des Chriesbachs aus Sicht der Anwohner und Anwohnerinnen Wichtigkeit: n = 204–238; Zufriedenheit 2013: n = 184–225 (schwarz), Zufriedenheit 2014: n = 181–233 (grau)». Dargestellt sind für die Zufriedenheit die Wertbereiche von -2 bis 2 (x-Achse), für die Wichtigkeit die Bereiche 2 bis 4 (y-Achse). Die Wichtigkeit bezieht sich ausschliesslich auf die Angaben 2013, während für die Zufriedenheit sowohl die Daten aus 2013 und 2014 dargestellt sind. «Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


friedenheit mit allen Aspekten nach der Revitalisierung deutlich höher eingeschätzt wird. Die stärkste Veränderung findet sich beim Aussehen des Bachlaufs, zu der die Antwortenden vor der Revitalisierung die tiefste und nach der Revitalisierung die höchste Zufriedenheit ausdrückten. Alle Veränderungen sind statistisch signifikant (p < 0.01). Die Revitalisierungsmassnahmen führten also nicht nur insgesamt zu einer erhöhten Zufriedenheit, sondern auch zu einer positiveren Bewertung aller untersuchten Einzelaspekte. 2.2.2 Positive Verbundenheit zum Chriesbach Während sich die vorhergehende Fragestellung auf spezifische Teilaspekte des Chriesbachs bezog, untersuchten wir auch, ob der Chriesbach als Ganzes einen Ort darstellt, mit dem sich die Anwohnenden in positiver Weise verbunden fühlen. Es wurden fünf Fragen formuliert (z.B. «In wie weit war und ist der Chriesbach für Sie ein wichtiges Stück Heimat?»), die auf einer Skala von -2 = «überhaupt nicht» bis +2 = «sehr stark» beantwortet werden konnten. Hohe Werte bedeuten eine starke, positive Verbundenheit mit dem Ort. Aus Bild 7 geht hervor, dass in der Befragung 2013 fast allen Aussagen nur teilweise zugestimmt wird, allerdings bei einer zum Teil recht hohen Standardabweichung. In den Ergebnissen der Befragung 2014 zeichnet sich eine positive Veränderung ab: In allen Bewertungsdimensionen wird der Chriesbach nun statistisch signifikant besser bewertet (p < 0.01). Besonders ausgeprägt ist dies bei der Beurteilung, ob der Chriesbach «gemocht wird, wie er ist bzw. wie er war». Auch sind die Standardabweichungen geringer, also die Antworten ähnlicher geworden. Dieses Resultat spricht für einen Erfolg der Revitalisierung, da sich die Anwohnenden nach der Revitalisierung stärker bzw. positiver mit dem Chriesbach verbunden fühlen. Das Resultat bedeutet aber auch, dass die Revitalisierung von vielen Anwohnenden als kritische Veränderung eines wichtigen Ortes empfunden wurde, was sich negativ auf die Beurteilung auswirken könnte. Darauf wird später noch näher eingegangen. 2.2.3 Erholungsförderliche Charakteristika der Umwelt Obwohl die Anwohnenden direkt befragt werden können, wie stark sie ein Aufenthalt am Chriesbach erholt (siehe nächsten Unterabschnitt), soll zunächst untersucht werden, ob sich Charakteristika des Chriesbachs verändert haben, die

Bild 7. Mittelwerte und Standardabweichungen von Antworten, welche die positive Verbundenheit mit dem Chriesbach für die Befragungen 2013 und 2014 ausdrücken (2013: n = 226–232; 2014: n = 225–232). aufgrund umweltpsychologischer Theorien eine Erhöhung des Erholungseffekts erwarten lassen. Die bereits erwähnte ART unterscheidet vier Dimensionen erholungsförderlicher Umwelten: • Faszination: Wie sehr ein Ort die Aufmerksamkeit fesselt und Interesse weckt. • «Weg sein» (being away oder psychologische Distanz): Wie sehr ein Ort es erlaubt, sich vom Alltag oder von stressreichen Situationen zu distanzieren, zu entspannen und nur an das zu denken, was einem gerade gefällt. • Kompatibilität: Inwiefern ein Ort Möglichkeiten für das bietet, was eine Person dort machen möchte und somit Wohlbehagen und Wohlbefinden auslöst. • Kohärenz: Inwieweit ein Ort eine‚ «eigene Welt» darstellt, in die man eintauchen und auf die man sich voll und ganz einlassen kann. Die Evaluationen dieser vier Aspekte wurden mit jeweils einer Frage erhoben, wobei auf die Skala von Felsten (2009) zurückgegriffen wurde. Die Items konnten auf einer 5-stufigen Skala (-2 = überhaupt nicht; +2 = sehr stark) beantwortet werden. Je höher der Wert, desto stärker fördert die Umwelt psychische Erholungsprozesse und trägt zu Gesundheit und Wohlbefinden bei. Bild 8 fasst die Resultate zu erholungsförderlichen Charakteristika des Chriesbachs zusammen. In der Befragung 2013 wird fast allen Aussagen nur teilweise oder im Fall der Kohärenz sogar noch weniger zugestimmt. Allerdings ist die Standardabweichung recht hoch, was auf ein weites Spektrum von Beurteilungen schliessen lässt. Im Gegensatz zu den Ergebnissen der ersten Befragung zeichnet sich in der Befragung 2014 eine statistisch

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signifikante (alle p < 0.01) positive Veränderung ab. Das heisst, die Revitalisierung hat das Erholungspotenzial des Chriesbachs deutlich erhöht. 2.2.4 Subjektive Beurteilung der Erholungswirkung Neben der Einschätzung der erholungsförderlichen Charakteristika des Chriesbachs wurden die Anwohnenden auch nach subjektiven Erholungswirkungen von Aufenthalten am Chriesbach gefragt. Sieben Fragen bezogen sich auf verschiedene mit Stress und Erholung im Zusammenhang stehende Empfindungen (siehe Bild 9), zu denen die Befragten auf 5-stufigen Skalen angeben konnten, ob diese Empfindung nach einem üblichen Aufenthalt am Chriesbach viel weniger (-2) , genau gleich (0) oder viel mehr (+2) empfunden werden als vor dem Chriesbachbesuch. Aus Bild 9 geht hervor, dass bereits vor der Revitalisierung dem Chriesbach eine positive Erholungswirkung zugeschrieben wurde, welche durch die Revitalisierung geringfügig, aber statistisch signifikant (alle p ≤ 0.04) erhöht werden konnte. Diese eher kleinen Veränderungen stehen in Kontrast zu den deutlichen Veränderungen bei den Beurteilungen der erholungsförderlichen Charakteristika des Chriesbachs. Wir vermuten, dass es für die Antwortenden schwierig war, zurückblickend Empfindungen vor und nach einem Aufenthalt am Chriesbach zu beurteilen. Während wohl jeder sagen kann, ob er oder sie sich durch einen Chriesbachbesuch z. B. entspannter oder weniger entspannt fühlt, ist es schwierig zu beurteilen, um wie viel entspannter man sich nun genau fühlt. Dies zeigt die Bedeutung der Nutzung psychologischer Theorien auf. Psychologische Untersuchungen erlauben es, die Erholungswirkung durch leich67


Bild 8. Mittelwerte und Standardabweichungen für die Dimensionen Faszination, psychologische Distanz, Kompatibiliät und Kohärenz vor und nach der Revitalisierung (2013: n = 227–230; 2014: n = 228–230=. Der Anstieg in den Mittelwerten spricht für ein erhöhtes Erholungspotenzial des Chriesbachs.

Bild 9. Mittelwerte und Standardabweichungen für die selbsteingeschätzte Erholungswirkung der Chriesbachaufenthalte, bevor die Bauarbeiten begonnen haben (2013: n = 202–226) und nach der Revitalisierung (2014: n = 211–219). ter erfassbare Charakteristika der Umwelt zu erheben, da gewisse Selbsteinschätzungen Antwortende überfordern können. 2.2.5 Zusammenhänge zwischen Wirkungen der Revitalisierung Die bisher präsentierten Resultate zeigen insgesamt durchwegs positive Effekte der Revitalisierung. Die Nutzung der Daten von Personen, die sowohl vor als auch nach der Massnahme den Fragebogen ausfüllten, sowie komplexerer Analyseverfahren erlauben aber ein vertiefendes Verständnis der psychologischen Wirkung der Revitalisierung. Dies wird am Beispiel der Untersuchung folgender Frage demonstriert: Könnte die Tatsache, dass eine vertraute Umwelt verändert wurde, negative Wirkungen auf die empfundene Erholungswirkung haben, obwohl insgesamt die positiven Wirkungen überwiegen (wie die bisherigen Analysen zeigten)? Dafür wurde eine Regressionsanalyse gerechnet, die die Veränderung der empfundenen Erholungswirkung mit der Veränderung der positiven Verbundenheit mit dem Chriesbach 68

und der Veränderung der Evaluationen bezüglich erholungsrelevanter Charakteristika erklärt. Im Rahmen von Regressionsanalysen werden Zusammenhänge auf ähnliche Weise quantifiziert wie bei Korrelationen, es wird aber berücksichtigt, dass ein Teil des Zusammenhangs eines Faktors mit einem anderen auch für den Zusammenhang anderer Faktoren verantwortlich ist. So ist z. B. anzunehmen, dass ein Teil der Zunahme an positiver Verbundenheit mit dem Chriesbach auch darauf zurückzuführen ist, dass sich die erholungsförderlichen Charakteristika verbessert haben. Wird dieser Teil des Zusammenhangs herausgenommen, kann der verbleibende Zusammenhang anders aussehen, als wenn man nur Ortsverbundenheit und empfundene Erholungswirkung vergleicht. Das Resultat einer Regressionsanalyse sind sogenannte ß-Werte, welche gleich interpretiert werden können wie Korrelationen: je grösser ß desto stärker ist der Zusammenhang. Für jede Person wurden die Veränderungen der positiven Verbundenheit

mit dem Chriesbach, die Veränderung der Erholungsförderlichkeit und die subjektive Beurteilung der Erholungswirkung nach der Revitalisierung durch jeweils einen Wert ausgedrückt. Dazu wurden die Mittelwerte der Antworten auf die verschiedenen Fragen, mit denen einer der Faktoren 2013 erhoben wurde, vom Mittelwert der Antworten 2014 abgezogen, um ein Mass für die Veränderung in der jeweiligen Dimension zu erhalten bzw. wurde für die subjektive Erholungswirkung der Mittelwert der Antworten von 2014 verwendet. Bild 10 zeigt die resultierenden ß-Werte: Während erwartungsgemäss die Veränderung erholungsförderlicher Charakteristika einen starken und statistisch signifikanten positiven Zusammenhang zur subjektiv empfundenen Erholungswirkung nach der Revitalisierung aufweist (ß = 0.553, p = 0.01), ergibt sich ein negativer Zusammenhang zwischen der Veränderung der positiven Verbundenheit zum Chriesbach und der subjektiv empfundenen Erholungswirkung (ß = -0.441, p = 0.04). Das heisst, die Tatsache, dass sich die positive Verbundenheit zum Chriesbach verbesserte und damit veränderte, wirkt sich negativ auf die empfundene Erholungswirkung von Aufenthalten am Chriesbach aus. Obschon sich die Befragten am revitalisierten Chriesbach besser erholen können als vorher, wird ein Teil dieser positiven Wirkung durch negative Effekte der Veränderung kompensiert. Aufgrund der Studie von Junker & Buchecker (2008) könnten Ärger über die Bauarbeiten, das «sich an den neuen Chriesbach gewöhnen müssen» oder das Gefühl, dass «von aussen» darüber bestimmt wird, wie der Chriesbach aussehen soll, solche negativen Wirkungen verursachen. Es ist aber auch zu erwarten, dass sich diese negativen Wirkungen mit der Zeit abbauen werden, was zu einen weiteren Anstieg der Erholungswirkung führen kann. 3.

Zusammenfassung und Ausblick Revitalisierungen von Gewässern sollten nicht nur aus einer ökologischen und ökonomischen Perspektive geplant und evaluiert werden, sondern auch aus einer sozialen. Einerseits können Revitalisierungen gerade auch auf der sozialen und psychologischen Dimension einen grossen Mehrwert bedeuten, der zur Begründung solcher Projekte herangezogen werden kann. Andererseits bedeuten Revitalisierungen stets auch grössere Eingriffe in vertraute Umgebungen, welche negative Reaktionen hervorrufen können. Oft wird ein Nutzen von Revitalisierungen für die

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Bevölkerung als gegeben betrachtet und negative Auswirkungen werden ignoriert. Das kann Widerstände gegen ähnliche Projekte verstärken. Sozialwissenschaftliche Evaluationen können differenziert erfassen, welche Auswirkungen Revitalisierungen auf die Bevölkerung haben. So kann in künftigen Projekten besser auf die Anliegen der Bevölkerung eingegangen und somit der Nutzen von Revitaliserungen maximiert werden. Im Rahmen dieses Artikels wurden einige zentrale Resultate der Evaluation der Revitalisierung des Chriesbachs präsentiert. Es zeigte sich, dass die Revitalisierung nicht nur als Ganzes, sondern hinsichtlich einer Vielzahl von Aspekten die Zufriedenheit der Bevölkerung mit diesem Bach deutlich verbessert hat. Die Beurteilung des Chriesbachs auf verschiedenen, aus der umweltpsychologischen Literatur abgeleiteten Dimensionen zeigte, dass die positive Verbundenheit zum Chriesbach verstärkt und dessen Erholungspotenzial verbessert wurden. Auch empfinden Nutzerinnen und Nutzer nun einen stärkeren Erholungseffekt durch Aufenthalte am Chriesbach. Eine genauere Analyse der Veränderungen bringt dann aber auch eine negative Wirkung zutage: Auch wenn ein Ort zum Besseren verändert wird, so können sich die Veränderungen an sich doch negativ auf bestimmte Erlebensdimensionen (wie z. B. Erholungserleben) auswirken. Im Falle des Chriesbachs überwiegen die positiven Wirkungen durch die Verbesserung des Erholungspotenzials allerdings klar die negativen Wirkungen, doch kann dies bei anderen Revitalisierungen auch umgekehrt sein. Wichtig für eine aussagekräftige und glaubwürdige Evaluation einer Revitalisierung hinsichtlich derer Auswirkungen auf die Bevölkerung ist, dass Daten (1) vor und nach den baulichen Massnahmen (2) von einer repräsentativen Stichprobe (3) mittels einer Befragung bzw. sozialwissenschaftlich anerkannten Methoden erhoben werden. (4) Dabei sollte neben direkten Fragen z. B. nach der Erholungswirkung auch Fragen verwendet werden, die aus psychologischen Theorien abgeleitet werden, um grundlegende Aspekte zu erfassen und Daten von höherer Qualität und mit mehr Aussagekraft zu erhalten. (5) Wenn möglich sollten Daten von Personen erhoben werden, die Fragebögen vor und nach den Massnahmen ausfüllten, und diese Daten sollten mit aufwendigeren statistischen Verfahren untersucht werden, um verstecktere Prozesse besser zu verstehen. Schliesslich sollten Revitali-

Bild 10. Während sich die wahrgenommene Veränderung in der Erholungsförderlichkeit der Umwelt positiv auf die subjektive Beurteilung der Erholungswirkung nach dem Besuch am revitalisierten Bach auswirkt, ist der Effekt der wahrgenommenen Veränderung in der positiven Verbundenheit mit dem Chriesbach negativ für die subjektive Beurteilung der Erholungswirkung (F(2,71) = 3.579, p = 0.03, n = 74). sierungen als längerfristige Prozesse betrachtet und auch entsprechend evaluiert werden. Die Vegetation muss sich ausbilden, neue Nutzungsgewohnheiten müssen sich einschleifen, negative Effekte der Veränderung können sich abbauen und das revitalisierte Gewässer kann neue Personenkreise anziehen. Dies heisst, dass (6) zumindest eine weitere Datenerhebung einige Jahre nach dem Abschluss der Bauarbeiten durchgeführt werden sollte. Bei der sozialwissenschaftlichen Erfolgskontrolle der Chriesbachrevitalisierung ist mit diesem methodischen Vorgehen ein Grundstein gelegt worden, um soziale Nachhaltigkeit in die planerische Praxis zu integrieren, womit das Projekt einen wichtigen Impuls für die Zukunft setzt.

Kaplan, R., Kaplan, S. (1989). The experience of nature: A psychological perspective. Cambridge University Press: Cambridge. Kopp, M. S., Rethelyi, J. (2004). Where psychology meets physiology: chronic stress and premature mortality-the Central-Eastern European health paradox. Brain Research Bullettin, 62(5), pp. 351–67. Kurth, A.-M., Weber, C., Schirmer, M. (2015). How effective is river restoration in reestablishing groundwater – surface water interactions? – A case study. Hydrology and Earth System Sciences, 19, 2663–2672. Von Lindern, E., Pahud, L., Tobias, R. (2015). Sozialwissenschaftliche Erfolgskontrolle der Chriesbach Revitalisierung. Abschlussbericht. Dübendorf: Eawag. http://www.eawag.ch/de/ ueberuns/nachhaltigkeit/revitalisierung-chriesbach/projekt/

Danksagung

Woolsey, S., Weber, C., Gonser, T., Hoehn, E.,

Wir danken dem Amt für Abfall, Wasser, Energie

Hostmann, M., Junker, B., Roulier, C., Schwei-

und Luft (AWEL) des Kantons Zürich, insbeson-

zer, S., Tiegs, S., Tockner, K., Peter, A. (2005).

dere Herrn Christian Marti sowie Herrn Matthias

Handbuch für die Erfolgskontrolle bei Fliess-

Oplatka für die finanzielle Unterstützung. Weite-

gewässerrevitalisierungen.

rer Dank gilt der Eawag und WSL für die zur Ver-

Rhone-Thur Projekts. Eawag, WSL, LCH-EPFL,

fügung gestellten und für das Projekt bewilligten

VAW-ETH-Zürich.

Ressourcen zur Durchführung der Studie. Die

ment.ch/erfolgskontr/docs/erfolgskontrolle.

Datenerhebung wäre schliesslich nicht möglich

pdf

Publikation

des

http://www.rivermanage-

gewesen ohne die Mithilfe der Praktikantinnen Antonia Koller, Stefanie Kopp, Joyce Lehtinen

Anschriften der Verfasser

und Leonie Pahud, des Empfangsteams der

Dr. Eike von Lindern, Universität Zürich,

Eawag unter Leitung von Maria Huber sowie die

Binzmühlestrasse 14/14, CH-8050 Zürich

tatkräftige Unterstützung von Lars Anselment,

eike.vonlindern@psychologie.uzh.ch

Stefan Riesen und Hans Rohner.

Prof. Dr. Mario Schirmer, Eawag CH-8600 Dübendorf, Überlandstrasse 133

Literatur

mario.schirmer@eawag.ch

Eawag Aquatic Research Newsletter 02/ Juni

Dr. Thomas Lichtensteiger, Eawag

2015. http://www.eawag.ch/de/news-agenda

Überlandstrasse 133, CH-8600 Dübendorf

/news-plattform/newsletter/

thomas.lichtensteiger@eawag.ch

Felsten, G. (2009). Where to take a study break

Andri Bryner, Eawag

on the college campus: An attention restoration

Überlandstrasse 133, CH-8600 Dübendorf,

theory perspective. Journal of Environmental

andri.bryner@eawag.ch

Psychology, 29(1), 160–167.

Dr. Robert Tobias, Universität Zürich

Junker, B., Buchecker, M. (2008). Sozialverträg-

Binzmühlestrasse 14/15, CH-8050 Zürich

liche Flussrevitalisierungen. Ein Leitfaden. Bir-

robert.tobias@uzh.ch

mensdorf, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL.

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Nachrichten Informationen aus der Wasser- und Energiewirtschaft

Ene E ne r g iiewi ewi r ts t s c haf t «Grimselbahn»: Synergien zwischen Bahn und Stromversorgung Synergien zwischen Bahn und Stromversorgung eröffnen neue Chancen für das östliche Berner Oberland und das Walliser Goms: Eine Schmalspurbahn soll ab dem Jahr 2025 Innertkirchen (BE) durch die Grimsel mit Oberwald (VS) verbinden. Gleichzeitig werden im geplanten Tunnel der Grimselbahn Stromleitungen der Netzwerkgesellschaft Swissgrid verlaufen. Mit diesem innovativen Lösungsansatz kann eine einzige Infrastruktur für zwei Systeme genutzt werden. An einer Medienkonferenz von Anfang Februar 2016 stellten die Berner Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer und der Walliser Staatsrat Jean-Michel Cina sowie Peter Teuscher, Verwaltungsratspräsident der Grimselbahn AG, und Yves Zumwald, CEO a. i. Swissgrid, das Projekt «Grimselbahn» vor. Geplant ist eine

Bahnstrecke zwischen Meiringen (BE) und Oberwald (VS). Kernstück ist ein rund 22 Kilometer langer Tunnel ab Innertkirchen durch die Grimsel. Dieses Vorhaben ermöglicht der Netzgesellschaft Swissgrid gleichzeitig, ihre Starkstromleitung, deren Erneuerung bis 2025 nötig ist, durch den Tunnel zu führen. Chance für Verkehr und Tourismus Barbara Egger-Jenzer und Jean-Michel Cina betonten die Chance für den öffentlichen Verkehr und den Tourismus, die das innovative Projekt bietet. Durch den Anschluss der neuen Grimselbahn an bestehende Bahnen entsteht ein hochattraktives Schmalspurnetz von gesamthaft 850 Kilometer Länge, das Tourismusregionen in mehreren Kantonen verbindet. Peter Teuscher zeigt sich überzeugt vom Projekt: Die Ortschaften Guttannen und Handegg können durch den Tunnel ganzjährig unterirdisch per Bahn erreicht werden, ohne Naturgefahren ausgesetzt zu sein. Es wird mit 400 000 Passagieren pro Jahr und einem Arbeitsplatzeffekt von 35 Vollzeitäquivalenten Stellen gerechnet.

Bild. Karte mit geplanter Linienführung des Grimseltunnels (zvg). «Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden

Gesamthaft könne so eine zusätzliche regionale Wertschöpfung von ca. 5 Millionen Franken generiert werden. Machbarkeitsstudie zeigt Synergieeffekte Eine Machbarkeitsstudie im Auftrag der Kantone Bern, Wallis und Uri sowie weiterer Parteien hat gezeigt, dass das Projekt machbar ist und Synergien zwischen Bahn und Stromleitungen durchaus Sinn ergeben. Swissgrid muss ihr Übertragungsnetz bis 2025 ausbauen. Statt dieses weiterhin mit Strommasten über die Grimsel zu führen, bietet dieses Projekt laut Yves Zumwald ideale Voraussetzungen, Infrastrukturen zu bündeln und die Leitungen durch den Tunnel zu verlegen. Somit können gesamthaft 121 Strommasten und 22 Kilometer Stromleitung abgebaut werden, was das Landschaftsbild der Grimselregion positiv beeinflussen wird. Zudem würden teure Schutzmassnahmen in diesem durch Lawinen- und Felsstürze gefährdeten Gebiet entfallen. Durch diese sich ergebenden Synergien ist der Zeitpunkt zur Umsetzung des Projekts nun ideal. Planung schreitet voran Im Jahr 2018 soll ein Konzessionsgesuch beim Bund eingereicht werden. Die Projektierungskosten werden auf rund 6 Millionen Franken geschätzt. Diese Kosten werden anteilmässig auf beteiligte Kantone der Gotthard-Region, der Innerschweiz und den Kanton Bern sowie Swissgrid aufgeteilt. Die Investitionskosten für den Bau des Tunnels inklusive Kabelstollen betragen 580 Millionen Franken, welche anteilmässig von der Grimselbahn AG und Swissgrid übernommen werden. Durch diese Zusammenarbeit können sowohl die Grimselbahn AG als auch Swissgrid beträchtliche Kosten gegenüber separaten Tunneln einsparen. Die Finanzierung des Bahntunnels soll über den Bahninfrastrukturfonds (FABI) erfolgen. Die Kantone Bern und Wallis haben das Projekt beim Bundesamt für Verkehr (BAV) entsprechend eingereicht. Barbara Egger-Jenzer betonte dabei, dass es keine Quersubventionierungen zwischen Bahn und Stromleitung geben werde. Ziel ist es, die Grimselbahn 2025 in Betrieb zu nehmen. (Kantone Bern und Wallis sowie Swissgrid und Grimselbahn AG) 71


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Was s e r kr af tnut zung Erste Maschinengruppe des PSW Limmern erfolgreich mit dem Netz synchronisiert Die erste Maschinengruppe des Pumpspeicherwerks Limmern (PSW Limmern) in den Glarner Alpen ist Ende 2015 zum ersten Mal erfolgreich mit dem Stromnetz synchronisiert worden. Ein wichtiger Meilenstein des Bauprojekts wurde damit erreicht. Das PSW Limmern wird insgesamt eine Pumpleistung und eine Turbinenleistung von je 1000 MW aufweisen. Dadurch erhöht sich die Leistung der Kraftwerke Linth-Limmern von heute 480 MW auf 1480 MW. Die hochflexible Anlage wird künftig einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität und damit zur Versorgungssicherheit der Schweiz und Europas leisten. Nach rund zehn Jahren Planungs- und Bauzeit ist das 2.1 Mrd. Franken teure Bauvorhaben im Glarner Hochgebirge auf der Zielgeraden. Axpo kann mit der erfolgreichen Netzsynchronisation der ersten von insgesamt vier Maschinengruppen in Linthal ihr 100-jähriges Know-how als Pionierin der Wasserkraft weiter stärken. «Dies ist ein Meilenstein für Axpo und zugleich ein wichtiger Beitrag für die sichere Stromversorgung der Schweiz und auf europäischer Ebene», so Andrew Walo, CEO der Axpo. Durch die stark schwankende Produktion aus Wind- und Solarenergie ist vermehrt Regelenergie gefragt. «Das ist der Trumpf unserer hochflexiblen Anlage», ist CEO Andrew Walo überzeugt. «Das Pumpspeicherwerk Limmern leistet, gerade im veränderten Marktumfeld, einen wichtigen Beitrag zur Stabilität des Stromnetzes.» Grosse Leistung mit hoher Flexibilität Pumpspeicherwerke sind «Batterien» in den Alpen. Das PSW Limmern kann künftig innerhalb weniger Minuten sowohl grosse Mengen an Strom produzieren als auch allfällige Stromüberschüsse aufnehmen und für eine spätere Nutzung speichern. Schwankungen können sowohl auf eine temporäre Überproduktion aufgrund starker Sonneneinstrahlung oder erhöhten Windaufkommens als auch auf den zeitweiligen Produktionsausfall aufgrund eines bedeckten Himmels oder einer Windflaute zurückzuführen sein. Die Regelenergie, die es braucht, um diese teils massiven Schwankungen auszugleichen, wird kurzfristig und jeweils zu unterschiedlichsten Zeiten beansprucht. Pumpspeicherwerke 72

Bild. Staumauer Muttsee im Nov. 2015 (Quelle: Axpo).

Tabelle. Kennzahlen Pumpspeicherwerk Limmern. wie das PSW Limmern fungieren als «Batterie», was im grenzüberschreitenden Stromaustausch einen Konkurrenzvorteil schafft. Im Zeit- und Kostenrahmen Im Innern des Berges wurde über die vergangenen Monate der Innenausbau intensiv vorangetrieben. Die Rotoren der vier Maschinengruppen wurden direkt in der Maschinenkaverne zusammengebaut, da sie im fertigen Zustand mit einem Gesamtgewicht von je 330 Tonnen zu schwer für einen Transport gewesen wären. Die je

rund 220 Tonnen schweren Transformatoren waren die schwersten Einzelteile, die in den Berg transportiert wurden. Sie konnten gestaffelt mit der eigens dafür gebauten Standseilbahn (über 4 km Länge) transportiert und in der Transformatorenkaverne installiert werden. Auf der Muttenalp wurde im Herbst 2014 dank günstigen Witterungsverhältnissen die Schwergewichts-Staumauer mit etwas Vorsprung fertig erstellt. Mit einer Länge von 1050 m ist es die längste Staumauer der Schweiz und mit 2500 m ü.M. die höchstgelegene

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auch die Intention, bestehende Anlagen möglichst effizient zu nutzen. Mit dieser Prämisse ging das Urner Energieversorgungsunternehmen daran, das zusätzliche Nutzungspotenzial am Kraftwerk Gurtnellen zu heben. Als Ziel wird eine Produktionssteigerung von mehr als einem Fünftel angepeilt. Was das Erweiterungs- und Modernisierungsprojekt dabei so komplex und durchaus diffizil macht, sind die konzessionsrechtlichen Verhandlungen, die jedoch im vorletzten Jahr erfolgreich abgeschlossen werden konnten, sowie die im letzten Sommer ebenfalls abgeschlossenen umweltschutzrechtlichen Verhandlungen. Mit den ersten Vorarbeiten konnte im Herbst 2015 bereits gestartet werden. Im kleinen Gurtnellen entstand 1899 eine der ersten grösseren Industrieunternehmen im Kanton Uri – die «Elektrochemische Fabrik». Diese erzeugte Karbid, das vor allem für die Gasbeleuchtung herangezogen wurde. Die dafür erforderliche Energie kam aus zwei Pionierkraftwerken, dem KW Stäubenwald (Baujahr 1895) sowie dem KW Gurtnellen (Baujahr 1990). Mit der zunehmender Elektrifizierung und dem Ausbau der elektrischen Beleuchtung ging die Ära der Karbiderzeugung in Gurtnellen zu Ende. Was davon blieb, waren die beiden historischen Kraftwerke, die im Jahr 1925 von EWA übernommen wurden und bis zum heutigen Tag auch von ihr betrieben werden. Das Kraftwerk nutzt den Gornerenbach oberhalb des Dorfes. 100 Tage ungenutztes Überwasser Über die Jahrzehnte hinweg wurden die Anlagen immer wieder saniert, modernisiert und an den letzten Stand der Technik angepasst. Doch gerade im Fall des Kraftwerks Gurtnellen blieb stets ein kleiner Wermutstropfen: Die Anlage war im Hinblick auf die Wasserführung im Gor-

nerbach nicht optimal ausgebaut. «Derzeit haben wir an über 100 Tagen im Jahr Überschusswasser, das ungenutzt über die Wehranlage fliesst. Diesem Umstand wollten wir nun Rechnung tragen und die bisherige Ausbauwassermenge von 1.4 m3/s auf 2 m3/s sowie die installierte Maschinenleistung von bislang 6 MW auf 10 MW erhöhen. Dieser Ausbau sollte eine rund 23-prozentige Ertragssteigerung möglich machen», erklärt Werner Jauch, Leiter Energie und Mitglied der EWA-Geschäftsleitung sowie Verwaltungsratspräsident der Kraftwerk Gurtnellen AG. Konkret umschliesst ein derartiges Erweiterungsprojekt als wesentliche Punkte eine Adaption der Wehranlage und des Einlaufbauwerks bei «Grueben», den Ersatz der bestehenden Druckrohrleitung sowie den Austausch der beiden Maschinensätze. Einigung im Heimfallsthema Gewässereigentümerin ist die Korporation Uri, bei der bereits im Herbst 2011 ein Konzessionsgesuch für den Kraftwerksausbau eingereicht wurde. Es folgten intensive Verhandlungen, bei denen unter anderem die Regelung der Heimfallsverzichtentschädigung, die Regelung hinsichtlich der Abgeltung der bestehenden Konzession und die Einigung über eine neue Konzessionslaufzeit im Vordergrund standen. Im Zuge der Verhandlungen konnten nicht nur ein positives Ergebnis für alle Beteiligten, sondern auch richtungsweisende Lösungen erzielt werden. «Als wichtige Basis für die Konzessionsvergabe wurden drei wesentliche Punkte gemeinsam beschlossen. Erstens ist die Korporation Uri zu 30 Prozent an der am 23. September 2015 neu gegründeten Aktiengesellschaft Kraftwerk Gurtnellen AG beteiligt – und erhält im Umfang dieser Beteiligung Energiebezugsrechte. Zweitens hält die Korpora-

Konzessionserneuerung Wasserkraftwerk mit Nutzung von Ausbau- und Optimierungspotenzialen anhand des Beispiels Kraftwerk Gurtnellen Zur Kernstrategie von EWA – Elektrizitätswerk Altdorf AG – gehört neben dem Ausbau regionaler Energieressourcen Bild 1. Die Visualisierung zeigt die modernisierte Wasserfassung des KW Gurtnellen. «Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden

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Europas. Für ihren Bau wurde grösstenteils das Ausbruchsmaterial aus den Kavernen und Stollen verwendet. Damit wurde bezüglich Materiallogistik eine Meisterleistung vollbracht. «Ich bin stolz, dass wir in diesem Jahrhundertprojekt, dank hervorragender Arbeit und viel Herzblut aller Beteiligter, einen wichtigen Meilenstein geschafft haben», so Jörg Huwyler, Leiter Axpo Hydroenergie. «Wir haben unser Versprechen eingelöst: Linthal 2015 ist am Netz!» Erster Aufstau des Muttsees im Sommer 2016 In den nächsten Monaten werden die insgesamt vier Maschinengruppen gestaffelt mit dem Netz synchronisiert. Die Inbetriebsetzung und der anschliessende Probebetrieb der einzelnen Maschinengruppen ist ein hochkomplexer Prozess, der die zahlreichen Systeme und Abläufe über mehrere Monate hinweg testet. In den Sommermonaten 2016 wird der Muttsee erstmals aufgestaut. Der Erstaufstau wird in Rücksprache mit dem Bundesamt für Energie erfolgen. Dabei muss u. a. der Nachweis erbracht werden, dass sich die Staumauer exakt nach den Vorgaben der Modellrechnungen verhält. Die Betriebsmannschaft für das PSW Limmern wird um 15 auf insgesamt 50 Personen aufgestockt. Gesteuert werden die vier 250-MW-Maschinengruppen von der Axpo Netzleitstelle in Baden. Rückbau der Hochgebirgsbaustelle praktisch abgeschlossen Die Muttenalp, wo sich die Staumauer befindet und über mehrere Jahre grosse Betonanlagen, ein Arbeitercamp und zahlreiche Bauinstallationen standen, ist zu grossen Teilen bereits wieder renaturiert. Andere Bereiche wie der Rückbau der Bauseilbahnen oder die Renaturierung der beiden Installationsplätze Ochsenstäfeli beim Limmernsee und Tierfehd werden im Verlauf der Jahre 2017/2018 abgeschlossen sein. (Axpo) Ein zusammenfassender Fachbeitrag zum Projekt «Linthal 2015» ist in «Wasser Energie Luft», 107. Jahrgang, 2015, Heft 3, Seite 173–179, publiziert.


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Bild 2. Die alten Maschinensätze aus dem Jahr 1942 werden durch neue Turbinen und Generatoren ersetzt, die eine Steigerung der Leistung von 6 MW auf 10 MW möglich machen. tion Uri einen Sitz im Verwaltungsrat. Und drittens konnten wir uns auf eine einmalige Heimfallverzichtsentschädigung einigen», fasst Werner Jauch zusammen. Gerade der Kompromiss in Hinblick auf die Regelung des Heimfalls ist alles andere als Usus in der Schweiz, könnte aber durchaus Schule machen. Jauch: «Unsere bestehende Konzession wäre noch bis 2045 gelaufen. Zugunsten einer Neukonzessionierung für weitere 80 Jahre konnten wir sozusagen einen vorzeitigen Heimfall einvernehmlich aushandeln und das Kraftwerk neu konzessionieren.» Üblicherweise gehen die Nutzungsrechte des Wassers nach Ende der Konzessionsdauer vom Betreiber an den Wasserinhaber zurück. Zweistufiges UVP-Verfahren Eine zentrale Hürde auf dem Weg zur Genehmigung stellt das zweistufige UVP-Verfahren dar, in das die Umweltverbände wie auch der Bund, im Speziellen das Bundesamt für Umwelt BAFU, eingebunden sind. Bei einem Kraftwerk der Grössenordnung des KW Gurtnellen ist der Kanton in seiner Entscheidungsfindung hinsichtlich der Konzessionsvergabe dazu verpflichtet, die Stellungnahme des Bundes im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit eines Projekts mit zu berücksichtigen, auch wenn dieser nicht zwingend Folge geleistet werden muss. Die erste Stufe des UVP-Verfahrens fokussiert sich auf gewässerökologische und landschaftsästhetische Themen. Unter anderem werden dabei bereits die Restwassermengen festgelegt. Sie endet im positiven Fall mit der Vergabe der Konzession. Stufe zwei behandelt sämtliche bautechnischen Herausforderungen, wie etwa Zufahrten, Deponien oder die Baubewirtschaftung. Nachdem die Konzession im Dezember 2014 bereits wurde, wurden im August 2015 auch die Verhandlungen mit den Umweltverbänden in Bezug auf die zweite UVP- Stufe im August 2015 erfolgreich abgeschlossen. 74

Bild 3. Die neue Druckleitung wird am gleichen Ort verlegt, jedoch teilweise unterirdisch geführt.

Verzicht auf Oberlieger-Kraftwerk «Generell waren die Verhandlungen auf verschiedenen Ebenen sehr anspruchsvoll. Das betraf nicht nur das UVP-Verfahren. Wir haben uns bei diesem Projekt zudem für einen ganz speziellen behördlichen Genehmigungsprozess entschieden – für die projektspezifische Schutzund Nutzungsplanung (SNP) nach Gewässerschutzgesetz», erklärt Werner Jauch. «Die SNP ist ein Instrument des Bundes, das besondere Massnahmen an Gewässern ermöglicht, die keine hohe Relevanz aufweisen. Konkret bedeutet das, dass man die gesetzlich geforderte Restwassermenge unterschreiten kann, wenn gewisse Ausgleichs- oder Kompensationsmassnahmen getroffen werden.» Dabei gilt es, diese Massnahmen in enger Zusammenarbeit mit dem BAFU zu erarbeiten, sodass am Ende ein positiver ökologischer Effekt entsteht. Im konkreten Fall einigte man sich auf landschaftsästhetische und gewässerökologische Massnahmen, die den Hauptpunkt – den Verzicht auf die Errichtung einer Oberstufen-Anlage – flankierten. Jauch: «Es hätte die Möglichkeit bestanden, oberhalb im Gornertal eine weitere Kraftwerksstufe zu errichten. Darauf haben wir zugunsten der optimalen Ausbauoption für das bestehende Kraftwerk Gurtnellen verzichtet.» Er zeigt auf, dass mit der nun erzielten Lösung eine echte Win-win-Situation entsteht, bei der die Umwelt ebenso profitiere wie das Projekt selbst. Dank dieser Massnahme ist es EWA möglich, die Produktionsmenge um 5% oder 1.5 Gwh/a zu steigern. Grundsätzlich wird das SNP nicht allzu häufig in Anspruch genommen, da es sich um ein komplexes und aufwendiges Verfahren handelt. Die SNP wurde Anfang September 2015 vom Bundesrat genehmigt. Anspruchsvoller Leitungsaustausch Doch nicht nur der Behördenweg gestaltete sich bisher anspruchsvoll, auch was

die bautechnische Umsetzung anbelangt, rechnen die Verantwortlichen von EWA mit einigen Herausforderungen. Wie etwa an der bestehenden Wasserfassung, die an die neuen hydrologischen Bedingungen angepasst und auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden muss. Unter anderem wird ein neuer, grösserer Grundablass eingebaut, der Einlauf vergrössert, strömungstechnische Adaptionen vorgenommen und eine neue Steuerungstechnik implementiert. Eine etwas grössere Herausforderung in bautechnischer und vor allem logistischer Hinsicht erwarten die Planer von EWA beim Tausch der bestehenden Druckrohrleitung. «Die alte Druckrohrleitung von 1900 besteht noch im Original. Es handelt sich um eine genietete Stahlrohrleitung mit Durchmesser DN600. Alleine aufgrund des erhöhten Kapazitätsbedarfs muss sie getauscht werden. Die neue Stahldruckrohrleitung wird denselben Trassenverlauf wie die alte nutzen», so Werner Jauch. Was sowohl den Rückbau der alten als auch die Verlegung der neuen Leitung anspruchsvoll machen, ist das zum Teil sehr steile und unzugängliche Terrain. Der Einsatz der Materialseilbahn sowie der eine oder andere Helikoptertransport werden dabei unverzichtbar sein. Umbau im geschützten Krafthaus Ein spezielles Thema ist der Umbau im bestehenden Maschinenhaus. Es steht unter Denkmalschutz, jede bauliche Anpassung muss daher mit grossem Fingerspitzengefühl vorgenommen werden. An der äusseren Bestandsoptik darf ohnehin nichts geändert werden. «Was sich für unser Vorhaben günstig auswirkt, ist die Tatsache, dass unsere Vorväter die Kraftwerke im Wesentlichen grosszügig gebaut haben. Wir finden in der Maschinenzentrale ausreichend Platz für den Umbau auf die neuen Maschinensätze», erklärt Werner Jauch. Konkret werden zwei baugleiche

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Nachrichten Bild 4. Verlaufsübersicht der Druckleitung neben der Reuss. 4-düsige Peltonturbinen mit jeweils 5 MW Leistung die beiden alten Maschinen aus dem Jahr 1942 ablösen. Damit wird die installierte Leistung von 6 MW auf immerhin 10 MW erhöht – und dies bei gleichbleibender Fallhöhe. Neben den beiden Maschinengruppen werden auch die beiden Trafoboxen, die gesamte Energieableitung, die gesamte Regel- und Leittechnik und die Schaltanlagen erneuert. Ebenfalls wird eine möglichst hohe Automation des gesamten Kraftwerks angestrebt, um damit auch die Betriebskosten tief halten zu können. «Dadurch wird die Jahresproduktion um 6 GWh auf insgesamt 31.5 GWh gesteigert. Das entspricht dem Stromverbrauch von ca. 7100 Haushalten», sagt Werner Jauch. Fokus auf regionale Wertschöpfung Selbstredend stellt das Projekt auch einen respektablen Wirtschaftsfaktor für den Kanton Uri dar. Zum einen kann die Korporation Uri als Konzessionsgeberin mit höheren Wasserkraftzinsen in der Höhe von rund CHF 480 000.– rechnen. Zum anderen würden der Kanton Uri und die Standortgemeinde Gurtnellen von zusätzlichen Steuereinnahmen profitieren. Ausserdem kann man angesichts der avisierten Investitionssumme von CHF 25.5 Mio. auch von regionaler Wertschöpfung durch die Aufträge ans Urner Gewerbe ausgehen. Insgesamt konnten ca. 75 Prozent des Investitionsvolumens, also rund CHF 19 Mio., an Urner Unternehmen vergeben werden. Die Baubewilligung für den Start in das Bauvorhaben ist am 28. August 2015 erteilt worden. Mit den Vorarbeiten betreffend Rodungen, Baustelleneinrichtung sowie Materialseilbahn konnte bereits letzten Herbst gestartet werden. Die Hauptarbeiten sollten dann im Sommer 2016 erfol-

gen. Abgesehen davon, will man die bestehende Anlage so lange wie möglich in Betrieb halten und daher auch die wasserreichen und produktionsstarken Monate Mai und Juni noch mitnehmen. «Wenn wir im Sommer die Maschinen abstellen, sollten wir plangemäss Ende September 2017 mit neuer Ausrüstung wieder den Betrieb aufnehmen können. Das heisst, wir rechnen mit einer Bruttobauzeit von etwa zwei Jahren», sagt Werner Jauch. Mit der erteilten Baubewilligung wurde als offizieller Bauherr und Betreibergesellschaft die KW Gurtnellen AG am 23. September 2015 gegründet, an der die Korporation Uri zu 30 Prozent beteiligt ist. Werner Jauch selbst ist der Verwaltungspräsident der Gesellschaft. In der KW Gurtnellen AG laufen somit alle Fäden zusammen. Eigenes Know-how im Kraftwerksbau Ein besonderes Qualitätsmerkmal der gesamten Projektvorbereitung ist der Umstand, dass mit Ausnahme der ausgelagerten Bauingenieurleistung sämtliche Planungs- und Ingenieurleistungen im Hause von EWA realisiert werden konnten. Vom Vorprojekt angefangen, über Ausschreibungen, die gesamte E&M-Planung bis hin zur Projektleitung und Bauaufsicht trägt alles die Handschrift der erfahrenen Ingenieure, Techniker, Instandhaltungsfachleute, Fachspezialisten Mechanik/ Elektrisch, Elektroplaner und IT-Spezialisten von EWA. «In diesem Fall war der Aufwand tatsächlich enorm. Das lag einerseits an den anspruchsvollen Behördenverfahren, anderseits daran, dass wir mit dem Kraftwerk Bristen annähernd zeitgleich mit einem zweiten Kraftwerksprojekt den behördlichen Verfahrensweg durchlaufen – und dies ebenfalls erfolgreich», sagt Werner Jauch. Möglich ist das nur, weil das

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Urner Energieversorgungsunternehmen in den vergangenen Jahren auf den konsequenten Ausbau seiner eigenen Manpower im Kraftwerksbereich gesetzt hat. «Vor zehn Jahren hatten wir nur ein sehr kleines Team, heute verfügen wir über eine Mannschaft gut ausgebildeter Techniker und Ingenieure.» Mit dieser Mannschaft ist EWA heute in der Lage, Dienstleistungen für Kraftwerksbetreiber und Investoren anzubieten, die über konventionelle Ingenieurbüros hinausgehen. Schliesslich reicht das Spektrum von der Projektentwicklung über konzessionsrechtliche Belange, den Verhandlungen mit Umweltverbänden bis hin zu Betrieb und Energiebewirtschaftung sowie Energievermarktung. Selbstredend wird das erforderliche Know-how für ein SNP – wie es beim KW Gurtnellen zur Anwendung kam – auch Dritten angeboten. Veränderte Rahmenbedingungen Die Wirtschaftlichkeit von Wasserkraftwerken hängt von Faktoren ab, die ein Investor nur beschränkt beeinflussen kann: den zukünftigen Entwicklungen am internationalen Energiemarkt sowie die Entwicklungen in der Politik und der Regulierung. Viele Kraftwerke erreichen in den nächsten Jahrzehnten das Ende ihrer Konzessions- bzw. Nutzungsdauer. Sollen sie auch zukünftig für die Stromproduktion genutzt werden können, müssen sie teilweise umfassend erneuert werden, was hohe Investitionen nach sich ziehen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich seit dem Bau der heute häufig schon 50 bis 60 Jahre alten Werke verschiedene Parameter fundamental geändert haben. Zu nennen sind hier unter anderem die Liberalisierung des Strommarktes, neue Kostenstrukturen, Umweltauflagen wie beispielsweise Mindestmengen an Restwas75


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ser oder technologische Fortschritte. All diese Faktoren spielten beim Bau damals keine Rolle, müssen bei der Erneuerung jetzt aber berücksichtigt werden. Hinzu kommt, dass sich die Kraftwerke oftmals im letzten Drittel der Konzessionslaufzeit befinden, was aufgrund der in den meisten Fällen geltenden Heimfallsregelung die Wirtschaftlichkeit von neuen Investitionen zusätzlich in Frage stellt. Eine Kraftwerkserneuerung bringt also diverse Risiken mit sich – aber auch vielfältige Chancen. Ein Wasserkraftbetreiber, der diese Chancen nutzen will, sollte sämtliche Möglichkeiten bezüglich eines allfälligen Ausbaus oder einer Optimierung systematisch evaluieren. Fazit Basis für den erfolgreichen Abschluss der Konzessionierungsphase war ein umfassendes Stakeholder-Management, das alle direkt oder indirekt betroffenen Parteien involviert. Neben dem Konzessionsgeber sind dies auch Gemeindebehörden, Kantonale Ämter und Bundesämter, Umweltschutzorganisationen, Liegenschaftsbesitzer, direkt betroffene Anwohner, die Bevölkerung, NGOs ausserhalb der Umweltschutzorganisationen sowie Aktionäre. Das Stakeholde-Management war nicht nur während der Konzessionierungsund Baubewilligungsphase wichtig, sondern wird dies auch während der gesamten Bauzeit bleiben und ist eine der Hauptaufgaben der Projektverantwortlichen. Da die Hauptarbeiten noch bevorstehen, kann an dieser Stelle erst ein Zwischenfazit gezogen werden. Dieses fällt jedoch positiv aus: Dank einer systematischen Prüfung aller Varianten und konstruktiven Gesprächen mit allen Involvierten ist das Projektteam überzeugt, die optimale Lösung gefunden zu haben, die gleichzeitig wirtschaftlich ist und die ökologischen Aspekte angemessen berücksichtigt, so dass man sich für die Zukunft nicht nur auf den Optimismus verlassen muss. Weitere Informationen: Elektrizitätswerk Altdorf AG Werner Jauch, dipl. Elektroingenieur FH, MBA, E-MBA, Leiter Energie und Mitglied der Geschäftsleitung sowie Gründungsmitglied und Verwaltungsratspräsident der neu gegründeten KW Gurtnellen AG werner.jauch@ewa.ch René Arnold, dipl. Elektroingenieur FH, MAS-BA, Leiter Projekte Energie Manfred Walker, Instandhaltungsfachmann mit Projektweiterbildung, Projektleiter Energie

Göscheneralpsee entleert Der Stausee auf der Göscheneralp wurde Anfang 2016 komplett entleert. Dies hat nichts mit der aussergewöhnlichen Trockenperiode zu tun, sondern ist ein von langer Hand geplantes Vorhaben: In den nächsten Wochen findet die Kontrolle der baulichen Anlagen im See und im Druckstollen statt. Diese Kontrolle wird periodisch alle zehn Jahre durchgeführt. Ein grosses Loch statt viele Millionen Liter Wasser – dieses Bild präsentiert sich auf der Göscheneralp. Anfang 2016 hat die Kraftwerk Göschenen AG (KWG) mit der kompletten Entleerung des Stausees begonnen. Im See befinden sich beim Einlauf und beim Grundablass Bau- und Stahlwasserbauanlagen. Diese Anlagenteile werden turnusgemäss alle zehn Jahre einer Inspektion unterzogen. «Bereits jetzt steht fest, dass wir die Gelegenheit nutzen, um auch die Hydraulikanlagen der Drosselklappe komplett und jene des Grundablasses teilweise zu ersetzen», sagt Remo Infanger von der Geschäftsführung des KWG. Die Hydraulikanlagen sind seit der Betriebsaufnahme 1961 im Einsatz und wurden bisher nie komplett saniert. Im Weiteren werden Ausbesserungen an der Betonstruktur des Druckstollens durchgeführt sowie der Korrosionsschutz aller Metallteile des Triebwassersystems überprüft. Diese Analyse bildet dann die Grundlage für Sanierungsarbeiten während der nächsten Entleerung. Trotz den aktuell schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen für die Schweizer Wasserkraft aufgrund der tiefen Strompreise im internationalen Grosshandel investiert das KWG für die diesjährigen Kontrollen und

Sanierungsarbeiten rund 650 000 Franken. Dies zeigt, dass die Eigentümer der KW Göschenen AG, die Centralschweizerischen Kraftwerke AG und SBB AG, an die Zukunft der Wasserkraft als ökologische und umweltfreundliche Energieform glauben und bereit sind, damit einen wertvollen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Die Fachleute vom Gewässerschutz des Kantons Uri begleiten die See-Entleerung eng und überwachen insbesondere die Trübung der unterliegenden Gewässer. Die Fische im See werden durch die Entleerung übrigens nicht beeinträchtigt, denn es verbleibt an der tiefsten Stelle des Sees genügend Wasser, wohin sie sich zurückziehen können. Die Kontrolle und Sanierung dauert mehrere Wochen und endet voraussichtlich Ende März 2016 mit der Betriebsaufnahme. Riesiger, natürlicher Energiespeicher Der Stausee auf der Göscheneralp fasst rund 75 Millionen Kubikmeter Nutzwasser. Hier sammeln sich unter anderem die Wasser der Göscheneralp-, Furka- und Voralpreuss. Das Wasser dient ähnlich einer Batterie als Energiespeicher: Was im Sommer in den See fliesst, wird als Rohstoff für die Energieerzeugung im Winter auf Vorrat gelegt. Das gefasste Wasser fliesst durch einen sieben Kilometer langen Druckstollen bis ins Wasserschloss Rötiboden und von dort in einem 900 Meter langen Druckschacht steil hinab in die Kavernenzentrale in Göschenen, wo die Kraftwerk Göschenen AG im Auftrag der Centralschweizerischen Kraftwerke CKW AG und SBB AG CO2-freien, klimafreundlichen Strom produziert. (CKW)

Bild. Der für Revisionen komplett entleerte Göscheneralp-See Anfang 2016 (Quelle: KWG). 76

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Bild. Der Moorschutz verhindert Vergrösserung des Grimselsees (Foto: SWV/Pfa).

das Urteil: «Wir werden über das weitere Vorgehen erst entscheiden, nachdem wir die schriftliche Urteilsbegründung erhalten haben.» Speicher für die Versorgungssicherheit Die Vergrösserung des Grimselsees ist ein bedeutendes und hochwertiges Projekt für die Speicherung von elektrischer Energie. Mit relativ wenig Bauaufwand kann ein grosses Speichervolumen gewonnen werden. Für solche Speicher gibt es nur noch ganz wenige Möglichkeiten in der Schweiz. Und Speicherung ist ein Schlüsselfaktor für die Realisierung der Energiestrategie von Bund und Kanton. (KWO)

KWO zieht Entscheid ans Bundesgericht weiter Am 22. Dezember 2015 hat das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die genehmigte Konzession zur Vergrösserung des Grimselsees aufgrund des Moorschutzes aufgehoben. Diesen wegweisenden Entscheid will die KWO mit einer Beschwerde ans Bundesgericht weiterziehen. Die konkrete Auslegung des in der Verfassung stehenden Moorschutzartikels ist von grosser Tragweite. Die Inventarisierung der Moore und die Festlegung von deren Perimeter liegen in der Kompetenz des Bundesrates. Es ist deshalb angezeigt, für den letztinstanzlichen Entscheid das Bundesgericht anzurufen. Speicherseen sind eine wichtige Voraussetzung für die weitere Nutzung erneuerbarer Energien und der Berner Grossrat hatte die Konzession für den Speichersee Grimsel mit grossem Mehr erteilt (139 zu 14 Stimmen). Deshalb stellt sich hier die

Frage nach der Interessenabwägung in besonderer Weise. (KWO)

Massnahmen für wirtschaftliche Stabilität der KWO Angesichts der angespannten Lage im Energiesektor haben die Kraftwerke Oberhasli (KWO) in den vergangenen Monaten ihre wirtschaftliche Situation vertieft analysiert. Dabei wurden verschiedene Szenarien geprüft. Im Fokus standen die Wirtschaftlichkeit und die möglichst sozialverträgliche Umsetzung der notwendigen Massnahmen. Über die nächsten zwei Jahre muss die KWO knapp 50 Stellen abbauen, um die langfristige wirtschaftliche Stabilität zu sichern. Für den Verwaltungsrat der KWO war das Ziel klar: Das Personal soll von den notwendigen Massnahmen so gering wie möglich betroffen sein. Die unumgänglichen Anpassungen sollen dazu führen, dass die KWO langfristig wirtschaftlich stabil bleibt. Nur so kann die KWO als verlässliche Arbeitgeberin im Oberhasli bestehen bleiben und weiterhin eine zentrale Stütze für die regionale Wirtschaft sein. Von den knapp 50 Stellen, die über die kommenden zwei Jahre abgebaut werden, kann die Hälfte über natürliche Abgänge, Pensionierungen sowie Frühpensionierungen erfolgen. Die andere Hälfte wird über Kündigungen führen. Um die Folgen für die betroffenen Personen bestmöglich abzufedern, hat die KWO beschlossen, gemeinsam mit der Sozialpartnerin VPOD einen verantwortungsvollen Sozialplan auszuarbeiten. Dieser wurde vor Kurzem gemeinsam unterzeichnet.

Bild. Grimselsee (Quelle: BKW).

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Berner Verwaltungsgericht hebt Konzession für Staumauererhöhung an der Grimsel auf Die Moorschutzgrenze entlang des Grimselsees ist nicht rechtens, urteilt das Berner Verwaltungsgericht. Die fünf Richter entschieden sich einstimmig gegen die Mauererhöhung am Grimselsee um 23 Meter. Die Kraftwerke Oberhasli (KWO) hatten dafür vom Grossen Rat im 2012 bereits eine Konzession erhalten. Diese hat das Verwaltungsgericht mit seinem Entscheid vom 22. Dezember 2015 nun aufgehoben. «Die Vergrösserung des Grimselsees sei nach heutiger Gesetzgebung nicht zulässig» sagte Richter Michel Daum. Entlang des Grimselsees steht ein Gebiet unter Moorschutz. Nach Annahme der Rothenturm-Initiative und des entsprechenden Verfassungsartikels im Jahre 1987 schied der Bundesrat im Grimselgebiet ein provisorisches Gebiet als Moorlandschaft aus. Im Jahre 2004 hob er die Grenze um 27 Meter an und erklärte den neuen Perimeter als definitiv. Dies sei ein energiepolitischer Entscheid gewesen, so das Verwaltungsgericht. Keine Interessenabwägung beim Moorschutz An der öffentlichen Urteilsverkündung erklärten die Richter, dass der in der Verfassung geregelte Moorschutz keine Interessensabwägung zulasse. Obwohl das Urteil einstimmig fiel, gab es Zwischentöne. So meinte einer der Richter in seiner Beurteilung: «Die Moorlandschaften sind besser geschützt als jedes andere Rechtsgut in der Schweiz. Es ist nun die Aufgabe der Politik zu urteilen, ob diese Gesetzgebung noch dem heutigen Zeitgeist entspricht». KWO-Direktor Gianni Biasiutti bedauerte


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Investitionstätigkeit wird angepasst Die aktuell laufenden Ausbauprojekte sind auf Kurs und werden im geplanten Zeitrahmen abgeschlossen. Jedoch ist die Planung und Umsetzung weiterer Grossprojekte in der aktuellen Situation nicht im selben Ausmass möglich wie bisher. Die über die letzten Jahre aufgebauten Ressourcen müssen in der Folge mit dem Abschluss der Grossprojekte redimensioniert werden. KWO wird schlanker Die Veränderungen im internationalen Energiemarkt in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass die Wirtschaftlichkeit der KWO unter Druck geraten ist. Die umfassende Analyse des wirtschaftlichen Potenzials der KWO hat sämtliche Bereiche durchleuchtet und kam zum Schluss: Die künftige KWO muss kleiner werden und weniger kosten. Bei der Analyse galt den Geschäftsbereichen Grimsel Hydro und Grimselwelt ein besonderes Augenmerk. Der Verwaltungsrat entschied, dass die hauseigene Instandhaltungswerkstatt wie auch der Tourismus weitergeführt werden. Beide Geschäftsbereiche müssen sich wirtschaftlich weiter verbessern und die Kosten senken. Der Verwaltungsrat der KWO geht davon aus, dass diese Massnahmen genügen werden, damit die KWO im neuen Marktumfeld der Energiebranche bestehen und so weiterhin ihren wichtigen Beitrag zur Schweizer Energieversorgung leisten kann. (KWO)

KWO entleert Räterichsbodensee für Einbau Drosselklappe Anfang Februar 2016 haben die Kraftwerke Oberhasli (KWO) den Räterichsbodensee am Grimselpass und das darunterliegende hydraulische Stollensystem entleert. Dies ist im Rahmen der aktuellen Bauarbeiten bereits die zweite Entleerung nach derjenigen vom November 2014. Hauptgrund für die erneute Seeentleerung ist der Einbau einer neuen Drosselklappe beim Betriebseinlauf des Räterichsbodensees. Der See-Entleerung vorangegangen ist wiederum eine detaillierte Planung. Nebst der Projektplanung zu den Ausbauvorhaben war insbesondere das Team der KWO-Ökologen gefordert. Denn mit der See-Entleerung und dem damit verbundenen Austrag von Sedimenten wird die Aare getrübt. Damit dadurch möglichst keine Fische beeinträchtigt werden, hat die KWO vorgängig umfangreiche Massnahmen 78

Bild 1. Ausfischen der Hasliaare.

März werden die Arbeiten abgeschlossen sein. Der Räterichsbodensee und das darunterliegenden Stollensystem kann wieder mit Wasser gefüllt werden und die Kraftwerke gehen in Betrieb. Während der See-Entleerung stellt die KWO mit ihren beiden Kraftwerken im Gadmental und mit dem Pumpspeicherwerk Grimsel 2 zwischen Grimsel- und Oberaarsee die Stromproduktion und Netzregelung sicher. Mit seinen 25 Millionen Kubikmeter Wasser Nutzinhalt ist der Räterichsbodensee der drittgrösste Speichersee der KWO. Von hier fliesst das Wasser in Zulauf- und Druckstollen in die Kraftwerke Handeck und Innertkichen. (KWO)

Was s e r bau / H o c hwas s e r s c hut z

Bild 2. Die neue Drosselklappe ist zum Einbau bereit (KWO). ausgeführt. So wurden von der KWOFachstelle Ökologie in enger Zusammenarbeit mit dem Fischereiinspektorat die Hasliaare zwischen dem Kraftwerk Handeck und dem Räterichsbodensee ausgefischt. Ab dem Kraftwerk Handeck erfolgt während der See-Entleerung die Zugabe von klarem Wasser. Mit einem Fischzaun wurden die grossen Seeforellen beim Laichaufstieg in Innertkirchen von der Hasliaare ins Urbachwasser umgeleitet. In Zusammenarbeit mit dem Fischereiverein Oberhasli verstärkte man den Laichfischfang. So konnten rund 70 000 Seeforelleneier gewonnen werden. Diese verbleiben über den Winter in der Brutanstalt Meiringen und werden im Frühjahr als junge Fische in der Hasliaare ausgesetzt. Sobald der Räterichsbodensee entleert ist, beginnt für das KWO-Team eine arbeitsintensive Zeit. Hauptarbeit ist der Einbau einer neuen Drosselklappe mit einem Durchmesser von 2.70 m beim Betriebseinlauf des Räterichsbodensees. Im entleerten System werden dann die Verbindungselemente zwischen altem und neu gebautem Triebwassersystem geöffnet. Es folgen zahlreiche Unterhaltsarbeiten, die während des Kraftwerksbetriebs nicht durchgeführt werden können. Bis Mitte

Beurteilung der Gefährdung durch Extremhochwasser der Aare: Hauptstudie lanciert Damit die Gefährdung flussnaher Anlagen durch extreme Hochwasserereignisse an der Aare besser beurteilt werden kann, benötigen die Behörden einheitliche Gefahrenszenarien, die auf neuesten Methoden beruhen. Genau dies soll mit dem Projekt «Gefahrengrundlagen für Extremhochwasser an Aare und Rhein (EXAR)» erreicht werden. Die Hauptstudie des Projekts wurde Anfang Februar 2016 unter der Leitung des BAFU lanciert. Die Ergebnisse sollten in zwei Jahren vorliegen. In der ersten Phase der Hauptstudie werden Niederschlags- und Abflussszenarien vorbereitet, der genaue Projektperimeter definiert und die Schlüsselstellen bestimmt – also jene Stellen, die besonders durch Interaktionen und Kettenreaktionen der Prozesse betroffen sein dürften, die bei Hochwasser ausgelöst werden können. In der zweiten Phase werden diese Prozesse, ihre Interaktionen und ihre Auswirkungen vertieft untersucht. Berücksichtigt werden Phänomene wie Erosion, Gerinneverlagerung, Geschiebeablagerung, Rutschungen, Verklausung (Behinderung des Abflusses durch Treibgut) sowie Dammbrüche. Eine Zusammenfassung in Form von Gefahrenszenarien soll bis 2018 vorliegen. Nach Abschluss des Projekts werden die verschiedenen beteiligten Behörden anhand dieser Gefahrenszenarien die Gefährdung von Anlagen und Bauten neu beurteilen. So werden die Ergebnisse dieser Studie generell dazu beitragen, Infrastruk-

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G ewäs s e r / Revital i s ie rung Revitalisierung Fischtreppen fördern den genetischen Austausch Wasserkraftwerke, Wehre und Wasserfälle sind für Fische oft unüberwindbare Hindernisse. Das kann die genetische Struktur der separierten Populationen stark beinträchtigen. Nun wurde erstmals untersucht, ob und wie stark Fischtreppen diesen Negativeffekt mildern. Ein Forschungsteam der Eawag konnte anhand der Fischart Alet nachweisen, dass Aufstiegshilfen für Fische den genetischen Austausch zwischen verschiedenen Populationen tatsächlich fördern. Ganz beheben können sie die Auswirkungen der Barrieren nicht. Er gehört zu den häufigsten Fischen in Schweizer Gewässern, doch in der breiten Öffentlichkeit ist sein Name nahezu unbekannt: der Alet. Dabei kann man diesen Weissfisch, der 40 bis 50 Zentimeter lang wird, in Ufernähe sehr oft beobachten. So etwa im Schanzengraben, einem malerischen Kanal mitten in der Stadt Zürich, oder in der Nähe des Rheinfalls, auf der kleinen Brücke, die zum Aussichts-Restaurant Schlössli Wörth führt. Im Kochtopf landet der Alet selten, denn sein Fleisch enthält viele Gräten. Ökonomisch ist er daher uninteressant, und genau dies macht ihn zu einem Glücksfall für die Wissenschaft.

Ein ideales Modell Bisher hat man in den Schweizer Gewässern kaum Alets ausgesetzt, und dadurch ist seine genetische Populationsstruktur – im Gegensatz zu derjenigen der Forelle – auch nicht verfälscht worden. «Das macht den Alet zu einem idealen Modell, um zu untersuchen, inwiefern Fischtreppen bei Flusskraftwerken und anderen Hindernissen den genetischen Austausch zwischen den örtlich getrennten Populationen fördern», sagt Alexandre Gouskov, Hauptautor der Eawag-Studie «Fish population genetic structure shaped by hydroelectric power plants in the upper Rhine catchment», die soeben von der wissenschaftlichen Zeitschrift «Evolutionary Applications» online publiziert wurde. Es gibt noch weitere Gründe, weshalb sich der Alet besonders gut für diese Untersuchung, die im Rheineinzugsgebiet vorgenommen wurde, eignet: Zum einen zeigt diese Fischart während der Laichzeiten ein ausgeprägtes Wanderverhalten, und zum anderen ist dies die einzige Art, von der man weiss, dass sie sämtliche, technisch teils sehr unterschiedlichen Fischtreppen in Aare, Limmat, Reuss und Rhein auch benutzt. Aufwendige Untersuchung Die Schweizer Fliessgewässer sind voll von Querhindernissen. Der Bericht «Strukturen der Fliessgewässer in der Schweiz» (Bundesamt für Umwelt, 2009) hat für 10 800 Gewässerkilometer und 50 000 künstliche Hindernisse einen Revitalisierungsbedarf ausgewiesen. Im Rheineinzugsgebiet, das von Gouskov und seinem Team untersucht wurde, befinden sich 37 Wasserkraftwerke, zwei Wehre und der Rheinfall. Sechs der künstlichen Hindernisse waren zum Zeitpunkt der Probenahmen nicht mit einer Aufstiegshilfe für Fische ausgestattet. Aus statistischen Gründen haben die Forscherinnen und Forscher an 47 Stellen Proben genommen. Pro Probestelle holten sie in der Regel rund 50 Alet mithilfe von Elektrofischerei aus dem Wasser. Die Tiere wurden sanft betäubt, vermessen und nach der Entnahme einer kleinen Gewebeprobe von der Schwanzflosse wieder in die Freiheit entlassen. «Der Stichprobenaufwand für diese Studie war im Vergleich zu anderen Forschungsarbeiten enorm», sagt Eawag-Mitarbeiter und ETH-Professor Christoph Vorburger und macht damit Alexandre Gouskov indirekt ein Kompliment. Die Studie war dessen Doktorarbeit und wurde im Wesentlichen durch das Bundesamt für Umwelt, die Eawag und die ETH Zürich finanziert.

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Bild. Elektrofischen beim Kraftwerk Dietikon (Quelle: eawag). Barrierewirkung von 100 auf 12 Kilometer reduziert Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass unüberwindbare Hindernisse die genetische Populationsstruktur von Fischen stark beeinträchtigen. Im schlimmsten Fall kann die Isolation zum Aussterben einer Population führen. Deshalb werden immer mehr Kraftwerke und andere Hindernisse mit Fischtreppen für Fische ausgestattet. «Man weiss natürlich mittlerweile, dass viele Fische diese Aufstiegshilfen auch benutzen», sagt Gouskov, «aber die Frage, ob sich Fischtreppen tatsächlich positiv auf die Verbindung und die genetische Diversität von Fischpopulationen auswirken, hat man bisher nicht untersucht.» Anhand der genetischen Untersuchungen konnten die Forscherinnen und Forscher jetzt aufzeigen, dass die Fischtreppen den genetischen Austausch tatsächlich verbessern. Eine künstliche Barriere ohne Fischtreppe wirkt sich ähnlich stark auf die genetische Differenzierung der Fische aus wie eine Distanz von rund 100 Kilometern in einem unverbauten Fluss. Bei den Barrieren, die mit Fischtreppen ausgestattet sind, liegt das Äquivalent dagegen nur bei rund 12 Kilometern. Laut Gouskov zeigt dies, dass Fischtreppen die Konnektivität von getrennten Fischpopulationen verbessern. Doch auch mit Fischtreppen wirken sich Kraftwerke signifikant auf die genetische Differenzierung des Alets aus. Mit Blick auf andere Fischarten erhält dieser Befund zusätzliches Gewicht, denn viele von ihnen können die Fischtreppen schlechter überwinden als der Alet und sind dadurch stärker von der Fragmentierung betroffen. «Unsere Resultate zeigen, dass es Sinn macht, die in den letzten Jahren begonnenen Revitalisierungsmassnahmen weiter voranzutreiben», so die Bilanz von Alexandre Gouskov. «Es braucht mehr, aber auch qualitativ bessere Fischaufstiegshilfen, um die Arten besser zu schützen.» Je nach Bauart werden die Fischpässe mehr oder weniger häufig genutzt. Im Vergleich 79

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turen und Agglomerationen im betroffenen Gebiet besser vor Hochwasser zu schützen. Insbesondere werden sie dazu dienen, die Risiken extremer Hochwasserereignisse für rund 15 Stauwehre und für die Kernkraftwerke Mühleberg, Gösgen sowie Beznau I und II neu zu beurteilen. Seit 2013 arbeiten das Bundesamt für Umwelt (BAFU), das Bundesamt für Energie (BFE), das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) sowie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) im Rahmen des Projekts «Grundlagen Extremhochwasser Aare-Rhein (EXAR)» zusammen. Ziel ist die Ausarbeitung einheitlicher und kohärenter Grundlagen für die Beurteilung der Gefahren im Zusammenhang mit seltenen und extremen Hochwasserereignissen an der Aare (Ereignisse mit einer Wiederkehrperiode von 10 000 oder mehr Jahren). In der Anfangsphase des Projekts wurden Daten zur Problematik zusammengetragen und die Methodik für die Hauptstudie definiert. Diese wurde von internationalen Experten validiert. (BAFU)


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zu einfachen Betontreppen schneiden Umgehungsgerinne beispielsweise deutlich besser ab. «Viele Fischtreppen haben ein enormes Verbesserungspotenzial», sagt Gouskov. Während der Feldarbeit für die vorliegende Studie konnte er den Effekt einer solchen Verbesserungsmassnahme mit eigenen Augen beobachten: Das Elektrizitätskraftwerk Rheinfelden hat ein naturnah strukturiertes Umgehungsgewässer mit grosser Abflussmenge in Betrieb genommen. Bereits in der ersten Saison stiegen gegen 40 000 Fische von 33 verschiedenen Fischarten darin auf. «Das ist erfreulich, denn das ist deutlich mehr als bei herkömmlichen Fischtreppen», sagt Gouskov. Der Originalartikel «Fish population genetic structure shaped by hydroelectric power plants in the upper Rhine catchment» kann auf der Wiley Online Library Englisch bezogen werden: onlinelibrary.wiley.com/ doi/10.1111/eva.12339/abstract (Eawag)

Ve r anstaltunge n

Powertage 2016 – Forum «Wasserkraft im Wettbewerb» Donnerstag, 2. Juni 2016, Messe Zürich

Das Forum findet im Rahmen der vom 31. Mai bis 2. Juni 2016 bereits zum siebten Mal durchgeführten Powertage in der Messe Zürich statt. Das bewährte Veranstaltungskonzept mit seinem Mix aus fundierter Fachinformation, Austausch und Firmenpräsentationen schafft wertvolle Synergien und bietet einen umfassenden Branchenüberblick. Namhafte Unterstützung Die Powertage werden vom Bundesamt für Energie (BFE) sowie von namhaften Branchenverbänden unterstützt. Dazu zählen unter anderem der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen 80

(VSE), Electrosuisse (Verband für Elektro-, Energie- und Informationstechnik) sowie der Schweizerische Wasserwirtschaftsverband (SWV). Spiegel des Markts Nahe am Marktgeschehen, zeigen die Powertage die steigenden Anforderungen an die Erzeugungs- und Verteilnetze auf und reagieren auf Veränderungen des Marktes. Einen neuen Fachbereich stellt SmartGrid/Smart-Metering dar. Diese ergänzt die bestehenden Fachbereiche Erzeugung und Speicherung, Energiedienstleistungen und Energieeffizienz, Übertragung, Verteilung, Handel und Vertrieb, Engineering und Infrastruktur für E-Mobilität. Forumsprogramm Neben der Messe mit Ausstellungen finden vormittags Vortragsreihen statt. Das dritte Forum vom 2. Juni 2016 zum Thema «Wasserkraft im Wettbewerb» wird vom SWV patroniert. Ausgewiesene Fachleute referieren zu zentralen Themen wie: • Die Rolle der Wasserkarft in einem künftigen Energiesystem • Trends im Energiehandel – Auswirkungen auf die Wasserkraft • Chancen und Risiken im Übertragungsnetz der Zukunft Das detaillierte Forumsprogramm ist auf der Webseite der Powertage www.powertage.ch veröffentlicht. Organisatorische Hinweise Das Forum findet von 9.00 bis 11.50 Uhr statt, (Eintreffen ab 8.00 Uhr); die Messe ist ab 11.00 bis 17.00 Uhr geöffnet. Die Anmeldung zum Forum ist ab April 2016 möglich. Weitere Informationen unter www.powertage.ch.

KOHS-Weiterbilungskurs 4. Serie, 7. Kurs Revitalisierung von kleinen und mittleren Gewässern Sursee, 16./17. Juni 2016 Die Kommission Hochwasserschutz (KOHS) des SWV führt zusammen mit dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) diese 4. Serie der erfolgreichen wasserbaulichen Weiterbildungskurse durch. Zielpublikum Der Kurs richtet sich an Fachleute von Ingenieur- und Beratungsunternehmen sowie von kantonalen Verwaltungen.

Zielsetzung, Inhalt Der praxisorientierte, zweitägige Kurs soll den planenden Ingenieuren und weiteren mit Revitalisierungen beschäftigten Fachpersonen zentrale Aspekte mit Schwerpunkt auf Unterhalt und Wasserbau aufzeigen. Aus dem Inhalt: Donnerstag • Motivation und Ziele der Revitalisierung • Revitalisierungsprojekte aus Sicht der Landwirtschaft • Bachtypisierung als Basis für Gestaltung und Unterhalt • Workshop: Erarbeitung eines Unterhaltplans Freitag • Gewässerraum für Revitalisierungen • Bauliche und hydraulische Grundlagen und Massnahmen • Erwünschte und nicht erwünschte Arten • Exkursion zu konkreter Revitalisierung Für die Details siehe das Kursprogramm auf der Webseite (www.swv.ch). Sprache Der Kurs wird auf Deutsch durchgeführt – es ist der letzte deutsche Kurs der Serie. Kursunterlagen Die Kursunterlagen, bestehend aus Skript und Handout der Folien, werden zu Beginn des Kurses allen Teilnehmenden verteilt. Kosten Für Mitglieder des SWV gelten vergünstigte Tarife (bitte im Formular anwählen): • Mitglieder SWV: CHF 650.– • Nichtmitglieder SWV: CHF 750.– Inkl. Kursunterlagen, Verpflegung 1. Tag Mittag und Abend sowie 2. Tag Mittag, Pausenkaffee, Transporte für die Exkursionen; exkl. 8% MwSt. und allfällige Übernachtungskosten. Anmeldung Anmeldungen sind ab sofort möglich; bitte ausschliesslich, bequem und einfach über die Webseite des SWV: www.swv.ch/KOHS-Kurs-Sursee-2016 Die Zahl der Teilnehmenden ist auf 28 Personen limitiert; Berücksichtigung nach Eingang der Anmeldungen.

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Landquart 23.3.2016 Vortragsreihe Rheinverband: Hochwasser Altstätten 2014 – Ereignis und Massnahmen (d) Rheinverband (RhV). Weitere Informationen: www.rheinverband.ch Wädenswil ab 1.4.2016 CAS-Kurs Makrozoobenthos: Zertifikatslehrgang zu Artenkenntnis und Bioindikation (d) ZHAW. Kurs von total 21 Tagen Dauer plus Selbststudium. Weitere Informationen und Anmeldung: https://weiterbildung.zhaw.ch Landquart 20.4.2016 Vortragsreihe Rheinverband: Möglichkeiten und Grenzen der Fischwanderung an Wasserkraftanlagen (d) Rheinverband (RhV). Weitere Informationen: www.rheinverband.ch Bludesch, A 18.5.2016 Exkursion Rheinverband: Hochwasserschutz und Rückhaltebecken lLL (d) Rheinverband (RhV). Weitere Informationen: www.rheinverband.ch Zürich 31.5.-2.6.2016 Powertage 2016 - Messe und Fachforen: Messe der Schweizer Stromwirtschaft mit Vortragsveranstaltungen (d) Trägerschaft Powertage, in Zusammenarbeit mit dem SWV. Weitere Informationen: www.powertage.ch Luzern 30.5.–5.6.2016 13. Interpraevent-Kongress 2016: Leben mit Naturrisiken (e) Internationale Forschungsgesellschaft Interpaevent mit BAFU und Kanton Luzern. Weitere Informationen: http://interpraevent2016.ch Sursee 16./17.6.2016 KOHS-Weiterbildungskurs, 7. Kurs der 4. Serie: Revitalisierung von kleinen und mittleren Gewässern (d) Kommission Hochwasserschutz (KOHS) des SWV und BAFU. Weitere Informationen: www.swv.ch Zürich 22.6.2016 STK-Workshop: Schwemmholz an Hochwasserentlastungen von Talsperren (d/f) Schweizerisches Talsperrenkomitee (STK) mit VAW-ETHZ. Weitere Informationen und Anmeldung: www.vaw.ethz.ch

Ruppoldingen 23.6.2016 naturemade energie arena 16: Exkursion und Referate zum Aushängeschild Schweizer Wasserkraft (d) VUE zusammen mit Alpiq, VSE und SWV. Weitere Informationen: www.naturemade.ch

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Age nda

Wallgau (DE) 29.6.–1.7.2016 18. Wasserbausymposium: Wasserbau – mehr als Bauen im Wasser (90 Jahre VAW Obernach) (d) TU München, Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft. Weitere Informationen und Anmeldung: www.freunde. wb.bgu.tum.de Brig 1./2.9.2016 Wasserwirtschaftstagung mit 105. Hauptversammlung SWV: Wasserwirtschaft im Klimawandel (d/f) Bitte Termin reservieren. Weitere Informationen und Ausschreibung folgen im Frühsommer 2016: www.swv.ch Montreux 10.–12.10.2016 Hydro 2016 Conference and Exhibition: Achievements, opportunities and challenges of hydropower (e) Int. Journal on Hydropower and Dams, with support by SWV. More information: www.hydropower-dams.com Olten 15.11.2016 5. Hydrosuisse-Fachtagung 2016: Bau, Betrieb und Instandhaltung von Wasserkraftanlagen (d) Kommission Hydrosuisse des SWV. Bitte Termin reservieren. Programm und Ausschreibung folgen im Frühsommer 2016: www.swv.ch

nal workshop held at the Laboratory of Hydraulics, Hydrology and Glaciology of ETH Zurich from April 27 to 28, 2015. During the workshop, international knowledge and experience on SBT design and operation was exchanged, both from academia and engineering practice. (VAW)

Koordinierte biologische Untersuchungen im Hochrhein 2011/12 – Makroinvertebraten

L ite i te r atur VAW-Mitteilung Nr. 232: Proceedings 1st Intl. Workshop on Sediment Bypass Tunnels Publikation: September 2015; A4-Format; Herausgeber: Robert Boes (ed.), Versuchsanstalt für Wasserbau, VAW-Mitteilung 232, ETH Zürich, 258 Seiten. Kostenloser pdf-Download unter www.vaw.ethz.ch Description: Sediment Bypass Tunnels (SBTs) are hydraulic structures that gain in importance as a measure to counter reservoir sedimentation in view of the growing problem of rapid filling of worldwide storage basins and reservoirs with sediments. This communication booklet summarizes the topics presented and discussed at an internatio-

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Publikation: 2015; A4-Format; Herausgeber: Bundesamt für Umwelt, BAFU; Schriftenreihe Umweltzustand, Nr. UZ-1522-D; 130 Seiten, Kostenloser pdf-Download: www.bafu.admin.ch/UZ-1522-D Beschrieb: 2011 und 2012 fanden seit der ersten Kampagne 1990 zum fünften Mal koordinierte biologische Untersuchungen 81


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im Hochrhein statt. Der vorliegende Bericht behandelt die Besiedlung der Flusssohle mit wirbellosen Kleinlebewesen, den Makroinvertebraten. In zwei Kampagnen (Herbst 2011 und Frühjahr 2012) wurden hierzu neun Flussquerschnitte beprobt. Es zeigte sich, dass die Wirbellosen-Biozönose sich in den vergangenen sechs Jahren noch einmal entscheidend verändert hat. Eine vor rund zwanzig Jahren eingesetzte Ausbreitung von invasiven gebietsfremden Arten hat jetzt auch die oberen Hochrheinabschnitte erreicht. (BAFU)

Die Themen der «Wasserwirtschaft» 1–4-2016 • Die erste Schwall-Sanierung der Schweiz: Die Hasliaare als Fallbeispiel Steffen Schweizer, Stephanie Schmidlin, Martin Bieri, Peter Büsser, Matthias Meyer, Judith Money, Sandro Schläppi, Matthias Schneider, Diego Tonolla, Jeff Tuhtan, Kurt Wächter • Hydrologische, morphologische und sedimentologische Analysen als Grundlage für die Konzipierung von Schwall-Sunk-Massnahmen – Fallbeipiel Alpenrhein Christoph Hauer, Patrick Holzapfel, Helmut Habersack, Diego Tonolla • Diskussion hydrologischer, morphologischer und sedimentologischer Kriterien für die Implementierung möglicher Schwall-Sunk-Massnahmen Christoph Hauer, Patrick Holzapfel, Diego Tonolla, Helmut Habersack • Sanierung der Unteren Salzach − Renaturierung = Hochwasserschutz? Linda Heydeck, Michael Spannring, Peter Rutschmann • Fernwasserleitungen des Osmanischen Hauptarchitekten Sinan Ünal Öziş, Yalçın Arısoy, Yalçın Özdemir, Ahmet Alkan • Experimentelle Untersuchung von Murgängen und Mursperren Helmut Kulisch, Stefan Dirndorfer • Die Bewertung des ökologischen Zustandes von Gräben – ein Verfahrensvergleich Uta Langheinrich, Volker Lüderitz • Einfluss der Wiedervernässung eines Moores im Nationalpark Harz auf die Mobilität des gelösten organischen Kohlenstoffs (DOC) Katja Osterloh, Nadine Tauchnitz, Ines Wehner, Sabine Bernsdorf • Rhithrale fischökologische Zielerfül82

lung, Gewässerstruktur und Durchgängigkeit Klaus Träbing, Stephan Theobald Vergleichende Analyse des Fischabstiegs an drei Wasserkraftanlagen einer Kraftwerkskette Falko Wagner Der Fischlift am Gadmerwasser im Berner Oberland, Schweiz Matthias Meyer, Steffen Schweizer, Elena Andrey, Andres Fankhauser, Sandro Schläppi, Willy Müller, Martin Flück Nachhaltige Wasserversorgung in der indischen Megastadt Hyderabad – Aktuelle Probleme und Lösungsansätze für die Zukunft Benedikt Bader, Klaus Baier, Rafig Azzam Das Projekt Illerkraftwerk Au – Eine ökologisch verträgliche Wasserkraftanlage mit dynamischer Stauzielregelung Walter Fessler, Volker Wiegand, Bernd Brennauer, Michael Schuchert Analyse der Strömungsprozesse in unterirdischen Tiefspeichern von Pumpspeicherwerken mit Telemac2D Moritz Kreyenschulte, Elena Pummer, Holger Schüttrumpf Überlegungen zur Abschätzung der Wirtschaftlichkeit von Pumpspeicherkraftwerken Christoph Rapp, Andreas Zeiselmair, Andres Botero Halblaub Die irrtümliche Herleitung der Torricelli-Formel aus der Bernoulli-Gleichung Andreas Malcherek Statistische Bewertung der Hochwasserkoinzidenz zur Planung des technischen Rückhalts Markus Schulte, Andreas Schumann Einführung des Web Service XHydro zur harmonisierten Pegeldatenübertragung Jens Wilhelmi, Ulrich Barjenbruch Das hydraulische Laboratorium der TH Danzig Willi H. Hager Vom Potenzial kinetischer Wasserkraft zur Stromerzeugung – ein Praxisbericht Karl Reinhard Kolmsee, Marius Weckel Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte des Programms zum Hochwasserschutzbau in Oberösterreich Sebastian Goers, Friedrich Schneider, Horst Steinmüller, Andreas Zauner Hochwasserwellentransformation an

Rückhaltebecken am Beispiel der Speicher-Kaskade der Glatzer Neisse Ryszard Kosierb Entwicklung der Wasser- und Abwasserinfrastruktur in Polen im Zeitraum der Zusammenarbeit mit der EU Adam Piasecki, Włodzimierz Marszelewski Fremdwasserprognose für die Hachinger Kanalisation Andreas Raganowicz

Die Themen der «ÖWAW» 9–12-2015 und 1–2-2016 • Ökologische Bewertung unterschiedlicher Verwertungspfade von Altspeisefetten aus Haushalten in Österreich Ortner, M.E., Müller, W., Schneider, I., Bockreis, A. • Umweltauswirkungen der pyrolytischen Verkohlung Obersteiner, G., Sitter, M., Pertl, A., Huber-Humer, M. • Ökologischer Vergleich von Sammelsystemen für Leicht- und Metallverpackungen im Land Salzburg Beigl, P., Salhofer, S. • Abfallsammlung und -transporte: eine gesamtheitliche Umweltbetrachtung für Österreich Schwarz, T., Rübenbauer, W., Kreindl, G. • Integration von Orthofotos in die Abschätzung des Hochwasserschadenspotenzials Brenner, C., Apperl, B., Schulz, K. • Bodenfeuchtemessung durch Radarsatelliten: Aktuelle Entwicklungen zur Erfassung auf lokaler Ebene Bauer-Marschallinger, B., Naeimi, V., Wagner, W. • Schneedaten aus der Fernerkundung in der hydrologischen Modellierung – Anwendungsbeispiele in Österreich Komma, J., Parajka, J., Reszler, C., Stadler, H., Blöschl, G. • Gewässervermessung aus der Luft – Tiefenschärfe am Bodensee und die neuen Möglichkeiten der ökologischen Bewertung von Gewässern Steinbacher, F., Bodmer, T., Baran, R. • Distributed temperature sensing (DTS) als Messverfahren in Landoberflächenhydrologie und Siedlungswasserwirtschaft Apperl, B., Bernhardt, M., Schulz, K. • Das nutzbare Potenzial biologischer Siedlungsabfälle zur Erzeugung biobasierter Produkte – Beispiel Kompostwerk Kannengiesser, J.

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Redaktion Roger Pfammatter (Pfa) Direktor des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes (SWV) Layout, Redaktionssekretariat und Anzeigenberatung Manuel Minder (Mmi)

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Französische Übersetzung Editorial und SWV-Jahresbericht Rolf T. Studer ISSN 0377-905X Verlag und Administration SWV · Rütistrasse 3a · CH-5401 Baden Tel. +41 56 222 50 69 · Fax +41 56 221 10 83 www.swv.ch · info@swv.ch roger.pfammatter@swv.ch manuel.minder@swv.ch Postcheckkonto Zürich: 80-1846-5 Mehrwertsteuer-Nr.: CHE-115.506.846 Inseratenverwaltung Manuel Minder SWV · Rütistrasse 3a · 5401 Baden Tel. +41 56 222 50 69 · Fax +41 56 221 10 83 manuel.minder@swv.ch Preis Jahresabonnement CHF 120.–, zzgl. 2.5% MWST), für das Ausland CHF 140.–, Erscheinungsweise 4 × pro Jahr im März, Juni, September und Dezember; Einzelpreis Heft, CHF 30.–, zzgl. Porto und 2.5% MWST «Wasser Energie Luft» ist offizielles Organ des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes (SWV) und seiner Gruppen: Associazione Ticinese di Economia delle Acque, Verband Aare-Rheinwerke, Rheinverband und des Schweizerischen Talsperrenkomitees. Die publizierten Beiträge geben die Meinung der jeweiligen Autoren wieder. Diese muss sich nicht mit derjenigen der Redaktion oder der Verbände decken. Druck/Lektorat Binkert Buag AG Baslerstrasse 15 · CH-5080 Laufenburg Tel. +41 62 869 74 74 · Fax +41 62 869 74 80

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ein Portrait, von Walter Hauenstein,

benden Region, von Robert Meier,

von Hans Bodenmann und Roger

Seiten, Format A4, ISBN 978-1-138-

2010, 156 S. Format 17 × 24 mm,

2003, 207 S., Format 28.5 × 20.5 cm,

Pfammatter, ISBN 978-3-033-05079-

02676-6, CHF 50.–.

ISBN 978-3 85545-155-5, CHF 40.–.

ISBN 3-85545-129-X, CHF 60.–.

VS: Nr. 65, Wasserkraft – die erneu-

VS: Nr. 64, Ökologische (Teil A) und

VS: Nr. 63, Wasserbauer und Hyd-

VS: Nr. 62, Uferschutz und Raumbe-

erbare Energie, Beiträge des inter-

technisch/ökonomische Qualitäten

rauliker der Schweiz, Kurzbiografien

darf von Fliessgewässern/Protection

nationalen Symposiums vom 18./19.

der Wasserkraft, ecoconcept, Zürich

ausgewählter Persönlichkeiten, 2001,

des rives et espace vital nécessaire

Okt. 2001 in Chur, CHF 30.–.

und Schnyder Ingenieure AG, Otten-

von Daniel L. Vischer, CHF 50.–.

aux cours d’eau, 2001, Vorträge in

2, CHF 25.–.

bach, CHF 40.–.

Biel, CHF 40.–.

VS: Nr. 60, Externe Effekte der

VS: Nr. 59, Geschiebetransport und

VS: Nr. 57, Betrieb und Wartung von

VS: Nr. 54, Directives pour l’exploi-

Wasserkraftnutzung/Effets externe

Hochwasser/Charriage et crues,

Wasserkraftwerken, 1998, Bernard

tation et la maintenance des grou-

de l’exploitation des forces hydrauli-

Vorträge in Biel, 1998, CHF 50.–.

Comte, CHF 120.–.

pes hydroélectriques, 1995, Bernard

ques, 1999, CHF 50.–.

86

Comte, CHF 98.–.

«Wasser Energie Luft» – 108. Jahrgang, 2016, Heft 1, CH-5401 Baden


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