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Seeforellen-Laichtiere auf der Laichgrube 1 im Wychelbächli (Bild: KWO, Matthias Meyer)
14. September 2017
· Fischgängigkeit und -schutz bei Wasserkraftwerken · eDNA im Wasserbau · Gestaltung Gewässerräume · Wasserhaushalt Schweiz
Bestellen Sie unsere Verbandsschriften direkt unter: www.swv.ch Der Verband Aare-Rheinwerke 1915 bis 2015 – Rückblick auf ein Jahrhundert Wasserwirtschaft
Verbandsschrift 69 Herausgegeben vom Schweizerischen Wasserwirtschaftsverband zum 100-jährigen Bestehen des Verbandes Aare-Rheinwerke (VAR)
«100 Jahre VAR 1915–2015»
1
VS: Nr. 69, Der Verband Aare-Rhein-
VS: Nr. 68, Symposium CIPC KOHS
VS: Nr. 67, Der Schweizerische Was-
VS: Nr. 66, Die Engadiner Kraftwerke
werke 1915 bis 2015 – Rückblick auf
2014, Anton Schleiss, Jürg Speerli,
serwirtschaftsverband 1910– 2010,
– Natur und Technik in einer aufstre-
ein Jahrhundert Wasserwirtschaft,
Roger Pfammatter (Eds.), 2014, 214
ein Portrait, von Walter Hauenstein,
benden Region, von Robert Meier,
von Hans Bodenmann und Roger
Seiten, Format A4, ISBN 978-1-138-
2010, 156 S. Format 17 × 24 mm,
2003, 207 S., Format 28.5 × 20.5 cm,
Pfammatter, ISBN 978-3-033-05079-
02676-6, CHF 50.–.
ISBN 978-3 85545-155-5, CHF 40.–.
ISBN 3-85545-129-X, CHF 60.–.
VS: Nr. 65, Wasserkraft – die erneu-
VS: Nr. 64, Ökologische (Teil A) und
VS: Nr. 63, Wasserbauer und Hyd-
VS: Nr. 62, Uferschutz und Raumbe-
erbare Energie, Beiträge des inter-
technisch/ökonomische Qualitäten
rauliker der Schweiz, Kurzbiografien
darf von Fliessgewässern/Protection
nationalen Symposiums vom 18./19.
der Wasserkraft, ecoconcept, Zürich
ausgewählter Persönlichkeiten, 2001,
des rives et espace vital nécessaire
Okt. 2001 in Chur, CHF 30.–.
und Schnyder Ingenieure AG, Otten-
von Daniel L. Vischer, CHF 50.–.
aux cours d’eau, 2001, Vorträge in
2, CHF 25.–.
bach, CHF 40.–.
Biel, CHF 40.–.
VS: Nr. 60, Externe Effekte der
VS: Nr. 59, Geschiebetransport und
VS: Nr. 57, Betrieb und Wartung von
VS: Nr. 54, Directives pour l’exploi-
Wasserkraftnutzung/Effets externe
Hochwasser/Charriage et crues,
Wasserkraftwerken, 1998, Bernard
tation et la maintenance des grou-
de l’exploitation des forces hydrauli-
Vorträge in Biel, 1998, CHF 50.–.
Comte, CHF 120.–.
pes hydroélectriques, 1995, Bernard
ques, 1999, CHF 50.–.
II
Comte, CHF 98.–.
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
Editorial Zu Berg und zu Tal
D
Roger Pfammatter Geschäftsführer SWV, Directeur ASAE
er Bundesrat hat noch vor den Sommerferien die erwartete Revision des Wasserrechtsgesetzes in die Vernehmlassung geschickt. Damit kommt er dem gesetzlichen Auftrag nach, der Bundesversammlung einen Vorschlag zur Wasserzinsregelung nach 2019 zu unterbreiten. Solche Revisionen waren in der hundertjährigen Geschichte der Wasserzinse schon immer geprägt von harten politischen Auseinandersetzungen. Und die ersten Verlautbarungen lassen auch diesmal nichts anderes erwarten. Dabei geht es meist nur am Rande um eine angemessene Entschädigung für die Nutzung der Ressource Wasser. Es schwingen viele andere Geschichten aus dem kollektiven und oft selektiven Gedächtnis der föderalen Schweiz mit, beispielsweise diejenige zum Verhältnis zwischen Berg und Tal. Die notwendige Reform ist auch für den SWV, der sowohl Wasserzinszahlende wie auch Wasserzinsempfänger zu seinen Mitgliedern zählt, ein spannungsvolles Geschäft. Aus einer wasser- und energiewirtschaftlichen Perspektive ist allerdings klar, dass es nicht um das möglichst ausgiebige Füllen von Staatskassen gehen kann, weder bei den Standortkantonen/-gemeinden noch bei den Eigen-
tümerkantonen/–städten. Angesichts der gesamtschweizerischen Bedeutung der Wasserkraft für die Versorgungssicherheit müssen allzu einseitige Partikularinteressen, und seien sie auch noch so vehement vorgetragen, in den Hintergrund rücken. Gesucht ist eine faire Entschädigung für die Nutzung der Ressource Wasser, welche die Wettbewerbsfähigkeit der Wasserkraftproduktion nicht untergräbt. Der SWV befasst sich ja seit einiger Zeit mit einer zukunftsfähigen Neuregelung und hat die entsprechenden Erkenntnisse in «Wasser Energie Luft» publiziert (vgl. Heft 3-2016 und Heft 1-2017). Auch die nun vorliegenden bundesrätlichen Vorschläge hat der SWV eingehend analysiert und eine Stellungnahme erarbeitet (vgl. dazu Nachrichtenteil ab Seite 215 in diesem Heft). Fazit: ein fixer Wasserzins, der wie in der Vergangenheit auch noch ständig und mehr oder weniger nach Belieben angehoben wird, passt überhaupt nicht mehr zum geöffneten Strommarkt – auch nicht als Übergangslösung. Es ist Zeit, den Systemfehler zu korrigieren und eine marktpreisabhängige Bemessung einzuführen. Von einer wettbewerbsfähigen Wasserkraft profitiert schliesslich die ganze Schweiz, zu Berg und zu Tal.
A la montagne et à la vallée
Le Conseil fédéral a envoyé en consultation la révision attendue de la Loi sur l’utilisation des forces hydrauliques. Ce faisant, il respecte le mandat légal de soumettre à l’Assemblée fédérale une proposition sur le règlement de la redevance hydraulique après 2019. Dans l’histoire centenaire de la redevance, de telles révisions ont toujours été caractérisées par des affrontements politiques difficiles. Et les premiers communiqués ne présagent rien d’autre. La compensation adéquate pour l’utilisation de la ressource eau n’est généralement qu’au bord des revendications. Beaucoup d’autres histoires proviennent de la mémoire collective et souvent sélective de la Suisse fédérale, par exemple dans les rapports entre la montagne et la vallée. La réforme nécessaire est une opération de tensions également pour l’ASAE, qui compte parmi ses membres à la fois des payeurs et des récepteurs de la redevance hydraulique. Sur le plan hydraulique et énergétique, il est évident qu’il ne s’agit pas de remplir au maximum les caisses publiques. Les intérêts particuliers unilatéraux, même mis devant la scène
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
avec véhémence, devraient être recalés en arrièreplan lors de l’élaboration de ces conditions-cadres favorable à l’atout en matière de politique énergétique de la Suisse. Ainsi, ce qui est recherché est une compensation équitable de l’utilisation de la ressources eau dans des conditions de marché tout en assurant la compétitivité de la production hydroélectrique. L’ASAE travaille depuis un certain temps sur une réglementation axée sur l’avenir et a présenté les conclusions correspondantes dans «Eau énergie air» (cf. numéro 3-2016 et numéro 1-2017). L’ASAE a également analysé en détails les propositions soumises du Conseil fédéral et a préparé une prise de position (cf. nouvelles dès la page 215 de ce numéro). En résumé, une redevance fixe, qui comme par le passé est constamment augmentée, ne convient plus au marché libre de l’électricité, comme solution transitoire non plus. Il est temps de corriger cet erreur du système et d’introduire une mesure dépendante du prix du marché. Au final, toute la Suisse bénéficie d’une énergie hydraulique compétitive, à la montagne et à la vallée.
III
Inhalt
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Sanierung der Fischgängigkeit bei grossen Flusskraftwerken der BKW an der Aare – Planungsphase und Variantenstudium Carl Robert Kriewitz, Daniel Marbacher, Daniel Bernet
155
Schutzmassnahmen und Monitoring zur Seeforelle im Zuge der Räterichsbodensee-Entleerungen 2014/15 und 2016 Matthias Meyer, Steffen Schweizer, Peter Büsser, Daniel Göz, Andreas Funk, Willy Müller, Martin Flück, Sandro Schläppi, Jan Baumgartner, Kristof Reuther, Kurt Wächter, David Tanno
163
Umwelt-DNA (eDNA) – Molekularbiologie erobert Arten-, Gewässer- und Naturschutz Jonas Zimmermann, Joachim Hürlimann
173
Gewässerraum als politischer Zankapfel – Eine Medienanalyse der Berichterstattung zum Gewässerraum in den Kantonen Aargau, Bern und Wallis Valentin Zimmermann, Helena Zemp, Norbert Kräuchi, Matthias Buchecker
181
Wie soll die Wigger in der Region Zofingen in Zukunft gestaltet werden? Sozialräumliche Optimierung des planerischen Leitbilds durch eine Bevölkerungsbefragung Stefanie Müller, Matthias Buchecker, Raphael Gauss, Tobias Buser, Martina Bestel, Sebastian Hackl, Daniela Bächli, Norbert Kräuchi
191
1.1 Millionen Menschen leben in der Schweiz in Hochwassergebieten Markus Mosimann, Luzius Thomi, Veronika Röthlisberger, Margreth Keiler
149
157
174
197
Der Einfluss von Schneedeckeneigenschaften auf die Abflussgenerierung während Regen-auf-Schnee-Ereignissen Sebastian Würzer, Tobias Jonas
185
IV
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
Inhalt
3l2017
Wasserhaushalt der Schweiz 2.0 – Eine validierte, modellgestützte Methode für die Bilanzierung der Wasserressourcen der Schweiz Massimiliano Zappa, Katharina Liechti, Mattias Deller, Martin Barben
203
Wasserhaushalt der Schweiz im Jahr 2016 – Einordnung und Besonderheiten Katharina Liechti, Martin Barben, Massimiliano Zappa
213
Nachrichten Politik Energiewirtschaft Wasserkraftnutzung Umwelt-/Landschaftsschutz Naturgefahren Veranstaltungen Agenda Literatur
215 53 215 216 218 219 220 222 222 223
Branchen-Adressen
227
Impressum
228
200
213
219
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
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«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
Sanierung der Fischgängigkeit bei grossen Flusskraftwerken der BKW an der Aare – Planungsphase und Variantenstudium Carl Robert Kriewitz, Daniel Marbacher, Daniel Bernet
Zusammenfassung: Die Sanierung von Wasserkraftanlagen im Rahmen des revidierten Gewässerschutzgesetzes (GSchG) ist nach Abschluss der kantonalen Planungen 2014 angelaufen. Für viele Betreiber sind die Prozesse noch neu. Mit dem vorliegenden Artikel teilen wir unsere Erfahrungen bei den Planungsarbeiten für die Kraftwerke der BKW Energie AG (BKW) und ihrer Partner an der Aare unterhalb des Bielersees. Für Kraftwerksanlagen, welche zur Sanierung der Fischgängigkeit verfügt wurden, steht im Vorprojektstadium am Anfang des Sanierungsprozesses die Durchführung eines Variantenstudiums. Dieses wird im Minimum durch kantonale Fachstellen begleitet. Wir möchten als BKW eine transparente Kommunikation pflegen und haben deshalb zusätzliche Akteure zur Begleitung unserer Variantenstudien eingeladen. Der partizipative Prozess wurde schliesslich durch kantonale und Bundesbehörden, Umweltschutzorganisationen und Fischereiverbände begleitet. Unsere Erfahrungen zeigen, dass der erhöhte organisatorische Aufwand sowohl die fachliche Qualität der Projekte steigert als auch die Bildung eines gemeinsamen Prozess- und Projektverständnisses zwischen uns und den anderen Akteuren sehr positiv beeinflusst. 1. Einleitung Die Revision der Gewässerschutzgesetzgebung aus dem Jahr 2011 hat zum Ziel, die Gewässer zu renaturieren und als aquatische Lebensräume aufzuwerten. Die Gewässer sollen wieder mehr Raum erhalten und die negativen Auswirkungen der Stromproduktion aus Wasserkraft, insbesondere hinsichtlich der freien Fischwanderung, der Schwall-Sunk-Effekte sowie des Geschiebetriebs, sollen gemindert werden. Bis Ende 2014 hatten die zuständigen kantonalen Fachstellen die Aufgabe, die Beeinträchtigungen der einzelnen Wasserkraftwerke zu erfassen, ihre Sanierungspflicht abzuklären und Sanierungsmassnahmen sowie deren Umsetzungsfristen zu definieren. Daraus ist der BKW als Wasserkraft-Betreibergesellschaft die Pflicht erwachsen, vierzehn Fassungen bezüglich Fischaufstieg und dreizehn Anlagen hinsichtlich Fischabstieg zu sanieren. An sechs Anlagen werden Massnahmen zur Verbesserung des Geschiebetransports nötig. An drei bis vier Anlagen sind die negativen Auswirkungen von Schwall/Sunk zu reduzieren. Die BKW ist bestrebt, die Sanierungspflichten zeitnah umzusetzen. Sie hat dementsprechend mit den Planungsarbeiten begonnen. Eine erhebliche Anzahl der zu sanierenden Anlagen stellt nicht nur hinsicht-
lich technischer Lösungsansätze grosse Herausforderungen dar. Auch die Einbindung aller Akteure und die Koordination im Sinne einer betreiberübergreifenden und gewässerorientierten Optimierung der Anlagen sind äusserst anspruchsvoll. Aus diesem Grund werden Sanierungsmassnahmen der BKW-Aare-Wasserkraftwerke unterhalb des Bielersees im Rahmen eines Gesamtmigrationskonzepts zeitparallel angegangen. Es ergeben sich dadurch Synergien während der Planungs- und der Realisierungsphase.
Bild 1. Das Laufkraftwerk «WKW Bannwil» an der Aare. Die Sanierungspflicht zur Wiederherstellung der Fischwanderung an den Aare-Kraftwerken unterhalb des Bielersees wurde im Rahmen der Interkantonalen Aareplanung festgelegt [1]. Die drei Anrainerkantone Aargau, Bern und Solothurn haben darin die Sanierungsmassnahmen entlang der Aare unterhalb des Bielersees gegenseitig koordiniert und aufeinander abgestimmt, um eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen [9]. Alle Kraftwerke wurden im Hinblick auf die flussaufwärts und flussabwärts gerichtete Fischwanderung als sanierungspflichtig eingestuft. Das Vorgehen zur Sanierung der Fischwanderhilfen an Aare-Kraftwerken orientiert sich an einheitlichen Grundsät-
Bild 2. Die Projektkraftwerke Brügg, Bannwil und Wynau/Schwarzhäusern an der Aare unterhalb des Bielersees.
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
149
zen [5]. Dabei werden zuerst die Anlagen der Prioritätsgewässer, also der grossen Zubringer wie der Aare, saniert und von dort ausgehend das Gewässersystem nach oberstrom erschlossen. Die Sanierungsetappen beinhalten bei der BKW demnach im ersten Schritt die Wasserkraftwerke unterhalb des Bielersees (Sanierung Aare Teil I), im zweiten Block die WKW Aarberg, Niederried Radelfingen und Mühleberg oberhalb des Bielersees (Sanierung Aare Teil II) und im Anschluss die Anlagen im Oberland also z. B. an Kander und Simme (Sanierung Oberland). Im folgenden Artikel stellen wir die Planungsarbeiten mit Variantenstudium zur Wiederherstellung der Fischwanderungen an den Anlagen Brügg (BIK), Bannwil (BKW) und Wynau/Schwarzhäusern (Onyx) vor (Sanierung Aare Teil I). 2. Partizipativer Prozess Bereits in der frühen Planungsphase des Sanierungsprojekts ist die BKW als Betreiberin bestrebt, die betroffenen Akteure miteinzubeziehen. Die BKW ist überzeugt, dass durch den frühzeitigen Interessensabgleich mit den Stakeholdern optimierte Lösungen gefunden werden und dass sich frühzeitig eine breit abgestützte Akzeptanz für die geplanten Massnahmen erarbeiten lässt. Die Planungsphase wird in einem partizipativen Prozess durch diverse Fachstellen, Fischereiverbände und Umweltorganisationen begleitet (Bild 3). Der fachliche Austausch erfolgt im Rahmen von Sitzungen, Ortsterminen und Mitwirkungsgelegenheiten. Zentrale Bedeutung bei der Einbindung aller Akteure hatte die Bildung einer Projekt- und einer Begleitgruppe. Die Projektgruppe beinhaltete einen kleinen Kreis von Experten, die in regelmässigen Sitzungen über den Fortschritt der Arbeiten in-
formiert wurden und ihr fachliches Wissen einbrachten. Die Begleitgruppe umfasste alle beteiligten Akteure und diente der breiten Informationsvermittlung sowie der Sammlung fachlicher Rückmeldungen. Zudem wurden im Rahmen von Begehungen alle Projektkraftwerke besichtigt, sodass alle Akteure Anlagenkenntnisse erwerben konnten. Wir können den Wert eines solchen Prozesses nicht genug unterstreichen. Die durchwegs positiven Rückmeldungen sind darauf zurückzuführen, dass der Informationsfluss zwischen allen Akteuren verbessert wurde und ein sehr wertvoller fachlicher Austausch stattfand. Die Qualität der Projektergebnisse konnte dadurch gesteigert werden. Die Ergebnisse rechtfertigen den zusätzlichen Zeitaufwand. 3. Sanierung Fischgängigkeit Die Aare besitzt als längster innerhalb der Schweiz verlaufender Fluss sowie als wasserreichster Zufluss des Rheins eine zentrale Bedeutung für die Fischwanderung. Sie wurde im Rahmen der Sanierung Wasserkraft der revidierten Gewässerschutzgesetzgebung als Prioritätsgewässer deklariert. Aus diesem Grund erfolgte die Einstufung der Aare-Kraftwerke in die fachliche Prioritätsstufe «Prio I» (sehr hoch). Die Sanierungsmassnahmen sind deshalb sehr zeitnah umzusetzen. Massnahmen zum Fischaufstieg müssen bis 2020 geplant und ihre Umsetzung muss begonnen haben. Die Prüfung von Massnahmen für den Fischabstieg ist grundsätzlich bis 2025 durchzuführen [6]. Eine Ausnahme bildet das WKW Brügg. Aufgrund des verhältnismässig geringen Ausbaudurchflusses von 220 m3/s ging man davon aus, dass Abstiegsmassnahmen für dieses WKW bereits bis 2020 geprüft und projektiert werden können.
Bild 3 . Akteure der partizipativen Projektorganisation. 150
Sämtliche Anlagen verfügen über bestehende Fischaufstiegshilfen (FAH), nicht aber über dedizierte Fischabstiegsmassnahmen (FAM). Die Situation der Fischgängigkeit wurde in der Vergangenheit umfangreich durch Zählungen und Expertisen wie z. B. koordinierte Aufstiegskontrollen dokumentiert [4]. Grundsätzlich zeigt sich, dass die Fischaufstiegszahlen an der Aare in den letzten Jahrzehnten rückläufig sind und zudem starke Schwankungen zwischen den Jahrgängen und bei der Zusammensetzung der auftretenden Spezies aufweisen. Dies erschwert die Interpretation der Funktionstüchtigkeit und Einschätzung des Sanierungsbedarfs von FAH allein auf Grundlage der Aufstiegszahlen. Neben der Längsvernetzung scheinen sich andere Faktoren wie der lokale Mangel an Laichplätzen und Lebensraumstrukturen massgebend auf den Fischbestand auszuwirken. Zudem wird die Zunahme an Neozoen, hauptsächlich bei den Wirbellosen, und eine damit verbundene Verdrängung einheimischer Arten beobachtet [8]. Im Rahmen der Variantenstudien wurden für ein breites Spektrum an Massnahmentypen die hydraulische Bemessung der Anlagenkonzepte und die Planunterlagen, die zu erwartenden Kosten sowie Empfehlungen zu Bestvarianten ausgearbeitet. 3.1 Umfang Variantenstudium Die Variantenstudien umfassten verschiedene Sanierungs- und Neubaukonzepte zur Verbesserung der Fischgängigkeit. In erster Linie wurden die räumlichen Gegebenheiten, die Linienwahl, die optimalen Ein- und Ausstiegsstellen und die geeigneten Wanderhilfstypen ausgelotet. Fischaufstiegsmassnahmen wurden prioritär geplant. Die Massnahmenplanung für den Fischabstieg erfolgte jedoch parallel. Dies mit der Absicht, sowohl Synergieeffekte als auch Konflikte oder Abhängigkeiten mit den Sanierungsmassnahmen für den Fischaufstieg frühzeitig zu erkennen bzw. zu vermeiden. Koordinationsbedarf besteht vor allem deshalb, weil mit der Linienführungen der neuen Fischaufstiegsanlagen potenzielle Standorte von Leit- oder Schutzrechensysteme der Fischabstiegshilfen im Oberwasser zwingend umgangen werden müssen. Neben baulichen Massnahmen wurden auch die Auswirkungen betrieblicher Anpassungen betrachtet. Im Rahmen dieser Analysen erfolgte die Berechnung der Überlebensraten bei der Passage durch die aktuell vorhandenen Turbinen
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
anhand der gängigsten physikalisch-deduktiven und empirisch-induktiven Prognosemodelle (von Raben, Monten, Turnpenny sowie Larinier & Dartiguelongue und Ebel in [2]). Es konnten so die Auswirkungen der Turbinenpassage für verschiedene Arten und Grössenklassen sowie des Teillastbetriebs abgeschätzt werden. 3.2 Koordinationsbedarf Die Konzeptionierung der Fischgängigkeit muss in den meisten Fällen mit einer Reihe anderer Projekte koordiniert werden. Dazu zählen Sanierungsmassnahmen zur Reaktivierung des Geschiebehaushalts oder Revitalisierungsprojekte an der Aare [6]. Bei Wasserkraftwerken der BKW oberhalb des Bielersees waren teilweise auch Massnahmen zur Sanierung der Restwassersituation und zur Dämpfung der Schwall-Sunk-Problematik ein Thema. Das ist jedoch bei den BKW-Aare-Kraftwerken unterhalb des Bielersees nicht der Fall. Ferner sind die Planungen generell
mit anderen Infrastrukturanlagen im Nahbereich der Kraftwerke und mit allfälligen Vorgaben des Hochwasserschutzes abzustimmen. Zusätzlich kommen sehr häufig denkmalpflegerische Aspekte zum Tragen. Insbesondere bei historischen Bauwerken wie beispielsweise dem WKW Schwarzhäusern, welches bereits ab 1896 erstmals Strom produzierte, sind Eingriffe in die Gebäudestruktur sorgfältig mit den Anforderungen des Heimatschutzes abzustimmen. Diese Abstimmung ist aus Sicht des Betreibers anspruchsvoll. Es existieren Projekte, bei denen sich die Ansichten des Denkmalsschutzes mit der Bestvariante aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht widersprechen. Deshalb ist auch hier die frühzeitige partizipative Vorgehensweise und Einbindung der zuständigen Fachstellen wichtig. Schliesslich sind die Anforderungen des Betriebs im Zuge des Variantenstudiums angemessen zu berücksichti-
gen. Die Aspekte eines unterhaltsarmen und wartungsfreundlichen Betriebs und damit die Verfügbarkeitssicherheit sowie die weitestgehende Vermeidung von Betriebsausfällen in der Stromproduktion sind von hoher Bedeutung. 3.3 Voruntersuchungen Für die Feststellung der optimalen Einstiegspositionen der Fischaufstiegshilfen wurden an allen Kraftwerken die Fliessgeschwindigkeiten im Unterwasser der Turbinenausläufe mittels ADCP-Sonden (Ultraschall-Doppler-Strömungsmesser) vermessen. Ziel der Vermessung der Geschwindigkeitsfelder war die Bestimmung der hydraulischen Bedingungen, die Fische bei der Annäherung an den Einstieg erleben. Die wichtigsten Faktoren sind dabei die maximale mittlere Fliessgeschwindigkeit im Annäherungskorridor sowie die Bestimmung transversaler und vertikaler Fliessgeschwindigkeiten. Erstere zeigen mögliche hydraulische Barrie-
Bild 4 . Messquerschnitt und Konturplot der absoluten mittleren Fliessgeschwindigkeiten unterstrom des Kraftwerks Bannwil an der Aare. «Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
151
ren auf, wobei ein Grenzwert von 1.4 m/s laut [2] nicht überschritten werden sollte. Wird der Grenzwert überschritten, ist aus Sicht des aufstiegswilligen Fisches mit erschwerten Bedingungen bei der Annäherung an den Einstieg zu rechnen. Zur Untersuchung kamen pro Kraftwerk jeweils zwei Abflussszenarien. Diese lagen im Spektrum zwischen dem Q30 und Q330, also bei Abflüssen, die im langjährigen Mittel nur an je 30 Tagen im Jahr überschritten bzw. unterschritten werden. Gemäss Vorgaben der Interkantonalen Aareplanung ist dies der Abflussbereich, in dem die Funktionsfähigkeit einer FAH sichergestellt sein muss (d. h. an mindestens 300 Tagen). Pro Messkampagne wurden 4 bis 5 Profile im Unterwasser des Kraftwerks vermessen. Für das erste Szenario wurden Abflüsse leicht höher als das Q330 angestrebt. Ziel war es, Informationen über die Strömungsverhältnisse bei geringen Wasserspiegellagen und Abflüssen zu sammeln. Der zweite angestrebte Abflusszustand lag im Bereich des Ausbaudurchflusses der Anlagen. In der Regel fallen bei diesem Betriebsregime der kraftwerksnah höchste Abfluss mit der korrespondierend geringsten Wasserspiegellage überein.
Das bedeutet, dass die Fliessgeschwindigkeiten im kraftwerksseitigen Annäherungskorridor maximal sind. Sobald der Abfluss im Gerinne weiter zunimmt und zusätzlich zum Kraftwerksabfluss auch die Wehrfelder betrieben werden, steigt die Wasserspiegellage im Unterwasser und der Abflussquerschnitt in der Kraftwerksabströmung nimmt zu. In der Konsequenz nehmen allgemein die mittleren und maximalen Fliessgeschwindigkeiten unterstrom der Turbinen ab. Bild 4 zeigt im Beispiel den Blick in das Unterwasser des WKW Bannwil mit dem Kraftwerkauslauf links. Blau gekennzeichnet ist der Profilverlauf einer Geschwindigkeitsmessung. Im unteren Teil der Abbildung ist der dazugehörige Konturplot der mittleren absoluten Fliessgeschwindigkeiten abgebildet. Die farbig ausgezogenen Linien kennzeichnen die pro Überfahrt des Messbootes gemessenen tiefengemittelten Fliessgeschwindigkeiten. Die drei rot eingefärbten Areale im linken Bildbereich kennzeichnen jeweils die Abströmung unterstrom einer der drei Turbinen. Dort treten unmittelbar unterhalb des Saugschlauches lokal konzentriert mit über 2 m/s sehr hohe Fliessgeschwindigkeiten auf. Im Bereich der Trennpfeiler und
der Ufermauer links werden deutlich geringere Fliessgeschwindigkeiten gemessen. Die Spitzen sind demnach nur lokal ausgeprägt. In diesem Beispiel ist es Fischen demnach möglich, die Einstiege zur Aufstiegsanlage in der Ufermauer zu erreichen. Im rechten, grün eingefärbten Bildbereich befinden wir uns direkt unterstrom der geschlossenen Wehrfelder. Hier kann man von einer Ruhewasserzone ohne massgebende Fliessgeschwindigkeit sprechen. Insbesondere rheophile, also strömungsliebende, Arten meiden solche Bereiche. Im Fall des Kraftwerks Bannwil mit nur 30 Tagen Wehrüberfall im Jahr bietet sich die Platzierung eines rechtsseitigen Einstiegs also nicht an. Die Ergebnisse der Untersuchungen an den drei Kraftwerken unterhalb vom Bielersee bestätigten für zwei Kraftwerke (WKW Brügg und WKW Wynau) die Eignung der aktuellen Positionen der Einstiege. Am WKW Bannwil hingegen wurden für den Ausbauabfluss Fliessgeschwindigkeiten ermittelt, die für schwimmschwache Arten problematisch sein könnten. Hier wurde deshalb die Anbindung eines zweiten, weiter unterstrom gelegenen Einstiegs vorgeschlagen und projektiert.
Bild 5. Übersicht des WKW Bannwil mit Verlauf der Aufstiegsvarianten (grün), der Abstiegsvarianten (blau) und der Module (grau). 152
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
4.
Variantenstudium Fischaufstieg Da entlang der Aare fast 30 Fischarten vorkommen, sind die Anforderungen an die optimale Ausgestaltung einer FAH entsprechend umfangreich. Im Rahmen der Interkantonalen Aareplanung [5] einigte man sich darauf, als Bemessungsfischarten stellvertretend für das breite Artenspektrum zum einen Grosssalmoniden wie den Langstreckenwanderer Lachs sowie die bodenorientierte Mitteldistanzwanderin Barbe festzulegen. Entsprechend sind Aufstiegshilfen einerseits geometrisch so auszulegen, dass adulte Grosssalmoniden (Zielgrösse 1 m) ausreichende Platzverhältnisse zum Aufstieg vorfinden, und andererseits ist die hydraulische Auslegung mit einem maximalen Beckenabsturz von 0.13 m so zu wählen, dass schwimmschwächere Arten wie Barben nicht überfordert werden. Grundsätzlich wurden, entsprechend der Behördenvorgaben, im Rahmen des Variantenstudiums sämtliche als machbar einzustufende Varianten ausgearbeitet. Hintergrund dieses Vorgehens war es, nicht zu früh im Projekt Varianten durch den Planer verwerfen zu lassen, die noch nicht durch den Expertenkreis in Projekt- und Begleitgruppe begutachtet wurden. Natürlich fand die Bearbeitung nicht bei allen Varianten mit derselben Tiefe statt. Vielmehr erfolgte vor allem im Projektteam im stetigen, partizipativen Begleitprozess die Bildung eines gemeinsamen Planungsziels. Bei ökologisch und ökonomisch vielversprechenden Varianten wurde das Variantenstudium vertieft. Der Variantenumfang lässt sich in drei Kategorien gliedern:
1. Sanierungsvarianten mit (Teil-)Nutzung der bestehenden Bausubstanz 2. Technische oder naturnahe Neubauvarianten 3. Umgehungsgerinne Das WKW Bannwil dient im Folgenden als Beispiel, an dem die Überlegungen im Variantenstudium dargelegt werden. Zusammen mit dem Projektteam und der Begleitgruppe wurden die verschiedenen Prüfvarianten festgelegt. Insgesamt wurden fünf Aufstiegshilfen und vier Abstiegsmassnahmen beurteilt (Bild 5). Zudem wurden weitere fünf Aufstiegsmodule im Variantenstudium beschrieben. Diese Module können optional zur Aufwertung der Basisaufstiegsvarianten umgesetzt werden. So ist es beispielsweise möglich, mittels Sohlrampen die Einstiegsbedingungen an einigen Aufstiegsvarianten zu verbessern. Die geprüften Aufstiegsvarianten beinhalten: • die Bestandssanierung des bestehenden Fischpasses • den Neubau eines Vertikalschlitzpasses (VSP) auf der Kraftwerksseite • den Neubau eines VSP auf der Wehrseite • den Neubau eines Doppelfischliftes mit Teilnutzung der bestehenden Bausubstanz sowie • den Neubau eines Umgehunggerinnes In einer detaillierten Beurteilungsmatrix wurden die Eigenschaften der jeweiligen FAH erfasst und bewertet (Tabelle 1). Dabei wurden die sechs Kriterien Ökologie, Unterhalt, Kosten, Koordination, Energieproduktion und Funktion beurteilt. Die Punktzahl errechnete sich unter Gewichtung der Kriterien «Ökologie» und «Funk-
tion» mit jeweils 25 %, während die übrigen Kriterien mit jeweils 12.5 % einflossen. Diese Beurteilungsmatrix, in Kombination mit der in der Projektgruppe gemeinsam erarbeiten Einschätzungen zum fischbiologischen Nutzen und zur Verhältnismässigkeit der einzelnen Varianten bildete die Entscheidungsgrundlage für die Nennung einer Variantenempfehlung. Für das WKW Bannwil ergab das Variantenstudium den Neubau eines Vertikalschlitzpasses auf der Kraftwerksseite als Bestvariante für den Fischaufstieg. Es wurde weiter empfohlen, diese Variante durch den Bau eines zweiten, weiter unterstrom gelegenen Einstiegs, einer Sohlrampe zur Anbindung des Haupteinstiegs an den Gewässergrund, sowie einer Lockstrompumpe aufzuwerten. Trotz der beträchtlichen Gewässerbreite der Aare am WKW Bannwil wurde die Ausführung eines zusätzlichen Fischpasses auf der rechten Uferseite nicht empfohlen, da: • die lokalen hydromorphologischen Bedingungen aufgrund eines Unterwasserplateaus mit niedrigen Fliessgeschwindigkeiten ungünstig bezüglich der Auffindbarkeit sind • die geringe Zahl der Tage mit Wehrüberfall zu ungenügend ausgeprägten Lockströmungsverhältnissen führt sowie • in diesem Bereich durch die generell geringen Fliessgeschwindigkeiten erhöhte Verluste an den aufstiegswilligen Fischen durch fischfressende Vögel zu erwarten wären Auch für die WKW Wynau/ Schwarzhäusern und Brügg wurde der (Teil-)Neubau von Vertikalschlitzpässen
Tabelle 1. Bewertungstabelle Variantenstudium Bannwil – Synthese der Wertungen. «Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
153
mit den Vorgaben der Interkantonalen Aareplanung empfohlen. 5. Stand Arbeiten Fischabstieg Für grosse Flusskraftwerke existieren noch keine wirksamen Systeme für den aktiven Fischabstieg, die einem Prototypniveau entsprechen oder gar auf Stand der Technik sind [3]. Die Anforderungen für einen umfassenden Schutz aller Aare-Fischarten beim Fischabstieg bei gleichzeitiger Betriebssicherheit trotz Geschiebe- und Schwemmholztrieb sowie verhältnismässigen Produktionseinbussen und Kosten werden aktuell von keinem System erfüllt. Allerdings wird bereits seit einiger Zeit in der Schweiz aber auch international nach Lösungen geforscht (z. B. www.forum-fischschutz.de; https://www.swv.ch/ Portrait/Verbandsgruppen/Aare-Rheinwerke/Projekt-Fischabstieg). Es kommen vorrangig folgende Systeme infrage: • physische Barrieren – Rechensysteme mit geringem Stababstand, die das Durchschwimmen verhindern • mechanische Verhaltensbarrieren – Rechensysteme mit mittlerem Stababstand und ausgeprägter Verhaltensbeeinflussung • sensorische Verhaltensbarrieren – Scheuchanlagen, basierend auf optischen, elektrischen, akustischen und/ oder anderen Reizgebern • fischschonende Turbinen – Turbinen, die sehr hohe Überlebensraten bei der Passage ermöglichen Die im Variantenstudium durchgeführten Arbeiten zur Planung von Abstiegshilfen erfüllen die Aufgabe, zum heutigen Zeitpunkt einen zukunftssicheren Variantenentscheid für den Fischaufstieg zu treffen. Es wird gewährleistet, dass keine Konfliktpositionen zwischen den FAH- und FAM-Varianten entstehen, die die bauliche Umsetzung der Sanierung des Fischabstiegs verunmöglichen würden. Aktuell wird am WKW Bannwil im Sinne eines Fallbeispiels eine vielversprechende Fischabstiegsmassnahme (BarRack-Leitrechen) im Rahmen eines technischen Vorprojekts vertieft abgeklärt. Es handelt sich dabei um ein Folgeprojekt zum abgeschlossenen Forschungsprojekt «Gewährleistung eines schonenden Fischabstiegs an grösseren mitteleuropäischen Flusskraftwerken», welches vom Verband Aare Rheinwerke (VAR) lanciert und in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich (Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie, VAW, und Wasserforschungsinstitut eawag) durchgeführt wurde [7]. 154
6. Fazit und weiteres Vorgehen Die Variantenstudien an den drei Projektkraftwerken wurden durch einen breiten Expertenkreis begleitet. Es war damit früh im Projekt möglich, sowohl die kritische Redaktion der vorgeschlagenen Varianten einzubinden als auch zusätzliche Lösungsansätze aufzunehmen. Wir konnten damit die notwendige Tiefe und breite Abstützung der gewählten Bestvarianten sicherstellen. Die Planung von Sanierungsmassnahmen an grossen Wasserkraftwerken unter Einbeziehung aller Interessengruppen im Rahmen eines partizipativen Prozesses verursacht hohen organisatorischen Aufwand. Wir konnten allerdings feststellen, dass dieser Mehraufwand erhebliche fachliche Mehrwerte schafft und massgebend zu einem gemeinsamen Projektverständnis aller beteiligten Parteien führt. Wir gehen deshalb davon aus, dass in den kommenden Projektphasen (Bewilligungs- und Bauprojekte) weniger Aufwand zur Koordination der Akteure notwendig und somit der initial erhöhte Projektumfang ausgeglichen wird. Erste Früchte dieses Vorgehens konnten bereits geerntet werden. Die Variantenstudien der drei Projektkraftwerke wurden bei der konzessionsgebenden Behörde (Amt für Wasser und Abfall des Kantons Bern) eingereicht und ohne die Notwendigkeit für grössere Nacharbeiten zur materiellen Prüfung an das BAFU weitergeleitet. Zum Zeitpunkt des Verfassens des vorliegenden Artikels lagen allerdings noch keine Rückmeldungen zu den vorgeschlagenen Sanierungsvarianten vor.
[5] Interkantonale
Aareplanung:
Strategi-
sche Planung Sanierung Fischgängigkeit, Fischwanderhilfen bei Aare-Kraftwerken, Einheitliche Grundsätze der Kantone. Version 1.1. 15.08.2014 [6] Interkantonale Aareplanung: Objektblätter – Fischwanderhilfen bei Aare-Kraftwerken. Stand September 2014 [7] Kriewitz, C.R. (2015). Leitrechen an Fischabstiegsanlagen: Hydraulik und fischbiologische Effizienz, VAW-Mitteilungen 230, Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW), (R. M. Boes, ed.), ETH Zürich, Schweiz [8] Rey, P., Ortlepp, J., Werner, S., Mürle, U., Becker, A., Hesselschwerdt, J. (2013). Koordinierte biologische Untersuchungen an der Aare zwischen Bielersee und Rhein 2011–2013. Fachbericht zum Untersuchungsprogramm zuhanden der Gewässerschutz- und Fischereifachstellen der Kantone Aargau, Bern und Solothurn. 153 S [9] Jordi, B. (2015). Vielfältige Vorteile der Zusammenarbeit – Interkantonale Planung für eine ökologische Aufwertung der Aare. «Wasser Energie Luft». Heft 4: 285–292. Anschrift der Verfasser Carl Robert Kriewitz BKW Energie AG, BKW Engineering Viktoriaplatz 2, CH-3013 Bern robert.kriewitz@bkw.ch Daniel Marbacher BKW Energie AG, Hydraulische Kraftwerke Viktoriaplatz 2, CH-3013 Bern daniel.marbacher@bkw.ch Daniel Bernet Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern, Fischereiinspektorat, Schwand 17, CH-3110 Münsingen
Literatur
daniel.bernet@vol.be.ch
[1] Bernet, D., Burger, S., Dürrenmatt, R., Harder, U., Vollenweider, S. (2014). Interkantonale Planung Aare – Koordinationsbericht zur strategischen Planung nach Gewässerschutzgesetz der Kantone Aargau, Bern und Solothurn. Dezember 2014. [2] DWA-M 509 (2014). Fischaufstiegsanlagen und fischpassierbare Bauwerke – Gestaltung, Bemessung, Qualitätssicherung. [3] Ebel, G. (2013). Fischschutz und Fischabstieg an Wasserkraftanlagen – Handbuch Rechen- und Bypasssysteme. [4] Guthruf, J. (2006). Koordinierte Fischaufstiegskontrollen an den Aare-Kraftwerken zwischen Solothurn und der Mündung in den Rhein. Gutachten im Auftrag des Amtes für Umwelt des Kantons Solothurn, des Amtes für Wald, Jagd und Fischerei des Kantons Solothurn, der Sektion Jagd und Fischerei, BVU des Kantons Aargau, und der Abt. Landschaft und Gewässer, BVU des Kantons Aargau: 99 S. + 44 S. Anhang «Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
Schutzmassnahmen und Monitoring zur Seeforelle im Zuge der Räterichsbodensee-Entleerungen 2014/15 und 2016 Matthias Meyer, Steffen Schweizer, Peter Büsser, Daniel Göz, Andreas Funk, Willy Müller, Martin Flück, Sandro Schläppi, Jan Baumgartner, Kristof Reuther, Kurt Wächter, David Tanno
Zusammenfassung: Im Zuge der Räterichsbodensee-Entleerungen 2014/15 und 2016 musste in der Hasliaare mit hohen Feststoffkonzentrationen gerechnet werden. Neben den allgemeinen Schutzmassnahmen wurde für die Seeforelle ein spezielles Schutzkonzept erarbeitet. Dies erfolgte mit dem Ziel, so wenig wie nötig in den Reproduktionsprozess eingreifen zu müssen, bei bestmöglichem Schutz aller Altersstadien. Hierzu wurde ein fischschonendes Leitsystem entwickelt, um die laichbereiten Seeforellen von einem weiteren Aufstieg in der Hasliaare abzuhalten und in die nicht trübstoffbelasteten Zuflüsse umzuleiten. Im Vorfeld der Seeentleerungen lag bezüglich der Seeforelle eine ungenügende Datengrundlage vor. Um die Auswirkungen der See-Entleerungen auf die Seeforellenpopulation bestmöglich zu erfassen, wurden verschiedene Monitoringmethoden umgesetzt und diese im Rahmen der zweiten See-Entleerung nochmals intensiviert. Zur Anwendung kamen kamerabasierte Aufsteigerzählungen, Laichgrubenkartierungen, Laichboxenversuche, Bestandsaufnahmen durch E-Befischung sowie ein Resistivity Fish Counter als festinstallierte Fischzählanlage. Die gewässerökologischen Schutzmassnahmen waren sehr wirkungsvoll. Es ist davon auszugehen, dass der Schaden an Flora und Fauna der Hasliaare stark minimiert wurde und zu grossen Teilen durch eine Intensivierung des Laichfischfangs sowie Aufzucht von Brütlingen kompensiert werden konnte. Es ist anzunehmen, dass die Hasliaare ihren guten ökologischen Zustand in den kommenden Jahren rasch wieder erreichen wird. Aufgrund der umfangreichen Erhebungen könnte nun auch langfristig aufgezeigt werden, wie sich die Seeforellenpopulation der Hasliaare entwickelt. Die zur Anwendung gekommenen Monitoringmethoden könnten auch an anderen Gewässern wichtige Erkenntnisse zur Seeforelle liefern. 1. Einleitung Im Rahmen des Projekts «Tandem» baute die Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) die Kraftwerkskette vom Räterichsbodensee bis nach Innertkirchen aus. Diese aufwertenden Massnahmen zielen darauf ab, die Stromproduktion mit derselben Wassermenge, durch die Verringerung von Reibungsverlusten, um 70 GWh pro Jahr zu steigern. An der Planung der ökologischen Ausgleichsmassnahmen waren die kantonalen Behörden und Bundesämter, verschiedene Umweltschutzorganisationen, der Bernisch Kantonale Fischereiverband sowie die lokalen Fischer und private Fachbüros beteiligt. 2011 wurde das Projekt ohne Einsprachen der Umweltschutzverbände genehmigt (Schweizer et al. 2012). Während des Begleitgruppenprozesses war bekannt, dass wegen der bau-
lichen Massnahmen der Räterichsbodensee im Winterhalbjahr 2014/15 komplett entleert werden muss. Bei den Bauarbeiten zur ersten See-Entleerung wurde festgestellt, dass das Verschlussorgan, die sogenannte Drosselklappe des Stausees, irreparable Schäden aufwies und ausgetauscht werden musste. Hierzu war eine erneute Entleerung im Februar 2016 nötig. Die ökologischen Auswirkungen, die durch die See-Entleerungen vom 08.11.14 und 06.02.16 sowie das Murgangereignis des Spreitgrabens vom 01.09.15 verursacht wurden, sind in dem Fachartikel «Die Entleerungen des Räterichsbodensees 2014/15 und 2016 – eine gewässerökologische Bestandsaufnahme» thematisiert (Schweizer et al. 2017). Der hier vorliegende Fachbeitrag beschreibt die gewässerökologischen
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
Schutzmassnahmen und die Erfolgskontrollen hinsichtlich der Seeforelle im Zuge der beiden See-Entleerungen. 2.
Entwicklung der gewässerökologischen Schutzmassnahmen Aufgrund der Erkenntnisse der Entleerung des Räterichsbodensees aus dem Jahr 1991 war bekannt, welche Auswirkungen der Sedimentaustrag aus dem Stausee auf das unterhalb liegende Fliessgewässer haben kann. Damals führten die hohen Trübstoffkonzentrationen und deren Langzeiteinfluss zu einem Totalausfall der Fischfauna in der Hasliaare vom Stausee bis nach Innertkirchen. Für die Entleerung 2014/15 wurde bereits ab dem Jahr 2011 mit der Entwicklung eines umfangreichen Schutzkonzepts begonnen. Mit den gewässerökologischen Untersuchungen im Rahmen der Restwassersanierung der KWO lagen bereits Grundlagen zur Flora und Fauna der Hasliaare vor (Schweizer et al. 2010). Hinsichtlich der Seeforelle in der Hasliaare bestanden jedoch noch grosse Wissenslücken. So war z. B. nicht bekannt, wie gross die Population ist. Als gewässerökologisches Ziel wurde im Vorfeld der See-Entleerung definiert, die Auswirkungen auf die unterhalb des Stausees befindliche Hasliaare so gering wie möglich zu halten und das Gewässersystem mit seinen Organismen möglichst schnell wieder in den bestehenden guten ökologischen Ausgangszustand zurückzuführen. Hierzu galt es, umfangreiche Schutzmassnahmen für die Flora und Fauna der Hasliaare zu entwickeln und umzusetzen. Ein besonderer Fokus lag hierbei auf der gefährdeten Seeforelle. Es zeigte sich, dass erst ab dem Kraftwerk Handeck eine Zugabe von Verdünnungswasser aus dem Gelmersee möglich ist. Für die Organismen des Gewässerabschittes zwischen dem Räterichsbodensee und dem Kraftwerk mussten anderweitige Schutzmassnahmen getroffen werden. 155
Die Untersuchungen zeigten, dass ein hohes Wiederbesiedlungspotenzial für die Wirbellosen und für das Phytobenthos aus den Zuflüssen vorhanden ist. Lediglich die seltene Rotalge konnte nicht in den Zuflüssen nachgewiesen werden. Aus diesem Grund wurde entschieden, Steine mit ihrem Bewuchs in ausgesuchte Seitengewässer umzusiedeln. Aus Tierschutzaspekten wurde die Fischfauna, bestehend aus Bachforelle und Bachsaibling, durch eine gross angelegte Ausfischung aus dem Gewässerabschnitt oberhalb des Kraftwerks Handeck in den Reichenbach umgesiedelt. Für den maximal möglichen Schutz der aquatischen Organismen in der Hasliaare, unterhalb des Kraftwerkes Handeck, wurde von der Limnex AG ein Trübstoffüberwachungs- und Verdünnungswasserkonzept erarbeitet. Dieses bestand einerseits aus einem System von verschiedenen Online-Überwachungssonden und andererseits aus Modellberechnungen, welche die Trübstoffbelastung und die Belastungsdauer berücksichtigte. Der zentralen Leitstelle der KWO wurden zeitnah Empfehlungen für die allfällige Zugabe von Verdünnungswasser geliefert (Schweizer et al. 2017). Als vorrangige Massnahme, insbesondere im Hinblick auf die Reproduktion, wollte man das Aufsteigen der schweizweit gefährdeten Seeforelle in die trübstoffbelastete Hasliaare oberhalb von Innertkirchen bereits vor der See-Entleerung durch ein mechanisches Leitsystem verhindern (Limnex 2014; Meyer et al. 2015; Limnex 2015). 3.
Schutzmassnahmen für die Seeforelle Sowohl die Restwasserstrecke der Hasliaare als auch ihre Zuflüsse stellen für die Seeforellenpopulation des Brienzersees bedeutende Laich- und Jungfischhabitate dar. In der Schweiz ist die Seeforelle (Salmo trutta lacustris) als stark gefährdete Art in der Roten Liste geführt. Dies ist insbesondere dadurch bedingt, dass sie ein charakteristisches Migrationsverhalten aufweist und in ihrem Lebenszyklus verschiedene Habitatstypen besiedelt. Um zu laichen, steigen die adulten Seeforellen ab September bis Mitte November aus dem Brienzersee in die Oberläufe der Seezuflüsse auf. Im Einzugsgebiet der Hasliaare liegt der Grossteil der Laichareale oberhalb von Innertkirchen, vor allem im Hauptfluss selbst, aber auch in den beiden Nebenflüssen Urbach- und Gadmerwasser (Meyer 2010; Büsser 2014). 156
Der eigentliche Laichprozess der Seeforelle findet hauptsächlich im November statt. Hierzu legt der Rogner eine Laichgrube an und vergräbt darin die Eier, die durch den Milchner befruchtet wurden (Bild 11). Nach dem Laichprozess wandern die adulten Seeforellen in den Brienzersee zurück. Die Forellenlarven schlüpfen im Kieslückensystem und verlassen dieses, sobald ihr Dottersack aufgebraucht ist. Die Jungfische leben ein bis zwei Jahre im Geburtsgewässer und wandern anschliessend in den See ab. Aufgrund der guten Nahrungsverfügbarkeit wachsen die Tiere im See sehr schnell heran und kehren ab einem Alter von drei Jahren als geschlechtsreifer Fisch in ihr Geburtsgewässer zurück. Im Zuge der See-Entleerungen wurde für die Seeforelle ein Schutzkonzept mit dem Ziel erarbeitet, so wenig wie nötig in den Reproduktionsprozess eingreifen zu müssen und gleichzeitig einen bestmöglichen Schutz aller Altersstadien zu gewährleisten. 3.1
Installation der Seeforellenweiche Für den Erhalt der Seeforellenjahrgänge 2014/15 und 2015/16 entwickelte die Fachstelle Ökologie der KWO ein mobiles fischschonendes Leitsystem für aufsteigende Wandersalmoniden. Hierdurch sollten die laichbereiten Seeforellen von einem weiteren Aufstieg in der Hasliaare oberhalb der Mündung des Urbachwassers abgehalten und idealerweise in die Zuflüsse umgeleitet werden (Meyer et al. 2015). Das Ziel war, die natürliche Reproduktion der Seeforelle vom Hauptgewässer in die Seitengewässer zu verlagern. Denn es musste davon ausgegangen werden, dass der Fischlaich in der Hasliaare oberhalb von Innertkirchen trotz Verdün-
nungswasserzugabe durch die Kolmation des Interstitials stark geschädigt würde. Durch den Eintrag von Feinsedimenten würden die Poren des Kieslückensystems verstopft und die Sauerstoffversorgung der darin befindlichen Forelleneier unterbrochen. Erste Feldversuche mit dem Leitsystem fanden für vier Wochen in der Laichperiode 2012 statt. Neben der fischökologischen Funktionsfähigkeit für die Zielart musste das Leitsystem so konzipiert sein, dass es den starken hydraulischen Belastungen im Gebirgsbach für mehrere Monate standhält. Zugleich durfte keine Gefahr für die Hochwassersicherheit bestehen, da in der Hasliaare prinzipiell mit hohem Geschiebetrieb zu rechnen ist. Die sogenannte Seeforellenweiche ist überwiegend aus Bambus hergestellt und wurde im Rahmen der ersten SeeEntleerung auf eine Gesamtlänge von 15 m ausgelegt. Die Seeforellenweiche wurde am 22.09. installiert und bis zum 27.11.14 im Gewässer belassen. Durch die Massnahme verschob sich das potenzielle Laichareal der Seeforellenaufsteiger in das Urbachwasser, die Hasliaare bis zum Leitsystem, das Gadmerwasser und das Wychelbächli (Bild 1). Während der Laichzeit 2014 konnte somit der Grossteil der Laichtiere von einem weiteren Aufstieg in die Hasliaare oberhalb des Leitsystems abgehalten werden. Die Seeforellen, die in die Hasliaare oberhalb der Urbachmündung aufsteigen wollten, konnten später in den Zuflüssen oder in der Hasliaare unterhalb des Leitsystems selbst bei der natürlichen Reproduktion beobachtet und nachgewiesen werden. Am 21.10.14 kam es durch starke Regenfälle zu einer Abflussspitze von über 10 m3/s, bei der sich zwei von fünf Zaun-
Bild 1. Der Seeforellenperimeter in der Hasliaare (Karte: Benjamin Berger). «Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
segmenten auf die Gewässersohle legten. Dadurch verlor die Seeforellenweiche für etwa drei Stunden ihre fischökologische Leitwirkung. Bei anschliessenden Elektrobefischungen oberhalb der Seeforellenweiche wurden die Seeforellen, die das Leitsystem überwinden konnten, eingefangen und in die Brutanstalt in Meiringen gebracht oder unterhalb der Seeforellenweiche wieder ausgesetzt (Meyer et al. 2015). In der Laichzeit 2014 wiesen wenige Rogner leichte Quetschungen im Bereich der Augenpartie auf. Dieses Verletzungsbild dürfte im Zusammenhang mit dem Versuch stehen, die Seeforellenweiche zu passieren (Göz 2015). Durch die Praxiserfahrungen aus dem Installationszeitraum 2014 wurde das Seeforellen-Leitsystem für den Einsatz im Folgejahr optimiert. Hierzu wurde die Seeforellenweiche am selben Standort von 15 m auf 21 m verlängert, um einen höheren Durchfluss bei Hochwasser zu ermöglichen. Der lichte Stababstand bei den aufstiegsrelevanten Segmenten wurde auf ca. 38 mm verringert (Bild 2). Zum Erhalt des Seeforellenjahrgangs 2015/16 erfolgte die Installation der Seeforellenweiche am 19.09. das Leitsystem wurde bis zum 27.11.15. in der Hasliaare belassen. Die fischökologische Funktionsfähigkeit der Seeforellenweiche war während des gesamten Installationszeitraums 2015 gewährleistet. Durch die Verlängerung auf 21 m konnte das Leitsystem selbst bei einem Hochwasserabfluss von 16 m3/s am 20.11.15 fischökologisch funktionfähig gehalten werden (Basiabfluss im Herbst ca. 1.5 m3/s).
Nach Göz (2016) konnten im gesamten Installationszeitraum 2015 weder Seeforellen-Laichtiere auf den Laicharealen in der Hasliaare oberhalb der Seeforellenweiche noch Verletzungsmuster, die von dem Leitsystem stammen könnten, nachgewiesen werden. Um den Verlust an Laichhabitaten während des Installationszeitraums der Seeforellenweiche zu verringern, wurden vor der Laichzeit 2014 und 2015 Geschiebedotierungen im Urbachwasser am Ende des Seeforellenperimeters durchgeführt. 3.2
Ausbau der Brutanstalt in Meiringen und Intensivierung des Seeforellen-Laichfischfangs Um während der See-Entleerungen die Hälterungskapazität für Laichtiere in der Brutanstalt in Meiringen zu erhöhen und den Laich zur Aufzucht von Jungforellen nutzen zu können, wurden im Aussenbereich der Anlage drei grosse Rundbecken, inklusive der entsprechenden Wasser- und Abwasseranschlüsse, installiert. Für die Aufzucht der Dottersackbrütlinge wurde ein spezielles Aufzuchtsieb angefertigt. Durch den Fischereiverein, das Fischereiinspektorat und die Fachstelle Ökologie der KWO wurde der Seeforellen-Laichfischfang 2014 intensiviert und 98 000 Seeforelleneier für den Wiederbesatz 2015 gewonnen. Der reguläre Besatzplan des Fischereiinspektorats sieht 40 000 Seeforelleneier vor. Aufgrund der unvorhergesehenen zweiten See-Entleerung wurden die Seeforellenbrütlinge nicht wie vorgesehen in der Hasliaare ausgesetzt, sondern in deren Zuflüsse sowie in weitere Fliessgewässer im Einzugsgebiet des Brienzersees.
Bild 2. Die Seeforellenweiche in der Laichperiode 2015 (Bild: Andrea Bernhardt). «Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
Durch den intensivierten Laichfischfang im Herbst 2015 konnten 70 000 Seeforelleneier befruchtet werden. Die Seeforellenbrütlinge wurden im Frühjahr 2016 ausschliesslich in der Hasliaare und deren Zuflüssen besetzt. 4.
Umweltüberwachung vor, während und nach den SeeEntleerungen Im Gegensatz zur Bestandsabschätzung einer Bachforellenpopulation ist die Erfassung von Seeforellenaufsteigern im freien Fliessgewässer recht kompliziert. Im Fall der Hasliaare und ihrer Zuflüsse lagen über die Anzahl der Laichtiere keine Grundlagen vor. Es war bekannt, wie viele Laichtiere beim jährlichen Seeforellen-Laichfischfang gefangen wurden. Aber diese Zahlen sind stark abhängig von der Befischungsintensität und lassen kaum Rückschlüsse auf die Individuenanzahl der Population zu. Um die Auswirkungen der Räterichsbodensee-Entleerungen 2014/15 und 2016 auf die Seeforellenpopulation in der Hasliaare oberhalb der Aareschlucht sowie ihrer Zuflüsse bestmöglich zu erfassen, wurden verschiedene Monitoringmethoden umgesetzt und im Zuge der zweiten See-Entleerung nochmals intensiviert. Zur Anwendung kamen kamerabasierte Aufsteigerzählungen, Laichgrubenkartierungen, Laichboxenversuche sowie Bestandsaufnahmen durch E-Befischungen. Am ehemaligen Standort der Seeforellenweiche wurde in der Laichzeit 2016 die Zählung der Aufsteiger durch einen festinstallierten Resistivity Fish Counter fortgeführt. Um Mehrfachlaicher oder Überspringer zu identifizieren, wurden alle beim
Bild 3. Seeforellenmilchner an der Weiche in 2014 (Bild: Matthias Meyer). 157
Bild 4. Erstnachweis ID «Molly» vom 13.10.14 am Standort der Seeforellenweiche (Bild: Daniel Göz). Laichfischfang gefangenen Individuen fotografiert und anhand ihres individuellen Punktmusters mit den Aufsteigern aus 2014 und 2015 verglichen. 4.1 Kameramonitoring In der Laichzeit 2014 und 2015 erfolgte die Erfassung der Seeforellenaufsteiger durch ein mobiles Kameramonitoring. Aufgrund des installierten Leitsystems war davon auszugehen, dass Seeforellen mehrfach versuchen würden, in die Hasliaare oberhalb der Urbachmündung einzusteigen. Die Monitoringmethode musste daher eine individuengenaue Erfassung der Seeforellen-Laichtiere ermöglichen. In Zusammenarbeit von Daniel Göz mit der Fachstelle Ökologie der KWO und in Abstimmung mit dem Fischereiinspektorat wurde ein mobiles und flexibles Kameramonitoring entwickelt und umgesetzt. Hierzu erfolgte mindestens einmal wöchentlich eine Überprüfung aller potenziellen Forellenunterstände im Seeforellenperimeter mit einer Unterwasserkamera sowie alle paar Stunden eine Besichtigung der Seeforellenweiche. 2016 wurden ebenfalls alle beim Laichfischfang gefangenen Seeforellen fotografiert, um Rückkehrer und Überspringer zu identifizieren. In der Laichzeit 2014 konnten an der Seeforellenweiche in der Hasliaare, im Urbach, im Gadmerwasser, dem Wychelbächli sowie in der Brutanstalt Meiringen zwischen dem 22.09. und 27.11.14 insgesamt 118 Seeforellen-Individuen (darunter 4 Totfunde) anhand ihrer äusserlichen Merkmale (Punktmuster) eindeutig charakterisiert werden. Es waren 68 % (n = 80) weibliche und 32 % (n = 38) männliche Tiere. Die Zahl der Aufsteiger im Projektzeitraum 2014 wird mit einem geschätzten Korrekturfaktor auf ca. 159 Seeforellen kor158
Bild 5. Rückkehrernachweis ID «Molly» vom 12.10.15 am Standort der Seeforellenweiche (Bild: Daniel Göz).
rigiert, die in die Hasliaare ab Eingang Aareschlucht eingestiegen sind (Göz 2015). In der Laichzeit 2015 konnten im Projektperimeter zwischen dem 18.09. und 27.11.15 159 Seeforellen-Individuen anhand ihrer äusserlichen Merkmale eindeutig charakterisiert werden. Es waren 75 % (n = 120) weibliche und 25 % (n = 39) männliche Tiere. Die Zahl der Aufsteiger im Projektzeitraum 2015 wird mit einem Korrekturfaktor auf ca. 215 Seeforellen geschätzt, die in die Hasliaare ab Eingang Aareschlucht eingestiegen sind (Göz 2016). Insgesamt konnten durch das Kameramonitoring vier Seeforellenrogner nachgewiesen werden, die in der Laichperiode 2014 und auch 2015 aufgestiegen sind (vgl. Bilder 4 und 5). Dies entspricht einer Rückkehrerrate von 2.5 % (Göz 2016).
Im Jahr 2016 konnten anhand von Kameraaufnahmen 70 Individuen erfasst werden. Davon wurden drei weibliche Seeforellen bereits im Jahr 2015 nachgewiesen. Daraus ergibt sich eine prozentuale Rückkehrrate von 4.3 %. Sogenannte Überspringer aus dem Jahr 2014 konnten im Erfassungszeitraum 2016 nicht nachgewiesen werden (Göz 2017). Der Wanderhöhepunkt im Projektzeitraum 2014 war in Innertkirchen an der Seeforellenweiche am 17.10.14 mit 12 nachgewiesenen Individuen und im Projektzeitraum 2015 mit 16 Individuen am 03.11.15. (Göz 2015; Göz 2016). 4.2 Resistivity Fish Counter In der Hasliaare und im Urbachwasser bei Innertkirchen hat die Fachstelle Ökologie der KWO in Zusammenarbeit mit Peter Büsser einen Resistivity Fish Counter
Bild 6. Standort des installierten Resistivity Fish Counters in der Hasliaare im Herbst 2016 (Bild: Kristof Reuther). «Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
zur Seeforellen-Aufsteigerzählung 2016 eingesetzt. Seit 1950 werden mit dieser Methode in Grossbritannien Lachse und Meerforellen beim Aufstieg zu ihren Laichgründen gezählt sowie Fischaufstiegsanlagen auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft. Hierzu werden durch den potenziellen Wanderkorridor quer zur Strömung drei parallel verlaufende Elektroden verlegt und mit dem Aufzeichnungsgerät verbunden (Bild 6). In der Hasliaare wurden Stahlseile als Elektroden verwendet. Die Fischzählanlage wurde jeweils über die gesamte Gewässerbreite auf der Sohle, ohne den Einsatz von Maschinen, eingebaut (Bild 7). Ein Resistivity Fish Counter misst stetig den elektrischen Widerstand zwischen den Elektroden. Passiert ein Fisch die Messstelle, erhöht er für einen kurzen Moment die Leitfähigkeit. Der Counter registriert die Veränderung in Form einer Sinuskurve, die anhand ihrer Amplitude ausgewertet wird. Das Gerät schätzt mithilfe von gespeicherten Referenzkurven die Grösse des Fisches. Zur Kalibrierung der Fischzählungen wurden Versuche mit toten Fischen (Alet) gemacht. Des Weiteren wurde eine Unterwasserkamera vom 02.11. bis 10.11.16 über Nacht fest installiert und der Aufnahmebereich mit einer Lampe ausgeleuchtet. Durch die auf Filmen nachgewiesenen auf- und absteigenden Seeforellen konnten Rückschlüsse auf den methodischen Fehlerquotienten sowie auf die Längenklassen gezogen werden. Ebenso war es möglich, Verhaltensweisen zur Migration im Wanderkorridor zu dokumentieren (Meyer & Reuther 2016; Bild 8). Um bei der Auswertung ausschliesslich Seeforellen zu berücksichtigen, waren nur die Fischzählungen von Relevanz, die auf eine Fischgrösse von über 50 cm Länge schliessen liessen (vgl. Kap. 4.5). Die Anzahl der «Aufwärts-Zählungen» des Fish Counters in der Hasliaare oberhalb der Urbachmündung wurde letztlich auf mindestens 300 Seeforellen veranschlagt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine gewisse, aber unbestimmbare Anzahl Fische vermutlich mehrfach über die Messstelle auf- und abwanderte. Als Schlussfolgerung kann davon ausgegangen werden, dass die Anzahl der Laichtiere 2016 mindestens in derselben Grössenordnung wie in den Jahren 2014 (159 Stk.) und 2015 (215 Stk.) liegt (vgl. Kap. 4.1). 2016 fiel der Wanderhöhepunkt für die aufsteigenden Seeforellen mit 14 vom Resistivity Fish Counter als «Up» (Signal
Bild 7. Einbauweise der Elektroden (Bild: Matthias Meyer).
Bild 8. Screenshot aus dem Video zur Kalibrierung des Resistivity Fish Counters – Nachweis einer aufsteigenden Seeforelle vom 06.11.16 (Meyer & Reuther 2016). für Aufsteiger) registrierten Individuen auf den 03.11.16. Bei den absteigenden Seeforellen war es der 16.11.16 mit 8 Individuen, die als «Down» (Signal für Absteiger) registriert wurden. Durch die Kameraüberwachung des Resistivity Fish Counters konnte festgestellt werden, dass einige aufsteigende Seeforellen nur als «Event» erfasst wurden, weshalb die Zahl der aufwärts migrierenden Tiere höher ist. Ein Event ist ein Signal, das der Counter im Abgleich mit den Referenzkurven nicht als Fisch erkennt. Diese Messungenauigkeit lässt sich mit der Einbauweise im Gewässer erklären. Anstatt die Elektroden direkt zu passieren, verweilten einige Aufsteiger auf ihnen. Diese Problematik konnte noch im Projektverlauf gelöst werden. 4.3 Laichgrubenkartierungen Die Erhebung der Laichgrubenkartierung 2015 erfolgte zwischen dem 05.11.
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und dem 24.11.15 in Anlehnung an das Programm «Laichzeit!» der Schweizer Fischereiberatungsstelle (FIBER). Zusätzlich zu der FIBER-Methodik wurden weitere gewässer- und laichgrubenspezifische Daten, wie etwa die Wassertiefe der Laichgruben, mittels Unterwasseraufnahmen erhoben. Später dienten diese Aufnahmen unter anderem als Grundlage für die Auswertung von präferierten Laichgrubentiefen. Durch eine regelmässige Begehung des Laichperimeters konnten auch Aussagen zur zeitlichen Entstehung der Laichgruben getroffen werden. Das Untersuchungsgebiet der Laichgrubenkartierung 2015 beinhaltete die Hasliaare in der Restwasserstrecke bis zur Seeforellenweiche, das Gadmer- und Urbachwasser sowie das Wychelbächli im Talboden von Innertkirchen. In der Laichzeit 2015 wurden insgesamt 149 Seeforellen-Laichgruben und 159
166 deutlich identifizierbare SeeforellenEiablageplätze nachgewiesen (Urbachwasser: 55, Hasliaare: 82, Gadmerwasser: 22 und Wychelbächli: 7). Der Modus der Laichgrubentiefe (= Wassertiefe), also der am häufigsten auftretende Einzelwert liegt bei 32 cm und weist eine Einzelhäufigkeit von 20 auf. Auch die Gruppe 31 bis 33 cm, die den Modus beinhaltet, weist mit 35 Merkmalen die höchste Häufigkeit der zugrunde liegenden Datenreihe auf. Der Mittelwert der Wassertiefe aller Eiablageplätze liegt bei 30.9 cm und der Median bei 31 cm (Funk et al. 2015). In der Laichzeit 2015 fiel der Scheitelpunkt der Hauptlaichzeit, das sogenannte «peak spawning», für den Seeforellenperimeter oberhalb der Aareschlucht auf den 11.11. und 12.11.15. Die erste Laichgrube entstand in der Nacht vom 20.10. auf den 21.10.15 im Urbachwasser. Die Wassertemperatur in den Laichgewässern des Seeforellen-Laichperimeters 2015 lag zwischen dem 05.11. bis 18.11.15 in einem konstanten Bereich bei max. 7.3 C° (Urbachwasser) und min. 6.4 C° (Gadmerwasser). Ab dem 20.11.15 ereignete sich ein Kälteeinbruch, und die Wassertemperaturen sanken bis zum 24.11.15 auf 3.4 C° in der Hasliaare, 3.1 C° im Urbachwasser und 1.4 C° im Gadmerwasser. Hingegen blieb im Wychelbächli (Quellbach) die Wassertemperatur konstant auf 7.2 C°. Die Beobachtungen zeigten, dass alle Seeforellen-Laichgruben, mit Ausnahme des Quellbachs, vor dem Kälteeinbruch geschlagen wurden. Im Wychelbächli wurden die Laichgruben jedoch erst nach den tiefen Wassertemperaturen in den anderen Fliessgewässern nachgewiesen. Noch während der Laichgrubenkartierung vom 24.11.15 konnten dort laichende Seeforellen beobachtet werden (Funk et al. 2015; vgl. Bilder 9 und 10). 4.4 Laichboxenversuche Um die natürliche Reproduktion zu überprüfen, wurden in der Hasliaare in den Winterhalbjahren 2010/11 und 2011/12 Laichboxenversuche mit Bolliger-Laichboxen durchgeführt. Aufgrund der hohen Trübstoffwerte in der Hasliaare im Zuge der Räterichsbodensee-Entleerung wurde auf eine Versuchsreihe im Winterhalbjahr 2014/15 verzichtet. Erstaunlicherweise konnten in der Hasliaare im Bereich der Urweidschlucht ab dem 02.06.15 einige 0+ Salmoniden nachgewiesen werden. Aus diesem Grund 160
Bild 9. Seeforellen-Laichtiere auf der Laichgrube 1 im Wychelbächli am 24.11.15 (Bild: Matthias Meyer).
Bild 10. Eine Laichgrubentiefe von ca. 18 cm konnte bei der Kartierung nach Funk et al. (2015) nachgewiesen werden (Bild: Andreas Funk). wurden im Winter 2015/16 in der Hasliaare und ihren Zuflüssen Laichboxen mit jeweils 50 Bachforelleneiern zur Überprüfung der natürlichen Reproduktion installiert, um Erkenntnisse für die Räterichsbodensee-Entleerung 2016 hinsichtlich der Auswirkungen von Trübstoffen auf Forelleneier zu gewinnen. Hierbei wurde ein besonderer Fokus auf den Seeforellen-Laichperimeter gelegt. In der Laichperiode 2010/11 konnten in der Hasliaare Schlupfraten von 19 %, bis 96 %, mit einem Durchschnitt der 6 eingebrachten Laichboxen von 73 %, und in 2012/13 von 20 bis 100 %, mit einem Durchschnitt der 9 eingebrachten Laichboxen von 80 %, nachgewiesen werden (Meyer 2011; Meyer 2012). Im Winterhalbjahr 2015/16 konnten 4 der 6 Laichboxen, die in der Hasliaare
installiert waren, nicht mehr geborgen werden, da diese im Zuge der See-Entleerung durch Geschiebeakkumulation massiv überlagert oder durch Erosion verdriftet wurden. Trotz des Trübstoffeinflusses durch die See-Entleerung 2016 konnte eine erfreulich hohe Schlupfrate bei den zwei wiedergefundenen Laichboxen nachgewiesen werden (Hasliaare Guttannen – 56 % Schlupfrate; Hasliaare Innertkirchen – 76 % Schlupfrate). Im Gadmerwasser lag die Schlupfrate bei 94 % und im Urbach bei 100 %. Der Schlupfzeitpunkt variierte in den einzelnen Gewässern stark. So war Anfang März ein Grossteil der Larven in den Laichboxen der Hasliaare und im Urbach im Talboden von In-
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nertkirchen geschlüpft. Im Gadmerwasser hingegen befanden sich noch alle Eier im Augenpunktstadium. Bei einer Elektrobefischung konnten am 05.03.16 bereits die ersten Brütlinge, die das Interstitial verlassen hatten, im relativ warmen Wychelbächli nachgewiesen werden. (Meyer et al. 2016). 4.5 E-Befischungen Bestandsaufnahmen durch E-Befischungen stellten eine wichtige Monitoringmethode dar, um Erkenntnisse zur Entwicklung der Fischfauna in der Hasliaare zu gewinnen. In Hinblick auf die Seeforelle lassen sich mit dieser Methode vor allem Aussagen zu den Juvenilstadien treffen. Im Vorfeld der RäterichsbodenseeEntleerung wurden in den Jahren 2011 und 2012 Bestandsaufnahmen der Fischfauna an 10 Gewässerabschnitten der Hasliaare und des Urbachwassers durchgeführt (Büsser 2011 & Büsser 2013). Im März 2015 wurden die Fischbestandsaufnahmen nach der See-Entleerung 2014/15 an 6 Gewässerabschnitten wiederholt (Büsser 2015). Um eine breit abgestützte Gesamtübersicht der Fischbestandsentwicklung zu erhalten, wurden zusätzlich E-Befischungsdaten der Eawag, des Fischereiinspektorats sowie der Fachstelle Ökologie der KWO hinzugezogen. Nach der zweiten Räterichsbodensee-Entleerung wurde auf eine Fischbestandserhebung im Frühjahr 2016 verzichtet, da bereits ein breit angelegter Fischbesatz mit diversen Grössen erfolgt war. Durch die RäterichsbodenseeEntleerung 2014/15 hat eine Verschiebung der Fischdichten von den oberen Gewässerabschnitten unterhalb des Kraftwerks Handeck in Richtung Innertkichen stattgefunden. Beobachtungen zeigen, dass zudem viele Fische durch die lang anhaltende Verdünnungswasserzugabe bis in den Brienzersee verdriftet wurden (Limnex 2017). In dem Gewässerabschnitt der Hasliaare zwischen dem Kraftwerk Handeck und Innertkirchen hat die Dichte des Forellenbestandes abgenommen. In der Restwasserstrecke bei Innertkirchen ist die Bestandsdichte ungefähr gleich geblieben, und ab der Wasserrückgabe konnte eine bis zu 10-fache Bestandszunahme nach der See-Entleerung 2014 nachgewiesen werden (Schläppi 2015). Um Erkenntnisse zu den Längenklassen der Seeforellenaufsteiger zu erhalten, wurden aus dem Laichfischfang 2015 alle Seeforellenaufsteiger, die in die Brutanstalt kamen, vermessen. Hierbei
Bild 11. Laichendes Seeforellenpärchen in der Hasliaare oberhalb von Innertkirchen im Herbst 2016 (Bild: Matthias Meyer). wurden, unabhängig von der Grösse, alle laichreif gefangenen Individuen entnommen (Funk et al. 2015). Die Stichprobe entspricht in etwa 23 % der nachgewiesenen Seeforellen (vgl. Kap. 4.1). Der Durchschnitt aller vermessenen Tiere lag bei 58 cm, der Median bei 59 cm. Bei den Rognern war das durchschnittliche Laichtier 55.6 cm gross; der Median lag bei 56 cm. Bei den Milchnern lag die durchschnittliche Laichtiergrösse bei 65.6 cm, der Median bei 70 cm. Das grösste nachgewiesene Individuum war ein Milchner, mit einer Länge von 87 cm (Funk et al. 2015). Das grösste Laichtier der Brutanstalt 2014 war ebenfalls ein Milchner der 92 cm aufwies (Göz 2015). Der Rogner ID «Molly» wurde 2014 und 2015 in die Brutanstalt gebracht. Mit 70 cm Länge war die Seeforelle der grösste gemessene Rogner der 27 weiblichen Laichtiere in der Brutanstalt im Jahre 2015. Der Fisch ist innerhalb eines Jahres um 13 bis 15 cm gewachsen. 5. Fazit Die gewässerökologischen Schutzmassnahmen im Zuge der RäterichsbodenseeEntleerungen 2014/15 und 2016 waren sehr wirkungsvoll. Es ist davon auszugehen, dass der Schaden an Flora und Fauna dank der realisierten Schutzmassnahmen der Hasliaare stark minimiert wurde bzw. zu grossen Teilen kompensiert werden konnte (Schweizer et al. 2017). Somit ist anzunehmen, dass die Hasliaare in den
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kommenden Jahren ihren guten ökologischen Zustand rasch wieder erreichen wird. Hinsichtlich der Seeforelle lag im Vorfeld der See-Entleerungen eine ungenügende Datengrundlage vor. Aufgrund der umfangreichen Erhebungen aus der Laichzeit 2014, 2015 und 2016 könnte nun aufgezeigt werden, wie sich die Seeforellenpopulation der Hasliaare oberhalb der Aareschlucht entwickelt. Aufgrund der erfolgreichen Schutzmassnahmen, dem hohen Potenzial und der Widerstandsfähigkeit der Seeforellenpopulation in der Hasliaare kann davon ausgegangen werden, dass das durch die See-Entleerungen verursachte Schadensausmass am Bestand als nicht erheblich erachtet wird. Allfällige Schäden am Seeforellenbestand würden sich in den nächsten zwei bis drei Jahren z. B. durch einen deutlichen Rückgang der Anzahl aufsteigender Laichtiere zeigen. Für die Erfassung von Seeforellenaufsteigern im Fliessgewässer stehen nur wenige Monitoringmethoden zur Verfügung, die in der Praxis erfolgreich eingesetzt werden konnten. Durch die im Seeforellenperimeter der Hasliaare zur Anwendung gekommenen Methoden könnten auch zukünftig andernorts wichtige Erkenntnisse zur Populationsgrösse sowie zum Wanderverhalten der auf- und absteigenden Seeforellen in die bzw. aus den Laichhabitaten gewonnen werden. Je nach fischökologischer Fragestellung lässt sich mithilfe des entwickelten Leitsystems in Kombination mit einer 161
Reuse oder des Resistivity Fish Counters beispielsweise der Funktionsnachweis von Sohlengleiten realisieren. Mittels des Kameramonitorings können Seeforellen, ähnlich wie bei einer E-Befischung, in kleineren Fliessgewässern nachgewiesen und gegebenenfalls individuengenau bestimmt werden.
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«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
Umwelt-DNA (eDNA) – Molekularbiologie erobert Arten-, Gewässer- und Naturschutz Jonas Zimmermann, Joachim Hürlimann
Zusammenfassung Die Analyse von Umwelt-DNA ist ein neues Verfahren zur Arterfassung. Dies wird dadurch ermöglicht, dass Organismen ständig eigene, artspezifische DNA in die Umwelt abgeben, indem sie Kot, Urin oder Speichel ausscheiden oder z. B. Körperzellen wie Haare oder Schuppen verlieren. Dank modernen molekularbiologischen Methoden kann diese in der Umwelt vorhandene DNA nachgewiesen werden. Da die DNA vieler Arten schon sequenziert vorliegt und diese via Internet in Referenzdatenbanken verfügbar ist, können heute schon viele DNA-Sequenzen den entsprechenden Arten zugewiesen werden. Das Spektrum der Anwendungen ist sehr weit. Ob das Verfahren in der angewandten Ökologie Akzeptanz findet, wird sich noch weisen. Dies hängt auch stark davon ab, ob im Artenschutz der indirekte Artnachweis durch eDNA von etwa einer gefährdeten Art als ausreichend erachtet wird, oder ob z. B. im Rahmen eines Umweltverträglichkeitsberichts (UVB) der physische Nachweis von Individuen dieser Art vorliegen muss.
1. Einleitung Das Thema «Umwelt-DNA» (eDNA für environmental DNA) erscheint seit Kurzem vermehrt in Tagesmedien, Online-News oder anderen für Laien einfach zugänglichen und gut verständlichen Publikationen. In Fachzeitschriften wird diese Thematik schon seit rund einem Jahrzehnt diskutiert. Mit eDNA-Metabarcoding wird ein molekularbiologisches Verfahren zum Nachweis von Arten bezeichnet. Das Verfahren basiert darauf, dass Organismen ständig eigene, artspezifische DNA in die Umwelt abgeben, indem sie Kot, Urin oder Speichel ausscheiden oder z. B. Körperzellen wie Haare oder Schuppen verlieren. Im Wasser, im Boden, im Seesediment und in der Sohle eines Fliessgewässers befindet sich somit gelöst oder partikulär gebunden eine sehr grosse Zahl an eDNA unterschiedlichster Arten. Mit molekularbiologischen Methoden kann diese Vielfalt an eDNA als eine Abfolge von Basenpaaren (Sequenzen) nachgewiesen werden. Da die DNA vieler Arten bereits sequenziert vorliegt und im Internet in Referenzdatenbanken zur Verfügung steht, können heute schon viele DNA-Sequenzen den Arten zugewiesen werden. Das Verfahren wird in der Schweiz bereits bei einigen Themen (z. B. Finden von aquatischen gebietsfremden Arten, Neobiota) effizient und erfolgreich eingesetzt. Es kann daher davon ausge-
gangen werden, dass das grosse Potenzial des Verfahrens der eDNA im Bereich der angewandten Ökologie, insbesondere der Gewässerökologie, schnell erkannt wird. Die Aussagekraft und damit die Akzeptanz dieses Verfahrens hängt neben methodischen Aspekten (Probenahme, Qualitätssicherung, Bioinformatik usw.) vor allem auch von der Qualität der verwendeten Referenzdatenbanken (Zahl und Regionalität der Arten), von der räumlichen und zeitlichen Verteilung artspezifischer eDNA (Probenahmedesign, Konservierung der Proben) sowie von weiteren Aspekten ab (Zahl und Qualität der Anbieter, Kosten, Akzeptanz bei Gesetzgeber, Justiz, Behörden, Auftraggeber). Im Folgenden wird auf diese Themen eingegangen. Die Ausführungen sollen dazu beitragen, das Verfahren im Grundsatz zu erläutern und das Potenzial der eDNA zu vermitteln. Der Gewässerökologie steht mit dem eDNA-Verfahren ein gewaltiger Werkzeugkasten zur Verfügung. Doch auch die besten Werkzeuge dienen nur, wenn sie auch verstanden und richtig eingesetzt werden. Künftig wichtige Anwendungsbereiche in der aquatischen Ökologie werden zum Beispiel sein: • das Finden von Neobiota in einem Gewässer • der Nachweis von schwer auffindbaren Arten in einem Gewässer
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•
die Beschreibung von neu entdeckten Arten • die Erfassung der Artenvielfalt eines Gewässers oder eines ganzen Wassereinzugsgebietes • die Rekonstruktion der Artenvielfalt früherer Zeiten in Seesedimenten und anderen Archiven (Mooren, Gletschereis, Permafrost, Sedimenten in Höhlen usw.) • die Auflistung der Artenzusammensetzungen verschiedener ökologisch relevanter Gruppen Zum Beispiel konnte die Quagga-Muschel (Dreissena rostriformis bugensis) im Rhein bei Basel nachgewiesen werden, bevor man diese mit klassischen Methoden gefunden hat («Die Oberbadische», 2015, «Tages Anzeiger», 2015, de Ventura et al. 2017). Ebenso konnte die Verbreitung von invasiven Grundeln (Schwarzmaulgrundel, Neogobius melanostomus und Kesslergrundel, Ponticola kessleri) im Hochrhein aufgezeigt werden (Universität Basel 2015, Adrian-Kalchhauser & Burkhardt-Holm 2016). Die kürzlich beschriebene Art eines Bachflohkrebses (Gammarus alpinus) aus Schweizer Gewässern ist ein Beispiel dafür, dass dank DNA-Barcoding Arten gefunden werden können, die neu für die Wissenschaft sind (EAWAG 2016, Alther et al. 2016). Diese neue Art wurde bisher übersehen, obwohl sie mit Sicherheit von vielen Leuten und auch Expertinnen und Experten gesehen und fehlbestimmt wurde. Der Fund dieser neuen Art dank DNA-Barcoding macht aber auch deutlich, dass der auf morphologischer Ebene basierende Artbegriff allenfalls kritisch reevaluiert und ggf. durch integrative Studien (Morphologie und Molekularbiologie) neu definiert werden muss. Auch die Möglichkeit, Naturarchive neu zu entdecken, wird durch eine Studie aufgezeigt, in welcher dank eDNAMetabarcoding die zeitliche Entwicklung von Blaualgenblüten während der letzten 200 Jahren in Sedimentkernen des Zürichund Greifensees aufgezeigt werden konnte (Schürmann 2016, Monchamp et al. 2016). 163
Die Methodik des eDNA-Metabarcodings erlaubt aber auch Einblicke in Themen, die bis anhin, wenn überhaupt, nur mit aufwendigen Spezialuntersuchungen möglich waren. Mit der Voraussetzung, dass die benötigten artspezifischen Gensequenzen in Referenzdatenbanken verfügbar sind, ist aus heutiger Sicht von Interesse: • Artbestimmung schwieriger Artgruppen • Gezielte Artbestimmung relevanter Mikroorganismen (Pro- und Eukaryoten) • Gezielte Artbestimmungen und Artnachweise aufgrund von Exkrementen (Urin, Kot, Speichel) oder anderen makroskopisch erkennbaren, aber nicht bestimmbaren artspezifischen Partikeln wie Schuppen, Haare, Blut, Darm- und Mageninhalt oder Entwicklungsstadien (Eier, Larven, Puppen usw.) • Qualitätskontrolle bei klassischen Artbestimmungen • Artenvielfalt einer Region (z. B. Einzugsgebiet eines Fliessgewässers) • Artenvielfalt in schwer zugänglichen Gebieten (Höhlen, Schluchten, grossen Flüssen,TiefenwasservonSeen,schwer zugänglichen oder störungsempfindlichen Naturschutzgebiete usw.) • Erkennen von Krankheitserregern und Parasiten Die weiteren Möglichkeiten in Bereichen wie der Lebensmittelherstellung (Qualitätskontrolle, Krankheitserreger, Biosicherheit usw.), der Gebäudetechnik (Früherkennung und Typologisierung von Schimmelpilz, Verkeimung von Wärmetauschern oder Leitungen, Biofilmbildung, usw.), der industriellen Prozessverfahren (Kontaminationen, Effizienz von Biozideinsätzen, Trink- und Abwasseraufbereitung usw.) oder der Landwirtschaft (Tierhaltung mit Krankheitserregern, Parasiten usw. und Pflanzenanbau mit dem Aufkommen von Schädlingen) dürften gross sein. Aus Sicht der Forschung erleichtert das Verfahren des eDNA-Metabarcodings die Erstellung eines robusten Katalogs des Lebens für Protisten (z. B. Algen, Wimpertierchen usw.), Tiere und höhere Pflanzen sowie lokale oder regionale Biodiversitätserfassungen. Ausserdem ermöglicht eDNA-Metabarcoding Fortschritte in der ökologischen und evolutionären Grundlagenforschung, weil es essenzielle Informationen zur Organismengesellschaft, zu deren Zusammensetzung, trophischen Verknüpfungen, Energieflüssen, Verteilung und den Grundlagen ihrer Diversität 164
liefern kann. Besonders Mikroorganismen (Protisten, Pilze, Bakterien usw.) können über dieses Verfahren einfacher und schneller erfasst werden, als es die traditionelle Untersuchung per Kulturen oder Mikroskopie erlaubt. Auf diese umfassende Thematik wird hier aber nicht tiefer eingegangen. Im Zentrum der folgenden Überlegungen steht die angewandte Gewässerökologie. Die Beurteilung der Umweltverträglichkeit von Wasserbauprojekten (Hochwasserschutz, Revitalisierungen, Seeregulierungen, Schüttungen, Hafenanlagen, Wasserstrassen, Kiesabbau, Wasserkraftwerke, Stauseen, Wasserentnahmen usw.) beinhaltet oft auch projektspezifische Auswirkungen auf aquatische Organismen. In diesem Zusammenhang werden die entsprechenden Lebensräume durch Artspezialisten kartiert und beprobt.
Diese Erhebungen haben das Ziel, Aussagen zur Grösse der Populationen, zur Verbreitung im Gebiet, zur Sensibilität gegenüber projektspezifischen Einflussfaktoren und zum Gefährdungsgrad generell von im Gebiet vorhandenen Arten zu machen. Diese Aufnahmen sind aufwendig und benötigen Fachwissen, je nach Organismen eine spezielle Infrastruktur (Elektrofischerei, Lichtfänge, Kescher, Tauchausrüstung usw.) und den richtigen saisonalen Zeitpunkt. Die gefundenen Arten müssen dann im Feld oder im Labor wiederum mit artspezifischen Fachkenntnissen bestimmt, gezählt und allenfalls deren Vitalität beurteilt werden. Mittels des Verfahrens des eDNA-Metabarcodings besteht nun die Hoffnung, dass diese aufwendigen Erhebungen und Bestimmungsarbeiten wegfallen oder zumindest stark minimiert werden könnten. Infolge vieler offener
Exkurs zum Vorkommen einer Art: Im Rahmen einer Untersuchung der Artenvielfalt an den beiden Fliessgewässern Thur und Töss wurden Kieselalgen von unterschiedlichsten Substraten (Stein, Sand, Schlamm, Moose, Laub, Algen usw.) mittels eDNA wie auch klassisch im Lichtmikroskop untersucht. Die molekulare Analyse von vier eDNA-Proben pro Gewässer ergab, dass alle acht untersuchten Proben die Kieselalgenart Rhopalodia gibba enthielten. Dieses Taxon ist sehr gut bekannt, lichtmikroskopisch einfach zu erkennen und unseren Erfahrungen nach typisch für stehende Gewässer mit Wasserpflanzen. Die Nachkontrolle der eDNA-Analysen ergab, dass es sich bei diesem Nachweis nicht um einen Artefakt oder eine Kontamination oder sonst einen labortechnischen oder bioinformatorischen Fehler handelt. Der molekularbiologische Nachweis dieser Art in den acht Proben ist damit mit grosser Sicherheit gegeben. Bei der mikroskopischen Durchsicht dieser acht analysierten Proben konnte diese Art trotz gezielter und intensiver Suche aber nicht gefunden werden. Trotz Ausdehnung der Suche in sämtlichen uns verfügbaren Artenlisten der in den letzten 20 Jahren entnommen Proben der Töss (176 Proben) wie auch der Thur (193 Proben) konnte diese Art in keinem der beiden Fliessgewässer gefunden werden. Selbst die Nachkontrolle in insgesamt weiteren 762 Fliessgewässerproben, welche während der letzten 20 Jahre in anderen Fliessgewässern der beiden Einzugsgebiete von Thur und Töss gesammelt wurden, trat diese Art nie auf. Generell ergab die Suche in mehr als 6000 Artenlisten von Fliessgewässerproben der Schweiz, dass diese Art nie in Fliessgewässern auftritt. Selbst Seeausflüsse wiesen dieses Taxon nicht auf. Infolge dieser Tatsache kann davon ausgegangen werden, dass die eDNA dieser Art von einem stehenden Gewässer aus den Einzugsgebieten der Thur und der Töss eingeschleppt wurde. Die Annahme, das Taxon käme in den beiden Fliessgewässern regelmässig vor, wäre daher mit Sicherheit falsch. Das Beispiel zeigt einerseits die hohe Sensitivität des eDNA-Metabarcodings, andererseits verdeutlicht dieses Beispiel auch, dass zur Interpretation mittels eDNA gefundener Arten nach wie vor sehr gute Artenkenntnisse nötig sind. Ohne Wissen um die Ökologie und Verbreitung von Arten, würden Resultate aus eDNA-Untersuchungen öfters falsch interpretiert.
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Fragen, gehen wir davon aus, dass eDNAMetabarcoding wohl in einer Übergangsphase ergänzend eingesetzt wird. Bis für die Feld- (Probenahme) und Laborarbeit (Analytik) sowie die Auswertung pro Organismengruppe standardisierte Methoden vorliegen, die nachweislich zielführende Anwendungen zulassen, ist noch viel Grundlagenforschung nötig. Im Folgenden werden daher die Methode generell vorgestellt, Begriffe erläutert und auf die Arbeitsschritte «Probenahme», «Laborarbeit» und «Datenanalyse» eingegangen. 2. Methoden und Begriffe Umweltanalysen, Biodiversitätsuntersuchungen sowie die gesamte Bioindikation werden durch die relativ jungen Methoden des DNA-Barcodings und eDNA-Metabarcodings bereichert. DNA-Barcoding und eDNA-Metabarcoding bestimmen die Identität des zu untersuchenden Organismus anhand eines kurzen spezifischen Sequenzabschnitts (DNA-Barcode) im Abgleich mit Referenzbarcodes in Datenbanken. Vergleichbar ist diese Zuordnung mit dem Verfahren des Produktstrichcodes (Global Trade Item Number, GTIN) im weltweiten Warenhandel. Die Voraussetzung aller molekularen DNA-basierten Verfahren ist ein DNA-Biomarker, der die eindeutige Bestimmung auf mindestens Artniveau ermöglicht. Im DNA-Barcoding wird statt des Strichcodes die für eine Art spezifische Basenpaarabfolge in einem definierten DNA-Abschnitt zur Artbestimmung genutzt. Beim sogenannten DNABarcoding werden nur einzelne Organismen und ihre DNA-Barcodes analysiert und bestimmt. Das Verfahren des DNABarcodings dient also der Zuordnung von
Individuen der Art in einer nicht gemischten Probe. Dieses Verfahren hat sich bewährt, mit der Voraussetzung, dass es die gesuchte artspezifische Referenz gibt. Möchte man die in Umweltproben (Wasser, Sediment, Erde, Luft, Darminhalte, Mikroorganismen usw.) vorhandene eDNA untersuchen, wird dies durch die Anwendung der in den letzten Jahren entwickelten sogenannten Hochdurchsatz-Sequenzierungs-Verfahren (engl. High-Throughput-Sequencing, HTS) und dem dadurch realisierten sogenannten eDNA-Metabarcoding ermöglicht (Bilder 1 und 2). Beim eDNA-Metabarcoding wird die aus den Proben extrahierte eDNA via HTS sequenziert und werden so Hunderttausende Sequenzen generiert, die mithilfe von bioinformatorischen Verfahren Referenzbarcodes in wissenschaftlichen Datenbanken zugeordnet werden (Zimmermann et al. 2015). So können alle in der Probe befindlichen Organismen oder Organismenpartikel, soweit es einen Referenzbarcode der jeweiligen Art in den entsprechenden Datenbanken gibt, zugeordnet werden (Bild 3). 3. Probenahme Über die Verteilung der DNA in der Umwelt fehlen noch umfassende Daten. Auch hinsichtlich der Art der Probenahme (in Wasser, Boden, Sediment, Luft), der Probenahmemenge und bezüglich der räumlichen und zeitlichen Verteilung der Probenahmen ist noch Grundlagenforschung nötig. Je nach Thematik mangelt es auch an methodischen Vorgaben und offiziellen Standardisierungen. Es befindet sich auch bei geringer Individuendichte eine beachtliche Zahl an eDNA-Einheiten in
der Umwelt. Mikroskopisch kleine Organismen (Bakterien, Protisten, Parasiten, Krankheitserreger, Wirbellose, Algen usw.) geben ebenfalls eDNA in die Umgebung ab. Ein Individuum des Blauen Sonnenbarsches (Lepomis macrochirus) gab gemäss Tests von Maruyama et al. (2014) pro Stunde 10 Millionen Einheiten an eDNA ins Wasser ab (zitiert in Schmidt & Ursenbacher 2015). Experimente mit Amphibien zeigten, dass eDNA innert wenigen Tagen nach Einsetzen in Mesokosmen nachweisbar war (Thomsen et al. 2012). Nach dem Entfernen der Amphibien war die eDNA im Wasser nur 1–2 Wochen lang vorhanden (Dejean et al. 2011, Thomsen et al. 2012). Andere Studien zeigen aber, dass insbesondere in Seesedimenten eDNA sehr lange konserviert vorliegen kann (Pedersen et al. 2015). Die in Wasser und Boden vorhandene eDNA kann somit ein mehr oder weniger exaktes Abbild der im Gebiet physisch vorhandenen Arten sein. In aquatischen Lebensräumen ist die Verbreitung der eDNA im Vergleich zu terrestrischen Lebensräumen infolge des Transports von Partikeln und Wasser mit der fliessenden Welle (Fliessgewässer) und von Mischungsprozessen (Seen) wie auch durch Tiere (Kot) speziell gut. eDNA-Analysen aquatischer Proben umfassen daher nicht nur Arten des Probenahmestandorts sondern des Einzugsgebiets des beprobten Gewässers. Das Beispiel im Kastentext «Exkurs zum Vorkommen einer Art» illustriert das Eindriften von DNA einer Art sehr eindrücklich. Das Probenahmekonzept ist in seiner räumlichen und zeitlichen Auslegung stark abhängig von der Fragestellung. Die Probenahme selber ist dann bezüglich
Bild 1. In der Umwelt vorhandene eDNA, die Beprobung unterschiedlicher Kompartimente sowie die Probenaufbereitung und Datenanalyse im Labor. «Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
165
des Probenvolumens und der -häufigkeit pro Jahr spezifisch abhängig von den zu untersuchenden Organismen, Ökosystemen und Bioindikationsverfahren. Die Standardisierung (z. B. CEN-EU-Wasserrahmenrichtlinie) der Probenahme für die verschiedenen Bereiche (Bodenproben, Sedimente, Wasser, Kratzproben, Luft usw.) ist insbesondere bei übergeordneten (z. B. länderübergreifenden) Studien oder bei Langzeitüberwachungen sehr wichtig. Nur standardisierte Verfahren gewährleisten die Vergleichbarkeit verschiedener Sammelkampagnen. Am Beispiel der Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) konnte festgestellt werden, dass der Nachweis in kleinen, künstlichen Gewässern oder in natürlichen Flachgewässern besser gelang als in natürlichen grossen Gewässern. Die Nachweiswahrscheinlichkeit der Art war anhand des eDNA-Verfahrens höher als durch die direkte Beobachtung, aber niedriger als mit Keschernetzen, mit welchen auch versteckte Tiere gefunden wurden. Die Zahl der Individuen konnte aber mittels eDNA nicht eruiert werden (Raemy 2016). 4.
Laborarbeiten und Datenanalyse Für verschiedene Organismengruppen und auch ökologische Fragestellungen werden DNA-Barcodes verschiedener Gene genutzt. Die spezifischen Genabschnitte werden vor der HTS mithilfe von Primern und der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) aus dem gesamten Genom selektiert und, um genug DNA-Material für die Analyse zu haben, gleichzeitig vermehrt. Bei diesem Prozess kann es zu systeminhärenten Verzerrungen der Mengenverhältnisse der DNA-Barcodesequenzen im Verhältnis zur reellen Häufigkeit der Individuen kommen. Dies hat zur Folge, dass zumindest zurzeit Individuendichten nicht korrekt eruiert werden können. Derzeit werden zahlreiche Softwaremodule zur Auswertung von eDNAMetabarcoding-Ergebnissen eingesetzt. Dabei gilt es, mittels rechnerischen Verfahren die gefundenen Sequenzen mit artspezifischen Sequenzen von Referenzdatenbanken zu vergleichen. Dabei werden je nach Verfahren und Anspruch an die Genauigkeit Hochleistungsrechner benötigt oder entsprechende CloudComputing-basierte Onlinelösungen. Das Ziel dieser Vergleiche ist, eindeutige Artzuordnungen der gefundenen Sequenzen vorzunehmen. Diese Artzuordnungen sind je nach verwendeten Algorithmen unter166
schiedlich genau (verschiedene heuristische Verfahren) und für Fehler anfällig (Sequenzierfehler, Übersehen von Chimären, zu wenig präzise Grenzwerte zur Bestimmung der Ähnlichkeit zweier Sequenzen, ungeeignete Referenzdatenbanken). Die Datenanalyse ist daher ein zentrales Element beim eDNA-Metabarcoding und verlangt ein hohes Mass an Standardisierung, Kalibrierung und Qualitätsüberprüfung. Ein weiterer grundlegender Faktor für das eDNA-Metabarcoding und dessen Potenzial für erfolgreiche Bioindikation und Biodiversitätserfassungen sind Qualität und «Vollständigkeit» der verfügbaren Referenz-/Biodiversitätsdatenbanken (Zimmermann et al. 2014). Diese Datenbanken müssen so umfassend wie möglich sein, ständig erweitert und die integrierten Daten gepflegt und regelmässigen Qua-
litätskontrollen unterzogen werden. Dies verlangt teilweise enormen Aufwand. So können nicht alle genetischen Referenzdatenbanken (z. B. International-Nucleotide-Sequence-Database-Collaboration [INSDC], Barcode of Life Data Systems [BOLD]), auch bei grösster Sorgfalt ihrerseits, immer eine eindeutige taxonomische Validierung ihrer Referenzbarcodes gewährleisten. Um diesem Problem zu begegnen, haben Forschende und Fachleute aus vielen EU-Staaten Standards und Voraussetzungen für die Qualitätsanforderungen, die an Referenzbarcodes gestellt werden, erarbeitet und diese beim Europäischen Komitee für Normung (CEN; Comité Européen de Normalisation) eingereicht und erfolgreich registrieren lassen. Diese neuen molekularbiologischen und bioinformatorischen Verfahren
Wichtige Begriffe · Chimären: Im Zusammenhang mit DNA-Sequenzierung durch systeminhärente Fehler künstlich erzeugte Verschmelzungen verschiedener Sequenzen zu einer neuen, in der Natur nicht vorkommenden Sequenz. · DNA (engl. DesoxyriboNucleic Acid; deutsch Desoxyribo-Nuklein-Säure, Abk. DNS): Trägermolekül der Erbinformationen (u. a. Gene), aufgebaut aus einer Sequenz verschiedener Basen (Adenin, Cytosin, Guanin, Thymin), deren Abfolge je nach Organismus/Individuum unterschiedlich bzw. spezifisch sein kann. · DNA-Barcode: kurzes Stück des Genoms (Gesamtheit aller Gene), das in allen zu untersuchenden Organismen vorkommt und i. d. R. zur Artunterscheidung nutzbar ist. · DNA-Barcoding: Identifikation eines Organismus über einen DNA-Barcode. Voraussetzung für eine erfolgreiche Identifikation ist die eindeutige Zuordnung zu einem in einer öffentlich zugänglichen und wissenschaftlich kuratierten Datenbank hinterlegten Referenzbarcode, der idealerweise aus einem wissenschaftlich dokumentierten Belegexemplar der Art gewonnen wurde. · eDNA (engl. environmental DNA, deutsch Umwelt-DNA): DNA, die aus einer Umweltprobe (z. B. Boden-, Wasser- oder Luftprobe) und nicht aus einem einzelnen Individuum stammt. eDNA enthält Spuren von DNA verschiedener in der beprobten Umwelt vorkommender Organismen. DNA verschiedener Organismen können z. B. über Speichel, Fäkalien, Hautschuppen, Haare, Fortpflanzungszellen und andere Gewebereste in die Umweltproben gelangen und so nachgewiesen werden. · eDNA-Metabarcoding: High-Through-put-Methode (deutsch Hochdurchsatz, HTS) zur DNA-basierten Identifikation von Organismen in einer Umweltprobe, über die die Zuordnung einer Vielzahl von Sequenzen (DNA-Barcodes) in dieser Umweltprobe zu Referenzdaten in einer Datenbank funktioniert. So kann verhältnismässig schnell die Diversität in Ökosystemen nachgewiesen und/oder evaluiert werden. · PCR (Polymerase Chain Reaction) bedeutet Polymerase-Kettenreaktion und beschreibt eine Methode zur Vervielfältigung der DNA. · Phylogenetische Zuordnung: Zuordnung der erzeugten Umweltsequenzen zu den Referenzsequenzen mithilfe der genetischen Stammbaumanalyse, um durch das Hinzuziehen der evolutionären Stammesgeschichte eine verfeinerte Arterkennung zu gewährleisten. · Primer sind Oligonukleotide (<20 Basenpaare), die als Startsequenz für DNAReplikation und die PCR benötigt werden. Sie können so designt werden, dass sie an gewünschten Abschnitten (z. B. DNA-Barcodingmarker) binden und nur dieser Abschnitt vermehrt wird. · Taxonomie: Wissenschaft der Entdeckung, Beschreibung, Klassifizierung und Benennung von Organismen.
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sind sehr sensitiv und benötigten daher ein hohes Mass an Qualitätssicherung. Dies, weil einerseits die Gefahr von Kontamination im Feld und im Labor gross ist und andererseits, weil die gefundenen Arten nur noch in unsichtbaren Spuren und nicht mehr physisch als ganze Organismen vorhanden sein müssen. Die gefundenen Arten können somit nicht mehr zum Beweis z. B. mittels Fotos dokumentiert werden, sondern liegen nur noch als digitale Sequenzen vor, welche ohne Beizug eines leistungsfähigen Computers und des Internets (Referenzdatenbanken) nicht einer Art zugewiesen werden können. Der Gesetzgeber und die Vollzugsbehörden werden somit gefordert sein, entsprechende Stan-
dards, Methoden und Wegleitungen zu erarbeiten und deren Umsetzung zu prüfen. Die Labors andererseits sind gefordert, ihre angewandten Verfahren laufend dem neusten Stand der Technik anzupassen und die Schritte der Qualitätssicherung wie auch die beigezogenen Softwaretools, Referenzdatenbanken und Laborstandards festzuhalten und deren Fehleranfälligkeiten aufzuzeigen. Tabelle 1 enthält mögliche Hinweise und Empfehlungen zu solchen zwingend nötigen Standardisierungen. Die angewandte Gewässerökologie wird diese neuen Verfahren nur dann erfolgreich einsetzen können, wenn das Vertrauen in die Methode generell und in die Resultate (Artbestimmungen) gegeben ist.
5.
Anwendungen im Bereich Artenschutz und in verwandten Themen Im Folgenden wird beim Aufzeigen von Möglichkeiten mehrheitlich auf aquatische Systeme eingegangen. Viele der Beispiele sind aber noch nicht routinemässig verfügbar. Die Anwendungen, die sich mit dem Verfahren des eDNA-Metabarcodings mittels Hochdurchsatzsequenzierung für die angewandte Ökologie eröffnen, sind sehr vielfältig. In der Tabelle 2 befindet sich eine Auswahl mit Hinweisen zu Vor- und Nachteilen der neuen Methode im Vergleich zu klassischen Verfahren. Das Finden von gebietsfremden Arten zu einem möglichst frühen Zeitpunkt der Besiedlung scheint
Tabelle 1. Komponenten, Mindestdokumentation und Empfehlungen zur Standardisierung für eDNA-Metabarcoding-Studien. In Anlehnung an Goldberg et al. (2016) und erweitert. «Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
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Bild 2. HTS-Plattform Illumina MiSeq. Pipettiervorgang, ein typischer Arbeitsschritt.
Bild 3. Mittels eDNA-Metabarcoding gefundene Algen und höhere Pflanzen in der Töss bei Kyburg, Kanton Zürich. Die Anteile entsprechen der Anzahl analysierter Sequenzen. Diese Häufigkeiten entsprechen aber nicht der im Feld vorhandenen Individuen.
Bild 4. Systematische Beprobung, Kennzeichnung und Dokumentation der Probenahmestellen. Je nach Fragestellung werden mehrmals Wasserproben analysiert oder gezielt Substrate entnommen. eine geeignete und zum Teil bereits etablierte Anwendung zu sein. Dazu müssen aber die entsprechenden Referenzse168
quenzen vorhanden sein. In Bild 5 sind exemplarisch Fragestellungen aufgeführt, die nur dank eDNA zugänglich werden.
Mit diesen Beispielen wird auch deutlich, dass das Verfahren des eDNA-Metabarcoding die klassische Artbestimmung nicht zwingend konkurriert, sondern weitere bis anhin nicht mögliche Anwendungen erschliesst. Mit den neuen Verfahren der eDNA ergeben sich aber auch neue Fragen. So gilt aus Sicht der Arten- und Naturschutzbehörden, der betroffenen Gesetzgebung und der damit verbundenen Gerichtspraxis zu klären, ob künftig, wenn es um das Vorkommen von z. B. gefährdeten Arten (Rote-Liste-Arten) geht, ein eDNA-Nachweis genügt oder ob Individuen dieser Art physisch vorliegen müssen. Im Wissen um fehlerhafte Artzuordnungen und, dass eDNA insbesondere bei Fliessgewässern via Drift an den Untersuchungsort eingeschleppt werden kann, wird es bei der Einschätzung der Umweltverträglichkeit eines Projekts heikel sein, sich bloss auf eDNA abzustützen. Dies allenfalls auch desshalb, weil die Möglichkeit der Faunaund Floraverfälschung, also das bewusste Einbringen von eDNA in einen Projektperimeter, grundsätzlich besteht. 6. Individuendichte Resultate des eDNA-Metabarcodings geben aktuell vor allem Auskunft über Präsenz oder Absenz einer Art, nicht aber über die genaue Grösse der Population. Somit ist die Frage des Nachweises der Häufigkeit (Biomasse, Individuendichte) bis heute nicht geklärt. Auch Angaben zu Vitalität (lebte die Art zum Zeitpunkt der Untersuchung), Geschlecht, Alter und Entwicklungsstadium sind zurzeit nicht möglich. Hierzu wird aber die Forschung mit Sicherheit neue Verfahren entwickeln, sodass angenommen werden kann, dass diese demografischen und physiologischen Aspekte künftig besser aufgezeigt werden können. 7. Künftige Akzeptanz In Zukunft wird das Verfahren des eDNAMetabarcodings mit Sicherheit an Bedeutung zunehmen. Die intensive Forschung weltweit, die Veröffentlichungen in Alltagsmedien über Erfolge, die laufende Automatisierung sowie die enormen Verbesserungen im Bereich der Bioinformatik wie auch die Senkung der Kosten für gezielte Artanalysen sind Gründe, dass das Verfahren noch stark an Akzeptanz gewinnen wird. Inwieweit diese Möglichkeit der Verwendung des eDNA-Metabarcodings im Rahmen der Umweltabklärungen (z. B. UVB) genutzt werden wird, ist noch unklar. Es wird mit Sicherheit stark davon abhängen,
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Tabelle 2. Anwendungsmöglichkeiten des eDNA-Metabarcodings in der angewandten Ökologie mit Angabe der Vor- und Nachteile. inwieweit die Behörden dieses Verfahren akzeptieren und wie schnell qualifizierte Labors diese Dienste in der Schweiz anbieten. Aus Sicht der angewandten Ökologie wird eDNA-Metabarcoding vermut-
lich in einem ersten Schritt im Sinne von Screenings eingesetzt werden. In Abhängigkeit der Resultate könnten dann gezielt mit klassischen Verfahren die Aussagen vor Ort verifiziert werden.
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Reine Monitoringprogramme, welche sich in kantonale oder schweizweite Routineprogramme integrieren lassen (z. B. Wasser-, Boden- oder Luftproben), dürften in Zukunft an Bedeutung zuneh169
Ist das der Abwasserpilz Sphaerotilus natans?
Ist dies die gebietsfremde Alge Didymosphenia geminata?
Welche Schnecke legt solche Eigelege?
Welche weiteren Parasiten hat dieser Stichling noch? Sind diese Parasiten verbreitet oder nur lokal vorhanden?
Enthält Entenkot die Artenvielfalt der Wasserpflanzen eines Gewässers?
Welche Arten befinden sich im Gefieder von Wasservögeln? Sind sie ein Abbild der Artenvielfalt des Planktons oder gar eines Gewässers?
Welche Arten befinden sich in diesem schwer zugänglichen Naturschutzgebiet?
Stammt dieses Trinkwasser aus einer Quelle mit spezieller Quellfauna?
Bilder 5.1 bis 5.8. Fragestellungen und Anwendungen, welche dank eDNA angegangen werden könnten und eine Ergänzung der klassischen Artbestimmung darstellen. 170
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men. Die Integration von eDNA-Metabarcoding in solche Überwachungsprogramme hat den Vorteil, dass es möglicherweise keinen wesentlichen zusätzlichen Feldaufwand bedingt. Der Nachweis dafür muss aber noch erbracht werden. Das eDNA-Metabarcoding hat auch den Vorteil, dass der Check auf gewisse Arten hin (z. B. invasive Arten, geschützte Arten, toxische Arten usw.) optimiert werden könnte. Für die Definition der Fragestellungen, die Wahl des Probenahmedesigns und der anzuwendenden Laborverfahren, die Interpretation der Resultate sowie die Qualitätssicherung wird aber weiterhin das Wissen der Taxonomie benötigt. Im Bereich des Artnachweises dürfte das DNA-Barcoding im Sinne der Artverifizierung (Qualitätssicherung) ebenfalls schnell Eingang finden, sofern die DNA-Labors über entsprechend qualifiziertes Personal und entsprechendes Fachwissen verfügen. Dazu werden aber auch regionale Referenzdatenbanken nötig sein und nach wie vor das Wissen von Taxonominnen und Taxonomen. Dies nicht zuletzt auch daher, weil die Resultate dieser DNA-Labors regelmässig durch Personen mit Artenkenntnissen überprüft werden müssen. Die sich in Entwicklung befindenden Verfahren werden es erlauben, die Untersuchungen standardisiert an einer hohen Zahl an Proben und mit schneller Verfügbarkeit der Resultate sowie hoher räumlicher Auflösung durchzuführen. Eine jetzt schon absehbare Weiterentwicklung der Verfahren dürfte auch die Möglichkeiten bieten, Populationen zu unterscheiden und mittels RNA- und Proteinanalysen Aussagen zum physiologischen Zustand der Individuen zu machen. Im Bereich der Bakterien werden diese Verfahren schon eingesetzt. Für Eukaryoten bedarf es noch spezifischer Grundlagenforschung. 8. Zukunftsvisionen Themen wie die Ausbreitung von Parasiten und anderen Arten infolge Klimawandels, die Verbreitung von Krankheitserregern wie auch Nachweise von invasiven Arten stellen Einsatzmöglichkeiten mit viel Potenzial dar. Auch die Entwicklung von allenfalls artunabhängigen Indizes, sei es für gezielte Teillebensräume, ganze Gewässer oder ganze Gebiete, wird an Bedeutung zunehmen. Diese neuen Ansätze bieten auch die Chance, ganze Regionen übergeordnet hinsichtlich verschiedener Aspekte zu bewerten. Es ist anzunehmen, dass verschiedene Personengruppen, Institutionen und
Wirtschaftszweige sich vermehrt um Arten und deren Vorkommen interessieren. In der angewandten Ökologie wird sich dies ebenfalls positiv auswirken. eDNA-Metabarcoding ist ein Laborprodukt, welches stark automatisiert werden kann. Das Verfahren stützt sich auf kleinste Einheiten (DNA), welche überall vorhanden sind, und es kann angenommen werden, dass gewisse Verfahren so vereinfacht angeboten werden, dass für die Erhebung und die Durchführung vergleichsweise wenig Zeit- und Personalressourcen benötigt werden und damit diesbezüglich nur geringe Kosten pro Bestimmungsnachweis anfallen. Die benötigte Labor- und IT-Infrastruktur sowie die Verfügbarkeit von geeigneten lokalen Referenzdatenbanken werden jedoch ein bedeutender Kostenfaktor bleiben. Die Qualität der Resultate und damit die Akzeptanz des Verfahrens werden insbesondere vom betriebenen IT-Aufwand (Bioinformatik) sowie von der Verfügbarkeit und Qualität von regionalen Referenzdatenbanken abhängig sein. Die laufenden Arbeiten und damit die Kosten zur Unterhaltung und Sicherstellung von lokalen Referenzdatenbanken werden intensiv sein. Es gilt einerseits, die Referenzdatenbanken laufend zu aktualisieren (Arten mutieren, neue Arten wandern ein usw.), die Art der Datenhaltung den IT-Entwicklungen und neuen Softwareprodukten anzupassen und anderseits den Zugang öffentlich zu gewährleisten und gleichzeitig aber die Datenbanken vor Cyberkriminalität zu schützen. Dieser nicht zu unterschätzende Aufwand dürfte künftig möglicherweise durch die öffentliche Hand (Bundesstellen, Kantone, Forschung, gezielte Auftragserteilungen an Firmen, Verbände usw.) finanziert und betrieben werden. Alternativ wäre auch denkbar, dass z. B. private Unternehmen spezielle Referenzdatenbanken auf eigene Kosten entwickeln und den Nutzern gegen Verrechnung einer Lizenzgebühr anbieten. Spezielle Referenzdatenbanken könnten Arten umfassen, welche vorwiegend im Bereich der Industrie oder der Medizin und Pharmazie von Bedeutung sind. Die neuen molekularbiologischen Verfahren werden das Wissen um die Verbreitung von Arten deutlich erhöhen. Insofern wird die Biogeografie profitieren, wenn die erhobenen Daten z. B. im Sinne von Verbreitungskarten öffentlich zugänglich sein werden. Es ist aber zu befürchten, dass mit diesen Verfahren das Thema Arten- und Naturschutz vermutlich längerfristig emotionsloser angegangen wird. Dies, weil un-
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serer Meinung nach die Vermittlung blosser Sequenzen schwieriger sein wird als die physisch gefundenen Arten. Die reine digitale Sequenz einer farbenprächtigen Libelle löst kaum Emotionen aus. Auch die eingeschränktere Dokumentationsmöglichkeit und der fehlende physische Nachweis der gefundenen Arten (als Belegexemplar) erachten wir als grosse Nachteile. Es versteht sich von selbst, dass auch ein Teil der eDNA-Probe sowie die Sequenzdaten archiviert werden sollten. Das Verfahren des eDNA-Metabarcodings birgt vordergründig das Potenzial, klassische Untersuchungsverfahren zu verdrängen. Es wird befürchtet, dass das Wissen um Arten in die Molekularlabors verschoben wird. Beides schürt bei den klassisch ausgebildeten Biologinnen und Biologen eine gewisse Angst. Unserer Meinung nach aber zu Unrecht. Taxonomisch Forschende und artspezifisches autökologisches Fachwissen wird kaum ersetzt oder – wie zum Teil befürchtet – gar nicht mehr benötigt. Taxonominnen und Taxonomen werden viel eher vermehrt nötig sein, denn nur schon die Definition der artspezifischen Referenzen, welche pro Region erhoben werden sollten, bedingt das Wissen der Taxonomie. Auch die regelmässigen Qualitätssicherungen der Labors und die mit Sicherheit auftretenden neuen Fragen und Unsicherheiten benötigen Fachwissen. Möglicherweise löst das vermehrte Anwenden des eDNAMetabarcodings hinsichtlich Notwendigkeit von Artenkenntissen einen gewissen Rebound-Effekt aus. Dies daher, weil wohl das eDNA-Metabarcoding-Verfahren die Artbestimmungen effizienter und kostengünstiger macht und von von taxonomisch versierten Fachleuten losgelöst durchgeführt werden kann. Die Menge der Analysen und die neuen Fragestellungen werden aber vermutlich mehr auf das Wissen der Taxonomie und auf Fachgebiete wie Molekularbiologie, Automatisation und Bioinformatik angewiesen sein. Insofern wird das Verfahren des eDNA-Metabarcodings eine Erweiterung der Tätigkeiten klassischer Taxonominnen und Taxonomen bedingen. Deshalb sollte eDNA-Metabarcoding für den Einsatz in der Bioindikation und in der Wissenschaft nicht als ein Ersatz für die bisher verwendeten Verfahren gesehen werden. Eher befähigt es uns, eine Verbindung zwischen traditionellen Methoden der Ökologie, Taxonomie und Evolutionsforschung mit den sich sehr schnell entwickelnden molekularen Techniken, ermöglicht durch die moderne 171
Bioinformatik, zu schaffen. Daher ist das eDNA-Metabarcoding vor allem komplementär zu den traditionellen Methoden und als weiteres Werkzeug im Werkzeugkasten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie der Experteninnen und Experten in den entsprechenden Feldern zu verstehen.
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«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
Gewässerraum als politischer Zankapfel Eine Medienanalyse der Berichterstattung zum Gewässerraum in den Kantonen Aargau, Bern und Wallis Valentin Zimmermann, Helena Zemp, Norbert Kräuchi, Matthias Buchecker
Zusammenfassung Damit die Gewässer schweizweit wieder naturnäher werden, benötigen sie genügend Raum. Der Gewässerraum dient der Sicherstellung der natürlichen Funktionen der Gewässer, dem Hochwasserschutz und der Gewässernutzung. Um diese Funktionen zu gewährleisten, verpflichtet das revidierte Gewässerschutzgesetz (GSchG) die Kantone, bis 2018 an allen Gewässern einen Gewässerraum auszuscheiden. Dieser darf nur beschränkt genutzt und bewirtschaftet werden. Da der Gewässerraum Kulturland beansprucht oder die Siedlungsplanung tangiert, resultieren Spannungsverhältnisse und Konflikte zwischen diversen Interessengruppen. Dieser Beitrag stellt Entwicklungen rund um den Gewässerraum von Fliessgewässern anhand einer Untersuchung der Medienthematisierung im Zeitraum von 2010 bis 2014 in den Fallstudiengebieten Aargau, Bern und Wallis vor. Vorliegend werden Erkenntnisse aus einer Vertiefungsanalyse präsentiert, die im Rahmen eines Medien-Monitorings zur Renaturierung bzw. Revitalisierung von Fliessgewässern (2000–2014) durchgeführt wurde. Dadurch erhalten wir einen Einblick in den bisherigen Verlauf der Berichterstattung über den Gewässerraum, in behandelte Themen, Konfliktdynamiken oder deren Ursachen. Auch prägende Akteure des Mediendiskurses und deren Positionen und Gegenpositionen zum Gewässerraum werden fassbar. Als besonders interessant erweist sich die Tatsache, dass Landwirtschaftskreise mit ihrer Gewässerraumkritik in den untersuchten Medien ungewöhnlich viel Resonanz erreichen.
1. Einleitung Bis Ende 2018 müssen alle Kantone einen minimalen Gewässerraum für die Still- und Fliessgewässer innerhalb der kantonalen Grenzen festlegen. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Ausscheidung des Gewässerraums traten im Jahr 2011 mit der Revision des Gewässerschutzgesetzes (GSchG; SR 814.20) und der dazugehörigen Gewässerschutzverordnung (GSchV; SR 814.201) in Kraft. Diese Anpassungen stellen einen politischen Kompromiss zu der vom Schweizerischen Fischereiverband, SFV, initiierten Volksinitiative «Lebendiges Wasser» dar (BAFU et al. 2014:2). Die 2006 eingereichte Volksinitiative forderte ursprünglich die Revitalisierung aller Schweizer Gewässer in schlechtem Zustand. In seiner Botschaft zur Volksinitiative «Lebendiges Wasser (Renaturierungs-Initiative)» vom 27. Juni 2007 beurteilte der Bundesrat die Initiative jedoch als problematisch. Gemäss Bundesrat stehe der Nutzen der Forderungen der Initiative nicht im Verhältnis zu den Kosten der Umsetzung für Bund und Kan-
tone. Unter anderem kritisierte er, dass die Initiative ökonomische Nachteile für Wasserkraftwerke zur Folge habe und die Produktion wertvoller Speicherenergie beeinträchtigen könnte. Er empfahl die Initiative dem Volk und den Ständen zur Ablehnung. Um eine ausgewogene Lösung im Gewässerschutz zu finden, wurde die parlamentarische Initiative «Schutz und Nutzung der Gewässer» vom Ständerat lanciert. Dieser Gegenvorschlag wurde Ende 2009 mit einem klaren Ja von National- und Ständerat angenommen. Daraufhin zog der Schweizerische Fischereiverband seine Initiative zurück. So trat 2011 die Änderung der Gewässerschutzgebung in Kraft. Demgemäss müssen lediglich 4000 Kilometer Flussstrecke der insgesamt 15 000 Kilometer, die sich in einem schlechten Zustand befinden, renaturiert werden. Allerdings spielt die Pflicht, einen Gewässerraum an allen Gewässern naturnah auszugestalten, eine wichtige Rolle bei diesem Kompromiss. Die Fläche, die als Gewässerraum den Flüssen und Bächen zurückgegeben
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wird, ist nur ein kleiner Teil dessen, was man einmal genommen hat (Kräuchi und Tschannen 2015). «Fliessgewässer können nur wieder naturnäher werden, wenn ausreichend Raum in den Schutz der Gewässer miteinbezogen wird» (BAFU 2015). Der Gewässerraum stellt bei idealen Bedingungen einen natürlichen Korridor für das Gewässer dar und wird von ihm natürlich und dynamisch gestaltet. Ökologisch wertvolle und aufgewertete Flüsse und Bäche bieten einen wichtigen Lebensraum für Tiere und Pflanzen im und am Gewässer. Des Weiteren bieten die Gewässerräume meist beliebte Naherholungszonen für die Bevölkerung. Der Gewässerraum darf nur extensiv genutzt werden. Weder Dünger noch Pflanzenschutzmittel dürfen in diesem Gebiet ausgebracht werden (BAFU et al. 2014:2). Folglich ist die intensive Bewirtschaftung von Landwirtschaftsflächen und insbesondere von ackerfähigen Böden als Fruchtfolgeflächen in diesen Korridoren eingeschränkt. Für ihre Nutzungseinschränkungen werden betroffene Landwirte entschädigt. Generell dürfen im Gewässerraum keine Anlagen erstellt werden. Die Behörden können jedoch standortgebundene und im öffentlichen Interesse liegende Anlagen wie Fuss- und Wanderwege, Flusskraftwerke oder Brücken bewilligen. Bestehende Bauten und Anlagen sind in ihrem Bestand geschützt (BAFU et al. 2013). Die Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen zur Ausscheidung des Gewässerraums führt vor allem wegen des Verlusts von Landwirtschaftsland und Bauzonen zu neuen politischen Spannungsverhältnissen. Angesichts der aufkeimenden Probleme bei der Umsetzung des neuen Gewässerschutzgesetzes wurden zwischen 2012 und 2013 von neun Kantonen (AG, GR, LU, SG, SH, SZ, NW, UR, ZG) Standesinitiativen sowie zwei Motionen, eine Parlamentarische Initiative und ein Postulat aus dem Parlament eingereicht. Diese verlangen eine Locke173
rung der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere eine flexiblere Festlegung des Gewässerraums durch die Kantone unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Landwirtschaft. National- und Ständerat haben 2014 nur Teile einer Motion – den Ersatz der Fruchtfolgeflächen – angenommen. Die Standesinitiativen und eine Motion wurden alle abgelehnt, das Postulat angenommen; die Parlamentarische Initiative wurde noch nicht abschliessend behandelt. Diese jüngeren Entwicklungen zeigen, wie ambivalent die Ausscheidung von Gewässerräumen in der Schweiz wahrgenommen und beurteilt wird. Da die verschiedenen Ansprüche an Fliessgewässer als Handlungs- und Lebensraum intensive gesellschaftliche Diskurse begleiten, die vorwiegend via Massenmedien zugänglich sind, ist eine Analyse der Gewässerraumberichterstattung in Regionalzeitungen geeignet, um diese Auseinandersetzungen fassbarer zu machen. Folgende Fragen stehen im Zentrum der Untersuchung: • Welche Besonderheiten der Berichterstattung zum Gewässerraum gibt es? • Welche Akteure sind im medialen Diskurs zum Gewässerraum präsent und welche Argumente vertreten sie? • Welche positiven oder negativen Aspekte der Gewässerraumausscheidung werden in den Zeitungen thematisiert? • Welche Konfliktformen treten in der Berichterstattung zum Gewässerraum auf?
2.
Methodik und Datengrundlage Die nachfolgend präsentierten Befunde basieren auf einer vertiefenden Analyse der Medienkommunikation zum Gewässerraum von Fliessgewässern im Zeitraum von 2010 bis 2014 in den Kantonen Aargau, Bern und Wallis. Die Vertiefungsstudie ist im Rahmen einer Langzeitbeobachtung der Renaturierung von Fliessgewässern (2000–2014) als Thema der Medien in denselben Fallstudiengebieten entstanden (Zemp und Buchecker 2016). Obwohl massenmediale Diskurse über den Gewässerraum in unterschiedlichen Medientypen stattfinden, konzentriert sich diese Studie aus theoretischen und forschungspraktischen Gründen auf die bedeutendsten regionalen Zeitungen. Es sind dies die «Aargauer Zeitung» (AZ), die «Berner Zeitung» (BZ), der «Berner Oberländer» (BeO) und der «Walliser Bote» (WB). Einerseits bleibt die klassische Informationsvermittlung durch die Tagespresse auf regionaler Ebene weiterhin sehr wichtig für die Information der Bevölkerung und das Funktionieren regionaler und politischer Entscheidungsprozesse (Gerth 2012). Andererseits sind die Inhalte von Printzeitungen für die Erforschung eines längeren Zeitraums vergleichsweise einfach und vollständig über digitale Archive oder bei Bedarf über Bibliotheken zu erschliessen (Zemp und Buchecker 2015:11). Die Untersuchung wurde mit sozial- und kommunikationswissenschaftlichen Methoden der Inhaltsanalyse von Medientexten durchgeführt (Mayring 2000; Rössler 2010).
Bild 1. Der Gewässerraum umfasst die natürliche Gerinnesohle und den Raum auf beiden Uferseiten des Gewässers und soll die natürlichen Funktionen des Gewässers sowie den Hochwasserschutz gewährleisten (© Flurin Bertschinger/Ex-Press). 174
Die Zeitungsberichte wurden über zentrale Begriffe und Schlagwortkombinationen (z. B. Gewässerraum, Gewässerabstand, Uferschutz) in elektronischen Datenbanken ausfindig gemacht. Nach der Entwicklung eines Kategoriensystems sind sämtliche 61 Beiträge zur Gewässerraumthematik anhand von Variablen zu Form und Inhalt codiert und mit statistischen Verfahren deskriptiv ausgewertet worden. Trotz der relativ geringen Anzahl untersuchter Artikel erhalten wir auf dieser Basis eine Vorstellung zum Berichterstattungsverlauf und zu jenen prägenden Akteuren, denen es gelingt, ihre Meinung dazu in den Medien zu verlautbaren. 3. Resultate der Medienanalyse In einem ersten Schritt wird ein Einblick in den Verlauf der Berichterstattung über den Gewässerraum von Fliessgewässern in den Fallstudiengebieten Aargau, Bern und Wallis (2010–2014) gegeben. In einem zweiten Schritt wird auf die relevanten Akteure und deren Pro- und KontraArgumente in der Gewässerraumdebatte eingegangen. Anschliessend werden die Berichterstattungsanlässe, Themen und Ereignisorte der Mediendarstellungen besprochen. Zuletzt richtet sich das Augenmerk auf die Konfliktresonanz in den Medien. 3.1
Medienaufmerksamkeit für den Gewässerraum Wie in Bild 2 ersichtlich ist, steigt die Anzahl der Berichte zum Gewässerraum von 2010 bis 2014 kontinuierlich an. In den vier untersuchten Zeitungen findet das Thema allerdings eine unterschiedlich hohe Beachtung. Mit insgesamt 21 Artikeln stammt gut ein Drittel der gesamthaft 61 untersuchten Beiträge aus der «Aargauer Zeitung». Während die «Berner Zeitung» und der «Walliser Bote» rund je ein Viertel der Artikel publizierten, greift der «Berner Oberländer» in deutlich weniger Artikeln die Gewässerraumdebatte auf. 3.2 Akteure und ihre Argumente In den 61 Artikeln wurden alle Akteure erfasst, die sich für oder gegen die Gewässerraumausscheidung äussern. Die bedeutendste Stellung im Mediendiskurs nehmen landwirtschaftliche Akteure ein. Der «Schweizer Bauernverband, SBV/ Bauernlobby» sowie «Akteure der Landwirtschaft» übertreffen alle andern Akteure in ihrer Medienpräsenz. Mehr als ein Viertel der Stellungnahmen zum Gewässerraum (Ntot = 238) ist von diesen landwirtschaftsbezogenen Kommunikatoren
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25
20 Aargauer Zeitung (N = 21) Anzahl Artikel
geprägt. Sie sprechen sich in den untersuchten Lokalzeitungen für den Zeitraum 2010–2014 ausschliesslich gegen den Gewässerraum aus, wie Bild 3 anhand der geäusserten Pro- und Kontra-Argumente für jeden Akteur zeigt. Als wichtige Informationsquelle der Medien zeichnen sich auch Akteure des politischen Systems ab. Im politischen System wird in der Untersuchung zwischen der Exekutive (Regierung) und der verwaltungstätigen Behörde (Verwaltung) auf den Ebenen Bund, Kanton und Gemeinde unterschieden. Die Regierung auf Gemeinde- wie auch auf Bundesebene bringt sich tendenziell häufiger mit befürwortenden als mit ablehnenden Statements in den Diskurs zum Gewässerraum ein. Hingegen vertreten in den untersuchten Lokalzeitungen die Regierung auf Kantonsebene sowie die Verwaltung auf den Ebenen Bund, Kanton und Gemeinde tendenziell mehr kritische Äusserungen. Des Weiteren treten Parteien mehrheitlich mit negativen Statements zum Gewässerraum auf. Insgesamt überwiegt in den Mediendebatten der hier betrachteten Lokalzeitungen die Nennung von KontraArgumenten (N = 141) gegenüber den Pro-Argumenten (N = 97) mit einem Anteil von rund 60 %. In den untersuchten Zeitungsbeiträgen äussern sich der Fischereiverband und die Fischwirtschaft, Naturschutzorganisationen, das Bauwesen sowie Wasserbauverbände und Schwellenkorporationen grossmehrheitlich positiv zum Gewässerraum. In den vier untersuchten Zeitungen sind Kontra-Argumente insgesamt häufiger präsent als Pro-Argumente. Im «Walliser Bote» zeichnet sich mit 73 % der höchste Anteil an Kontra-Argumenten ab. Dieses negative Stimmungsbild kann darauf zurückgeführt werden, dass im «Walliser Bote» landwirtschaftliche Interessenvertretende verhältnismässig oft – in 15 der gesamthaft 44 Meinungsaussagen – vertreten sind und den Gewässerraum wegen des Verlusts von Landwirtschaftsland kritisieren. Was die zeitliche Entwicklung anbelangt, zeigt sich anhand der vertretenen Pro-Argumente (Bild 4), dass diese von 2010 bis 2011 mit einem Anteil von rund 60 % tendenziell überwiegen. Erst in den Folgejahren sind ablehnende Haltungen gegenüber dem Gewässerraum deutlich stärker vertreten als befürwortende. Dieser Wandel im Stimmungsbild lässt sich mit der starken Politisierung der Gewässerraumthematik nach der Inkraftsetzung des neuen Gewässerraumgesetzes (2011)
15 Berner Zeitung (N = 17) 10
Walliser Bote (N = 14) Berner Oberländer (N = 9)
5
0 2010
2011
2012
2013
2014
Bild 2. Berichterstattung zum Gewässerraum (2010–2014) im Zeitungsvergleich, Ntot = 61 Artikel. Anzahl Äusserungen 0
10
20
30
40
Medien Regierung auf Bundesebene Regierung auf Kantonsebene Regierung auf Gemeindeebene Verwaltung auf Bundesebene Verwaltung auf Kantonsebene Verwaltung auf Gemeindeebene Akteure der Landwirtschaft Schweiz. Bauernverband SBV/Bauernlobby Fischereiverband/Fischwirtschaft Bauwesen Wasserbauverband/Schwellenkorporationen Parteien Naturschutzorganisationen Bevölkerung Wissenschaft/Forschung Gewerbeverband anderer Akteur
kontra Gewässerraum (N = 141)
pro Gewässerraum (N = 97)
Bild 3. Akteure der Gewässerraumberichterstattung und ihre Medienpräsenz mit Pround Kontra-Argumenten zum Gewässerraum (2010–2014), Ntot = 238 Äusserungen. erklären. Aufgrund des grossen Widerstands gegen die flächendeckende Ausscheidung von Gewässerräumen haben diverse Kantone in den Jahren 2012 und 2013 kantonale Standesinitiativen eingereicht. Es zeigt sich, dass die journalistische Textproduktion in Abhängigkeit von diesen politischen Ereignissen erfolgt, sodass vermehrt das Kontra-Lager in den Medien zu Wort kommt.
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3.2.1 Inhaltliche Aspekte der Pround Kontra-Argumente Werden die 97 Pro-Argumente im Gewässerraumdiskurs inhaltlich detaillierter betrachtet, loben 14 dieser Äusserungen (14 %) den Gewässerraum im Hinblick auf die Verbesserungen im Hochwasserschutz und in der Hochwassersicherheit. Weiter wird die Meinung vertreten, dass ein Gewässerraum zur Lebensraumvielfalt beitrage, indem neue Lebensräume für Fauna 175
3.3
Berichterstattungsanlass, Themen und Ereignisorte Im Folgenden wird die Berichterstattung zum Gewässerraum weiter eingeordnet. Es werden Auslöser, der thematische Bezug und Ereignisorte der Berichterstattung dargestellt.
Anzahl Äusserungen
50
40
30
20
10
0 2010
2011
pro Gewässerraum (N = 97)
2012
2013
2014
kontra Gewässerraum (N = 141)
Bild 4. Pro- und Kontra-Argumente der Berichterstattung zum Gewässerraum im Jahresvergleich (2010–2014), Ntot = 238 Äusserungen. und Flora entstehen oder bestehende Lebensräume optimiert werden (7 %). Zudem wird hervorgehoben, dass der Gewässerraum die Freizeit-, Wohn- und Standortqualität der Region verbessere, indem Plätze für die Naherholung geschaffen werden (5 %). Das mit Abstand häufigste ProArgument mit 52 Nennungen lautet, dass der Gewässerraum positive Auswirkungen habe und notwendig sei. Damit liefert über die Hälfte der gesamthaft 97 befürwortenden Statements im Mediendiskurs keine Anhaltspunkte zu spezifischen Qualitäten oder Vorteilen eines Gewässerraums. Die starke Dominanz der undifferenzierten Befürwortung des Gewässerraums kann ein Indiz dafür sein, dass die Befürworterinnen und Befürworter über wenig spezifisches Wissen verfügen, um Sachverhalte und Rechtfertigungen für ihre Einstellung einbringen zu können. Wie bereits erläutert, sind ablehnende Äusserungen im Gewässerraumdiskurs deutlich in der Mehrzahl. Häufig kritisieren die Gewässerraumgegner den Verlust von Landwirtschaftsland, Kulturland oder wertvollen Ackerböden. Diese Bedenken betreffen mit 30 Nennungen rund jedes fünfte Kontra-Argument. Ebenso häufig vertreten ist die Meinung, das Gewässerschutzgesetz sei übertrieben, nicht kontrollierbar und nicht umsetzbar. Dieses Argumentationsmuster läuft vielfach darauf hinaus, ein flexibleres Modell zu fordern, das den Kantonen mehr Kompetenz und Freiheit in der Umsetzung des Gewässerraums gewährt. Darin zeigt sich, dass der Gewässerraum auch von den Gegnern des neuen Gewässerschutzgesetzes (2011) unter einem flexibleren Modell akzeptiert werden kann. Am dritthäufigsten wird eine allgemein negative Haltung zum Gewässer176
raum vertreten, ohne näher auf spezifische Nachteile einzugehen (14 %). Ferner wird der potenzielle Verlust von Fruchtfolgeflächen thematisiert (10 %). Weitere Gegenpositionen betreffen die Bedrohung und Einschränkung des Privateigentums/ privater Grundstücke durch den Bundesbeschluss (6 %). Auch die Überregulierung vonseiten des Bundes in Bezug auf den Gewässerraum und die Anschuldigung, dass der Bund in kantonale Belange eingreife, sind Ablehnungsgründe. Zudem wird kritisiert, dass durch die Schaffung von Gewässerräumen höhere Kosten für den Hochwasserschutz entstehen oder auch, dass die Ausscheidung von Gewässerräumen die zukünftige Entwicklung einer Gemeinde oder Region verhindere – eine Sichtweise, die vor allem in Zusammenhang mit dem Baulandverlust thematisiert wird. Die drei letztgenannten KontraArgumente sind mit je fünf Fällen nur relativ selten (3.5 %) vertreten.
3.3.1 Berichterstattungsanlass Für die 61 untersuchten Zeitungsberichte wurde jeweils festgehalten, aus welchem Anlass der Beitrag verfasst wurde (Bild 5). «Politische Entscheide, Prozesse und Massnahmen» sind für über 60 % der Medienberichte ausschlaggebend. Weitere 18 % der Gewässerraumberichte werden durch einen «politischen Anlass» ausgelöst. Dazu zählen beispielsweise eine Gemeindeversammlung, eine Kantonsratsoder Ständeratssitzung. Die beiden oben genannten Berichterstattungsauslöser weisen einen eindeutigen politischen Bezug auf und sind für insgesamt 80 % der Nachrichtenproduktion bestimmend. Dies deutet darauf hin, dass die journalistische Arbeit der Gewässerraumthematisierung im Zeitraum von 2010 bis 2014 in starkem Masse durch die politische Agenda beeinflusst ist. 3.3.2 Themenfokus In der Untersuchung wurden die zentralen Themen jedes Zeitungsbeitrags analysiert. Dadurch lassen sich dominante Perspektiven der Berichterstattung erfassen, die in den meisten Artikeln anhand des Leads, des Bildmaterials und der auftretenden Akteure zu erkennen sind. Gesamthaft wurden in den 61 Beiträgen 104 Themen codiert (pro Artikel konnten maximal zwei Themen vergeben werden). Am häufigsten behandelt werden die Themen «Politische Reaktionen, Folgerungen und Prozesse» (20 %) und ge-
%-Anteile
0%
20%
40%
60%
80%
Politische Entscheide/Prozesse/Massnahmen (N = 38) Politischer Anlass (N = 11) Öffentlicher Anlass mit eindeutigem PR-Bezug (N = 4) Öffentlicher Anlass (N = 2) Etappenziel Renaturierung (N = 1) Vorberichterstattung (N = 1) anderer Anlass (N = 4)
Berichterstattungsanlass (Ntot = 61)
Bild 5. Überblick über Auslöser der Berichterstattung zum Gewässerraum (2010–2014), in % an Ntot = 61 Artikel. «Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
3.3.3 Ereignis- und Bezugsorte Die starke Politisierung der Gewässerraumthematik geht einher mit einer Berichterstattung, die in ihrem geografischen Bezugsraum stark auf kantonale Ereignisse (31 %) bezogen ausfällt. Des Weiteren zeigt sich in Bild 6, dass einzelne Gemeinden oder Ortsteile (24 %) und die Region und Talschaft (23 %) zusammen knapp die Hälfte der Ereignisorte ausmachen. Der hier festgestellte geografische Fokus hängt damit zusammen, dass es vor allem lokale und regionale Interessenvertreter der Landwirtschaft, Stimmen aus der Bevölkerung sowie Parteienvertreter sind, die beim Kanton vorstellig werden und Interventionen gegenüber den Bundesauflagen zum Gewässerraum fordern. Die Kritik zum Gewässerraum erfolgt somit in der Tendenz bottom-up. Die Feststellung, dass die Kritik und die politischen Auseinandersetzungen zum Gewässerraum vor allem auf kommunaler und kantonaler Ebene stattfinden, bestätigen auch Kräuchi und Tschannen. Die Feststellung, dass die Kritik und die politischen Auseinandersetzungen zum Gewässerraum vor allem auf kommunaler und kantonaler Ebene stattfinden, bestätigen auch Kräuchi und Tschannen: «Die mit der Ausscheidung der Gewässerräume einhergehende Nutzungseinschränkung (Extensivierung) und die grundsätzlich begrenzte Verfügbarkeit der Ressource Boden führt in der politischen Diskussion zu heftigen Debatten sowohl auf kommunaler wie auf kantonaler Ebene und beschäftigt gegenwärtig – mit dem Mittel der Standesinitiative – auch das
%-Anteile
0%
10%
20%
30%
40%
einzelne Gemeinde/Ortsteil (N = 15)
Region/Talschaft (N = 14)
Kanton (N = 19)
interkantonal (N = 1)
gesamte Schweiz (N = 12)
Ereignis- und Bezugsorte der Berichterstattung (Ntot = 61)
Bild 6. Ereignis- und Bezugsorte der Berichterstattung zum Gewässerrau (2010–2014), in % an Ntot = 61 Artikel. 25
Anzahl Artikel
setzgeberische Fragen, die den Fokus auf «Rechtsbelange, Gesetzgebung und Vollzug» (19.2 %) lenken sowie «Konflikte und Strategien» (19 %). Sie betreffen rund 60 % der aufgegriffenen Themen zum Gewässerraum. Darin bestätigt sich erneut der starke politische Bezug der Berichterstattung. Mit diesem Fokus wird auch den Konflikten um den Gewässerraum relativ viel Aufmerksamkeit zuteil. Zu weiteren Themen, die gut vertreten sind, zählen die «Orts-, Raumplanung und Raumentwicklung» (12.5 %) sowie «Hochwasser, Hochwasserschutz und Wasserbau» (9.6 %). Bei näherer Betrachtung der Themenentwicklung im Zeitverlauf ist zu erkennen, dass zwischen 2010 und 2014 der Stellenwert der politischen und gesetzgeberischen Perspektiven auf den Gewässerraum in den Kantonen Aargau, Bern und Wallis beinahe stetig zugenommen hat.
Konflikt um grundlegende Werte (N = 27)
20
Konflikt um Bereitschaft zum Lösungshandeln (N = 23)
15
Konflikt um Finanzmittel/Kostenstruktur (N = 6)
10
Konflikt um Transparenz der Schaffung von Geäwsserräumen (N = 1) Konflikt um harten vs. naturnahen Hochwasserschutz (N = 3)
5
Konflikt um Wahrheitsgehalt (N = 3)
0 2010
2011
2012
2013
2014
Bild 7. Thematisierte Konflikte in der Berichterstattung zum Gewässerraum im Zeitvergleich (2010–2014), Ntot = 63 Konfliktnennungen. Bundesparlament» (Kräuchi und Tschannen 2015:214). Zudem wird gemäss Kräuchi und Tschannen der Bund durch die Einreichung der Standesinitiativen stärker in die Debatte um den Gewässerraum miteingebunden. Auch in der vorliegenden Untersuchung darf die Bundesebene als Ereignisort nicht vernachlässigt werden. Rund 20 % der Zeitungsbeiträge betreffen die «gesamte Schweiz». Allerdings ist festzustellen, dass der geografische Fokus der Berichterstattung im Vergleich der vier untersuchten Zeitungen unterschiedlich ausfällt. Während im «Walliser Bote» die Berichterstattung zum Gewässerraum durch einen gesamtschweizerischen Fokus geprägt ist (71.4 %), haben in der «Aargauer Zeitung», der «Berner Zeitung» und dem «Berner Oberländer» der lokale und der regionale Bezugsraum deutlich Vorrang. 3.4 Konflikte Wie sich bereits bei der Themenanalyse herausgestellt hat, stehen «Konflikte und
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Strategien» häufig im Zentrum der hier untersuchten Berichterstattung über den Gewässerraum. Bei jedem Zeitungsartikel wurde erfasst, ob und welche Konflikte rund um den Gewässerraum aufgegriffen werden. Gesamthaft wurden in den untersuchten Zeitungsberichten zwischen 2010 und 2014 63 Mal Konflikte thematisiert (Bild 7). Am häufigsten handelt es sich bei diesen 63 Konflikten um Wertekonflikte. Konflikte um «grundlegende Werte» machen 43 % der thematisierten Konflikte aus. Sie sind in 27 Zeitungsartikeln präsent. Dabei geraten verschiedene Meinungsvertretende aufgrund unterschiedlicher Interessen und Ziele bezüglich der Eigenschaften und Qualitäten eines Gewässerraums in ein Konkurrenzverhältnis (z. B. wertvolles Kulturland statt Gewässerraum). Die fehlende «Bereitschaft zum Lösungshandeln» stellt mit einem Anteil von 37 % die zweithäufigste Konfliktursache in der Gewässerraumdebatte dar. Dieser Konflikt ist gegeben, wenn Akteure 177
auf eine Lösung drängen oder Lösungsvorschläge machen und andere Akteure diese Lösungsvorschläge ablehnen, verzögern oder blockieren. Solche Konflikte sind ähnlich wie jene um «grundlegende Werte» ab dem Jahr 2012 häufiger in den Medien präsent. Diese Entwicklung hat mit den kantonalen Standesinitiativen zu tun, die in Kritik auf die Bestimmungen des Gewässerschutzgesetzes ab 2012 eingereicht wurden und ebenso in den Medien thematisiert werden. Die Standesinitiativen fordern unter anderem eine flexiblere Umsetzung der verordneten Gewässerabstände und eine bessere Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Anliegen. So schreibt die «Aargauer Zeitung»: «Bei der Behandlung der Standesinitiative hagelte es im Aargauer Grossen Rat massive Kritik. ‹Das Gesetz ist unbrauchbar›, sagte Christian Gloor (SVP, Murgenthal), ‹die Vorschriften sind nicht umsetzbar›, doppelte Hans-Ruedi Hottiger (parteilos, Zofingen) nach. Mit 87 zu 45 Stimmen schickte der Rat die Standesinitiative nach Bern – wo sie seither liegt» «Aargauer Zeitung», 29. März 2014). Anhand dieser Mediendarstellung werden der eher negative Grundtenor und das Konfliktive offensichtlich, welche die politischen Vorgänge bei der Umsetzung des neuen Gewässerschutzgesetzes mitbestimmen. Dadurch, dass die Bestimmungen eines Gewässerraums für viele keine akzeptable Lösung darstellen und als unbrauchbar und nicht umsetzbar abgestempelt werden, verhärten sich die Fronten. Mit anderen Worten: Konstruktive Dialoge scheinen in der jüngsten Phase (2012–2014) weniger möglich zu sein. Dadurch wird der Lösungsfindungsprozess bei der Verwirklichung eines Gewässerraums blockiert oder verzögert. Andere Konflikte sind hingegen kaum ein Thema in der Gewässerraumdebatte. Der Konflikt um «Finanzmittel/Kostenstruktur» wird lediglich in sechs Artikeln thematisiert. Um diesen Konflikt handelt es sich, wenn es unter den Akteuren eine Auseinandersetzung über die finanziellen Investitionen für Gewässerräume gibt. Sowohl die Höhe der Zahlung als auch die Frage, wer zahlt und was der Nutzen oder die Folgen sind (z. B. Steuererhöhung, Verschuldung), kann umstritten sein. Der Konflikt um «harten vs. naturnahen Hochwasserschutz», bei dem es um die Evaluation der Sicherheit von Gewässerräumen in Bezug auf Hochwasser geht, wird – wie auch der Konflikt um den «Wahrheitsgehalt» von Äusserungen in der Gewässerraumdebatte – nur in drei Zeitungsbei178
trägen besprochen. Der Konflikt um die «Transparenz» bzw. Kontrolle der Vorgehensschritte und Beschlüsse, welche die beteiligten Akteure für eine erfolgreiche und akzeptable Planung oder Umsetzung der Gewässerräume gewährleisten müssten, kommt nur in einem Zeitungsbeitrag zur Sprache. 4. Fazit und Ausblick Wie die Medienanalyse zur Berichterstattung über den Gewässerraum von Fliessgewässern in den Kantonen Aargau, Bern und Wallis zeigte, erreicht der Gewässerraum erst in Reaktion auf die Inkraftsetzung des neuen Gewässerschutzgesetzes im Jahre 2011 erhöhte Medienaufmerksamkeit. Es macht den Anschein, dass der 2009 vom Parlament angenommene Gegenvorschlag zu der vom Schweizerischen Fischereiverband, SFV, initiierten Volksinitiative «Lebendiges Wasser» im untersuchten Gebiet zwar kurzfristig zu politischer Einigkeit und Entspannung, längerfristig aber zu neuen Spannungsfeldern zwischen diversen Interessenvertretern rund um den Gewässerraum führte. Wichtige Befürworter der neuen Gesetzgebung sind Naturschutzorganisationen oder auch das Bauwesen. Auf der Gegenseite stehen allen voran die Landwirte und ihre Verbände. Inhaltlich dominieren in der Berichterstattung zum Gewässerraum politische und gesetzgeberische Themen sowie Konflikte, zu denen der Gesetzesvollzug Anlass gibt. Die Spannungen rund um den Gewässerraum zeigen sich auch in den gewässerraumkritischen Argumenten. Sie sind innerhalb der Medien deutlich stärker präsent als die befürwortenden Argumente. Häufig kritisieren die Gewässerraumgegner den Verlust von Landwirtschaftsland, Kulturland, wertvollen Ackerböden oder Fruchtfolgeflächen. Ebenso häufig vertreten ist die Meinung, das Gewässerschutzgesetz sei übertrieben, nicht kontrollierbar und nicht umsetzbar. Dieses Argumentationsmuster läuft vielfach darauf hinaus, ein flexibleres Modell zu fordern, das den Kantonen mehr Kompetenz und Freiheit in der Umsetzung des Gewässerraums gewährt. Das in der untersuchten Berichterstattung mit Abstand am häufigsten vorgefundene zustimmende Argument lautet, dass der Gewässerraum positive Auswirkungen habe und notwendig sei. Generell sind gehaltvolle Argumente für den Gewässerraum durchaus vorhanden. Sonst wäre das Gesetz nicht diesbezüglich geändert worden. Es stellt
sich die Frage, warum konkrete befürwortende Argumente in den untersuchten Zeitungsbeiträgen nur geringfügig aufgenommen worden sind. Liegt dies möglicherweise am schwer fassbaren Begriff «Gewässerraum»? Der Begriff «Raum» von «Gewässerraum» lenkt die Aufmerksamkeit auf die Fläche, sodass der Inhalt, das Wasser, aus dem Blick fällt. Des Weiteren weist der Begriff «Raum» einen äusserst hohen Abstraktheitsgrad auf. So schreibt sprachkompass.ch: «Raum ist einer der schillerndsten Ausdrücke in der Sprache über Landschaft. Stellen wir ihn neben Ausdrücke wie Landschaft, Gegend oder Gebiet, so wird deutlich, dass dem Wort Raum etwas Abstraktes anhaftet. Anders als Feld, Acker oder Wiese lässt Raum nicht auf Anhieb sinnliche Vorstellungen aufkommen» (sprachkompass.ch, 2016). Aus dem hohen Grad der Abstraktheit der Begriffe «Raum» sowie «Gewässerraum» lässt sich folgern, dass es den Medien aufwendig und schwierig erscheinen mag, das Politikum zum Thema Gewässerraum klar und fundiert in der Öffentlichkeit darzustellen. Es erfordert weitaus weniger zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen für die Medien, dem Sachverhalt durch den Auftritt kritischer Akteure, welche den Gewässerraum im Hinblick auf bestimmte Aspekte kritisieren, Klarheit und Substanz zu verschaffen. Darüber hinaus darf angenommen werden, dass auch die Befürworter des Gewässerraums Schwierigkeiten haben, den Begriff zu fassen. Gerade weil der Begriff «Gewässerraum» wenig Inhalt hat, ist aktive Kommunikationsarbeit gefordert, welche die positiven Assoziationen zum Begriff öffentlich formuliert, um damit die begriffliche Hürde zu überwinden. Fliessgewässer als Lebensadern in der Landschaft mit ihren vielfältigen Habitaten für zahlreiche Arten bieten viel Stoff für Metaphern und eine positive Bildsprache. Des Weiteren kann die Dominanz der Kontra-Argumente in den untersuchten Zeitungen über Gesetzmässigkeiten der medialen Informationsvermittlung erklärt werden. Medien beachten negative Informationen generell stärker als positive Informationen. Negativismus hat in der Medienaufmerksamkeit einen hohen Nachrichtenwert. Gleichzeitig erzielen negative Meldungen schon aufgrund ihrer Warnfunktion beim Publikum mehr Aufmerksamkeit. In Konfliktsituationen erscheinen negative Botschaften zudem glaubhafter, weil sie nicht in Verdacht stehen, Sachverhalte zu beschönigen. Daher
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erweisen sich negative Informationen in politischen Auseinandersetzungen als ein besonders wirksames Mittel, um das gegnerische Lager und deren anderslautende Argumente zu schwächen (Kepplinger 1998; Schulz 2011). Die Bevorzugung negativer Aussagen in den Medien kommt demgemäss den Zielen landwirtschaftlicher Kreise zugute, die sich aktiv gegen den Gewässerraum mobilisieren. Sie erreichen dadurch eine äusserst hohe Medienresonanz und können ihre Einwände an die Öffentlichkeit bringen. In Bezug auf die Konfliktresonanz im untersuchten medialen Diskurs zum Gewässerraum scheinen sich die Fronten zwischen den Befürwortern und Gegnern des Gewässerraums seit der Erneuerung des Gewässerschutzgesetzes 2011 bis 2014 zunehmend verhärtet zu haben. Dies äussert sich vor allem in anwachsenden Konflikten aufgrund der fehlenden Bereitschaft zum Lösungshandeln. Indem mit Standesinitiativen versucht wird, die Vorgaben für die Ausscheidung eines Gewässerraums zu ändern, wird der Bund seitens der Kantone unter Druck gesetzt. Dieses Ergebnis muss jedoch dahingehend relativiert werden, dass die Medienanalyse stark vom politischen Diskurs geprägt ist, der in der Berichterstattung prioritär aufgenommen wurde. In der Praxis haben die Kantone jedoch längst begonnen, den Gewässerraum festzulegen (Burger und Kräuchi 2016). Dies liegt an den strengeren Übergangsbestimmungen, die bis zur endgültigen Ausscheidung eingehalten werden müssen, aber auch daran, dass mit Anpassungen der Gewässerschutzverordnung mehr Flexibilität geschaffen wurde. Der Bund hat seinerseits mit Anpassungen auf die Anliegen der kantonalen Standesinitiativen reagiert. Am 4. November 2015 hat der Bundesrat im Rahmen der Revision der Gewässerschutzverordnung die Kriterien zur Bewirtschaftung des Gewässerraums präzisiert. Einerseits wurde beschlossen, dass ackerfähiges Kulturland im Gewässerraum in die kantonale Inventarisierung der Fruchtfolgeflächen einfliessen darf. Die Flächen dürfen in Notlagen sogar intensiv bewirtschaftet werden, wenn ein entsprechender Bundesratsbeschluss (Art. 5 GSchG) vorliegt. Andererseits wurde mit der Revision eine Bestandesgarantie für Dauerkulturen (z. B. Reben und Obstanlagen) geschaffen. Zudem wurde die Regelung für das Anlegen von Güterwegen im Gewässerraum erweitert. Aufgrund einer Motion der UREK-S im Januar 2015 wurde in Zusammenarbeit
mit den Kantonen eine weitere Anpassung der Gewässerschutzverordnung an die Hand genommen. Die Anpassung schafft Handlungsspielraum bei sehr kleinen Gewässern, in engen Tallagen, bei Baulücken, zur Erstellung von Kleinanlagen und bei Verkehrsanlagen. Die Änderungen sind am 1. Mai 2017 in Kraft getreten (BAFU 2016). Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen wäre es interessant, die Dynamik der Berichterstattung zum Gewässerraum von Fliessgewässern über die kommenden Jahre weiter zu beobachten. Damit könnte beispielsweise gezeigt werden, inwiefern die Revision der Gewässerschutzverordnung die Widerstände zu entschärfen vermag, ob mittlerweile überzeugendere Argumente für die Schaffung eines Gewässerraums im Mediendiskurs vorherrschen oder ob den GewässerraumGegnern aus Landwirtschaftskreisen weiterhin eine hohe Medienbeachtung zukommt.
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«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
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15. September 2016
WEL 1-2017
10. März 2016
· Solutions au problème d’ensablement Lac du Vernex · Bemessung Abschlussorgane · Hochwasserschutz Zürich · SWV-Jahresbericht 2015
Überlastkorridor Reuss im Urner Talboden (Bild: Joe Müller)
1-2016
9. Juni 2016
Vue vers l’aval du barrage de Rossinière (Bild: Groupe E)
2-2016
WEL 2-2016
· Hochwasserschutzprojekt «Urner Talboden» · Hydroabrasiver Verschleiss · Geschiebebewirtschaftung · Unwetterschäden 2015
12. März 2015
· Jubiläum VAR – Rückblick auf 100 Jahre Wasserwirtschaft · Rôle et tâches des barragistes · Gewässerpreis an KW Aarberg · SWV-Jahresbericht 2015
Bachforellen vor Leiteinrichtung am VAW-Modell (Foto: David Flügel, EAWAG)
1-2015
11. Juni 2015
Fundationsarbeiten am Stauwehr beim KW Laufenburg im Jahre 1912 (Bild: Sammlung KW Laufenburg)
2-2015
· Stellenwert Gewässerräume
WEL 1-2015
· Aufwertung KW Oberhasli · Mehrzweckspeicher
17. September 2015
4. Dezember 2014
· Fischabstieg bei Flusskraftwerken · Transitoires hydrauliques · Unwetterschäden 2014 · Zukunft des Wasserbauers
· Wasserzins – Reformbedarf im neuen Marktumfeld
· Schwemmholztransport Die Themen der «ÖWAW» 3-4/2017 • Geschiebehaushalt in kleinen HochWEL 4-2016 WEL 3-2016 der Nordtiroler Zentgebirgsbächen ralalpen Kammerlander, J., Achleitner, S., Schöber, J., Hofer, B. 4-2015 3-2015 • Kombinative Betrachtung von Naturmessung, physikalischer und numerischer Modellierung des Geschiebetransports an grossen alpinen Wasserfassungen Plörer, M., Neuner, J., Achleitner, S., Aufleger, M. • bei der Er· Ökologie beim KW Hagneck Umgang mit Feststoffen · Projekt Linthal 2015 · Interkantonale Aareplanung · Optimierung Turbinenmittlung von Wildbachgefährdungsanströmung · KOHS-Empfehlungen Hochwasserschutz/Ufererosion · Aufgaben Talsperrenwärter bereichen in Bayern · 104. Hauptversammlung SWV · Hochwasserschutz Melchaa Dressel, P., Wagner, P., Mayer, K., Rimböck, A. WEL 4-2015 WEL 3-2015 • Bedeutung des Geschiebetransportes für die Planung von Hochwasserschutz- und Retentionsmassnahmen 4-2014 3-2014 in Talflüssen – Numerische Modellierung des Inns im Tiroler Unterinntal Baumgartner, K., Gems, B., Walder, S., Auer, F., Federspiel, M., Aufleger, M. • Weisse Wasserspeicher – Analyse und Modellierung der Schneedichte in den österreichischen Alpen und Alpenvorländern · Bedeutung der Speicher für · Geschiebetransport in alpinen Achleitner, S., Schöber, J. die Energiestrategie Einzugsgebieten · Hydraulik PSW Lagobianco · Flexibilisierung Wasserkraft • Transformation der Stadtentwäs· Brutvögel an Fliessgewässern · Murgangsimulationen · 103. Hauptversammlung SWVserung unter Berücksichtigung · Methoden der Hydrologie von «grüner» und «blauer» Infrastruktur WEL 4-2014 WEL Zischg, J.,3-2014 Goncalves, M., Leonhardt, G., Kleidorfer, M., Rauch, W., Sitzenfrei, R.
· 105. Hauptversammlung SWV
3. Dezember 2015
WEL 1-2016
WEL 2-2015
18. September 2014
19. September 2013
· Talsperrenüberwachung · Wasserkraftprojekte Chlus und FMHL+ · Wasserbau und Ökologie · SWV-Jahresbericht 2013
WEL 1-2014
· Perspektiven der Wasserkraft · Flussrevitalisierungen · Hochwasserschutz Stadt Zürich (Teil 2) · Unwetterschäden 2013
· Neubau Kraftwerk Illspitz · Schwall/Sunk-Sanierungen Hasliaare (Teil 2) · Hochwasserschutz Zürich (Teil 1) · 102. Hauptversammlung SWV
Seeforellen in einer Restwasserstrecke der Kraftwerke Oberhasli AG, Foto: © Daniel Göz
3-2013
5. Dezember 2013
Neues KW Illspitz im Bau, Foto: Roger Pfammatter.
4-2013
13. März 2014
Lacs du Vieux Emosson et d’Emosson, Foto: M. Martinez/www.michelmartinez.ch
1-2014
12. Juni 2014
Messkampagne an einer Talsperre (Quelle: Gesellschaft für Ingenieurbaukunst)
2-2014
WEL 2-2014
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· Antike Hydrotechnik
· Optimierte Instandhaltung und Einsatzplanung
Staumauerbau Muttenalp by night (Bild: Axpo © Daniel Boschung)
WEL 2-2017
· Aufgelöste Blockrampen
· Rentabilität Wasserkraft
Der Gebirgsfluss Brenno unterhalb der Mündung des Riale Riascio, Foto: Martin Böckli, WSL
· SWV-Jahresbericht 2016
· Ausbau Wasserkraft seit 2006
Umgehungsgewässer beim KW Hagneck (Bild: Drohne, Geoplan Team, Nidau)
· Schwall/Sunk-Defizitanalyse
· Flexibilisierung Wasserzinse – eine Chance für alle
Zwischen Limmernsee und neuem Muttsee, Foto: Roger Pfammatter
· Marktmodelle Wasserkraft · Contraintes aux soudures des blindages
Räterichsbodensee der Kraftwerke Oberhasli (Foto: Roger Pfammatter, SWV)
3-2016
8. Dezember 2016
Zuleitstollen des neuen Wasserkraftwerks «Gletsch-Oberwald» (Foto: MMi, SWV)
4-2016
9. März 2017
Seeforellenzaun in der Hasliaare (Foto: Andreas Funk)
1-2017
8. Juni 2017
Section de blindage d’un projet hydroélectrique (© Alexandre J. Pachoud)
2-2017
· Schwall/Sunk-Sanierungen Hasliaare (Teil 1) · Pumpspeicher Lagobianco · Monitoring und Erfolgskontrolle im Wasserbau
WEL 4-2013 WEL 3-2013 «Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
Wie soll die Wigger in der Region Zofingen in Zukunft gestaltet werden? Sozialräumliche Optimierung des planerischen Leitbilds durch eine Bevölkerungsbefragung Stefanie Müller, Matthias Buchecker, Raphael Gaus, Tobias Buser, Martina Bestel, Sebastian Hackl, Daniela Bächli, Norbert Kräuchi
Zusammenfassung Die Planung von Revitalisierungen von Fliessgewässern umfasst die komplexe Aufgabe, die unterschiedlichen Interessen des Hochwasserschutzes, der Ökologie und der Naherholung zu vereinen. Die Ausprägung dieser zum Teil konträren Interessen ist nicht nur abhängig von technischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen, sondern auch von der Akzeptanz der lokalen Bevölkerung. Um die Wahrnehmung und die Bedürfnisse der Bevölkerung der Region Zofingen über bereits realisierte und zukünftige Revitalisierungsmassnahmen an der Wigger in die Planung zu integrieren, wurde eine Bevölkerungsbefragung durchgeführt. Die Ergebnisse der Befragung zeichnen ein zustimmendes, aber auch durchaus räumlich differenziertes Bild. 1.
Lebendige Fliessgewässer im Kanton Aargau Hinsichtlich Revitalisierungen ist der Kanton Aargau schon seit mehr als 20 Jahren aktiv. Bereits im Jahr 1993 wurde die Volksinitiative zur Schaffung des Auenschutzparks mit etwas mehr als 2/3 der
abgegebenen Stimmen angenommen. Durch die Annahme ist der Kanton auf Verfassungsstufe verpflichtet, mindestens 1 % der Kantonsfläche dem Auenschutz zur Verfügung zu stellen (Schelbert 2015). Bereits im 2003 erschienenen Leitbild der Fliessgewässer Schweiz wurde die Forderung aufgestellt, den Flüssen und Bächen wieder mehr natürliche, räumliche und zeitliche Entwicklungen zuzugestehen (BUWAL/BWG 2003). Mit der Revision der eidgenössischen Gewässerschutzgesetzgebung (Gewässerschutzgesetz, GSchG, und Gewässerschutzverordnung, GSchV) wurden auf Bundesebene neue Rahmenbedingungen erlassen, welche die Entwicklungsziele «ausreichender Gewässerraum» und «ausreichende Wasserführung» verfolgen und gleichzeitig einen positiven Effekt auf das Ziel «ausreichende Wasserqualität» haben (Blank et al. 2014). Dazu gehört die Sicherung gewässertypischer Funktionen hinsichtlich Ökologie, Habitate und Gewässermorphologie sowie Raum zur Erholung der Bevölkerung und zur Wahrnehmung und Identifikation mit der Kulturlandschaft. Basierend auf der strategischen Planung des Kantons Aargau zur Revitalisierung der Fliessgewässer (Blank et al. 2014) und der synergetischen
Bild 1. Begradigte und dicht bestockte Wigger bei Zofingen (Stefanie Müller, 8. September 2015). «Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
Nutzung von Gelegenheiten, die sich im Zuge anderer Projekte (Strassenbau, Neubauten usw.) ergeben, wird die Umsetzung unter Einbezug der verschiedensten Stakeholder vorangetrieben, wie eine Vielzahl von Revitalisierungsprojekten an der Surb, Bünz oder Wigger belegen. Trotz teils gegenläufigen Interessen von Ökologie und Naherholung wird bei Wasserbauprojekten stets darauf geachtet, für beide Aspekte einen Mehrwert zu erzielen. Denn wie verschiedene Forschungsprojekte zeigen, werden Naherholungsgebiete am Wasser von der Bevölkerung besonders geschätzt (Buchecker et al. 2013, Irngartinger et al. 2010, Kienast et al. 2012, Junker und Buchecker 2008). Dieser Tatsache tragen im Kanton Aargau auch die Agglomerationspärke Rechnung. Mit den im kantonalen Richtplan als Zwischenergebnis eingetragenen Agglomerationspärken wird die Möglichkeit geschaffen, siedlungsnahe attraktive Parklandschaften für Naherholung, Freizeit, Kultur und Natur zu errichten (Kanton Aargau 2012). Alle fünf ausgewiesenen Gebiete erstrecken sich entlang einem Gewässer – seien es Limmat, Rhein, Aare oder Wigger. Sie sollen als Ausgleichsräume zur dichten Besiedlung in den Agglomerationsräumen dienen.
Bild 2. Kanalisierte Wigger zwischen Autobahn und Siedlungsgebiet (Beat Wyler ARUM GmbH, 5. Januar 2017). 181
1.1
Das Wiggertal im Wandel der Zeit Das Einzugsgebiet der Wigger reicht vom Napf im Süden bis zur Aare im Norden und umfasst eine Fläche von knapp 400 km2. Die Wigger durchfliesst die Kantone Luzern und Aargau in Süd-Nord-Richtung und mündet nach rund 41 km bei Aarburg (Campingplatz Wiggerspitz) in die Aare (Flussbau AG 2014). Ihre wichtigsten Zuflüsse sind die Buechwigger und die Seewag bei Willisau, die Rot und die Ron bei Schötz sowie die Luthern bei Nebikon (Flussbau AG 2014). Bereits im 15. Jahrhundert wurden die Wigger und ihr Umland landwirtschaftlich, gewerblich und industriell genutzt und ihr natürlicher Lauf kontinuierlich begradigt und ausgebaut (Hörsch 2015, Kulli et al. 2013). Im Kanton Aargau wurde die Wigger letztmalig in den 1970ern im Zuge des Autobahnbaus gemäss dem damaligen Stand der Technik korrigiert (Kulli et al. 2013). In den folgenden Jahrzehnten zeigte sich zunehmend, dass der gewählte Ausbaustandard bzgl. Hochwasserabfluss den heutigen Schutzanforderungen nicht mehr entspricht, wie die Hochwasserereignisse von 2005 und 2007 deutlich zeigten (Hackl 2015). Das streng geometrische Trapezprofil verhindert zudem eigendynamische Prozesse der Wigger, und die Naherholungsfunktion sowie die Erlebbarkeit des Gewässers sind durch die steilen und dicht bestockten Böschungen stark beeinträchtigt (Hackl 2015) (Bilder 1 und 2). Der kantonale Richtplan weist im Wiggertal sowohl einen wirtschaftlichen Entwicklungsschwerpunkt von kantonaler Bedeutung als auch zwei Wohnschwerpunkte aus. Dies gründet auf der zentralen Lage im Mittelland und der sehr guten verkehrlichen Erschliessung. Parallel soll mit dem «Wiggertalpark», einem von fünf im Richtplan eingetragenen Agglomera-
tionspärken, die siedlungsnahe Landschaft in der Region Zofingen–Olten, für die Erholungsnutzung in Wert gesetzt werden. Die Entwicklungsziele des Landschaftsraums sind im Konzeptbericht «Wiggertalpark: Freiflächen als grüne Infrastruktur» festgehalten (BVU 2007). Als erste sicht- und erlebbare Aufwertung der Naherholungslandschaft im Wiggertal wurde der Aarelandweg eingerichtet. Der Wander- und Veloweg führt entlang der Aare und der Wigger von Aarau über Olten und Zofingen bis ins luzernische Dagmarsellen und macht auf Kultur- und Naturwerte sowie Eigenart der Region aufmerksam. 1.2
Angestrebter Zustand der Wigger Seit der letzten Wigger-Korrektion hat sich das gesellschaftliche Idealbild eines Fliessgewässers stark geändert. Die verschiedenen Interessen wurden im Leitbild der Wigger (Kulli et al. 2013) zusammengefasst. Neben dem Hochwasserschutz haben Themen wie Ökologie und Naherholung viel mehr Bedeutung als noch vor 30 Jahren. Aufgrund der in den letzten Jahrhunderten wesentlich intensivierten Nutzung des Wiggertals durch Landwirtschaft und Siedlungsentwicklung, aber auch durch Verkehrsinfrastrukturen wie der parallel zur Wigger verlaufenden Autobahn ist es undenkbar, den ursprünglich frei mäandrierenden Gewässerverlauf wiederherzustellen. An ein Gewässer wie die Wigger und seine künstlichen Bauten werden heute jedoch erheblich mehr Anforderungen gestellt als der reine Schutz vor Hochwasser und die Entwässerung des angrenzenden Talbodens. Das Gewässer ist anerkannter vielfältiger Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Die Schleusen, Wehre und Kanäle haben teilweise kulturhistori-
Bild 3. Revitalisierter Abschnitt der Wigger bei Aarburg-Rothrist (Stefanie Müller, 8. September 2015). 182
sche Bedeutung, und für die wachsende Bevölkerung im Wiggertal ist es ein Ort der Alltagserholung. Heutige Wasserbauprojekte sind massgeblich von der überarbeiteten und im Jahr 2011 in Kraft getretenen Gewässerschutzgesetzgebung geprägt. Das revidierte Gewässerschutzgesetz (GSchG) verpflichtet die Kantone zur Revitalisierungsplanung, zur Festlegung des Gewässerraums sowie zur Sanierung der Fischgängigkeit, des Geschiebehaushalts und von Schwall und Sunk. Zur Sicherstellung des Gewässerraums wurde im Kanton Aargau das kantonale Baugesetz entsprechend überarbeitet, damit in kommenden kommunalen Nutzungsplanrevisionen der Gewässerraum rechtsverbindlich umgesetzt werden kann (Burger und Kräuchi, 2016). 1.3
Was wünscht sich die Bevölkerung? Die übergeordneten Anforderungen an die künftige Wigger sind über diverse gesetzliche Vorgaben bekannt, was sich die Bevölkerung vor Ort wünscht, dagegen noch kaum. An der Wigger wurden in den letzten Jahren die beiden Abschnitte in Brittnau im Zuge des Hochwasserschutzes (Ende der Hauptbauarbeiten 2010) und in Aarburg als Ausgleichsmassnahme für den 6-StreifenAusbau der Autobahn zwischen Härkingen und Rothrist (Ende der Hauptbauarbeiten 2015) erfolgreich aufgewertet (Bilder 3 und 4). Damit besitzt die Wigger sowohl kanalisierte als auch revitalisierte Abschnitte unterschiedlichen Alters. An sich eine ideale Situation, um zu analysieren, inwieweit die Revitalisierungen von der Bevölkerung angenommen werden und ob sie trotz der angrenzenden Autobahn für die Naherholung nutzbringend sind. Um diese gesellschaftlichen Aspekte der Wigger-Revitalisierung in Er-
Bild 4. Revitalisierter Abschnitt der Wigger bei Brittnau (Stefanie Müller, 8. September 2015). «Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
fahrung zu bringen, wurde die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL – als unabhängige Institution – mit der Aufgabe betraut, im Herbst 2015 in den betroffenen Gemeinden Aarburg, Brittnau, Oftringen, Rothrist, Strengelbach und Zofingen eine standardisierte Befragung durchzuführen. Mit dieser Erhebung sollten die folgenden drei Fragestellungen beantwortet werden: • Wie werden der Zustand und die Erreichbarkeit der Wigger und ihres Uferbereichs wahrgenommen und welche Bedeutung hat sie für die Bevölkerung? • Wie nutzt die Bevölkerung die Wigger und ihren Uferbereich für die Naherholung? • Wie wünscht sich die Bevölkerung die zukünftige Gestaltung der Wigger und deren Uferbereichs? 2.
Tabelle 1: Attribute mit vier Ausprägungen für die Szenarienbildung (vgl. Arnold et al. 2009).
Studiendesign und Stichprobe Bild 5. Vorgehen bei der Fragebogenkonstruktion und der Datenerhebung.
2.1 Studiendesign Die Befragungsstudie umfasste insgesamt drei Erhebungen (Bild 5): 1. Einer Zufallsstichprobe von 2500 Einwohner-/innen der Aargauer Gemeinmeinden Aarburg, Brittnau, Oftringen, Rothrist, Strengelbach und Zofingen wurde ein 12-seitiger standardisierter Fragebogen mit 21 Frageblöcken zugesandt. Diese umfassten Themen: a) zur Wahrnehmung und Nutzung der Wigger, b) zur Einstellung gegenüber der Revitalisierung der Wigger und zukünftigen Gestaltungspräferenzen und c) zum Naherholungsverhalten. Mit 516 retournierten Fragebögen (davon 507 gültige Fälle) konnte ein Rücklauf von 21 % erreicht werden. 2. In Schulklassen der Sekundarschulen der Region wurde derselbe Fragebogen verteilt und von insgesamt 128 Jugendlichen im Alter von 12–16 Jahren ausgefüllt (Rücklauf = 51 %). 3. Ein verkürzter 4-seitiger Fragebogen mit 8 Frageblöcken zu denselben Themen wurde an eine Zufallsstichprobe von 1000 Personen im Untersuchungsperimeter zugesandt, mit dem Ziel, einen erweiterten Teil der Bevölkerung einzubeziehen. Interessanterweise erreichte diese Erhebung gegenüber der Haupterhebung nur einen mässig erhöhten Rücklauf von 27 %. Als Grundlage zur Entwicklung des standardisierten Fragebogens wurden neun qualitative Interviews mit regionalen Vertretern der Gemeinde- und Kantonsverwaltung sowie mit Nutzern und Nut-
zerinnen des Flusses durchgeführt. Die Ausgestaltung des Fragebogens erfolgte gestützt auf Befragungsinstrumente und getestete Skalen aus früheren Studien zu Flussrevitalisierungen (Junker und Buchecker 2008) sowie zu Naherholungspräferenzen (Buchecker et al. 2013; Irngartiner et al. 2010) in der Schweiz (Bild 5). Um die Präferenz der Bevölkerung hinsichtlich der künftigen Gestaltung der Wigger zu erfassen, wurden je vier mögliche Szenarien für Flussabschnitte innerhalb bzw. ausserhalb des Siedlungsgebiets ausgearbeitet und von einer Illustratorin 1 visualisiert (vgl. Bilder 11 und 12). Dadurch wurde das sprachliche durch das visuelle Medium ergänzt und so die Thematik verständlicher und zugänglicher gemacht. Als Vorlagen für die Ausgangsszenarien dienten Teilstrecken der Wigger inner- und ausserhalb der Siedlung, die sich aus wasserbaulicher Sicht in einem dringend sanierungsbedürftigen Zustand befinden. Diese Status-quo-Zustände wurden schrittweise entsprechend zweier Attribute mit vier Ausprägungen modifiziert (Tabelle 1). Aus den auf dieser Basis ermittelten Varianten wurden vier Gestaltungsmöglichkeiten mit je einem spezifischen funktionalen Fokus ausgewählt. Die Gestaltungsmöglichkeit mit dem Fokus «Hochwasserschutz» stellt die Minimalvariante einer möglichen Revitalisierung der Wigger dar, in welcher das Flussbett und deren Uferbereich nur so weit verändert wird, dass der Hochwasserschutz gewährleistet ist. Der Naturschutz und die
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
Naherholung werden dabei wenig berücksichtigt. Die Gestaltungsmöglichkeit mit dem Fokus «Naherholung» gewährleistet ebenfalls einen ausreichenden Hochwasserschutz, bietet aber zusätzlich erhöhte Attraktivität für die Naherholung und stellt Infrastruktur für Erholungssuchende zur Verfügung. Die Variante mit Fokus «Naturschutz» ist hingegen darauf ausgerichtet, die Naherholung einzuschränken und der Natur im und am Fluss mehr Raum zu geben. Der Hochwasserschutz ist hier auch sichergestellt, wohingegen sich Naherholung auf diskrete Erholungsaktivitäten wie Joggen oder Fahrradfahren, z. B. auf dem bestehenden Aarelandweg, beschränken soll. 2.2 Charakteristika der Stichprobe Die Zufallsstichproben der Haupterhebung und der nachfolgenden Erhebung mit einem Kurzfragebogen wurden nach einem räumlich geschichteten Verfahren gezogen. Dabei wurde die Bevölkerung, die in einem Band bis zu einem Abstand von 700 m von der Wigger wohnt, gegenüber der restlichen Bevölkerung in den betrachteten Gemeinden übergewichtet (Verhältnis 1:1).
1
Illustratorin: Rina Jost (rina.jost@me.com)
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Die soziodemografischen Merkmale der realisierten Stichproben der beiden Bevölkerungserhebungen (vgl. Tabelle 2) stimmen mit der tatsächlichen Bevölkerungsstruktur der Region (vgl. Kanton Aargau 2013) recht gut überein: Die beiden Stichproben weisen ein repräsentatives Altersspektrum auf und ebenso sind die Erwerbstätigen in den verschiedenen Wirtschaftssektoren angemessen vertreten. Der Anteil der befragten Nicht-Schweizer (10 % bzw. 8 %) liegt jedoch deutlich unter jenem in der regionalen Bevölkerung (26.5 % [vgl. BFE 2014 und Kanton Aargau 2014]), wobei zu berücksichtigen ist, dass nur Personen mit C-Bewilligung in die Stichprobe einbezogen wurden. Hauptgrund für die ungünstige Vertretung dieser Gruppe ist neben der sprachlichen Barriere (Befragung nur in Deutsch) das ortsspezifische Thema, das primär für Personen mit Lokalkenntnissen relevant ist. Entsprechend wohnt die Mehrheit der Befragten schon weit mehr als fünf Jahre in der Region (> 80 %) und fühlt sich stark mit ihrem Wohnort verbunden (> 65 %). Die Erhebung mit dem Kurzfragebogen diente primär dazu, weitere Kreise der Bevölkerung einzubeziehen und dadurch die Resultate der Haupterhebung zu validieren. Der kürzere Fragebogen konnte tatsächlich einen um 6 % erhöhten Rücklauf erzielen, unterschied sich hingegen nur geringfügig hinsichtlich der soziodemografischen Merkmale (vgl. Tabelle 2). Allerdings zeigen beide Erhebungen eine hohe Übereinstimmung in den inhaltlichen Ergebnissen, sodass von sehr robusten Resultaten ausgegangen werden kann. Dies bestätigte sich auch aufgrund des Vergleichs der Daten der fünf Gemeinden, die trotz beträchtlicher Unterschiede im Rücklauf in den wesentlichen Erkenntnissen ebenfalls hohe Übereinstimmungen aufwiesen (Bild 6). Im Fragebogenrücklauf zeigte sich entgegen unserer Erwartung (Ausnahme Gemeinde Aarburg) keine deutlich erhöhte Beteiligung der Wigger-Anrainer (Bild 6), was darauf schliessen lässt, dass die Beteiligung eher von lokalen Diskursen und den persönlichen Interessen als von der faktischen Betroffenheit abhängt. Durch die Jugenderhebung konnte die Breite und Vielfalt der erfassten Bevölkerung sowohl hinsichtlich des Alters wie auch des Ausländeranteils zusätzlich erhöht werden. Im Folgenden wird hauptsächlich auf die Resultate der Haupterhebung eingegangen.
184
Tabelle 2. Soziodemografische Merkmale der Stichproben der drei Erhebungen im Vergleich.
Bild 6. Rücklauf a) der Haupterhebung und b) der Erhebung Kurzfragebogen nach Gemeinden und Nähe zur Wigger (Quelle: Ortophoto, Swisstopo).
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
3.
Resultate
3.1
Die Wigger wird als intakter Natur- und Lebensraum wahrgenommen Trotz Kanalisierung, dichter Uferbestockung und der Nähe zur Autobahn auf weiten Teilen des betrachteten Abschnitts gefällt der Bevölkerung der aktuelle Zustand der Wigger und ihres Uferbereichs, und sie nimmt ihn als erstaunlich intakt wahr (Bild 7). Die Verbundenheit mit dem Fluss erweist sich bei den älteren Personen als deutlich ausgeprägter als bei jüngeren Altersgruppen (ANOVA, p = 0.000, F = 10.395). Bei Personen, welche die Wigger regelmässig besuchen und nutzen, fällt die Wahrnehmung des Zustands (ANOVA, p = 0.000, F = 11.174) und die Verbundenheit mit dem Fluss (ANOVA, p = 0.000, F = 61.333) signifikant positiver aus. Noch deutlicher erwies sich die Diskrepanz zwischen dem aktuellen Zustand der Wigger und der Bedeutung, welche die Befragten dem Fluss zuwiesen (Tabelle 3). Die Wigger ist für die Bevölkerung primär Natur- und Erholungsraum, während sie dem Fluss seine scheinbar offensichtliche Funktion als «Errungenschaft der Technik/ Bauwerk» oder als «Gefahrenquelle (z. B. Hochwasser)» kaum zuschreibt. Die Bevölkerung scheint die Wigger trotz Kanalisierung und starker Verbauung als bedeutungsvolles Element des eigenen Lebensraums zu betrachten. Tatsächlich nutzen die Bewohner das Gebiet entlang der Wigger trotz den bestehenden Beeinträchtigungen relativ häufig zur Erholung (Tabelle 2). Die meisten Befragten (71 %) besuchen die Wigger mindestens einmal monatlich. Auch die erfassten Daten zur räumlichen Erholungsnutzung bestätigen, dass die Nutzungsdichte entlang der Wigger im Vergleich zu jener in den übrigen Naherholungsgebieten in der Region ausgesprochen hoch ist (Bild 8). Entsprechend sehen die Befragten aktuelle Beeinträchtigungen an der Wigger nicht als wesentliche Hinderungsgründe, die Wigger häufiger zu besuchen: Am ehesten sehen sie das Angebot an attraktiveren alternativen Naherholungsgebieten (21 % zustimmend) als relevantes Argument, während Qualitätsdefizite des Erholungsraums an der Wigger wie die fehlende Sichtbarkeit des Flusses (4.8 % zustimmend), der Strassenlärm (10.2 % zustimmend) oder der fehlende Zugang zum Wasser (9.5 % zustimmend) als wenig beeinträchtigend erachtet werden.
Bild 7. Die Haltung der Bevölkerung zum aktuellen Zustand der Wigger nach Altersgruppen (Skala: 1 = trifft nicht zu; 2 = trifft eher nicht zu; 3 = weder noch; 4 = trifft eher zu; 5 = trifft voll zu).
Tabelle 3. Die wahrgenommene Bedeutung der Wigger nach den zwei Hauptfaktoren: lebensräumliche und funktionale Aspekte (Skala: 1 = trifft nicht zu; 2 = trifft eher nicht zu; 3 = weder noch; 4 = trifft eher zu; 5 = trifft voll zu).
Bild 8. Intensität der Erholungsnutzung im Untersuchungsperimeter, basierend auf den berichteten Besuchen der Flächen zur Naherholung (Quelle: Swisstopo). 3.2
Revitalisierungsmassnahmen sind erwünscht Trotz oder möglicherweise gerade wegen der erstaunlich positiven Wahrnehmung und Bedeutungszuschreibung der Wigger wie auch der relativ starken Erholungsnutzung entlang ihres Uferbereichs stehen die Befragten in beiden Erhebungen einer geplanten Revitalisierung der Wigger zu über
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
80 % positiv gegenüber (Bild 9). Die Analyse der Daten zur Einschätzung der Gestaltungsszenarien liess Schlüsse darüber zu, wie die Wigger aus der Sicht der lokalen Bevölkerung idealerweise aussehen sollte: Sowohl für die Abschnitte inner- wie auch ausserhalb von Siedlungsgebieten bewerteten die Befragten die durch Revitalisierungsmassnahmen zu erreichenden 185
Bild 9. Die Einstellung der Bevölkerung zur Revitalisierung der Wigger gemäss Daten der Haupterhebung (1. Erhebung) und der Erhebung mit dem Kurzfragebogen (2. Erhebung).
zur Naturschutzvariante zu erkennen. Auch bei den Varianten ausserhalb des Siedlungsgebiets werden die Revitalisierungsvarianten signifikant besser beurteilt als der Status quo (p = 0.010, t=2.362). Zwischen den Revitalisierungsvarianten konnten ausserhalb des Siedlungsgebiets allerdings keine klaren Unterschiede in der Bewertung gemessen werden. Die Bewertung des Zustands scheint hier primär mit der Einschätzung der Naturnähe zusammenzuhängen, wohingegen die Absicht, die Wigger künftig zur Erholung zu nutzen, bei allen drei Revitalisierungsvarianten sehr ähnlich eingeschätzt wurde. Auffälligerweise werden hingegen Flussgestaltungen, die den Flussraum für die Naherholung aufwerten, ausserhalb des Siedlungsgebiets signifikant besser beurteilt (p = 0.006; t = 2.775), als dies innerhalb des Siedlungsgebiets der Fall ist. Dieser Unterschied kommt bei der Einschätzung der Präferenz innerhalb der beiden Variantensets noch deutlicher zutage. Hier zeigt sich, dass der grösste Anteil der Befragten für den Bereich innerhalb der Siedlung die Variante Naturschutz (> 40 %), für den Bereich ausserhalb der Siedlung die Variante Naherholung (> 40 %) bevorzugt. Ein Gruppenvergleich macht deutlich, dass ein besonders grosser Anteil der jüngeren Befragten die Naherholungsvarianten sowohl inner- wie auch ausserhalb der Siedlung bevorzugen, während die 40–64-Jährigen die Naturschutzvariante bei beiden Standorten stärker priorisieren. Die über 64-Jährigen wünschen sich innerhalb der Siedlung eindeutig die Naturschutzvariante. Ausserhalb der Siedlung ist bei dieser Altersgruppe allerdings keine eindeutige Unterscheidung zwischen den Revitalisierungspräferenzen zu erkennen (Bild 11). 3.3
Bild 10. Bewertung der Gestaltungsszenarien für Strecken (a) inner- und (b) ausserhalb der Siedlung hinsichtlich Idealzustand, Naturnähe und beabsichtigter Nutzung (Skala: 1 = trifft nicht zu; 2 = trifft eher nicht zu; 3 = weder noch; 4 = trifft eher zu; 5 = trifft voll zu). Flussgestaltungen massiv besser als den aktuellen, überwiegend degradierten Zustand der Wigger, und zwar hinsichtlich aller gemessenen Aspekte (Bild 10).
186
Bei den Varianten innerhalb des Siedlungsgebiets ist eine hoch signifikante Zunahme der Bewertung (Idealvorstellung) vom Status quo über die Hochwasser-(Minimal)- und die Naherholungs-
Öffnung des Flussraums nicht nur für mehr Ökologie Um die Erwartungen der Bevölkerung an die Revitalisierung der Wigger präziser in Erfahrung zu bringen, wurde zusätzlich der beurteilte Stellenwert von Massnahmen erfasst. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Bevölkerung primär wünscht, dass das Ufer und das Flussbett natürlicher gestaltet werden (Tabelle 4). In zweiter Linie wünscht sich die Bevölkerung einen erhöhten Hochwasserschutz und eine bessere Wasserqualität, interessanterweise vor einer verbesserten Erholungsqualität. Am wenigsten werden dabei Massnahmen befürwortet, die eine intensivere Erholungsnutzung fördern, be-
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
sonders, wenn deren Ausübung die Ruhe vor Ort stören könnte. Hingegen ist die Umsetzung von Massnahmen, die diskrete Formen der Erholungsnutzung wie Spazierengehen, Velofahren, Joggen oder Ausruhen an der Wigger erleichtern und aufwerten, für eine Mehrheit der Befragten ein zentraler Mehrwert einer Revitalisierung. Entsprechend ist es den Befragten ein Anliegen, dass bei einer Umgestaltung der Wigger Plätze zum Verweilen angelegt (75 % zustimmend), der Zugang zum Wasser ermöglicht (70 % zustimmend) und die Sichtbarkeit des Flusses verbessert werden (64 % zustimmend). Insbesondere sollen die bereits realisierten Wege an der Wigger (Aarelandweg) aufgewertet und durchgängig (78 % zustimmend) gemacht werden. 3.4
Bewertungen bereits realisierter Revitalisierungen bestätigen die positiven Erwartungen Die Situation an der Wigger lässt es zu, die Erwartungen der Bevölkerung hinsichtlich einer künftigen Revitalisierung des Flusses an real erlebten Erfahrungen zu prüfen. Denn in der jüngeren Vergangenheit wurden zwei Abschnitte der Wigger im Kanton Aargau bereits revitalisiert, im Jahr 2008 auf dem Gebiet der Gemeinde Brittnau und 2014/15 im Gebiet der Gemeinden Aarburg und Rothrist. Die Wirkung beider Revitalisierungen wurde von den Befragten hinsichtlich aller einbezogenen Aspekte als ziemlich positiv bewertet (Bild 12). Es fällt auf, dass die visuelle Wirkung (59 bzw. 69 %) beider Revitalisierungsprojekte deutlich positiver eingeschätzt wird als die Wirkung auf die Lebensqualität der Wohnumgebung (44 bzw. 50 %) und insbesondere auf die eigene Erholungsnutzung (37 bzw. 40 %). Aus sachlicher Sicht erstaunlicher erscheint, dass die Revitalisierung auf dem Gebiet von Brittnau hinsichtlich aller Aspekte als positiver eingeschätzt wird als jene auf dem Gebiet von Aarburg-Rothrist, obschon bei Letzterer das Ziel einer ökologischen Aufwertung viel konsequenter umgesetzt wurde (Bild 12). Ausschlaggebend für die ungünstigere Bewertung dürfte gewesen sein, dass sich die Revitalisierung jenes Abschnitts zum Zeitpunkt der Befragung erst wenige Wochen nach Abschluss der Bauphase befand und die Begrünung noch wenig fortgeschritten war. Besonders aufschlussreich waren die Erkenntnisse zum begrenzten Wirkungsradius der realisierten Revitalisierungen. Ein Vergleich der Daten nach Gemeinden zeigte, dass die Revitalisierung der Wigger auf dem Abschnitt Brittnau nur
Bild 11. Anteile der Bevölkerung, welche die einzelnen Gestaltungsvarianten der Wigger für den Bereich a) innerhalb und b) ausserhalb der Siedlung bevorzugen, gegliedert nach Altersgruppen.
Tabelle 4. Einschätzung der Bevölkerung, welche Massnahmen bei der Revitalisierung der Wigger wie stark gefördert werden sollen, gegliedert nach drei Kategorien (Funktionalität, naturnahe Gestaltung, Infrastruktur) (Skala: 1 = trifft nicht zu; 2 = trifft eher nicht zu; 3 = weder noch; 4 = trifft eher zu; 5 = trifft voll zu). bei den Bewohnern von Brittnau (Mittelwert = 3.49) 2 und jenen der benachbarten Gemeinde Zofingen (Mittelwert = 3.39) einen positiven Effekt auf die Häufigkeit der Erholungsnutzung hatte und dass in diesen beiden Gemeinden die Revitalisierung in Brittnau hinsichtlich aller Aspekte hoch signifikant positiver beurteilt wurde als in den weiter entlegenen Gemeinden. Ein entsprechendes Muster zeigte sich hinsichtlich der Revitalisierung am untersten Abschnitt der Wigger, wo nur in den Standortgemeinden Aarburg (Mittelwert = 3.97) und Rothrist (Mittelwert = 3.46) ein positiver Erholungsnutzungseffekt festgestellt werden konnte und auch die anderen Effekte in den entlegeneren Gemeinden signifikant schwächer eingeschätzt wurden. Die räumlich eng begrenzte Wirkung
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der Flussrevitalisierungen zeigt sich auch darin, dass die Bewohner die Projekte auf den weiter (3 bis 4 km) entfernten Gerinneabschnitten kaum kennen (Mittelwert = 2.17 in Aarburg für die Teilstrecke in Brittnau bzw. Mittelwert = 1.55 in Brittnau für die Teilstrecke in Aarburg-Rothrist).
2
bei einer Skala von: 5 = stimme voll zu; 4 =
stimme eher zu; 3 = weder noch; 2 = stimme eher nicht zu; 1 = stimme gar nicht zu
187
Bild 12. Die Beurteilung der Wirkung von zwei realisierten Revitalisierungen der Wigger: auf dem Abschnitt der Gemeinde Brittnau und jenem der Gemeinden Aarburg-Rothrist.
Bild 13. Anteil der Bevölkerung nach Gemeinden, die sich stark bzw. wenig mit den beiden Revitalisierungsprojekten der Wigger befasst haben.
Bild 14. Anteil der regionalen Bevölkerung, die spezifische Formen des Einbezugs erwartet bzw. diese zu nutzen beabsichtigt. Dass weite Teile der lokalen Bevölkerung kaum etwas von den Flussrevitalisierungen in ihrer Region wissen, hängt nicht nur mit der physischen Distanz zusammen, sondern auch damit, dass kaum eine Auseinandersetzung dazu stattgefunden zu haben scheint (Bild 13). Auch in den Standortgemeinden haben sich die meis188
ten Befragten (Aarburg: 70 %; Brittnau: 80 %) wenig mit diesen Projekten befasst. 3.5
Die Bevölkerung möchte in Revitalisierungsprojekte einbezogen werden Gut ein Drittel der Befragten wünscht sich einen vermehrten Einbezug der Bevöl-
kerung in die Planung künftiger Revitalisierungsprojekte. Die Mehrheit jener, die sich dies wünschen, wäre auch bereit, die unterschiedlichen Angebote zur Partizipation in Zukunft zu nutzen (Bild 14). Dabei bevorzugen die meisten nicht interaktive Formen, sondern insbesondere schriftliche Informationen und Befragungen und in etwas geringerer Breite auch digitale Informationen und Abstimmungen. Immerhin über 20 % der Befragten zeigten sich interessiert, sich auch im direkten Gespräch mit geplanten Revitalisierungsprojekten auseinanderzusetzen. Dabei erwiesen sich die konventionellen Informationsveranstaltungen als nur geringfügig beliebter als Diskussionsveranstaltungen, die eine aktivere Beteiligung erlauben. Selbst jüngere Altersgruppen (18–20 %) und wenig mit dem Wohnort verbundene Bewohner (24 %) zeigten eine erhöhte Motivation, sich in dieser aufwendigeren, aber auch substanzielleren Weise in die Planung einzubringen. 4. Fazit und Ausblick Die aus kantonaler und wasserbaulicher Sicht wichtigste und erfreulichste Erkenntnis ist, dass die Revitalisierungen bei der Bevölkerung auf breite Zustimmung stossen und damit in der öffentlichen Wahrnehmung sinnvoll sind und die Umgebung aufwerten. Es lohnt sich also nicht nur in messbare Hochwasserschutzverbesserungen zu investieren, sondern auch in die Aufwertung von Naherholung und Ökologie, um die Lebensqualität zu verbessern. Die räumlich differenzierte Bewertung von Revitalisierungsmassnahmen zeigt allerdings auch auf, dass technische Planungsentwürfe durch eine sorgfältige Ergänzung von sozialräumlichen Präferenzen durchaus legitimiert, aber auch optimiert werden können. Die Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung in der Region Zofingen zeigen ein heterogenes räumliches Muster hinsichtlich der Nutzungs- und Gestaltungswünsche. So wird im Siedlungsgebiet eher die naturnahe Variante bevorzugt, während in der offenen Landschaft die Erholungsvariante mehr Zustimmung erhielt. Dabei finden diskrete Infrastrukturelemente, die eine ruhige Erholungsnutzung ermöglichen, generationsübergreifend einen Konsens. Eine Öffnung des Planungsprozesses bei einschneidenden Veränderungen im unmittelbaren Wohnumfeld, wie dies bei Flussrevitalisierungen der Fall ist, trägt nicht nur zu einem planerischen Mehrwert bei, sondern auch zur kommunalen Eingebundenheit und entsprechend zu einer
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höheren Akzeptanz von baulichen Massnahmen. So wurde die Miteinbeziehung der Bevölkerung in Form einer Befragung tendenziell als positiv bewertet, und auch zukünftige partizipative Verfahren sind durchaus erwünscht. Die räumlich heterogenen Gestaltungswünsche zeigen deutlich, dass eine regional ganzheitliche Betrachtung unabdingbar ist für gesellschaftsfähige Planungen von Revitalisierungsmassnahmen. Die ortsabhängige und räumlich begrenzte Bedeutung und Wirkung von bereits revitalisierten Abschnitten sprechen allerdings für eher kleinräumige partizipative Planungsprozesse, bei denen interessierte Anwohner wenn möglich gleich selbst bei der konkreten Umsetzung mitwirken können (vgl. Von Lindern et al. 2016). Um die zukünftigen Flussrevitalisierungen sowohl lokal als regional sowie natur- und auch sozialräumlich einbetten zu können, empfiehlt sich deshalb partizipative Massnahmen auf mehreren Ebenen vorzusehen und gleichzeitig die Bevölkerung für die Bedeutung der Fliessgewässer als Naturund Naherholungsräume zu sensibilisieren.
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Projektmanagement Jahres-Inspektionen und Revisionen Zustandsexpertisen und Abnahmen Dokumentations-Management (QS)
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isopermaproof.ch 190
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
1.1 Millionen Menschen leben in der Schweiz in Hochwassergebieten Markus Mosimann, Luzius Thomi, Veronika Röthlisberger, Margreth Keiler, Andreas P. Zischg
Zusammenfassung In der Schweiz verursachen Hochwasserereignisse immer wieder Schäden in Millionenhöhe. Dank der Gefahrenkarten ist bekannt, wo Überschwemmungen auftreten können. Doch wie viele Gebäude stehen in den Hochwassergefahrengebieten, welchen Wert weisen sie auf, und wie viele Personen leben in diesen Gebäuden? Das Mobiliar Lab für Naturrisiken der Universität Bern ist diesen Fragen nachgegangen und hat die Webseite «www.hochwasserrisiko.ch» entwickelt: Sie zeigt, basierend auf den Gefahrenkarten, die potenziell gefährdete Bevölkerung bzw. Gebäude und Gebäudewerte pro Gemeinde, Bezirk und Kanton. Schweizweit liegen 270 000 Gebäude mit einem Neuwert von insgesamt 480 Milliarden Franken in einem Hochwassergefahrengebiet; bewohnt werden sie von rund 1.1 Millionen Personen. Betrachtet man den Anteil betroffener Personen oder Gebäude an der Gesamtbevölkerung bzw. am Gebäudebestand, dann ist vor allem der Alpenbogen (z. B. das Wallis, Nidwalden und das St. Galler Rheintal) stark gefährdet. Legt man den Fokus auf die Anzahl an gefährdeten Personen und Gebäuden, so stechen das Mittelland und die Städte (vor allem Zürich, aber auch St. Gallen, Biel oder Luzern) heraus. Ganz besonders betroffen – nämlich sowohl bezüglich Anteil wie auch Anzahl gefährdeter Personen und Gebäude – sind das Rhonetal (VS), die Region Interlaken, die Region um den Vierwaldstättersee, die Linthebene (GL, SG, SZ) und das St. Galler Rheintal.
1. Einleitung Der Hochwasserschutz ist heute stark auf die Frage ausgerichtet, wo, wie häufig und wie viel Wasser fliesst. Diese zentralen Informationen finden sich in hoher räumlicher Auflösung in den Gefahrenkarten der Kantone. Die Gefahrenkarten beinhalten jedoch keine Informationen zu möglichen Schäden. Für einen nachhaltigen Hochwasserschutz benötigt es zusätzlich Kenntnisse zu gefährdeten Schutzgütern: Was kann wo beeinträchtigt oder zerstört werden und wie viele Personen sind betroffen? In den letzten Jahren erstellten einige Kantone, basierend auf den Gefahrenkarten, kantonsweite Risikoübersichten (z. B. Bern, Graubünden, Schaffhausen, Thurgau, Zürich). Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) wiederum führte schweizweite
Résumé En Suisse, les inondations provoquent régulièrement des dégâts se chiffrant en millions de francs. Grâce aux cartes des dangers, les zones susceptibles d’être inondées ont été identifiées. Restait à savoir combien de bâtiments se trouvent dans ces zones inondables, quelle est leur valeur et combien de personnes y vivent. Le Laboratoire Mobilière de recherche sur les risques naturels à l’Université de Berne a cherché des réponses à ces questions en développant le site web «www. risquedecrues.ch»: sur la base des cartes des dangers, les habitants, les bâtiments et les valeurs immobilières qui pourraient être affectés par des inondations sont représentés par commune, district et canton. En Suisse, 270 000 bâtiments d’une valeur à neuf de 480 milliards de francs ainsi que quelque 1.1 million de personnes se trouvent en zones inondables. Si l’on s’intéresse au pourcentage des personnes et des bâtiments inondables par rapport à l’ensemble de la population et des bâtiments, c’est principalement l’arc alpin (p. ex. le Valais, Nidwald et la vallée du Rhin saint-galloise) qui se démarque en plus. Les valeurs absolues dressent un tableau un peu différent: ce sont le Plateau et les villes (notamment Zurich, mais aussi St-Gall, Bienne ou Lucerne) qui sont le plus exposés. Les régions tout particulièrement en danger – soit par rapport au pourcentage et au nombre absolu de personnes et de bâtiments – sont la vallée du Rhône (VS), la région d’Interlaken, la région du lac des Quatre-cantons, la plaine de la Linth (GL, SG, SZ) et la vallée du Rhin saint-galloise.
Auswertungen für unterschiedliche Schutzgüter (z. B. Bevölkerung, Beschäftigte, Bauzonen) durch, gestützt auf die «Aquaprotect»-Überschwemmungsgebiete (vgl. BAFU 2008, 2016). Bisher gab es jedoch keine schweizweiten Übersichten zum Schadenpotenzial bei Hochwassern, die auf den Gefahrenkarten basieren. Dank einem Abdeckungsgrad der Hochwassergefahrenkarten von 73 % (Gebäude) bis 86 % (Personen mit Hauptwohnsitz) und präzisen Daten zu Gebäuden und Bevölkerung sind solche Übersichten nun möglich. Das Mobiliar Lab für Naturrisiken des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung an der Universität Bern hat die Hochwasserexponierung von Personen, Gebäuden und Gebäudewerten für die ganze Schweiz berechnet (Röthlisberger et al. 2017). Aus-
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
gewählte Resultate dieser Studie sind auf der Website «www.hochwasserrisiko.ch» publiziert und Gegenstand des vorliegenden Artikels. Auf der Website finden sich interaktive Karten, welche die gefährdete Bevölkerung bzw. die gefährdeten Gebäude pro Gemeinde, Bezirk und Kanton zeigen. 2.
Methoden
2.1 Vorgehensweise Die angewendeten Methoden basieren auf Röthlisberger et al. (2017) und wurden geringfügig angepasst (ein im Ansatz ähnliches Vorgehen schlagen auch Bezzola & Loat 2016b vor). Die Gebäudegrundrisse (in der Form von Polygonen) aus dem hochaufgelösten Topografischen Landschaftsmodell, TLM, (swisstopo 2016) 191
und der Punktdatensatz der Gebäudeund Wohnungsstatistik, GWS, (BfS 2012), welche adressgenau die Anzahl Personen mit Hauptwohnsitz enthält, bilden die Grundlage. Bei der Verknüpfung der GWSPunkte mit den Gebäuden befanden sich 93.7 % aller Punkte innerhalb eines Polygons, 4 % konnten innerhalb einer Pufferzone von 2 m um den TLM-Gebäudegrundriss gefunden und zugewiesen werden. So konnten 98.2 % (rund 7.9 Mio.) der Schweizer Bevölkerung einem Gebäude zugeordnet werden. Zusätzlich wurde für jedes TLMGebäude ein Neubauwert berechnet. Diese Werteberechnung basiert auf dem oberirdischen Gebäudevolumen, ermittelt aus den Höhen- und Oberflächenmodellen swissALTI3D (swisstopo 2013b) und DOM (swisstopo 2013a), sowie den Versicherungssummen aus dem jeweiligen Geschäftsbericht 2015 der kantonalen Gebäudeversicherung (KGV 2016). Anhand der Gesamtsumme aller Gebäudevolumina und Versicherungssummen pro Kanton wurde ein durchschnittlicher kantonaler Kubikmeterpreis abgeleitet. Dieser Wert wurde anschliessend mit den gebäudespezifischen Volumina multipliziert. Für die Berechnungen in den sieben Kantonen ohne kantonale Gebäudeversicherung wurde ein durchschnittlicher Kubikmeterpreis verwendet. Zuletzt erhielt jedes Gebäudepolygon die Information, ob und wenn ja in welchem Hochwassergefahrengebiet es liegt. Als Grundlage dazu wurden die im Auftrag der Mobiliar Versicherung harmonisierten Hochwassergefahrenkarten der Kantone verwendet (Stand des Datensatzes: Frühling 2016). Der Datensatz erlaubt es, zu jedem Punkt in der Schweiz eine Aussage darüber zu machen, ob eine Beurteilung der Gefährdung vorliegt und wie diese ausfällt: rot für eine erhebliche
Gefährdung, blau für eine mittlere, gelb für eine geringe, gelbweiss für eine Restgefährdung bzw. weiss für keine Gefährdung (vgl. PLANAT 2012). Da die Gebiete mit einer Restgefährdung nicht für jeden Kanton verfügbar sind und sich zudem deren Erhebungsart zwischen den Kantonen stark unterscheidet, wurden sie in der Analyse nicht berücksichtigt. Lag ein Gebäude in mehr als einer Gefahrenstufe, wurde es jeweils der höchsten Gefahrenstufe zugeordnet. Dadurch erscheint jedes Gebäude nur einmal in der Analyse. Somit stehen für jedes Gebäude folgende Informationen zur Verfügung: • erhebliche, mittlere, geringe oder keine Gefährdung • Anzahl Personen mit Hauptwohnsitz • Neuwert des Gebäudes Für die Darstellung auf «www.hochwasserrisiko.ch» wurden die gebäudegenauen Informationen auf Stufe Gemeinde, Bezirk und Kanton aggregiert. Liegt für weniger als 30 % aller Gebäude eine Information zur Gefährdung vor, so wird für die jeweilige Gemeinde bzw. für den jeweiligen Bezirk oder Kanton keine Aussage gemacht. Dies ist insbesondere in den Kantonen Neuenburg, Tessin und Wallis der Fall, wo ausserhalb der ausgewiesenen Gefahrenzonen (rot, blau oder gelb) oft nicht bekannt ist, ob das Gebiet untersucht und für gefahrenfrei befunden worden ist oder ob es nicht untersucht wurde. 2.2 Vergleich mit anderen Studien Im Gegensatz zu verschiedenen kantonalen Übersichten (z. B. Bern, Thurgau oder Zürich) wurden in der hier präsentierten Studie keine Risikoberechnungen vorgenommen. Berechnet wurde einzig die Exponierung der berücksichtigten Schutzgüter in Abhängigkeit der Gefahrenstufen gelb, blau und rot. Weitere Parameter wie etwa die Intensität und Wiederkehrperiode
von Hochwassern oder die Verletzlichkeit der Schutzgüter sind nicht eingeflossen. Im Bericht des Bundesrats zum Umgang mit Naturgefahren in der Schweiz (BAFU 2016) wurde mit «Aquaprotect» eine schweizweit homogene Gefahrengrundlage verwendet, die Überflutungszonen für 50, 100, 250 und 500-jährliche Ereignisse ausweist. «Aquaprotect» basiert jedoch auf einem stark vereinfachten Berechnungsalgorithmus, der die horizontale und vertikale Distanz eines Punktes zum Gewässer sowie die Grösse des Teileinzugsgebiets einbezieht. Nicht berücksichtigt wurden kleine Einzugsgebiete sowie bestehende Schutzbauten (BAFU 2008). Die in BAFU (2016) oder Bezzola & Loat (2016a) präsentierte Exponierung von unterschiedlichen Schutzgütern basiert auf den 500-jährlichen Überflutungszonen. Demnach sind insgesamt 1.8 Millionen Einwohner hochwassergefährdet. In der Studie des Mobiliar Labs für Naturrisiken wurden die räumlich deutlich höher aufgelösten und mit grossem Aufwand erstellten Hochwassergefahrenkarten der Kantone verwendet. Diese basieren auf detaillierten Szenarien mit einer Wiederkehrperiode von maximal 300 Jahren (zusätzlich weisen sie eine Abschätzung für noch seltenere Ereignisse in Form einer Restgefährdung aus). Im Gegensatz zu «Aquaprotect» liegen sie auch für kleine Einzugsgebiete vor und berücksichtigen bestehende Schutzbauten. Allerdings sind gewisse methodische Unterschiede festzustellen und ihre Abdeckung beschränkt sich meist auf das Siedlungsgebiet. Aufgrund der Verwendung unterschiedlicher Gefahrengrundlagen können die Resultate des Mobiliar Labs für Naturrisiken nicht direkt mit jenen des BAFU (BAFU 2016, Bezzola & Loat 2016a) verglichen werden.
Tabelle 1. Übersicht Schweiz: Anzahl und Anteil hochwassergefährdeter Personen, Gebäude und Gebäudewerte. Die Bevölkerungszahlen basieren auf der Gebäude- und Wohnungsstatistik 2012 (BfS 2012), die Gebäudedaten auf dem Topografischen Landschaftsmodell, TLM, (swisstopo 2016), die Gebäudewerte wurden mithilfe des jeweiligen Geschäftsberichts 2015 der kantonalen Gebäudeversicherung (KGV 2016) berechnet. 192
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
3. Ergebnisse In der Schweiz befinden sich rund 270 000 Gebäude in den Hochwassergefahrengebieten gelb, blau und rot. Das entspricht einem Anteil von rund 13 % aller Gebäude. In den betroffenen Gebäuden wohnen ca. 1.1 Millionen Personen, also 14 % der Schweizer Bevölkerung (siehe Tabelle 1). Der Neuwert der gefährdeten Gebäude liegt bei knapp CHF 480 Milliarden oder 18 % aller Gebäudeneuwerte. 59 % aller durch Hochwasser gefährdeten Personen (nämlich 684 482) haben ihren Hauptwohnsitz in der gelben Zone, in der sich auch 55 % aller gefährdeten Gebäude (151 000) befinden. Bezogen auf die Fläche, beläuft sich der Anteil der gelben Zone an allen ausgewiesenen Gefahrengebieten (rot, blau und gelb) aber nur auf 43 %, gefolgt von der blauen Zone mit 33 % und der roten Zone mit 23 %. Die Exponierung von Personen und Gebäuden in der gelben Gefahrenzone ist also, gemessen an deren Flächenanteil, überproportional. Eine Übersicht über die Anzahl und den Anteil hochwassergefährdeter Personen in der Schweiz ist Tabelle 1 zu entnehmen. Die Exponierung von Personen oder Gebäuden (z. B. pro Gemeinde) kann auf zwei Arten ausgedrückt werden: zum einen als absolute Anzahl gefährdeter Schutzgüter und zum andern als relativer Anteil an der Bevölkerung einer Gemeinde bzw. am gesamten Gebäudebestand. Die jeweiligen Resultate werden nachfolgend skizziert. Absolute Anzahl gefährdeter Personen und Gebäude Mit knapp 4000 Gebäuden und rund 80 000 Personen ist die Stadt Zürich – in absoluten Werten – schweizweit die gegenüber Hochwassern am stärksten gefährdete Gemeinde. Generell befinden sich Gemeinden mit einer hohen Anzahl an gefährdeten Personen und Gebäuden mehrheitlich im Mittelland (z. B. Regionen Burgdorf und Zürich), am Voralpenrand (z. B. Region Luzern und St. Galler Rheintal) sowie im Wallis (siehe Bild 1 und 2). Von Hochwassern besonders betroffen sind, neben Zürich, weitere Städte wie zum Beispiel Biel, Luzern, Sion oder St. Gallen. Dieses räumliche Muster ist bei Personen und Gebäudewerten stärker ausgeprägt als bei Gebäuden. Mit andern Worten, ausserhalb der erwähnten Gebiete befinden sich verhältnismässig mehr hochwassergefährdete Gebäude, die eine unterdurchschnittliche Anzahl Bewohner
und einen unterdurchschnittlichen Gebäudewert aufweisen. Dies dürfte in der höheren Bevölkerungsdichte in den urbanen gegenüber den ländlich geprägten Regionen begründet sein. Zusätzlich ist bei der Interpretation zu beachten, dass der Abdeckungsgrad durch eine Gefahrenkarte bei Personen mit 86 % deutlich höher ist als bei Gebäuden (73 %). 3.2
Relativer Anteil gefährdeter Personen und Gebäude Setzt man die Anzahl hochwassergefährdeter Personen oder Gebäude in Rela-
tion mit deren gesamten Anzahl innerhalb einer Gemeinde, so erhält man den relativen Anteil der gefährdeten Personen bzw. Gebäude. Gemeinden mit hohen Anteilen befinden sich nun entlang des Alpenbogens (siehe Bild 3), Mittelland und Städte treten – im Gegensatz zur Betrachtung der absoluten Anzahl – deutlich weniger stark hervor. Insbesondere das Wallis, das Berner Oberland, die Kantone Ob- und Nidwalden, Glarus und das Sarganserland weisen einen vergleichsweise hohen Anteil hochwassergefährdeter Schutzgüter auf. Im Alpenbogen sind also häufiger
Bild 1. Anzahl hochwassergefährdeter Personen pro Gemeinde (grau: die Gefahrenkarte deckt weniger als 30 % aller Einwohner einer Gemeinde ab).
3.1
Bild 2. Anzahl hochwassergefährdeter Gebäude pro Gemeinde (grau: die Gefahrenkarte deckt weniger als 30 % aller Gebäude einer Gemeinde ab).
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193
4.
Konsequenzen für das Risikomanagement
4.1
Bild 3. Anteil hochwassergefährdeter Personen pro Gemeinde (grau: die Gefahrenkarte deckt weniger als 30 % aller Einwohner einer Gemeinde ab).
Bild 4. Anteil hochwassergefährdeter Gebäude pro Gemeinde (grau: die Gefahrenkarte deckt weniger als 30% aller Gebäude einer Gemeinde ab). grosse Teile des besiedelten Gebiets der Gemeinden hochwassergefährdet als in der restlichen Schweiz. Im urbanen Raum relativieren weite Gebiete mit einer hohen Bevölkerungs- und Gebäudedichte – aber ohne Hochwassergefährdung – die gefährdeten Gebiete, auch wenn diese, absolut betrachtet, eine hohe Anzahl an betroffenen Personen und Gebäuden aufweisen. Dennoch ist ein hoher relativer Anteil an gefährdeten Schutzgütern kein rein alpines Phänomen. So heben sich im Mittelland – insbesondere bei den Personen – einige Regionen hervor, die ebenfalls einen hohen relativen Anteil aufweisen. Dies sind 194
zum Beispiel die Regionen um Burgdorf, im Zürcher Oberland oder um St. Gallen. Als besonders betroffen können jene Gemeinden bezeichnet werden, die sowohl eine grosse Anzahl gefährdeter Schutzgüter als auch gleichzeitig einen hohen relativen Anteil aufweisen. Dies sind insbesondere das untere Rhonetal und das St. Galler Rheintal, die Linthebene sowie die Regionen Interlaken und Luzern.
Exponierungsübersichten dienen als Entscheidungsgrundlage Die hier verwendeten Ansätze zur Beurteilung der Exponierung von Personen und Gebäuden gegenüber Hochwassern – nämlich in Form von absoluten oder relativen Werten – zeigen, dass je nach Betrachtungsweise unterschiedliche Gemeinden und Regionen als besonders gefährdet erscheinen. Folglich ist nur eine Betrachtungsweise der Exponierung von Schutzgütern nicht ausreichend für Entscheidungsträger. Im Gegenteil, Exponierungsübersichten hängen stark von den berücksichtigten Schutzgütern, der Berechnungsart, aber auch von der gewählten Raumeinheit (z. B. Gemeinde, Bezirk, Einzugsgebiet, vgl. hierzu Röthlisberger et al. 2017) ab. Es ist also entscheidend, dass man sich bei Übersichten hinsichtlich Exponierung oder Risiko nicht nur die Frage stellt, wie diese methodisch erstellt werden können, sondern vor allem auch zu welchem Zweck und für welche Zielgruppe. Die Identifikation des Handlungsbedarfs (z. B. für Schutzmassnahmen) und die Optimierung der Verwendung knapper Präventionsgelder stellen zwei Einsatzmöglichkeiten von Exponierungsübersichten dar. Entsprechend der gewählten Berechnungsart der Exponierung und deren Darstellung, würden jedoch unterschiedliche Regionen von den Geldern profitieren. Zwei wesentliche Entscheidungskriterien können für die in dieser Studie dargestellten Ansätze zur Exponierung beispielsweise herangezogen werden. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist ein Indikator dafür, welchen Schutz Massnahmen im Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln bieten. Wendet man dieses Kriterium an, so würde dort in Massnahmen investiert, wo am meisten Personen oder Gebäude geschützt bzw. wo am meisten Schäden verhindert werden können. Entscheidend wäre also die absolute Anzahl der gefährdeten Schutzgüter. Profitieren würden vor allem das Mittelland und die Städte und damit vermutlich eher resiliente Gemeinden (vgl. Fuchs & Keiler 2016): Auch bei grösseren Schäden durch Hochwasser dürften sie, zumindest zu einem grossen Teil, das Ereignis mit eigenen Mitteln bewältigen können. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie auf grössere nicht betroffene Gebiete zurückgreifen können. Das zweite Entscheidungskrite-
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rium orientiert sich an der Verletzlichkeit und der Resilienz der betrachteten Raumeinheiten. Massgebend ist also nicht die absolute Anzahl an gefährdeten Personen und Gebäuden, sondern deren relativer Anteil an der Gesamtbevölkerung bzw. am Gebäudebestand. Werden Massnahmen hier priorisiert, dann würden jene Gebiete privilegiert, die bei einem Hochwasserereignis verhältnismässig stark betroffen sind. Sie wären möglicherweise bei der Bewältigung und beim Wiederaufbau auf externe Unterstützung angewiesen, da ihre Funktionsweise nachhaltig beeinträchtigt ist. Inwieweit in der Schweizer Hochwasserschutzpraxis heute diese Art der systematischen Überlegungen zur Exponierung und Entscheidungskriterien für die Priorisierung von Massnahmen herangezogen werden, ist fraglich. Suter et al. (2015) weisen in einer Untersuchung von rund 70 Hochwasserschutzprojekten nach, dass die wichtigsten Auslöser für Schutzprojekte Schadenereignisse sind: In 80 % aller untersuchten Fälle stellen Massnahmen eine Reaktion auf ein Hochwasserereignis dar. Die erlebte Bedrohung durch ein Ereignis scheint also bei der Realisierung von Schutzprojekten eine bedeutendere Rolle zu spielen als Gefahren- und Risikogrundlagen. Die Erstellung von Risikokarten durch einige Kantone zeugt allerdings von einer positiven Entwicklung im Umgang mit Hochwasserrisiken. Diese werden durch die neuen Grundlagen vermehrt auch mit Informationen zur Exponierung und zur Verletzlichkeit gesteuert. Ebenfalls erfreulich ist, dass in zwei sowohl absolut als auch relativ stark gefährdeten Gebieten grosse Hochwasserschutzprojekte geplant sind: nämlich im Rhonetal (3. Rhonekorrektion) und am Alpenrhein (Projekt Rhesi). 4.2 Problemgebiet gelbe Zone Die überproportionale Exponierung in der gelben Zone gegenüber der blauen und roten Zone spiegelt sich in den Hochwasserschäden. Eine Auswertung der Mobiliar Versicherung zeigt, dass sich zwischen 2003 und 2015 innerhalb der Gefahrengebiete (rot, blau und gelb) rund 57 % aller Überschwemmungsschäden in der gelben Zone ereigneten (Thomi et al. 2016). Bei Neubauten werden in der gelben Zone in der Regel keine baulichen Auflagen erfordert. Angesichts der vielen Gebäude und Personen, die sich in der gelben Zone befinden, sowie der hohen Bautätigkeit – jährlich werden knapp 10 %
aller Neubauten in der gelben Zone erstellt (Röthlisberger et al. 2016) – stellt dies eine Herausforderung für das Risikomanagement dar. Oftmals führt bereits ein geringer Wasserstand von wenigen Zentimetern zu Schäden an den z. T. sensiblen Objekten (z. B. ebenerdige Wohnungen, Tiefgaragen, Industrieanlagen usw.). Die Schlussfolgerung, dass geringe Gefährdung mit geringen Schäden gleichgesetzt werden kann, ist nicht haltbar. 5. Fazit und Ausblick Schützen kann sich nur, wer die Gefahren kennt. In diesem Sinn stellen die Gefahrenkarten eine zentrale Grundlage für den Hochwasserschutz dar. Allerdings beinhalten sie keine Informationen zu den potenziellen Schäden. Um dazu eine Aussage machen zu können, sind zusätzliche Informationen zur Exponierung der Schutzgüter und zu deren Verletzlichkeit notwendig. Die Exponierung von Personen und Gebäuden gegenüber Hochwassern ist Gegenstand von Studien des Mobiliar Labs für Naturrisiken (Röthlisberger et al. 2016, 2017). Exponierungsübersichten wie z. B. jene auf der Website «www.hochwasserrisiko.ch» helfen mit, die Gefahrenkarten zu interpretieren, indem sie die Gefährdung für Mensch und Umwelt veranschaulichen und die bedrohten Schutzgüter explizit bezeichnen. Sie dienen nicht nur kommunikativen Zwecken, sondern auch zur Ermittlung des Handlungsbedarfs und zur Priorisierung der Präventionsmittel. Es ist jedoch hervorzuheben, dass je nach Betrachtungsweise – d. h. je nachdem, welche Gebietsgrösse (z. B. Gemeinde, Kanton) betrachtet und welche Berechnungsart (absolute Werte versus relative Anteile gefährdeter Schutzgüter) angewendet wird – unterschiedliche Gebiete als besonders gefährdet erscheinen. In Bezug auf die absolute Anzahl an hochwassergefährdeten Personen und Gebäuden sind es vor allem das Mittelland und die Städte, in Bezug auf den relativen Anteil hingegen die Gemeinden im Alpenbogen. Werden Exponierungsübersichten für den Einsatz im Hochwasserrisikomanagement erstellt, ist zu Beginn der jeweilige Verwendungszweck und somit auch die Erstellungsmethode zu definieren. Auch kann es Sinn machen, verschiedene Exponierungsübersichten miteinander zu vergleichen, um besonders gefährdete Gebiete – nämlich jene, die unabhängig von der Erstellungsmethode jeweils stark gefährdet sind – ausfindig zu machen. Ein systematischer Einsatz von räumlich
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hochaufgelösten Exponierungsübersichten kann mithelfen, hohe potenzielle Schäden proaktiv zu erkennen und rechtzeitig Massnahmen zu planen. Neben den regionalen Mustern bezüglich der Hochwasserexponierung von Personen und Gebäuden zeigt die Studie des Mobiliar Labs für Naturrisiken vor allem auch Unterschiede zwischen den einzelnen Gefahrengebieten auf. So weist die gelbe Zone im Vergleich zur blauen und roten Zone überdurchschnittlich viele Personen und Gebäude auf. Kombiniert mit der starken Bautätigkeit und fehlenden baulichen Auflagen zum Schutz von Neubauten, dürfte das bereits hohe Schadenpotenzial in der gelben Zone noch weiter ansteigen. Dies macht wiederum neue Massnahmen zur Risikoreduktion notwendig. Um das Risiko berechnen oder gar Schäden simulieren zu können, benötigt es neben den Grundlagen zu den Gefahren und zur Exponierung auch Informationen zur Verletzlichkeit. Die Entwicklung von Methoden zur Erfassung und Berechnung von Verletzlichkeiten stellt in den nächsten Jahren einen Schwerpunkt der Forschung des Mobiliar Labs für Naturrisiken dar, ebenso wie die Vertiefung des Verständnisses zur Exponierung weiterer Schutzgüter. Dank Die Autoren danken den Kantonen für die Zurverfügungstellung der Gefahrenkarten. Literatur BAFU (2008). Aquaprotect. Bundesamt für Umwelt. Online verfügbar unter https://www.bafu. admin.ch. BAFU (2016). Umgang mit Naturgefahren in der Schweiz – Bericht des Bundesrates 2016. Online verfügbar unter https://www.bafu.admin. ch, zuletzt geprüft am 30.01.2017. Bezzola, Gian Reto; Loat, Roberto (2016a). Integrales Risikomanagement – Naturrisiken erfassen, bewerten und steuern – Referat. 13. Kongress. Bundesamt für Umwelt. INTERPRAEVENT. KKL Luzern, 2016. Online verfügbar unter http://interpraevent2016.ch, zuletzt geprüft am 30.01.2017. Bezzola, Gian Reto; Loat, Roberto (2016b). Integrales Risikomanagement – Naturrisiken erfassen, bewerten und steuern. 13. Kongress. Bundesamt für Umwelt. INTERPRAEVENT. KKL Luzern, 2016. Online verfügbar unter http://www. interpraevent.at, zuletzt geprüft am 30.01.2017 BfS (2012). Gebäude- Wohnungsstatistik, GWS. Version 3.6: Bundesamt für Statistik. Online verfügbar unter https://www.bfs.admin.ch/, zuletzt geprüft am 12.01.2017.
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«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
Der Einfluss von Schneedeckeneigenschaften auf die Abflussgenerierung während Regen-auf-Schnee-Ereignissen Sebastian Würzer, Tobias Jonas
Zusammenfassung Regen-auf-Schnee-Ereignisse (RAS) haben in der Vergangenheit zu grösseren Hochwasserereignissen im alpinen und subalpinen Raum geführt. Im Oktober 2011 beispielsweise führte ein solches Ereignis zu schweren regionalen Überschwemmungen in der Schweiz. Es stellt nach wie vor eine grosse Herausforderung dar, die Auswirkung der Schneedecke auf die Abflussbildung für ein bevorstehendes RAS-Ereignis vorherzusagen. Einerseits sind die Prozessabläufe sehr komplex und variabel, andererseits fehlen im Normalfall hinreichend genaue Daten, um die Prozessabläufe detailliert beurteilen zu können. In der vorliegenden Arbeit wurde das physikalisch basierte Schneedeckenmodell SNOWPACK verwendet, um Schneedeckenprozesse während mehr als 1000 historischen RAS-Ereignissen an Stationsstandorten bzw. 191 Ereignissen über ganze Einzugsgebiete in der Schweiz nachbilden zu können. Die daraus resultierenden Simulationen der Massen- und Energiebilanz sowie des Flüssigwassertransports wurden dazu verwendet, Abflussbildungs-Charakteristiken während RAS-Ereignissen zu untersuchen. Dabei ist bei den meisten untersuchten Ereignissen die Regenkomponente im Abfluss dominierend, wobei die Schneeschmelze in einzelnen Fällen bis zu 70 % zum Schneedeckenabfluss beitragen kann. Die Hauptenergiequelle für solch hohe Schmelzbeiträge bilden turbulente Wärmeflüsse. Ereignisse mit verstärktem Schneedeckenabfluss waren am häufigsten während der späten Ablationsphase im Frühsommer und teilweise im Herbst zu beobachten. Die Studie zeigt anhand systematischer Analysen verschiedene meteorologische Faktoren wie auch Schneedeckeneigenschaften auf, die eine verstärkte Abflussbildung während RAS-Ereignisse begünstigen.
1. Einleitung Regen-auf-Schnee-Ereignisse (RAS) wurden schon als ursächlich für einige der grössten Hochwasserereignisse in den USA sowie für einige schwere Hochwasserereignisse in Europa identifiziert. In der Schweiz wurde vor allem das Hochwasserereignis vom Oktober 2011 in mehreren Studien untersucht (Badoux et al., 2013; Rössler et al., 2014; Wever et al., 2014b). Dieses Ereignis hat seinerzeit vor Augen geführt, dass die Auswirkungen von Starkniederschlägen auf eine Schneedecke noch zu wenig verstanden worden sind, um derartige Ereignisse operationell beurteilen und vorhersagen zu können. Die Schwierigkeiten in der Vorhersage solcher Ereignisse bestehen vor allem in der räumlichen Schneedeckenvariabilität, der Unsicherheit in meteorologischen Eingangsgrössen und Defiziten im Prozessverständnis. Erschwerend ist, dass Prozessabläufe komplex und sowohl von Ereignis zu Ereignis als auch räumlich va-
riabel sind. Die meisten RAS-Ereignisse führen nicht zu Hochwasser, und sogar sehr ähnlich ausgeprägte Ereignisse können, bedingt durch Unterschiede in den anfänglichen Schneedeckeneigenschaften, zu sehr unterschiedlichen Antworten im Schneedeckenabfluss führen. Als Prognostiker in der Abflussvorhersage ist es wichtig, schon im Vorfeld eines Ereignisses zu wissen, ob ein RAS-Ereignis im Vergleich zu einem reinen Regenereignis zu mehr oder weniger intensiven Abflussbildung führt. Schneedeckenprozesse wie Schneeschmelze, Wassertransport, Einfrieren infiltrierenden Wassers und die Setzung der Schneedecke formen den Regeneintrag in Schneedeckenabfluss um, welcher sich in Menge, zeitlicher Dynamik und Intensität deutlich von diesem unterscheiden kann. Besorgniserregend für die Schweiz dürfte sein, dass diese Ereignisse in Zukunft vor allem in höheren Lagen häufiger auftreten könnten (Köplin et al., 2014; Surfleet and Tullos, 2013). Da sich
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bisherige Studien oftmals auf die selteneren Extremereignisse beziehen, während im Alltag der operationellen Vorhersage meist weniger extreme Szenarien zu beurteilen sind, soll diese Studie den Blick auf die Gesamtheit einer grossen Bandbreite von RAS-Ereignissen erweitern. Diese mit grossem Aufwand auf die vorherrschenden Prozesse hin zu untersuchen, soll ermöglichen, RAS-Ereignisse in einem grösseren Kontext beurteilen zu können. 2. Methodik In dieser Studie wurden zuerst alle verfügbaren RAS-Ereignisse der letzten 16 Jahre im Schweizer Alpenraum bezüglich ihres zeitlichen und örtlichen Auftretens analysiert. Darauf wurde das Zusammenspiel der einzelnen Schneedeckenprozesse für diese RAS-Ereignisse untersucht. Hierfür wurde die Verwendung eines Schneedeckenmodells gewählt, welches diese anhand physikalischer Prozessbeschreibungen detailliert abzubilden vermag. Entsprechend sind alle Resultate dieser Studie von Simulationen mit dem am SLF entwickelten und vielfach validierten Schneedeckenmodell SNOWPACK abgeleitet. Diese wurden einerseits für Standorte von Messstationen wie auch auf einem Raster für ganze Einzugsgebiete durchgeführt. Im Folgenden stellen wir die Eingangsdaten für die Simulationen, das verwendete Modell-Set-up und letztlich die hier verwendete Definition von RAS-Ereignissen vor. Eine detailliertere Beschreibung der Eingangsdaten sowie des Modells befindet sich in Würzer et al. (2016). 2.1 Datengrundlage Für die Verwendung prozessorientierter Schneedeckenmodelle bedarf es einer Reihe von Daten, die in der Regel nur an Standorten geeigneter schneemeteorologischer Messstationen verfügbar sind. Als Ausgangspunkt für die Untersuchungen wurden daher Daten von 116 automatischen meteorologischen FlachfeldStationen des Interkantonalen Mess- und 197
Informationssystems (IMIS) verwendet. Da sich diese Stationen ausschliesslich oberhalb 1560 m ü. M. befinden, schliesst dies die Beurteilung von Ereignissen in tieferen Lagen anhand dieser Daten aus. Ein vergleichbares Modell-Set-up wurde schon verwendet, um das intensive RAS-Ereignis im Oktober 2011 zu analysieren (Badoux et al., 2013; Wever et al., 2014b). Für anschliessende Untersuchungen auf Einzugsgebietsebene wurde für insgesamt 58 Einzugsgebiete ein 2-km-Raster an virtuellen Stationen erstellt. Daten für diese virtuellen Stationen wurden mithilfe von METEOIO, einem Produkt zum Preprocessing meteorologischer Daten (Bavay and Egger, 2014), auf Basis von Daten der umliegenden IMIS-Stationen berechnet. Das IMIS-Stationsnetz bietet viele meteorologische und Schneedeckendaten wie Windgeschwindigkeit und -richtung, Lufttemperatur, relative Luftfeuchte, Schneedeckenoberflächentemperatur, Bodentemperatur, reflektierte kurzwellige Strahlung und Schneehöhe, welche auch operationell für die Lawinenwarnung verwendet werden (Lehning et al. 1999). Da das IMIS-Messnetz allerdings nur über unbeheizte Niederschlagsmesser verfügt, können diese Messdaten nicht zur Bestimmung von Schneefall oder Mischniederschlag, welcher häufig während RASEreignissen beobachtet wird, genutzt werden. Deshalb haben wir zur Bestimmung des Niederschlagseintrags ein Gitterprodukt der MeteoSchweiz verwendet (MeteoSwiss, 2013), welches für die jeweiligen Standorte der IMIS-Stationen oder die virtuellen Stationen auf Stundensummen disaggregiert wurde (Würzer et al., 2016).
Die verwendeten 58 Einzugsgebiete wurden anhand der Einzugsgebietsgliederung der Schweiz mit der Aggregationsebene von 150 km2 definiert. Jedes ausgewertete Einzugsgebiet beinhaltet hierbei mindestens eine IMIS-Station, an der ein RAS-Ereignis stattfand. 2.2 Modellbeschreibung und -Set-up Das physikalisch basierte Schneedeckenmodell SNOWPACK simuliert die Entwicklung der Schneedecke als ein eindimensionales Profil, welches von einer Vielzahl an Schneeschichten aufgebaut ist. Eine detaillierte Beschreibung des Modells findet sich in Bartelt and Lehning (2002), Lehning et al. (1999, 2002a,b) und Wever et al. (2014a). Das Modell wird hier durch stündliche Wettervariablen, wie in Abschnitt 2.1 beschrieben, angetrieben. Für jeden Zeitschritt wird Akkumulation, Schmelze und Veränderung der Schneedecke sowie der Wasseraustritt in den Boden berechnet. Schneeschmelze findet statt, wenn die Temperatur einer Schicht bei 0° C ist und zusätzlich Energie zugeführt wird. Der Energieeintrag in die Schneedecke während Schmelzbedingungen berechnet sich aus langwelliger und kurzwelliger Strahlung, sensiblen und latenten Wärmeflüssen sowie Energieeintrag durch Regen. Die verwendeten Parametrisierungen für kurzwellige und langwellige Nettostrahlung und die turbulenten Wärmeflüsse werden in Würzer et al. (2016) näher beschrieben. Der vertikale Flüssigwassertransport innerhalb der Schneedecke wird auf Basis der Richards-Gleichung (Wever et al., 2014a; Wever et al., 2015) berechnet. Dieser Ansatz wurde im Verlaufe der
Bild 1. Auftreten von RAS-Ereignissen in Abhängigkeit von Höhe und Jahreszeit. Die Farbskala gibt die Differenz zwischen Schneedeckenabfluss und Regeneintrag wieder. Negative Werte bedeuten entsprechend eine abschwächende Wirkung der Schneedecke auf die Abflussbildung, positive Werte das Gegenteil (nach Würzer et al., 2016). 198
Studie noch erweitert und vermag nun zusätzlich auch, präferenzielle Fliesswege im Schnee zu berücksichtigen (Wever et al., 2016; Würzer et al., 2016). Im Gegensatz zu den Simulationen für virtuelle Stationen stehen für echte Stationsstandorte zusätzlich zu den Niederschlagsdaten noch gemessene Schneehöheinformationen zur Verfügung. An diesen Orten wurden die Niederschlagsdaten wo nötig dynamisch angepasst, um die gemessenen Schneehöhen genau wiederzugeben. Um zwischen Regen, Schneefall oder Mischniederschlag zu unterscheiden, wurde ein Temperaturbereich zwischen 0.7 und 1.7° C angenommen, wo Schnee in Regen übergeht. 2.3 Ereignisdefinition Die Definition eines RAS-Ereignisses beeinflusst sowohl Anzahl als auch raumzeitliche Charakteristiken eines solchen Ereignisses entscheidend. Eine Studie, welche sich ausschliesslich auf Extremereignisse fokussiert, wird deshalb zu anderen Resultaten führen als eine Studie mit einer sehr weiten Definition von RAS. Oft werden RAS-Ereignisse als Tage definiert, an denen eine bestimmte Regenmenge fällt und zusätzlich ein Rückgang in Schneehöhe oder Schneewasseräquivalent (SWE) zu verzeichnen ist. Da es unser Ziel war, RAS-Ereignisse von der Perspektive der Hochwasservorhersage zu untersuchen, wurde nur eine anfängliche Schneehöhe von 25 cm und ein kumulativer Niederschlag von 20 mm innerhalb von 24 Stunden als RAS-Kriterium gewählt. Wegen potenziellem Einfrieren von Schmelzwasser innerhalb der Schneedecke findet eventuell gar keine Schneeschmelze statt, und im Falle von Mischniederschlag oder einem Übergang von Regen zu Schneefall kann es sogar zu einem Anstieg der Schneehöhe kommen. Der Beginn des Events wurde dann definiert als der Zeitpunkt, an dem 3 mm kumulativer Regen fielen. Die Endbedingungen waren erfüllt, wenn weniger als 3 mm Regen oder weniger als 6 mm Abfluss in 10 bzw. 5 Stunden bestimmt wurden. Diese Kriterien wurden sowohl auf die Stationsstandorte als auch auf ganze Einzugsgebiete angewendet, mit der einzigen Ausnahme, dass im Falle von Einzugsgebieten ein Schneedeckenabfluss von 3 mm als Endkriterium verwendet wurde, um zu berücksichtigen, dass Einzugsgebiete oft nur teilweise schneebedeckt sind.
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3. 3.1
Ergebnisse
Regen-auf-Schnee-Ereignisse der letzten 16 Jahre in der Schweiz Zunächst analysierten wir das zeitliche und räumliche Auftreten von RAS-Ereignissen. Unsere Ereignisdefinition führte im Zeitraum 1998–2014 an 116 IMIS-Stationen zu über 1000 individuellen Stationsereignissen (IE), d. h. einzelne RAS-Ereignisse an einer einzigen Station. Dies umfasst auch zahlreiche synchrone Ereignisse (SE), welche an mehreren Stationen gleichzeitig auftreten. Über den gesamten Zeitraum von 16 Jahren wurden 163 SE identifiziert, welche etwa 90 % der IE enthalten. Dies entspricht etwa 10 SE pro Jahr mit durchschnittlicher Beteiligung von 6 Stationen. Erwartungsgemäss kommen Ereignisse mit nur einer beteiligten Station am häufigsten vor, während Ereignisse mit sehr vielen beteiligten Stationen eher selten sind. Für die Untersuchung im Einzugsgebiet wurden 21 dieser SE gewählt, welche möglichst viele IE umfassten, also grösserskalige Ereignisse darstellten. Zu beachten gilt hierbei, dass sich diese Zahlen nur auf den Höhenbereich beziehen, welcher vom IMIS-Stationsnetz abgedeckt wird. Der Abflussüberschuss, die Differenz zwischen kumulativem Schneedeckenabfluss und kumulativem Regeneintrag, ist farblich dargestellt. Negative Werte zeigen dabei an, dass zumindest ein Teil des Regens in der Schneedecke zurückge-
halten wurde, während positive Werte zusätzlichen Abfluss durch Schneeschmelze bedeuten. Da sowohl Schneedecken- als auch meteorologische Bedingungen eine starke Saisonalität aufweisen, unterliegt auch der Abflussüberschuss während RAS einer Saisonalität. Wie Bild 1 zeigt, fanden die meisten RAS-Ereignisse auf Höhe der IMIS-Stationen (1560 und 2972 m ü. M.) in den Monaten Mai bis Juni statt. Zu dieser Jahreszeit ist die Wahrscheinlichkeit erwartungsgemäss am grössten, dass die Lufttemperatur hoch genug ist, damit Regen im Höhenbereich des IMISStationsnetzes auf eine noch bestehende Schneedecke fällt. Ereignisse mit einem hohen Schneeschmelzanteil am Schneedeckenabfluss finden sich jedoch auch im Herbst. Jene Herbstereignisse sind überproportional häufig grösserskalige Ereignisse, welche gleichzeitig mehrere Stationen betreffen (beachte die vertikalen Bänder in Bild 1). Eines dieser Ereignisse ist jenes RAS-Ereignis vom Oktober 2011, welches regional schwere Überschwemmungen mit grossen Schäden verursachte und welches Anlass zu dieser Studie gegeben hat. Es stellt sich hier anhand der Anzahl der beteiligten Stationen als das grossräumigste RAS-Ereignis dar. Weitere RAS-Ereignisse zwischen Dezember und April fanden fast ausnahmsweise unterhalb von 2300 m ü. M. statt. Dabei lieferte die Schneedecke nur selten zusätzlichen Schmelzabfluss, sondern hielt in der Regel vermehrt Niederschlag zurück. Die weni-
Bild 2. Anteil der turbulenten Wärmeflüsse am für die Schneeschmelze zur Verfügung stehenden Gesamtenergieeintrag.
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gen Ausnahmen betreffen zumeist nur einzelne Stationen. Dies mag in der Schweiz denjenigen erstaunen, der an die sogenannten Weihnachtshochwasser denkt. Jedoch ist zu bedenken, dass unsere Analysen nur für Höhen ab 1560 m ü. M. vorliegen. 3.2
Ursachen der Schneeschmelze während Regen-auf-SchneeEreignissen Der Energieeintrag für die Schneeschmelze setzt sich prinzipiell zusammen aus den Strahlungskomponenten (langwellige und kurzwellige), den turbulenten Flüssen (sensible und turbulente Wärme), dem Bodenwärmestrom und dem Energieeintrag durch den Regen. Man könnte meinen, dass der Regen während RAS-Ereignissen direkt für die Schneeschmelze verantwortlich ist. Die Analyse sämtlicher in Bild 1 gezeigten Ereignisse hat ergeben, dass die turbulenten Wärmeflüsse hauptverantwortlich für Schneeschmelze bei RAS-Ereignissen mit hohen Schmelzeinträgen waren (Bild 2). Die Wichtigkeit sensibler und latenter Wärme, hauptsächlich verursacht durch die Kondensation von feuchter Luft an der Schneeoberfläche, war während einzelner RAS-Ereignisse in früheren Studien bereits erkannt worden. Hier konnte erstmals an einer grossen Anzahl Ereignisse im Schweizer Alpenraum unter einer grossen Bandbreite von Randbedingungen gezeigt werden, dass beide turbulenten Wärmeströme zusam-
Bild 3. Intensität des Schneedeckenabflusses im Vergleich zur Intensität des Regeneintrags (jeweils gemittelt über die Regenbzw. Abflussstunden), separat ausgewertet für unterschiedlich lange Regenereignisse. 199
men einen Grossteil der Schmelzenergie bei RAS-Ereignissen mit grösseren Schmelzmengen lieferten. Im Gegensatz dazu trugen die Strahlungsflüsse im Mittel nur wenig zum Gesamtenergieeintrag bei, unter anderem auch weil diese bei regnerischen Verhältnissen in der Regel klein sind und dazu noch tageszeitlichen Schwankungen unterliegen. Den advektiven Energieeintrag durch Regen lieferte im Schnitt nur 13 % der gesamten Schmelzenergie. Damit ist dieser Beitrag zwar nicht vernachlässigbar, aber im Voraus eines Ereignisses verhältnismässig leicht und mit relativ kleinen Unsicherheiten abzuschätzen. Diese Ergebnisse implizieren, dass in der Beurteilung sich ankündigender RASEreignisse besonders auf die Wind- wie auch auf die Temperaturverhältnisse geachtet werden sollte. Besonders bei windigen Verhältnissen mit Temperaturen weit über dem Nullpunkt ist eine detailliertere Analyse angezeigt. 3.3
Faktoren, die die Intensität des Schneedeckenabflusses beeinflussen Während RAS-Ereignissen kann man die unterschiedlichen und miteinander wechselwirkenden Prozesse innerhalb der Schneedecke vereinfachend auch als einen integralen Prozess betrachten, der den Regeneintrag in den Schneedeckenabfluss umwandelt. Dieser Abfluss kann sich in der kumulativen Menge, der zeitlicher Dynamik und in seiner Intensität deutlich vom Regeneintrag unterscheiden. Dies ist entscheidend, da bei hohen Schneedeckenabfluss-Intensitäten z. B. die Aufnahmekapazität des darunter-
liegenden Bodens überschritten werden kann und somit sehr schnelle Abflussprozesse wie lateralen Überlandfluss initialisiert werden können. Deshalb zeigen die Resultate aus Bild 3 einen interessanten und relevanten Zusammenhang zwischen den Intensitäten des Schneedeckenabflusses und des Regens sowie der Länge des Regenereignisses. Für kurze und intensive Regenereignisse (> 4 mm/h und < 10 h) wirken die Schneedeckenprozesse dämpfend auf die Abflussintensität. Für lange Regenereignisse hingegen (> 10 h) liegt in den meisten Fällen eine erhöhte Abflussintensität vor. Nur bei kurzen und weniger intensiven Regenfällen (< 4 mm/h und < 10 h) ist die Wirkung der Schneedeckenprozesse variabel und muss anhand anderer Faktoren beurteilt werden. Neben den rein meteorologischen Randbedingungen haben natürlich auch die Schneedeckeneigenschaften einen Einfluss auf die Intensität des Schneedeckenabflusses. Interessant ist vor allem der Einfluss der Schneehöhe (Bild 4). Über alle Ereignisse gesehen, waren die höchsten Schneedeckenabfluss-Intensitäten bei Situationen mit geringen Schneehöhen zu verzeichnen. Umgekehrt führten sehr grosse Schneehöhen in der Regel zu geringen Abflussintensitäten. Dabei lässt sich die grosse Streuung im Zusammenhang zwischen Schneehöhe und Schneedeckenabfluss-Intensitäten auf zusätzliche Abhängigkeiten dieser Variablen auf beispielsweise die Regenintensitäten oder auf Schneedeckeneigenschaften wie den anfänglichen Flüssigwassergehalt zurückführen. Dieser Umstand verdeutlicht einmal mehr die Notwendigkeit einer grossen
Anzahl von zu untersuchenden Ereignissen, um verallgemeinerbare Aussagen treffen zu können. 3.4
Regen-auf-Schnee-Ereignisse im Einzugsgebiet Die obigen Analysen von RAS-Ereignissen an Einzelstandorten lieferten bereits wichtige Einblicke in das Abflussverhalten aus der Schneedecke und in die Faktoren, welche dieses beeinflussen. Nicht minder wichtig ist aus hydrologischer Sicht jedoch auch, welche Auswirkung das Vorhandensein einer Schneedecke auf der Skala ganzer Einzugsgebiete hat. Hier variieren Prozesse und Randbedingungen innerhalb des Gebiets, insbesondere wenn grössere Höhengradienten vorhanden sind. So sind die ganze Schneedeckenentwicklung und auch die Art des Niederschlags stark abhängig von der Lufttemperatur und damit von der Hypsometrie des Einzugsgebiets. Ob Prozesse innerhalb des Gebiets synchron oder asynchron ablaufen, kann für die Abflussbildung im Gesamtgebiet von entscheidender Bedeutung sein. Daher sollte analog zu den Analysen für Stationsstandorte untersucht werden, unter welchen Randbedingungen für ganze Einzugsgebiete Abflussüberschüsse und erhöhte Abflussintensitäten auftreten können. Um diese Fragestellung beantworten zu können, mussten wir mit grossem Aufwand möglichst viele Ereignisse in vielen Einzugsgebieten unter verschiedenen Rahmenbedingungen untersuchen. Erwartungsgemäss verläuft der Schneedeckenabfluss in den verschiedenen Höhenbereichen in der Regel unterschiedlich ab, wie in Bild 5 am Beispiel
Bild 4. Abflussintensitäten in Bezug zur anfänglichen Schneedeckenmächtigkeit. Bild 5. Beispiel für den zeitlichen Verlauf des Schneedeckenabfluss-Überschusses während des Oktober-2011-Ereignisses auf Einzugsgebietsskala für verschiedene Höhenbereiche. Der mittlere Abflussüberschuss des Einzugsgebiets ist hierbei schwarz dargestellt. 200
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des RAS-Ereignisses im Oktober 2011 zu sehen ist. Dies hat Konsequenzen auf den Abfluss im Gesamteinzugsgebiet. Die in Bild 5 dargestellten Simulationen zeigen, dass zu Beginn des Ereignisses einige Höhenbereiche Regen zurückhalten, während andere Höhenbereiche bereits zusätzliche Schneeschmelze generieren. Erst mit anhaltender Dauer des Regenereignisses liefern die meisten Höhenbereiche zusätzliche Schneeschmelzbeiträge. Dies bedingt, dass die Schneedecke auf die Abflussbildung im Gesamtgebiet zunächst abschwächend wirkt. Erst nach ca. 7 Stunden Regen bewirkt die zunehmende Anzahl Gebietsanteile, die mit Schneeschmelze beitragen, eine relativ zum Regen verstärkte Abflussbildung. Dieser Befund mag darauf hindeuten, dass für Einzugsgebiete mit grösseren Höhenunterschieden gerade lang anhaltende Regenereignisse mit ausreichend hohen Temperaturen als potenziell kritisch einzustufen sind. Insgesamt konnten 191 derartige Einzugsgebietssimulationen zu RAS-Ereignissen der letzten 16 Jahre realisiert werden. Bild 6 zeigt die Standardabweichung der Abflussverzögerung (zeitliche Verzögerung des Einsetzens des Schneedeckenabflusses über die Höhenbereiche) als Mass für die Synchronizität des Einsetzens des Schneedeckenabflusses im Einzugsgebiet. Dieses Mass ist in der Abbildung über der mittleren Lufttemperatur während der Ereignisse dargestellt. Dabei ist der anfängliche Flüssigwassergehalt der Schneedecke zusätzlich farblich gekennzeichnet. Wir erkennen, dass die Synchronizität mit steigender mittlerer Lufttemperatur, vor allem aber mit erhöhter Vorfeuchte der Schneedecke zunimmt. Dies ist insofern interessant, als sich bei den Simulationen für Stationsstandorte gezeigt hat, dass Ereignisse mit grosser Vorfeuchte besonders schnell zu Schneedeckenabfluss führen, und zwar unabhängig von der Schneehöhe. Diese beiden Faktoren begünstigen offenbar neben der Dauer des RAS-Ereignisses erhöhte Abflussbildungsraten und stellen in Verbindung ein potenzielles Hochwasserrisiko dar. 3.5 Das Oktober-2011-Ereignis Das Oktober-2011-Ereignis ist in vielerlei Hinsicht besonders. In Bezug auf die beteiligten Stationen bzw. Einzugsgebiete ist es das grösste Ereignis der untersuchten 16 Jahre. Von den untersuchten Ereignissen für ganze Einzugsgebiete ist es das einzige Event, welches in den drei Tagen vor Einsetzen des Regens Schneefall bis
in tiefe Lagen zu verzeichnen hatte. Dies führte dazu, dass betroffene Einzugsgebiete, welche nur Tage davor beinahe schneefrei waren, zu Beginn des Ereignisses zu grossen Teilen mit Neuschnee bedeckt waren (siehe Bild 7, farblich dargestellt). Dies hatte zur Folge, dass die Schnee-Eigenschaften innerhalb der ein-
zelnen Einzugsgebiete vergleichsweise homogen waren, als der Regen einsetzte. Derartige Verhältnisse sind bei Regenereignissen auf eine Altschneedecke im Frühling gänzlich ausgeschlossen. Dabei begünstigen sie neben den oben genannten anderen Faktoren, dass gewisse Prozessabläufe innerhalb der betroffenen
Bild 6. Standardabweichung der Abflussverzögerung (zeitliches Erreichen eines kumulativen Grenzwertes von 1 mm für den Schneedeckenabfluss nach Ereignisbeginn, gemittelt über das Einzugsgebiet) über die Höhenbereiche des Einzugsgebiets. Für hohe Flüssigwassergehalte ist dieses Mass für die Schneedeckenabfluss-Synchronizität besonders nahe bei 0, entspricht also synchron einsetzendem Abfluss. Auch hohe mittlere Lufttemperaturen sind mit einer hohen Synchronizität assoziiert. Einzugsgebietssimulationen des Oktober-2011-Ereignisses sind mit Dreiecken markiert.
Bild 7. Maximale Intensität des Schneedeckenabfluss-Überschusses, in Abhängigkeit von der Temperaturentwicklung während RAS-Ereignissen in jeweils einem Einzugsgebiet. Farblich dargestellt ist die Zunahme der Schneebedeckung des Einzugsgebiets in den drei Tagen vor Einsetzen des Regens; die Dreiecke markieren Einzugsgebietssimulationen des Oktober-2011-Ereignisses.
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201
Einzugsgebiete synchron bzw. zumindest teilweise zeitgleich ablaufen. Das Ereignis vom Oktober 2011 ist sowohl in Bild 6 als auch 7 speziell gekennzeichnet, um zu verdeutlichen, wie aussergewöhnlich dieses Ereignis in Bezug auf bestimmte Randbedingungen gewesen sein mag. Dies sicherlich in Bezug auf die Temperaturentwicklung (Bild 7), die innerhalb vieler Einzugsgebiete hohe Synchronizität im Einsetzen des Schneedeckenabflusses (Bild 6) und schlussendlich die hohen Abflussüberschüsse. 4. Schlussfolgerungen Basierend auf meteorologischen und Schneedecken-Messdaten der vergangenen 16 Jahre, konnten 1063 historische RAS-Ereignisse im Schweizer Alpenraum identifiziert und ausgewertet werden. Um die relevanten Schneedeckenprozesse beurteilen zu können, wurden alle Ereignisse mit dem physikalischen Schneedeckenmodell SNOWPACK analysiert. Aufgrund der grossen Bandbreite und Anzahl an Ereignissen und der systematischen Vorgehensweise haben sich interessante und neue Erkenntnisse ergeben, welche sich für eine Vielzahl an RAS-Ereignissen generalisieren lassen. Die gezeigten Resultate führen zu folgenden Schlussfolgerungen: Im betrachteten Höhenbereich traten die meisten RAS-Ereignisse überwiegend in den Monaten Mai bis Juni auf und führten dabei zu hohem Schneedeckenabfluss-Überschuss. Auch im Herbst gab es einige Ereignisse mit hohen Schmelzbeiträgen und von überregionalem Ausmass. Dabei wurden turbulente Wärmeflüsse (latente und sensible Wärme) in den meisten Fällen als Hauptenergiequelle für die Schneeschmelzanteile identifiziert. Insgesamt begünstigten die folgenden Faktoren eine relativ zum Regen überhöhte Abflussbildung: • lang anhaltende Ereignisse • homogene Schneedeckeneigenschaften im Einzugsgebiet zu Ereignisbeginn • Schneedeckeneigenschaften, die ein schnelles Einsetzen des Schneedeckenabflusses begünstigen • ausreichend hohe Lufttemperaturen, die auch in höheren Gebietsanteilen Regen und Schmelze ermöglichen • hohe Windgeschwindigkeiten Auf das RAS-Ereignis im Oktober 2011 treffen fast alle dieser oben genannten Faktoren zu, sodass dieses über die
202
grosse Anzahl untersuchter Ereignisse als das in mehrerer Hinsicht grösste Ereignis bewertet wird. Wie sich auch gezeigt hat, ergeben sich aus einer Kombination von Regen auf eine Schneedecke nicht zwingendermassen kritische Situationen. Vielmehr ist die Abflussbildung das Resultat aus einer Vielzahl von Prozessen auf unterschiedlichen räumlichen Skalen. Eigenschaften wie Schneedeckenmächtigkeit, -schichtung und -feuchte haben unter gegebenen meteorlogischen Randbedingungen erhebliche Auswirkungen darauf, ob in einer Schneedecke Regen zurückgehalten wird oder mit zusätzlicher Schmelze die Abflussbildung verstärkt. Daraus ergibt sich, dass die Verwendung hinreichend komplexer schneehydrologischer Modelle für die operationelle Einschätzung herannahender RAS-Ereignisse notwendig ist.
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Danksagung
Wever, N., Fierz, C., Mitterer, C., Hirashima, H.,
Wir danken dem Bundesamt für Umwelt, BAFU,
Lehning, M. Solving Richards Equation for snow
für die Finanzierung dieses Forschungsprojekts
improves snowpack meltwater runoff estima-
und die damit verbundene Möglichkeit, weitere
tions in detailed multi-layer snowpack model,
Erfahrungen im Zusammenhang mit Regen auf
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Anschrift der Verfasser
avalanche warning Part III: Meteorological forc-
Sebastian Würzer, Tobias Jonas, WSL-Institut
ing, thin layer formation and evaluation, Cold
für Schnee- und Lawinenforschung, SLF,
Reg. Sci. Tech., 35, 169–184, doi: 10.1016/
Flüelastrasse 11, CH-7260 Davos Dorf
S0165-232x(02)00072-1, 2002a.
sebastian.wuerzer@slf.ch
Lehning, M., Bartelt, P., Brown, B., Fierz, C.,
tobias.jonas@slf.ch
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Wasserhaushalt der Schweiz 2.0 Eine validierte, modellgestützte Methode für die Bilanzierung der Wasserressourcen der Schweiz Massimiliano Zappa, Katharina Liechti, Mattias Deller, Martin Barben
Zusammenfassung Dieser Beitrag stellt eine neue, modellgestützte Methode zur jährlichen Bilanzierung des Wasserhaushalts der Schweiz vor. Damit ist es nun möglich, Aussagen zur Wasserbilanz auf regionaler Ebene und für die einzelnen Monate zu machen. Ausserdem wird, im Unterschied zu bisher verwendeten Methoden, die jährliche Dynamik der Speicher (Grundwasser und Boden) nicht über die Verdunstung kompensiert, sondern explizit berücksichtigt. Damit eignet sich die neue Methode besser für Vergleiche einzelner Jahre. Im Allgemeinen sind die Ergebnisse der neuen Methode konsistent mit jenen aus früheren Studien. Für die Modellierungen wurde die Gitterversion des hydrologischen Modells PREVAH verwendet und mit einem einfachen und zweckmässigen Routingschema kombiniert. Die Ergebnisse der neuen Methode wurden an 71 Einzugsgebieten verifiziert. Für diese 71 Einzugsgebiete sowie für 25 Grossregionen und die gesamte Schweiz liegen nun Zeitreihen der Wasserbilanzkomponenten ab dem Jahr 1981 vor. Vergleiche der Bilanzwerte der einzelnen Jahre oder Monate mit den Werten der Normperiode 1981–2010 sind somit einfach möglich. Die präsentierte modellgestützte Methode ist ein zeitgemässes Instrument, welches die effiziente Berechnung von Wasserbilanzen mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung erlaubt. 1. Einführung In den Schweizer Alpen entspringen bedeutende Flüsse Europas. Ihr Wasservorkommen ist eine wichtige Ressource für viele Wirtschaftssektoren der Schweiz und ihrer hydrologischen Unterlieger. Für eine optimale Nutzung dieser Ressourcen müssen wir in der Lage sein, ihre Verfügbarkeit zu quantifizieren (Zappa et al., 2012; JörgHess et al., 2014). Die Bilanzierung des Wasserhaushalts eines Einzugsgebiets liefert eine Antwort auf diese Frage und ist eine der klassischen Aufgaben der Hydrologie. In einem hydrologischen System, welches im Gleichgewicht steht, sollte im langjährigen Mittel die Summe von Abfluss und Verdunstung dem Niederschlag entsprechen. Werden jedoch einzelne Jahre betrachtet, so ist zu erkennen, dass durch jährliche Unterschiede in den Schneeverhältnissen sowie im Bodenfeuchte- und Grundwasserspeicher Wasserressourcen von einem Jahr ins nächste verlagert werden. In hochalpinen Gebieten wird zudem seit rund 30 Jahren eine stetige Abnahme der gespeicherten Wassermengen in den hiesigen Gletschern beobachtet (e. g. Farinotti et al., 2011). Im Falle von kleinen und
gut instrumentierten Einzugsgebieten gelingt eine Bilanzierung mit verhältnismässig wenig Aufwand. Schädler und Weingartner (2002a) präsentierten eine weitgehend auf Messungen basierte Methode, um die Wasserbilanz von mesoskaligen Bilanzgebieten der Schweiz zu erstellen. In ihrer Arbeit wurde dabei ein besonderer Fokus auf die Abschätzung von jährlichen Niederschlagsmengen im Gebirge gelegt. Auf diese Weise gelang den Autoren die Realisierung einer regional aufgelösten Darstellung des Wasserhaushalts der politischen Schweiz für die Periode 1961–1990 (Schädler und Weingartner, 2002b). Auf einer grösseren Skala lieferten Hubacher und Schädler (2010) eine Abschätzung des Wasserhaushalts der Grosseinzugsgebiete der Schweiz für die Periode 1901–2000. Sie verwendeten und erweiterten dabei eine von Schädler und Bigler (1995) eingeführte Methode. Neben dem Niederschlag und dem gemessenen Abfluss werden die Änderung der Seestände und der Gletschervolumina berücksichtigt. Die Verdunstung bildet dabei den Rest-Term in der Bilanzgleichung. Seit mehr als 20 Jahren werden
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nun für solche Berechnungen auch hydrologische Modelle eingesetzt. Menzel et al. (1999) veröffentlichten im Hydrologischen Atlas der Schweiz (HADES) eine gegitterte Karte der mittleren Verdunstung der politischen Schweiz für die Periode 1973–1992. Die Karte basiert auf Berechnungen eines physikalischen Modells (Menzel, 1997). Zappa (2002) lieferte die erstmalige modellbasierte Berechnung des Wasserhaushalts der politischen Schweiz für die Periode 1981–2000. Dabei wurde das Wasserhaushaltsmodell PREVAH (Viviroli et al., 2009) angewendet. Die Schweiz wurde in 9 Klimaregionen unterteilt und mit einer Basisauflösung von 500 × 500 m räumlich diskretisiert. Die gegitterten Ausgaben der Berechnung wurden unter Einbezug von monatlichen Abflussmessungen und der Ergebnisse von Schädler und Weingartner (2002) plausibilisiert. Basierend auf Zappa (2002), erfolgte 2006 (Pfaundler und Zappa, 2006) die Einführung der Karten zum mittleren jährlichen und monatlichen Abfluss der Schweiz, welche vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) als Produkt für die Praxis aufgenommen wurde. Für die jährliche Bilanzierung des Wasserhaushalts wird aber bis heute die von Hubacher und Schädler (2010) eingeführte Methode Jahr für Jahr angewandt. Im Rahmen mehrerer wissenschaftlicher Arbeiten und Projekte (BAFU, 2012) wurden nach und nach immer detailliertere Modellrechnungen für die politische und neu auch für die hydrologische Schweiz (Bild 1) möglich (Zappa et al., 2012; Bernhard et al., 2013). Daraus ergab sich die Frage, ob nun die Zeit gekommen sei, Modelle auch für die kontinuierliche Bilanzierung des Wasserhaushalts der Schweiz einzusetzen. Dieser Beitrag zeigt nun, wie es durch die Anwendung eines hydrologischen Modells möglich ist, monatliche Aussagen zur Wasserbilanz der Schweiz zu machen. Die Ergebnisse des Modells wurden gegenüber täglichen Abflussmessungen validiert und mit den Ergebnissen von Hubacher und Schädler (2010) ver203
glichen. Der Beitrag wird mit ausgewählten Ergebnissen und Visualisierungen ergänzt. In dieser Ausgabe von «Wasser, Energie, Luft» werden, neben dem vorliegenden Beitrag zur Methodik, auch die Ergebnisse für das Jahr 2016 publiziert. Auf diesem Weg soll in den folgenden Jahren über den Wasserhaushalt der Schweiz berichtet werden. 2.
Klimatologie des Wasserhaushalts 1981–2010 Der Wasserhaushalt der Schweiz wurde bisher jährlich mit der Methode von Hubacher und Schädler bestimmt. Dabei wurde der gesamte Abfluss der Schweiz mit gemessenen und geschätzten Zuflüssen aus dem Ausland ergänzt. Im Folgenden wird die Methode von Hubacher und Schädler als HADES-Methode bezeichnet. Im Rahmen der Studie CCHYDRO des BAFU (BAFU 2012) wurden für die verschiedenen Klimaregionen und Höhenstufen der Schweiz zeitlich und räumlich hoch aufgelöste Szenarien des Wasserkreislaufs für das 21. Jahrhundert bereitgestellt (Bernhard et al., 2013). Für die Modellrechnungen auf der Skala der hydrologischen Schweiz wurde die Gitterversion des hyd-
rologischen Modells PREVAH verwendet (Viviroli et al., 2009; Speich et al., 2015; Stähli et al., 2011). Bild 2 veranschaulicht die verwendete Modellkonfiguration für die Berechnungsperiode 1980–2009. Im Folgenden wird diese Methode als CCHYDRO-Methode bezeichnet. PREVAH (Precipitation-Runoff-Evapotranspiration HRU related Model) ist ein räumlich verteiltes hydrologisches Modell, welches seit dem Forschungsprogramm NFP31 Mitte der 1990er-Jahre als Forschungsmodell im Alpenraum eingesetzt wird (Viviroli et al., 2009). Für CCHYDRO wurde die räumlich explizite (gegitterte) Version von PREVAH für das gesamte Einzugsgebiet der hydrologischen Schweiz mit einer Auflösung von 200 × 200 m aufgesetzt. Insgesamt wurde die Schweiz in 25 Grossregionen unterteilt. Für jede Grossregion wurden Ergebnisse für mehrere Teileinzugsgebiete ausgegeben, sodass die Ergebnisse für kleinere Regionen mit einem einfachen Routing berechnet werden konnten (Bernhard und Zappa, 2012). Wie jedes konzeptionelle Niederschlags-Abfluss-Modell enthält PREVAH mehrere freie Modellparameter, welche üblicherweise an gemessenen Abflussda-
ten kalibriert werden. Die kalibrierten Parameter für die Teileinzugsgebiete wurden von Arbeiten der Universität Bern (GIUB) übernommen (Köplin et al., 2010). Die Resultate der vorgängig durchgeführten Kalibrierung an über 200 mesoskaligen Gebieten der Schweiz dienten als Datengrundlage für eine Regionalisierung durch räumliche Interpolation der Parameter mittels «Ordinary Kriging». PREVAH wurde durch interpolierte Tageswerte der meteorologischen Variablen angetrieben. Es wurden dabei Informationen der nationalen Wetterdienste der Schweiz, Deutschlands und Österreichs beigezogen. Die räumliche Interpolation besteht aus einer Kombination von höhenabhängiger Regression und einem inversen Distanzverfahren. Dies resultiert in einer trendbereinigten Interpolation. Für die Berechnungen mit PREVAH werden die folgenden Variablen benötigt: Niederschlag, relative Luftfeuchte, Globalstrahlung, Windgeschwindigkeit, Lufttemperatur und Sonnenscheindauer. In der Schweiz sind zahlreiche Oberflächengewässer durch verschiedenste wasserwirtschaftliche und -bauliche Eingriffe beeinflusst. Für eine erfolgreiche Simulation der Abflussganglinien der
Bild 1. Grenzen und Flächenausdehnungen der politischen Schweiz (grau, 41 285 km2), der hydrologischen Schweiz (orange, 53 566 km2) und der im Hydrologischen Atlas der Schweiz relevanten Bilanzgebiete (grün, HADES). 204
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schweizerischen Grosseinzugsgebiete ist eine Berücksichtigung solcher Eingriffe unumgänglich, wurde bis heute jedoch kaum realisiert. Die Abflusskonzentration von den 25 Grossregionen zu den Grosseinzugsgebieten sowie die Ausgabe von Abflusszeitreihen für die 71 in der Verifikation berücksichtigten Einzugsgebiete erfolgte darum unter Verwendung eines zweckmässigen, aber stark vereinfachten Routing-Schemas (Bernhard und Zappa, 2012). Die grösseren natürlichen und regulierten Seen wurden als einfache lineare Speicher definiert. Nach dem Routing standen für viele vom BAFU betriebene Abflussmessstationen tägliche Modellwerte für die Jahre 1980–2009 bereit. Zur weiteren Plausibilisierung der Ergebnisse wurde die Simulation des Wasserwertes der Schneedecke (SWE) mit dem entsprechenden Schneeprodukt des SLF (Jonas, 2012) für jede der 25 Grossregionen erfolgreich verglichen (siehe exemplarisches Beispiel auf Bild 2). Die Berechnungen von CCHYDRO lieferten somit validierte Grundlagen zur
Berechnung der Wasserbilanz der hydrologischen Schweiz. Nach CCHYDRO wurden die Berechnungen so erweitert, dass nun Mittelwerte für die Normperiode 1981–2010 (CH2011, 2011) bereitstehen (vgl. später Tabelle 1). 3.
Methode zur jährlichen Aktualisierung des Wasserhaushalts der Schweiz Die im vorherigen Abschnitt erläuterte Modellkonfiguration wurde nun erweitert, um jeweils den jährlichen (Januar bis Dezember) Wasserhaushalt der Schweiz eines Berichtsjahres mit jenem der Referenzperiode (1981–2010) vergleichen zu können. Bild 3 (links) veranschaulicht die dafür nötigen Arbeitsschritte. Zur vollständigen Abdeckung der politischen Schweiz wurden zusätzlich kleine Einzugsgebiete, im selben Stil wie in Bild 2 gezeigt, nachberechnet. Damit wird eines der Bedürfnisse des BAFU erfüllt, welches der Europäischen Umweltagentur (EUA) für die jährliche Berichterstattung flächendeckende Wasserhaushaltsdaten für die grossen Flussgebiete liefert.
Die im CCHYDRO-Projekt verwendeten hydrologischen und meteorologischen Datengrundlagen wurden bis zum aktuellen Jahr ergänzt. Für die Simulationen ab dem Jahr 2009 wurde mittels eines halbautomatischen iterativen Verfahrens der Volumenfehler gegenüber der Beobachtung optimiert. Die Methode folgt dabei einer in Weingartner et al. (2007) aufgeführten Idee. Es wird angenommen, dass die Abflussmessungen (R) exakt sind und dass die jährliche und monatliche Verdunstung (E) in ihrer Menge vom Modell plausibel eingeschätzt wird. Darum werden alle Unsicherheiten, welche zum Fehler zwischen beobachtetem (R) und berechnetem Abfluss (R*) beitragen, auf den Niederschlagsinput übertragen. Das Modellieren von Niederschlag und Abfluss hängt stark von der Aufzeichnungsqualität der Messstationen ab. Ungenauigkeiten bei der Niederschlagsmessung können verschiedene Ursachen haben (Sevruk, 1985; Sevruk und Kirchhofer, 1992). So kommt es beispielsweise stark darauf an, wie die Messstationen in Bezug auf Windbedingungen und Nie-
Bild 2. Übersicht der Konfiguration des hydrologischen Modells PREVAH für die CCHYDRO-Berechnungen (BAFU, 2012). Für die Ermittlung des Wasserhaushalts an jedem der 200 × 200-m-Gitterpunkte der hydrologischen Schweiz wurden tägliche meteorologische Daten als Antrieb für die Periode 1980–2009 verwendet. Siehe Abschnitt 2 von Bernhard und Zappa (2012) für weiterführende Informationen. «Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
205
Bild 3. Links: Übersicht der Konfiguration von PREVAH für die jährliche Fortführung der Modellrechnungen zum Wasserhaushalt der Schweiz. Gegenüber Bild 2 wurden zusätzliche Einzugsgebiete berücksichtigt. Rechts: Schema zur iterativen Bilanzierung. Modellparameter, welche das Niederschlagsvolumen beeinflussen, wurden für jede Grossregion auf Monatsbasis angepasst, um eine verbesserte Bilanzierung der 71 Kontrollgebiete zu erzielen. Siehe Text für weiterführende Informationen. derschlagsintensität gebaut sind. Weiter können Fehler durch das Verdunsten des gesammelten Niederschlags entstehen. PREVAH bietet die Möglichkeit, den Niederschlag durch das Einstellen von zwei Parametern anzupassen (Viviroli et al., 2009). Durch die beiden Parameter werden die Niederschlagsmengen variiert und die Differenzen zwischen beobachteten und simulierten Abflussraten minimiert und damit Messfehler, räumliche Repräsentativität, Assimilierung und Interpolation der Niederschlagsdaten korrigiert. Zudem werden damit auch indirekt die Fehlschätzung der Verdunstung und die Fehler in der Abflussmessung korrigiert. Es handelt sich darum nicht um eine einfache Niederschlagskorrektur, sondern eher um eine «globale» Bilanzkorrektur. Diese Korrekturfaktoren werden nun für die 25 Grossregionen monatlich angepasst (Bild 3, rechts), um die Unterschiede zwischen den gemessenen und beobachteten monatlichen Abflusssummen an den 71 Kontrollpunkten zu minimieren (höchstens 3 % Volumenfehler für nicht oder wenig beeinflusste Einzugsgebiete). Besonderes Augenmerk gilt dabei der Übereinstimmung an den Hauptpegeln des Rheins in Basel (Bild 4, oben links), des Inns in Martina, der Rhone in Porte du Scex und des Ticino in Bellinzona (Bild 4, unten links). Es ist zu vermerken, dass bei der Bestimmung der monatlichen Korrekturfaktoren auch das Abflussregime des Einzugsgebiets berücksichtigt wurde. Im Falle eines von der Schneeschmelze dominierten Einzugsgebiets wird die Volumenabweichung nicht für jeden Monat separat ermittelt, sondern für die Gesamtdauer der Periode, welche 206
sowohl die Schneeakkumulation als auch die Hauptschneeschmelze umfasst (z. B. Dezember bis Mai für den Ticino in Bellinzona). Die entsprechende Niederschlagsanpassung wird auf alle Monate verteilt. Bild 4 zeigt für zwei der 71 Kontrollpunkte, wie die Bilanzierungsprozedur den Volumenfehler (DV %) zu reduzieren vermag. Dabei verbessern sich die Gütemasse (NS, NSL und RMSE) der Abflusssimulation ebenfalls (Bernhard und Zappa, 2012). Über alle Kontrollpunkte hinweg zeigt sich eine deutliche Verringerung des Volumenfehlers (Bild 4, Box-Whisker-Plot unten rechts). Der Median der veredelten Ergebnisse liegt bei rund +1 % und zeigt weniger Spannweite als die Originalsimulationen, für welche der Median des Volumenfehlers bei –2.7 % liegt. Auch bei der Güte der simulierten Tageswerte der Abflüsse (Nash-Kriterium, Box-Whisker-Plot oben rechts) werden mit der veredelten Simulation bessere Ergebnisse erzielt als mit den Originaldaten. Die Ergebnisse der neuen modellgestützten Methode können darum neben räumlich hochaufgelösten Aussagen zu den Komponenten des Wasserhaushaltes auch tägliche Zeitreihen des Abflusses in den schweizerischen Gewässern plausibel wiedergeben. 4.
Wasserbilanz ausgewählter Einzugsgebiete 1981–2010 Hauptziel der nun verfügbaren Methode ist die Bereitstellung von jährlich aktuellen Berechnungen zum natürlichen Wasserhaushalt der Schweiz, ihrer bedeutendsten Grosseinzugsgebiete und ausgewählter Bilanzgebiete. In Tabelle 1 und im Kurzbericht zum Jahr 2016 (Liechti et al., 2017)
sind die Berechnungen für die Kontrollperiode 1981–2010 nach Bilanzierungsgebiet und Parameter aufgelistet. Die mittleren jährlichen Summen von Niederschlag (P), Verdunstung (E), Abfluss (R) sowie der Speicheränderung (dS) bestätigen die von Zappa et al. (2012) für die Periode 1980– 2009 ermittelten Werte. Die Unterschiede zwischen den Ergebnissen für die politische und für die hydrologische Schweiz sind klein und nachvollziehbar. Die Teileinzugsgebiete der hydrologischen Schweiz, welche sich nicht innerhalb der politischen Schweiz befinden, wie z. B. die Regionen um den Bodensee oder südlich des Lago Maggiore, befinden sich grösstenteils in verhältnismässig tiefgelegenem, flachem Gelände. Es ist darum nicht verwunderlich, dass die «hydrologische Schweiz» (Schweiz und orange Flächen in Bild 1, 53 566 km2) eine leicht höhere Verdunstung und folglich einen kleineren Abfluss als die «politische Schweiz» (graue Fläche, 41 285 km2) aufweist. Der Zufluss aus den Flächen von ausserhalb der «politischen Schweiz» wurde von früheren Studien (Hubacher und Schädler, 2010) auf rund 318 mm pro Jahr geschätzt. In der vorliegenden Studie beläuft sich der Zufluss aus den ausländischen Teilgebieten, wenn der Abfluss aus der «hydrologischen Schweiz» auf die «politische Schweiz» verteilt wird, auf rund 295 mm pro Jahr. Der Unterschied ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass hier die Arve (BAFU Station 2170, 1976 km2) nicht in die Fläche der hydrologischen Schweiz miteinbezogen wurde. Grund dafür ist die problematische Datenbeschaffung und der Umstand, dass die
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Bild 4. Oben links: Visualisierung der originalen (rot) und bilanzierten (grün) modellierten Abflussganglinie des Rheins in Basel (BAFU 2289) für die Periode 2010–2016. Die Messung ist in blau dargestellt. Unten links: Darstellung für den Ticino in Bellinzona (BAFU 2020). Die Boxplots auf der rechten Seite zeigen für das Nash-Kriterium (NS, oben) und den Volumenfehler (DV, unten) die Differenz der Ergebnisse zwischen den Originalberechnungen (rot) und den bilanzierten Berechnungen (grün) für alle ausgewerteten 71 BAFU-Stationen. Arve nur wenige Kilometer auf Schweizer Boden fliesst. Weitere Differenzen stammen aus unterschiedlichen Betrachtungen der ausländischen Randeinzugsgebiete im Tessin (Toce), im Jura (Orbe und Doubs) und im Kanton Graubünden (Lago di Lei). Ein Detailvergleich mit den Auswertungen von Hubacher und Schädler folgt im nächsten Abschnitt (Bild 5). Im unteren Teil von Tabelle 1 (links) sind Daten aus weiteren früheren Studien aufgelistet. Im Allgemeinen bestätigen die aktuellen Berechnungen die Werte der früheren Studien sowohl auf nationaler wie auch auf regionaler Ebene (Bernhard und Zappa, 2012). Methodische Unterschiede in der Bestimmung des Niederschlags erklären die deutlichen Unterschiede zwischen Zappa (2002) und der vorliegenden Studie. Schädler und Weingartner (2002a und 2002b) berechneten, bezogen auf die Periode 1961–1990, eine deutlich kleinere negative Speicheränderung (–2 mm pro Jahr) als der nun hier für die Periode 1981–2010 ermittelte Wert (–21 mm pro Jahr). Neben der Intensivierung der Gletscherschmelze (e. g. Farinotti et al., 2011; Stahl et al., 2016) seit den früheren
1980er-Jahren spielen auch hier methodische Unterschiede eine wichtige, aber nicht einfach nachvollziehbare Rolle. Die Ermittlung des «richtigen» Niederschlags in topografisch komplexen Gebirgsregionen war und ist immer noch eine der grössten Herausforderung in Studien dieser Art (Isotta et al., 2014). Es ist darum sehr schwierig zu ermitteln, ob der in Schädler und Weingartner (2002b) höher angesetzte Niederschlag «plausibler» ist als die Abschätzung, welche für die vorliegende Studie verwendet wurde. Auch die Auswirkungen dieser Annahmen auf die Unterschiede der Speicheränderung sind schwierig zu ermitteln. Da alle Methoden entweder die Abflussmessungen direkt verwenden oder anhand der Messungen einen Modellansatz bilanzieren, ist es keine Überraschung, dass von allen Bilanzkomponenten der Abfluss die kleinsten Unterschiede aufweist. Beim neuen Modellansatz ist es auf den ersten Blick seltsam, dass für die Tessiner Einzugsgebiete eine positive Speicheränderung von 4 bis 10 mm pro Jahr bestimmt wird. Weil jedoch die Daten aus täglichen Modellergebnissen eines kontinuierlichen hydrolo-
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gischen Modells stammen, kann aus den erweiterten Modellergebnissen der Grund dafür ermittelt werden. Diese Ergebnisse zeigen, dass im Modell am 31. Dezember 2010 rund 130 mm mehr Schnee als am 1. Januar 1981 gespeichert sind. Dies entspricht einer durchschnittlichen Schneespeicherzunahme von jährlich rund 4.3 mm seit Beginn der Bilanzperiode. Um diese und andere «transitorischen» Speichereffekte (Bodenspeicher, Grundwasserspeicher) zu vermeiden, wird in der Regel für die Bilanzierung das hydrologische Jahr verwendet (1. Oktober bis 30. September des Folgejahres). Es ist aber bemerkenswert, dass solche Effekte auch auf eine so lange Zeitspanne (1981–2010) noch +/- 10 mm pro Jahr betragen können. Je nachdem wie stark der Aufbau der Schneedecke von Oktober bis Dezember gegenüber dem Vorjahr ist, können solche «transitorischen» Speichereffekte von Jahr zu Jahr mehr als +/- 200 mm betragen. 5.
Vergleich mit den HADES-Zeitreihen Bisher wurde aufgezeigt, dass die CCHYDRO-Methode plausible Ergebnisse 207
Tabelle 1. Natürlicher Wasserhaushalt der Schweiz und bedeutender Grosseinzugsgebiete für die Periode 1981–2010 in mm pro Jahr. (P: Niederschlag; R: Abfluss; E: Verdunstung; dS: Speicheränderungen. Die Einzugsgebiete in der linken Tabelle sind eine Auswahl der «klassischen» Gebiete, welche im HADES bilanziert werden (Tafel 6.1, Schädler und Bigler, 1992). Ausserdem sind die Ergebnisse früherer Studien für die politische Schweiz aufgeführt. Die rechte Tabelle zeigt die Ergebnisse für weitere Bilanzgebiete und für die hydrologische Schweiz. im Vergleich zu täglichen Abflussmessungen und zu früheren Studien zur Wasserbilanz der Schweiz liefert. Anders als mit der HADES-Methode von Hubacher und Schädler (2010), mit welcher Abschätzungen des Wasserhaushalts der Schweiz seit 1901 möglich sind, sind die Datengrundlagen für die Anwendung der CCHYDROMethode erst seit der Einführung des automatischen Messnetzes der MeteoSchweiz im Jahr 1981 möglich. In Bild 5 zeigen wir eine Gegenüberstellung beider Ansätze. Die in Bild 5 dargestellten Daten beziehen sich jeweils auf die Bilanz für das hydrologische Jahr (Oktober bis September des Folgejahres), während in Tabelle 1 und Bild 6 die Werte für die (gemittelten) kalendarischen Jahre (Januar bis Dezember) aufgeführt sind. Für die gesamte Schweiz (Bild 5, oben) werden die mit der HADESMethode berechneten Bilanzwerte für die Periode 1901–2016 gezeigt, während die durch die CCHYDRO-Methode ermittelten Werte erst 1981 beginnen. Die Abflussdaten sind mit ganz kleinen Abweichungen nahezu deckungsgleich. Dies bestätigt die Qualität der erzielten Ergebnisse mit dem hydrologischen Modell. Auch der Verlauf der jeweiligen Jahressreihen des Niederschlags ist überaus synchron. Was die absoluten Werte des Niederschlags betrifft (siehe auch Tabelle 1), so sind die HADES-Werte leicht höher als die CCHYDRO-Werte. Das gilt auch für die Zeitreihen der Verdunstung. Die HADES-Daten zeigen eine deutlich ausgeprägte Variabilität der Verdunstungssummen und kaum Variabilität, was die Speicheränderung betrifft. Bei CCHYDRO ist es genau umgekehrt. Bei der HADES-Methode wird 208
angenommen, dass jedes Jahr am 1. Oktober das gespeicherte Wasser in den Böden, im Grundwasser und in Form von Schnee identisch ist wie der Wert ein Jahr zuvor. Laut Sinreich et al. (2012) beträgt der nutzbare Teil des Grundwasserspeichers jährlich ca. 18 km3 Wasser, während höchstens 9 km3 Wasser als Bodenwasser (zwischen-)gespeichert werden können (Jörg-Hess et al. 2014). Umgerechnet auf die Fläche der Schweiz ergibt dies eine Wassersäule von rund 430 mm für das nutzbare Grundwasser und von rund 215 mm für das Bodenwasser. Die Speicheränderung wird aber bei der HADES-Methode nur über die Bilanzierung der grösseren Seen und über eine Abschätzung der Wasserbilanz der Gletscher ermittelt. Diese Vereinfachung führt dazu, dass sich z. B. ein gegenüber dem Vorjahr besonders trockener Boden am 1. Oktober als niedrigere Verdunstungsmenge in der HADES-Bilanz manifestiert. Dasselbe geschieht, wenn Ende September sehr viel Regen fällt und die Böden und die Grundwasserkörper gegenüber dem Vorjahr deutlich nasser sind. Dieser Wasserüberschuss wird nun von der HADES-Methode als zusätzlich verdunstetes Wasser taxiert. Bezogen auf die Zahlen von Jörg-Hess et al. (2014), bedeutet dies, dass wenn der Bodenwassergehalt gegenüber dem Vorjahrwertes um 10 % abweicht, es in der Wasserbilanz einen Betrag von +/– 20 mm gibt, welcher der Speicheränderung zugewiesen werden müsste. Weicht der nutzbare Grundwasserspeicher um 5 % vom Vorjahreswert ab, dann wird mit der HADES-Methode der Verdunstung ebenfalls fälschlicher-
weise +/- 20 mm zugeschrieben. Folglich eignet sich die HADES-Methode hervorragend für lange Bilanzperioden; sie kann aber nur bedingt für die Bereitstellung jährlicher Bilanzsummen empfohlen werden. Die modellbasierte CCHYDROMethode kann eine solche Dynamik der Speicher berücksichtigen. Die (modellierten) Boden- und Grundwasserspeicher werden explizit quantifiziert und können als Speicheränderung in der Jahresbilanz ausgewiesen werden. Die vier weiteren Grafiken in Bild 5 (HADES versus CCHYDRO für weitere Bilanzierungsgebiete und die hydrologischen Jahre seit 1980/1981) vermitteln den Eindruck, dass die CCHYDRO-Methode auch auf regionaler Ebene konsistent mit den HADESErgebnissen ist. Bei der näheren Betrachtung der Daten für den Ticino in Bellinzona ist zu erkennen, dass in den Jahren, in denen CCHYDRO eine positive Speicheränderung aufweist, der HADES-Verdunstungswert auffällig höher ist als der entsprechende CCHYDRO-Wert. Ähnliches ist auch in den Zeitreihen der Thur und der Limmat zu beobachten. Für das Bilanzgebiet der Rhône bis Porte du Scex, in welchem die Speicheränderung stark von Eisschmelze und Wasserkraftnutzung beeinflusst ist, sind die Ergebnisse der beiden Methoden sehr ähnlich. 6.
Regionale Wasserbilanz der Jahre 2013–2015 Aus den verfügbaren Daten kann für die Jahre 1981 bis und mit dem aktuellen Jahr für jeden Monat die Abweichung der Hauptkomponenten des Wasserhaushalts
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
Bild 5. Gegenüberstellung der jährlichen Variabilität der Wasserbilanz, wie sie mit der klassischen HADES-Methode (gestrichelte Linien) und der CCHYDRO-Methode (durchgezogene Linien) ermittelt wurde. Oberste Grafik: Ergebnisse für die politische Schweiz gemäss HADES (1901–2016) und CCHYDRO (1981–2016). Die vier Diagramme unten zeigen den Vergleich zwischen HADES und CCHYDRO für weitere «HADES-Bilanzierungsgebiete» (Periode 1981–2016); P = Niederschlag, E = Verdunstung, R = Abfluss, dS = Speicheränderung. Angaben als Jahressummen in mm. von der Normperiode 1981–2010 ermittelt werden. Da die zugrunde liegenden Daten auf 200 × 200-m-Gitter abgelegt sind, ist der theoretisch mögliche Detaillierungsgrad sehr hoch. Die Anwendbarkeit solcher Gitterdaten, vor allem für die unteren Skalenbereiche, ist jedoch begrenzt (Pfaundler und Zappa, 2006), deshalb sollten auf der Basis dieser Gitterdaten keine punktbezogenen Aussagen gemacht werden. Es ist davon abzuraten, die Daten für Gebiete kleiner als 10 km2 auszuwerten. Es ist aber umso spannender, die Daten auf überregionaler Skala zu analysieren und zu vergleichen. Bild 6 zeigt ein typisches Anwendungsbeispiel der Gitterdaten für drei Jahre (2013–2015) und zwei Variablen (Ab-
fluss und Verdunstung). Zur Veranschaulichung der Aggregierungsmöglichkeiten (vgl. Bild 1 und Bild 3 links) wird in Bild 6 für 2013 die Gliederung gemäss CCHYDRO gezeigt (hydrologische Schweiz), für 2014 die Gliederung nach HADES und für das Jahr 2015 eine regionale Untergliederung der politischen Schweiz. Was den Abfluss betrifft, ist aus den Graphiken zu erkennen, dass 2013 gegenüber der Normperiode leicht mehr Abfluss verzeichnet wurde. Im Jahr 2014 wurde nördlich der Alpen hingegen leicht weniger Abfluss ermittelt als in der Normperiode. Vor allem im Einzugsgebiet der Limmat blieb der Abfluss bei lediglich rund 80 % des Normwertes. Starkniederschläge im Sottoceneri (Ein-
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zugsgebiete der Tresa und des Lago di Lugano) im November und Dezember 2014 führten zu bedeutenden Schäden (Andres et al., 2015) und auch zu stark erhöhten Abflusssummen gegenüber der Normperiode. Das Jahr 2015 wurde von einer aussergewöhnlichen Trockenheit geprägt (BAFU, 2016). Dies widerspiegelt sich in den regionalen Anomalien des Jahresabflusses (überall eher negativ) und, interessanter, in regional stark unterschiedlichen Anomalien in der Verdunstung. In der Birs bleibt der Abfluss bei rund 90 % des Normwertes, während die Verdunstung knapp 85 % der Norm erreicht. Bei Ausbleiben bedeutender Niederschlagsmengen erreicht das Wasserdargebot nicht die po209
tenziell mögliche Verdunstungsmenge. Im Engadin kommt es durch die Trockenheit (und die damit verbundenen hohen Lufttemperaturen und die kurze Dauer der Schneebedeckung) zu aussergewöhnlich hohen Verdunstungsraten (mehr als 30 % höher als der Normwert). Im Engadin ist zudem zu beobachten, dass 2015 der Abfluss leicht über dem Normwert lag (rund +20 %). Wie im Hitzesommer 2003 wurden die ausbleibenden Niederschläge mit stärkerer Gletscherschmelze (über-)kompensiert (Zappa und Kan, 2007).
7. Ausblick In der vorliegenden Studie haben wir aufgezeigt, dass die bisherige HADES-Methode für die Ermittlung jährlicher Wasserbilanzen nur bedingt zu empfehlen ist, weil die Speicheränderung ungenau quantifiziert wird. Mit der hier vorgestellten modellgestützten Methode besteht nun ein modernes Instrument, mit dem mit einer feinen räumlichen und zeitlichen Auflösung effizient Wasserbilanzen von guter Qualität gerechnet werden können. Wie bereits erwähnt, soll in Zukunft jedes Jahr
im Sommer die Wasserbilanz der Schweiz für das Vorjahr publiziert werden. In dieser WEL-Ausgabe präsentieren Liechti et al. (2017) die Wasserbilanz für das Jahr 2016, inklusiv seiner Einordnung und Diskussion einiger regionaler und überregionaler Abweichungen gegenüber den hier erarbeiteten Daten für die Normperiode 1981–2010. Da nun die Wasserbilanz plausibel mit Modellen ermittelt werden kann, eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Weiterverwendungen der Methode für Szenarien und operationelle Produkte. Die Ergebnisse aus
Bild 6. Links: Regionale Abweichung der Jahresabflusssummen gegenüber der regionalen mittleren Jahresabflusssumme der Normperiode (1981–2010). Rechts: Regionale Abweichung der Verdunstung. Oben: Angaben für die «hydrologische Schweiz» und das Jahr 2013. Mitte: Angaben für die HADES-Bilanzgebiete und das Jahr 2014. Unten: Angaben für die «politische Schweiz» und das Jahr 2015. Siehe auch Bild 1 für die Definition der Regionen. 210
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der neuen Methode sind mit jenen von CCHYDRO (BAFU, 2012) konsistent. Demzufolge haben auch die durch CCHYDRO veröffentlichten möglichen Folgen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt der hydrologischen Schweiz und ihrer Grosseinzugsgebiete weiterhin ihre Gültigkeit (siehe auch Speich et al., 2015). Die Methode ist zudem auch identisch mit jener, die Stähli et al. (2011) für die Abschätzung der Folgen des Klimawandels auf die Wasserkraftproduktion (SGHL und CHY, 2011) verwendet haben. Da sich aktuell nicht nur das Klima, sondern auch die Landschaft im Wandel befindet, fokussieren aktuelle Weiterentwicklungen in der hydrologischen Modellierung auf die Integration und Rückkoppelung relevanter Elemente des Landschaftswandels in den hydrologischen Kreislauf. Schattan et al. (2013) zeigten, wie sich z. B. eine Änderung der Biomasse und Artenzusammensetzung in den Wäldern von Tessin und Wallis auf den Wasserkreislauf auswirken dürfte. Dabei war eine interessante Rückkoppelung zwischen Höhenlage, Abflussbildung und Verdunstung zu beobachten. Parallel dazu werden immer genauere und physikalisch besser abgestützte Methoden entwickelt, welche den Rückgang der Gletscher voraussagen können (Huss et al., 2008). Betreffend der gegenwärtigen Wasserhaushaltsbilanzierung dürfte es demnächst möglich sein, operationelle Produkte zu den Schneeressourcen (Jonas, 2012) in die Berechnungen miteinzubeziehen. Jörg-Hess et al. (2015) zeigten für das Einzugsgebiet des Alpenrheins, dass die Berücksichtigung aktueller Schneeinformationen im Modell zu einer kleineren Differenz zwischen vorhergesagtem und gemessenem Abflussvolumen beiträgt. Allgemein sind Vorhersagen von zentraler Bedeutung für eine kurzfristige und langfristige Planung des Managements von Wasserressourcen in der Schweiz. Aktuell wird zunehmend zum Thema der Monatsvorhersagen geforscht (Zappa et al., 2012; Jörg-Hess et al., 2015). Zudem dienen neuerdings Modelle auch der Früherkennung kritischer Trockenheit (Stähli et al., 2013; www.trockenheit.ch). Die Werkzeuge, welche hier für die Bilanzierung des Wasserhaushalts der Schweiz verwendet wurden, können mittelfristig auch für solche Vorhersagen konfiguriert werden. Trotz der grossen Fortschritte, die in den letzten Jahren bei der hydrologischen Modellierung gemacht wurden und in Zukunft weiter zu erwarten sind, darf nicht vergessen werden, dass die Modelle
auf qualitativ hochwertige Messungen des Niederschlags und des Abflusses angewiesen sind. Messwerte werden sowohl für die Eichung als auch für den Betrieb der Modelle benötigt. Es gilt auch hier die einfache Regel: Je besser die Qualität der Daten, die in das Modell einfliessen, desto besser sind die Resultate, die damit erzeugt werden. Es ist deshalb selbstverständlich, dass dem Aspekt Wasserhaushalt bei der Entwicklung von langfristigen Messnetzkonzepten beim Bund und bei den kantonalen Fachstellen eine besondere Bedeutung zukommen muss.
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Danksagung
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«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
Wasserhaushalt der Schweiz im Jahr 2016 Einordnung und Besonderheiten Katharina Liechti, Martin Barben, Massimiliano Zappa
Wasserhaushalt der Schweiz Der Jahresabfluss sowie der Zufluss aus dem Ausland entsprachen 2016, über die ganze Schweiz betrachtet, in etwa den durchschnittlichen Werten der Normperiode (1981–2010). Der milde Spätherbst und das späte Einschneien hatten eine überdurchschnittliche Verdunstung zur Folge. Der leichte Niederschlagsüberschuss reichte nicht aus, um dieses Defizit zu kompensieren. Dies führte zusammen mit der erhöhten Gletscherschmelze zu einer überdurchschnittlichen Abnahme des gespeicherten Wassers. Der unterdurchschnittliche Anteil der Schneeschmelze am Abfluss weist darauf hin, dass 2016 der Niederschlag häufiger als gewöhnlich in Form von Regen fiel (Bild 1). Regionale Unterschiede Während die Verdunstung in der ganzen Schweiz über der Norm lag, betraf der leichte Niederschlagsüberschuss hauptsächlich die nördlichen Landesteile (Bild 2). Dies widerspiegelt sich in den überdurchschnittlichen Jahresabflüssen der Einzugsgebiete Aare, Thur, Birs, Reuss und Limmat (Tabelle 1). Für die Einzugsgebiete auf der Alpensüdseite sowie den Rhein bis Domat/ Ems wurden hingegen unterdurchschnittliche Jahresabflüsse verzeichnet. Hier lag auch der Jahresniederschlag leicht unter, bzw. die Verdunstung leicht über der Norm (Bild 2). Im Wallis schwächte der massive Speicherverlust durch die Eisschmelze das Jahresabflussdefizit ab. Die Einzugsgebiete im Tessin weisen 2016 eine positive Speicheränderung gegenüber 2015 auf, obwohl weniger Niederschlag, mehr Verdunstung und weniger Abfluss verzeichnet wurden (Bild 2). Dies kann durch die Schneereserven erklärt werden, welche Ende 2016 grösser waren als Ende 2015. Besonderheiten 2016 Im Mai machten sich der überdurchschnitt-
Bild 1. Kennzahlen (mm pro Jahr) für den Wasserhaushalt der Schweiz für das Kalenderjahr 2016 und kursiv in Klammern für die Normperiode 1981–2010. Abgebildet sind die politische (grau) und die hydrologische (hellgrau) Schweiz.
Tabelle 1. Natürlicher Wasserhaushalt der ganzen Schweiz und bedeutender Grosseinzugsgebiete für 2016 und die Normperiode 1981–2010 (mm pro Jahr). P: Niederschlag; R: Abfluss; E: Verdunstung; dS: Speicheränderungen. Siehe auch Zappa et al. (2017). liche Niederschlag im Norden und die geringe Schneeschmelze in den Bergen in den Abflusssummen bemerkbar. In den Regionen, welche stark vom Schneemangel betroffen waren und in welchen daher
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ein Grossteil des Wassers aus der Schneeschmelze ausblieb, lagen im Frühling die Abflüsse unter dem langjährigen Durchschnitt. Dies ist vor allem auf der Alpensüdseite, im Wallis und im Bündnerland klar 213
Bild 2. Wasserbilanzkomponenten der Grosseinzugsgebiete. Prozentuale Abweichungen 2016 gegenüber der Normperiode 1981–2010 für den mittleren Niederschlag (o.l.), die mittlere Verdunstung (o.r.) und den mittleren Abfluss (u.l.) sowie die absolute Speicheränderung 2016 gegenüber 2015 in mm (u.r.). im Dezember dahingerafft und trug als Schneeschmelze zum im Dezember normalerweise sehr geringen Abfluss bei. Es ist allerdings zu beachten, dass bei den geringen Abflussmengen, welche im Engadin zu dieser Jahreszeit erwartet werden, schon eine geringe absolute Abweichung gegenüber der Norm zu einer grossen prozentualen Abweichung führt.
Literatur Zappa, M., Liechti, K., Barben, M. (2017). Wasserhaushalt der Schweiz 2.0 – Eine validierte, modellgestützte Methode für die Bilanzierung der Wasserressourcen der Schweiz. «Wasser Energie Luft», Heft 3/2017: S. 203–212.
Anschrift der Verfasser:
Bild 3. Prozentuale Abweichung gegenüber der Normperiode für den Abfluss im Mai 2016 (o.l.), den Abfluss im Dezember 2016 (o.r.) und die Verdunstung im Dezember 2016 (u.l.).
Dr. Katharina Liechti, Dr. Massimiliano Zappa Eidg. Forschungsanstalt WSL Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf kaethi.liechti@wsl.ch
zu sehen. Aare, Reuss und Limmat erstrecken sich über mehrere Höhenstufen mit unterschiedlichen Abflussregimes, womit sich die Einflüsse von Schneemangel und Niederschlagsüberschüssen vermischen (Bild 3, o.l.). Der Dezember 2016 war ein äusserst trockener Monat mit praktisch keinen Niederschlägen. Dies hatte zur Folge, dass in grossen Teilen der Schweiz die 214
Fliessgewässer Niedrigwasser führten (Bild 3, o.r.). Die schweizweite Variabilität in der Verdunstung war jedoch gross (Bild 3, u.l.). In den Bergen fehlte die Schneedecke bis Ende Jahr, was die Verdunstung begünstigte. Im Engadin fällt im Dezember der überdurchschnittliche Abfluss auf. Der Schnee welcher im November 2016 fiel, wurde von den milden Verhältnissen
Dr. Martin Barben Bundesamt für Umwelt, Abteilung Hydrologie CH-3003 Bern-Ittigen
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Nachrichten Informationen aus der Wasser- und Energiewirtschaft
P ol iti k Politi Laufende Vernehmlassung zur Wasserzinsregelung Der Bundesrat hat Ende Juni 2017 die Vernehmlassung zur Revision des Wasserrechtsgesetzes eröffnet. Er schlägt darin als Übergangsregelung für die Jahre 2020 bis 2022 eine Senkung des Wasserzinsmaximums vor. Ab 2023 soll die Übergangsregelung durch ein flexibles Modell abgelöst werden, bei dem das Wasserzinsmaximum aus einem fixen und einem vom Marktpreis abhängigen, variablen Teil festgelegt wird. Bei der Einführung des Wasserzinsmaximums auf Bundesebene per 1. Januar 1918 (Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte vom 22. Dezember 1916, Wasserrechtsgesetz) betrug dieses 8.16 Franken pro Kilowatt Bruttoleistung (kWbr). Durch verschiedene Revisionen des Wasserrechtsgesetzes wurde das Wasserzinsmaximum seither stetig erhöht und liegt seit 2015 bei 110 Franken/ kWbr. Diese Regelung ist bis Ende 2019 befristet. Das Wasserrechtsgesetz beauftragt den Bundesrat, der Bundesversammlung rechtzeitig einen Erlassentwurf für die Festlegung der Maximalhöhe des Wasserzinses für die Zeit nach dem 1. Januar 2020 zu unterbreiten. Weiter beauftragte die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats (UREK-N) den Bundesrat mit der am 26. August 2014 eingereichten Motion 14.3668 «Wasserzinsregelung nach 2019», in Zusammenarbeit mit den Kantonen, der Energiewirtschaft und weiteren interessierten Kreisen die Wasserzinsregelung nach 2019 unter Berücksichtigung der konkreten Lage der Wasserkraftwerke und der Förderungsmechanismen der Energiestrategie 2050 zügig an die Hand zu nehmen. Mit der gestarteten Vernehmlassung kommt der Bundesrat diesen Aufträgen nach. Er tut dies im Kontext des schwierigen Marktumfelds mit tiefen Strompreisen, die Teile der Schweizer Strombranche derzeit stark unter Druck setzen.
Eckpunkte der Vernehmlassungsvorlage zum neuen Wasserzinsmaximum Das Wasserzinsmaximum wird, befristet bis 2022, auf 80 Fr./kWbr. gesenkt. Die Einnahmen der wasserzinsberechtigten Gemeinwesen aus dem Wasserzins sinken damit von heute 550 auf rund 400 Millionen Franken pro Jahr, wodurch die Schweizer Wasserkraft um rund 150 Millionen Franken pro Jahr entlastet wird. Für die Zeit nach 2022 schlägt der Bundesrat eine Flexibilisierung des Wasserzinsmaximums vor. Neu soll dieses aus einem fixen und einem variablen, marktabhängigen Teil bestehen. Angesichts der im neuen Energiegesetz vorgesehenen Entlastungsmassnahmen für Grosswasserkraftwerke und des noch unbekannten neuen Marktdesigns, sollen die Flexibilisierung des Wasserzinses und seine genaue Ausgestaltung erst später, parallel zu den Arbeiten für ein neues Marktmodell, in einer separaten Vorlage beschlossen werden. In der Vernehmlassung wird deshalb nur das grundsätzliche Prinzip des flexiblen Systems zur Diskussion gestellt: • Fixer Teil: Unabhängig vom Marktumfeld, muss der Betreiber eines Wasserkraftwerks dem wasserzinsberechtigten Gemeinwesen einen Sockelbeitrag, beispielsweise maximal 50 Franken/kWbr, bezahlen. • Variabler Teil: Dieser setzt ein, sobald der Referenzmarktpreis für Strom aus Schweizer Wasserkraft eine bestimmte Schwelle erreicht, beispielsweise 45 Franken/MWh. Ab dieser Schwelle steigt er in Abhängigkeit des Referenzmarktpreises linear an. Pro 1 Franken/ MWh Preisanstieg steigt der variable Teil um 2 Franken/kWbr. Die Berechnungsmethodik des Referenzmarktpreises soll vom Bundesrat festgelegt werden. Da sich das Wasserzinsmaximum abhängig vom Referenzmarktpreis entwickelt, würden die Einnahmen der wasserzinsberechtigten Gemeinwesen in Zukunft stärker schwanken. Zudem sieht die Vorlage auch vor, dass Wasserkraftwerke, die Investitionsbeiträge gemäss dem neuen Energiegesetz erhalten, für 10 Jahre vom Wasserzins befreit werden. (UVEK)
«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
Position SWV zur WRG-Revision Der SWV befasst sich seit einiger Zeit mit einer fairen, zukunftsfähigen Wasserzinsregelung und hat entsprechende Erkenntnisse in den vergangenen Monaten unter anderem in «Wasser Energie Luft» publiziert (vgl. Ausgaben 3-2016 und 1-2017). Die mit der WRG-Revision nun vorliegenden bundesrätlichen Vorschläge hat der SWV in Arbeitsgruppen eingehend analysiert und eine Stellungnahme erarbeitet. Die wichtigsten Einschätzungen können wie folgt zusammengefasst werden: 1. Mit der vorliegenden WRG-Revision anerkennt auch der Bundesrat den grundsätzlichen Reformbedarf bei den Wasserzinsen und die notwendige Entlastung der Wasserkraftproduzenten. Das im erläuternden Bericht skizzierte flexible Modell mit einem fixen und einem marktpreisabhängigen Teil geht für den SWV in die richtige Richtung. Allerdings ist dieses Modell leider gar nicht Teil der aktuellen WRG-Revision; stattdessen werden die Wasserkraftproduzenten mit einer unzureichenden Übergangslösung und der Aussicht auf eine allfällige künftige Flexibilisierung ab 2023 für weitere Jahre vertröstet. 2. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Übergangslösung ab 2020 sieht zwar eine Verringerung der finanziellen Belastung der Wasserkraftproduktion vor, negiert aber die veränderten Rahmenbedingungen im Strommarkt und unterschätzt die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, mit denen sich die Wasserkraftproduzenten bereits heute konfrontiert sehen. Anders als vom Bundesrat erläutert, wird der Wasserzins mit dieser Lösung gerade nicht an die veränderten Verhältnisse angepasst und schreibt den grundlegenden Systemfehler fort. Eine fixe Abgabe, die als Übergangslösung Kosten von rund 400 Millionen CHF jährlich vorsieht, ist für die Wasserkraftproduzenten ein Kostenfaktor,
215
Nachrichten
faktor, der im neuen Umfeld und bei der gegenwärtigen Ertragslage nicht finanzierbar ist. 3. Eine faire, zukunftsfähige Wasserzinsregelung berücksichtigt die verschiedenen berechtigten Ansprüche. Sie muss einerseits für die Standortkantone und -gemeinden tragbar sein, und sie muss andererseits die wirtschaftliche Ausnutzung der Wasserkraft als energiepolitischer Trumpf der Schweiz auch in Tiefpreisphasen ermöglichen. Diesen Ansprüchen wird nur eine Flexibilisierung der Wasserzinse gerecht. Der SWV beantragt deshalb, dass bereits ab 2020 ein flexibler, marktpreisabhängiger Wasserzins eingeführt wird. Dabei soll sich die Abgabe zusammensetzen aus einem fixen, durch die Allgemeinheit zu finanzierenden Teil und einem variablen, marktpreisabhängigen Teil, der durch die Kraftwerksbetreiber zu bezahlen ist. Die Vernehmlassungsfrist läuft noch bis zum 13. Oktober 2017. Die vollständige Stellungnahme des SWV kann von der Webseite www.swv.ch > Porträt > Dokumentation heruntergeladen werden. (SWV/Pfa)
Beratungen UREK-N zur Wasserkraft Die Energiekommission des Nationalrats will mehr Transparenz und eine bessere Gesamtsicht auf die wirtschaftliche Situation der Wasserkraft erhalten, bevor sie sich definitiv zur Frage einer zusätzlichen finanziellen Unterstützung äussert. Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) des Nationalrats hat sich erneut mit ihrem Modell zur Unterstützung der Wasserkraft beschäftigt, das vom Nationalrat im Rahmen der Debatte zur «Stromnetzstrategie» an die Kommission zurückgewiesen wurde (16.035; neue Vorlage 2). Entsprechend dem Auftrag des Rats, zu diesen Unterstützungsmassnahmen weitere Abklärungen einzuholen, hat die Kommission die Eidgenössische Elektrizitätskommission, ElCom, angehört und sich erneut mit der wirtschaftlichen Situation der Wasserkraft auseinandergesetzt. Weitere Abklärungen zur wirtschaftlichen Situation Insgesamt ist die Kommission zur Überzeugung gelangt, dass eine sofortige zusätzliche Unterstützung der Wasserkraft nur zu rechtfertigen ist, wenn mehr Klarheit über das Ausmass der wirtschaftlichen Prob216
leme herrscht. Dies auch angesichts der Tatsache, dass das Volk am 21. Mai 2017 mit der Annahme des Energiegesetzes der Marktprämie zugestimmt hat, mit der Betreiber von Grosswasserkraftanlagen, die ihren Strom unter den Gestehungskosten verkaufen müssen, mit jährlich rund 120 Mio. Franken unterstützt werden. Zudem wurde letzte Woche vom Bundesrat die Vernehmlassungsvorlage zur Revision des Wasserrechtsgesetzes präsentiert, in der eine Senkung des Wasserzinsmaximums um 30 Fr. auf 80 Fr./kWbr vorgeschlagen wird. Auch dies würde für die Wasserkraft insgesamt eine Entlastung um rund 150 Millionen Franken pro Jahr bedeuten. Um mehr Transparenz und eine bessere Gesamtsicht auf die wirtschaftliche Situation der Wasserkraft zu erhalten, wird die Kommission weitere Abklärungen machen und sich im August erneut mit der Vorlage befassen. Kommission spricht sich für den «Ist-Zustand» bei UVP aus Ausserdem hat die Kommission mit 15 zu 7 Stimmen bei 3 Enthaltungen beschlossen, der Pa.Iv. 16.452 von Nationalrat Rösti Folge zu geben. Die Parlamentarische Initiative möchte sicherstellen, dass bei anstehenden Neukonzessionierungen von Wasserkraftwerken die erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vom Ist-Zustand und nicht vom ursprünglichen Zustand vor Bestehen des Kraftwerks ausgeht. Die Kommission hat am 26. und 27. Juni 2017 unter dem Vorsitz von Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (CVP, SO) und teils in Anwesenheit von Bundespräsidentin Doris Leuthard in Bern getagt. (Parlamentsdienst)
Beratungen UREK-S zur Wasserkraft Die Energiekommission des Ständerates hat die Differenzbereinigung zur Stromnetzstrategie begonnen. Darüber hinaus schliesst sie sich der UREK-N an und beschliesst, der Pa. IV Rösti 16.452 Folge zu geben. Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) des Ständerates hat die Differnzbereinigung zur Stormnetzstrategie begonnen. Sie stimmt bei zahlreichen Bestimmungen dem Nationalrat zu und bringt in der Vorlage Präzisierungen an. Auch UREK-S für den «Ist-Zustand» bei UVP An gleicher Sitzung hat sich die Kommission mit 5 zu 4 Stimmen dem Entscheid der UREK-N angeschlossen, der Pa. Iv. Rösti 16.452 Folge zu geben. Die Parlamentarische Initiative möchte sicherstellen, dass bei
anstehenden Neukonzessionierungen von Wasserkraftwerken die erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vom IstZustand und nicht vom ursprünglichen Zustand vor Bestehen des Kraftwerks ausgeht. Die Kommission hat am 17. und 18. August 2017 unter dem Vorsitz von Ständerat Werner Luginbühl (BD/BE) in Bern getagt. (Parlamentsdienst)
Ene E ne r g iewi i ewi r ts t s c haf t Energieverbrauch 2016 um 1.9 % gestiegen Der Endenergieverbrauch der Schweiz ist 2016 gegenüber dem Vorjahr um 1.9 % auf 854 300 Terajoule (TJ) gestiegen. Ein wichtiger Grund dafür ist die im Vergleich zum Vorjahr kühlere Witterung. Zum Verbrauchsanstieg trugen aber auch die positive Wirtschaftsentwicklung und das anhaltende Bevölkerungswachstum bei. Der Anstieg des Endenergieverbrauchs um 1.9 % gegenüber dem Vorjahr ist in erster Linie auf die etwas kühlere Witterung im Jahr 2016 zurückzuführen. Die Anzahl Heizgradtage, ein wichtiger Indikator für den Energieverbrauch zu Heizzwecken, nahm gegenüber dem Vorjahr um 6.7 % zu. Zum höheren Energieverbrauch haben auch die langfristigen Treiber wie die ständige Wohnbevölkerung (+1.1 %), das Bruttoinlandprodukt (+1.3 %), der Motorfahrzeugbestand (+1.6 %) und der Wohnungs-bestand (Zuwachs, es liegen jedoch noch keine detaillierten Zahlen vor) beigetragen. Während der Zuwachs der langfristigen Treiber den Energieverbrauch erhöht, wirken Effizienzsteigerungen und Substitutionseffekte tendenziell dämpfend auf das Wachstum des Energieverbrauchs. Zu den Bestimmungsfaktoren der Energieverbrauchsentwicklung werden die jährlichen Ex-Post-Analysen des Energieverbrauchs weitere Aufschlüsse liefern können (Publikation im Oktober 2017). Verbrauchsanstieg von Energieträgern zu Heizzwecken Der Verbrauch von Heizöl extraleicht stieg um 2.4 % an, derjenige von Erdgas um 3.8 %. Der Elektrizitätsverbrauch blieb unverändert und lag auf dem Vorjahresniveau. Diese drei Energieträger machen mehr als die Hälfte des Endenergieverbrauchs aus (2016: 53.8 %). Die energetische Verwendung von Industrieabfällen hat um 5.9 % zugenommen (Anteil am Endenergieverbrauch 2016: 1.3 %). Abgenommen hat der Verbrauch von Kohle (–8.1 %) und den schweren Heizölsorten (–52.0 %), zugenommen jener von Petrolkoks (+122.5 %). Der Anteil
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Entwicklung des Endenergieverbrauchs der Schweiz 1910 bis 2016. dieser drei Energieträger am gesamten Endenergieverbrauch ist gering (<1 %). Treibstoffverbrauch leicht gestiegen Der Treibstoffverbrauch insgesamt hat erstmals seit drei Jahren gegenüber dem Vorjahr wieder leicht zugenommen (+0.4 %). Der Trend zur Substitution von Benzin durch Dieseltreibstoff setzte sich ungebrochen fort: Der Absatz von Dieselöl erhöhte sich um 1.1 %, der Benzinverbrauch ging um 3.1 % zurück. Der Absatz von Flugtreibstoffen stieg um 4.7 %. Die fossilen Treibstoffe machen gut ein Drittel (34.2 %) am gesamten Endenergieverbrauch aus. Verbrauchsanstieg auch bei den erneuerbaren Energien Die kühlere Witterung wirkte sich auch auf den Verbrauch der erneuerbaren Energieträger zu Heizzwecken aus. Der Verbrauch von Energieholz stieg um 7.6 %. Auch die Nutzung von Umgebungswärme mit Wärmepumpen lag 10.6 % über dem Vorjahreswert, ebenso der Verbrauch von Fern-wärme (+6.2 %) und Solarwärme (+3.8 %). Der Anteil dieser Energieträger am gesamten Endenergieverbrauch 2016 betrug 9.1 % (Energieholz: 4.6 %, Umgebungswärme: 1.9 %, Fernwärme: 2.3 %, Solarwärme: 0.3 %). Die direkte Nutzung von Biogas blieb konstant. Unter Berücksichtigung des ins Erdgasnetz eingespeisten Biogases (das statistisch unter Gas verbucht wird), ergibt sich ein Anstieg des Biogasverbrauchs um 5.8 %. Am gesamten Gasverbrauch machte das eingespeiste Biogas 2016 0.9 % aus. Der Verbrauch der biogenen Treibstoffe nahm gegenüber dem Vorjahr wiederum deutlich zu (+72.0 %) und hat sich somit innerhalb der letzten drei Jahre insgesamt versiebenfacht. Der Anteil der biogenen Treibstoffe am gesamten Absatz von Benzin und Diesel lag
2016 bei 1.6 % (2015: 0.9 %). Neben der Befreiung der biogenen Treibstoffe von der Mineralölsteuer wirkt sich auch deren Anrechnung als CO2-Kompensationsmassnahme verbrauchssteigernd aus. Die Schweizerische Gesamtenergiestatistik 2016 ist auf der Webseite des BFE in digitaler und in gedruckter Form erhältlich. (BFE)
Die Hälfte des Stroms aus Schweizer Steckdosen stammt aus Grosswasserkraft Gemäss den vom Bundesamt für Energie (BFE) erhobenen Daten zum Schweizer Strom-Liefermix stammte der Strom aus
Herkunft des Stroms in Schweizer Steckdosen 2005–2015 (Quelle: BFE).
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217
Nachrichten
Schweizer Steckdosen im Berichtsjahr 2015 zu 58 % aus erneuerbaren Energien: zu 53 % aus Grosswasserkraft und zu rund 5 % aus Photovoltaik, Wind, Kleinwasserkraft und Biomasse. 21 % stammen aus Kernenergie und knapp 2 % aus Abfällen und fossilen Energieträgern. Zu beachten ist, dass für 19 % des gelieferten Stroms Herkunft und Zusammensetzung nicht überprüfbar sind. Die Daten zum Schweizer Strom-Liefermix (Strommix ab Steckdose, siehe Kasten) werden jährlich erhoben und auf www. stromkennzeichnung.ch im Stromkennzeichnungs-Cockpit veröffentlicht. Die publizierten Daten geben Aufschluss über die Stromlieferung 2015. Dabei zeigt sich folgendes Bild: • 53.4 % des im Jahr 2015 gelieferten Stroms wurden in Grosswasserkraftwerken produziert (2014: 49.5 %). Die gelieferte Wasserkraft wurde zu 88.8 % (2014: 87.6 %) in der Schweiz produziert. • 20.7 % (2014: 26.0 %) des gelieferten Stroms wurden in Kernkraftwerken produziert. Dies ist tiefer als der Anteil der Kernenergie am Schweizer Produktionsmix (34 %). Die gelieferte Kernenergie stammt zu 88.2 % aus der Schweiz. • 19.4 % (2014: 18.1 %) des gelieferten Stroms stammten aus nicht überprüfbaren Energieträgern. Dieser relativ hohe Anteil ist darauf zurückzuführen, dass auf dem europäischen Markt vermehrt Strom aus fossilen und nuklearen Quellen beschafft wird, ohne Zu-
Nachrichten
kauf von entsprechenden Herkunftsnachweisen. Gegenüber dem Vorjahr hat sich der Anteil nicht überprüfbarer Energieträger leicht erhöht. • Der Anteil neuer erneuerbarer Energieträger (Sonne, Wind, Biomasse und Kleinwasserkraft) am Liefermix nimmt stetig zu, von 4.7 % (2014) auf 4.9 % im Jahr 2015. Davon wurden 94 % in der Schweiz produziert und knapp drei Viertel durch die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) gefördert. • In geringen Mengen stammte der 2015 gelieferte Strom aus Abfällen (1 %) und fossilen Energieträgern (0.6 %). Um die Transparenz für die Kundinnen und Kunden zu erhöhen und die Qualität der Stromkennzeichnung sicherzustellen, hat der Bundesrat bereits verschiedene Massnahmen umgesetzt. Seit 2013 müssen – mit Ausnahme von Kleinstanlagen – alle Kraftwerke im Herkunftsnachweissystem registriert sein, welches von der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid geführt wird. Zudem verlangt die Energieverordnung von den Lieferanten, dass sie alle vorhandenen Herkunftsnachweise für die Stromkennzeichnung einsetzen und einen Anteil der «nicht überprüfbaren Energieträger» von über 20 % gegenüber ihren Kundinnen und Kunden erklären. Der Bundesrat hat zudem Anfang 2016 im Bericht «Stromkennzeichnung: Vollständige Deklarationspflicht mit Herkunftsnachweisen» aufgezeigt, wie die nicht überprüfbaren Energieträger (Graustrom) vollständig eliminiert werden könnten. Auf Grundlage dieses Berichts wurde die Volldeklaration im Vorschlag vom 1. Februar 2017 zur Revision der Energieverordnung aufgenommen. Produktionsmix ist nicht gleich Liefermix In der Schweiz wird Strom zu rund 60 % aus Wasserkraft, zu 34 % aus Kernkraft, zu gut 2% aus fossilen und 4 % aus erneuerbaren Energien produziert (= Schweizer Produktionsmix). An die Schweizer Steckdosen wird aber nicht nur Strom aus Schweizer Produktion geliefert: Es herrscht ein reger Handel mit dem Ausland, bei dem Strom exportiert und importiert wird. Deshalb stimmt der Schweizer Produktionsmix nicht mit der durchschnittlichen Zusammensetzung des gelieferten Stroms (= Schweizer Liefermix) überein. Um über den Liefermix jedes Stromversorgers Transparenz zu schaffen und den Konsumenten so einen infor mierten Entscheid für ein bestimmtes
Stromprodukt zu ermöglichen, sind die schweizerischen Stromversorgungs unternehmen seit 2005 gesetzlich verpflichtet, Herkunft und Zusammensetzung des gelieferten Stroms offenzulegen. Die Deklaration erfolgt jeweilsrückwirkend, basierend auf den Daten des vorangegangenen Kalenderjahres. Seit 2006 müssen diese Zahlen allen Kundinnen und Kunden mit den Stromrechnungen bekanntgegeben werden. Seit 2013 werden die Daten zusätzlich auf der Internetplattform www.stromkennzeichnung.ch veröffentlicht. (BFE)
Was s e r kr af tnut zung Halbzeit beim Neubau des Gemeinschaftskraftwerk Inn Mit dem Gemeinschaftskraftwerk Inn (GKI) entsteht im Grenzgebiet SchweizÖsterreich das seit vielen Jahren grösste
neu gebaute Laufwasserkraftwerk im Alpenraum. Dieses erstreckt sich grösstenteils unterirdisch von Martina auf dem Schweizer Gemeindegebiet Valsot über sieben Gemeinden des Oberen Inntals in Tirol. Das neue Grosswasserkraftwerk wird seit knapp drei Jahren auf mehreren Baustellen realisiert und soll dereinst rund 400 Gigawattstunden Strom liefern, was umgerechnet dem Jahresbedarf von rund 90 000 Haushaltungen entspricht. Bis zur geplanten Inbetriebnahme im Jahre 2020 wird mit Investitionen von insgesamt Euro 535 Mio. gerechnet. Die Stauanlage am Inn, mit einem 15 Meter hohen Wehr, entsteht in Ovella unterhalb des Dorfes Martina. Insbesondere sind die geologischen Gegebenheiten bei dieser Wehrbaustelle deutlich anspruchsvoller als erwartet. Die Errichtung der grossen eindrücklichen Baugruben mit bis zu 45 Meter langen Bohrpfählen und aufwendigen Verankerungen dauert länger und ist mit deutlich höheren Kosten verbunden als ursprünglich erwartet.
Übersichtsplan zum GKI im Grenzgebiet Schweiz-Österreich (Quelle: GKI).
Darstellung des künftigen Wehrs für die Triebwasserfassung (Quelle: GKI). 218
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Wehrbaustelle im August 2017 (Foto: SWV/Pfa).
Kennzahlen des GKI Leistung: 89 MW Jahreserzeugung: ca. 414 GWh Ausbaudurchfluss: max. 75 m3/s FlächeWassereinzugsgebiet:1.960km2 Länge Druckstollen: 23.2 km Durchmesser Druckstollen: 5.8 m Fallhöhe brutto: 160.7 m Investitionsvolumen: rund 535 Mio. Euro Investoren: 14 % EKW, 76 % TIWAG, 10 % VERBUND • Bauzeit: 2014–2020 • • • • • • • • •
Weitere Informationen finden sich auf der Webseite des Projekts: www.gemeinschaftskraftwerk-inn.com (GKI / SWV)
Umwelt-/L ands c haf ts s c hu hutt z
Auf der Tunnelbohrmaschine in Richtung Wehranlage (Foto: SWV/Pfa).
Montagearbeiten an der Maschine 2, noch ohne Rotor (Foto: SWV/Pfa).
Das beim Wehr gefasste Wasser wird in einem über 23 Kilometer langen Druckstollen zu den Turbinen im Kraftwerk Prutz geführt. Ausgehend von Maria Stein fressen sich gleichzeitig zwei Tunnelbohrmaschinen, getauft auf die Namen «Magliadrun» und «Zauberbohrer» rund 13 Ki-
lometer durch den Berg in Richtung Wehranlage bzw. rund 9 Kilometer in Richtung Kraftwerkszentrale. Aktuell sind die beiden Maschinen mit einem guten Vortrieb von rund 20 Meter pro Tag unterwegs. In der Kraftwerkszentrale in Prutz, die im Rohbau bereits seit Frühling fertiggestellt
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Restwasser: Drei Viertel der Wasserfassungen sind saniert Das eidgenössische Gewässerschutzgesetz verlangt die Sanierung von Restwasserstrecken unterhalb von Wasserentnahmen, die vor 1992 bewilligt wurden, soweit dies wirtschaftlich tragbar ist. Gemäss Bundesamt für Umwelt (BAFU) sind per Ende 2016 und damit vier Jahre nach Ablauf der gesetzlichen Frist von den rund 1000 sanierungspflichtigen Entnahmen bei Wasserkraftanlagen rund 750 Entnahmen bzw. drei Viertel aller notwendigen Sanierungen umgesetzt Der Bund strebt an, dass die Sanierungen der noch nicht abgeschlossenen rund 250 Fälle möglichst bis Ende 2018 umgesetzt werden. Ausreichendes Restwasser unterhalb 219
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ist, erzeugen dereinst zwei Maschinensätze, bestehend aus je einer Francisturbine und einem Generator, umweltfreundlichen Strom für mehr als 90 000 Haushaltungen. Aktuell laufen die Montagearbeiten für die beiden Maschinen. Mit über 127 Tonnen ist der Rotor das schwerste Bauteil und somit auch ein massgebender Faktor für die Auslegung der Nutzlast von 140 Tonnen des in der Kraftwerkszentrale befindlichen Hallenkrans. Die Anlieferung des über 6 Meter langen und 3.7 Meter breiten Rotors an die Baustelle erfolgte bereits im Mai mit einem Tieflader. Die drei Gesellschafter der GKI GmbH, die Engadiner Kraftwerke (14 %) aus der Schweiz sowie die TIWAG (76 %) und der Verbund (10 %) aus Österreich, sind zuversichtlich, dass die Bauarbeiten planmässig weitergeführt und das Kraftwerk im Jahre 2020 in Betrieb genommen werden kann.
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Natur gefahr e n
Überblick zum Stand der Restwassersanierungen per Ende 2016 in % der sanierungspflichtigen Fälle; die Zahl in Klammern zeigt die ausstehenden Sanierungen pro Kanton (Quelle: BAFU). Sanierung im wirtschaftlich tragbaren Rahmen Seit 1992 müssen unterhalb von Wasserentnahmen, insbesondere zur Nutzung der Wasserkraft, ausreichend Restwassermengen im Gewässerbett belassen werden. Für ältere Entnahmen, die vor 1992 bewilligt worden sind, gilt diese Bestimmung erst, wenn die entsprechende Konzession erneuert wird. In der Zwischenzeit müssen die bestehenden Restwasserstrecken saniert werden, soweit dies wirtschaftlich tragbar ist. Welche Restwassermenge angemessen ist, bestimmen die Kantone für jedes Gewässer und jeden Entnahmeort einzeln. In einer wirtschaftlichen Beurteilung klären sie ab, wie eine Sanierung die Produktion beeinflusst und wie sie sich auf die Kosten und den Ertrag auswirkt. Die Frist für den Abschluss der Restwassersanierungen wurde im Gewässerschutzgesetz auf Ende 2012 festgesetzt. Für den Vollzug der Sanierungen sind die Kantone zuständig. Sie erfüllen diese Aufgabe auf eigene Kosten. Gemäss Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG) beteiligt sich der Bund an den Kosten für weitergehende Sanierungsmassnahmen in inventarisierten Landschaften und Biotopen.
von Wasserentnahmen durch Wasserkraftwerke ist nötig, um die vielfältigen, natürlichen Funktionen der Gewässer zu gewährleisten, sei es als Lebensraum für Tiere und Pflanzen, als Landschaftselement oder zur Speisung von Grundwasser. Vier Jahre nach Ablauf der gesetzlichen Frist (siehe Kasten) sind drei Viertel der insgesamt rund 1000 sanierungspflichtigen Fassungen von Wasserkraftwerken saniert. Es stehen aber noch rund 250 notwendige Sanierungen aus. Dies geht aus einer weiteren Umfrage des BAFU bei den
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Kantonen hervor, die für die Umsetzung des Gewässerschutzgesetzes zuständig sind. Von den insgesamt 248 noch ausstehenden Sanierungen entfällt ein gutes Drittel auf den Kanton Wallis und ein Viertel auf den Kanton Graubünden, die beiden Kantone, die auch über die grösste Anzahl Wasserkraftanlagen verfügen. Der Bund fordert die zuständigen Behörden auf, die Sanierungen möglichst rasch abzuschliessen. (BAFU)
Dossier: Satellitenüberwachung der Rutschung Moosfluh am Aletschgletscher Die Überwachung von Rutschungen hilft, die Bevölkerung frühzeitig zu warnen und sich vor dieser Gefahr zu schützen. Ein auf der Webseite des Bundes publiziertes Dossier zeigt, wie das Bundesamt für Umwelt (BAFU) moderne Methoden anwendet: Mit Satellitenradardaten konnten die Bewegungen im Aletschgebiet/ Mossfluh im Kanton Wallis frühzeitig erfasst werden. Unter anderem sperrten die Behörden gefährdete Wanderwege und errichteten neue. Bei der Zunge des Grossen Aletschgletschers befindet sich die Rutschung Moosfluh. Die Bergflanke wurde instabil, weil das Gletschereis schmilzt. Angesichts der Klimaerwärmung ist der Rückgang des Gletschers nicht mehr aufzuhalten. Die Rutschung erstreckt sich über eine Fläche von zwei Quadratkilometern, was rund 250 Fussballfeldern entspricht. Das instabile kristalline Gestein besteht aus Gneisen und Graniten, die zum Aarmassiv gehören. Alle schnell und langsam rutschenden Gesteinsmassen zusammen umfassen ein Volumen von mindestens 150 Millionen Kubikmeter. Das entspricht rund 190 000 Einfamilienhäusern. Gletscherrückgang Im Jahr 1880 begann man mit den Messungen am Grossen Aletschgletscher. Damals war der Grosse Aletschgletscher rund drei Kilometer länger als heute. Durch die Schmelze wird er nicht nur kürzer, sondern er verliert auch an Höhe und Masse. So hat der Grosse Aletschgletscher seit 1880 bei der Zunge circa 400 Meter an Eismächtigkeit verloren. Dieses Gletschereis wirkte stabilisierend und übte einen Druck von 35 Bar auf den Hangfuss aus. Durch den Gletscherrückgang fehlt nun dieser Druck. Das hat bei der Moosfluh eine schnelle Rutschbewegung ausgelöst. Glaziologen messen den Rückgang des Aletschgletschers und dokumentieren ihn. Das jährliche Ausmass der Längenänderungen variiert, meistens verkürzt sich der Gletscher um 20 bis 50 Meter pro Jahr. (Quellen: Gletschermonitoring Schweiz GLAMOS, VAW ETHZ, Luftbildarchiv swisstopo). Frühwarnsystem und Satellitenaufnahmen Frühwarnsysteme und Überwachungsdaten dienen der rechtzeitigen Erkennung von gefährlichen Rutsch- und Felssturz-
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Karte der Rutschung Moosfluh mit Darstellung der Rutschgeschwindigkeiten im Bereich von 0 bis mehr als 100 cm pro Jahr (gemäss INSAR BAFU).
Neu entwickeltes GPS-Messgerät der ETHZ, Institut für Geodäsie und Fotogrammetrie IGP (Quelle: BAFU).
Sicht auf die Krete von Moosfluh (Quelle: BAFU).
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GPS-Messungen auf der Rutschung Moosfluh seit 1. Mai 2015. Im Jahr 2015 war die Geschwindigkeit mit 1–2 mm/Tag beachtlich, aber im Herbst 2016 wurde die Rutschung schneller. Man sieht die Beschleunigung der roten Kurve (MOO2) am deutlichsten. MOO2 hatte im Oktober 2016 eine Geschwindigkeit von 897 mm pro Tag. Die anderen Kurven zeigen im Herbst 2016 ebenfalls eine Zunahme.
bewegungen. Das Ziel ist es, Personen zu warnen, die Sicherheit zu gewährleisten und Schäden zu vermindern. Das BAFU und der Kanton Wallis überwachen das Aletschgebiet sowie andere Bergflanken im Oberwallis im Rahmen eines Pilotprojekts mit modernen, satellitengestützten Methoden. Satellitenradar Das BAFU hat im Jahr 2011 ein nationales Monitoringprogramm mit Satellitenradardaten gestartet. Diverse Radarsatelliten umkreisen die Erde in regelmässigen Abständen. Vom gleichen Gebiet werden in Abständen von beispielsweise 6 Tagen Aufnahmen gemacht. Diese Radaraufnahmen werden ausgewertet, um Verschiebungen zu erkennen. Die Rutschung Moosfluh konnte mit dieser Methode frühzeitig erfasst werden. In der Folge hat man bei der Moosfluh weitere Messgeräte vor Ort installiert. Diese zeigen, dass sich die Rutschung in den vergangenen Jahren beschleunigt hat. Resultierende Gefahren und Sicherheitsdispositiv Der Hang der Moosfluh rutscht im Zentrum mehrere Meter pro Jahr. Oberhalb der Gletscherzunge wurden im Herbst 2016 Verschiebungen von 10 bis 30 Metern gemessen. Dort entstanden riesige Spalten im kristallinen Fels. Aktuell stürzen Steine und Felsblöcke von der Front auf den Aletschgletscher. Fachleute rechnen mit weiteren kleinen oder auch grösseren Abbrüchen. Auch im oberen Rutschgebiet kommt es zu spontanen kleinen Rut-
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schungen und Abbrüchen. Die Gefahr für Personen im Rutschgebiet ist gross. Das Rutschgebiet musste 2016 gesperrt werden. Diese Massnahme gilt auch für die kommende Zeit, weil sich der Hang noch über Jahre weiterbewegen wird. Vor Ort ist die Gemeinde Riederalp für die Sicherheit zuständig. Sie wird von kantonalen Fachstellen unterstützt. Die Behörden haben die Wanderwege präventiv und rechtzeitig gesperrt, weil die Gefahr von Rutschungen, Steinschlägen und Felsstürzen seit September 2016 zu gross ist. Insgesamt wurden 6 Kilometer Wanderwege gesperrt. Der Zugang zum Aletschwald von der Riederfurka ist aber weiterhin möglich. Wegen der Sperrung im Rutschgebiet hat die Gemeinde auf der Ostseite der Rutschung einen neuen Wanderweg zum Aletschgletscher gebaut. Zudem wird die Bergbahn Moosfluh intensiv überwacht. Das Dossier und weiterführende Informationen sind auf der Webseite des BAFU > Themen > Naturgefahren zur Verfügung gestellt. (BAFU)
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Fachtagung Wasserkraft 2017 / Journée Technique Force hydraulique 2017 Bau, Betrieb und Instandhaltung von Wasserkraftwerken VI / Construction, exploitation et entretien des centrales hydroélectriques VI Freitag, 17. November 2017, Olten / Vendredi, 17 novembre 2017 Olten
Die Fachtagung der Kommission Hydrosuisse des SWV bezweckt den Austausch aktueller technischer Entwicklungen rund um die Wasserkraftnutzung und ist immer auch ein ausgezeichneter Treffpunkt der Fachwelt./Sur l’initiative de la commission Hydrosuisse de l’ASAE, le symposium a pour objectif de faciliter les échanges en matière de développements techniques actuels liés à l’utilisation de l’énergie hydraulique. Zielpublikum/Publique cible Angesprochen werden insbesondere Ingenieure und technische Fachleute von Wasserkraftbetreibern, Beratungsbüros und der Zulieferindustrie./Le symposium est destiné en particulier aux ingénieurs et aux spécialistes des exploitations hydrauliques, des bureaux de conseil et des activités induites. Zielsetzung, Inhalt/But, contenu Die Fachtagung bezweckt den Austausch zu aktuellen Entwicklungen aus Forschung und Praxis in den Bereichen Wasserbau, Stahlwasserbau, Maschinenbau, Elektrotechnik sowie Projektvorbereitung und -abwicklung. Das detaillierte Tagungsprogramm ist diesem Heft als Flyer beigelegt bzw. kann der Webseite entnommen werden. Tagungssprachen sind Deutsch und Französisch./Le symposium a pour objectif de faciliter les échanges en matière de développements techniques actuels liés à l’utilisation de l’énergie hydraulique. Pour les détails voir le programme adjoint dans la présente revue ou sur le site web. Kosten/Frais Für Einzelmitglieder und Vertreter von Kol-
lektivmitgliedern des SWV gelten vergünstigte Tarife./Membres de l’ASAE profitent des tarifs préférentiels: Mitglieder/Membres CHF 150.– Nichtmitglieder/Nonmembres CHF 230.– Studenten/Etudiants CHF 75.– Inkl. Mittagessen und Pausenkaffee; exkl. 8 % MWSt./Sont inclus le repas de midi, les pauses café. 8 % TVA exclue. Anmeldung/Inscription Einschreibung über unsere Webseite:/ Inscriptions par le site web de l’ASAE s.v.p: www.swv.ch/Tagung-Wasserkraft-2017 Die Anmeldungen werden nach Eingang berücksichtigt. Als Anmeldebestätigung gilt die automatisch generierte AntwortMail auf die Online-Anmeldung. Die Rechnungsstellung erfolgt rechtzeitig vor der Tagung./Les inscriptions seront considerées par ordre d’arrivée. Après l’inscription en ligne une confirmation est envoyée automatiquement par courrier électronique.
Age nda Chur 19.9.2017 Fachtagung und Exkursion CoandaRechen – eine innovative Wasserfassung (d) HTW Chur mit BFE. Weitere Informationen und Anmeldung: www.htwchur.ch Luzern 13.11.2017 WA21-Fachtagung 2017: Revitalisierung von Fliessgewässern – Lösungsansätze für vielfältige Herausforderungen Wasser-Agenda 21. Weitere Informationen und Anmeldung: https://wa21.ch/de/ Olten 17.11.2017 Hydrosuisse-Fachtagung Wasserkraft 2017: Bau, Betrieb und Instandhaltung von Wasserkraftwerken (d/f) Programm und Anmeldung: www.swv.ch Dübendorf 22.11.2017 PEAK/KOHS-Kurs V46/17: Sedimentmanagement in Fliessgewässern (d) Eawag, mit Unterstützung Kommission Hochwasserschutz (KOHS) des SWV. Weitere Informationen: www.eawag.ch Olten 20.3.2018 KOHS-Wasserbautagung 2018: Geschiebehaushalt im 21. Jahrhundert Kommission Hochwasserschutz (KOHS) des SWV. Bitte Termin reservieren. Programm und Online-Anmeldung folgen bis ca. Ende November 2017.
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L ite i te r atur
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Roadmap Fischwanderung
Publikation: 2017; 2-seitige Broschüre im Grossformat: Bundesamt für Umwelt BAFU; Schriftenreihe Umwelt-Info, Nr. UI1711-D /F; kostenloser PDF-Download in deutscher und französischer Fassung: www.bafu.admin.ch > Publikationen Fische sind darauf angewiesen, dass sie frei wandern können. In Fliessgewässern wird dies vielerorts durch Kraftwerke erschwert. Bis 2030 muss die Fischgängigkeit an den Wasserkraftanlagen in der Schweiz wiederhergestellt sein. Die Roadmap zeigt wichtige Schritte bei der Wiederherstellung der Durchgängigkeit, stellt bedeutende Wanderfische und deren Lebensräume vor und illustriert zeitgemässe Sanierungsprojekte.
Vier publizierte Expertenberichte im Auftrag des BAFU zur Fischgängigkeit: 1. Erhaltung und Förderung der Wanderfische – Zielarten, Einzugsgebiete, Aufgaben Publikation: März 2017; A4-Format; Expertenbericht im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt, BAFU; Autor: Fischwerk; 53 Seiten, kostenloser PDF-Download in deutscher Sprache: www.bafu.admin.ch > Thema Wasser > Renaturierung > Fischgängigkeit Beschrieb: Der Bericht soll Grundlagen sowie einen Ausblick auf weitere zu erarbeitende Werkzeuge zur Erhaltung und
Förderung der Wanderfische im Rahmen der laufenden Gewässerrenaturierungen liefern. Er basiert sowohl auf einem artbezogenen als auch auf einem auf die Einzugsgebiete fokussierenden Ansatz. Die Auswahl der Zielarten erfolgte mithilfe eines objektiven Bewertungsverfahrens, aber auch unter Verwendung eher subjektiver Kriterien. Für jede Zielart wurde mittels einer Umfrage bei den Kantonen die aktuelle und die potenzielle Verbreitung erarbeitet. Als besonders wichtig wurden die Ausscheidung von Vorranggewässern, die Erarbeitung artspezifischer Planungshilfen für Revitalisierungen, Vorgaben zur Kontrolle des Fischauf- und des Fischabstiegs bei Kraftwerkanlagen sowie die Formulierung von Richtlinien für den Besatz angesehen.
vor, werden oftmals deutlich höhere Wassertiefen als 20 cm gefordert. Der vorliegende Bericht führt aus, wie die erforderliche Wassertiefe in Restwasserstrecken für Forellen aufgrund von biologischen Kriterien bestimmt werden kann. Auf der Basis einer Literaturrecherche und von Expertengesprächen sind die grundsätzlichen Ansprüche der Seeforelle und Bachforelle an die Wassertiefe für die Auf- und Abwärtswanderung gemäss dem heutigen Wissensstand zusammengetragen. Unter Beizug biometrischer Daten der beiden Arten werden schliesslich Empfehlungen für die Berechnung der Mindestwassertiefe definiert. 3. Die Rückkehr des Lachses in der Schweiz – Potenzial und Perspektiven
2. Mindestwassertiefe für See- und Bachforellen – Biologische Grundlagen und Empfehlungen Publikation: Oktober 2016; A4-Format; Expertenbericht im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt, BAFU; Autor: Fischwerk, Aquaplus, Aquarius; 42 Seiten, kostenloser PDF-Download in deutscher Sprache: www.bafu.admin.ch > Thema Wasser > Renaturierung > Fischgängigkeit Beschrieb: Bei der Festlegung von Mindestrestwassermengen stellt sich die Frage nach der für die freie Fischwanderung erforderlichen Wassertiefe. Im Allgemeinen geht man, ausgehend von den Erläuterungen zum Gewässerschutzgesetz, von einer minimalen Wassertiefe von rund 20 cm aus. In Bachforellengewässern werden von den Bewilligungsbehörden gewisse Unterschreitungen erlaubt. Kommen hingegen grosse Seeforellen
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Publikation: Dezember 2016; A4-Format; Expertenbericht im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt, BAFU; Autor: Fischwerk; 55 Seiten, kostenloser PDF-Download in deutscher Sprache: www.bafu.admin.ch > Thema Wasser > Renaturierung > Fischgängigkeit Beschrieb: Der Lachs ist im Rheineinzugsgebiet vor Jahrzehnten als Folge von Flusskorrektionen, Wasserkraftnutzung, Gewässerverschmutzung und Überfischung ausgestorben. Seit Anfang der 1990er-Jahren laufen Bemühungen der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR), den Lachs wieder anzusiedeln. Die vorliegende Studie beschreibt die heutige Situation bezüglich der Schlüsselaspekte für eine erfolgreiche Wiederbesiedlung. Sie dient als Auslegeordnung, um später gemeinsam mit den Kantonen ein eigentliches Programm für die Wiederansiedlung des Lachses in der Schweiz über die in der Region Basel liegenden Fliessgewässer hinaus zu entwickeln. Im Bericht wird aufgezeigt, welche Massnahmen angegangen werden müssen, um eine Wiederansiedlung des Lachses bis 2030 im schweizerischen Einzugsgebiet des Hochrheins zu erreichen.
Beschrieb: Hinsichtlich der Erfolgskontrolle von Fischwanderhilfen und Fischabstiegsanlagen sind in der Schweiz bisher keine einheitlichen Standards für anzuwendende Methoden, Untersuchungsdauer, Bewertungen usw. vorhanden. Der vorliegende Expertenbericht soll dem Nutzer übersichtsartig aufzeigen, wie solche Untersuchungen durchzuführen sind und welche Minimalanforderungen zu erfüllen bzw. in welchen Fällen weitergehende Untersuchungen angebracht sind. Es handelt sich dabei nicht um ein «hartes» Tool, welches genaue Vorgehen vorschreibt. Vielmehr definiert es Richtlinien, mit deren Hilfe die vorgesehenen Wirkungskontrollen effektiv und gesetzeskonform ausgeführt werden können. Dies führt gleichzeitig auch zu einer grösseren Vergleichbarkeit der erhaltenen Daten. Die vorliegende Praxishilfe soll in das vom BAFU geplante «Handbuch zur Wirkungskontrolle von Fischaufstiegs- und -abstiegshilfen» einfliessen.
Wasserstände und Abflussmengen von Seen, Fliessgewässern und Grundwasser auf und enthält Angaben zu Wassertemperaturen sowie zu physikalischen und chemischen Eigenschaften der wichtigsten Fliessgewässer der Schweiz. Die meisten Daten stammen aus Erhebungen des BAFU.
Biodiversität in der Schweiz: Zustand und Entwicklung – Ergebnisse des Überwachungssystems, Stand 2016
Hydrologisches Jahrbuch der Schweiz 2016 – Abfluss, Wasserstand und Wasserqualität der Schweizer Gewässer
4. Massnahmenumsetzung Sanierung Fischgängigkeit – Umfang und Methodenwahl von Wirkungskontrollen
Publikation: Dezember 2016; A4-Format; Expertenbericht im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt, BAFU; Autor: Fischwerk, Aquaplus, Aquarius, Aquatica; 27 Seiten, kostenloser PDF-Download in deutscher Sprache: www.bafu.admin.ch > Thema Wasser > Renaturierung > Fischgängigkeit 224
Publikation: 2017; A4-Format; Herausgeber: Bundesamt für Umwelt, BAFU; Schriftenreihe Umwelt-Zustand, Nr. UZ1712-D/F; 36 Seiten, kostenloser PDFDownload in deutscher und französischer Fassung: www.bafu.admin.ch > Publikationen Beschrieb: Das «Hydrologische Jahrbuch der Schweiz» liefert einen Überblick über das hydrologische Geschehen auf nationaler Ebene. Es zeigt die Entwicklung der
Publikation: 2017; A4-Format; Herausgeber: Bundesamt für Umwelt, BAFU; Schriftenreihe Umwelt-Zustand, Nr. UZ1630-D/F; 60 Seiten, kostenloser PDFDownload in deutscher und französischer Fassung: www.bafu.admin.ch > Publikationen Beschrieb: Biodiversität bezeichnet die Vielfalt der Lebensräume, der Arten und der Gene sowie deren Interaktionen. Sie ist unverzichtbar für das Leben auf der Erde. Der vorliegende Bericht analysiert den Zustand der Biodiversität in der Schweiz. Er basiert auf ausgewählten Kenngrössen (Indikatoren), die aus Erhebungen der verschiedenen Biodiversitäts-Monitoringprogramme des Bundes resultieren, sowie auf wissenschaftlichen Studien. Die Daten ermöglichen es, nicht nur den aktuellen Zustand der Biodiversität auf den Ebenen der Arten, der Lebensräume und der Gene zu erfassen, sondern auch Trends zu erkennen.
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Publikation: 2017; Broschüre A4-Format; Herausgeber: Akademien der Wissenschaften, Schweiz; Swiss Academies Factsheets Vol. 12, No. 2; 6 Seiten, kostenloser PDF-Download in D, F, I, E unter folgender Webseite: naturwissenschaften.ch > Organisations > Proclim Beschrieb: Die Schweiz reagiert sehr empfindlich auf den Klimawandel. Im Vergleich gegenüber dem globalen Mittel ist die Erwärmung im Alpenraum zurzeit rund doppelt so stark. Dieses Fazit ziehen Klimaforschende im Bericht «Brennpunkt Klima Schweiz. Grundlagen, Folgen und Perspektiven», der unter der Leitung von ProClim – dem Forum für Klima und globale Umweltveränderungen der Akademien der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) – erarbeitet und im letzten Herbst veröffentlicht wurde. Das Faktenblatt fasst die wichtigsten Aussagen prägnant zusammen.
Die Themen der «Wasserwirtschaft» 7–10/2017 • Hydrometrie 2017 – Quo vadis? – Neuere Entwicklungen im hydrologischen Messwesen Gerd Morgenschweis • Darstellung und Kommunikation von hydrologischen Kenngrössen Marc Scheibel
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Systematische Vergleiche von Durchflussmessungen – Optimierungsansätze durch Kombinationsmöglichkeiten Fabian Netzel, Christoph Mudersbach, Marc Scheibel Ermittlung und Überprüfung des Extrembereichs von Pegelschlüsselkurven mit 2-D-Simulation Alpaslan Yörük Die Verwendung von diskretisierten Abflussreihen für die statistische Ermittlung von Hochwasserwerten Jens Bender, Sebastian Niehüser, Christoph Mudersbach, Jürgen Jensen Ökologische und naturschutzfachliche Bewertung von kleinen, urbanen Gewässern in der Hansestadt Rostock innerhalb des ReWaM-Verbundvorhabens «KOGGE» Volker Thiele, Simone Eisenbarth, Doreen Kasper, Martina Renner, Christin Tralau Potenzial genetischer Methoden für das Biomonitoring der Wasserrahmenrichtlinie Florian Leese, Daniel Hering, J.-Wolfgang Wägele Leitfaden für die Optimierung bei der Fliessgewässerentwicklungsplanung Stefan Greuner-Pönicke, Henning Giese, Wolfgang Dickhaut, Volker Lüderitz Das Potenzial naturnaher Triebwerkskanäle als eigenständiger Biotoptyp Annett Weiss, Carsten Arndt Der wasserwirtschaftliche Rahmenplan Tiroler Oberland Robert Reindl, Karin Egger, Günter Fitzka Wasserwirtschaftliche Planung durch Private in Österreich Christian Schmelz, Christoph Cudlik, Bernhard Hofer Vertiefte Überprüfungen an den Stauanlagen der Vattenfall Wasserkraft GmbH in Thüringen – ein Praxisbericht aus Sicht des Talsperrenbetreibers Detlef Hogh Asphaltbetondichtungen – Materialeigenschaften und Optimierungspotenziale Mathias Smesnik, Freddy Florez, Burkhard Rüdisser Überwachung bestehender Staudämme – Kriterien für die Notwendigkeit einer Sickerwassermessung Andreas Bauer, Theodor Strobl
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Value Management in der Wasserund Abwasserwirtschaft Imran Sevis Der Oderteich – Untersuchung und Instandsetzung einer 300 Jahre alten Talsperre Justus Teicke, Christian Bellak, Katharina Malek Analyse von Studien zu möglichen Fischschäden an Wasserkraftschnecken Tobias Wagner, Jochen Ulrich, Rolf Hezel Hochwasserschutz in Posen (Poznañ): Geschichte und heutige Anforderungen Tomasz Kałuża, Paweł Zawadzki, Tomasz Tymiński Energiewende nicht ohne Wasserkraft – Forschungsschwerpunkte am IHS Stefan Riedelbauch Ergebnisse der Wasserkraftpotenzialermittlung in Baden-Württemberg Johannes Reiss, Andreas Becker, Stephan Heimerl Baden-Württembergisches Forschungsprojekt Wasserkraftschnecken und Fischabstieg Frank Seidel, Philipp Schultz, Christa Stadler, Stefan Riedelbauch, Franz Nestmann Was braucht die kleine Wasserkraft? Hans-Dieter Heilig Rechen und Fischschutz an Wasserkraftanlagen – Aktuelle Aktivitäten in der DWA Gerhard Haimerl, Christian Göhl Bestimmung von Rechenverlusten mittels numerischen Strömungsanalysen Carmen Altvater, Oliver Kirschner, Albert Ruprecht Mögliche Flexibilisierungspotenziale der Wasserkraft in Deutschland Christian Seidel Akustische Kavitationsdetektion in hydraulischen Turbinen Helmut Schmidt, Stefan Riedelbauch Das Illerkraftwerk Au, eine ökologisch verträgliche Wasserkraftanlage Michael Schuchert Aktueller Stand zur Entwicklung einer modularen Pumpturbine im niedrigen Leistungsbereich Christian Bauer, Eduard Doujak Automatisierter Designprozess mit Modellreduktion einer Axialmaschine Alexander Tismer, Markus Schlipf, Stefan Riedelbauch
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Brennpunkt Klima Schweiz – Kurz erklärt (Faktenblatt)
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Der Naturstromspeicher: Ein flexibler Stromspeicher für die Energiewende Alexander Schechner StEnSea – ein neuartiges OffshorePumpspeicherkonzept Jochen Bard, Christian Dick, Matthias Puchta
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• Die Themen der «ÖWAV» 5–8/2017 • Ressourcenverfügbarkeit und Bedarfsplanung auf Basis geänderter Rahmenbedingungen Neunteufel, R., Schmidt, B.-J., Perfler, R. • GIS-basierte Wassersicherheitsplanung im Einzugsgebiet von Trinkwasserbrunnen Mayr, E., Gleitsmann, F., Perfler, R. • Quellmonitoring zur optimierten Quellwassernutzung Schmidt, B.-J., Mayr, E., Schönher, C., Zunabovic-Pichler, M., Perfler, R. • Brunnenmonitoring – Beurteilung von Einflussfaktoren auf die Leistungsfähigkeit bei Uferfiltratbrunnen Handl, S., Mayr, E., Perfler, R.
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Anwendung der numerischen Modellierung zur Optimierung eines Speicherbauwerks Mayr, E., Ecker, B., Perfler, R. Von Netzalter, Wasserverlusten und Schadensraten zur langfristigen Erneuerungsplanung Neunteufel, R., Mayr, E., Krakow, S., Richard, L, Herda, R. Einsatz eines hydraulischen Rohrnetzmodells zur Feststellung der Hydranten-Ergiebigkeit Richard, L., Neunteufel, R. Umgang mit Störfällen in der Steiermärkischen Wasserversorgung – IstStand Erhebung und Leitfadenerstellung Nicolics, S., Mayr, E., Salamon, A., Perfler, R. Modifizierte Wasserhaushaltsschicht für Deponien in Regionen mit positiver klimatischer Wasserbilanz Murer, E., Jachs, C., Schuster, M., Thürriedl, K. «Gewässersanierung – ein gemeinsamer Weg» – Ein Workshop des Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverbandes (ÖWAV) Schmutz St.
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Saisonale Dynamik von Antibiotikaresistenzgenen im Abwasser Berendonk, T. U., Caucci, S., Cacace, D., Dusi, E. Endokrine Disruptoren – eine komplexe Herausforderung Fürhacker, M. Herausforderung Risikobewertung von Spurenstoffen in Trinkwasser Grossgut, R. Die Nutzung chemikalienrechtlicher Daten in der wasserwirtschaftlichen Planung Rauchbüchl, A., Clara, M., Hohenblum, P., Kinzl, M., Wimmer, M. 4. Reinigungsstufe auf Kläranlagen zur weitergehenden Behandlung kommunaler Abwässer Schaar, H., Kreuzinger, N.
Die nächste Ausgabe von «Wasser Energie Luft» erscheint am Donnerstag, 7. Dezember 2017
Foto: MMi
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«Wasser Energie Luft» – 109. Jahrgang, 2017, Heft 3, CH-5401 Baden
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Infos unter: Schweizerischer Wasserwirtschaftsverband Rütistr. 3a · CH-5401 Baden Tel. 056 222 50 69 manuel.minder@swv.ch
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Impressum «Wasser Energie Luft» Schweizerische Fachzeitschrift für Wasserrecht, Wasserbau, Wasserkraftnutzung, Gewässerschutz, Wasserversorgung, Bewässerung und Entwässerung, Seenregulierung, Hochwasserschutz, Binnenschifffahrt, Energiewirtschaft, Lufthygiene. / Revue suisse spécialisée traitant de la législation sur l’utilisation des eaux, des constructions hydrauliques, de la mise en valeur des forces hydrauliques, de la protection des eaux, de l’irrigation et du drainage, de la régularisation de lacs, des corrections de cours d’eau et des endiguements de torrents, de la navigation intérieure, de l’économie énergétique et de l’hygiène de l’air. Gegründet 1908. Vor 1976 «Wasser- und Energiewirtschaft». / Fondée 1908. Avant 1976 «Cours d’eau et énergie». Redaktion Roger Pfammatter (Pfa) Direktor des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes (SWV)
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Layout, Redaktionssekretariat und Anzeigenberatung Manuel Minder (Mmi)
Engineering, Planung, Fabrikation und Herstellung von:
Französische Übersetzung Editorial und SWV-Jahresbericht Rolf T. Studer
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ISSN 0377-905X
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Verlag und Administration SWV · Rütistrasse 3a · CH-5401 Baden Tel. +41 56 222 50 69 · Fax +41 56 221 10 83 www.swv.ch · info@swv.ch roger.pfammatter@swv.ch manuel.minder@swv.ch Postcheckkonto Zürich: 80-1846-5 Mehrwertsteuer-Nr.: CHE-115.506.846
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Sichere Versorgung dank Schweizer Wasserkraft
Wasserkraft als Rückgrat unserer Stromversorgung: Schweizer Wasserkraft trägt rund 60 % zur einheimischen Stromproduktion bei und spielt somit für die Umsetzbarkeit der Energiestrategie 2050 eine zentrale Rolle. Wasserkraft als regionaler Wirtschaftsmotor: Die Wertschöpfung erfolgt in der Schweiz. Sie wirkt der Abwanderung in Bergregionen entgegen und sichert lokal Arbeitsplätze. Wasserkraft als Tourismusattraktion: Stauseen und Wasserkraftwerke bieten Erholungsgebiete in einmaligen Gebirgs- und Flusslandschaften. Wasserkraft als Energie der Schweiz: Wasserkraft ist unser wichtigster einheimischer Rohstoff – er ist erneuerbar, klimaschonend, flexibel einsetzbar und auch zukünftig verfügbar.
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