Wasser Energie Luft 4/2020

Page 1

4-2020

Renaturierung Berschnerbach Walenstadt (Foto: ewz)

3. Dezember 2020

• Einfluss von Brücken in Überflutungsmodellen • Unterschätzte Fischwanderungen

• Valeurs intrinsèques


Bestellen Sie die Ausgaben von «Wasser Energie Luft» unter www.swv.ch (solange Vorrat)

WEL 3-2020

WEL 2-2020

WEL 1-2020

WEL 4-2019

WEL 3-2019

WEL 2-2019

WEL 1-2019

WEL 4-2018

WEL 3-2018

WEL 2-2018

WEL 1-2018

WEL4-2017

WEL 3-2017

WEL 2-2017

WEL 1-2017

WEL 4-2016


Editorial Grüessech!

Andreas Stettler Geschäftsführer SWV, Directeur ASAE

Korrekt. Ihnen ist eine Veränderung aufgefallen. Wenn Sie die letzte Ausgabe unserer Fachzeitschrift noch präsent haben, so konnten Sie feststellen, mit welch grossem Engagement mein Vorgänger, Roger Pfam­ matter, die Funktion als Herausgeber des WEL geprägt hat. Das sah man auch an seiner grossen Freu­ de und dem Stolz, als er bei seiner Verabschiedung ein Bild mit den 40 Titelseiten des WEL unter seiner Redaktionsleitung erhielt. Nun darf ich diese stolze Aufgabe übernehmen und kann bereits von Beginn weg feststellen, welche grossen Gestaltungs­möglich­ keiten sich dabei eröffnen. Schön, dass Sie zu unserer Leserschaft gehören. Was gefällt Ihnen an am WEL, welche Themen hätten Sie gerne stärker im Fokus? Gerne nehme ich Ihre Feed­backs per E-Mail unter andreas.stettler@swv.ch entgegen. Schon das Titelbild dieser Ausgabe zeigt eine er­ folgreiche Entwicklung, welche die Wasserkraft­bran­ che seit 20 Jahren mitgestaltet. Die Firmen ewz und BKW konnten in diesem Jahr das 20-jährige Jubiläum ihrer ersten naturemade-star-zertifizierten Kraftwerke feiern. Mittlerweile sind alleine bei diesen zwei Firmen über 450 Revitalisierungsprojekte umgesetzt worden,

und weit über 100 Projekte befinden sich gleichzeitig in der Pipeline. Gibt es eine andere Branche, die mehr im Sinne der Biodiversitätsstrategie unternimmt als die Wasserkraftbranche? Eine ebenso erfreuliche Entwicklung zeigen die Fischzählungen, welche über ganzjährige Messkam­ pa­gnen kürzlich an der Aare durchgeführt wurden. Dabei wird sogar von schweizweiten Rekordzahlen berichtet, die über die letzten Jahrzehnte erreicht wer­den konnten. Mit der Erneuerung des Kraftwerks Dietikon und den dabei realisierten Massnahmen für die Fischwanderung besteht Potenzial, auch an der Limmat positive Überraschungen erleben zu können. Über Erfolgserlebnisse und weitere Herausfor­derun­ gen berichten vier Experten aus der Praxis bei der Um­setzung des Auenschutzes. Lesen Sie dazu mehr in dieser Ausgabe. Ist somit die Wasserkraft auf dem Weg zu einer anerkannten, ökologischen, erneuerbaren und CO2 freien Stromproduktion? Das wird sich spätestens dann zeigen, wenn es darum geht, zusätzliches Po­ ten­zial für die dringend notwendige Winter­ver­sorgung in der Schweiz zu erschliessen. Dieser Weg wird kaum geradlinig sein, aber die Chancen stehen gut!

Bonjour ! C’est juste. Vous avez remarqué un changement. Si vous vous rappelez encore notre dernière revue, vous avez pu constater le grand engagement avec lequel mon prédécesseur, Roger Pfammatter, a empreint la fonction d’éditeur de la revue WEL. Cela a également pu être constaté dans sa grande joie et sa fierté lorsqu’il a reçu, à son départ, un poster des 40 couvertures de la revue éditée sous sa direction. Je suis maintenant en mesure d’assumer cette fière tâche et je peux d’emblée distinguer la multitude de possibilités qui s’ouvrent pour la conception de la revue. C’est un plaisir de vous compter parmi nos lecteurs. Qu’est-ce qui vous plaît dans WEL, quels sont les sujets que vous aimeriez voir plus en évidence ? Je serais heureux de recevoir vos propositions par e-mail à l’adresse andreas.stettler@swv.ch. Pour débuter, la photo de couverture de ce numéro montre un développement réussi qui façonne la force hydraulique depuis 20 ans. Cette année, les entreprises ewz et BKW ont célébré le 20ème anniversaire de leurs premières centrales certifiées naturemade star. Depuis lors et à elles seules, ces deux entreprises ont mis en œuvre plus de 450 projets de revitalisation, tandis que

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

plus de 100 projets sont en cours de réalisation. Y a-t-il une branche qui fait plus en termes de stratégie de la biodiversité que la force hydraulique ? Une évolution tout aussi réjouissante est illustrée par les recensements de poissons qui ont été effectués récemment dans l’Aar lors de campagnes de mesure annuelle. Ils font même état de chiffres records atteints au cours des dernières décennies pour toute la Suisse. Avec le renouvellement de la concession de la centrale hydraulique de Dietikon et les mesures mises en place pour la migration des poissons, il existe également un potentiel de surprises positives dans la Limmat. Quatre experts issus de la pratique rendent compte des succès et des nouveaux défis lors de la mise en œuvre de la protection des plaines alluviales. Vous lirez plus d’informations à ce sujet dans ce numéro. L’énergie hydraulique est-elle donc sur la voie d’une production électrique reconnue, écologique, renouvelable et sans CO2 ? Cela se manifestera au plus tard lorsqu’il s’agira d’exploiter un potentiel supplémentaire pour assurer l’approvisionnement hivernal dont la Suisse a un urgent besoin. Le chemin ne sera pas facile, mais les chances sont bonnes !

III


Inhalt  4 / 2020

231

Berücksichtigung von Brücken und des Sihldurchlasses im 2D-Überflutungsmodell in der Stadt Zürich

Lukas Vonwiller, Michel Kuhlmann, Mattias Deller, Steffen Corbe, Matthias Oplatka, Marc Hauser

239

Wurden die Fischwanderungen in Fliessgewässern bisher unterschätzt? Resultate einer Fischzählung an der Aare

Lisa Wilmsmeier, Nils Schölzel, Armin Peter

231

245

Erneuerung Kraftwerk Dietikon: Realisierte Massnahmen für den Fischschutz und die Fischwanderung

Alfredo Scherngell, Andrea Balestra, Frederic Boden, Martina Breitenstein

253

Vers des valeurs intrinsèques en fin de concession hydraulique maitrisées

Nicolas Rouge, Olivier Bernard

239

245

IV

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Inhalt  4 / 2020

261

Radioaktive Abfälle und Eiszeiten in der Schweiz: Können Gletscher und Permafrost zukünftiger Eiszeiten die langfristige Sicherheit der geplanten Lager beeinflussen?

Wilfried Haeberli, Urs H. Fischer, Denis Cohen, Michael Schnellmann

271

Was Auen für uns leisten – und wir für sie Michelle Lehmann, Franziska Witschi, Stephan Lussi

261

279

Präsidialansprache Hauptversammlung, Donnerstag, 3. September 2020 in Wettingen

Albert Rösti

281

Protokoll 109. ordentliche Hauptversammlung des Schweizerischen Wasserwirtschafts­verbandes

271

286

Procès-verbal 109ème Assemblée générale annuelle de l’As­ sociation suisse pour l’aménagement des eaux

289

Nachrichten 289 Politik 289 Energiewirtschaft 289 Wasserkraftnutzung 291 Gewässerschutz 292  Wasserbau / Hochwasserschutz 293 Veranstaltungen 294 Agenda 294 Publikationen 296 Zeitschriften

281

297 297

Impressum

Branchen-Adressen

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

V


WERKSTOFFAUSWAHL? Hohe Instandhaltungskosten und Stillstandzeiten von Wasserturbinen, beispielsweise hervorgerufen durch Kavitations- oder Sedimenterosion, können mit Hilfe einer geeigneten Werkstoffauswahl minimiert werden. Um die Anforderungen der Kraftwerksbetreiber hinsichtlich der Werkstoffauswahl und Produktqualität

zu überzeugen, setzt MMG auf jahrzehntelange Erfahrungen in der Auslegung hocheffizienter, kavitationsarmer und -widerstandsfähiger Schiffspropeller. Dass sich dieses spezielle Know-how auch auf Wasserkraftanlagen übertragen lässt, wissen hingegen die wenigsten. Haben wir Sie damit auch überrascht?

Die Wasserwirtschaft befasst sich mit sämtlichen Belangen von Nutzung und Schutz des Wassers sowie Schutz von Menschen und Gütern vor dem Wasser. Der Schweizerische Wasser­wirtschafts­verband pflegt im Speziellen die Bereiche Wasserkraft, Hoch­wasserschutz und Wasserbau.

© simonwalther.ch

Werden Sie Mitglied: www.swv.ch

ALUMINIUMBRONZE! Keiner kann uns das Wasser reichen, wenn es um die Fertigung gegossener hoch-beanspruchter Werkstücke aus Aluminiumbronze geht. Hochresistent und widerstandsfähiger gegen Erosion als beispielsweise Edelstahl.

VI

Erfahren Sie mehr! +49 3991 736 0 sales@mmg-propeller.de

www.mecklenburger-metallguss.com

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Berücksichtigung von Brücken und des Sihldurchlasses im 2D-Überflutungsmodell in der Stadt Zürich Lukas Vonwiller, Michel Kuhlmann, Mattias Deller, Steffen Corbe, Matthias Oplatka, Marc Hauser

Zusammenfassung Hochwasserereignisse können Brücken und Durchlässe an ihre Kapazitätsgrenzen bringen. Durch einen Aufstau an diesen Bauwerken kann es zu entsprechenden Aus­uferungen kommen. Im vorliegenden Beitrag soll am Beispiel der 2D-Über­ flutungssimulationen auf dem Schwemmkegel der Sihl in der Stadt Zürich aufgezeigt werden, wie die Brücken an der Sihl und der Sihldurchlass beim Hauptbahnhof Zürich anhand von Pegel-Abfluss-Beziehungen (PQ-Beziehungen) als innere Rand­ bedingungen berücksichtigt werden können. Zudem soll der Einfluss auf die Über­ flutungsflächen exemplarisch anhand der Brücken aufgezeigt werden. Für die Be­ rücksichtigung der Brücken und des Sihldurchlasses werden Ansätze für den Frei­ spiegelabfluss und den Druckabfluss verwendet, wobei bei den Brücken zusätzlich ein Überströmen berücksichtigt wird. PQ-Beziehungen bieten sich an, um verschiedene Szenarien bei Brücken und Durchlässen zu untersuchen. Beim Sihl­ durchlass werden Szenarien bezüglich Auflandung, Verklausung und Rückstaueffekt der Limmat abgebildet. Die Modellierung der Szenarien und deren Auswirkungen auf die Ausuferungen tragen einerseits zu einer Verbesserung des System­ver­ständ­ nisses im Hochwasserereignis bei und schaffen andererseits eine Entscheidungs­ grundlage, um Szenarien für die Hochwassergefahrenkartierung zu definieren. Mit dem vorgestellten Verfahren lassen sich kritische Brücken und Durchlässe explizit anhand einer PQ-Beziehung beschreiben, wobei die verwendeten Ansätze und An­ nahmen klar ausgewiesen und definiert werden können.

um das aktuelle Schadenspotenzial neu zu be­urteilen. Zum anderen wird das verwen­ dete hoch aufgelöste 2D-Modell im Auftrag des AWEL erweitert, um die Ge­fahrenkarte Hoch­ wasser der Gefahren­ quellen Sihl, Lim­mat und Zürichsee für die Stadt Zürich zu erstellen. Zu Beginn der Untersuchung war ungewiss, welche Rolle die Brücken beim Überflutungsprozess auf dem Schwemm­ kegel der Sihl spielen und wie der Sihl­ durchlass beim Hauptbahnhof bei den unter­schiedlichen Szenarien zu berücksichtigen ist. Dem Sihldurchlass wurde für die Überflutungen im Bereich des Haupt­ bahnhofs eine Schlüsselrolle zuge­sprochen. Im vorliegenden Artikel soll aufgezeigt werden, wie die Brücken an der Sihl und der Sihldurchlass im numerischen 2D-Modell berücksichtigt wurden, und was die Aus­ wir­kungen auf die Überflutungen am Bei­ spiel der Brücken sind. 2.  Numerisches Modell

1. Einleitung Die Sihl durchfliesst auf ihrem Schwemm­ kegel die Stadt Zürich. Kurz vor der Mün­ dung in die Limmat unterquert die Sihl den Hauptbahnhof (HB) Zürich im Sihldurchlass (vgl. Bild 1). Das Schadenspotenzial im Über­ ­flutungsgebiet der Sihl auf dem Stadt­ge­ biet ist eines der grössten in der Schweiz und beträgt nach bisheriger Einschätzung rund 6.7 Mrd. CHF (AWEL, 2017). Die Firma TK CONSULT AG wurde von der Schweizerischen Bundesbahnen AG (SBB) und dem Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons Zürich (AWEL) beauftragt, numerische 2D-Simu­ la­tionen zu Überflutungsszenarien auf dem Schwemm­­­kegel der Sihl durchzuführen. Die Sze­na­rien beinhalteten sowohl den IstZustand als auch den zukünftigen Zu­ stand 2026 mit Wirkung des Entlas­tungs­ stollens in Thalwil, der voraussichtlich ab 2026 in Be­trieb sein wird. Die Ergebnisse der Über­flutungs­simulationen dienen den Auf­trag­gebern zum einen als Grundlage,

Für die hydraulischen 2D-Simulationen wird die Software BASEMENT 3.0pre (BASE­MENT, 2019) verwendet. Die Soft­ ware löst die tiefengemittelten Flachwas­ ser­glei­chun­gen (2D-Massenbilanz- und

Bild 1: Übersicht Schwemmkegel der Sihl von Brunau bis zur Mündung in die Limmat.

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

Bild 2: Schematische Darstellung des Berechnungsgitters (weisse Farbe) mit einer Brücke als innere Rand­be­ dingung: Am oberen Rand wird der Abfluss Q1 (z. B. über eine PQBeziehung) vorgegeben und am unteren Rand wieder zugegeben (Q2). 231


Impuls­­gleichun­gen) numerisch mit einer Finite-Volumen-Methode auf unstruk­tu­ rier­ten Dreiecksgittern. Für die Simulation werden Grafikkarten (GPUs) verwendet, welche insbesondere für grosse Berech­ nungs­gebiete eine deutliche Effizienz­stei­ gerung bringen. Die Software BASEMENT bietet die Möglichkeit, hydraulische Bau­ werke über innere Randbedingungen ab­zu­ bilden. Dazu wird ein Teil des Berech­nungs­ gitters ausgestanzt (vgl. Bild 2) und der Ab­ fluss über den oberen Rand (Q1) vorgege­ben (z. B. über eine Pegel-Abfluss-Be­zie­hung). Der entsprechende Abfluss wird beim un­ teren Rand (Q2) wieder zugegeben. 3.  Modellierung von Brücken 3.1  Grundlagen und Vorgehensweise Entlang der Sihl wurden im Stadtgebiet Zürich die relevanten Brücken identifiziert, welche nach dem Bruttoprinzip die Ka­ pazitätsgrenze bis zu einem Abfluss von 750 m3 /s (EHQ) erreichen. Im Gegensatz zum Nettoprinzip steht beim Bruttoprinzip die ausgeuferte Wassermenge dem Haupt­ gerinne unterhalb der Schwachstelle wieder zur Verfügung. Als massgebend für die Abflusskapazität wurde an der Sihl der Wasserspiegel definiert, d. h., es wurden keine Freiborde berücksichtigt. Bis zur Kapazitätsgrenze wird von einem Frei­

spiegel­abfluss ausgegangen. Die Brücke schlägt zu, sobald der Wasserspiegel die Brückenunterkante (UK) erreicht (vgl. Bild 3). Für höhere Abflüsse bzw. Wasser­spie­gel wird die Brücke eingestaut. Es kommt zu einem Abflusszustand, welcher mit ei­nem Abfluss unter einem Schütz verglichen werden kann. Mit zunehmendem Abfluss übersteigt der Wasserspiegel zudem die Brückenoberkante (OK). Dieser Zustand kann mit einem Abfluss über ein Wehr berücksichtigt werden. Das Zuschlagen der Brücke könnte alternativ auch anhand der Energielinie definiert werden, wobei die Brücke in den Druckabfluss übergeht, sobald die Energie­ linie die Brückenunterkante erreicht. Im vorliegenden Projekt wurde für den Über­ gang in den Druckabfluss der Wasser­ spie­gel definiert. Des Weiteren können Ver­klausungen berücksichtigt werden, indem die Lichtraumfläche entsprechend verkleinert wird. Davon wird aber abge­ sehen, da der Schwemmholzrechen an der Sihl oberhalb von Langnau am Albis einen Grossteil des anfallenden Schwemmholzes zurückzuhalten vermag. 3.2  PQ-Beziehung Brücken Zur Erstellung der Pegel-Abfluss-Be­ziehung müssen zuerst die Brückenunterkanten und Brückenoberkanten bestimmt werden.

Bild 3: Schematische PQ-Beziehung bei Brücken: (i) Freispiegelabfluss bis zur Brückenunterkante (UK), (ii) Abfluss unter einer Schütz bis zur Brücken-/ Ge­länderoberkante (OK) und (iii) ein zusätzlicher Wehrabfluss für Wasser­ pegel > OK. Die Ersatz-Trapezfläche (schraffierte Fläche) ist flächenäquivalent zum Lichtraumprofil (gestrichelte Linie). 232

Dafür wird für jede Brücke die Lichtraum­ fläche aus den Lichtraumprofilen der BAFUQuerprofilvermessungen bestimmt. Da­raus kann ein flächenäquivalentes Ersatztrapez für den entsprechenden Fliessquerschnitt erstellt werden. Je nach Situation und Brü­ cken­geometrie sind zur Bestimmung der seitlichen Böschungen des Ersatz­trapezes die Uferböschungen oberstrom der Brücke zu berücksichtigen. Aus der Höhe des resultierenden Ersatztrapezes lässt sich die Brückenunterkante definieren. Die Brücken­ oberkante wird auf der Höhe der Ge­län­ der­oberkante definiert, da von einer Ver­ stopfung bzw. Belegung der Geländer mit Geschwemmsel und Feinmaterial ausge­ gangen wird. Die Höhe der Brücken­ober­ kante kann aus Plänen entnommen oder, falls keine Angaben zu Ge­länder­höhe vorhanden sind, im Feld ergänzend aufge­ nom­men werden. In einem ersten Schritt wird die PQBeziehung des Freispiegelabflusses erstellt. Dafür wird eine treppenförmig anstei­ gende Abflussganglinie simuliert. Der Ab­ fluss wird jeweils in Schritten von 10 m³/s über eine längere Zeit konstant gehalten und dann über eine kürzere Zeit erhöht. Die Wasserpegel (P) und Abflüsse (Q) werden jeweils am Ende der konstanten Zeit­ periode an den entsprechenden Brücken­ querprofilen ausgewertet. In einem nächsten Schritt kann die PQBeziehung des Freispiegelabflusses der Brückenunterkante gegenübergestellt werden. Für Wasserspiegel, welche die UK überschreiten (P > UK), wird ein Abfluss unter einem Schütz (QSchütz) nahtlos an die PQ-Beziehung des Freispiegel­ab­flusses angehängt, unter Verwendung von

wobei μA = Ausflussbeiwert für das Schütz, A = Fläche des Lichtraumprofils, g = Erd­ be­schleunigung und h0 = Wassertiefe vor der Brücke. Für rechtwinklige, scharfkan­ tige Planschütze beträgt μA in Abhän­gig­ keit von a/h0 (a = Höhe Schütz­öffnung) minimal 0,55 (Bollrich, 2000). Brücken unterscheiden sich jedoch stark von scharfkan­ tigen Planschützen, weshalb von tieferen Werten ausgegangen werden muss. Ge­ mäss USDA (2012) liegen die Aus­fluss­ beiwerte in den meisten Fällen zwischen 0,38 und 0,50, im Falle von schlechten Be­ dingungen (sehr hohe Turbulenzen) jedoch zwischen 0,22 und 0,28. Im vorliegenden Projekt werden die Abflussbeiwerte für das Schütz konservativ mit μA = 0,3 berücksichtigt. Schliesslich wird für Wasserspiegel, welche die OK überschreiten (P > OK), ein

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Bild 4: PQ-Be­ziehungen an der Brunau­strassen­brücke mit Be­rück­sich­ti­gung des Rück­stau­effekts der unter­strom liegenden Brunau­bahn­brücke: un­beein­ flusster Frei­spie­gel­abfluss ohne Brücken (grüne Linie), mit Rück­stau­effekt auf­ grund der un­teren Brücke (bis zum An­schlagen an Brücken­unter­kante, blaue Linie) und der re­sul­tie­renden PQ-Be­ziehung mit Druck­ab­fluss und Über­strömung (rot ge­strichelte Linie). empirischer Ansatz für ein Abfluss über ein Wehr (QWehr) dazugeschaltet, gemäss

wobei μ = Wehrüberfallbeiwert, B = Breite der Brücke und h = Überstauhöhe vor der Brücke. Für breitkronige Wehre beträgt der Überfallbeiwert μ = 0,58 (Bollrich, 2000). Für Strassenbrücken werden in der Lite­ ratur Überfallbeiwerte zwischen 0,47 und 0,54 angegeben (USDA, 2012). Im vorlie­ gen­den Projekt wird für alle Brücken μ = 0,50 verwendet. Bei nahe beieinander liegenden Brü­ cken kann sich die im Unterstrom liegende Brücke über einen Rückstaueffekt auf die im Oberstrom liegende Brücke auswirken. Um den Rückstaueffekt zu berück­ sichtigen, werden Brücken identifiziert, welche sich gegenseitig beeinflussen. Als Erstes wird die unterste Brücke als PQBeziehung eingebaut und das vorher beschriebene Vorgehen für die im Oberstrom liegende Brücke ein weiteres Mal durchgeführt. Dies wird entsprechend der An­ zahl sich gegenseitig beeinflussender Brü­ cken wiederholt. Die Berücksichtigung des Rückstaueffekts auf eine im Ober­strom liegende Brücke hat zur Folge, dass der Wasserspiegel bereits für geringere Ab­ flüsse an der Brückenunterkante anschlägt und sich im Bereich der Brücke ein Druck­ abfluss einstellt (vgl. Bild 3). Mit dem vor-

gestellten Vorgehen wird ausschliesslich der Rückstaueffekt auf die oberliegende Brücke bis zum Anschlagen an die Brücken­ unterkante berücksichtigt. Zusammen mit der Berücksichtigung des Druckabflusses (Schütz) und der Überströmung (Wehr) ergibt sich die zusammengesetzte PQ-Be­ ziehung für die Brücke. Damit werden die Auswirkungen auf den Wasserspiegel und die Ausuferungen oberstrom abgebildet. Das Beispiel der Brunaustrassen­brücke an der Sihl zeigt (vgl. Bild 4), dass aufgrund des Rückstaueffekts der rund 50 m unterstrom liegenden Brunaubahnbrücke (SZU) der Wasserspiegel bereits ab einem Abfluss von 420 m3/s an der Brückenunter­ kante anschlägt. Ohne Rückstau ist dies erst ab einem Abfluss von 550 m3/s der Fall. Die Anwendungsgrenzen des vorge­ stel­ l­ ten Ansatzes zur Berücksichtigung der Brücken ergeben sich aufgrund der Ver­ein­­fachun­gen und der vernachlässigten Effekte. Nicht berücksichtigt werden Pul­sa­ tionser­schei­nun­gen und Unstetigkeiten im Ab­fluss, welche insbesondere beim Über­ gang in den Druckabfluss und beim Ab­fluss unter einer Brücke (Schütz) mit ge­ringen Überstau­höhen auftreten (a/h0 > 0,75; Boll­ rich, 2000). Zudem ist der Einfluss von Brü­ ckenpfeilern nur über die reduzierte Licht­­ raumfläche be­rücksichtigt, Effekte wie Wel­ lenbildung und der Einfluss auf das Zu­schla­ gen werden vernachlässigt. Eine Unsicher­ heit besteht auch bei der Verwendung ein­

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

es flächenäquivalenten Ersatztrapezes, was bei gewissen Lichtraumprofilen (z. B. Bogen­ brücken) zu einer starken Vereinfachung der Querprofilgeometrie führen kann. Im Falle von sich gegenseitig beeinflussen­den Brücken wird der Einfluss der oberstrom liegenden Brücke auf die unterstrom liegende Brücke vernachlässigt, z. B. Wellen­ bildung, Turbulenz und Wasserwalzen durch Überströmung. Des Weiteren wird der Rückstaueffekt nur bis zum Anschlagen des Wasserspiegels an die Brücken­unter­ kante berücksichtigt. Eine weiterführende Interaktion und gegenseitige Beeinflus­ sung der beiden eingestauten oder überströmten Brücken sind nicht berücksich­ tigt. Solche Effekte sind mit einem physikalischen Modellversuch oder einer numerischen 3D-CFD-Modellierung detaillierter zu untersuchen. Mit dem vorge­ stellten Verfahren zur Modellierung der Brücken mit Berücksichtigung des Rück­ staueffekts können jedoch die Aus­wir­kun­ gen auf die Ausuferungen sinnvoll abge­ bildet werden. 4.  Modellierung des Sihldurchlasses 4.1  Grundlagen und Vorgehensweise Die Sihl unterquert den HB Zürich im Sihl­ durchlass, welcher aus fünf durch Mauern getrennten Teildurch­lässen besteht. Die Länge des Sihldurch­lasses beträgt rund 190 m. Die Teildurch­lässe haben jeweils eine Breite von 12,0 m und eine Höhe von 3,3 m (ohne Auflan­dun­gen). Die Hydraulik und die Kapazität des Sihldurchlasses wurden an der Versuchs­an­stalt für Was­ serbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich in Labor­versuchen mit mobiler Sohle untersucht (VAW, 2015). Für den Zustand von 2014 wurde bei einem Abfluss der Sihl von 490 m3 /s in Kom­bi­ nation mit 190 m3 /s Ab­fluss in der Limmat ein erstes Anschlagen des Wasserspiegels an der Decke im un­te­ren Drittel des Sihl­ durchlasses beob­achtet (Referenz­sze­na­ rio). Bei diesem Ver­such ergaben sich im Bereich des Sihl­durch­lasses mittlere Auf­ landungen von rund 0,4 m. Die ermittelte Abflusskapazität von 490/190 m3 /s (Sihl­ abfluss / Limmatabfluss) gilt für folgenden Zustand: Auflandungen mit Berück­sichti­ gung einer mobilen Sohle, vorgegebener Limmatabfluss, keine Ver­klausung. Um im numerischen Modell jedoch Szenarien zu Auflandungen, Verklau­sung (n-1-Prinzip: ein Durchlass komplett geschlossen) und Rückstaueffekt durch die Limmat zu berücksichtigen, muss der Sihldurchlass mit einem Ersatzmodell abgebildet werden. 233


4.3 Druckabfluss Für den Druckabfluss beim Sihldurchlass kann die Bernoulli-Gleichung gemäss Bild 6 zwischen dem Einlauf (QP1) und dem Aus­ lauf (QP2) aufgestellt werden:

wobei die Subskripte den Kontrollquer­ schnitt beschreiben (vgl. Bild 6), WSP = Was­ serspiegellage (m ü. M.), v2 /2g = Ge­schwin­ di­g­keitshöhe (m) und hv = Energie­verlust­ höhe (m). Letztere besteht sowohl aus lokalen Ein- und Auslaufverlusten und aus kontinuierlichen Reibungsverlusten gemäss

Bild 5: Schematische PQ-Beziehung für den Sihldurchlass mit (1) Freispiegel­abfluss bis zum Zuschlagen (Pegel Pzu, Abfluss Qzu) und (2) anschliessenden Druckabfluss. Der Sihldurchlass wird im überge­ord­neten 2D-Modell als PQ-Beziehung be­rück­­sich­ tigt (vgl. Bild 5). Dabei gilt bis zum Zu­ schlagen des Durchlasses ein Frei­spie­gel­ abfluss. Der Freispiegelabfluss wird mit ei­nem lokalen und räumlich hoch aufge­ lösten 2D-Modell bestimmt und basierend auf den Erkenntnissen des Referenz­sze­ na­rios (490 / 190 m3/s) kalibriert. Der an den Freispiegelabfluss anschliessende Druck­ ­abfluss basiert auf der Bernoulli­-Glei­chung und wird anhand der VAW-Über­last­fälle und 3D-CFD-Simulationen kali­briert. Für beide Abflusszustände (Frei­spiegel- und Druckabfluss) werden verschiedene Sze­ na­rien berücksichtigt: (i) Auf­­landung im Be­­reich des Sihldurchlas­ses (0,2 m, 0,4 m, 0,6 m), (ii) Verklausung (mittlerer Durch­lass geschlossen) und (iii) Rück­­ staueffekte durch den Abfluss der Limmat über das Platz­spitz­wehr (TK CONSULT, 2020). Für das letzte Szenario ist im vorliegenden Artikel vor allem die Unter­hard­-Bedingung von Be­deutung. Diese besagt, dass nach dem Zu­ sammenfluss der Sihl und der Limmat der Abfluss maximal 600 m3 /s betragen darf, um den Hoch­was­ser­schutz der Unterlieger im Limmat­tal zu gewährleisten. Der Ausfluss aus dem Zürich­see wird entsprechend über das Platzspitz­ wehr geregelt. Schliesslich wird für insge­ samt 17 Szenarien die Ab­fluss­kapazität be­­ stimmt bzw. eine PQ-Be­ ziehung erstellt. 4.2 Freispiegelabfluss Um die Szenarien für den Frei­spiegel­ab­ fluss beim Sihldurchlass zu modellieren, werden lokale und räumlich hoch aufge­ löste 2D-Modelle erstellt. Zuerst wird das Referenzszenario für das Zuschlagen des Durchlasses kalibriert. Dafür wird das Mo­ 234

dell mit 0,4 m Auflandung und 490/190 m3/s Sihlabfluss / Limmatabfluss verwendet. Mit sinn­vollen Rauigkeitsbeiwerten nach Strick­ ­ler (Sohle Durchlass kst = 35 m1/3 /s, Sohle Sihl kst = 32 m1/3/s) können Wasserspiegel­ lagen wiedergegeben werden, welche den VAW-Modellversuchen entsprechen − der Wasserspiegel schlägt an der Durchlass­ decke im unteren Drittel an. Basierend auf diesem Referenzszenario, wird beim Durch­ lasseinlauf ein entsprechender Wasser­ pegel definiert, ab welchem der Durchlass zuschlägt (Pzu, vgl. Bild 5). Basierend auf dem kalibrierten Modell, können die verschiedenen Szenarien für den Freispiegel­ abfluss untersucht werden. Der Übergang vom Freispiegelabfluss in den Druckab­ fluss ist jeweils vom Szenario abhängig, d. h., der Pegel Pzu wird jeweils bei einem anderen Abfluss (Qzu) erreicht.

mit v = Geschwindigkeit im Durchlass, ξe = lokaler Einlaufverlustsbeiwert, ξ a = lokaler Auslaufsverlustbeiwert, λ = Wieder­stands­ beiwert für Reibungsverluste, L = Länge Durchlass und D = Durchmesser (D = 4 Rh mit Rh = hydraulischer Radius), n = Anzahl Durchlässe. Die Reibungsverluste wurden für ein hydraulisch raues Verhalten bestimmt mit

wobei ks die äquivalente Sandrauigkeit be­ schreibt. Um eine Pegel-Abfluss-Beziehung beim Einlauf QP1 (WSP1-Q-Beziehung) mit Glei­ chung 3 aufzustellen, müssen v1, v2 und WSP2 anhand von Vereinfachungen, analytischen Ansätzen oder numerischen Mo­ dellen bestimmt werden. Im vorliegenden Fall wurde die Vereinfachung gemacht, dass die Fliessgeschwindigkeiten ober-

Bild 6: Schematisches Längsprofil beim Sihldurchlass mit den zwei Kontroll­ querschnitten QP1 (Einlauf) und QP2 (Auslauf). «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


halb des Einlaufs und unterhalb des Aus­ laufs gleich gross sind (v1 = v2). Diese An­ nahme konnte im übergeordneten numerischen 2D-Modell auch bei eingestautem Durchlass bestätigt werden (v1 ≈ v2). Der Wasserspiegel WSP2 wird unter Berück­ sichtigung des Rückstaueffekts durch die Limmat über eine PQ-Beziehung beim Aus­ lauf (WSP2 -Q-Beziehung) aus dem lo­kalen 2D-Modell bestimmt. Mit diesem Ansatz ergibt sich der Ab­ fluss durch den Sihldurchlass gemäss

mit A = gesamter Durchlassquerschnitt (A = n∙B∙H). Daraus lässt sich beim Einlauf des Durchlasses eine Pegel-Abfluss-Be­ ziehung (WSP1-Q-Beziehung) unter Be­ rücksichtigung des Rückstaueffekts durch

den Limmatabfluss (WSP2 -Q-Beziehung) iterativ erstellen. 4.4  Plausibilisierung und Kalibrierung Die erstellten PQ-Beziehungen werden, basierend auf verschiedenen Ansätzen, plausibiliert und kalibriert. Der Übergang von Freispiegel- auf Druckabfluss (Qzu) kann mit dem vereinfachten Ansatz nach Hager (1995) gemäss

abgeschätzt werden. Obwohl damit Rück­ staueffekte der Limmat nicht berücksich­ tigt werden, kann der Ansatz zur Plausibi­ li­­sierung der erstellten PQ-Beziehungen, ins­besondere für den Übergang in den Druck­abfluss, herangezogen werden. Qzu gemäss Gleichung 7 gilt für einen Teil­durch­ lass und wird für den gesamten Ab­fluss

mit der An­zahl Teildurchlässe (n) mul­tipli­ ziert. Weiter wird für den Sihldurchlass ein 3D-CFD-Modell erstellt, um neben den physikalischen Modellversuchen der VAW eine zusätzliche Kalibrierungsgrundlage für die PQ-Beziehungen im Überlastfall zu schaffen. Mit dem InterFoam Solver der Soft­­ware OpenFoam (Version v1712) wird eine zweiphasenströmung (Wasser-Luft) mit der Volume-of-Fluid-Methode (VOFMe­tho­­de) numerisch gelöst. Die Kalibrie­ rung erfolgt anhand des vorher beschrie­ benen Re­fe­renz­zu­stands, bei welchem der Sihl­durch­lass bei einem Abfluss von 490/ 190 m3 /s (Sihl­ab­fluss  /  Limmatabfluss) im unteren Drittel zuschlägt. Anschliessend werden mit dem kalibrierten 3D-CFD-Mo­ dell zwei Überlast­fälle (540/60 m3 /s und 650/0 m3/s) simuliert (vgl. Bild 7 und Bild 8).

Bild 7: Längsprofil 3D-Modellierung für die beiden Überlastfälle (540/60 m3 /s und 650/0 m3 /s) entlang der Flussachse durch den mittleren Durchlass.

Bild 8: Fliess­ge­ schwin­dig­keiten (an der Wasser­ ober ­fläche) beim Über­last­ fall (650/0 m3/s) der 3D-CFDSimulation beim Sihl­durch­lass mit 3D-Stadt­modell (Blick in Fliess­ richtung). «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

235


Für die Kalibrierung der PQ-Be­ziehun­gen werden ebenfalls Ergebnisse aus den Über­ lastfällen der VAW-Laborversuche (VAW, 2015) verwendet. Diese basieren auf dem Zustand des Durchlasses aus dem Jahre 2014 und wurden mit mobiler Sohle durchgeführt. Im vorliegenden Pro­jekt wird der aktuelle Zustand des Durchlasses aus dem Jahre 2018 (Meisser, 2018) verwen­ det. Ein Vergleich mit den Ergebnissen der VAW-Versuche ist somit nur qualitativ mög­ ­lich. Dennoch stellen die Ergebnisse der Labor­versuche wichtige Anhaltspunkte dar und liefern zudem wichtige Erkenntnisse be­züg­lich der Auflandungshöhen und Auf­ ­­lan­dungsbereiche. Darauf stützend, konn­ ten die Auflandungsszenarien mit den ent­ sprechenden Auflandungshöhen definiert werden. Basierend auf den Anhaltspunkten aus den Überlastfällen der VAW-Labor­ver­suche und den 3D-CFD-Simulationen, kann der analytische Ansatz für den Druckabfluss kalibriert werden (vgl. Bild 9). Die Kalibrie­ rung im Überlastfall wird mit dem Szenario

mit 0,4 m Auflandung und ohne Verklau­ sung durchgeführt. Dieses Szenario (Topo­ gra­fie 2018 mit den mittleren Auflan­dun­ gen von 0,4 m) entspricht von allen unter­ such­ten Szenarien am ehesten der Topo­ gra­fie 2014 und den beobachteten Auflan­ dun­gen aus den VAW-Laborversuchen. Der Abfluss der Limmat wird unter Einhal­ tung der Unter­­hard-Bedingung zugege­ ben, wobei für Sihl­­ab­flüsse > 600 m3 /s der Limmatabfluss ganz abgestellt wird. Die 3D-CFD-Simulationen werden mit den gleichen Abflüssen (Sihl /Limmat), Szenarien und Topografie (2018) wie das lokal erstellte 2D-Modell durchge­führt. Bei den VAW-Laborversuchen sind die Abflüsse (Sihl / Limmat) ebenfalls identisch, jedoch sind, wie bereits erwähnt, die Auflandun­ gen (bewegliche Sohle) und die Topografie nicht exakt identisch (Topo­grafie 2014). Die für den Kalibrierungsfall erstellte PQBeziehung weist zwischen 0,3 und 0,6 m höhere Wasserspiegel auf als die VAWLaborversuche und 3D-CFD-Simu­lationen (Bild 9). Die VAW-Laborversuche und die

3D-CFD-Simulationen liegen im Bereich der Energielinie des Freispiegel­ab­flusses aus dem lokalen 2D-Modell ohne Zu­schla­ gen des Sihldurchlasses (vgl. Bild 9). Es erscheint jedoch plausibel, dass im Falle eines Zuschlagens und Druckab­flus­ses der Wasserspiegel aufgrund der lokalen und kontinuierlichen Energieverluste höher liegt als die Energielinie des Frei­spiegel­ abflusses (ohne Zuschlagen des Sihl­durch­ lasses). Im Rahmen der Kalibrie­rung der PQ-Beziehung musste zudem berücksichtigt werden, dass sich auch für alle an­ deren 16 Szenarien eine sinnvolle analyti­ sche Lösung für den Druckabfluss und ein plausibler Übergang von Frei­spiegel- auf Druckabfluss (Qzu) ergibt. Der analyti­sche Ansatz wurde mit physikalisch sinnvollen Parametern erstellt und liegt im Ver­gleich zu den VAW-Laborversuchen und 3D-CFDSimulationen auf der sicheren Seite. 4.5  Resultierende PQ-Beziehungen Für die 17 Szenarien wird jeweils eine PQBeziehung des Sihldurchlasses erstellt. Da­

Bild 9: PQ-Beziehung des Sihldurchlasses unter Berücksichtigung von Druck­abfluss (Kapitel 4.3) für das Szenario mit 0,4 m Auflandung, ohne Verklausung und Einhaltung der Unterhardbedingung (Abfluss Sihl und Limmat zusammen maximal 600 m3 /s). Als Anhaltspunkte sind die Überlastfälle der VAW, 3D-CFD-Simulationen und Qzu gemäss Ansatz nach Hager (Gleichung 7) dargestellt. Die Energielinie (EL) und der Wasserspiegel (WSP) oben / unten für den Frei­spiegel­ abfluss stammen aus dem lokalen 2D-Modell. 236

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


von ist ein resultierendes Szenario in Bild 9 dargestellt (0,4 m Auflandung, ohne Ver­ klau­sung und Limmatabfluss mit Unter­ hard-Bedingung). Die Abflusskapazitäten, bei welchen der Durchlass zuschlägt, variieren, über alle Szenarien betrachtet, zwischen 371 und 568 m3 /s. Zum Beispiel liegt im Re­ferenzszenario die Abfluss­ka­ pa­zität von 490/190 m3/s Sihlabfluss / Lim­ mat­­ab­fluss (Unterhard-Bedingung nicht einge­halten) auf­grund eines stärkeren Rück­ ­­stau­effekts der Limmat etwas tiefer als beim Szenario, bei wel­chem die Unter­hardBedingung einge­hal­ten wird (Abfluss­kapa­ zität von 519/81 m3 /s). Mit den erstellten PQ-Beziehungen kann der Ein­fluss auf die Ausuferungen und Über ­­flu­tungs­flächen untersucht werden. Im nächsten Kapitel wird auf einige Bei­spiele einge­gangen. 5.  Einfluss auf Überflutungs­ flächen Der Einfluss der vorgestellten Ansätze auf die Überflutungsflächen soll exemplarisch an­hand der Brücken aufgezeigt werden. Die Sensitivitätsanalysen und die nachfol­gend aufgezeigten Simulationsergebnisse basie­

ren auf dem Nettoprinzip, bei dem die aus­ geuferte Wassermenge unterhalb der Aus­ bruchsstelle nicht mehr zur Ver­fügung steht. Die Berücksichtigung der Brücken hat einen grossen Einfluss auf die Überflu­tungs­ flächen auf dem Schwemmkegel der Sihl. Es stellte sich heraus, dass Altstetten bereits ab einem HQ300 überflutet wird (vgl. Bild 10). Im Vergleich dazu würde ohne Be­ rücksichtigung der Brücken Altstetten erst ab einem EHQ überflutet. Hauptverant­wort­ lich sind die Brücken in der Brunau (SZUBahnbrücke und Strassenbrücke), welche bereits ab einem Abfluss von 330 m3/s bzw. 420 m3 /s zuschlagen und in Druckabfluss übergehen (vgl. Bild 4). Dies hat zur Folge, dass während der Hochwasserspitze in der Brunau eine grössere Wassermenge ausufert und über Wiedikon und den See­ bahnausschnitt in Richtung Altstetten flies­ sen kann. Aufgrund dessen gelangt beim Nettoprinzip weniger Wasser zum Sihl­ durch­lass beim Hauptbahnhof. 6. Schlussfolgerungen Oft sind Bauwerke wie Brücken oder Durch­ lässe im Hochwasserereignis verantwort-

lich für Aufstau, Rückstau und daraus folgende Ausuferungen. Im vorliegenden Bei­ trag werden Ansätze vorgestellt, um solche Bauwerke mittels PQ-Beziehungen als innere Randbedingungen in hydraulischen 2D-Modellen zu berücksichtigen. Der vorgeschlagene Ansatz für Brücken berücksichtigt einen Freispiegelabfluss, ein Zuschlagen mit anschliessendem Druck­ abfluss und ein Überströmen der Brücke. Die Wahl der Parameter für die vorge­ schla­genen Ansätze lässt sich auf Lite­ra­ tur­angaben stützen (USDA, 2012; Schall et al., 2012). Auf dem Schwemmkegel der Sihl wird exemplarisch aufgezeigt, dass sich Brücken sensitiv auf den Über­flu­tungs­ prozess auswirken. Die PQ-Beziehungen beim Sihldurch­ lass berücksichtigen den Freispiegel­ab­ fluss, den Druckabfluss und verschiedene Szenarien zu Auflandung, Verklausung und Rückstaueffekt der Limmat. In den meisten Fällen stehen keine Ergebnisse aus Laborversuchen zu Verfügung. 3D-CFDSimulationen stellen ein geeignetes Werk­ zeug dar, um eine Grundlage für die Kali­ brierung von PQ-Beziehungen zu schaffen.

Bild 10: Überflutungsflächen (orange) auf dem Schwemmkegel der Sihl bei einem HQ300 (540 m3 /s, Nettoprinzip) ohne Berücksichtigung der Brücken (links) und mit Berücksichtigung der Brücken (rechts). «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

237


Anhand von PQ-Beziehungen lassen sich Bauwerke wie Brücken oder Durch­lässe eindeutig und explizit hydraulisch definieren. Zudem können damit Sze­na­rien ab-

geleitet und entsprechend dokumentiert werden. Im Rahmen von 2D-Über­flu­tungs­ ­simulationen bieten sich damit Sen­siti­vi­ täts­analysen an, um einerseits das System­

verständnis zu verbessern und an­de­rseits eine Grundlage zu schaffen, um die massgebenden Projektszenarien zu definieren.

Quellen: AWEL (2017). Hochwasserschutz an Sihl, Zürichsee und Limmat, Gefährdung und Massnahmen im Überblick, Oktober 2017, Kanton Zürich, Baudirektion, Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft BASEMENT – Basic Simulation Environment for Computation of Environmental Flow and Natural Hazard Simulation. Version 3.0. © ETH Zurich, VAW, 2019. Bollrich, G. (2000). Technische Hydromechanik, Band 1, Grundlagen, 5. Auflage, Verlag Bauwesen, Berlin Hager W. H. (1995). Abwasserhydraulik: Theorie und Praxis, Springer Verlag Meisser (2018), Vermessung der Sihldurchlässe und Sihl im Bereich des Hauptbahnhofs, Meisser Vermessungen AG USDA (2012). Hydrology National Engineering Handbook, Part 630, Chapter 14, Stage Discharge Relations, U.S. Department of Agriculture (USDA) Schall, J. D., Thompson, P. L., Zerges, S. M., Kilgore, R. T., Morris, J. L. (2012). Hydraulic Design of Highway Culverts, Third Edition, U.S. Department of

Transportation, Federal Highway Administration, Publication No. FHWA-HIF-12-026, Hydraulic Design Series Number 5 TK CONSULT (2020). 2D-Simulationen Schwemmkegel Sihl Stadt Zürich, Prozess Hochwasser, Technischer Bericht, Auftraggeber: Schweizerische Bundesbahn AB (SBB AG), Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons Zürich (AWEL), Bericht im Entwurf [25.06.2020] VAW (2015). Sihldurchlässe Hauptbahnhof Zürich, Hydraulische Modellversuche. Technischer Bericht, VAW Nr. 4308, Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie, ETH Zürich Vetsch D., Siviglia A., Bacigaluppi P., Bürgler M., Caponi F., Conde D., Gerke E., Kammerer S., Koch A., Peter S., Vanzo D., Vonwiller L., Weberndorfer M. 2019. System Manuals of BASEMENT, Version 3.0, Laboratory of Hydraulics, Glaciology and Hydrology (VAW), ETH Zurich, www.basement.ethz.ch [30.03.2020]

Autoren: Dr. Lukas Vonwiller TK CONSULT AG, lukas.vonwiller@tkconsult.ch Michel Kuhlmann TK CONSULT AG, michel.kuhlmann@tkconsult.ch Mattias Deller TK CONSULT AG, mattias.deller@tkconsult.ch Steffen Corbe TK CONSULT AG, steffen.corbe@tkconsult.ch Dr. Matthias Oplatka Sektion Bau, Abteilung Wasserbau, Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL), Kanton Zürich, matthias.platka@bd.zh.ch Dr. Marc Hauser Natur und Naturrisiken, Infrastruktur, Schweizerische Bundesbahn AG (SBB), marc.hauser@sbb.ch

CAS Süsswasserfische Europas Ökologie & Management Start: 12. März 2021 www.zhaw.ch/iunr/fische 238

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Wurden die Fischwanderungen in Fliessgewässern bisher unterschätzt? Resultate einer Fischzählung an der Aare Lisa Wilmsmeier, Nils Schölzel, Armin Peter

Zusammenfassung Zur Beurteilung von Fischaufstiegsanlagen werden in der Schweiz Aufstiegszählungen mithilfe von Zählbecken durchgeführt. Die Fischzählungen wurden in der Ver­gangen­ heit ohne oder mit wenig geeigneten Kehlen am Einstieg des Zählbeckens durchgeführt. Untersuchungen am Hochrhein und an der Aare zeigten uns, dass der Gestaltung der Kehle eine enorme Bedeutung zukommt. Nur so lässt sich die Effizienz der Fischaufstiegsanlage richtig beurteilen. Mit einer neu entwickelten, kombinier­ten Kehle wurde am Zählbecken des Wehrs Winznau (KW Gösgen) eine Fischzählung über ein ganzes Jahr durchgeführt. An 181 Tagen (jeden zweiten Tag) wurden gesamt­haft 102 541 Fische gezählt, die 26 verschiedenen Arten angehörten. Pro Fangtag ergibt dies 567 Fische – eine schweizweite Rekordzahl über die letzten Jahrzehnte. Die Fischwanderungen in unseren Gewässern wurden über Jahrzehnte völlig unterschätzt. Die Resultate früherer Zählungen sind kritisch zu überdenken. Künftige Fischaufstiegszählungen müssen mit funktionierenden Kehlen durchgeführt werden. Durch die hohe Fangeffizienz ergeben sich viel grössere Fischdichten als bei bisherigen Zählungen. Daher sind Anpassungen an Zählbecken und Zähl­ regime notwendig. Sowohl Geschwemmsel wie auch ins Oberwasser entweichende Fische stellen zusätzliche Schwierigkeiten dar. Die Bewertung von Fisch­auf­stiegs­ anlagen sollte schweizweit vereinheitlicht werden. Dies gilt ebenso für den Bau und den Betrieb von Zählbecken.

1.  Einleitung Fischaufstiegszählung als Wirkungskontrolle Die Sanierung von Fischaufstiegsanlagen ist in der Schweiz in vollem Gange und soll gemäss dem revidierten Gewässer­schutz­ gesetz von 2011 bis 2030 abgeschlossen werden. Zu jeder Sanierung und jedem Neubau gehört auch eine technische und biologische Wirkungskontrolle, um die Funktionstüchtigkeit der Anlage zu überprüfen und bei Bedarf Nachbesserungen zu veranlassen. Während es für die technischen Kriterien klare Zielvorgaben gibt (DWA, 2014; Hefti, 2012), wurden für die bio­ logische Wirkungskontrolle in der Schweiz bisher weder die zu verwendende Methode noch das Vorgehen bei der Bewertung fest­ gelegt. Eine Möglichkeit zur Bewertung sind der Fang und die Zählung von aufstei­gen­ den Fischen in der Fischaufstiegsanlage. In Österreich gilt dies, zusammen mit einer Bestimmung des Aufstiegspotenzials im Un­terwasser, inzwischen als Standard­

methode mit festgelegten Bewertungs­ kriterien (Woschitz et al., 2020). Reusen gelten als klassische Methode für Fisch­

auf­stiegs­zählungen (Zaugg et al., 2016). Da sie jedoch ein erhebliches Verletzungs­ potenzial für Fische darstellen, werden in der Schweiz immer häufiger Zählbecken gebaut: Der Abfluss der Fischaufstiegs­ anlage wird in ein separates Becken um­ge­ leitet, welches aufsteigende Fische durch einen Überfall nicht nach oben durchschwimmen können. Durch Verschliessen und Ablassen des Beckens können die aufgestiegenen Fische gefangen und gezählt werden (Gebler, 2010). Fischfang mit Zählbecken – ein leichtes Unterfangen? Um schlüssige Interpretationen der Fang­ zahlen für die Bewertung und den Ver­ gleich verschiedener Anlagen zu ermöglichen, ist die Fängigkeit bzw. Effizienz der Zählbecken von zentraler Bedeutung. Diese wird wie bei jeder Einrichtung zum Fang von Fischen von drei Schritten bestimmt: Der Fisch muss (1) auf die Falle treffen, (2) hineinschwimmen und (3) in der Falle zu­ rückgehalten werden (Hubert et al., 2012). Der dritte Punkt soll bei Zählbecken durch

Bild 1: Kombinierte Kehle aus Metall- und Netztrichter. Die Netzkehle wird mit Schnüren nach vorne aufgespannt, sodass sich eine schmale aber flexible Öffnung bildet.

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

239


das natürliche Verhalten der wandernden Fische (positive Rheotaxis) und eine Reusen­kehle im Einstiegsbereich erreicht werden (Gebler, 2010). Obwohl der Ge­ stal­ tung der Reusenkehle eine enorme Bedeutung für die Fängigkeit einer Zähl­ einrichtung zukommt (Fladung et al., 2017), wurden Zählbecken in der Schweiz bisher mit ungenügenden oder gar ohne Kehlen betrieben. Erst nachdem im Rahmen einer PIT-Tagging-Studie bei gleichzeitigem Ein­ satz des Zählbeckens am Kraftwerk Rhein­ felden erkannt worden war, dass ein grosser Teil der Fische aus den Zählbecken wieder ausschwimmt (Peter et al., 2016), wurde die Fangeffizienz der Zählbecken genauer betrachtet. Untersuchungen am Zählbecken Winznau (s. u.) bestätigten, dass Zählbecken ohne Kehle nicht geeignet sind, um den Rückhalt der Fische zu gewährleisten: Versuche mit markierten Fischen zeigten, dass im Originalzustand des Beckens (ohne Kehle) 94,8 % der eingeschwommenen Fische das Zählbecken vor der abendlichen Zählung wieder verliessen. Anhand von Literaturstudien und Interviews mit Fachpersonen wurde eine Kehle entwickelt, die das Ausschwimmen von Fischen verhindert (Bild 1). Mit dieser, für die Schweiz neuartigen Kehle wurde die Retention der Fische im Zählbecken deutlich verbessert, und nur noch 7,8 % der markierten Fische konnten bei der Kontrolle nicht mehr im Becken nachgewiesen werden. Videoanalysen ergaben sogar eine Aus­schwimmrate von nur 2,6 %. In der Fol­ ­ge stiegen die Fangzahlen im Sommer von durchschnittlich 148 auf 1909 Fische pro Tag (Wilmsmeier et al., 2018). Fischaufstiegszählung Winznau 2019 / 2020 Nachdem die Effizienz der neuen Kehle bestätigt worden war (Wilmsmeier et al., 2020a), wurde damit am Wehr Winznau die schweizweit erste Zählung mit der Kehle über ein ganzes Jahr durchgeführt. Deren Resultate sind von grosser Bedeutung für eine zukünftige Festlegung eines Be­wer­ tungsschemas von Fischaufstiegsanlagen mittels Fischzählungen. Bei der Zählung sollten neben dem tatsächlichen Fischauf­ stieg auch weitere Erfahrungen im Zu­sam­ menhang mit der Fischzählung mit Zähl­ becken gesammelt werden. Offene Fragen zu einer möglichen Selektivität durch einen Scheucheffekt am Einstieg des Zähl­be­ckens und verletzten Fischen wurden mit Befi­ schun­gen des Unterwassers und Video­­auf­nahmen in der Fischaufstiegsanlage wei­ ter­gehend betrachtet: Bei den Zählun­gen von 2018 war aufgefallen, dass bestimmte 240

Bild 2: Zählbecken Winznau im Betriebszustand. Bei geschlossenem Schütz (Mitte) strömt das Wasser über den Überfall (links) und durch das Zählbecken (rechts). schwim­mschwache, bodenorientiere Fisch­ arten im Zählbecken fehlten oder äussert selten vorkamen, obwohl sie in der Aare häufig sind (Groppe, Schmerle, Steinbeis­ ser). Durch Befischung der flussabwärts liegenden Restwasserstrecke und der Fisch­ aufstiegsanlage wurde untersucht, ob die­ se Fische nicht in den Fisch­pass oder nur nicht in das Zählbecken ein­steigen. 2.  Methoden Durchführung der Fischzählung Die Fischaufstiegszählung wurde am Wehr Winznau an der Aare im Kanton Solothurn durchgeführt. Ein Raugerinne­ beckenpass mit zwei Einstiegen verbindet hier die Restwasserstrecke des KW Gösgen mit dem Staubereich oberhalb der Aus­ leitung des Oberwasserkanals. Das 4,5 m3 grosse Zählbecken liegt in der Mitte der An­ lage und wird über zwei manuelle Schieber gesteuert. Während des Be­triebs wird der Fischpass durch ein Schütz verschlossen und das Wasser oberhalb des Zählbeckens angestaut (Bild 2). Über zwei Überfälle an den Seiten des Gerinnes strömt jeweils ein Teil des Wassers weiter in den Fischpass oder durch das Zählbecken. Am Einstieg wurde die zuvor entwickelte und überprüfte kombinierte Kehle installiert. Diese besteht aus einem Metalltrichter und einem Netzfortsatz, welche den Einstieg ins Zähl­ becken über eine Länge von 96 cm von 50 x 56 auf 11 x 25 cm verjüngen (Bild 1). Durch die kleine Öffnung und die Lage in

der Mitte des Beckens wird das Aus­ schwim­men für die Fische stark erschwert. Dank dem flexiblen Netzmaterial können aber trotzdem auch grosse Fische die Kehle passieren (Wilmsmeier et al., 2018). Die Fischzählung wurde durch Mit­glie­ der des FV Olten durchgeführt. Die Fischer wurden vor Beginn der Fischzählung an zwei Informationsanlässen geschult und alle ein bis zwei Wochen durch die FishConsulting GmbH begleitet. Das Zählbecken wurde vom 1. Mai 2019 bis 1. Mai 2020 grundsätz­ lich jeden zweiten Tag in Betrieb genom­ men und nach jeweils rund 24 Stunden geleert. Die gefangenen Fische wurden gezählt, bestimmt und in Grössenklassen à 5 cm eingeteilt. Anschliessend wurden die Tiere im Oberwasser des Wehrs ausgesetzt. An sechs Tagen konnten wegen der grossen Anzahl Fische und / oder fehlender Personalressourcen nicht alle In­ dividuen in Art und Grössenklassen unterteilt werden. An diesen Tagen wurden zwar alle Fische gezählt, aber nicht von allen Individuen unter 20 cm die Art und Grössen­ klasse notiert. Erhebung der Verletzungen An fünf Tagen mit unterschiedlichem Fisch­ aufkommen wurden die Verletzungen der Fische methodisch erhoben (inkl. Betäu­ bung der Fische). Dabei wurde der grobe Schweregrad der gesamten Verletzungen pro Fisch in vier Klassen (keine / leicht / mittel / schwer) sowie die Art der Verletzungen bestimmt.

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Elektrobefischung des Unterwassers An zwei Terminen (28. August und 22. No­ vem­ber 2019) wurden jeweils zwei Ufer­strei­ fen in der Restwasserstrecke sowie der un­ tere Teil des Umgehungsgerinnes mit ei­ nem stationären Elektrofanggerät (Grassl EL 64_II, 7 kW) befischt. Am 25. Juni 2020 wurden zusätzliche Stellen in der Rest­was­ serstrecke mit einem tragbaren Rückenge­

rät (Grassl ELT 60-II 1.3 kW) befischt, um weitere Habitatstypen abzudecken. Alle gefangenen Fische wurden be­täubt, bestimmt und gemessen. Zusätz­lich wurden ihre Verletzungen auf die gleiche Weise erhoben wie bei den im Zähl­becken gefan­ ge­nen Fischen, um die Ver­letzungen durch die Fangeinrichtung mit allfälligen Vor­schä­ digungen vergleichen zu können.

3.  Resultate Zählresultate Insgesamt wurden am Wehr Winznau an 181 Zähltagen 102 541 Fische gezählt, d. h. durchschnittlich 567 Fische pro Tag. Da­ bei variierten die Fangzahlen deutlich saisonal, mit einem Minimum von durchschnittlich einem Fisch pro Tag im Januar

Bild 3: Tägliche Fangzahlen der zehn häufigsten Arten. Die Zeiträume Mai – Mitte Juli und Dezember – April sind zusätzlich mit angepassten Ordinatenachsen dargestellt.

Bild 4: Im Zählbecken Winznau gefangene Fische. Abgebildet sind die neun häufigsten Arten (von oben links: Alet, Barbe, Rotauge, Schneider, Egli, Laube, Hasel, Nase, Gründling). «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

241


Art Lateinischer Name Total Alet Squalis cephalus 30 660 Barbe Barbus barbus 18 202 Rotauge Rutilus rutilus 13 716 Schneider Alburnoides bipunctatus 8 668 Egli Perca fluviatilis 4 293 Laube Alburnus alburnus 3 420 Hasel Leuciscus leuciscus 1 710 Nase Chondrostoma nasus 754 Gründling Gobio gobio 491 Elritze Phoxinus phoxinus 472 Rotfeder S. erythrophthalmus 109 Schleie Tinca tinca 40 Bachforelle Salmo trutta 33 Äsche Thymallus thymallus 28 Groppe Cottus gobio 18 Sonnenbarsch Lepomis gibbosus 16 Brachsmen Abramis brama 15 Wels Silurus glanis 12 Stichling Gasterosteus gymurnus 12 Schmerle Barbatula barbatula 5 Blicke Blicca bjoerkna 6 Aal Anguilla anguilla 3 Karpfen Cyprinus carpio 2 Felchen Coregonus sp. 1 Hecht Esox lucius 1 Trüsche Lota Iota 1 Unbestimmt 19 853 Total 102 541 Anzahl Zähltage 181 Durchschnittlicher Tagesfang 567 Anzahl Arten 26 Tabelle 1: Fangzahlen der Fisch­auf­ stiegs­zählung 2019 / 2020 pro Art. und einem Maximum von 2081 Fischen pro Tag im September. Die täglichen Fang­ zahlen schwankten zum Teil um mehrere Tausend Fische zwischen zwei Zählungen (Bild 3). Am meisten Fische wurden mit 8274 Individuen am 24. Oktober 2019 gezählt. Damit wurde der bisherige Rekord von 10 233 Fischen vom 4. September 2018 (Wilmsmeier et al., 2018) nicht erreicht. Von gegen 35 in der Aare vorkom­men­ den Arten (Fahrni & Witschi, 2019) wurden 26 im Zählbecken nachgewiesen, wobei sich deren Zusammensetzung im Laufe des Jahres verändert (Bild 3). Mit grossem Ab­stand am häufigsten waren die Alet, ge­ folgt von Barben, Rotaugen und Schnei­ dern (Ta­belle 1, Bild 4). Es wurden sowohl rheophile Arten wie Bachforellen und Äschen, Schwachschwimmer wie kleine Rot­augen, Rotfedern oder Schleien als auch sohlge­bun­dene Arten wie Schmerlen und Grop­pen gefangen. Die meisten Arten wurden in den Monaten Juni bis August nachgewiesen. Die grosse Mehrheit der gefangenen Fische wies eine Länge von 5 bis 15 cm auf. Da­bei handelte es sich in 242

erster Linie um Jung­fische der Arten Alet, Rotaugen und Bar­ben, neben Kleinfisch­ arten wie dem Schneider. Vergleich mit dem Unterwasser Bei den elektrischen Befischungen wurden in der Restwasserstrecke insgesamt 1195 Fische von 16 Arten gefangen. Bei einer Abfischung im Jahr 2014 wurde zusätzlich zu den 2019 / 20 gefangenen Arten noch die Äsche in der Restwasserstrecke nachgewiesen (Daten AJF Kt. SO, Befischung durch Aquatica GmbH). Im Umgehungs­ ge­rinne wurden 448 Fische von 10 Arten gefangen, wobei nur an zwei Terminen und nur eine kurze Strecke befischt wurde. Von den Arten, die in der Restwasser­strecke gefangen wurden, wurden alle ausser dem Steinbeisser (Cobitis bilineata) auch im Zähl­ becken gefangen. Dieser wurde 2020 mit zwei Individuen in der Restwasserstrecke nachgewiesen (2014: acht Individuen). In der Fischaufstiegsanlage konnte er hingegen nicht nachgewiesen werden. Verletzungen Gesamthaft traten bei 29 % der untersuch­ ten Fische Verletzungen auf (26,9 % leich­te, 2 % mittlere, 0,2 % schwere Ver­let­zun­gen). Die Verletzungsraten sind stark art­spezi­ fisch; am stärksten betroffen waren Lauben, Rotaugen, Alet und Schneider, die meist Schuppenverluste aufwiesen. Weiter kamen Kopfverletzungen und Risse in den Flossen vor. Allerdings wies auch ein erheblicher Teil der Fische aus der Rest­wasserstrecke bzw. dem Umge­hungs­ge­rinne Verletzun­gen auf. Werden diese als Vorschädigungen berücksichtigt, kann ab­geschätzt werden, dass rund 15 % der Alet, 10 % der Rot­au­ gen und 4 % der Schneider Verletzun­gen durch den Fang im Zähl­becken erlit­ten. 4.  Diskussion Einordnung der Zählresultate Obwohl das Zählbecken nur an 181 Tagen regulär in Betrieb stand, wurden bei der Fischaufstiegszählung Winznau 2019 / 2020 102 541 Individuen von 26 Arten gezählt. Dies stellt mit 567 Fischen pro Tag (soweit bekannt) den schweizweiten Rekord für die vergangenen Jahrzehnte dar und ver­deut­ licht die bereits 2018 fest­ge­stellte grosse Bedeutung einer funktio­nie­­ren­den Kehle für die Resultate von Fisch­auf­­stiegs­zäh­ lungen (Wilmsmeier et al., 2020a). Am gleichen Standort wurden ohne kom­bi­nier ­­te Kehle und nur während des auf­stiegs­stär­ keren Sommerhalbjahrs 2018 nur 66 Fische pro Tag gezählt (Daten AJF Kt. SO), 2005 gar nur 24 Fische pro Tag (Guth­ruf, 2006).

Den Grossteil des Fischaufstiegs mach­ten nicht adulte Fische auf Laichwan­de­rung, sondern Jungfische verschiedener Cypri­ niden­arten aus. Auch beschränkte sich die Artenzusammensetzung nicht auf be­ kann­ te Wanderfische wie Bachforellen, Bar­ben oder Nasen, sondern beinhaltete bis auf den Steinbeisser alle im Unter­ wasser nach­ge­wiesenen Arten (darunter Schwach­schwim­mer wie kleine Rotaugen, Rot­federn oder Stichlinge). Dies verdeutlicht die enorme Bedeutung von Fischauf­ stiegs­hilfen für die Wanderungen verschie­ ­­dener Arten und Le­bensstadien und wurde in ähnlicher Weise bei Fischaufstiegs­zäh­ lun­gen anderer Stu­dien nachgewiesen (z. B. Benitez et al., 2015; Bunt et al., 2001). Fisch­aufstiegszählungen sollten sich deshalb nicht ausschliesslich auf die Repro­ duk­tions­zeit der im untersuch­ten Gewäs­ser vorhan­denen Arten konzentrieren. Wäh­­ rend der häufig nicht untersuchten Winter­ monate (November bis März) wurden auch mit dem Einsatz einer funktionierenden Kehle vergleichsweise wenig Fische gefangen. Allerdings wurden in die­ser Zeit­ periode über 70 % aller Bach­forel­len und Groppen nachgewiesen. Die gewählte Zähl­ ­periode kann also einen äusserst grossen Einfluss auf die Anzahl gefangener Fische bestimm­ter Arten und damit unter Um­stän­ den auch auf die Be­wertung der Fisch­auf­ stiegs­an­lage haben. Bei der Festlegung der Zählperiode und -häufigkeit muss das Ziel der Auf­ stiegs­zählung berücksichtigt werden. So muss für die Funktionskontrolle einer Fisch­­­­auf­stiegsanlage nicht zwingend jeder passierende Fisch gezählt werden. Wichti­ ger ist hier der Nachweis der Passier­bar­ keit für die vorhandenen Zielarten und -grös­sen­klassen, allenfalls bei verschie­ denen Ab­flüssen oder weiteren Umwelt­ faktoren. Ent­­sprechend sollte die Zähl­ periode den Be­ wertungsvorgaben und den Zielarten angepasst werden. Um beispielsweise das Umgehungsgerinne am Wehr Winz­nau zu beurteilen, hätten sich für den Nachweis der Passierbarkeit durch grosse Fische die Zeit von Mitte Mai bis Mitte Juli (Auf­stieg grosser Barben, Alet und Welse), für den quantitativen Fisch­ aufstieg die Monate August und Sep­tem­ ber gelohnt. Eine Zäh­lung jeden zweiten Tag wäre für eine Be­wertung wahrscheinlich ausreichend gewesen (je nach Bewer­ tungs­mass­stab). Mit den zusätzlichen Untersuchungen zum Scheucheffekt wurden keine Hin­ weise auf eine relevante Selektivität am Einstieg des Zählbeckens gefunden. Von den im Unterwasser nachgewiesenen Ar­

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


ten wurden alle bis auf den Steinbeisser (Cobitis bilineata) auch im Zählbecken gefangen. Diese benthisch lebenden Fische bevorzugen langsam fliessende Gewässer mit feinen Sedimenten. Da 2019 auch kei­ ne Steinbeisser in der Fisch­auf­stiegs­an­ lage gefangen wurden, wird angenom­men, dass sie diese höchstens in seltenen Fäl­ len als Lebensraum oder Wanderkorridor benutzen und daher auch nicht bei der Fischzählung nachgewiesen werden konn­ ten. Auch bei den Video­aufnahmen gibt es keine Hin­weise auf eine Selektivität beim Einstieg ins Zähl­becken. Alle im Umge­ hungs­­ge­rinne nach­gewiesenen aufstei­ genden Fisch­arten und Grössenklassen wurden im gleichen Zeitraum auch im Zählbecken gefangen. Die Verletzung von Fischen im Zähl­ becken konnte trotz spezifischen Mass­ nah­men (Polsterung der Gitter, Absperrung der Fangrinne) nicht verhindert werden. Um Fischzählungen mit Zählbecken möglichst fischschonend durchführen zu können, sollte die Fischdichte im Zählbecken möglichst geringgehalten werden. Das Zählbecken Winznau erwies sich mit 4,5 m3 bereits 2018 als zu klein für das Fischauf­ kommen. Neben grösseren Becken können Verletzungen durch angepasste Fliessge­ schwin­digkeiten, kurze Aufenthaltszeiten sowie schonendes Handling bei der Zäh­ lung und dem Transport ins Oberwasser vermindert werden. Zusätzliche Untersuchungen am Zählbecken Hagneck Neben Winznau wurde das Problem ausschwimmender Fische zusätzlich am Zähl­ becken des Kraftwerks Hagneck, welches mit einer Kehle aus flexiblen Metallstäben ausgerüstet ist, untersucht. Diese Stab­ kehle galt zuvor als geeignet, um zumin­ dest grössere Fische sicher im Becken zu­ rückzuhalten. So konnten bei der Wir­kungs­ kontrolle rund 44 500 Fische während eines Jahres (122 Fische pro Tag) gezählt werden (WFN, 2019). Videoaufnahmen vom Ein­stieg zeigten jedoch, dass sowohl kleine als auch grosse Fische in beträchtlicher Zahl (während 15 Stunden wurden bei schlechten Sichtverhältnissen 829 einschwimmende und 491 ausschwimmende Fische gezählt) durch die Stabkehle aus dem Zählbecken ausschwimmen. Diese legten sich wenn nötig auf die Seite oder zwängten sich kopfvoran durch die Stäbe, um das Zählbecken zu verlassen. Die flexible Stabkehle bietet mit einer Ausschwimm­ rate von rund 60 % somit keinen ausrei­ chen­den Fischrückhalt und kann zu zusätzlichen Verletzungen führen.

Neue Herausforderungen für Fischaufstiegszählungen Durch die kombinierte Kehle werden die Fische effizient zurückgehalten, und die Fangzahlen steigen beträchtlich. Während das Problem nach unten ausschwim­men­ der Fische damit gelöst wurde, zeigen die weiterführenden Untersuchungen neue Her­ ausforderungen für den Bau und Betrieb von Zählbecken: • Geschwemmsel kann zu einer starken Verlegung der Kehle führen, wodurch die Funktionsfähigkeit des Zähl­ beckens stark beeinträchtigt wird. Beim Einsatz einer kombinierten Kehle muss das Geschwemmsel vor dem Zählbecken aufgefangen oder abge­ leitet werden. • Das Ausschwimmen von Fischen über den Einlauf kann die Zählresultate ebenso verfälschen wie eine fehlende oder schlecht funktionierende Kehle und muss bei der Planung neuer Zählbecken berücksichtigt werden. • Da mit einer effizienten Reusenkehle sehr viele Fische gefangen werden, ist zu überlegen, ob es in jedem Fall eine Zählung über 365 Tage braucht. Die Funktionsfähigkeit einer Fischauf­ stiegsanlage kann auch mit deutlich weniger Zähltagen nachgewiesen werden; das ist schonender für die Fische und spart Ressourcen. Für jede Untersuchung sollte deshalb ein klares Zählkonzept erstellt und die Zähl­ periode und -häufigkeit den Unter­ suchungszielen und Zielarten angepasst werden. Für Wirkungs­ kontrollen an Gewässern mit gemischtem Fischbestand wäre z. B. eine Zählung über 3 bis 6 Monate im Frühsommer / Herbst, bei Vorkommen von Salmoniden zusätzlich 1 bis 2 Monate im Winter denkbar. Auch eine Zählung jeden zweiten Tag, wie in der vorliegenden Untersuchung, kann zielführend sein. Von einzelnen, stichprobenartigen Zähltagen wird aufgrund der hohen Schwankungen der Anzahl aufsteigender Fische hingegen abgeraten. Weitere Empfehlungen für den Bau und Be­trieb von Zählbecken sind im ausführlichen Expertenbericht (Wilmsmeier et al., 2020b) aufgeführt und werden zusätzlich separat veröffentlicht. Fischaufstiegszählungen mit Zähl­be­ cken wurden in der Schweiz bisher ohne oder mit ungenügenden Kehlen durchge­ führt. Auch die verwendeten Reusen folgen keinem fischereibiologischen Standard und

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

weisen oft erhebliche Mängel auf (verletzte und tote Fische, zu enge starre Kehl­öff­nung, fehlende Leitflügel). Durch die unterschied­ lich effizienten Fangeinrichtungen ist es nicht möglich, verschiedene Anlagen miteinander zu vergleichen. Tiefe Fangzahlen können sowohl durch ungenügende Fisch­ aufstiegsanlagen als auch durch eine schlechte Retention der Fische in den Fang­einrichtungen entstehen. Wie in der wissenschaftlichen Literatur (Stuart et al., 2008) werden die verwendeten Fangein­ richtungen auch in Schweizer Berichten kaum genauer beschrieben. Kenntnisse über die Art und Masse der verwendeten Zählbecken oder Reusen und ihrer Kehlen wären jedoch sehr wichtig, um die Re­ sultate verschiedener Zählungen besser einordnen zu können. Für eine standardisierte Beurteilung der Anlagen anhand von Fischzählungen müssen die Fangein­rich­ tungen zumindest im Wesentlichen (Art der Kehle, Überfall bzw. Maschenweite, Betriebszeiten) standardisiert werden. Nicht nur der Bau und Betrieb der Zähl­ becken, sondern auch der Bewertungs­ mass­stab ist ausschlaggebend für eine fischökologisch schlüssige Einschätzung der Funktionalität von Aufstiegsanlagen. Ein solcher fehlt bisher für die Schweiz. Eine zukünftige standardisierte Bewertung von Fischaufstiegsanlagen könnte z. B. nach dem Vorbild der Richtlinien des österrei­ chischen Fischereiverbands gestaltet wer­ den. Hierfür werden die Resultate einer Fischaufstiegszählung anhand des qualitativen und quantitativen Fischaufstiegs im Vergleich zum Unterwasserbestand so­ wie des Aufstiegs der grössenbestim­men­ den Fischart und von Indikatorgruppen (sohlgebundene Arten, Schwachschwim­ mer, Schwarmfische) beurteilt (Woschitz et al., 2020). Weitere Methoden wie Tele­ metrie mit passiven oder aktiven Sendern sollten ebenfalls unbedingt berücksichtigt werden. 5.  Fazit Die Fischaufstiegszählung 2019 / 2020 am Zählbecken Winznau zeigt, dass mit einer funktionierenden Fangeinrichtung deutlich mehr aufsteigende Fische in Fischauf­stiegs­ anlagen nachgewiesen werden können als bisher erwartet. Eine Hochrechnung der durchschnittlichen täglichen Fangzahlen ergibt einen Fischaufstieg von insgesamt 207 348 In­dividuen für das ganze Jahr, was den deutlichen Rekord für die Schweiz der letzten Jahrzehnte darstellt. Die Resultate anderer Zählungen erhalten dadurch eine neue Perspektive, und ihre Bedeutung 243


muss überdacht werden. Die Fisch­wan­ derungen in schweizerischen Gewässern wurden bis­her deutlich unterschätzt. Für die zukünftige Beurteilung der Fisch­gäng­ igkeit mit Aufstiegszählungen braucht es standardisierte Fangmethoden. Ein schweiz­ weit einheitliches Beurteilungsschema muss zudem den Fischbestand im Unterwasser

und weitere Untersuchungsmethoden berücksichtigen.

Quellen: Benitez, J. P., Nzau Matondo, B., Dierckx, A. & Ovidio, M. (2015). An overview of potamodromous fish up­stream movements in medium-sized rivers, by means of fish passes monitoring. Aquatic Ecology, 49 (4), 481–497. Bunt, C. M., Van Poorten, B. T. & Wong, L. (2001). Denil fishway utilization patterns and passage of several warm­ water species relative to seasonal, thermal and hydraulic dynamics. Ecology of Freshwater Fish, 10 (4), 212–219. DWA (2014). Merkblatt DWA-M 509. Fischaufstiegs­ anlagen und fischpassierbare Bauwerke – Gestaltung, Bemessung, Qualitätssicherung. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V., Hennef. Fahrni, A. & Witschi, F. (2019). Aare. In Muhar, S., Muhar, A., Egger, G., & Siegrist, D. (Hrsg.), Flüsse der Alpen (S. 350 – 353). Haupt Verlag Bern. Fladung, E., Zahn, S., Naas, C. & Knösche, R. (2017). Entwicklung und Bau von Standard-Kastenreusen für die Kontrolle von Fischaufstiegsanlagen an Bundes­ wasserstrassen. Bericht zur Grundlagenermittlung / Literaturrecherche. Studie im Auftrag der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG). 40 S. Gebler, R. J. (2010). Zählbecken – eine Fischschonende Methode zur Funktionskontrolle von Fischwegen. WasserWirtschaft, 3, 26–29. Guthruf, J. (2006). Koordinierte Fischaufstiegskontrollen an den Aare-Kraftwerken zwischen Solothurn und der Mündung in den Rhein. Studie im Auftrag des Amtes für Umwelt des Kantons Solothurn, des Amtes für Wald, Jagd und Fischerei des Kantons Solothurn, der Sektion

Jagd und Fischerei, BVU des Kantons Aargau und der Abt. Landschaft und Gewässer, BVU des Kantons Aargau. 99 S. Hefti, D. (2012). Wiederherstellung der Fischauf- und -abwanderung bei Wasserkraftwerken - Checkliste Best practice. Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern. Umwelt-Wissen Nr. 1210. 79 S. Hubert, W. A., Pope, K. L. & Dettmers, J. M. (2012). Passive capture techniques. In A. V. Zale, D.L. Parrish & T.M. Sutton (Hrsg.), Fisheries Techniques (3. Auflage, S. 223–265). American Fisheries Society: Bethesda, Maryland. Peter, A., Mettler, R. & Schölzel, N. (2016). Kurzbericht zum Vorprojekt «PIT-Tagging Untersuchungen am Hochrhein – Kraftwerk Rheinfelden». Studie im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt, BAFU. 45 S. Stuart, I. G., Zampatti, B. P. & Baumgartner, L. J. (2008). Can a low-gradient vertical-slot fishway provide passage for a lowland river fish community? Marine and Freshwater Research, 59 (4), 332–346. WFN – Wasser Fisch Natur AG. (2019). Erneuerung Kraftwerk Hagneck – Wirkungskontrolle Fischaufstieg. Teil A: Nachweis der Funktionstüchtigkeit des Umgehungsgewässers als Fischaufstiegshilfe und der Eignung als Lebensraum für Fische. Im Auftrag der Bielerseekraftwerke AG. 82 S. Wilmsmeier, L., Schölzel, N., Baumann y Carmona, A. & Peter, A. (2020a). Fischzählbecken – die unterschätzte Bedeutung der Reusenkehle. WasserWirtschaft, 2–3, 55–62.

Danksagung Die Studie wurde vom Bundesamt für Um­ welt (BAFU), dem Alpiq Ökofonds und der Abteilung Jagd und Fischerei des Kantons

Solothurn unterstützt. Der Alpiq Hydro Aare AG und den Mitgliedern des FV Olten danken wir für die gute Zusammen­ arbeit am Zählbecken Winznau. Ebenso be­danken wir bei der BKW Energie AG und WFN – Wasser Fisch Natur AG für die gute Zu­ sammenarbeit am Zählbecken Hagneck.

Wilmsmeier, L., Schölzel, N., Kastenhofer, O. & Peter, A. (2020b). Fischwanderung: Kontrollinstrument Zählbecken. Weiterführende Untersuchungen zum Einsatz der kombinierten Kehle. Studie im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt BAFU. 70 S. Wilmsmeier, L., Schölzel, N. & Peter, A. (2018). Fischwanderung: Kontrollinstrument Zählbecken. Die unterschätzte Bedeutung der Reusenkehle. Studie im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt, BAFU. 48 S. Woschitz, G., Gumpinger, C., Guttmann, S. & Zeiringer, B. (2020). Richtlinie 1/2003 i. d. F. 2020. Mindestanforderungen bei der Überprüfung von Fisch­aufstiegshilfen und Bewertung der Funktions­ fähigkeit. Richtlinien der Fachgruppe Fischerei­ sachverständige beim Österreichischen Fischerei­ verband. 45 S. Zaugg, C., Boller, L., Dönni, W. & Guthruf, J. (2016). Massnahmenumsetzung Sanierung Fischgängigkeit. Umfang und Methodenwahl von Wirkungskontrollen. Studie im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt, BAFU. 30 S. Autoren: Lisa Wilmsmeier, FishConsulting GmbH, Hagmatt­strasse 7, 4600 Olten, lisa.wilmsmeier@fishconsulting.ch Nils Schölzel, FishConsulting GmbH, Hagmattstrasse 7, 4600 Olten, info@fishconsulting.ch Dr. Armin Peter, FishConsulting GmbH, Hagmattstrasse 7, 4600 Olten, info@fishconsulting.ch

KOHS-Tagung 2021

Schutzkonzepte und ihre Bauten am Lebensende – was nun? Donnerstag / Freitag, 24. / 25. Juni 2021 Konzepthalle 6, Thun (CH) Symposium CIPC 2021

Concepts de protection et leurs ouvrages en fin de vie – et ensuite ? Jeudi / vendredi, 24 / 25 juin 2021 Konzepthalle 6, Thoune (CH)

244

kursion KOHS-Tagung mit Ex ec Excursion Symposium CIPC av Anmeldung | Inscription Anmeldungen bitte über die Webseite www.swv.ch. Die Teil­ nehmer­zahl ist begrenzt. Wir berücksichtigen die Teilnahme in der Reihenfolge der Anmeldungen. Inscriptions par le site web www.swv.ch. Le nombre de partici­pants est limité. Les inscriptions seront considérées par ordre d’arrivée.

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Erneuerung Kraftwerk Dietikon:

Realisierte Massnahmen für den Fischschutz und die Fischwanderung Alfredo Scherngell, Andrea Balestra, Frederic Boden, Martina Breitenstein

Zusammenfassung Im Herbst 2017 hat der Kanton Zürich die Baubewilligung für die Erneuerung des bestehenden Ausleitkraftwerks Dietikon für weitere 60 Jahre erteilt. Damit wurden auch die Sanierungsmassnahmen für die Wiederherstellung der Fischgängigkeit bei der Kraftwerksanlage genehmigt. Die Planung der Massnahmen war aufgrund der Bestandsanlage und der beengten Platzverhältnisse in der innerstädtischen Lage eine grosse Herausforderung. In einem partizipativen Prozess wurden zusammen mit den Behörden, Umweltverbänden und weiteren Stakeholdern die bestmöglichen Lösungen für den Fischschutz sowie teils innovative Bauwerke für die Fisch­wan­de­ rung festgelegt. Seit dem Abschluss der Realisierung (Bauzeit Frühling 2018 bis Herbst 2019) stellt ein Horizontalrechen (Fläche > 200 m2) den Fischabstieg über den neu erstellten Bypass beim Hauptkarftwerk sicher. Zusam­men mit den neuen fischschonenden Turbinen wird die Gefahr für abwandernde Fische damit auf ein Mini­ mum reduziert. Um die flussaufwärts gerichtete Fischwan­de­rung zu gewährleisten wurden sowohl beim Hauptkraftwerk wie auch beim neuen Dotierkraftwerk auf dem Wehr­sporn eine Fischaufstiegshilfe vom Typ enature® gebaut.

1. Einleitung Das Wasserkraftwerk Dietikon ist ein Aus­ leitkraftwerk an der Limmat, das auf eine lange Geschichte zurückblicken kann. Die Anfänge gehen auf das Jahr 1860 zurück. Damals wurde die Wasserkraft an diesem Standort erstmals mechanisch für eine Weberei genutzt. Ab 1888 kam es zu mehreren Umbauten zwecks Stromproduktion, welche schliesslich 1894 zum Bau des ersten Wasserkraftwerks mit drei Turbinen führten. 1908 übernahmen die Elektrizitäts­wer­ ke des Kantons Zürich (EKZ) das Kraft­ werk Dietikon. Aufgrund der alternden Bau­­substanz entschied sich EKZ in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts für einen kompletten Neubau des Kraftwerks. 1931 bis 1933 wur­­den das heute noch in Be­trieb stehende Wehr, der Ober- und Un­ terwas­ser­kanal zur Ausleitung und Rück­ gabe des Wassers so­wie das Maschi­nen­ haus mit den von drei auf zwei reduzierten Maschinengruppen ge­­baut. Aufgrund der erhöhten Staukote des Wehrs, welche 1947 nochmals auf die heute noch gültige Staukote von 385,30 m ü. M. erhöht wurde, war bereits damals eine deutliche Leis­ tungssteigerung und Er­hö­hung der Strom­

produktion möglich. Das Kraftwerk war danach bis Mai 2018 in Betrieb und hatte eine durchschnittliche Jahrespro­duk­tion von 17,67 GWh. Bereits im März 1999 startete EKZ das Ver­fahren für die Erneuerung der Konzession des Kraftwerks Dietikon, welche Ende 2011 nach 80 Jahren auslief. Das Verfahren erwies sich als überaus langwierig, was die Festlegung der neuen Restwassermenge für die Restwasserstrecke unterhalb des Stauwehrs und den Umfang der ökologi­ schen Ausgleichsmassnahmen sowie die Be­wertung des Nutzens der konkreten Ein­ zelmassnahmen betraf. Dazu kamen re­ gulatorische Einflüsse, insbesondere mit der Einführung der kostendeckenden Ein­ speisevergütung (KEV) im Jahr 2009. Mit der Möglichkeit der KEV bot sich für EKZ die Gelegenheit, das zukünftig abzuge­ bende Restwasser in einem neuen Dotier­ kraftwerk (DKW) für eine zusätzliche Strom­ produktion zu nutzen. Für das daraufhin angepasste Konzessionsprojekt wurde im November 2016 die neue Konzession für eine Dauer von 60 Jahren sowie im Okto­ ber 2017 die Baubewilligung erteilt. Der Um­bau des bestehenden Hauptkraftwerks (HKW) und der Neubau des Dotierkraft­ werks, inklusive der neuen Fisch­wander­

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

hilfen so­wie des Grossteils der ökolo­gi­ schen Er­satz-, Hochwasserschutz- und Er­holungs­mass­nahmen, wurden in weniger als zwei Jahren Bauzeit realisiert. Ende 2019 konnten die neuen Kraftwerke mit den Fisch­wanderhilfen erfolgreich in Betrieb genom­men werden. 2. Systemüberblick 2.1  Die Fischfauna der Limmat in Dietikon und Migrationswege Die Limmat in Dietikon liegt fischbiolo­ gisch in der Barbenregion. Sie ist Lebens­ raum für mehr als 20 verschiedene Fisch­ arten (WFN, 2016). Alet und Barben sind die am häufigsten nachgewiesenen Fisch­ arten, jedoch ist die Limmat in Dietikon auch Lebensraum der in der Schweiz vom Aussterben bedrohten Nase oder der stark gefährdeten Äsche. Letztere zwei Arten kommen allerdings nur in kleinen Dichten vor. Um die Vielfalt der aquatischen Fauna und den genetischen Austausch zwischen den einzelnen Populationen nachhaltig zu fördern, ist die freie Durchwanderbarkeit – sowohl flussaufwärts als auch flussab­ wärts – von zentraler Bedeutung. Vor dem Neubau der Fischwander­hilfen war der Fischaufstieg ausschliesslich durch einen Beckenpass mit Schlupfloch und Kro­nenausschnitt im Bereich des Wehres möglich, für den Abstieg blieb den Fischen nur der Weg via die Turbinen oder den Wehr­­überfall. Im Rahmen der Konzessionserneue­ rung und in Abstimmung mit der Sanie­ rungs­planung Fischgängigkeit des Bundes wurden Fischwanderhilfen erstellt, welche den Fischauf- sowie den Fischabstieg im Kon­­zes­sionsgebiet des Kraftwerks Dieti­kon sicherstellen sollen. 2.2 Anlagenbeschreibung Die konzessionierte Wassermenge beträgt 120 m3 /s. Die Restwassermenge wurde mit der neuen Konzession auf 10 m3 /s im Winterhalbjahr und 15 m3/s im Sommer­halb­ jahr festgelegt. Aufgrund des gegebenen 245


Wehr Neues Dotierkraftwerk Oberwasserkanal Hauptkraftwerk Unterwasserkanal

Bild 1: Übersicht Kraftwerk Dietikon (Foto: EKZ). Fassungsvermögens des bestehenden Ober­­wasserkanals wurde eine Aufteilung von 95 m³/s Ausbauwassermenge beim Hauptkraftwerk und 25 m³/s beim neuen Dotierkraftwerk gewählt. Die Stauhaltung erfolgt durch das bestehende Wehr mit vier Wehrfeldern, welches unmittelbar oberhalb der Über­land­ strasse in Dietikon liegt. Die Staustrecke oberhalb des Wehrs beträgt 2,5 km und die Restwasserstrecke unterhalb des Wehrs bis zur Wasserrückgabe 1,4 km. Aufgrund der Umnutzung des ehemaligen Industrie­ gebiets angrenzend an das Hauptkraft­ werk in ein Wohn- und Geschäftsquartier akzentuiert sich zunehmend die innerstädtische Lage der Kraftwerksanlagen. Vom Wehr erfolgt die Ausleitung über einen 410 m langen trapezförmigen Ober­ wasser­kanal zum Hauptkraftwerk. Um die mit der neuen Konzession erhöhte Mindest­ restwassermenge nutzen zu können, wurde auf dem Wehrsporn ein neues Dotierkraft­ werk errichtet (vgl. Bild 1). Beim Dotier­ kraftwerk wird das Dotierwasser am Be­ ginn des Oberwasserkanals gefasst, über eine horizontale Kaplan-Rohrturbine (Bulb­ turbine) verarbeitet und noch vor der Über­ landstrassenbrücke wieder der Rest­was­ ser­strecke zurückgegeben. Um die Fisch­ wanderung sicherzustellen, wur­de beim Dotierkraftwerk zusätzlich zum beste­hen­ den Fischpass beim Wehr ei­ne neue Fisch­ aufstiegsanlage vom Typ enature® er­stellt. Der Fischschutz wird beim Dotier­kraft­ werk über einen horizontalen Fein­rechen mit 20 mm Stababstand sicherge­ stellt. Auf­grund der Ausrichtung des Re­chens parallel zur Strömung werden die Fische für den Fischabstieg zum Haupt­kraft­werk weiter­geleitet. Das Dotier­kraft­werk hat mit 246

einer Ausbauwassermenge von 25 m3 /s eine erwartete jährliche Strom­produktion von 3,61 GWh. Beim bestehenden Hauptkraftwerk wur­ den nebst einiger baulicher Erneuerungen die beiden Maschinengruppen inklusive der Hilfseinrichtungen komplett ersetzt. Die neuen vertikalen Kaplan-Turbinen wurden dabei in die bestehenden Saugrohre eingesetzt. Auch die Einlaufspiralen wurden aus dem Bestandsbau beibehalten. Neu designt wurden hingegen die Einlauf­konus­ se welche zusammen mit dem kompletten Neubau des Einlaufbereichs neu erstellt wurden. Der Umbau des Einlaufbereichs war notwendig, da anstatt des bisherigen Vertikalrechens mit 72 mm lichtem Stab­ ab­stand neu der grösste Horizontalrechen im deutschsprachigen Raum, mit 20 mm lichtem Stababstand und einer Fläche von 212 m2, den Fischabstieg beim Kraftwerk Dietikon ermöglicht. Durch den in einem 45°-Winkel zur Fliessrichtung stehenden Rechen werden die Fische auf die rechte Kanal­seite geleitet. Dort werden sie via Bypass (einen ausgebauten ehemaligen Eis­ kanal) ins Unterwasser geführt. Der 750 m lange trapezförmige Unterwasser­ kanal lei­tet das turbinierte Wasser schlies­ s­lich wieder zurück in die Limmat. Der Zu­ sam­men­fluss von Kanal, Reppisch und Lim­mat wur­de, als Teil der ökologischen Er­satz­mass­nah­men, neu zu einem Fluss­ delta aufge­wer ­tet. Um nach der Erneuerung auch den Fischaufstieg beim Hauptkraftwerk zu ermöglichen, wurde auf der linken Seite eine neue Fischaufstiegshilfe (FAH) vom Typ enature® mit einer Lockstromdotations­ anlage im Ein­stiegsbereich erstellt. Da an dieser Stelle zuvor die Kahnrampe (Boots­

über­setzanlage) situiert war, musste diese neu erstellt werden. Heute verläuft die Kahn­rampe unmittelbar angrenzend an die Fischauf­stiegshilfe. Beim erneuerten Haupt­kraft­werk wird bei einer Ausbau­ was­ser­menge von 95  m3 /s eine Jahres­ produktion von 15,84 GWh erwartet. 3. Fischwanderhilfen 3.1  Vorgehensweise bei der Planung und Randbedingungen Die Planung und Umsetzung der Fisch­ wanderhilfen wurden im Rahmen eines par­tizipativen Verfahrens eng durch die zu­ ständigen Behörden (Bundesamt für Um­ welt, BAFU, Fischerei- und Jagdverwaltung Kanton Zürich) sowie die NGOs (WWF, aqua viva, Fischereivereine) begleitet (Lombardi und WFN, 2017). Für spezifische Über­prü­ fun­gen und Optimierungen bezüglich der hydraulischen Parameter wurden Exper­ ten aus dem Ausland beigezogen. Als Leitarten für die Fischwanderhilfen wurden Barbe, Lachs und Forelle definiert. In einem Variantenstudium wurden verschiede Typen und Lagen von Fisch­wan­ der­hilfen evaluiert. Aufgrund der beste­ henden Gebäude / Infrastruktur stellte sich dieses Begehren als grosse Herausfor­de­ rung dar. Nicht immer liess sich die aus fischökologischer Sicht beste Lösung mit der vorhandenen Bausub­stanz (Statik) oder den engen Platzver­hält­nissen vereinbaren: • Beim HKW wäre die Linienführung mit einem konventionellen Vertical-SlotFischpass aufgrund der engen Platz­ verhältnisse (beidseits Infrastruktur, Gebäude) nicht möglich gewesen. Deshalb entschied man sich für den Multischlitzpass, der auf kleinere

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Bild 2: Mögliche Fisch­wander­ routen im An­ lagen­bereich des Kraft­werks Dietikon (Luft­ bild noch aus der Bau­phase ohne die Schwellen­ absenkung) (Foto: EKZ). Distanz weniger Höhendifferenzen zwischen den einzelnen Schlitzen aufweist. • Beim DKW wird die Leitströmung durch den vorhandenen Brückenpfeiler beeinflusst: Je nach Abfluss wird die Leitströmung in zwei Arme geteilt. Um die Leitströmung möglichst entlang des linken Ufers zu halten, wurde die sich unterhalb der Brücke befindende Blockschwelle linksseitig abgesenkt und mit Beckenstrukturen ausgebildet. Der ursprünglich geradlinig verbaute Uferbereich wurde durch Strukturen für schwimmschwache Fische ersetzt. Falls aufsteigende Fische von der geteilten Leitströmung dennoch fehl­geleitet würden, wurde der wehrnahe alte Beckenfischpass in Betrieb gelassen. • Der Bypass des Fischabstiegs beim HKW konnte infolge der bestehenden Bausubstanz (Gebäudestatik) nicht ganz geradlinig geführt werden Durch eine detaillierte Wirkungskontrolle wird voraussichtlich 2021 die Funk­tions­ fähigkeit für die wandernden Fische kontrolliert und – falls notwendig – optimiert wer­ den. 3.2  Mögliche Wanderrouten der Fische Der Fischaufstieg ist beim HKW (enature® Fischpass mit zusätzlichem oberflächennahem Einstieg), beim DKW (enature® Fischpass) sowie beim Wehr (ursprünglicher Beckenpass) möglich (Bild 2). Der Fischabstieg kann wie folgt stattfinden: Beim DKW werden die Fische entlang einem Horizontalrechen (Fisch­schutz) weiter zum HKW geleitet. Beim HKW werden die Fische via Horizontal­rechen hin

zum Bypass in den Unterwas­ser­kanal geführt. Bei beiden Kraftwerken besteht theo­retisch die Möglichkeit der Turbinen­ passage für kleinere Fische. Bei hoher Wasserführung der Limmat ist die Pas­sa­ ge via Wehr ebenfalls möglich. Ver­mutlich nur in Ausnahmefällen wandern die Fische über die Fischaufstiegshilfen ab.

Die­se Schlitze ermöglichen bodenorien­ tiert­en Fischen sowie Freiwasser­schwim­ mern ein Passieren der Anlage und sind weniger anfällig gegenüber Verklausungen (z. B. durch Totholz) als andere Bauweisen.

3.3  Beschreibung Fischwanderhilfen und Fischschutz 3.3.1  Fischaufstieg Die Platzverhältnisse für die Realisierung einer Fischaufstiegsanlage beim beste­ henden Maschinenhaus waren sehr eng (Trassee der Kahnrampe, bestehende Ge­ bäude). Damit waren Einschränkungen in der Längen- und Breitenentwicklung der Anlage verbunden. Im Rahmen der früheren Projektierungsphasen wurden deshalb verschiedene Lösungsmöglichkeiten im Detail geprüft und die unter den gege­be­nen Bedingungen funktionell sowie wirtschaftlich beste Variante bestimmt. Die neue Anlage wurde als Multi-Struk­ tur-Schlitzpass ausgeführt, welcher sich be­sonders bei engen Platzverhältnissen eig­net. Die 35 Becken werden mit einem Durch­fluss von rund 220 l/s gespeist. Die Beckenabmessungen sind aufgrund der im Gewässer herrschenden Abflussverhält­ nisse, der am Standort anzutreffenden Fisch­fauna und der grössenbestim­men­ den Fischart (Lachs) dimensioniert. Jedes Becken besteht aus zwei Teilbecken und zwei vertikalen Schlitzen in den Zwischen­ wänden, die über die gesamte Höhe des Bauteils reichen. Die Abwechslung der Schlitz­seite je Bauteil sowie die Ablenkung beim Schlitz führen zu einer Strömungs­ um­lenkung, um eine geschwungene Haupt­ strö­mung zu gewährleisten (vgl. Bild 3).

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

Bild 3: enature® -Fischaufstiegshilfe beim Dotierkraftwerk (Foto: EKZ). Der oberflächennahe Einstieg direkt beim Kraftwerk dient jenen Fischen, die zu den Turbinenausläufen schwimmen und sich im strömungsberuhigten Bereich oberhalb der Turbinenwalze sammeln (vgl. Bild 4). Die Fische kommen dann nicht mehr weiter und suchen entlang dem Hindernis nach einem Weg. Für diesen Einstieg wird eine zusätzliche Lockströmung über eine Stahl­ leitung zugeführt. Über diese Leitung werden beim Einstiegsbecken 100 l/s zusätzlich abgegeben, ohne die Strömungs­ver­ hält­nisse im Hauptaufstiegskorridor zu be­ einträchtigen. 247


Haupteinstieg mit  Sohlenanbindung

Lockstromdotationsbauwerk

Oberflächennaher Einstieg

Bild 4: Einstiegs­situation Fisch­aufstieg beim Hauptkraft­werk (Foto: EKZ). Für den Fischaufstieg soll eine Leit­strö­ mung von mindestens 1 % des turbinierten Ab­ flus­ ses abgegeben werden. Um dieses Kri­terium zu erfüllen, wurde ein Lock­strom­dotationsbauwerk mit einer Was­serstrahl­pumpe im Bereich des Ein­ stiegs im Unterwasser mit Sohlenan­bin­ dung gebaut. Beim neuen Dotierkraftwerk befindet sich der Einstieg der Fischaufstiegsanlage am linken Ufer, direkt unterhalb des Tur­bi­ nen­auslaufs. Die durch die Restwasser­ strecke aufsteigenden Fische werden vorwiegend in der Nähe des linken Ufers erwartet. Sie treffen damit zuerst auf den An­ lageneinstieg und müssen nicht die Strö­ mung des Turbinenauslaufs queren. Das neue Bauwerk wurde ebenfalls als MultiStruktur-Schlitzpass ausgeführt (24 Becken, Durchfluss bis zu 230 l/s). Für Monitoringzwecke wurde jeweils im oberen Bereich der FAH ein Fisch­zähl­ becken erstellt. 3.3.2  Fischschutz und Fischabstieg Beim neuen Dotierkraftwerk wurde im Ein­ laufbereich und parallel zum Ober­wasser­ kanal ein vertikal angeordneter Horizontal­ rechen (Rechenfläche B x H = 26,0 x 3,3 m = 85,8 m2, lichter Stababstand 20 mm, vgl. Bild 5) errichtet, welcher als Fischschutz dient. Für den Fischabstieg werden die Fische zum Hauptkraftwerk weitergeleitet, wo weitere Ein­richtungen für den Abstieg realisiert wurden. Eine Rechenreinigung ist beim Dotierkraftwerk im Normalfall nicht nötig, weil das Treibgut – dank der parallelen Anströmung – zum Hauptkraftwerk abgeschwemmt wird. Der geringe Stababstand von 20 mm hat Folgen auf die Konstruktionskosten und bedeutet einen Mehraufwand bezüglich der Betriebskosten (erhöhte hydraulische 248

Verluste und Reinigungsaufwand). Der Vor­ teil ist allerdings, dass nur kleine Fische bis zu den Turbinen gelangen. Die Fische sind dann im Verhältnis zur Turbinengrösse so klein, dass die Verletzungsgefahr gering ist. Um das Leitrechen-Bypass-System zu vervollständigen, wurde der Einlaufbereich des bestehenden Kraftwerks vollständig ersetzt, um auch dort einen strö­mungs­ optimierten Horizontalrechen (Re­chen­­ fläche B x H = 32,6 x 6,5 m = 211,9 m2, lichter Stababstand 20 mm, vgl. Bild 6) installieren zu können. Zusätzlich wurde der alte Eisabfuhr­ kanal als Bypass ausgebaut und dient jetzt sowohl zur Ableitung des Treibguts als auch für einen möglichst hindernis-

Bild 5: Einlaufrechen DKW vor dem Fluten des Oberwasserkanals (Foto: EKZ).

Bild 6: Horizontalrechen HKW vor der Kanalflutung (Foto: EKZ).

Bild 7: Horizontalrechen HKW mit Rechenreinigungsmaschine und Bypass im Hintergrund (Foto: EKZ). «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Bild 8: Stemmtor beim Bypasseinstieg für den Fischabstieg HKW (Foto: EKZ). freien Fisch­abstieg. Im Einlaufbereich des By­­pass­kanals wurde ein hydraulisch an­ge­ ­triebe­nes Stemmtor (B x H = 1,50 x 6,30 m, vgl. Bild 8) installiert, wo zwei einstellbare Öf­fnungen (oberflächen- und sohlennah) mit einem Durchfluss von mindestens 1,2 m3 /s den Fischabstieg jederzeit gewährleisten. Vor dem Auslauf des Bypasses in den Unterwasserkanal wurde eine Re­ gulier­­klappe montiert, welche zur Regu­lie­ rung des Wasserstands im Bypass dient (vgl. Bild 9). Am Ende jedes automatischen Rei­nigungszyklus der Rechenreinigungs­ ma­schine werden Stemmtor und Regulier­ klappe vollständig geöffnet, wodurch bis zu 10 m3 /s im Bypass abfliessen können. Das Leitrechen-Bypass-System wurde mit Berücksichtigung der neuesten Er­fah­ rungen in der Schweiz sowie anhand der ethohydraulischen Befunde von Ebel ausgelegt (Ebel, 2017) und mit Formeln der klassischen Hydraulik bemessen (Bollrich, 2007).

Bild 9: Bypassauslauf ins Unterwasser mit überströmter Stauklappe (Foto: EKZ).

• Stütz- und Leitschaufeln: Ausrichtung der Stütz- und Leitschaufeln • Laufradverstellung: trocken / selbstschmierende Materialien • Betriebsstoffe: biologisch abbau­bares Öl • Laufrad: drei Laufradschaufeln statt vier Laufradschaufeln • Turbinenlager: wassergeschmiertes Turbinenführungslager (nur HKW) 4.1  Laufradmantel als Vollkugel statt Halbkugel Ein vollkugeliger Laufradmantel reduziert das Risiko von Fischverletzungen an der Schnittstelle zwischen Mantel und Flügel. Für die Vollkugellösung werden jedoch

mehr rostfreie Bleche und mehr Schweiss­ nähte verarbeitet. Dies bedeutet somit mehr Bearbeitungsschritte und eine erschwerte Montage des Laufrads in den Lauf­rad­ man­tel. Dies betrifft insbesondere die zwei ver­tikalen Kaplan-Turbinen beim HKW. In nachfolgendem Bild 10 ist das schwierige «Einfädeln» des Laufrades in den vollku­ ge­ligen Laufradmantel ersicht­lich. 4.2  Laufräder mit reduziertem Spalt Die Reduzierung des Spalts zwischen rotierenden und stationären Turbinenkom­ ponenten senkt das potenzielle Risiko, dass Fische, die doch durch den Ein­lauf­rechen gekommen sind, eingeklemmt wer­­den, und erhöht somit ihre Überlebens­rate.

4.  Fischschonende Turbinen Mehrere Faktoren verursachen Ver­let­zun­ gen bei Fischen, die sich durch hydrau­ lische Turbinen bewegen. Schläge durch Turbinenschaufeln, Kollisionen mit Stütz­ elementen, Abrieb, Kavitation, Än­derun­ gen der Strömungsrichtung und Druck­ änderungen sind die Haupt­ur­sa­chen. Die Turbinen der Anlagen in Dietikon wurden durch folgende Massnahmen für eine erhöhte Fischverträglichkeit konzipiert, auch wenn dies Einbussen bezüglich des Wir­ kungsgrads bedeutet: • Laufradmantel: Vollkugel statt Halbkugel • Laufräder: mit reduziertem Spalt • Eintrittskanten: stumpfe Eintrittskanten

Bild 10: Montagevorgang bei einer Kaplan-Turbine bei vollkugeligem Laufrad­ mantel (Foto: EKZ).

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

249


Um dies zu erreichen, wurden verschie­ dene Massnahmen getroffen, welche die Reduzierung des Spiels zwischen Lauf­ rad­flügel und Laufradmantel auf 1,6 mm – auf einem Radius von 1 650 mm (dies entspricht 0,09 %, was der Präzision einer Schweizer Uhr gleicht) – und den Einsatz einer runden Nabe mit «Taschen» zur Ver­ ringerung des Nabenspalts ermöglichen.

und Biegung führen kann. Folglich können Verletzungen aufgrund kleinskaliger Tur­ bu­lenzen in der Regel mit Verletzungen durch Scherbeanspruchungen zusam­men­ gefasst werden (Andritz Hydro, 2019). Grossskalige Turbulenzen (mit Län­gen­ ­skalen grösser als die Fischlänge) verur­ sachen Orientierungslosigkeit und somit mehr Stress. Solche Auswirkungen allein schädigen den Fisch nicht, erhöhen aber das Risiko auf indirekte Sterblichkeit (Andritz Hydro, 2019). Es ist somit für die Fische von Vorteil, wenn die Turbulenzen im Saugrohr durch die kleineren Spalte am Laufrad so gering wie möglich gehalten werden.

4.5  Laufradverstellung: trocken  / selbstschmierende Materialien Die Verstellmechanismen der drei Tur­bi­nen (2 x HKW + 1 x DKW) wurden mit selbst­ schmie­ renden Materialien ausgerüstet. Die­se fahren somit «trocken», das heisst ohne jegliches Schmieröl oder Fett. Das hat zur Folge, dass auch bei einem Ver­ sagen der Schaufeldichtungen der Lauf­ räder kein Schmieröl oder Fett in die Lim­ mat kommen kann. Es ist somit keine Was­ ser­verschmutzung möglich.

4.3  Stumpfe Eintrittskanten bei den Schaufeln Eine stumpfe Eintrittskante kann durch ein optimales Verhältnis von Fischlänge zu Ein­ ­­trittskantendicke wesentlich zur Erhö­hung der Überlebensrate vor allem kleinerer Fi­ sche beitragen. Mithilfe von CFD-Simulationen wurde die ideale fischfreundliche Eintrittskanten­ dicke ermittelt und deren Einfluss auf die Leistung und die Kavitationscharakteristik der Schaufel beurteilt. 4.4  Ausrichtung der Stütz- und Leitschaufeln Die Ausrichtung von Stütz- und Leit­schau­ feln in den wichtigsten Betriebspunkten wurde so gewählt, dass die Wahr­schein­ lichkeit, dass ein Fisch mit dem Leit­ap­pa­ rat in Kontakt kommt, auf ein Mini­mum reduziert wird.

Bild 13: Verstellmechanismus des Kaplan-Laufrades (Foto: Groupe E). 4.6  Betriebsstoffe In Dietikon wurde biologisch abbaubares Öl anstelle von Mineralöl als Schmier- sowie Steueröl verwendet. Dies hat wiederum erhöhte Materialkosten und Zusatzkosten bezüglich der nötigen Anpassung der Ma­ terialien hinsichtlich der Beständigkeit auf biologisch abbaubares Öl zur Folge.

Bild 11: Reduzierter Spalt bei vollkugeligem Laufraddesign (Foto: Groupe E). Kleinere Spalte am Laufrad verringern darüber hinaus das Turbulenzniveau im Saug­ rohr. Im Allgemeinen können Turbulenzen in Hydraulikpassagen in klein- und gross­ skalige Auswirkungen unterteilt werden, welche die Fische auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Kleinskalige Turbulenzen (mit Längen­ skalen kleiner als die Fischlänge) treten in manchen Bereichen als hohe Scherbe­an­ spruchung auf, die zu ähnlichen Verlet­zun­ gen wie durch Kompression, Streckung 250

Bild 12: Ideale Ausrichtung der Stütz- und Leitschaufeln der Turbine (Foto: Groupe E).

4.7  Laufrad mit drei statt vier Laufradschaufeln Eine Turbine mit vier Laufradschaufeln hat tendenziell einen besseren Wirkungsgrad. Hingegen reduziert die Turbine mit nur drei Laufradschaufeln das Risiko einer Ver­letz­ ung der Fische. Beim HKW konnte (zusammen mit der speziellen Anforderung des Saugrohrs) ein kavitationsfreier Betrieb mit einem Tur­bi­ nen­­laufrad mit drei Schaufeln nicht gesichert garantiert werden. Damit war vorgängig ein Mo­dellversuch zwingend erfor­ derlich, wel­cher wiederum zu erhebli­chen Mehrkosten geführt hat.

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Diese Bedingungen treten meistens dort auf, wo der Absolutdruck in kürzester Zeit zu einem Bruchteil des gewohnten Um­ge­ bungsdrucks des Fischs absinken kann (Andritz Hydro, 2019). 4.8  Wassergeschmiertes Turbinenlager (nur HKW) Das Turbinenführungslager der beiden ver­tikalen Kaplan-Turbinen beim HKW ist wassergeschmiert anstatt mit Öl- oder einer Fettfüllung mit Stopfbüchse. Somit ist jede Möglichkeit einer Verschmutzung des Flusswassers mit Öl oder Fett völlig ausgeschlossen.

Bild 14: Laufrad HKW mit drei Lauf­ radschaufeln (Foto: Groupe E). Die neuen Turbinen beim HKW sind «DreiFlügler» (vgl. Bild 14) mit einer Drehzahl von 115 rpm, die im Betrieb weitgehend ka­vi­tationsfrei laufen und somit als fischfreundlich gelten. Ein Minimum an Kavi­ tation über den gesamten Betriebsbereich hinweg ist hingegen unvermeidbar, auch bei einem fischfreundlichen Design. Kavitation tritt auf, wenn der statische Druck unter den Dampfdruck fällt und Dampf­blasen gebildet werden. Werden diese Blasen dann in Bereiche mit einem höheren Druck transportiert, implodieren sie schlagartig und erzeugen extrem ener­ giegeladene Mikroimpulse. Diese können die Laufradschaufeln be­ schädigen und Fischgewebe zerstören. Die Kavitation ist somit eine mögliche Ur­ sache für Fischsterblichkeit. Dieses Phänomen hängt eng mit der schnellen Kompression zusammen, die gefährlich ist, wenn zwei Bedingungen erfüllt werden. Zum einen muss der Druck erheblich unter den Wert sinken, an den der Fisch gewöhnt ist. Zum anderen muss der Druck schneller auf einen Wert sinken, als dass der Fisch sich an die Druck­ver­ änderung anpassen kann.

Quellen: WFN, 2016: Konzessionserneuerung KW Dietikon Wirkungskontrolle Ersatzmassnahmen – Aus­ gangszustand Fischfauna 2016. 15 S. Lombardi und WFN, 2017: Konzessionserneuerung Kraftwerk Dietikon Plangenehmigungsprojekt. Fisch­aufstieg, Fischschutz und Fischabstieg. Zu­sam­ menfassung der Aspekte der Fischwanderung. 43 S. Ebel, G., 2017, Bemessung und Gestaltung von Fischschutz- und Fischabstiegssystemen – eine kritische Diskussion aktueller ethohydraulischer

5.  Inbetriebnahme und Perspektiven Die neuen Fischwanderhilfen wurden unmittelbar nach Wiederinbetriebnahme der Kraftwerksanlagen langsam mit Wasser gefüllt und in Betrieb genom­men. Im Frühling 2020 wurde – bei beste­ hen­der Aufstiegsmöglichkeit beim Dotier­ kraft­ werk – der Beckenpass beim Wehr trocken­­gelegt, gereinigt und die Sohle mit Sohl­substrat ergänzt. Um den Fischaufstieg zum Dotierkraft­ werk zu verbessern, wurde im Sommer 2020 die bestehende Schwelle von rund 40 cm unterhalb der Überlandstrassen­ brücke über eine Breite von 10 m lokal abgebrochen und durch eine Blockstein­ rampe ersetzt. Zusätzlich wurde in diesem Bereich das linke Ufer der Restwasser­ strecke naturnah gestaltet, um durch die reduzierte Fliessgeschwindigkeit auch den schwimmschwachen Fischen den Auf­stieg zu erleichtern. Im März 2020 wurde, nach mehreren Abstimmungsrunden mit den Fachstellen von Kanton und Bund, das Konzept für die Wirkungskontrolle der Fischwanderhilfen zur Genehmigung eingereicht. Dieses ist modulartig aufgebaut und enthält als Haupt­ bestandteile die technische Wir­kungs­kon­ trolle der Fischwanderhilfen, die biologi­ sche Wirkungskontrolle der Fischauf­stiegs­ hilfen sowie die Funktionskontrolle zu Fisch­ schutz und Fischabstieg bei den Kraft­werken. Am meisten Zeit wird dabei die biolo­ gische Wirkungskontrolle in Anspruch neh­ ­men, welche im Anschluss an die tech­ nische Wirkungskontrolle während zwölf Mo­na­ten durchgeführt wird. Die Er­geb­ nisse der Wirkungskontrolle der neuen Fisch­wanderhilfen beim Kraftwerk Dieti­kon wer­den damit frühestens 2023 vorliegen.

Bild 15: Wassergeschmiertes Turbinenlager (Foto: Groupe E).

Be­funde, Mitteilungen aus dem Büro für Gewässer­ ökologie und Fischereibiologie Bollrich, Technische Hydromechanik 1, 6. Auflage, 2007. Andritz Hydro GmbH, Fischfreundlichkeit – Vergleich des Standards mit der Dietikon Sonderausführung, Februar 2019. Autoren: Alfredo Scherngell, Leiter Wasserkraft / Gesamt­pro­ jektleiter, EKZ Elektrizitätswerke des Kantons Zürich, Überlandstr.2, 8953 Dietikon, alfredo.scherngell@ekz.ch

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

Andrea Balestra, Gesamtplaner, Lombardi AG, Via del Tiglio 2, 6512 Bellinzona-Giubiasco, andrea.balestra@lombardi.group Frédéric Boden, Fachspezialist Turbinenbau, Groupe E SA, Route de Morat 135, 1763 Granges-Paccot, frederic.boden@groupe-e.ch Martina Breitenstein, Biologin / Fachspezialistin Fischökologie, WFN – Wasser Fisch Natur AG, Brunnmattstr. 15, 3007 Bern, martina.breitenstein@wfn.ch

251


SCHWEIZ UNTER HOCHSPANNUNG.

People for energy – Blick in die Energiezukunft 15.6 Energiewelt Schweiz – Die Stromindustrie im technologischen Wandel 16.6 Wasserkraft – der Schlüssel zur Versorgungssicherheit 17.6

252

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Vers des valeurs intrinsèques en fin de concession hydraulique maitrisées Nicolas Rouge, Olivier Bernard

Résumé De nombreuses concessions hydroélectriques vont arriver à échéance ces prochaines années. Si des bases légales encadrent la gestion de ces «successions», des éléments comme la détermination de la valeur intrinsèque des installations sont laissés à l’appréciation des acteurs. Les discussions entre concédants et concessionnaires vont dès lors débuter. La vie de l’aménagement va pour sa part se poursuivre indépendamment du futur concessionnaire. Il est primordial d'encourager les efforts de maintenance, de réhabilitations ou de mises à niveau technique dans le but de pérenniser un état de fonctionnement adapté et de rétribuer à sa juste valeur le travail réalisé. La transparence du concessionnaire sortant doit permettre au concédant de se forger un degré «d’assurance raisonnable» que l’indemnité équitable qu'il versera lors du rachat correspond à des avantages économiques futures qui pourront bien être perçus et que le niveau de risques associés est acceptable. L’article a pour buts de contribuer à clarifier les éléments sujets à discussion et de proposer une méthodologie d'appréciation, tout en dépassant la seule approche financière afin de valoriser les connaissances industrielles liées à la gestion du cycle de vie de ces actifs dans un esprit de développement durable.

Zusammenfassung Viele Konzessionen von Wasserkraftwerken werden in den nächsten Jahren ablaufen. Obwohl es rechtliche Grundlagen für das Vorgehen bei solchen Heimfällen gibt, werden Aspekte wie die Bestimmung der Werthaltigkeit der Anlagen dem Ermessen der Akteure überlassen. Daher braucht es vertiefte Gespräche zwischen Konzessions­ gebern und Konzessionären; denn die Anlage wird in der Regel weiter betrieben werden – unabhängig vom künftigen Konzessionär. Es ist von zentraler Bedeutung, Wartung, Instandsetzung und technische Aufrüstung gezielt zu fördern, um einen adäquaten Betriebszustand sicherzustellen und die geleistete Arbeit zu einem angemessenen Wert entschädigen zu lassen. Die Transparenz des Konzes­sio­närs sollte es dem Konzessionsgeber ermöglichen, eine «hinreichende Sicher­heit» zu erlangen. Die faire Entschädigung, die er bei der Übernahme zahlen wird, hat in einem korrekten Verhältnis zu den künftigen wirtschaftlichen Vorteilen zu stehen und muss mit dem bei der Übernahme verbundenen Risiko in einem akzeptablen Rahmen liegen. Der Zweck des Artikels besteht darin, einen Beitrag zur Klärung dieser Themen zu leisten und eine Bewertungsmethodik vorzuschlagen, die über den rein finanziellen Ansatz hinausgeht. Dem industriellen Wissen im Zusammenhang mit dem Lebenszyklus­management dieser Vermögenswerte soll nämlich im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ebenfalls gebührend Rechnung getragen werden.

1. Introduction Au cours des prochaines décennies, des dizaines de concessions hydroélectriques arriveront à échéance en Suisse (Figure 1). En vertu de l’article 67 de la Loi Fédérale sur l’utilisation des Forces Hydrauliques (LFH), la communauté concédante a le droit, au

retour de la concession, de reprendre gratuitement les installations «mouillées» (barrage, conduite forcée, turbine,…) et de reprendre, moyennant le paiement d’une indemnité équitable, les installations servant à la production et au transport de l’électricité (parties «sèches» ou «onéreuses» telles qu’alternateur, moteur, transformateur, con­

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

trôle-commande,…). Le retour des concessions est une opportunité pour les collectivités publiques d’accéder à un patrimoine industriel d’une valeur estimée à 40 milliards de CHF (SWV, 2012). Les enjeux sont importants: l’indemnité équitable des aménagements valaisans est par exemple estimée à 1,5 milliard de CHF (Canton du Valais, 2015). Des bases légales ont été définies au niveau fédéral (LFH-1916) et au sein de divers cantons, par ex. en Valais (LcFH-1990), afin d’encadrer la gestion de ces «successions» d’un genre nouveau. Cependant, certains éléments sont laissés à l’appréciation des acteurs, dont notamment la détermination de la valeur intrinsèque en fin de concession. Le but du présent article est de contribuer à clarifier les éléments sujets à discussion et de proposer une méthodologie pour faciliter ces appréciations. L’objectif est de dépasser la seule approche financière et de valoriser les connaissances industrielles et techniques associées à la gestion du cycle de vie de ces actifs dans un esprit de développement durable. 2. Méthodologie 2.1  Durée d’utilité Les concessions actuelles formalisent l’utilisation d’un droit d’eau concédé à un ou plusieurs acteurs industriels regroupés sous la forme d’une société anonyme. Selon l’International Accounting Standard (IAS) n°16, un actif industriel est une ressource contrôlée par l’entreprise qui se doit de la comptabiliser à son bilan en enregistrant une immobilisation corporelle lorsque des avantages économiques et des risques associés à cet actif doivent aller à l’entreprise. Cette norme précise également que les immobilisations corporelles s’amortissent à un rythme devant refléter la consommation par l’entreprise des avantages économiques liés à l’actif considéré. Pour cela, la notion de durée d’utilité est définie par l’IAS n°16 en fonc253


Figure 1: Retour des concessions hydraulique en Suisse. tion de trois aspects (Figure 2): l’usage présumé et attendu de l’actif, son usure physique et son obsolescence technique. Le législateur fédéral (art. 67 al. 1a, LFH) et son homologue valaisan (art. 54 al. 2a, LcFH) ont défini la durée d’usage des «parties totalement mouillées» des aménagements hydroélectriques comme égale à la durée de la concession. En revanche, aucune durée d’usage ou d’utilité n’est définie pour les «parties sèches» (art. 67 al. 1b LFH; art. 54 al. 2b LcFH), ni pour les installations regroupant des parties sèches et mouillées (par ex. une caverne). Le concessionnaire sortant a droit au paiement d’une indemnité équitable lors du transfert de ces installations. Selon l’article 56 al. 2 LcFH, «l’indemnité équitable est calculée en partant de la valeur réelle au moment du retour, c’est-à-dire d’après la valeur à neuf,

réduite de la moins-value résultant de l’usure correspondant à la durée de vie de ces installations et de leur dépréciation économique et technique». Cette définition a été précisée en décembre 2015 par le Conseil d’État valaisan (Canton du Valais, 2015). Cette définition ne fait aucun lien avec les valeurs comptables figurant au bilan des sociétés. Pour empêcher que le droit de retour soit dépouillé de sa valeur économique par une installation dégradée ou présentant trop de risques de dysfonctionnement, les législateurs ont imposé une obligation de: • maintenir en état d’être exploitées les installations soumises au droit de retour (art. 67 al. 3, LFH). • maintenir, pendant toute la durée de la concession, en un bon état d’entretien les installations qui font l’objet d’un droit

de retour, de sorte que soient assurées une utilisation rationnelle des cours d’eau avec le meilleur rendement possible et une exploitation normale et avant tout durable, lors de la reprise de l’aménage­ ment hydroélectrique (art. 55 al. 1, LcFH). Par ces dispositions, les législateurs reconnaissent donc implicitement que le versement d’une indemnité équitable est associé à des avantages économiques futurs qui devraient être sécurisés sur une durée raisonnable, sans pour autant définir cette dernière. Pour satisfaire à leurs obligations légales d’entretien, les concessionnaires sortants disposent de plans de maintenance et d’investissements jusqu’ à la fin de concession et au-delà qui préci­ sent et permettent de planifier les actions qu’ils mèneront pour satisfaire à leurs obli­

Figure 2: Définition de la durée d’utilité selon l’IAS n°16. 254

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Figure 3: Effet de différentes stratégies de maintenance sur la durée d’utilité d’un actif.

Figure 4: Définition des états de fonctionnement d’un actif. «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

255


gations légales d’entretien tout en valorisant les travaux d’entretien et de modernisation réalisés. Le processus de retour de concession gagnerait à reposer sur une approche transparente du concessionnaire sortant qui devrait expliciter son jeu d’hypothèses pour justifier les durées d’utilité qu’il con­ sidère lors du calcul de la valeur intrinsèque de son aménagement en fonction des stratégies de maintenance qu’il a mises en place (Figure 3). Le concédant devrait ensuite employer ses moyens à l’analyse des éléments de preuve apportés par le concessionnaire sortant pour justifier ses hypothèses et, ainsi, disposer d’une garantie «raisonnable» qu’il achète un actif industriel au juste prix. De l’expérience acquise depuis plus de 80 ans sur différents aménagements hydroélectriques exploités en Suisse, il est habituel de constater que les durées d’utilité d’alternateurs, de transformateurs, de pompes et de turbines sont bien plus grandes qu’imaginées, pouvant sans autre dépasser 60 ans grâce aux contrôles réguliers et à la maintenance soigneuse réalisée tout au long de la durée de vis des aménagements. 2.2  État de fonctionnement, stratégie de maintenance et risques Le concessionnaire fait reposer son jeu d’hypothèses sur le fait que le bon état de fonctionnement de ses actifs doit être assuré tout au long de leurs durées d’utilité. Il est essentiel que toutes les parties prenantes puissent se retrouver autour d’une définition commune de l’état de fonctionnement. Cet état est associé à la capacité d’un équipement à assurer la fonction pour laquelle il a été conçu. La Figure 4 illustre différents points caractéristiques du fonctionnement des actifs: la mise en service (O), l’apparition de premiers défauts (D), l’apparition des prémices de la défaillance

fonctionnelle (P), celles de la défaillance fonctionnelle (F) et de la rupture (R). La durée d’utilité va de la mise en service (O) à la défaillance fonctionnelle (F). L’état de fonctionnement n’est plus assuré à partir de la défaillance fonctionnelle (F). Cette défaillance est différente de la rupture (R). En effet, elle est déterminée comme l’instant à partir duquel une fonction n’est plus assurée avec un niveau de fiabilité suffisant; le risque associé à la défaillance de la fonction assurée par l’équipement devient inacceptable pour l’entreprise. Par conséquent, il n’est pas admissible, en fin de concession ou durant les premières années qui suivent, qu’un amenagement dispose d’équipements dont l’état de fonctionnement est jugé «Mauvais» ou «Hors service». Seuls les états «Très bon» à «Satisfaisant» sont admissibles. Le point P de la courbe d’usure (Figure 4) partage la durée d’utilité d’un équipement en deux régimes: un premier régime (O – P) pour lequel le taux de défaillance � est constant, puis un second pour lequel le taux de défaillance � augmente avec le temps sous l’effet du vieillissement accéléré. L’intervalle P – F est une caractéristique d’un équipement défini selon la théorie de la maintenance basée sur la fiabilité (Moubray, 1997). Cette durée correspond au temps que le gestionnaire d’actifs a à disposition pour planifier le renouvellement de son équipement dès les premiers signes de la défaillance fonctionnelle. Sur la base de ces notions, définir la durée d’utilité d’un équipement revient à positionner le point F dans l’intervalle entre le point P et la rupture R. Ce choix est directement associé à la stratégie de maintenance retenue pour l’équipement. Une maintenance purement curative revient à attendre la rupture pour décider du renouvellement d’un équipement. L’entreprise peut a contrario choisir de limiter fortement

le risque d’apparition d’une défaillance en optant pour une stratégie de maintenance «hyper» préventive (F confondu au point P). Dans la plupart des cas, le gestionnaire d’actifs opte pour des stratégies intermédiaires, basées sur la connaissance et le suivi de l’état de fonctionnement des équipements. Le positionnement de F correspond à un équilibre acceptable entre les réductions des coûts planifiés de maintenance grâce à la prolongation de vie entre P et F et l’augmentation du risque de devoir dépenser de manière fortuite lié au rapprochement du point F de la rupture R (Figure 3). Les gestionnaires d’actifs disposent de méthodologies et d’outils leurs permettant de définir le positionnement de F à l’aide d’approches qualitatives de maintenance basée sur les risques (Figure 5) ou d’approches quantitatives de maintenance basée sur la performance (Figure 6; Rouge et al., 2019). De telles pratiques d’optimisation des plans de maintenance et d’investissements, encadrées par la norme ISO 55001: 2014, permettent aux concessionnaires actuels de tirer le maximum d’avantages économiques des aménagements existants tout en maîtrisant les coûts et l’évolution des risques associés. Bien qu’il existe des références (Dépar­ tement de l'Energie du Valais, 1988; OEneR) qui proposent des durées de vie technique des équipements, ces dernières ne devraient être utilisées que pour vérifier la plausibilité des valeurs de durée d’utilité fournies par les concessionnaires sortants et en aucun cas se substituer à ces dernières. En effet, ces références ne tiennent pas compte de l’influence des interventions de maintenance qui peuvent être mises en œuvre en cours de vie d’un actif pour prolonger sa durée d’utilité. La Figure 4 présente l’effet possible d’une intervention sur l’évolution de l’état d’un composant et sur sa durée d’utilité. Ce schéma illustre également l’importance de la transparence qui

Figure 5: État de fonction­nement et principes de maintenance basée sur les risques (exemple). 256

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Figure 6: Recherche d’un optimum en fonction du degré de préventif de la stratégie de maintenance (Rouge et al., 2019). doit être amenée par les concessionnaires sortants en explicitant leur jeu d’hypothèses. Par exemple, la durée d’utilité initiale pourrait être limitée par le point F. Dans ce cas, le coût de l’intervention qui prolonge la durée d’utilité de F à F’ devrait être considérée comme un investissement, car elle permet à l’entreprise de percevoir des avantages économiques et lui impose de gérer des risques sur une durée supérieure à la durée d’utilité initiale.

3.  Éléments de preuve de l’état de l’aménagement et des risques /opportunités associés Le jeu d’hypothèses du concessionnaire sortant doit être rendu plausible à l’aide d’éléments de preuve pertinents. La transparence du concessionnaire sortant concer­ nant son jeu d’hypothèses doit permettre au concédant de se forger un degré «d’assurance raisonnable» quel’in-

demnité équitable qu’il verse correspond à des avantages économiques futures qui pourront bien être perçus et que le niveau de risques associés est acceptable. Les éléments de preuve pourraient être: • des rapports d’activités de maintenance, rassemblés dans les systèmes de gestion de la maintenance assistée par ordinateur (GMAO). L’objectif est de connaîtrel’historique des travaux réalisés,

Tableau 1: Exemples de détermination des états de santé en 2020, selon Hydro Exploitation SA (HEX). «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

257


Tableau 2: Synthèse de la cartographie de l’état de fonctionnement des systèmes principaux de l’aménagement de Salanfe SA (sur la base des indices de santé d’Hydro Exploitation SA (HEX). • des indices d’état de fonctionnement, permettant à un temps donné de faire une photo qui renseigne sur l’état d’un actif et de son évolution en le comparant aux indices d’état précédents, • des indices de confiance par rapport à l’intervalle de temps à prévoir entre deux inspections et réévaluations d’un actif. Ces indices doivent donner confiance sur le fait que l’intervalle d’inspection est adapté à la cinétique de la vétusté, • des données historiques sur les défaillances et les pannes des équipements. Le traitement de ces éléments permet de déterminer des valeurs de sûreté de fonc­ tionnement d’un actif (MTBF,… Mou­bray, 1997) qui seront fort utiles pour vérifier la plausibilité du jeu d’hypothèses. 3.1  Indice d’état de fonctionnement Plusieurs méthodologies ont été développées par le passé pour caractériser l’état de fonctionnement des différents actifs. Les premières, issues d’Amérique du Nord (Hydropower Asset Management, 2006) permettent d’évaluer un état de santé d’un équipement. Elles ont été adaptées par Hydro Exploitation SA (ci-après HEX) et Alpiq SA (Jordan, 2018) et sont appliquées en Suisse depuis plus de 10 ans. L’évo­lu­ tion des indices d’état est un élément de preuve important qui permet de vérifier si

les hypothèses de durée d’utilité sont plausibles. Le présent article retient l’échelle à 5 niveaux de fonctionnement présentée à la Figure 4. Cette échelle a le mérite de proposer des limites d’état qui prennent un sens physique en lien avec le cycle de vie d’un actif. Le premier exemple concerne l’alternateur du groupe n°2 de l’usine de Miéville (2 x 35 MW). Le Tableau 1 fournit les valeurs d’état de santé des différents équipements de cet alternateur, calculés selon la méthodologie d’HEX, basée sur une échelle allant de 1 (mauvais état) à 10 (état excellent). La méthodologie couvre bien les 3 aspects de la durée d’utilité, à savoir: l’usage fonctionnel, l’usure physique et l’obsolescence technique (Figure 2). Le résultat illustre que cet alternateur présente un parfait usage et que certaines technologies retenues peu­ vent faire l’objet à terme d’une obsolescence. Son usure physique a débuté sans remettre en question sa fonction. L’état de santé général vaut 7,75. Ramené à l’échelle à 5 niveaux, l’état de fonctionnement de l’alternateur est bon (3). Le point P n’est pas encore atteint. L’hypothèse de durée d’utilité de 50 ans à partir de la dernière réhabilitation est donc cohérente. Le deuxième exemple concerne la pompe n°2 de la station de pompage de

Cleuson (4 x 1.03 MW). Bien que la pompe soit considérée comme une partie mouillée de l’installation, le futur concessionnaire doit pouvoir évaluer la vétusté d’un tel équipement lors de la reprise de l’aménagement. Le résultat du tableau ci-dessus illustre que cette pompe est dans un état satisfaisant (2) malgré son âge et ce grâce à un entretien soigneux depuis la mise en service et aux conditions d’exploitation. La fonction est toujours garantie. Le point P est atteint. Les révisions des pompes et des vannes d’aspiration et de refoulement se poursuivront avec une fréquence de révision adaptée d’ici l’échéance des concessions, et le contrôlecommande sera remplacé afin d’améliorer la protection contre le dévirage (élément limitant). L’indice de confiance pour le maintien des pompes en exploitation est important pour le cycle de vie de cette installation. Le Tableau 2 présente comme troisième exemple, la cartographie de l’état de fonctionnement des systèmes principaux de l’aménagement de Salanfe SA. 84% des équipements sont dans un état bon (3) ou très bon (4). Seul 13% des équipements sont jugés satisfaisants (état 2). Cette cartographie illustre également qu’un des 46 équipements évalués est jugé mauvais. Le gestionnaire d’actifs avait cependant déjà planifié une intervention lourde sur ce composant avant la fin de concessions. 3.2  Indice de confiance L’état de fonctionnement d’un équipement est généralement réévalué tous les 3 – 5 ans. Toutefois, les travaux d’inspection lourds ne suivent pas toujours le même rythme dépendant du type d’équipements et de de leur état (Figure 7). La cinétique d’augmentation du taux de défaillance après le point P (Figure 4) dépend des conditions locales et de l’utilisation réelle du compo-

La Figure 7 présente l'estimation de l'indice de confiance pour un alternateur fictif dont l'état de fonctionnement est passé au-delà du point P en utilisant la méthodologie développée par HEX. Pour cet alternateur, l'intervalle d'inspection devrait être réduit à 8 ans au lieu des 15 ans, initialement prévus avant le point P. 258

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


sant. Cette notion est caractérisée par une incertitude qu’il est important de pouvoir maîtriser. La notion d’indice de confiance IC (Figure 7) a été développée par HEX pour adapter l’intervalle d’inspection en fonction de l’état de fonctionnement (Currit, 2019). Elle trouve tout son sens pour les équipements positionnés au-delà du point P. Cette approche est basée sur l’expérience acquise durant 80 ans d’exploitation des aménagements hydroélectriques. Elle intègre les paramètres suivants: contrôles effectués, mesures de diagnostic, révisions, suivi de l’exploitation, nombre d’heures de fonctionnement, de démarrages ou d’incidents. Le tableau de la figure 7 présente l’estimation de l’indice de confiance pour un alternateur fictif dont l’état de fonctionnement est passé au-delà du point P en utilisant la méthodologie développée par HEX. Pour cet alternateur, l’intervalle d’inspection devrait être réduit à 8 ans au lieu des 15 ans, initialement prévus avant le point P.

4.  Garantie basée sur le partage des risques L’indemnité équitable est par nature prévue pour compenser les avantages économiques qui seront transférés au futur concessionnaire. Des incertitudes sont forcément associées au calcul de cette indemnité. Un risque existe que le futur con­ cessionnaire ne puisse pas percevoir l’entier des avantages économiques escomptés, tout comme une opportunité existe que l’équipement puisse remplir sa fonction plus longtemps que planifié. Le jeu d’hypothèses et les éléments de preuve fournis par le concessionnaire sortant pourraient conduire à proposer une solution de partage des risques et opportunités en lien avec la fixation de l’indemnité équitable. Comme la durée d’utilité dépend de la stratégie de maintenance en place, il est évident que l’éventuelle garantie fournie par le concessionnaire sortant devrait être

Figure 8: Synthèse des différents éléments du jeu d’hypothèses et de preuve.

Références: Droit de retour et renouvellement de concession des centrales hydroélectriques, Schweizerischer Wasserwirtschaftsverband, Nov. 2012 Message du Conseil d’État au Grand Conseil concernant la stratégie force hydraulique du Canton du Valais, 3.12.15 Reliability-centered Maintenance, Moubray, Britisch Library, ISBN 0 7506 3358 1, 1997 De la maintenance préventive à la Maintenance 4.0, N.

Rouge, O. Bernard, A. Bircher, bulletin.ch 9/2019 Evaluation technico-économique d’un aménagement hydro-électrique lors de l’exercice du droit de retour avec ou sans anticipation, Département de l’Energie du Valais, septembre 1988 Using Condition Assessments and Risk-Based Economic Analyses, Hydropower Asset Management, Sept. 2006 Etat de santé des aménagements, A. Jordan, fmpro service 4| 2018 Transformateurs HT: Méthode de détermination des

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

liée à un engagement du concessionnaire futur de réaliser les actions de maintenance prévue au plan de maintenance et d’investissements. Si le futur concessionnaire choisit de ne pas suivre les actions prescrites dans le plan de maintenance, il perdrait la garantie pour risque. Ce suivi est possible avec la mise à jour régulière des indices d’état. 5. Conclusions Les enjeux financiers des futurs renouvellements de concessions se comptent en centaines de millions de francs. Le présent article propose une approche basée sur une transparence apportée par le concessionnaire sortant pour, d’une part, expliciter son jeu d’hypothèses concernant les durées d’utilité choisies pour ses actifs et, d’autre part, pour mettre à disposition des éléments de preuve qui doivent permettre au concédant de se forger un niveau raisonnable d’assurance que le prix qu’il paie pour reprendre un aménagement est juste par rapport aux avantages économiques et aux risques qu’il devra transférer aux futurs acteurs. Ceci pourraient conduire à proposer une solution de partage des risques et opportunités en lien avec la fixation de l’indemnité équitable. La détermination des durées d’utilité et les preuves de leur vraisemblance sont des notions qui embarquent un savoir-faire industriel important dans le domaine de l’optimisation des plans de maintenance et d’investissements. Il s’agit de connaissance sur l’état réel des installations, sur la stratégie de maintenance retenue après plus de 80 ans d’exploitation et sur des éléments qui permettent de rendre objectifs les risques et opportunités associés. Les concessionnaires présents et futurs ont tout à gagner afin de garantir une performance optimale en termes de coût, de risques et de disponibilités des actifs avant et après le renouvellement des concessions.

intervalles des diagnostics, O. Currit, Journée Technique de l’AVPEE 2019 Auteurs: Nicolas Rouge, Ingénieur mécanicien EPFZ-MBA, Asset manager Alpiq Suisse SA, 1001 Lausanne, nicolas.rouge@alpiq.com Olivier Bernard, Docteur Génie-Civil EPFL, Asset Manager, ALTIS Groupe SA, 1934 Le Châble, olivier.bernard@altis.swiss

259


Die Umweltschutzorganisation der Schweizer Wirtschaft Im Rahmen einer Nachfolgeregelung suchen wir per sofort oder nach Vereinbarung eine/n

Geschäftsführer/in mit fachlicher Leitungsfunktion 80 – 100 % Ihre Herausforderungen Als Geschäftsführer/in (40 – 60 %) •  Operative Gesamtverantwortung für die Geschäftsstelle der ECO SWISS •  Vertreten der ECO SWISS nach aussen, insbesondere auch gegenüber Behörden und anderen Verbänden •  Sicherstellen einer zeitgemässen, effizienten Administration, Buchführung und Personalbetreuung •  Rapportierung an den Vorstand •  Unterstützung des Präsidenten, des Vorstandes sowie des Vorstandsausschusses in ihren Führungsfunktionen •  Organisation und Protokollierungen der Mitglieder­versammlung sowie der Sitzungen von Vorstand und Vorstandskommission Fachaufgaben (40 – 60 %) •  Mit- und Weiterentwickeln von Fachgebieten (entsprechend Ausbildung und Erfahrung) •  Audit- und Kontrolltätigkeit Wer Sie sind •  Sie besitzen eine hohe Leistungsbereitschaft und Detail­ orientierung •  Sie packen selbst an, können aber Aufgaben auch delegieren

•  Sie sind bereit, Verantwortung für die eigenen Aufgaben sowie die der Mitarbeitenden zu übernehmen •  Sie zeichnen sich durch eine vermittelnde, konsensorientierte und durchsetzungsfähige Persönlichkeit aus •  Hohe Sozialkompetenz, Führungsmotivation und persönliche Integrität gehören ebenso zu Ihren Eigenschaften •  Sie sind ein kommunikationsstarker Teamplayer Was Sie mitbringen •  Sie haben einen Hochschulabschluss im Ingenieurswesen- oder Umweltbereich mit kaufmännischer Weiterbildung (oder kaufmännische Ausbildung mit naturwissenschaftlicher Weiterbildung) •  Sie haben Berufs- und Führungserfahrung auf Stufe der Geschäftsleitung •  Sie besitzen eine sehr gute Ausdrucksfähigkeit in Wort und Schrift in Deutsch sowie gute Fremdsprachenkenntnisse in F und E Was wir bieten Wir bieten Ihnen eine verantwortungsvolle Führungsaufgabe mit einem vielfältigen Aufgabenbereich, eine zeitgemässe, branchenübliche Entlöhnung sowie Gestaltungsmöglichkeiten in einem motivierten Team an zentraler Lage in Zürich. Haben wir Ihr Interesse geweckt? Ihre Bewerbung senden Sie uns per Mail unter Angabe Ihres nächstmöglichen Eintrittstermins. Für Fragen steht Ihnen Herr Dr. Michael Matthes, Vizepräsident ECO SWISS zur Verfügung. Ihre Bewerbungsunterlagen senden Sie in elektronischer Form an bewerbung@eco-swiss.ch.

Mittwoch, 10. Februar 2021 Exkursion: Physikalisches Modell Murgangausleitung Lienz 16:00 bis 18:00 Uhr Davood Farshi, HSR, Rapperswil HSR, Rapperswil (Anmeldung erforderlich an: sonja.ramer@swv.ch) Mittwoch, 17. März 2021 17:00 bis 18:00 Uhr Repower AG, Landquart

Gemeinschaftskraftwerk Inn – Ein Projekt im österreichisch-schweizerischen Grenzgebiet Michael Roth, Engadiner Kraftwerke AG, Zernez

Mittwoch, 14. April 2021 Hochwasserschutz im urbanen Raum, 17:00 bis 18:00 Uhr die Stadtstrecke der Ill in Feldkirch Repower AG, Landquart Martin Netzer, Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abt. Wasserwirtschaft, Bregenz Veran

Donnerstag, 27. Mai 2021 Exkursion: Renaturierung Simmi bei Gams 17:00 bis 19:00 Uhr Reto Walser / Remo Lüchinger, Bänziger Partner AG, Oberriet Gams (Anmeldung erforderlich an: sonja.ramer@swv.ch) Mittwoch, 16. Juni 2021 Exkursion: Bregenzerach Hochwasserschutz Bregenz-Hard 16:00 bis 18:00 Uhr im Spannungsfeld komplexer Randbedingungen Bregenz Gerhard Huber, Amt der Vorarlberger Landesregierung, Bregenz (Anmeldung erforderlich an: sonja.ramer@swv.ch) Die Rahmenbedingungen der Veranstaltungen werden laufend an die behördlichen Schutzmass­nahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie angepasst. Kurzfristige Änderungen oder Absagen bleiben deshalb vorbehalten. Das Programm und die Detailinformationen zu den einzelnen Veranstaltungen stehen auf der Web­­seite www.rheinverband.ch zur Verfügung. Dort finden sich auch Angaben zu Einzeloder Kollektiv­mitgliedschaften beim Rheinverband.

260

Vortragsprogramm 2021

ECO SWISS ist die Organisation der Schweizer Wirtschaft für Umweltschutz, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Wir bieten eine Plattform und ein Netzwerk für Firmen und Verbände, um gemeinsam Aufgaben in diesen Bereichen zu bewältigen und Lösungen zu finden. ECO SWISS umfasst zurzeit ca. 220 Firmen und 12 Verbände. Durch die branchenübergreifende Zusammensetzung können Synergien bei Umweltschutz, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz genutzt werden. ECO SWISS hat das Ziel, seine Mitglieder bei der Umsetzung von Gesetzen, Verordnungen und anderen Vorschriften praxisorientiert und wirksam zu unterstützen.

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Radioaktive Abfälle und Eiszeiten in der Schweiz Können Gletscher und Permafrost zukünftiger Eiszeiten die langfristige Sicherheit der geplanten Lager beeinflussen? Wilfried Haeberli, Urs H. Fischer, Denis Cohen, Michael Schnellmann

Zusammenfassung Der Einfluss von Gletschern und Permafrost während möglicher zukünftiger Eiszeiten reicht weit unter die Oberfläche. Einige dieser Einflüsse können auch für die im nördlichen Alpenvorland geplanten Tiefenlager für hochradioaktive Abfälle relevant sein. Das vorhandene Wissen und Verständnis zu aktuellen wie eiszeitlichen Klimabe­din­ gungen, Gletschern und Permafrost liefert dazu eine Beurteilungsbasis. Die verbleibenden Unsicherheiten müssen mithilfe der laufenden und zunehmend fokussierten Studien sowie durch Plausibilitätsüberlegungen und Worst-Case-Szenarien behandelt werden.

Einleitung Aus dem Betrieb von Kernkraftwerken wie auch aus Industrie, Forschung und Med­i­zin fallen in der Schweiz radioaktive Abfälle an. Diese müssen nach dem Kernenergie­ge­ setz in geologischen Tiefenlagern langfris­

tig isoliert und sichergestellt werden (Eck­ hardt und Rippe, 2016). Als Wirtsgestein ist der vor mehr als 170 Millionen Jahren ab­gelagerte Opalinuston im Nordosten der Schweiz vorgesehen. Eine sicherheitsge­ triebene Standortsuche hat zu derzeit drei Standortgebieten geführt, in denen ein La­

ger für hochaktive Abfälle in Tiefen­be­rei­ chen von rund 500 bis 900 Metern unter der Erdoberfläche angeordnet werden kann. Im Rahmen des Sicherheits­nach­weises für solch ein Lager wird auch ein Zeitraum bis zu einer Million Jahre in die Zukunft betrachtet (Nagra, 2015). Über der­art lange Zeit muss mit mehreren zukünf­tigen Eis­ zeiten gerechnet werden. Die in der nördlichen Schweiz geplanten Tiefen­lager werden demnach auch eiszeitlichen Bedin­gun­ gen mit grossen Vorlandglet­schern und Perma­frost im Untergrund aus­gesetzt sein. Wie in anderen Ländern mit ähnlichen Her­ ausforderungen (z. B. Eng­land, Finn­land, Schweden, Kanada oder Deutsch­land) wer­ den mögliche Einflüsse zukünf­tiger Eis­ zeiten auch für Schweizer Verhält­nisse gezielt untersucht (Fischer et al., 2014, 2021;

Bild 1: Zu evaluierende Stand­ortgebiete (ZNO = Zürcher Nordost, NL = Nördlich Lägern, JO = Jura Ost) und Eis­zeit­ver­ gletscherung. LGM = Last Glacial Maximum (grösste Glet­scher­aus­dehnung während der letzten Eis­zeit), MEG = Most Extensive Glaciation (grösste eiszeitliche Gletscher­aus­dehnung). Modifiziert nach Bini et al. (2009). «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

261


Bild 2: Stand­ortgebiete (wie Bild 1) und quartäre Se­­di­ment­ab­lagerungen im nörd­li­chen Alpen­vor­land nach Jordan (2010) sowie Pietsch und Jordan (2014). Im externen Alpen­vor­land wurden die grössten Erosions­tiefen wahr­scheinlich schon in früheren Eis­zeiten erreicht – die letzte Eis­zeit hat stel­len­weise bereits existierende und mit Ab­la­ge­rungen verfüllte über­tiefte Tal­struk­turen teil­weise wieder aus­ge­räumt. diverse Arbeitsberichte der Nagra). Das vor­handene Wissen wird da­bei mit nu­me­ ri­schen Modellsimulationen kombiniert. Die möglichen Standortgebiete der Nord­­schweiz liegen im Bereich grosser eis­ ­zeitlicher Vorlandgletscher (Bild 1). Die Ero­ ­sion an der Basis solcher Gletscher kann bis in grosse Tiefe reichen. Auch in der Nä­he der Standortgebiete befinden sich Täler, de­ ren Felsuntergrund durch eiszeitliche Glet­ scher mehrere Hundert Meter tief unter die heutige Oberfläche ausgegraben wurde (Bild 2). Ausserhalb der Gletscher und teilweise auch unter ihnen kann der Unter­grund während Eiszeiten bis in beträchtliche Tiefen dauernd gefroren sein (Permafrost). Beide – sowohl die Gletscher wie auch der Perma­ frost – beeinflussen das tiefe Grundwasser (Zhang et al., 2018). Des­halb ist im Rahmen einer Standortwahl ne­ben anderen Faktoren auch zu untersu­chen, wie gut die Standort­ gebiete für ein Tiefen­lager gegenüber den Effekten einer zukünf­tigen Vergletsche­rung und Perma­frost­bil­dung geschützt sind. Die folgende Über­sicht geht auf die klimati­ schen und glaziologischen Zustände wäh­ ­rend Eiszeiten in der Nordschweiz ein, skiz­ziert die Herausforderungen bei der Abschätzung der glazialen Tiefenerosion, fasst den derzeitigen Stand der Arbeiten zusammen und gibt einen kurzen Ausblick auf die nächsten Schritte. 262

Eiszeitbedingungen in der Schweiz Fachliteratur zu Eiszeiten in der Schweiz entsteht seit dem 19. Jahrhundert (z. B. de Charpentier, 1841) reichhaltig. Erste nume­ rische Berechnungen zu Gletschern und Permafrost in der Schweiz bei maximaler Vereisung während der letzten Eiszeit vor rund 22 000 bis 20 000 Jahren begannen in den 1980er-Jahren (z. B. Haeberli et al., 1984; Haeberli and Schlüchter, 1987). Sie bauten auf sorgfältigen Rekonstruktionen der damaligen Gletschergeometrie auf (Jäckli, 1970; vgl. dazu Bini et al., 2009). Speziell gut dokumentiert ist der Rhein­ gletscher (Keller and Krayss, 1991; BenzMeier, 2003). Auch das Verbreitungsmuster von eiszeitlichem Permafrost in Mittel­eu­ ro­pa ausserhalb der vergletscherten Be­ reiche ist vielfach belegt (Bild 3; Andrieux et al., 2016; Lindgren et al., 2016). Formen des durch Frost im Untergrund blockierten Karstes (eiszeitliche Seesedimente in Karstwannen, Trockentäler; Barsch, 1968) und Sturzphänomene (Becker et al., 2000) im Jura sowie glazitektonische Deforma­ tion von randglazialen Schottern (Bild 4; Schindler et al., 1978) sind entsprechende (spärliche) Spuren in der Nordschweiz. Die grossen Piedmontgletscher des nördli­chen Alpenvorlandes waren polythermal, d. h. vor­ wiegend kalt und randlich am Untergrund

angefrorenen. Die Existenz von Eis über und unter der Oberfläche beeinflusste die Bil­ dung und das Verhalten von Grundwasser bis in bedeutende Tiefen (Speck, 1994; Beyerle et al., 1998). In Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Palaeoklima-For­ schung (v. a. Pollen und Chironomiden = Zuckmücken in Seesedimenten; Becker et al., 2006; Duprat-Qualid et al., 2017) weisen diese Ergebnisse für die Phase der maximalen Vereisung auf ausgesprochen kalttrockene Bedingungen hin, mit gegenüber heute zeitweise um rund 15 °C tieferen Jahrestemperaturen und um rund 80 % reduzierten Niederschlägen. Unter solchen Bedingungen – vor allem die Winter müssen extrem kalt gewesen sein – waren die Wälder nördlich der Alpen zeitweise einer Zwerg­ strauchtundra gewichen. Südlich der Alpen ergaben sich weniger extreme Verhält­nis­ se (kein Permafrost in Tieflagen, aktivere Gletscher, Waldvegetation). Bereits die ersten Anwendungen von globalen Klimamodellen auf eiszeitliche Verhältnisse (Manabe and Broccoli, 1984; später vor allem auch Gildor and Tziper­man, 2001) lieferten die Erklärung für solch spezielle Verhältnisse in Mitteleuropa im Ver­ gleich zu den viel kleineren globalen Tem­ pe­raturdepressionen (ca. 3 bis 5 °C; Annan and Hargreaves, 2013). Über Nordamerika hatte sich der Laurentidische Eisschild ge­

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Bild 3: Skandinavisch-britischer Eisschild, Gletscher, Permafrost und Strömungsmuster für Niederschläge (grosse Pfeile) in Europa bei maximaler Vereisung während der letzten Eiszeit (nach Lindgren et al., 2016; Florineth, 1998; Florineth and Schlüchter, 1998). bildet. Seine gigantische Eismasse war grösser als die der heutigen Antarktis, ihr Aufbau hatte den Meeresspiegel um über 100 Meter absinken lassen. Die weisse und hochgelegene Firnoberfläche des Eisschil­ des reflektierte die Sonnenstrahlung effizient, kühlte sich stark aus und führte zur Bildung eines konstanten Hochdruck­ge­ biets. Dieses Hochdruckgebiet leitete umfangreiche Luftmassen aus dem Pazifik­ raum nach Norden über den eisbedeckten arktischen Ozean, wo sie stark auskühl­ ten. Das Rückströmen dieser kalt-trockenen Luftmassen nach Süden liess die Ober­ fläche des Atlantiks grossflächig gefrieren. Im Winter reichte das Packeis bis hinunter zur Breitenlage der Pyrenäen. Der Atlantik war damit als Feuchtigkeitsquelle für Mit­ teleuropa im Winter versiegelt, die ozeanische Polarfront war gegen den Mittel­meer­ raum südwärts verschoben, und die mit ihr verbundenen Tiefdruckgebiete steuerten von dort her Niederschläge gegen die Alpen. Diese wirkten als effiziente Niederschlags­ barriere, was zu markanten klimatischen Gegensätzen zwischen der feuchten Süd­ seite und der trockenen Nordseite der Al­ pen führte (Bild 3; Florineth and Schlüchter, 1998; vgl. Becker et al., 2016; Jouvet et al., 2017). Hinsichtlich vergangener Eiszeitbe­din­ gungen in den möglichen Standortge­bie­

ten existiert eine konsolidierte Wissens­ grundlage. Zukünftige Eiszeiten dürften nach ähnlichen Mustern ablaufen. Gletscher, Permafrost, ihre Interaktion und ihre Wir­ kung auf den Untergrund werden deshalb für eiszeitliche Verhältnisse mit dreidimen­ sionalen und zeitabhängigen Modellan­ sätzen analysiert (z. B. Cohen et al., 2018). Glaziale Erosion und Übertiefungen im Alpenvorland Im Gegensatz zu allen anderen landschafts­ formenden Prozessen kann die Ero­sion durch Gletscher tief unter die Erd­ober­flä­che reichen. Ehemals verglets­cherte Ge­biete

weisen oft geschlossene topogra­fische Ver ­tiefungen auf (Cook and Swift, 2012). Derartige «Übertiefungen» können an ihrem talseitigen Ende markante Gegensteigun­ gen aufweisen. Werden solche im Gletscher­ bett erodierten Depressionen freigelegt, füllen sie sich mit Wasser und Sedimenten. Die Seebecken des Alpenvorlandes sind so durch die Eiszeitgletscher geschaffen worden und verlanden nach dem Rückzug des Eises durch den Eintrag von Gesteins­ material aus den Einzugsgebieten ihrer Zu­ bringerflüsse. Der Felsuntergrund in den übertieften Tälern der Alpennordseite kann stellenweise mehrere Hundert Meter tief unter der heutigen Oberfläche liegen. Im Bereich der Alpenrandseen befindet sich der Felsuntergrund stellenweise im Bereich des heutigen Meeresspiegelniveaus oder kann sogar darunter liegen (Preusser et al., 2010). Im Zürichsee beispielsweise liegt der Molasse-Fels heute bis 300 Meter un­ter dem Seespiegel, wobei die Felsoberfläche, wie bei einer glazialen Übertiefung typi­sch, talwärts (Richtung Zürich) ansteigt. Alte, gletschernahe Flussablagerungen auf der Albiskette (600 – 700 m ü. M.; Pavoni et al., 2015) zeigen, dass in den letzten ein bis zwei Mil­ li­ onen Jahren das Niveau der Haupt­flüsse deutlich tiefer gelegt wurde. Auch hier dürften, neben der direkten Erosion durch Flüsse während Warmzeiten, die Glet­scher eine wichtige Rolle gespielt haben. Prozesse der Erosion am Gletscher­ bett sind (Alley et al., 2019): • Gesteinsabrieb («abrasion») bei Gleitprozessen durch schutthaltige Eisschichten am Gletscherbett, • Herausreissen von Felspartien («plucking») bei Schwankungen des Wasserdrucks und des Eisgefrierpunkts, • Erosion und Schutt-Evakuation durch Schmelzwasser, in grossen Abflusskanälen linear konzentriert.

Bild 4: Vom Gletscher in gefrorenem Zustand duktil verformte Moräne, Kiese und Sande im Aadorfer Feld bei Winterthur (aus Schindler et al. 1978; Skala in Metern).

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

263


de im Kalk tiefe und enge Einschnitte entstehen können. Solch lokale Effekte entziehen sich bisher der raum-zeitlichen Mo­ del­lierung ganzer Gletschersysteme.

Bild 5: Mittlere langfristige Abtragsraten (vereinfacht nach Jaeger and Koppes, 2016), bestimmt mit verschiedenen Methoden (v. a. Sedimentaustrag, Expositiosalter; Alaska, nordamerikanisches Küstengebirge, Patagonien). Blau = niederschlagsreiches Klima, gelb = trockenes Klima. Diese Vorgänge spielen sich über lange, oft nicht genau bekannte Zeitspannen in unzugänglichen Bereichen unter den Glet­ schern ab. Das Prozessverständnis ist des­ halb heute noch vorwiegend theoretischqualitativer Art. Neben der Erosionsan­fäl­ lig­keit des Gesteins und der Geometrie (Grösse, Neigung) der Gletscher haben vor allem das Wasser und die damit verbun­ dene Gleitbewegung des Eises am Glet­ scherbett sowie der Sedimenthaushalt des Gesamtsystems im jeweiligen Einzugs­ge­ biet einen primären Einfluss. Wo Gletscher­ partien am Untergrund angefroren sind, kann das Eis nicht schnell über sein Bett gleiten und damit auch nicht wesentlich erodieren. Wo der Anfall von Schutt aus der Gletscherosion und aus umliegenden Felswänden grösser ist als das, was das abfliessende Schmelzwasser mit seiner Transportkapazität aus dem verglet­scher­ ten Bereich evakuieren kann, werden Mo­ ränenschichten abgelagert, die den Fels­ untergrund bedecken und vor Erosion schützen (Zemp et al., 2005; Egholm et al., 2012). Gerade bei markanten Übertie­fungen ist die Frage nach dem Zusammenspiel zwischen der Transportkapazität des basalen Schmelzwassers, den am Gletscher­ bett existierenden Gradienten des Wasser­ drucks und den zu transportierenden Korn­ grössen des erodierten Gesteinsmaterials entscheidend. Dieses Zusammenspiel bestimmt, wie und ob das vom Gletscher ero­ dierte Material über manchmal steile Ge­ 264

gensteigungen der talseitigen Felsriegel evakuiert werden kann und damit weitere Gletschererosion ermöglicht. Gestützt auf weltweite Messwerte, wird für langfristigflächenhafte Abtragsraten in vergletscher­ ten Einzugsgebieten ein Erfahrungswert von ca. 1 mm (mit Extremwerten von < 0,1 bis 5 mm) pro Jahr angenommen (Bild 5; Jaeger and Koppes, 2016). Die Werte können aber je nach Zeitskala, Gletscher­ grös­se, Klima, Topografie, Tektonik und Gesteinscharakteristik um mehrere Grös­ sen­ordnungen variieren (Hallet et al., 1996). Für kalt-trockene Bedingungen mit Perma­ frost und teilweise kalten Gletschern sind tendenziell kleinere Werte zu erwarten als für niederschlagsreiche Gebiete mit schnell fliessenden / gleitenden Gletschern. Flä­ chen­haft gemittelte Abtragswerte hängen primär mit der schleifenden («abrasion») und losreissenden («plucking») Wirkung des über das Gletscherbett gleitenden basalen Eises zusammen. Daneben kann im Hoch­ gebirge auch der Abtrag im Einzugsgebiet durch Verwitterungs- und Sturzprozesse in den umliegenden Felswänden eine wichtige Rolle spielen (Delmas et al., 2009). Bei den grössten Tiefenwirkungen müssen Pro­ zesse der linear-konzentrierten fluvialen Erosion durch sedimentbeladene Abflüsse in Kanälen am Gletscherbett in Betracht ge­ zogen werden. Das spektakuläre Bei­spiel der wohl eiszeitlich entstandenen Aare­ schlucht (Bild 6) dokumentiert, dass durch subglazial-fluviale Erosionsprozesse gera-

Bild 6: Die Aareschlucht – wahrscheinlich das Resultat eiszeitlicher, linear konzentrierter subglazialer Tiefen­ erosion im Kalk. Foto: W. Haeberli. In zwei internationalen Experten-Work­ shops zur Modellierung der Gletscher­ erosion und zum Phänomen der glazialen Übertiefungen wurde die Forschungs­ situation analysiert (Fischer and Haeberli, 2010, 2012). Schlüsselfragen hinsichtlich der Gletschererosion betreffen insbe­son­ dere die subglaziale Hydrologie mit ihren Einwirkungen auf Gleitprozesse, Sediment­ e­vakuation und linear-konzentrierte Tiefen­ erosion durch sedimentbeladene Abflüsse am Gletscherbett. Numerische Modell­si­ mu­lationen erlauben hier noch keine gesicherten quantitativen Vorhersagen. Sie helfen jedoch, das Prozessverständnis zu verbessern, Unsicherheiten zu quantifi­ zieren und Sensitivitäten bei der ProzessParametrisierung zu testen. In Anbetracht limitierter Rechenzeiten sind einfachere Modellansätze für Gletscherfliessen mit Modellansätzen höherer Ordnung zu kombinieren. Die stärkste Rückkoppelung für Erosionsprozesse scheint beispielsweise über die topografischen Gegebenheiten (Täler) zu erfolgen. Dies gilt ganz beson­ ders für glaziale Übertiefungen, wo die Erosion konzentriert ist und die Evakuation von Wasser und Sedimenten gewährleis­ tet sein muss. Als kritische Stelle für das Wassersystem wird die Gegensteigung am talseitigen Ende einer Übertiefung erach­ tet (Bild 7). Sie steuert nicht nur die Mor­ phologie und Durchlässigkeit des subgla­ zialen Entwässerungssystems im übertief-

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


ten Bereich, sondern auch den Durch­fluss von Eis und den Sedimenthaushalt. Gefrier­ prozesse bei Druckentlastung und entsprechendem Anstieg des Druck­schmelz­ punkts im Wasser aufwärtsflies­sender Ge­ rinne spielen in den theoretischen An­sät­zen eine wichtige Rolle. Bisher in der Literatur kaum behandelt. sind hingegen die fluviale Erosion durch subglaziale Gerinne und deren Transportkapazität beim Auf­wärts­ fliessen an steilen Gegensteigungen. Numerische Modellsimulationen Charakteristiken des eiszeitlichen Rhein­ gletschers werden mit einem hoch aufge­ lösten numerischen Modell (Elmer / Ice; Gagliardini et al., 2013) finiter Elemente un­ tersucht, das die gekoppelten drei­ dimen­sionalen Gleichungen für Wärme, Masse und Momentum für Stoke’sches Fliessen löst (Cohen et al., 2018). In­i­tia­li­ siert wird das Modell aufgrund der rekon­ struierten Eisgeometrie (v. a. Benz-Meier, 2003; Bini et al., 2009). Schon hier müssen Unsicherheiten mit einbezogen werden. Das damalige Gletscherbett entspricht etwa bei Seen oder jungen Talverfüllungen nicht ein­ fach der heutigen Oberfläche, aber auch nicht überall dem aus Bohrungen und geo­ physikalischen Sondierungen abge­schätz­ ten Felsuntergrund. Modellsimulationen werden deshalb mit zwei Extremannahmen für die damalige Bettgeometrie durchge­

Bild 8: Beispiel einer Klimafunktion für transiente Modellsimulationen: Ände­ run­gen der mittleren Jahrestemperatur während der letzten 120 000 Jahre nach Information aus der Grönland-Eiskernbohrung NGRIP (Kindler et al., 2014), angepasst an regionale Palaeoklima-Information aus Proxydaten in Mittel­europa. Der blaue Verlauf entspricht einer warmen, der schwarze einer kalten Variante. Die rot gestrichelte Linie deutet 0 °C in der Nordschweiz an. führt, nämlich mit der heutigen Oberfläche ohne Seen und Gletscher sowie mit der rekonstruierten Felsoberfläche. Auch die Lage der damaligen Gletscheroberfläche ist nur im Ablationsgebiet durch Moränen als Spuren im Gelände klar dokumentiert. In ehemaligen Firngebieten bestehen grosse Unsicherheiten, da die Spuren im Ge­ lände (Gletscherschliffe) weniger eindeu­tig interpretiert werden können und prompt zu scheinbaren Widersprüchen mit den Modell­resultaten führen. Langfristige und zeitlich hoch aufge­ löste Variationen der Erdoberflächen­tem­ pe­ratur sind in den Isotopenprofilen der polaren Eisbohrkerne dokumentiert. An­

Bild 7: Steile Gegensteigung einer glazialen Fels-Übertiefung, freigelegt in einem aus Sicherheitsgründen künstlich um 20 m abgesenkten See (Laguna 513, Cordillera Blanca, Peru; Haeberli et al., 2016). Der relativ kleine Gletscher floss (von rechts nach links im Bild) noch bis in die 1980-er Jahre durch den rund 100 m tiefen See über die Felsschwelle. Foto: C. Giraldez. «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

gepasst an rekonstruierte Tempera­tu­ren für Mitteleuropa, können sie für transiente Modellsimulationen der Permafrost- und Gletscherentwicklung im Alpenvorland un­ ter eiszeitlichen Bedingungen verwendet werden (Bild 8). Simulationen für den letzt-eiszeitlichen Rhein­gletscher (Cohen et al., 2018) bestä­ tigen generell Ergebnisse aus früheren quantitativen Abschätzungen, allerdings mit viel mehr Details und vertieftem Pro­ zess­verständnis. Auch mit vereinfachten Modell­ansätzen durchgeführte transiente Simu­lationen für die gesamte Vergletsche­ rung der Schweiz und der Alpen (Becker et al., 2016; Jouvet et al., 2017; Seguinot et al., 2018) zeigen das gleiche Bild für das Sta­dium der maximalen Eisausdehnung. Das relativ dünne Eis der flachen Vorland­ glet­scher in der Nordschweiz war unter mehrheitlich niedrigen Schubspannungs­ werten eher langsam geflossen (Bild 9). Die Mas­senbilanzgradienten – die Verände­ rung der Schmelzbeträge mit der Höhe – und damit die Massenumsätze müssen klein gewe­sen sein. Dieses Ergebnis hängt primär von der rekonstruierten Eisgeo­metrie (Ober­flächen­neigung, Eisdicke) im Alpen­ vorland ab. Übereinstimmend mit Hinwei­ sen aus der Palaeoklima-Forschung existierten wäh­rend der maximalen Eis­aus­ dehnung südlich und nördlich der Alpen markante Unterschiede des Niederschlags mit ausgeprägt kalt-trockenen Bedin­gun­ gen im nördlichen Alpenvorland (Haeberli and Penz, 1985; Jouvet et al., 2017). Die für die dortige Eisoberfläche berechneten jährli­chen Schmelzbeträge waren entspre­ chend limitiert. Das Gletschereis wies über­ wie­gend negative Temperaturen auf, der grös­ste Teil der Eisbasis im Vorland und in den tiefen Alpentälern erreichte jedoch die Schmelztemperatur, was Gleitprozesse und entsprechende Erosion am Gletscherbett 265


Bild 9: Beispiel einer Modellrechnung für den Maximalstand des Rheingletschers während der letzten Eiszeit. (a) Eismächtigkeit (m), (b) Gletscherbett-Temperatur relativ zum Druckschmelzpunkt (° C; die gelben Linien umranden Bereiche mit Schmelztemperatur, die dunkelblauen Bereiche weisen Temperaturen weit unter 0 °C auf), (c) Fliessgeschwindigkeit (m pro Jahr) und (d) Fliesstrajektorien. Nach Cohen et al., (2018). ermöglichte. Im Gebirge (ehemalige Akku­ mu­lationsgebiete) liegen die modellierten Firnoberflächen wesentlich höher als die aufgrund von Schliffspuren rekonstruier­ ten Oberflächen: Die modellierten Gletscher sind also dicker als die rekonstruierten. Eine plausible Erklärung dieses scheinba­ ren Widerspruchs liegt bei der Interpreta­ tion der beobachteten Schliffspuren im Gebirge. Diese Schliffspuren zeigen nämlich primär die Obergrenze des warm-basierten, gleitenden Eises an und unterschätzen deshalb die wesentlich grössere Dicke des Gletschers mit dem in höheren Bereichen liegenden kalten und am Unter­ grund angefrorenen Eis, das kaum Spuren hinterlassen hat (Cohen et al., 2018; Seguinot et al., 2018). Die Unsicherheiten der numerischen Modelle lassen allerdings noch keine gesicherten Schlüsse zu (Imhof et al., 2019). Nach ersten Berechnungen reichte der Permafrost in den Zeiten um 60 000 und 20 000 Jahre vor heute in unverglet­ scher­ten Gebieten des Alpenvorlands bis 266

maximal rund 150 Meter unter die Ober­ fläche (vgl. dazu Deslisle et al., 2003). Die

Glet­scher-Randbereiche stiessen zumin­ dest teilweise über Permafrost vor und waren entsprechend an eisreichem Unter­ grunde angefroren. An der Basis von Glet­ schern, die über Permafrost vorstossen, sind Wär­me­flüsse klein oder sogar invers. Für das Schmelzen von Eis im Permafrost sind zudem grosse Mengen an latenter Wärme nötig. Permafrost unter Gletschern kann deshalb auch bei thermischen Un­ gleich­ge­wichten über lange Zeit (Grössen­ ord­nung 103 Jahre) (weiter-)bestehen. Die Tem­peratur an der Eisbasis kann dabei unter dem Schmelz- / Gefrierpunkt bleiben. In­for­mation zu solch komplexen Glet­scherPermafrost-Interaktionen können für das Prozessverständnis zu veränder­ten Grund­ ­wasserbedingungen (Druckgra­dien­ten, Sa­ li­­nität, Fliesswege; Iverson and Person, 2012) und zur Glazialerosion im Bereich der geplanten Lager wichtig sein. Aus der Per­ spektive der Sicherheitsbe­trachtungen sind kalte Szenarien mit tief reichendem Perma­ frost unter den Vor­land­gletschern für allfällige Effekte im Grund­wasser, warme Sze­ narien ohne Perma­frost im Glet­scher­bett dagegen für maximal mögliche Ero­sions­ leistungen interessant. Auch wenn sich solch extreme Sze­na­rien ge­genseitig tendenziell ausschlies­sen, werden sie doch beide im Sinne von Worst-Case- oder End­ member-Bedingungen analysiert. Prozesse des Abflusses und der Erosion am Gletscherbett sowie der Grundwasser­ flüsse an dynamische Gletschermodelle an­zukoppeln, ist besonders hinsichtlich linear-konzentrierter fluvialer Erosion durch Wasserkanäle am Gletscherbett noch weit gehend wissenschaftliches Neuland. Ef­

Bild 10: Modellierte Erosion durch subglazial-fluviale Prozesse bei idealisierter Gletschergeometrie. Die über die Zeit (Jahr) integrierte Tiefenerosion entlang des zentralen Kanals (blaue Kurve, Skala links) ist entlang des mittleren Gletscherteils relativ konstant, das erodierte Volumen (rote Linie) erreicht in der Nähe des Gletscherrandes ein Maximum, da die Breite der erodierten Rinne gegen das Gletscherende hin zunimmt (vgl. Beaud et al., 2016). «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


fekte auf das Grundwasser sind bisher vor allem für grosse Eisschilde behandelt wor­ den (Boulton and Caban, 1995; Cutler et al., 2000; Iverson and Person, 2012; Person et al., 2012 a, b). Details der oft komplexen Hydrogeologie und Lithologie (v. a. Porosi­ tät, Permeabilität) spielen eine wichtige Rolle. Für die Entwässerung am Glet­scher­ bett wird auf Grund vieler Bohrloch­mes­ sungen in heutigen Gletschern und Eis­ schilden ein System von teilweise verbun­ denen Kavernen modelliert (Walder, 1986; Kamb, 1987), das sich bei starkem Schmelz­ wasseranfall – meist im Verlauf der warmen Jahreszeit – in ein effizientes Abflusssys­ tem von dendritisch vernetzten Kanälen entwickelt (Werder et al., 2013). Fluviale Erosion durch entwickelte Kanalsysteme ist nach ersten entsprechenden Modellsi­ mulationen für idealisierte Gletscher­geo­ metrien gegenüber flächenhaften Abtrags­ prozessen durch die Eisbasis insgesamt gering. Sie kann aber vor allem im randnäheren Bereich der Gletscher linear konzentriert Tiefenwirkungen in der Grössen­ ordnung von Zentimetern pro Jahr erzeu­ gen (Bild 10), was, über die entsprechen­ den Zeiträume integriert, durchaus der Grössenordnung maximaler Übertiefungen in der Natur entspricht (Beaud et al., 2016). Hoch aufgelöste quantitative Informa­ tion über die Morphometrie von Über­tie­ fungen ist in den letzten Jahren durch direkte Messungen (Geophysik und Boh­ rungen im Eis, Bathymetrien von neuen Seen) und Modellrechnungen (räumliche Muster von Eisdicken) entstanden. Die sys­tematische Analyse solcher Daten über die Bett-Topografie von Eisschilden und Ge­birgsgletschern deutet die Tendenz zu stabilisierenden Rückkoppelungseffekten bei seitlich eingeengtem Fliessen an (Patton et al., 2016), zeigt aber vor allem auch die grosse Variabilität der Formen und Fak­to­ ren in der Natur: Allgemein gültige empirische Beziehungen für die Morphometrie von glazialen Übertiefungen (z. B. typische Breiten-Tiefen-Verhältnisse) konnten nicht ausgemacht werden (Haeberli et al., 2016; Magrani et al., 2020). Die beobachteten grossen Neigungen von Gegensteigungen bei Übertiefungen im Hochgebirge (Bild 7) können zwar heute besser erklärt werden (Werder, 2016), andere Phänomene müssen aber in den Modellen noch besser quantitativ simuliert werden. Die räumli­ chen Muster der über die Vergletsche­ rungs­zeit integrierten Gleitkomponente der Gletscherbewegung («sliding distance») etwa weist nach den gängigen Vorstel­lun­ gen von Prozessen der glazialen Erosion (abrasion, plucking) tatsächlich auf Orte

starker Eintiefung hin. Im Alpenraum selber mit seinen eingetieften Tälern beispielsweise sind die entsprechenden Mo­ dellresultate realistisch (Bild 11). Im Alpen­ vorland hingegen reichen die ausgeprägt fjordartigen Übertiefungen weit über die Bereiche grosser zeitlich integrierter Gleit­ distanzen und entsprechend modellierter Glazialerosion durch «abrasion» oder «quar­r ying» hinaus. Die gegen das damali­ ge Gletscherende zunehmenden subgla­ zialen Wasserflüsse mit ihrer Erosions­wir­ kung dürften eine wichtige Rolle spielen (Bild 11).

Perspektiven und laufende Arbeiten Im Zusammenhang mit der Lagerung hochradioktiver Abfälle in der Schweiz muss der Einfluss zukünftiger Eiszeiten beachtet und abgeklärt werden. Für die Langzeit­ sicherheit eines geologischen Tiefenlagers ist die glaziale Erosion relevant, wobei u.a. der Zeitpunkt einer möglichen Lagerfrei­ legung beurteilt werden muss (die Radio­ toxizität der Abfälle nimmt mit der Zeit ab). Szenarien zur zukünftigen glazialen Erosion werden in den kommenden Jahren durch

Bild 11: Im Laufe von verschiedenen glazial-interglazialen Zyklen entstandene über­tiefte Täler (rote Umrisslinien) und über die Zeit integrierte Gleitkomponente der Gletscherbewegung («Gleitdistanz») des letzt-eiszeitlichen Rheingletschers (die Simulation erreichte den Maximalstand nicht ganz). Die «Gleitdistanz» ist ein Indikator für die Erosionsintensität durch das basale Eis. Entsprechende Werte sind in den Alpentälern am höchsten und nehmen im Bereich des Alpenrands deutlich ab. Ergänzt nach Cohen and Jouvet (2017; vgl. auch Fischer et al., 2014, 2021).

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

267


weiterführende Studien und Modell­simu­ lationen besser definiert werden. Die bisher durchgeführten Studien und Experten­ treffen erlauben es, offene Fragen zu definieren und fokussierte Arbeiten einzuleiten. Für grossflächige Analysen der Eis­ zeitbedingungen in der Schweiz kommen derzeit räumlich höher aufgelöste regionale Klimamodelle zum Einsatz, die die markante Wetterscheidenfunktion der Alpen­ kette bei eiszeitlich veränderten atmosphä­ rischen Strömungsfeldern gegenüber den bisherigen Modellsimulationen (Hofer et al., 2012a, 2012b) besser nachbilden können. Effiziente, aber stark vereinfachte Gletscher­ modelle werden im regionalen Skalenbe­ reich eingesetzt. Im Vordergrund des Inte­ res­ses steht dabei etwa die Frage, unter welchen klimatischen und topografi­schen Bedingungen die durch alpine Findlinge belegte maximale Gletscherausdehnung bis über den Jura hinaus möglich war. Die entsprechende Information könnte auch zum Verständnis der Tatsache beitragen, dass die Übertiefungen im Molassebecken stellenweise über die maximale Gletscher­ aus­dehnung der letzten Eiszeit hinaus reichen, im Kalk des Falten- und Tafeljuras je­doch weitgehend fehlen. Die wenigen Über­tiefungen in diesem Bereich sind deut­ lich schmaler und vergleichsweise weniger tief. Der Grund für diesen Unterschied ist erst wenig verstanden. Solch gesteinsab­

hängige Effekte sind relevant, da zwischen den heutigen Übertiefungen im Molasse­ substrat und dem Opalinuston (Wirtge­stein für die radioaktiven Abfälle) mächtige Kalk­ steinserien liegen. Die grossräumigen Modellsimulationen (Alpen und Alpenvorland) werden mit vereinfachten Modellen gerechnet und im Bereich der geplanten Standorte an komplexe/rechenintensive Ansätze gekoppelt, um Gletscher-Permafrost-GrundwasserInteraktionen lokal detailliert zu analysie­ ren. Ein weiterer Schwerpunkt bleibt bei den Erosions- und Evakuationsprozessen durch linear-konzentrierte Schmelzwasser­ abflüsse, insbesondere an talseitigen Ge­ gen­ steigungen von übertieften Tälern. Letzt­lich spielen bei derartigen Überlegun­ gen auch Vorgänge während Zwischen­ eiszeiten eine wichtige Rolle. In eisfreien Zeiten werden glazial übertiefte Täler mit Schutt gefüllt. Dies begrenzt die über die Zeit fortschreitende glaziale Tiefenerosion, erhöht jedoch auch die Möglichkeit, dass sich erodierende Gletscher während der Vorstossphase im Alpenvorland verzwei­ gen, da dort Eismächtigkeiten und topografische Höhendifferenzen vergleichbar sind. Über Eiszeiteffekte hinaus muss eine integrative quartäre Landschafts­ge­schich­ te in Betracht gezogen und für die Zukunft abgeschätzt werden. Neben den modellbasierten Ansätzen zur Verbesse­rung des

Prozessverständnisses hat die Nagra in der Nordschweiz ein Unter­su­chungs­pro­ gramm mit geophysikalischen Messun­gen und Kernbohrungen zur Unter­suchung von verfüllten glazialen Übertie­fun­gen in der Nord­schweiz (Thurtal, Glatttal, Aare­tal) initiiert. Dadurch soll die lokale Ero­sions­ge­ schichte über mehrere vergan­gene Glaziale und Interglaziale möglichst quantitativ rekonstruiert werden. Die Re­sul­tate dienen zusammen mit den modellbasierten An­ sätzen und weiteren Studien als Basis für die Abschätzung der Erosion über die nächsten 100 000 bis 1 Million Jahre. Eine Schweiz im historisch-aktuellen Sinn gibt es in solchen Szenarien nicht mehr. Die Palaeoglaziologie, die quantitative Forschung zu eiszeitlichen Gletschern und Permafrost, begann in den späten 1970erJahren (z.B. Sugden, 1977). Von der digitalen Geländeinformation und von hochent­wickelten numerischen Modellen sind in den letzten Jahren starke Impulse ausgegangen. Quantitative palaeoglaziologische Forschung ist zu einem faszinierenden und zunehmend wichtigen Forschungs­ gebiet geworden. Die gezielten Studien zur langfristigen Sicherheit geologischer Tiefenlager für radioaktive Abfälle profitieren nicht nur von dieser Entwicklung, sondern tragen auch wesentlich zum ent­ sprech­enden wissenschaftlichen Fortschritt bei.

Quellen: Alley, R.B., Cuffey, K.M. and Zoet, L.K. (2019): Glacial erosion: status and outlook. Annals of Glaciology 60 (80), 1–13. doi.org/ 10.1017/aog.2019.38. Andrieux, E., Bertran, P. and Saito, K. (2016): Spatial analysis of the French Pleistocene permafrost by a GIS database. Permafrost and Periglacial Processes 27, 17–30. doi:10.1002/ppp.1856. Annan, J.D. and Hargreaves, J.C. (2013): A new global reconstruction of temperature changes at the Last Glacial Maximum. Climate of the Past 9, 367–376. doi:10.5194/cp-9-367-2013.
 Barsch, D. (1968): Periglaziale Seen in den Karstwannen des Schweizer Juras. Regio Basiliensis 9(1), 115–134. Beaud, F., Flowers, G.E. and Venditti, J.G. (2016): Efficacy of bedrock erosion by subglacial water flow. Earth Surface Dynamics 4, 125–145. doi:10.5194/ esurf-4-125-2016. Becker, A., Ammann, B., Anselmetti, F.S., Hirt, A.M., Magny, M., Millet, L., Rachoud, A.-M., Sampietro, G. and Wüthrich, C. (2006): Paleoenvironmental studies at Lake Berg­see, Black Forest, Germany. Neues Jahrbuch für Geo­logie und Palaeontologie – Abhandlungen 240 (3), 405–435. Becker, A., Davenport, C.A., Haeberli, W., Burga, C., Perret, R., Flisch, A. and Keller, W. (2000): The Fulnau landslide and former Lake Seewen in the northern Swiss Jura Mountains. Eclogae Geologicae Helvetiae 93, 291–305. Becker, P., Seguinot, J., Jouvet, G. and Funk, M (2016): Last Glacial Maximum precipitation pattern in the Alps inferred from glacier modelling. Geografica Helvetica 71, 173–187.

Benz-Meier, Chr. (2003): Der würmeiszeitliche Rheingletscher-Maximalstand: digitale Rekonstruktion, Modellierung und Analyse mit einem feografischen Informationssystem. Dissertation Universität Zürich. Physische Geographie 43. Beyerle, U., Purtschert, R., Aeschbach-Hertig, W., Imboden, D.M., Loosli, H.H., Wieler, R. and Kipfer, R. (1998): Climate and groundwater recharge during the Last Glaciation in an ice-covered region. Science 282 (5389), 731–734. doi:10.1126/ science.282.5389.731. Bini, A., Buoncristiani, J.-F., Coutterand, S., Ellwanger, D., Felber, M., Florineth, D., Graf, H.R., Keller, O., Kelly, M., Schlüchter, C. and Schoeneich, P. (2009): Die Schweiz während des letzteiszeitlichen Maximums (LGM) = La Suisse durant le dernier maximum glaciaire = La Svizzera durante l'ultimo massimo glaciale = Switzerland during the last glacial maximum. Wabern: Bundesamt für Landestopografie Swisstopo. Boulton, G.S. and Caban, P. (1995): Groundwater flow beneath ice sheets: part II – its impact on glacier tectonic structures and moraine formation, Quaternary Science Reviews 14(6), 563–587. Cohen, D. and Jouvet, G. (2017): Transient Simulations of the Rhine Glacier over the Last Glacial Cycle. Nagra Arbeitsbericht NAB 17–47. Cohen, D., Gillet-Chaulet, F., Haeberli, W., Machguth, H. and Fischer, U.H. (2018): Numerical reconstructions of the flow and basal conditions of the Rhine glacier, European Central Alps, at the Last Glacial Maximum.

The Cryosphere 12, 2515–2544. doi.org/10.5194/ tc-12-2515-2018.
 Cook, S.J. and Swift, D.A. (2012): Subglacial basins: their origin and importance in glacial systems and landscapes. Earth Science Reviews 115, 332–372. doi:10.1016/j.earscirev.2012.09.009. Cutler, P.M., MacAyeal, D.R., Mickelson, D.M., Parizek, B.R. and Colgan, P.M. (2000): A numerical investigation of icelobe-permafrost interaction around the southern Lauren­tide ice sheet. Journal of Glaciology 46 (153), 311–325. de Charpentier, J. (1841): Essai sur les glaciers et sur le terrain erratique du Bassin du Rhone. Ed. Ducloux, Lausanne. Delmas, M., Calvet, M. and Gunnell, Y. (2009): Variability of Quaternary glacial erosion rates – A global perspective with special reference to the Eastern Pyrenees. Quaternary Science Reviews 28, 484–498. doi:10.1016/j.quascirev.2008.11.006. Deslisle, G., Caspers, G. and Freund, H. (2003): Permafrost in north-central Europe during the Weichselian: how deep? ICOP 2003 Permafrost: Proceedings of the Eight International Conference on Permafrost, 21-25 July 2003, Zurich, Switzerland, A.A. Balkema Publishers, Vol.1, 187–191. Duprat-Qualid, F., Rius, D., Bégeot, C., Magny, M., Millet, L., Wulf, S. and Appelt, O. (2017): Vegetation response to abrupt climate changes in Western Europe from 45 to 14.7k cal a BP: the Bergsee lacustrine record (Black Forest, Germany). Journal of Quaternary Science 32 (7), 1008–1021. doi.org/10.1002/jqs.2972.

268

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Eckhardt, A. und Rippe, K.P. (2016): Risiko und Ungewissheit bei der Entsorgung hoch radioaktiver Abfälle. Vdf-Hochschulverlag AG, ETH Zürich. Egholm, D.L., Pedersen, V.K., Knudsen, M.F. and Larsen, N.K. (2012): Coupling the flow of ice, water, and sediment in a glacial landscape evolution model. Geomorphology 141/142, 47–66. doi.org/10.1016/j. geomorph.2011.12.019. Fischer, U.H. and Haeberli, W. (2010): Glacial erosion modelling – results of a workshop held in Unterägeri, Switzerland, 29 April – 1 May 2010. Nagra Arbeitsbericht NAB 10–34. Fischer, U.H. and Haeberli, W. (2012): Glacial over­ deepening – results of a workshop held in Zurich, 20–21 April 2012. Nagra Arbeitsbericht NAB 12–48. Fischer, U.H., Bebiolka, A., Brandefelt, J., Follin, S., Hirschorn, S., Jensen, M., Keller, S., Kennel,l L., Näslund, J.-O., Normani, S., Selroos, J.-O. & Vidstrand, R. (2014): Radioactive waste under conditions of future ice ages. In: Haeberli, W., Whiteman, C. (Eds): Snow and Ice-Related Hazards, Risks and Disasters; Elsevier, 345–393. Fischer, U.H., Bebiolka, A., Brandefelt, J., Cohen, D., Harper, J., Hirschorn, S., Jensen, M., Kennell, L., Liakka, J., Näslund, J.-O., Normani, S., Stück, H. and Weitkamp, A. (2021): Radioactive waste under conditions of future ice ages. In: Haeberli, W., Whiteman, C. (Eds): Snow and Ice-Related Hazards, Risks and Disasters - Updated Second Edition; Elsevier (im Druck). Florineth, D. (1998): Surface geometry of the Last Glacial Maximum (LGM) in the southeastern
Swiss Alps (Graubünden) and its paleoclimatological significance
. Eiszeitalter und Gegenwart 48, 23–37. Florineth, D. and Schlüchter, C. (1998): Reconstructing the Late Glacial Maximum (LGM) ice surface geometry and flowlines in the central Swiss Alps. Eclogae Geologicae Helvetiae 91, 391–407. Gagliardini, O., Zwinger, T., Gillet-Chaulet, F., Durand, G., Favier, L., de Fleurian, B., Greve, R., Malinen, M., Martín, C., Råback, P., Ruokolainen, J., Sacchettini, M., Schäfer, M., Seddik, H., and Thies, J. (2013): Capabilities and performance of Elmer/Ice, a new-generation ice sheet model, Geoscientific Model Development, 6, 1299– 1318. doi:10.5194/gmd-6-1299-2013. Gildor, H. and Tziperman, E. (2001): Sea ice, as the glacial cycles' climate switch, and interhemispheric thermohaline teleconnections. Annals of Glaciology 33, 501–506. Haeberli, W. and Penz, U. (1985): An attempt to reconstruct glaciological and climatological characteristics of 18ka BP Ice Age glaciers in and around the Swiss Alps. Zeitschrift für Gletscherkunde und Glazialgeologie, 21, 351–361. Haeberli, W. and Schlüchter, C. (1987): Geological evidence to constrain modelling of the late Pleistocene Rhone­gletscher (Switzerland). IAHS-Publication 170, 333–346. Haeberli, W., Linsbauer, A., Cochachin, A., Salazar, C. and Fischer, U.H. (2016): On the morphological characteristics of overdeepenings in high-mountain glacier beds. Earth Surface Processes and Landforms 41, 1980–1990. doi:10.1002/esp.3966. Haeberli, W., Rellstab, W. and Harrison, W.D. (1984): Geothermal effects of 18 ka BP ice conditions in the Swiss Plateau. Annals of Glaciology 5, 56–60. Hallet, B., Hunter, L. and Bogen, J. (1996): Rates of erosion and sediment evacuation by glaciers: A review of field data and their implications. Global and Planetary Change 12, 213–235. Hofer, D., Raible, C.C., Dehnert, A. and Kuhlemann, J. (2012a): The impact of different glacial boundary conditions on atmospheric dynamics and precipitation in the North Atlantic region. Climate of the Past 8(3), 935–945. doi:10.5194/cp-8-935-2012.

Hofer, D., Raible, C.C., Merz, N., Dehnert, A. and Kuhlemann, J. (2012b): Simulated winter circulation types in the North Atlantic and European region for preindustrial and glacial conditions. Geophysical Research Letters 39, L15805. doi:10.1029/2012GL052296. Imhof, M.A., Cohen, D., Seguinot, J., Aschwanden, A., Funk, M. and Jouvet, G. (2019): Modelling a paleo valley glacier network using a hybrid model: an assessment with a Stokes ice flow model. Journal of Glaciology 65(254), 1000–1010. doi.org/10.1017/jog.2019.77. Iverson, N. and Person, M. (2012): Glacier-bed geomorphic processes and hydrologic conditions relevant to nuclear waste disposal. Geofluids 12, 38–57. doi: 10.1111/j.1468-8123.2011.00355.x. Jäckli, H. (1970): Die Schweiz zur letzten Eiszeit, Karte 1:550 000. Atlas der Schweiz Blatt 6, Bundesamt für Landestopografie. Jaeger, J.M. and Koppes, M.N (2016): The role of the cryosphere in source-to-sink systems. Earth-Science Reviews 153, 43–76. doi:10.1016/j. earscirev.2015.09.011. Jordan, P. (2010): Analysis of overdeepened valleys using the digital elevation model of the bedrock surface of Northern Switzerland. Swiss Journal of Geosciences 103 (3), 375–384. Jouvet, G., Seguinot, J., Ivy-Ochs, S. and Funk, M. (2017): Modelling the diversion of erratic boulders by the Valais Glacier during the last glacial maximum. Journal of Glaciology 63(239), 487–498. doi.org/10.1017/ jog.2017.7. Kamb, B. (1987): Glacier surge mechanism based on linked cavity configuration of the basal water conduit system. Journal of Geophysical Research 92 (B9), 9083–9100. Keller, O. and Krayss, E. (1991): The Rhine-Linth Glacier in the Upper Würm: a model of the last alpine glaciation. Quaternary International 18, 15–27. Kelly, M.A., Buoncristiani, J.-F. and Schlüchter, C. (2004): A reconstruction of the last glacial maximum (LGM) ice-surface geometry in the western Swiss Alps and contiguous Alpine regions in Italy and France. Eclogae geologicae Helvetiae 97, 57–75. Kindler, P., Guillevic, M., Baumgartner, M., Schwander, J., Landais, A. and Leuenberger, M. (2014): Temperature reconstruction from 10 to 120 kyr b2k from the NGRIP ice core. Climate of the Past 10(2), 887–902. doi:10.5194/cp-10-887-2014. Lindgren, A., Hugelius, G., Kuhry, P., Christensen, T.R. and Vandenberghe, J. (2016): GIS-based maps and area estimates of Northern Hemisphere permafrost extent during the Last Glacial Maximum. Permafrost and Periglacial Processes 27, 6–16. doi:10.1002/ppp.1851. Magrani, F., Valla, P.G., Gribenski, N. and Serra, E. (2020): Glacial overdeepenings in the Swiss Alps and foreland: Spatial distribution and morphometrics. Quaternary Science Reviews 243. doi.org/10.1016/j. quascirev.2020.106483. Manabe, S. and Broccoli, A.J. (1984): Ice-Age climate and continental ice sheets: some experiments with a general circulation model. Annals of Glaciology 5, 100–105. Nagra (2015): Langzeitsicherheit – die Hauptaufgabe der Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle. Nagra Themenheft Nr. 8. Patton, H., Swift, D.A., Clark, C.D., Livingston, S.J. and Cook, S.J. (2016): Distribution and characteristics of overdeepenings beneath the Greenland and Antarctic ice sheets: Implications for overdeepening origin and evolution. Quaternary Science Reviews 148, 128–145. doi.org/10.1016/j.quascirev.2016.07.012.

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

Pavoni, N., Schindler, C., Freimoser, M., Haldimann, P. und Letsch, D. (2015): Geologischer Atlas der Schweiz, Blatt 1091 Zürich, mit Profilen und Erläuterungen. Bundesamt für Landestopografie swisstopo. Person, M., Bense, V, Cohen, D. and Banerjee, A. (2012a): Models of ice-sheet hydrogeologic interactions: a review, Geofluids 12, 58–78. doi. org/10.1111/j.1468-8123.2011.00360.x. Person, M., McIntosh, J., Iverson, N., Neuzil, C.E. and Bense, V. (2012b): Geologic isolation of nuclear waste at high latitudes: the role of ice sheets. Geofluids12(1), 1–6. doi: 10.1111/j.1468-8123.2011.00358.x. Pietsch, J. und Jordan, P. (2014): Digitales Höhenmodell Basis Quartär der Nordschweiz – Version 2014 (SGT E2) und ausgewählte Auswertungen. Nagra Arbeitsbericht NAB 14-02, Wettingen, Switzerland. Preusser, F., Reitner, J.M. and Schlüchter, C. (2010): Distribution, geometry, age and origin of overdeepened valleys and basins in the Alps and their foreland. Swiss Journal of Geosciences 103(3), 407–426. doi:10.1007/ s00015-010-044-y. Schindler, C., Röthlisberger, H. and Gyger, M. (1978): Glaziale Stauchungen in den Niederterrassen-Schottern des Aadorfer Feldes und ihre Deutung. Eclogae Geologicae Helvetiae 71/1, 159–174. Schlüchter C. und Kelly, M. (2000): Das Eiszeitalter in der Schweiz. Eine schematische Zusammenfassung. Uttigen, Stiftung Landschaft und Kreis, Dezember 2000. Seguinot, J., Ivy-Ochs, S., Jouvet, G., Huss, M., Funk, M. and Preusser, F. (2018): Modelling last glacial cycle ice dynamics in the Alps. The Cryosphere, 12, 3265–3285. doi.org/10.5194/tc-12-3265-2018.
 Speck, C. (1994): Änderung des Grundwasserregimes unter dem Einfluss von Gletschern und Permafrost. Dissertation ETHZ, Mitteilung der VAW 134. Sugden, D.E. (1977): Reconstruction of the morphology, dynamics, and thermal characteristics of the Laurentide Ice Sheet at its maximum. Arctic and Alpine Research 9/1, 21–47. Walder, J.S. (1986): Hydraulics of subglacial cavities. Journal of Glaciology 32 (112), 439–445. Werder, M.A. (2016): The hydrology of subglacial overdeepenings: A new supercooling threshold formula. Geophysical Research Letters 43, 2045–2052. doi:10.1002/2015GL067542. 
 Werder, M.A., Hewitt, I.J., Schoof, C., and Flowers, G.E. (2013): Modeling channelized and distributed drainage in two dimensions, Journal of Geophysical ResearchEarth 118, 2140–2158. Zemp, M., Kääb, A., Hoelzle, M. and Haeberli, W. (2005): GIS-based modelling of the glacial sediment balance. Zeitschrift für Geomorphologie, Suppl.-Vol. 138, 113–129. Zhang, Y., Person, M., Voller, V., Cohen, D., McIntosh, J. and Grapenthin, R. (2018): Hydromechanical impacts of Pleistocene glaciations on pore fluid pressure evolution, rock failure, and brine 
migration within sedimentary basins and the crystalline basement. Water Resources Research 54. doi.org/10.1029/2017WR022464. Autoren: Wilfried Haeberli, Geographisches Institut, Universität Zürich, wilfried.haeberli@geo.uzh.ch Urs H. Fischer, Nagra, Wettingen Denis Cohen, Department of Earth and Environmental Science, New Mexico Tech, Socorro, NM, USA Michael Schnellmann, Nagra, Wettingen

269


Nutzen Sie als Abonnent den Zugang zu unserm Login-Bereich auf unserer Website www.swv.ch und laden Sie das «WEL» auf das Gerät Ihrer Wahl.

ANDI, Auffällig effizient. Unsere Logistik. Weil wir einfach mehr können. Ob Druck-, Verlags- oder Onlineleistung – mit der Effingermedien AG als Partner fallen Sie auf. Weil wir nicht den Standard, sondern das Optimum bieten. Weil unser Team niemals 08 / 15, sondern immer einzigartig ist. Und: weil Sie bei uns einfach viel mehr bekommen. Und das seit 150 Jahren.

© simonwalther.ch

HOCHSTAPLER

Energienachrichten aus der Schweiz für die Schweiz

täglich. aktuell. informiert. www.energate-messenger.ch

270

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Was Auen für uns leisten – und wir für sie Michelle Lehmann, Franziska Witschi, Stephan Lussi

Einleitung Zusammenfassung Auen gehören zu den artenreichsten Lebensräumen überhaupt. Sie bilden zusam­ men mit dem übrigen Gewässernetz einen wichtigen Teil der ökologischen Infra­ struk­tur. Bezogen auf die Landesfläche, machen die Auengebiete von nationaler Bedeutung heute jedoch nur rund 0,7 Prozent aus. Im Vergleich zu 1850 ist dies ein Rückgang von rund 90 Prozent. Der Zustand der heutigen Auen ist davon abhängig, wie stark wir uns für sie einsetzen. Vier Personen aus der Praxis berichten von ihren Pro­jekten, von Erfolgserlebnissen und Herausforderungen und der Motivation für ihre Arbeit. Wie wichtig jeder einzelne Einsatz für die Auen ist, zeigt ein Rückblick auf die letzten rund dreissig Jahre, seit Auen in der Schweiz unter Schutz stehen. Um den ökologischen Zu­stand dieser wertvollen Lebensräume zu erhalten beziehungsweise zu verbes­sern, bleibt nach wie vor viel zu tun: Bei 39 Prozent aller Auenobjekte des Bundes­inventars besteht gemäss einer aktuellen BAFU-Studie ein hoher Handlungs­bedarf. Im Fokus stehen neben dem juristisch-planerischen Schutz hauptsächlich die Sa­nie­rung von Wasserkraftanlagen, Revitalisierungen und die Festlegung des Gewäs­ser­raums.

Da, wo Wasser mit seiner ganzen Kraft wir­ ken, sich vordrängen und wieder zurückziehen, Geschiebe transportieren und an­ dernorts wieder ablagern kann, entstehen Auen. Am Übergang zwischen Wasser und Land gibt es so viele Strukturen und Le­ bensräume in unterschiedlichen Ent­wick­ lungs­stadien, dass Auen zu den artenreichsten Gebieten überhaupt gehören. Sie bilden zusammen mit dem übrigen Gewässernetz einen wichtigen Teil der ökologischen Infrastruktur. In der Schweiz, wo Auen von nationaler Bedeutung nur noch rund 0,7 Prozent der Landesfläche ausmachen, ist der Druck auf diese Le­ bens­räume sehr gross. Seit 1850 hat sich

Bild 1: Die Baumaschinen sind abgezogen, die Thur kann die Gestaltung der Aue übernehmen: die revitalisierte Mündung der Thur in den Rhein (Foto: Robert Bänziger). «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

271


die Fläche der Auengebiete in der Schweiz um rund 90 Prozent verringert. Wie gut die natürliche Dynamik von Auen funktioniert, wird vielerorts in der Schweiz durch menschliche Tätigkeiten beeinflusst. Sie ist negativ beeinflusst, wenn ein Gewässer durch Verbauungen eingeengt ist, die Abflussmengen unna­ tür­lich tief oder monoton sind und der Ge­ schiebetrieb weitgehend fehlt, wenn Fische und andere Lebewesen nicht mehr frei wan­dern und die unterschiedlichen Lebens­ räume nicht miteinander interagieren können. Positiv beeinflusst ist die Dynamik übe­rall da, wo sich Menschen für einen besseren Zustand eines Gewässers einsetzen. Wie Bruno Schelbert, Programm­ leiter des Auenschutzparks Aargau weiss, geht Auenschutz oft mit grossen Anstren­ gun­gen einher: «Es gibt keine heile, intakte Welt mehr, die wir schützen können. Wir müssen zum Teil massiv in die Landschaft eingreifen, mit Baggern auffahren, Ver­ bau­ungen entfernen und Land umschich­ ten, um überhaupt wieder eine auenähnliche Landschaft zu ermöglichen.» 1992 entschied sich die Schweiz mit der Auenverordnung zu einem umfas­sen­ den, gesetzlich verankerten Schutz der letzten noch verbleibenden Auen. Mit diesem wichtigen Schritt konnte der massive Flächenrückgang gestoppt werden. Doch der Rückgang der auentypischen Bio­ diver­sität hat sich weiter fortgesetzt. Der Bundesrat hat 2017 den Aktionsplan zur Strategie Biodiversität Schweiz verab­schie­ det, mit dem er über ein Bündel von Mass­ nahmen und finanzielle Unter­stützung ein Zeichen für die Biodiversität setzt. Eine der Mass­nahmen legt fest, dass die nationalen Bio­tope, darunter die Auengebiete, rasch saniert werden müssen. Nur intakte Auen kön­ nen ihre bedeutenden Ökosystem­­ leistun­­ gen wie zum Beispiel Sicherheit durch Puf­­ferung von Hochwassern und Ge­­schie­be­­massen, Biodiversität und Er­ holungs­­raum für den Menschen erfüllen. Eine Sanierung bedeutet in erster Li­ nie, dass der Mensch im Sinne der Natur ein­greift und Dynamik wieder ermöglicht. Was im Sandkasten einfach geübt werden kann, ist in der Realität um ein Vielfaches schwieriger, denn sobald es um Gewässer geht, werden die unterschiedlichsten Inte­ ressen tangiert. Will man eine für alle Be­ teiligten akzeptable Lösung finden, müssen die Interessen aufeinander abgestim­ mt oder gegeneinander abgewogen werden. Dies ist eine grosse Herausforderung, die viel Geschick, Verständnis und Aus­ dauer verlangt. Hinter jedem erfolgreichen Projekt stehen Personen, die ihre Verant­ 272

wortung wahrgenommen und den ihnen zustehenden Handlungsspielraum genutzt haben. Ein allgemeingültiges Re­zept, wie man ein Projekt zum Erfolg bringen kann, gibt es nicht. Doch die Erfah­rung hat Petra Graf vom Amt für Land­wirtschaft und Natur des Kantons Bern zu folgender Einsicht gebracht: «Damit der Funke überspringt, braucht es genügend Zeit. Es ist eine Art Reife­pro­zess. Die verschiedenen Akteure müssen ein Projekt kennenlernen, müssen sich mit Ideen und Forderungen auseinandersetzen können und das Projekt als ihr ei­genes adoptieren.» Dass der Einsatz für Auen dringend nötig ist, zeigt ein Rückblick auf die letzten rund dreissig Jahre, seit Auen in der Schweiz unter Schutz stehen. Der Bericht des Bun­des­amts für Umwelt (BAFU) über die Auen­gebiete von nationaler Bedeutung (Bun­ des­ amt für Umwelt, 2020  /  1) zeigt dabei ein durchzogenes Bild: Einerseits bestä­tigen bereits umgesetzte Projekte, dass der ökologische Zustand der Auen verbessert werden kann. Damit konnte immer­ hin eine erste Trendumkehr der Auen­situ­ation eingeleitet werden.

Andererseits zeigt sich aber auch, dass der bisher geleistete Effort noch nicht aus­ reicht. Der Druck auf die Auenlebensräume ist gross, da die bestehenden Flusskorrek­ tionen und Eingriffe oder Nutzungen wie Wasserkraft oder intensive Landwirtschaft weiterhin negativ auf die Qualität der Auenlebensräume einwirken. Der Druck steigt noch, indem sich die aquatischen Ökosysteme zunehmend verändern, vor allem durch Auswirkungen des Klima­wan­ dels wie steigende Temperaturen oder Trockenperioden. Zugenommen haben auch Probleme mit invasiven, gebietsfrem­ den Arten und Störungen durch Aktivitä­ ten der Naherholung. All diese Faktoren führen dazu, dass der ökologische Zustand der Auengebiete insgesamt unbefriedi­gend ist. Bei der Ermittlung des Handlungs­be­ darfs pro Auengebiet hat das BAFU den Fokus auf zwei Parameter gelegt: den öko­ logischen Zustand und den Stand der juristischen und planerischen Umsetzung. Auen mit grosser ökologischer Bedeutung, deren Umsetzungsstand und / oder ökologischer Zustand noch ungenügend ist,

Bild 2: Gesamt-Handlungsbedarf für die Auen von nationaler Bedeutung als Kombination des Handlungsbedarfs für ökologische Sanierung und juristischplanerische Umsetzung (Anzahl Objekte pro Kategorie): dunkelgrün: kein, hellgrün: geringer, gelb: mittlerer, orange: hoher, rot: sehr hoher Handlungsbedarf. Die Fläche der Kreise ist proportional zur Anzahl Objekte in der betreffenden Kategorie. «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


haben einen entsprechend hohen Hand­ lungs­bedarf. Bild 2 zeigt das Gesamtbild des Handlungsbedarfs. Für ein Viertel der Auengebiete von nationaler Bedeutung (85 Objekte) besteht kein oder nur geringer Handlungsbedarf (dunkel- und hellgrüne Felder). Sie sind in einem guten Zu­ stand und weitgehend gemäss gesetzlichem Auftrag umgesetzt. Wobei mit Um­ setzung ein guter rechtlicher Schutz und eine klare Regelung von Nutzung und Unter­halt zu verstehen ist. Demgegenüber zeigen 39 Prozent der Objekte (135 Objekte) einen hohen bis sehr hohen Handlungs­ bedarf (orange und rote Felder): Sie weisen in einem der Bereiche «Umsetzung» respektive «Ökologie» hohe oder aber in beiden Bereichen mittlere Defizite auf. Wer ist aufgefordert, aktiv zu werden? Der Vollzug der Auenverordnung obliegt hauptsächlich den Kantonen und damit den am Gewässer tätigen Fachstellen. Für die technisch und ökologisch anspruchsvolle Aufgabe ist die Unterstützung der kantonalen Fachstellen durch weitere Ex­ perten wichtig. Der Bund stellt die fachli­ chen Grundlagen für die Entwicklung des Aueninventars zur Verfügung, berät die Kantone und entschädigt Leistungen im Rahmen von Subventionen. Die Auenver­ ordnung verlangt, dass die Auengebiete ungeschmälert erhalten bleiben, dass ihre Pflanzen- und Tierwelt erhalten und gefördert wird und dass die natürliche Ge­ wässerdynamik wiederhergestellt wird. Da­zu braucht es für die Gewässer genü­ gend Raum und eine möglichst naturnahe Ab­fluss- und Geschiebedynamik. Das revidierte Gewässerschutzgesetz von 2011 unterstützt diese Aufträge in drei wichtigen Punkten: der Sanierung von Wasser­ kraftanlagen, den Revitalisierungen sowie der Festlegung und Sicherung des Ge­ wäs­ser­raums. Wasserkraft: Die Kraft des Wassers nutzen, ohne die Natur auszubremsen Wasserkraft hat gegenüber anderen Ener­ giequellen zahlreiche Vorteile. Ihre Nut­zung hat in der Schweiz eine lange Tradition, und viele Werke liefern seit mehr als 100 Jah­ ren zuverlässig klimafreundlichen Strom. Für Steffen Schweizer, Leiter der Fach­stel­ le Ökologie bei der Kraftwerke Oberhasli AG (KWO), ist die Wasserkraft eine «sehr saubere Energieform, sofern den aquatischen Lebewesen ausreichend Wasser zur Verfügung steht». Damit spricht er die Kehrseite an, welche die Nutzung der Was­ ­serkraft überall dort hat, wo Flüsse und

Bäche durch die Entnahme von Was­ser kaum mehr Restwasser führen oder wo sie extreme Abflussschwankungen (Schwall und Sunk) erfahren. Bei Abflussspitzen (Schwallabfluss) können Tiere wegge­ schwemmt werden, bei Niedrigwasser (Sunk­abfluss) besteht ein Strandungsrisiko in der Wasserwechselzone. Vielerorts verhindern Wehre, dass Fische ungehindert auf- oder absteigen können, und in den Stauräumen lagert sich Geschiebe ab, das dann unterhalb des Wehrs beispielsweise den Fischen als Laichsubstrat und dem Fluss als Gestaltungsmaterial fehlt. Das Wissen um diese Beeinträchti­ gung der natürlichen Funktionen von Ge­ wässern floss 2011 in das revidierte Ge­ wäs­serschutzgesetz ein. Für die Wasser­ kraft bedeutet dies, dass negative Aus­ wirkungen auf die Gewässer reduziert wer­ den müssen. Rund 28 Prozent der Auen von nationaler Bedeutung sind von Wasser­ ausleitungen aus Kraftwerken betroffen. Schweizweit wurden durch die Kantone rund 1600 Wasserkraftanlagen identifi­ziert, welche saniert werden müssen. Bei rund 1000 Anlagen gilt es, die Fischwanderung zu verbessern. Bei 500 Anlagen muss das Geschiebedefizit behoben werden, und bei weiteren 100 Anlagen stehen Mass­ nah­men zur Dämpfung von Schwall-Sunk an (Bundesamt für Umwelt, 2020 / 2). Die Inhaber von bestehenden Wasserkraft­an­ lagen werden für die Kostenfolgen der not­ wendigen Sanierungsmassnahmen in den Bereichen Schwall-Sunk, Geschiebe und Fischgängigkeit entschädigt (Bundesamt für Umwelt, 2016). Doch es ist kompliziert. Beeinträchti­ gungen können häufig nicht einer einzelnen sanierungspflichtigen Anlage zugeordnet werden. Oft sind ganze Anlagen­ ketten oder mehrere Anlagen in einem Teileinzugsgebiet involviert. Auen von nationaler Bedeutung sind dabei oft nur ein kleines Teilstück in diesen Strecken. Dies macht eine wirkungsvolle Sanierung der Auengebiete zu einer höchst komplexen Auf­ gabe. Erfahrung damit hat Bruno Schel­bert aus der Perspektive des Kan­ tons Aargau: «Auen kann man nicht isoliert betrachten. Es ist entscheidend, was alles flussaufwärts gemacht wird.» Die Auen von nationaler Bedeutung sind Kerngebiete der ökologischen Infrastruk­ tur und zentral wichtig als Orte, wo sich Quellpopulationen von Tier- und Pflanzen­ arten entwickeln und sich anschliessend in die anderen Flussabschnitte ausbreiten können. Damit Auen diese Funktion wahrnehmen können, müssen sie in bestem Zustand sein. Die Sanierung von Auen ist

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

also kein Luxus – fehlt sie, ist die Biodi­ver­ sität in den Gewässern in Gefahr. Die Inhaber von sanierungspflichtigen Anlagen planen seit 2011 laufend geeig­ nete Massnahmen. Ziel ist es, die Sa­nie­ rung bis zur gesetzlichen Frist im Jahr 2030 abzuschliessen. Umgesetzt waren bis Ende 2018 ca. 2 Prozent der Mass­ nahmen. Ebenfalls noch nicht vollständig umgesetzt sind die gesetzlich geforderten Restwassersanierungen. 2018, rund fünf Jahre nach Ende der gesetzten Frist, war bei über 10 Prozent der Anlagen die Sa­ nierung noch ausstehend. Wie kann begründet werden, dass die geforderten Restwassersanierungen noch nicht abgeschlossen sind? Darauf ange­ sprochen, meint Petra Graf: «Die grosse Frage ist: Wie viel Wasser braucht es in einer Aue? Dazu wissen wir noch nicht sehr viel, vor allem, wenn man die Anforde­run­ gen an das Grundwasser mit einbezieht. Dazu kommt die Frage der Finanzierung. Bund und Kanton bezahlen zwar den Ver­ lust für das Kraftwerk, der bei einer Sa­nie­ rung entsteht, die über das von den Kraft­ werken gesetzlich geforderte Minimum bei Auen hinausgeht. Aber den Verlust zu berechnen, ist eine Knacknuss.»

Eine Vorreiterrolle bei der Sanierung der Wasserkraft nimmt die Kraftwerke Ober­ hasli AG (KWO) ein. Im Gespräch äussert sich Steffen Schweizer, Leiter der Fach­ stel­ le Ökologie bei der KWO¹, zu den Schwie­­rigkeiten, aber auch zu den Chancen der Sanierung von Wasserkraftanlagen. Die Kraftwerke Oberhasli AG hat mit der Schwall-Sunk- und Restwasser­sanie­rung zahlreiche Massnahmen für den Schutz von Fischen und Kleinstlebewesen in der Aare vorgenommen und damit Pionier­ ar­beit geleistet. Was macht Sie zu Pio­ nie­ren? «Pioniere sind wir, da wir die Heraus­for­ derung nicht scheuen, fachliches Neuland zu betreten. Wir untersuchten zum Bei­ spiel bereits 2008, wie langsam das Was­ ser ansteigen muss, damit sich Wasser­ insekten rechtzeitig in Sicherheit bringen können und nicht einfach weggespült wer­ den. Mit solchen Untersuchungen waren wir der Zeit voraus.» 273


Was war der Auslöser für die Sanierung Schwall-Sunk bei der KWO? «Auslöser war das Projekt ‹Tandem›, das einen Ausbau des Kraftwerkdurchflusses von 70 auf 95 Kubikmeter pro Sekunde und damit einhergehend einen grösseren Unter­ schied in den Abflussmengen bedeutete. Wir mussten uns überlegen, wie wir das Abflussregime analysieren und schliesslich so gestalten können, dass sich der ökologische Zustand deutlich ver­bessert. Methodisch war das damals noch gar nicht geregelt. Erst das revidierte Ge­wässer­ schutzgesetz von 2011 schaffte dies­be­ züglich etwas Klarheit.»

kraftwerken, aber auch von Kantonen ist aus meiner Sicht verständlich. Die Kosten und allenfalls die Energieverluste können hoch sein, und die ökologische Wirksam­ keit von Massnahmen ist häufig nicht so klar. Eine Kosten-Nutzen-Abwägung ist also äusserst schwierig. Zudem wollen Betriebe kein Präjudiz schaffen bei der Festlegung von Restwassermengen im Rah­­men einer späteren Konzessions­er­ neue­ rung. Und hinzu kommt, dass die Kantone, welche sich zu einem gewissen Teil an den Kosten beteiligen, unterschiedlich finanzstark sind und teilweise eigene kantonale Energiestrategien verfolgen.»

Gab es bestimmte Schlüsselmomente? «Ich erinnere mich gut an ein Treffen mit zahlreichen Expertinnen und Experten, an dem unser Projekt fast gekippt wäre. Ex­ perten von uns, extern mandatierte Fach­ leute von Umweltbüros und Forschungs­ ein­richtungen, Vertreter von Kanton und Bund waren dabei. Da kam die Diskussion auf, dass der Lebensraum für Jungfische auch ohne Kraftwerksbetrieb fehlen würde. Die Hasliaare ist aus Gründen des Hoch­ wasserschutzes und der Landgewinnung verbaut und kann nicht natürlich wiederhergestellt werden. Ein schwieriges Span­ nungsfeld zwischen Hochwasserschutz und der Sanierung von Schwall und Sunk. Glück­ licherweise gab es dann einige entschei­ dende Voten zugunsten unseres Pro­jekts.»

Welche Herausforderungen stellen sich bei Restwassersanierungen? «Ein Problem sehe ich darin, dass es Ein­ griffe in wohl erworbene Rechte sind. Es gab lange Zeit keine klare Regelung der wirtschaftlichen Tragbarkeit. Die Spielregeln sind nun – seit dem Bundesgerichts­ent­ scheid zum Fall der Misoxer Kraftwerke3 – aber um einiges klarer.»

Welche Personen müssen aktiv werden, damit sich der Auenschutz verbessert? «Je nach Einzugsgebiet gibt es andere Akteure mit Handlungskompetenz. Wer aber etwas umsetzen will, muss zu Kom­ promissen bereit sein. Das gilt wohl fast überall. Ohne diese Bereitschaft besteht die Gefahr, dass Revitalisierungsprojekte scheitern.» Revitalisierung: Leben, leben lassen und neues Leben ermöglichen Auengebiete haben durch ihre Fülle an Ar­ ten und Lebensräumen eine grosse Be­ deutung für die Biodiversität. Unter an­de­ rem auch aufgrund von ökologischen De­fi­ ­ziten der Gewässer ist diese in der Schweiz stark unter Druck. Etwa 18 Pro­zent der un­­mittelbar auf Gewässer angewiesenen Arten sind vom Aussterben bedroht, 4 Pro­ zent sind bereits aus­ge­storben (Bundes­­ amt für Um­welt, 2011). Bei den Fischen sind beispiels­weise 62 Pro­­zent der Arten

Bis 2030 haben bestehende Wasser­kraft­ ­anlagen Zeit, Sanierungen vorzunehmen. Bis Ende 2018 waren erst ca. 2 Pro­zent der Massnahmen umgesetzt. Woran harzt es? «Ich würde hier nicht unbedingt von ‹harzen› reden. Es liegt eher daran, dass bei allen Sanierungen, egal ob Schwall-Sunk, Fisch­gängigkeit oder Geschiebe, zuerst wichtige Grundlagen erarbeitet werden müssen. Es ist ziemlich viel Detailwissen nötig, und die angewandte Forschung kam mit Blick auf die vielen noch offenen Fragen bis heute nicht ausreichend in Gang. Ich den­ke aber, dass es langsam, aber sicher vorwärts geht.» Warum wurden weitergehende Rest­was­ ­ser­­sanierungen gemäss Artikel 80 Ab­ satz 2 GSchG² nur selten verfolgt? «Im Rahmen des Artikels 80 Absatz 2 Ge­ wässerschutzgesetz übersteigen die Rest­ wassermengen die wirtschaftliche Trag­ barkeit für den Kraftwerksbetreiber. Daher wird dem Kraftwerksbetreiber ein Teil der Produktionseinbussen finanziell vom Kan­ ton entschädigt und vom Bund subven­tio­ niert. Die zögerliche Haltung von Wasser­ 274

Bild 3: Durch ein Aufwertungsprojekt in der kleinen Aue Jägglisglunte am Brienzersee wurde die Wasserzuleitung und die Verbindung mit dem See verbessert, so dass die Hechte wieder im Gebiet laichen können. Mehrere Partner waren am Projekt beteiligt, auch die Kraftwerke Oberhasli (Foto: K. Reuther, KWO). ¹ www.grimselstrom.ch > Gewässerschutz ² Art. 80 Abs. 2 GSchG: Die Behörde ordnet weiter­ge­hende Sanierungsmassnahmen an, wenn es sich um Fliess­gewässer in Landschaften oder Lebens­räumen handelt, die in nationalen oder kantonalen Inventaren aufgeführt sind, oder wenn dies andere überwiegend öffentliche Interessen fordern. Das Verfahren für die Feststellung der Entschädigungspflicht und die Fest­setzung der Entschädigung richtet sich nach dem Enteignungsgesetz vom 20. Juni 1930. ³ Bundesgerichtsentscheid BGE 139 II 28 «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Bild 4: Um Auen­dynamik wieder­zu­erlangen, sind oft grosse bauliche Ein­griffe notwendig. Schaffung eines dynamischen Seiten­arms in der Aue Aarau-Wildegg (Foto: Stephan Lussi). gefähr­det, vom Aus­ster­ben bedroht oder ausgestor­ben. Eine weitverbreitete Beeinträchtigung von Auen sind flussnahe Dämme. Die Dy­ namik wird stark eingeschränkt oder fehlt. Gleichzeitig senkt sich durch die Ein­ engung längerfristig die Flusssohle ab, wo­durch auch der Grundwasserspiegel sinkt. Die Auenterrassen im äusseren Auen­ bereich werden nicht mehr ausreichend mit Grundwasser versorgt, was zu einer schleichenden Veränderung der Vegeta­ tion führt: Von auentypischen Auenwäl­ dern hin zu häufigen und «banalen» Le­ bens­raumtypen, die nicht flusstypisch sind. Im Mittelland sind das etwa Buchen­wälder, die sich oft bis direkt an den verbauten Fluss entwickelt haben. Auch Flach­moore oder Amphibientümpel, die sich ur­sprüng­ lich dank der ehemaligen Aue bil­de­ten, trocknen aus. Zu den wichtigsten Massnahmen ei­ner Auen-Revitalisierung gehört, dem Fluss

mehr Raum und eine eigendynamische Entwicklung zuzugestehen und Verbau­un­ gen zu entfernen. Im Sinne von Initial­mass­ nahmen werden einzelne Wasserläufe gezielt strukturiert und frühere Seitenarme wieder aktiviert. Ob sich Arten in einem Lebensraum wohlfühlen oder nicht, hängt jedoch, wie Bruno Schelbert betont, von vielen Faktoren ab. «Für gewisse Tiere und Pflanzen können wir geeignete Lebens­ räume schaffen. Aber störungsanfällige Ar­ten haben im Mittelland praktisch keine Chance. Der Druck auf die einzelnen Ge­ biete ist sehr hoch, denn auch die Men­ schen schätzen renaturierte Gebiete.» Und er fügt an: «Für mich ist das eigentlich nur ein Zeichen, dass es noch viel mehr solche Gebiete bräuchte. Dann wäre der Druck pro Gebiet wieder kleiner.» Durch Revita­ li­sierungen können Auen nicht nur ihre Funktion als Hotspot der Biodiversität wie­ der wahrnehmen, sondern sind auch für die Menschen attraktiver.

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

Zu den bekanntesten Auen der Schweiz zählt das Mündungsgebiet der Thur in den Rhein. Beim Grossprojekt «Hochwasser­ schutz und Auenlandschaft Thurmün­dung» hat Robert Bänziger die externe Projekt­lei­ tung im Auftrag des Kantons Zürich wahrgenommen. Das Projekt an der Thurmündung wurde ein Erfolg. Warum? «Eine Kernqualität des Projekts ist sicher, dass man einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Interessen gefunden hat. Hinzu kommen ein paar Glücksfälle, etwa, dass es im betroffenen Gebiet kaum 275


Infrastruktur gab und dass die Gegend für Schweizer Verhältnisse nicht dicht besiedelt ist. Und auf der Seite der Bauherr­ schaft wurde der Schutz der Auen stets hochgehalten, das Projekt über die ganzen langen Jahre stets wirkungsvoll unterstützt. Es ist ein fachlich ausgezeichnetes Projekt, das in einem günstigen Umfeld verwirklicht werden konnte. Vieles wurde richtig gut gemacht.» Zum Beispiel? «Die Begleitgruppe, in welcher die zahlreichen externen Stakeholder vertreten waren, wurde durch einen verwaltungsexternen ‹Delegierten des Regierungsrats› geleitet. Er kannte die Bedürfnisse der Landwirtschaft gut und hat mit seiner Kompetenz und seiner gewinnenden Art viel dazu beigetragen, dass Konflikte nicht eskaliert sind.» Wie ist man mit den verschiedenen Inte­ ressen umgegangen? «Es gab nicht nur viele Interessen, sondern auch für alle etwas zu gewinnen. Bei­spiels­ weise wurde Material, welches für die Re­ vitalisierung ausgebaggert wurde, direkt für Dämme wieder verwendet. Damit konnten Kos­ten eingespart werden. Und ein

Teil des Materials wurde eingesetzt, um die landwirtschaftlichen Flächen aufzuwerten. Die Landwirtschaft hat dies sehr begrüsst.» Welches primäre Ziel wurde mit dem Projekt an der Thurmündung verfolgt? «Für die Landwirte aus Flaach ging es sicher primär um den Hochwasserschutz. Anderen Interessensvertretern stand hingegen der Auenschutz an erster Stelle. Es kommt also darauf an, in welchen Schuhen man steckt.» Bei 39 Prozent aller Auenobjekte der Schweiz besteht noch ein sehr hoher oder hoher Handlungsbedarf (Sanie­ rungs­bedarf, Stand Umsetzung). Über­ rascht Sie das? «Nein, das überrascht mich nicht. Als Kul­ turingenieur sehe und anerkenne ich durch­ aus die Arbeit, welche frühere Genera­tio­ nen geleistet haben. Sie haben die An­for­ derungen der damaligen Gesellschaft erfüllt – doch nun haben sich diese verän­ dert. Sich den neuen Anforderungen anzupassen, braucht Zeit.» Warum ist der Auenschutz in der Schweiz noch nicht weiter?

«Das lässt sich nicht so einfach beant­wor­ ten. Die Frage ist, ob bei den Vollzugsbe­ hörden genügend Personal und die nötige Begeisterung da sind, ob die vom Bund gesteckten Termine realistisch sind, ob es Konsequenzen gibt, wenn man etwas nicht tut. Und es reicht nicht, jemandem Geld zu geben für etwas, das er gar nicht kaufen will.»

Der Kanton Aargau hat rund 1 Prozent der Kantonsfläche in einem Auenschutz­park gesichert. Bruno Schelbert ist der zustän­ dige Programmleiter. Der Auenschutz ist im Aargau als bisher einzigem Kanton der Schweiz auf Verfas­ sungs­stufe verankert. Ist der Auen­schutz­ park ein Vorzeigemodell? «Der Begriff ‹Park› ist eigentlich etwas irre­ führend. Es sind rund zwei Dutzend Fluss­ abschnitte, in denen noch Rest-Auen vor-

Bild 5: Das Projekt «Hochwasserschutz und Revitalisierung Alte Aare» gilt als Vorzeigebeispiel für modernen Hoch­ wasser­schutz, bei dem der Schutz vor Überschwemmung nicht auf Kosten der Natur geht. Vielmehr ist es gelungen, die landschaft­liche und ökologische Vielfalt stark zu erhöhen (Foto: Tanja Schweizer, Basler & Hofmann). 276

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


kamen oder die ein grosses Potenzial zur Aufwertung aufwiesen. Der Auen­schutz­ park ist das Revitalisierungs­pro­gramm des Kantons Aargau und weist insgesamt eine Fläche von 16 km2 auf.» Eine beachtliche Grösse! «Ja, auf jeden Fall. Aber in den letzten 25 Jahren wurden im Kanton Aargau 18 km2 zusätzlich überbaut. Um das Verhältnis irgendwie zu wahren, müsste man also für die Natur noch viel mehr tun.» Welche konkreten Widerstände gab es bei der Umsetzung und Sicherung der Auen? «Die Probleme sind bei jedem Projekt anders gelagert. Bei einem Vorhaben kam es zu einer sehr langen Planungsphase, weil sich mitten im Projektperimeter ein Grund­ ­wasserpumpwerk befand, welches die Ge­ ­meinde nicht ersatzlos aufgeben wollte. An einem anderen Ort lagen der Fussball­ platz und das Clubhäuschen im Auenge­ biet. Für diese galt es, zuerst einen neuen Standort zu finden. Und nicht selten kommt es zu Diskussionen mit Fischern.» Welche Einwände äussern Fischer? «Alle reden von Dynamik. Aber wenn die Prozesse im Fluss tatsächlich dynamischer werden, kommt aus Fischereikreisen oft Widerstand. Ein Kolk ist dann beispiels­ weise nicht mehr am herkömmlichen Ort oder eine Wasserrinne fällt periodisch trocken. Wenn dann Forderungen nach baulichen Massnahmen zur Eindämmung der Dynamik kommen, habe ich kein Ver­ständ­ ­nis. Hier einzugreifen, wäre ein schwerer Fehler.»

nur die zweitbeste Lösung realisiert werden kann, bin ich überzeugt, dass wir im Aargau einen Weg gefunden haben, der beidem dient.» Wie gut akzeptiert die Bevölkerung den Auenschutz? «Da wir seit Beginn sofort Projekte realisieren konnten, haben wir schnell eine breite Akzeptanz erreichen können. Ein­ gebrachte Forderungen aus der Be­völ­ kerung rufen mehrheitlich nach mehr Park­ plätzen, neuen Radwegen oder Feuer­ stellen. Und natürlich hört die Begeiste­rung auf, sobald Privateigentum direkt be­trof­ fen ist. Man darf aber nicht über­sehen, dass der Kanton viel Geld investiert, das letztlich der lokalen Wirt­schaft in Form von Planungs- und Bauauf­trägen zugutekommt.» Gewässerraum: Raum geben und ökologische Infrastruktur schaffen Auen sind vor allem dort noch funktionsfähig und ökologisch wertvoll, wo sie viel Platz haben. Auen gelten als Kern­gebiete der ökologischen Infrastruktur. Er­halten auch die anderen Flussabschnitte einen ausreichend grossen Gewässer­raum gemäss revidiertem Gewässer­schutz­ge­setz, setzt allmählich wieder eine naturnahe Ver­ netzung von Fauna und Flora ein. Die Kan­ tone sollten den Gewässerraum entlang von oberirdischen Gewässern (Bächen,

Flüs­sen, Seen) bis Ende 2018 behördenverbindlich festgelegt haben. Diese Fest­ legung erfolgt über die Nutzungsplanun­ gen der Gemein­den. Einem Gewässer wieder mehr Raum zuzugestehen, ist vielerorts herausfor­dernd. Durch Verbauungen und Trockenlegungen haben sich entlang der Gewässer viele Nutzungen etabliert. Das birgt zahlreiche Konflikte, und entsprechend sind die Ge­ meinden mit der eigentümerverbindlichen Festlegung noch nicht weit vorange­schrit­ ten. Doch Gewässer benötigen Raum, um ihre natürlichen Funktionen erfüllen zu kön­ nen: Transport von Wasser und Geschiebe, die Ausbildung einer naturnahen Struktur­ viel­falt der angrenzenden Lebensräume und deren Vernetzung, die Entwicklung standorttypischer Lebensgemeinschaften sowie die dynamische Entwicklung der Gewäs­ser. Mit diesem Raum ausgestattet, können Ge­wässer auch ihre Leistungen erbringen, sogenannte Ökosystemdienstleistungen: neben bereits oben genannten wie Hoch­ was­serschutz, Erholung und Biodiversität zum Beispiel auch eine gute Selbst­reini­ gungskraft des Fliessgewässers und die An­reicherung des Grundwassers. Wie gross der Gewässerraum sein sollte, hängt von Art und Grösse des Ge­wäs­ sers ab. Bei grösseren Gewässern, an denen sich die meisten Auen befinden, muss die Breite des Gewässerraums ein­ zelfallweise bestimmt werden, wobei es auch ge­setzliche Mindestvorgaben gibt,

Warum geht der Auenschutz nicht schneller voran? «Auen brauchen Platz – und das ist der limitierende Faktor. Der Nutzungsdruck in den Flusstälern durch Siedlungen, Stras­ sen, Kraftwerke oder Kläranlagen, aber auch für den Erholungsbetrieb ist gross und der Spielraum bei uns praktisch ausgeschöpft. Neue Flächen dafür zu generieren, ist zeitaufwendig.» Der Kanton Aargau ist nicht nur Wasser-, sondern auch Energiekanton. Was bedeutet das für den Auenschutzpark? «Die Energiegewinnung durch Wasserkraft ist bei uns tatsächlich sehr wichtig. Zwei Drittel des Parks liegen in Konzessions­ strecken. Das prägt auch unsere Projekte. Wir bemühen uns stets, auch zu rena­tu­ rieren, wo die Wasserkraft bereits genutzt wird. Wenn aus Sicht der Natur manchmal

Bild 6: Die Gewässer brauchen Raum, um Ökosystemleistungen erbringen zu können. Wo genug Platz ist, entfaltet sich einzigartiges Leben. Fleischers Weidenröschen in der Derborence, einem Auengebiet von nationaler Bedeutung (Foto: Kasper Ammann).

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

277


die nicht unterschritten werden dürfen. Es ist zentral, dass nicht nur das Wasser, son­ dern da­rüber hinaus die zahlreichen Auen­ ­lebens­räume genug Raum für ihre Ent­ faltung und die Verzahnung miteinan­der haben. Es braucht Platz für terrestrische Arten, die für ihre Ernährung oder für einen Teil ihres Lebenszyklus auf Wasser angewiesen sind wie Libellen oder Eis­vögel. Auch die Auenverordnung unterstreicht dieses An­lie­gen durch die Pflicht zur Aus­ scheidung von ausreichenden Puf­ferzonen. Damit in möglichst vielen Projekten das vorhandene Raumpotenzial optimal genutzt wird, subventioniert der Bund Re­vi­ talisie­rungsprojekte an Flüssen mit 35 bis 80 Prozent.

Petra Graf vom Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern begleitet als Ver­ tre­terin der Abteilung Naturförderung verschiedenste Revitalisierungsprojekte an Gewässern, unter anderem die Umsetzung der Revitalisierung Alte Aare. Gibt es bei der Ausscheidung des Ge­ wäs­ser­raums gute Beispiele? «An der Önz haben wir etwas erlebt, was natürlich auch für Auenprojekte gelten kann. Teils beachtliche Erosionsstellen führ­ten zu zahlreichen Diskussionen mit den betroffenen Landwirten. Solange der Ge­wäs­ ­ser­raum als eine Idee ‹vo Bärn› wahrge­ nommen wurde, war es kaum mög­lich, eine Lösung zu finden. Doch dann machten sich die Landwirte das Thema so­ zusagen ‹zu eigen›, und ein Bauer brachte den Vorschlag, dem Fluss eine Art Weg­ recht – also Fluss­recht – zuzugestehen.»

Quellen: Bundesamt für Umwelt, BAFU. (2011). Synthese Rote Listen, Stand 2010. https://www.bafu.admin.ch/bafu/ de/home/themen/biodiversitaet/publikationen-studien/ publikationen/gefaehrdete-arten-schweiz.html Bundesamt für Umwelt, BAFU. (2016). Ökologische Sanierung bestehender Wasserkraftanlagen: Finanzierung der Massnahmen. https://www.bafu. admin.ch/bafu/de/home/themen/wasser/publikationenstudien/publikationen-wasser/oekologische-sanierungbestehender-wasserkraftanlagen-finanzierung-dermassnahmen.html

278

Ein Wegrecht für den Fluss – was muss man sich darunter vorstellen? «Der Fluss erhält dabei ein Recht auf eine definierte Breite. Dort darf er machen, was er will. Die Landwirte gaben hierfür ihr Land – mehr, als gesetzlich gefordert ist –, bleiben aber Eigentümer. In diesem Gewässer­raum kann der Bach nun weiter erodieren, es wurden Hecken gepflanzt und Flachge­ wäs­ser angelegt, der Biber trägt das Sei­ nige zur Gestaltung bei. Die Interven­tions­ linie ist mit einer Dienstbarkeit im Grund­ buch eingetragen.» Und wie war es bei der Alten Aare? «Beim Auengebiet der Alten Aare war es ähnlich mit dieser ‹Aneignung›, da wollte der Wasserbauverband Alte Aare auf einmal aktiv werden, entsprechend eng war dann die Zusammenarbeit zwischen Ver­ band und Kanton. Der Präsident des Was­ serbauverbands Alte Aare macht nun in seiner Freizeit Führungen und geht Neophy­ ten zupfen – er machte das Hoch­was­ser­ schutz- und Revitalisierungsprojekt rich­ tig­­gehend zu seinem Kind.» Wie ist Ihre Erfahrung im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Puffer­ zonen? «Erfolge hatten wir da, wo wir betroffenen Landwirten Land im Tausch gegen eine Pufferzone an einem Gewässer geben konn­ten. Wir arrondierten also Land so, dass alle einen Gewinn davontrugen. Das scheint mir ein wichtiges und zukunftsweisendes Vorgehen.»

Bericht des Bundesamts für Umwelt, Bern, 2020: Bundesinventar der Auengebiete von nationaler Bedeutung – Stand und Handlungsbedarf Ziel der Auenverordnung ist der Schutz und die Aufwertung der wertvollsten Auen der Schweiz. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat dazu eine Bilanz gezogen: Welche Entwicklung hat seit der Inkraftsetzung im Jahr 1992 stattgefunden, und wie sieht der Hand­lungs­ ­bedarf pro Objekt aus? Die Auswertung erfolgte anhand der verfügbaren Daten und berücksichtigt die zwei Aspekte Sa­­ nierungsbedarf und rechtlicher Schutz.

haben auch zu einem verstärkten Dialog zwischen Akteuren geführt, zwischen In­ ge­nieuren und Ökologen beispielsweise. Schutz und Nutzen – beides fliesst in die Diskussionen ein. Weiter haben erste Kon­ zessionser­neue­rungen von Wasser­kraft­ werken dazu geführt, dass das Wasser­ regime in den be­troffenen Auengebieten verbessert wird. Es bleibt aber nach wie vor viel zu tun. Und am Ende, so ist sich Petra Graf sicher, dreht sich alles um den Wert, den wir einer Aue beimessen. «Wir müssen uns darüber klar werden, welchen ökologischen, ästhetischen und soziokulturellen Wert eine Aue hat. Eine funktionierende Aue ist so unglaublich viel mehr als ein ‹Wässerchen› in einem dafür definierten Abflusskorridor.»

Ausblick. Auenaufwertung als lohnende gemeinsame Aufgabe Es ist ermutigend, dass in den letzten Jahr­ zehnten eine Reihe von bedeutenden Auen revitalisiert worden sind. Anhand dieser Pro­jekte zeigt sich, was wir für diesen einzigartigen Lebensraum leisten können. Die verschiedenen Sanierungs­akti­vitäten

Bundesamt für Umwelt, BAFU. (2020). Bundesinventar der Auengebiete von nationaler Bedeutung – Stand und Handlungsbedarf. Bundesamt für Umwelt, BAFU. (2020). Renaturierung der Schweizer Gewässer: Stand ökologische Sanierung Wasserkraft 2018, https://bafu.admin.ch/ renaturierung Restwassersanierung nach Art. 80 ff. GSchG – Stand Ende 2018 und Entwicklung seit Ende 2016 (BAFU 2019), https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/ wasser/fachinfo-daten/Restwassersanierung-nachartikel-80ff-gschgstand-in-den-kantonen-ende-2018. pdf.download.pdf/Restwassersanierung-nach-artikel80ff-gschgstand-in-den-kantonen-ende-2018.pdf

Autorinnen und Autor: Michelle Lehmann, naturaqua PBK AG / Infohabitat GmbH, m.lehmann@naturaqua.ch Franziska Witschi, naturaqua PBK AG / Infohabitat GmbH, f.witschi@naturaqua.ch Stephan Lussi, Bundesamt für Umwelt, Abteilung Biodiversität und Landschaft, stephan.lussi@bafu.admin.ch

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Hauptversammlung, Donnerstag, 3. September 2020, in Wettingen (es gilt das gesprochene Wort) Albert Rösti

Liebe Mitglieder des SWV, Verehrte Gäste Es freut mich, Sie in bester Gesundheit hier zu treffen. Ich danke vorab der Geschäfts­ stelle, dass diese Versammlung trotz Ab­ sage unserer Tessiner Freunde nun physisch stattfinden kann. Das braucht im aktuellen Umfeld etwas Mut. Ich bin aber klar der Auffassung, dass wir diesen Mut un­bedingt brauchen und so weit wie möglich in die Normalität zurückkehren müssen. Eine Normalität, die uns ein normales Wirt­schaften ermöglicht. Denn den oft kre­ ierte Gegensatz, Gesundheit oder Wirt­ schaft, gibt es so nicht. Nur eine gesunde Wirt­schaft ermöglicht uns, genügend In­ ves­­titionen in die Gesundheit zu tätigen. Eine serbelnde Wirtschaft wird unsere Gesund­heit mittelfristig weit mehr schädigenden als die aktuelle Covid-Situation. Deshalb herzlichen Dank, dass Sie alle heute gekommen sind. Selbstverständlich nehmen wir die Schutzmassnahmen ernst und befolgen diese, insbesondere was die einfachen Massnahmen wie das Distanz­ hal­ten anbelangt, und selbstverständlich verstehen wir die Absage aus dem Tessin, niemand von uns könnte verantworten, dass wegen einer Infizierung ein ganzer Betrieb stillstehen müsste. Ich weiss, dass wir im Tessin sehr willkommen gewesen wären und man alles für eine schöne, sichere Tagung versucht hat. Diese Arbeit soll aber nicht umsonst sein, wir sehen vor, das diesjährige Pro­ gramm einfach ein Jahr später, im 2021 durchzuführen, wenn Sie jetzt an der HV nicht etwas anderes beschliessen werden. Ich danke Ihnen namens der Strom­ konsu­menten, dass Sie Ihre Arbeit auch während des Covid-Lockdowns aufrechterhalten haben. Die Systemrelevanz der Betriebe des SWV zeigt nicht nur die Covid-Krise in aller Deutlichkeit, auch das aktuelle politische Umfeld verleiht der Wasserkraft eine unschätzbare Bedeutung. Wir haben ja bereits im Rahmen der Energiestrategie 2050 «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

auf das ungelöste Problem der Ver­sor­ gungssicherheit hingewiesen. Heute zeigt sich unvermittelt, dass dies richtig war. Nachdem eine Mehrheit der Bevöl­ke­rung beschlossen hat, keine neuen KKW zu bauen, besteht nun gleichzeitig ein erheblicher Druck zur Dekarbonisierung. So hat der Bundesrat am Mittwoch beschlos­sen, als Gegenvorschlag zur Gletscher­initiative das Ziel netto null CO2 -Ausstoss bis ins Jahr 2050 in der Verfassung festzuschrei­ ben. Die politische Führung in die­sem Land strebt also einen parallelen Aus­stieg aus der Kernenergie und aus der fossilen En­ er­gie an. Gemessen an den Be­rechnungen der EMPA ist dieser Weg aben­teuerlich und für unsere Volkswirt­schaft höchst riskant. Die EMPA geht davon aus, dass der zusätzliche Energiebedarf aufgrund der De­ karbonisierung im Verkehr und im Ge­ bäude­bereich bei ca. 15 Terrawatt­stunden liegen wird. Beim Ausstieg aus der Kern­ energie müssen 24 Terrawatt­sun­den kompensiert werden. Somit fehlen ab 2040 rund 40 Terrawattstunden oder zwei Drit­ tel der heutigen Stromproduktion. Nie­mand weiss, wie und wo dieser Strom pro­duziert werden soll. Wir haben rund eine Generation Zeit, um diese Herausforderungen zu lösen. Das mag lange erscheinen, gemessen am notwendigen Planungshorizont für den Bau zusätzlicher Kraftwerks- und Speicher­ka­ pa­zitäten, müssen aber die Weichen heute richtig gestellt werden. Wie wichtig Vorsorge ist, hat die CovidSituation gezeigt. Die fehlenden Masken konnten innerhalb von drei Monaten beschafft werden. Fehlende Energie kann dann nicht so leicht produziert werden. Für die Wasserkraft ist das eigentlich eine phantastische Ausgangslage. Es ist nicht die Aufgabe unseres Verbands, über den Ausstieg aus der Kernenergie oder die Notwendigkeit der Dekarbonisierung zu sinnieren. Ihre Unternehmen und unser Ver­band werden aber Teil der Zu­kunfts­lö­ sung der Versorgungssicherheit mit Strom sein, weil Wasserkraft die einzige praktisch 279

109. Hauptversammlung

Präsidialansprache


109. Hauptversammlung

CO2 -freie Bandenergie ist. Alle anderen Energie­quellen produzieren entweder Flat­ ter­strom oder, noch schlimmer, gar nichts oder sind verbunden mit einer hohen CO2 Belastung, wie Kohle- oder Gaskraft­werke. Nun bin ich mir sehr bewusst, das bisher weder der Markt noch die aktuellen politischen Rahmenbedingungen, ich denke an die verpasste Senkung der Wasser­ zinsen, diese grosse Bedeutung der Was­ ser­kraft abbilden. Somit fehlt aktuell die Investitionsbereitschaft. Da auch die Europäische Union, insbesondere Deutschland, auf dem Weg ist, parallel aus der Kernkraft auszusteigen und eine CO2 -freie Gesellschaft und Wirt­ schaft zu kreieren, dürfte aber die produzierte Strommenge, insbesondere Band­ strom, sogar europaweit zurückgehen, was sich in der Marktlogik mittelfristig in höheren Preisen und damit dem Gewinn an Wettbewerbsfähigkeit der Wasserkraft niederschlagen müsste. Da niemand weiss, wie lange dieser Prozess dauert, muss aber die Politik handeln und Rahmen­be­dingun­ gen setzen, die Investitionen in die Wasser­ kraft, den Erhalt und die Erweiterung, auslösen. Das neue Energiegesetzt genügt dieser Anforderung, so wie es in der Ver­ nehmlassung war, in keiner Weise. Wir ha­ ben das mit unserer Stellungnahme ent­ sprechend deponiert. Wir verfügen aber über sehr positive Zeichen, dass Bundesrat, BFE und Par­la­ ment die Notwendigkeit dieser Stoss­rich­ tung erkannt haben. Ich kann das an drei aktuellen Bei­spie­ len illustrieren: • Nachdem die parlamentarische Initia­tive zur Festlegung des Referenz­ zustands für die anstehende Er­

280

neuerung der Kraftwerkskonzes­sionen in einer Hitchcock-Abstimmung mit Stichentscheid der Nationalratspräsi­ dentin in unserem Sinne durchkam, hat Nationalrat Stefan Müller Altermatt gerade wieder eine neue Pa. Iv. zur Abschwächung dieses Entscheids eingereicht. Diese Pa. Iv. wurde von der ständerätlichen Kommission in aller Deutlichkeit verworfen. • Anlässlich der UREK-Sitzung von dieser Woche wurde eine Petition des Schwei­zerischen Fischereiverbands mit dem Titel «Fischschutz, statt tödliche Tur­binen» ebenso klar bachab geschickt. Beides sind Zeichen, dass die Politik von erschwerenden Rahmenbedingungen für die Wasserkraft trotz grüner Welle Ab­stand nimmt. • Das wichtigste Zeichen hat aber am 18. August Frau Bundespräsidentin Simonette Sommaruga gesetzt, als sie alle Stakeholder der Wasserkraft, so­wohl die Nutzen- als auch die Schutzseite zu einem runden Tisch eingeladen hat. Diesen eröffnete sie mit den Worten: «Es stellt sich nicht die Frage ob wir die Wasserkraft ausbauen müssen, sondern wie.» Wir werden hier als Verband selbst­ver­ ständ­lich an vorderster Front mit­arbei­ten mit dem Ziel, dass einerseits die Produk­ tions­verluste im Rahmen der Umsetzung der Restwasser­vorschriften möglichst gering gehalten werden und andererseits netto insgesamt der in der Energiestrategie vorgesehene Ausbau um ca. 2 Terra­watt­ stunden auf total 38 Terrawatt­stunden re­ alisiert werden kann.

Damit tun wir Gutes für unsere Mitglieds­ firmen, aber insbesondere auch für die Schweizer Bevölkerung, denn die sichere Versorgung mit Energie und insbesondere Strom muss an oberster Stelle der Vor­ sorgemassnahmen stehen, da auch die si­chere Versorgung mit Lebensmitteln und Gesundheitsgütern von der Stromver­sor­ gung abhängt. Eine schöne und verant­ wor­tungsvolle Aufgabe für unseren Ver­ band. Vor dem Hintergrund dieser Gedan­ ken, darf ich Ihnen zusammen mit dem Vor­stand unser volles Engagement bei den anstehen­den Geschäften versichern. Danke, dass Sie uns dabei unterstützen! Präsidium und Vorstand haben sich zur Verbandsführung in ordentlichem Sit­ zungsrhythmus getroffen. In Ergänzung zur Behandlung der ordentlichen Geschäfte lag die Suche nach dem Ersatz für den wichtigsten Verbandsmann, unserem Ge­ schäftsführer, im Zentrum der Arbeiten. Ich bedaure sehr, dass ich heute dann un­ seren geschätzten Geschäftsführer Roger Pfammatter verabschieden muss. Wir ha­ ben ausgezeichnet zusammengearbeitet, und seine ergebnisorientierte Arbeit hat mich beeindruckt. Der Abschied ist aber erträglich, in Kenntnis dessen, dass wir mit Andreas Stettler einen sehr sachkun­di­gen Nachfolger gefunden haben, und auch weil ich Roger seine beabsichtigen neuen Lebenspläne von Herzen gönnen mag. Es bleibt mir, recht herzlich für die Arbeit unserer Mitglieder, für die Unter­ stützung des Verbands, aber vor allem für das En­ga­gement der Vorstandsmitglieder zu danken. Albert Rösti, Präsident SWV

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


109. ordentliche Hauptversammlung des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes vom Donnerstag, 3. September 2020, in Wettingen

Begrüssung

Traktandum 1: Präsidialansprache

Der Präsident, Nationalrat Albert Rösti, heisst die anwesenden Mitglieder und Gäste zur 109. ordentlichen Hauptver­sam­mlung des Schweizerischen Wasser­wirtschafts­ verbandes (SWV) herzlich willkommen. Das ursprünglich vorgesehene Pro­ gramm mit begleitender Tagung in Airolo und Exkursion zum Kraftwerk Ritom musste aufgrund der Entwicklungen rund um Covid-19 in letzter Minute abgesagt werden. Damit wäre es beinahe zur zweiten nicht durchgeführten Hauptversammlung in der 110-jährigen Geschichte des SWV gekom­ men. Denn die bisher einzige nicht durchge­ führte Versammlung war diejenige im Jahre 1918, als aufgrund der «Spanischen Grippe» ein Versammlungsverbot herrschte und der SWV auf eine Versammlung ver­zichten muss­te. Aber für 2020 haben der Vorstands­ ausschuss und die Geschäfts­stelle entschie­ den, die Versammlung mit Abend­es­sen unter Berücksichtigung der behördlichen Auflagen in kleinerem Rahmen und an neuer Örtlich­ keit trotzdem durchzuführen. Und der Ge­ schäftsstelle ist es in kürzester Zeit gelun­gen, hier im Kloster Wettingen alles Not­wen­dige zu organisieren: Herzlichen Dank dafür! Die Verbandsgruppen sind heute vertreten durch Michelangelo Giovannini, Prä­sident des Rheinverbandes (RhV), und Beat Karrer, Ausschussmitglied des Ver­ ban­des Aare-Rheinwerke (VAR). Ent­schul­ digt hat sich Laurent Filippini, Präsident des Tessiner Wasserwirtschaftsverbandes (ATEA). Die Kommissionen im SWV sind durch zahlreiche Mitglieder vertreten, na­ ment­lich durch die Kommissionsvorsitzen­ den Peter Lustenberger seitens der Kom­ mis­sion Hydrosuisse und Jürg Speerli, sei­ tens der Kommission Hochwasser­schutz. Speziell begrüsst werden Dominique Martin als Vertreter des Partnerverbandes VSE und Christian Dupraz als Vertreter des BFE. Verschiedene Personen, welche an der Versammlung nicht teilnehmen können, haben sich entschuldigt. Auf das Verlesen der Liste wird verzichtet.

(siehe Text auf Seite 279) Traktandum 2: Traktanden Die Einladung zur Hauptversammlung wur­ ­de im Juni 2020 zusammen mit dem Jahres­ bericht 2019 in der Verbands­zeitschrift «Wasser Energie Luft» (WEL), Heft 2 / 2020, publiziert. Die Traktandenliste sowie die Unter­lagen zu den Geschäften wurden allen Angemeldeten per E-Mail zugestellt. Bis zum statutarisch vorgesehenen Ter­ min von Ende April des laufenden Jahres sind keine Anträge der Mitglieder einge­ gangen und die Traktanden vom Vorstand wie folgt festgelegt worden: 1. Präsidialansprache 2. Traktanden 3. Protokoll der 108. Haupt­ versammlung vom 5. September 2019 in Martigny 4. Jahresbericht 2019 5. Jahresrechnung 2019 und Revisionsbericht, Entlastung der Organe 6. Budget 2021 7. Erneuerungswahlen Vorstand und Revisionsstelle 2020 – 2023 8. Nachfolge Geschäftsführung 9. Hauptversammlung 2021 10. Mitteilungen, Verschiedenes Die Traktandenliste und deren Reihen­ folge werden ohne Bemerkungen von der Ver­sammlung genehmigt. Vorbemerkung zu Abstimmungen Alle angemeldeten Mitglieder des Verban­ des haben ihre Stimmrechtsausweise zur Versammlung erhalten. Die gelben Stimm­ zettel gelten für die Einzelmitglieder und die grünen Stimmzettel für die Kollektiv­ mitglieder. Die Anzahl Stimmrechte ist auf dem Stimmzettel vermerkt. Einzelmit­glie­ der und Kollektivmitglieder verfügen über 1 Stimme; Kollektivmitglieder mit eigener Wasserkraftproduktion, deren Mitglieder­

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

beiträge je nach Produktionsmenge festgelegt sind, verfügen über 1 Stimme pro 60 GWh. Die Versammlung ist unabhängig von der anwesenden Anzahl Stimmrechte beschlussfähig. Insgesamt sind heute 451 von total 1021 Stimmrechten anwesend; das einfache Mehr beträgt 226 Stimmen. Der Einfachheit halber und soweit dies zu keinen Fehlinterpretationen der Meinung der Stimmenden führen kann, werden die Abstimmungen im Einvernehmen mit der Versammlung ohne Auszählung der Stimm­ abgabe durchgeführt. Bei einer Auszählung würde mit Namensruf in der Reihenfolge der gewichtigsten Stimmrechtsvertreter bis zu einem allfälligen einfachen Mehr ausgezählt. Traktandum 3: Protokoll der 108. Hauptversammlung vom 5. September 2019 in Martigny Das Protokoll der 108. Hauptversammlung wurde im WEL, Heft 4 / 2019, auf den Sei­ten 257 bis 263 in deutscher und französischer Sprache abgedruckt. Es sind keine schrift­ lichen Anmerkungen zum Protokoll einge­ gangen. Das Wort wird auch von der Ver­ sammlung nicht verlangt. Die Versammlung genehmigt das Protokoll einstimmig. Traktandum 4: Jahresbericht 2019 Der Jahresbericht 2019 ist im WEL, Heft 2 / 2020, auf den Seiten 111 bis 136 in deutscher und französischer Sprache veröf­ fent­licht worden bzw. wurde den Teil­neh­ menden vor der Versammlung nochmals zugestellt und ist ebenfalls auf der Web­ seite zugänglich. Der Präsident verzichtet darauf, den Bericht zu verlesen. Es erfolgen keine Wortmeldungen. Der Jahresbericht wird ohne Bemerkungen in zustimmendem Sinne zur Kenntnis genommen. 281

109. Hauptversammlung

Protokoll


109. Hauptversammlung

Traktandum 5: Jahresrechnung 2019 und Revisionsbericht, Entlastung der Organe Die Jahresrechnung 2019 und die Bilanz per 31. Dezember 2019 wurden mit dem Jahresbericht 2019 im WEL, Heft 2 / 2020, veröffentlicht und erläutert. Das Wich­tigs­ te wird vom Geschäftsführer wie folgt zusammengefasst: Rechnung Die Rechnung schliesst mit einem leichten Einnahmeüberschuss von CHF 1128.40, welcher als Gewinnvortrag dem aktiven Vereinsvermögen gutgeschrieben werden soll. Ertragsseitig erwähnenswert sind vor allem die stabilen Mitgliederzahlen und -bei­­träge, die sehr guten Deckungs­bei­trä­ ge aus eigenen Veranstaltungen (insbe­ son­de­re aufgrund der Rekordzahlen bei Teil­neh­menden und Sponsoren) sowie die wei­ter­hin rückläufigen Erträge aus Inse­ raten im WEL. Ausgabenseitig zu erwäh­ nen sind vor allem die zusätzlichen Per­ sonal­kosten aufgrund der Neuanstellung des Layouters (Selektionskosten und Über­ lap­pung) und die Sonderauf­wendun­gen für diverse Pro­jekte (u. a. Unter­stüt­zung Bild­band zu Stau­werken), die allesamt über die laufende Rechnung finanziert werden konnten. Bilanz Die Bilanz zeigt das fast ausschliesslich aus Eigenmitteln bestehende Vermögen. Mit unveränderten Rückstellungen und Re­ serven in der Höhe von CHF 1 045 817.19 sowie dem aktiven Vereinsvermögen von zusätzlichen CHF 404 214.40 ist die finanzielle Stabilität des Verbandes weiterhin ungebrochen. Revision Rechnung und Bilanz wurden von der OBT AG in Brugg im Rahmen einer einge­schränk­ ten Kontrolle revidiert und für in Ordnung befunden. Auf das Vorlesen des Berichts wird verzichtet. Die Revisions­stelle hat aber keine Beanstandungen gefunden, welche der Abnahme der Rech­nung entgegenstehen würden. Ausschuss und Vorstand beantragen die Annahme der Rechnung und die Entlastung der Organe. Die Verbandsrechnung 2019 und die Bilanz per 31. Dezember 2019 werden von der Versammlung ohne Diskussion einstimmig genehmigt und die Organe entlastet.

282

Traktandum 6: Budget 2021 Zu behandeln ist das Budget für das Jahr 2021, das vom Geschäftsführer wie folgt zusammengefasst wird: Mitgliedertarife 2021 Das Budget setzt die Beibehaltung der auf Anfang 2019 angepassten Tarife voraus und rechnet mit stabiler Mitgliederzahl und daher mit gleichbleibenden Erträgen aus Mitgliederbeiträgen. Budget 2021 Das vorgelegte Budget stützt sich auf die Erfahrungen des laufendenden Jahres mit kleineren Anpassungen. Er­wäh­nenswert sind folgende Annahmen: weiter­hin gute Deckungsbeiträge aus Veranstal­ tungen (d. h. keine relevanten Absagen auf­grund Covid-19), leicht tiefere Erträge bei ebenfalls tieferen Kosten bei der Zeit­ schrift WEL sowie leicht höherer Aufwand für Per­sonal und Verbandsgremien (u. a. für the­ma­ti­sche Klausuren des Ausschusses). Gemäss Vor­anschlag 2021 steht einem budgetierten Ertrag von CHF 1 081 570.– ein Aufwand von CHF 1 076 000.– gegenüber, womit ein ausgeglichenes bzw. mit CHF 5570.– leicht positives Ergebnis budgetiert ist. Das Budget 2021 wird mit gleich­ bleibenden Mitgliedertarifen ohne Bemerkungen einstimmig genehmigt. Traktandum 7: Erneuerungswahlen Vorstand und Revisionsstelle Die Mutationen und Vorschläge zu den an­stehenden Gesamterneuerungswahlen von Vorstand und Ausschuss sowie der Revisions­stelle für die Amtsperiode 2020 bis 2023 wurden mit den Unterlagen zur Hauptver­sam­mlung allen Teilnehmen­den zuge­stellt. Es sind drei primär funktionsbedingte Rücktritte zu vermelden. Es treten na­ ment­­­lich folgende Vorstandsmitglieder zurück: Andreas Stettler, BKW (Aus­schuss / Vor­­stand), Felix Vontobel, Repower (Vor­ stand), und Werner Leuthard, Kanton AG / EndK (Vor­stand). Der Präsident dankt den Zurück­tretenden und ihren Arbeitgebern im Namen des Vorstandes und der Haupt­ ver­sam­mlung ganz herzlich für das ver­ gan­gene Engagement für den Verband und übergibt den Anwesenden unter warmem App­laus der Versammlung ein kleines Prä­sent.

Die vom Vorstand einstimmig vorge­schla­ ge­ne Neubesetzung lautet auf folgende Kan­didaten: Martin Eschle, Leiter Be­schaf­ fung IWB (neu in den Vorstand und Aus­ schuss) und Boris Krey, Leiter Sektion En­ ergiewirtschaft AG (neu in den Vor­stand). Für die verbleibende Vakanz im Aus­schuss wird auf die nächste Haupt­ver­sammlung ein Wahlvorschlag unterbreitet. Beide Kan­ di­daten sind anwesend und stel­len sich kurz vor. Bezüglich Revisions­ stelle lautet der Vorschlag auf Wiederwahl des Treuhand­ unter­nehmens OBT AG in Brugg. Das Fest­ halten am langjährigen Revisor hat gerade jetzt, wo die Ge­schäfts­führung wechselt, sicher grosse Vorteile zur Wah­rung der Kon­ tinuität. Die bisherigen Mitglieder von Vorstand und Ausschuss wie auch die vorgeschlage­nen Neubesetzungen werden durch die Haupt­versammlung in globo und einstimmig für die Amtsperiode 2020 – 2023 bestätigt bzw. gewählt. Ebenso wird die Revisionsstelle OBT AG für eine Amtsperiode 2020 – 2023 einstimmig wiedergewählt. Traktandum 8: Nachfolgeregelung Geschäftsführer Nachdem der aktuelle Geschäftsführer An­ fang Januar 2020 frühzeitig seinen Rück­ tritt per Hauptversammlung 2020 ange­ kündigt hatte, lancierte der Vorstands­aus­ schuss mit Unterstützung der Geschäfts­ stelle und eines externen Personalberaters die Suche nach einem Nachfolger. Die we­ sentlichen Informationen zu diesem Se­lek­ tionsprozess sind in den Unterlagen zur Hauptversammlung zusammenge­fasst. Der Präsident zeigt sich erfreut, dass Andreas Stettler für diese Stelle gewon­ nen werden konnte und vom Vorstand einstimmig gewählt wurde. Er ist nicht nur ein ausgewiesener Fachmann, sondern war darüber hinaus bis zum heutigen Tag seit vielen Jahren sowohl in der Kommission Hydrosuisse wie auch im Vorstandsaus­ schuss engagiert und kennt damit auch den SWV bereits aus nächster Nähe. Seine neue Arbeit hat er am 1. September 2020 aufgenommen, und die Übergabe der wichtigsten Dossiers ist im Gange. Der neue Geschäftsführer ist anwesend und richtet ein paar Worte an die Versam­mlung. Die Versammlung nimmt die Informationen und Kurzvorstellung mit Applaus zur Kenntnis.

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Bei den Durchführungsorten für die Haupt­ ver­sammlungen sollen die verschiedenen Regionen des Landes und auch ihre wasserwirtschaftliche Bedeutung angemes­ sen berücksichtigt werden. Die in diesem Jahr abgesagte, aber bereits im Detail vor­ bereitete Tagung in Airolo mit Exkur­sion zum Kraftwerk Ritom soll auf Vor­schlag von Vorstandsausschuss und Geschäfts­stelle und in Absprache mit den Tessiner Kolle­ gen auf die 110. Hauptversammlung verschoben werden. Termin: 2. / 3. Sep­tem­ber 2021. Die für das Grimselgebiet angedachte Hauptversammlung (mit Be­sichtigung Bau­ stelle Staumauer Spital­lamm) wird ebenfalls um ein Jahr auf den 1. / 2. September 2022 verschoben. Die Versammlung stimmt dem Vorschlag zur Durchführung der nächsten Haupt­ versammlung am 2. / 3. September 2021 in der Region Airolo zu. Traktandum 10: Mitteilungen, Verschiedenes Dienstleistungen für Mitglieder Der Präsident weist darauf hin, dass das vorrangige Ziel des Verbandes nach wie vor ist, Dienstleistungen zu erbringen, welche für die Mitglieder von Nutzen sind. Er hebt die wichtigsten Plattformen für die Mitglieder hervor: • Fach- und Verbandszeitschrift «Wasser Energie Luft» • Webseite www.swv.ch (Agenda und diverse Dokumente wie Positionspapiere, Faktenblätter, Referate usw.) • E-Mail-Newsletter (mit Mitteilungen und Hinweisen auf Veranstaltungen) Bezüglich Veranstaltungen erwähnenswert sind insbesondere die von der Ge­ schäfts­stelle zusammen mit den beiden Kommis­sionen vorbereiteten Tagungen;

zum einen die 9. Hydrosuisse-Fachtagung Wasser­kraft, die fixfertig geplant ist, nun aber Covid-19-bedingt um ein Jahr auf den 10. November 2021 verschoben wird; und zum anderen die praktisch fertig vorbe­rei­ te­te KOHS-Wasserbautagung 2021, die als ein­einhalbtägige Veranstaltung mit Exkur­ sion am 24. und 25. Juni 2021 in die Region Thun / Oberes Gürbetal führt. Die wichtigsten Aktivitäten und Veran­ staltungen sind jeweils in der Agenda auf der Webseite aufgeführt. Der Präsident zeigt sich überzeugt, dass die Mitglieder von diesen wertvollen Leistungen direkt profitieren können, und zählt weiterhin auf die breite Unterstützung. Verabschiedung Geschäftsführer Vor dem Abschluss der 109. Hauptver­sam­ mlung verabschiedet der Präsident den nach zehn engagierten Jahren abtreten­den Geschäftsführer Roger Pfammatter. Er zeigt sich beeindruckt von der guten Zusam­men­ ­arbeit in den letzten vier gemeinsamen Jahren und der ergebnisorientierten Arbeit. Er lässt den Geschäftsführer deshalb nur ungern ziehen und bedauert die Verab­ schie­dung. Allerdings versteht der Präsi­ dent auch den Wunsch nach Veränderung und mag dem Ab­ tretenden die neuen Lebens­pläne von Her­zen gönnen. Als An­ denken an die zehn Jah­re SWV übergibt er unter herz­­lichem Ap­plaus der Versammlung ein gross­for­mati­ges Bild mit sämtlichen Titel­bildern der insge­samt vierzig in dieser Zeit­­spanne publizierten Aus­gaben der verbandseigenen Zeitschrift. Der abtretende Geschäftsführer zeigt sich berührt von den Abschiedsworten und dem prächtigen Geschenk, das die zehn Jahre so wunderbar bildlich zusammenfasst. Und er richtet seinerseits ein paar Worte an die Versammlung. Da­bei bedankt er sich für die tolle Zeit beim SWV, die ihm grossmehrheitlich sehr gut entsprochen hat. Und er beurteilt den Zeit­punkt des Wechsels auch als günstig für den SWV: So sei der Verband gut aufge­stellt, werde

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

wahr- und ernstgenom­men, stehe finanziell auf stabilem Fundament und verfüge über ein eingespieltes professionelles Team auf der Geschäftsstelle. Er wünscht dem Nachfolger viel Erfolg und bedankt sich zum Schluss bei allen An­wesenden für die spannenden Begeg­nun­gen während der letzten zehn Jahre. Die Versammlung verabschiedet den abtretenden Geschäftsführer mit langanhaltendem, herzlichem Applaus. Abschluss und Dank In der Umfrage folgen keine weiteren Wort­ meldungen aus der Versammlung. Der Prä­ sident verdankt deshalb abschliessend die Zusammenarbeit und dankt namentlich • den Kollegen im Vorstand und den Mitgliedern in den Kommissionen für die konstruktive, gute Zusammenarbeit im Interesse des Verbandes, • allen Mitgliedern und Anwesenden für ihre Unterstützung und das Interesse an den Aktivitäten des Verbandes, der Geschäftsstelle in Baden, welche das ganze Jahr hindurch die vielfältige Verbands- und Redaktionsarbeit bewältigt. Es sind dies neben dem Geschäftsführer Roger Pfammatter folgende Personen: Sonja Ramer für das Verbandssekretariat und Assistenz des Geschäftsführers, Michel Piot als Fachexperte im Bereich Energiewirtschaft, Doris Hüsser für die Buchhaltung und das Personalwesen sowie Mathias Mäder für die Produktion und Anzeigenverwaltung der Zeitschrift «Wasser Energie Luft». Der Präsident schliesst die 109. orden­t­ liche Hauptversammlung des SWV und lädt zum Apéro und Abendessen im Gasthof Sternen, dem ältesten Gasthof der Schweiz. Protokoll: Sonja Ramer

283

109. Hauptversammlung

Traktandum 9: Hauptversammlung 2021




109. Hauptversammlung

Procès-verbal

109 ème Assemblée générale annuelle de l’Association suisse pour l’aménagement des eaux du jeudi, 3 septembre 2020, à Wettingen

Message d’accueil Le président, le conseiller national Albert Rösti, souhaite la bienvenue aux membres et invités présents à la 109ème assemblée générale annuelle de l’Association suisse pour l’aménagement des eaux (ASAE). Le programme initialement prévu avec une conférence d’accompagnement à Airolo et excursion à la centrale électrique de Ritom a dû être annulé à la dernière minute en raison des développements autour du Covid-19. Pour peu, une annulation complète aurait constitué la deuxième assemblée générale annulée au cours des 110 ans d’histoire de l’ASAE. La seule assemblée n’ayant pas pu avoir lieu était celle de 1918, lorsqu’une interdiction de réunion a été imposée en raison de la «grippe espagnole» et que l’ASAE a dû renoncer à se réunir. Mais pour 2020, le bureau du comité et le secrétariat ont décidé de maintenir l’assemblée avec dîner dans un cadre plus restreint et dans un nouveau lieu, en tenant compte des exigences officielles. Et le secrétariat a réussi à organiser tout le nécessaire ici au monastère de Wettingen en très peu de temps: un grand merci pour cela! Les groupes régionaux affiliés à l’ASAE sont représentés aujourd’hui par Michel­ angelo Giovannini, président de l’Association Rheinverband (RhV), et Beat Karrer, membre du comité de l’Association AareRheinwerke (VAR). Laurent Filippini, président de l’Association Ticinese di Economie delle Acque (ATEA), s’est excusé. Les com­ missions de l’ASAE sont représentées par de nombreux membres, notamment par leurs présidents, respectivement Peter Lustenberger pour la commission Hydro­ suisse et Jürg Speerli pour la commission pour la protection contre les crues. La bienvenue est souhaitée particulièrement à Dominique Martin, représentant de l’as­so­ ­ciation partenaire AES, et Christian Dupraz, représentant de l’OFEN. Plusieurs personnes non présentes à l’assemblée se sont excusées. On renonce 286

à la lecture de la liste des personnes excusées. Point 1: Allocution présidentielle (cf. texte à la page 279) Point 2: Ordre du jour L’invitation à l’assemblée générale annuelle a été publiée avec le rapport annuel 2019 dans la revue 2 / 2020 «Wasser Energie Luft – Eau énergie air» (WEL) en juin 2020. L’ordre du jour et les documents relatifs aux opérations ont été envoyés à tous les participants par e-mail. Jusqu’à la date prévue par les statuts à la fin avril de l’année en cours, aucune demande n’a été reçue de la part des membres et l’ordre du jour a été fixé par le comité comme suit: • Allocution présidentielle • Ordre du jour • Procès-verbal de la 108ème assemblée générale annuelle le 5 septembre 2019 à Martigny • Rapport annuel 2019 • Compte 2019 et rapport de révision, décharge des organes • Budget 2021 • Elections de renouvellement pour le comité et l’organe de révision 2020 – 2023 • Succession à la direction • Assemblée générale 2021 • Communications, divers. L’ordre du jour et leur ordre sont approu­ vés sans aucune remarque par l’Assem­ blée. Remarque préliminaire sur les votes Tous les membres inscrits de l’Association ont reçu leurs cartes de légitimation pour les votes durant l’assemblée. Le bulletin de vote jaune s’applique aux membres individuels et le bulletin vert pour les membres

collectifs. Le nombre de voix est marqué sur le bulletin de vote. Les membres individuels et les membres collectifs ont 1 vote; les membres collectifs ayant leur propre production, dont les cotisations sont déterminées en fonction du volume de production, disposent d’une voix par tranche de 60 GWhs. L’Assemblée délibère valablement, indépendamment au nombre de voix présent. Il y a 451 voix présentes aujourd’hui sur les 1 021 au total. La majorité simple est à 226 voix. Pour plus de simplicité, et dans la mesure où aucune erreur d’interprétation n’est possible, les votes sont effectués en accord avec l’Assemblée sans décompte des voix. En cas de décompte, les votants seraient appelés par ordre d’importance et leurs voix seraient comptabilisées jusqu’à ce qu’une majorité simple soit atteinte. Point 3: Procès-verbal de la 108ème assemblée générale du 5 septembre 2019 à Martigny Le procès-verbal de la 108ème assemblée générale annuelle a été publié dans le numéro 4  /  2019 de la revue WEL aux pages 257 – 263 en allemand et en français. Aucune observation écrite n’a été reçue sur le protocole. Personne ne réclame la parole au sein de l’Assemblée. L’Assemblée approuve à l’unanimité le procès-verbal. Point 4: Rapport annuel 2019 Le rapport annuel 2019 a été publié en allemand et en français dans le numéro 2 / 2020 de la revue WEL aux pages 111 – 136. De plus, il a été envoyé de nouveau aux participants avant l’assemblée et est également accessible sur le site internet. Le président renonce à lire le rapport. Aucune prise de parole n’est demandée. L’Assemblée prend acte et approuve le rapport annuel sans aucune remarque.

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Les comptes annuels 2019 et le bilan au 31.12.2019 ont été publiés et expliqués avec le rapport annuel 2019 dans la revue WEL 2/2020. Les principaux points sont résumés ci-dessous par le directeur: Compte Les comptes 2019 bouclent avec un excédent de recettes de CHF 1128.40, excédent qui sera crédité à la fortune de l’Association. Du côté des revenus, il convient de mentionner la stabilité du nombre et des cotisations des membres, les très bonnes marges de contribution des événements organisés par l’Association (notamment en raison du nombre record de participants et de sponsors) et le déclin continu des revenus provenant des annonces dans la revue WEL. Du côté des dépenses, on mentionnera notamment : les frais supplémentaires en personnel en raison de l’engagement du nouveau maquettiste (coûts de la sélection et du chevauchement) et les dépenses spéciales liées à divers projets (dont le soutien à un livre illustré sur les barrages), qui ont tous été financés par le compte courant. Bilan Le bilan présente les actifs presque exclusivement constitués de fonds propres. Avec des provisions et des réserves inchangées d’un montant de CHF 1 045 817.19, ainsi qu’une fortune active supplémentaire de l’Association de CHF 404 214.40, la stabilité financière de l’Association est continue. Révision Compte et bilan ont été soumis par le cabinet OBT AG à Brugg à un contrôle restreint et approuvés. On renonce à la lecture du rapport. L’organe de révision n’a aucune objection à formuler qui pourrait empêcher l’acceptation des comptes. Bureau et comité de l’ASAE sollicitent alors l’acceptation des comptes et la décharge des organes. Les compte 2019 de l’Association et le bi­ lan au 31 décembre 2019 sont approuvés à l’unanimité par l’Assemblée sans discus­ sion et les organes sont déchargés. Point 6: Budget 2021 Le budget à traiter pour l’année 2021 est présenté comme suit par le directeur : Montants des cotisations 2021 Le budget suppose que les montants de

cotisations ajustés au début de 2019 sera maintenu et table sur un nombre de membres stables et donc sur des revenus constants issus des cotisations des membres. Budget 2021 Le budget soumis se base sur les expériences de l’année en cours avec des ajustements mineurs. Les hypothèses suivantes méritent d'être mentionnées: un maintien de bonnes marges de contribution venant des événements (c'est-à-dire aucune annulation pertinente due au Covid-19), des revenus légèrement inférieurs avec des coûts également inférieurs du magazine WEL, des dépenses légèrement plus élevées pour le personnel et les groupes régionaux (entres autres pour les retraites thématiques du comité). Selon les estimations pour 2021, le revenu budgété se monte à CHF 1 081 570.– pour des charges de CHF 1 076 000.– et un résultat budgétisé équilibré, respectivement légèrement positif à CHF 5570.–. Le budget 2021 avec des montants de co­ tisations inchangés pour les membres est approuvé à l’unanimité sans remarques Point 7: Elections de renouvellement pour le comité et l’organe de révision 2020 – 2023 Les mutations et propositions pour les prochaines élections générales pour le renouvellement du comité et du bureau, ainsi que l’organe de révision pour la période 2020 à 2023 ont été envoyés à tous les participants avec les documents pour l'assemblée générale annuelle. Trois démissions dues en premier lieu à la fonction sont à signaler au sein du comité. Les membres suivants ont annoncé leur retrait: Andreas Stettler, BKW (bureau / comité), Felix Vontobel, Repower (comité) et Werner Leuthard, canton d’Argovie / EndK (comité). Le président remercie chaleureusement les démissionnaires et leurs employeurs au nom du comité et de l’assemblée générale pour leur engagement passé envers l’Association et, sous les applaudissements chaleureux de l’Assemblée, leur remet un petit cadeau. Comme successeurs, le comité propose à l’unanimité les candidats suivants: Martin Eschle, responsable de l’approvisionnement IWB (nouveau au comité et au bureau), et Boris Krey, chef de section Ener­ giewirtschaft AG (nouveau pour le comité). Une proposition d’élection sera soumise à la prochaine assemblée générale annuelle

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

pour les postes restants à pourvoir au bureau. Les deux candidats sont présents et se présentent brièvement. En ce qui concerne l’organe de révision, il est proposé de réélire la société fiduciaire OBT AG à Brugg. Le fait de conserver l’organe de révision de longue date, surtout maintenant que la direction change, présente certainement de grands avantages pour assurer la continuité. Les membres actuels du comité et du bu­ reau ainsi que les nouvelles nominations proposées sont confirmés, respectivement élus par l’Assemblée générale en bloc et à l’unanimité pour la durée du mandat 2020 – 2023. L’organe de révision OBT AG est également réélu à l'unanimité pour un mandat de 2020 à 2023. Point 8: Succession à la direction Après que l’actuel directeur ait annoncé sa démission au début du mois de janvier 2020 pour l’assemblée générale annuelle 2020, le bureau du comité, soutenu par le secrétariat et un conseiller en personnel externe, a lancé la recherche d’un successeur. Les principales informations sur ce processus de sélection sont résumées dans les documents destinés à l’assemblée générale. Le président est heureux qu’Andreas Stettler ait pu être élu à ce poste et qu’il ait été élu à l’unanimité par le comité. Il est non seulement un expert reconnu, mais il a également participé pendant de nombreuses années à la Commission Hydro­ suisse ainsi qu’au bureau du comité et connaît donc déjà bien l’ASAE. Il a commencé son nouveau travail le 1er septembre 2020 et le transfert des dossiers les plus importants est en cours. Le nouveau directeur est présent et adresse quelques mots à l’Assemblée. L’Assemblée prend note de l’information et de la courte présentation sous les applau­ dissements. Point 9: Assemblée générale annuelle 2021 Lors du choix des emplacements pour l’assemblée générale, les différentes régions du pays et leur importance pour l’aménagement des eaux devraient être prises en compte. Le bureau du comité, en accord avec les collègues tessinois, propose de reporter le symposium prévu cette année à Airolo, préparé en détail et avec une excursion à la centrale de Ritom, 287

109. Hauptversammlung

Point 5: Compte 2019 et rapport de révision, décharge des organes


109. Hauptversammlung

à la 110ème assemblée générale les 2 et 3 septembre 2021. L’assemblée générale annuelle prévue dans la région du Grimsel (avec la visite du chantier de construction du barrage de Spitallamm) sera également reportée d’un an, aux 1 et 2 septembre 2022. L’Assemblée approuve la proposition de procéder à la prochaine assemblée géné­ rale le 2 – 3 septembre 2021 dans la région d’Airolo. Point 10: Communications, divers Services pour les membres Le président souligne que l’objectif principal de l’ASAE demeure inchangé, soit de fournir des services au bénéfice de ses membres. Il met en évidence les platesformes les plus importantes pour les membres de l’ASAE : • Revue spécialisée de l’Association «Eau énergie air» • Site internet www.swv.ch (avec agenda et divers documents tels que prises de position, fiches d’information, présentations, etc.) • Newsletter électronique (avec messages et indications des prochains événements) • Événements et symposiums (avec conditions préférentielles pour les membres). En ce qui concerne les événements, les conférences préparées par le secrétariat en collaboration avec les deux commissions méritent une mention particulière; d’une part, le 9ème Symposium Hydrosuisse sur l’énergie hydraulique, tout prêt tel que planifié, mais qui est maintenant reportée d’un an au 10 novembre 2021 en raison du Covid-19; et d’autre part, le Symposium

288

CIPC sur l’ingénierie hydraulique 2021, qui est pratiquement prêt et qui aura lieu dans la région de Thoune / Haute-Gürbetal sur un jour et demi avec excursion les 24 et 25 juin 2021. Les principales activités et événements à venir figurent dans l’agenda sur le site internet. Le président se montre convaincu que les membres peuvent bénéficier des précieux services de l’ASAE et compte toujours sur un large soutien. Départ du directeur Avant de clôturer la 109ème assemblée générale annuelle, le président fait ses adieux au directeur Roger Pfammatter, qui se retire après dix ans d’engagement. Il est impressionné par la bonne coopération de ces quatre dernières années et par le travail axé sur les résultats. Il est donc réticent à laisser partir le directeur et regrette ce départ. Cependant, le président comprend également le désir de changement et souhaite au directeur sur le départ plein succès dans ses nouveaux projets. Comme souvenir de ces dix années à l’ASAE, il remet une image grand format avec toutes les couvertures des 40 numéros du magazine de l’Association publiés durant cette période, sous les applaudissements chaleureux de l’Assemblée. Le directeur sortant est touché par les mots d’adieu et le magnifique cadeau qui résume si bien les dix années en images. Et il adresse à son tour quelques mots à l’Assemblée. Ce faisant, il se confond en remerciements pour les bons moments passés à l’ASAE. Et il estime également le moment du changement propice à l‘ASAE: l’Association est bien positionnée, elle est bien perçue et prise au sérieux, elle a une base financière stable et dispose d’une équipe professionnelle bien coordonnée au secrétariat. Il souhaite à son succes-

seur beaucoup de succès et conclut en remerciant toutes les personnes présentes pour les rencontres passionnantes au cours des dix dernières années. L’assemblée fait ses adieux au directeur sortant sous de longs et chaleureux ap­ plaudissements. Conclusion et remerciement Suite à la demande du président, aucune autre prise de parole n’est requise par l’Assemblée. Le président remercie l’Assemblée pour la collaboration. Tout à la fin, le président remercie également : • les collègues du comité et les membres des commissions pour leur collaboration bonne et constructive dans l’intérêt de l’Association, • tous les membres et participants pour leur soutien et intérêt envers les activités de l’Association, • le secrétariat à Baden qui se charge tout au long de l’année des divers travaux de rédaction et activités de l’Association. En plus du directeur Roger Pfammatter, il s’agit des personnes suivantes: Sonja Ramer, pour le secrétariat de l’Association et l’assistance du directeur; Michel Piot, comme expert dans le domaine énergétique; Doris Hüsser, pour la comptabilité et les ressources humaines; et Mathias Mäder, pour la production et l’administration des annonces de la revue « Eau énergie air». Le président clôt la 109ème assemblée gé­ nérale annuelle de l’ASAE, et invite à un apéritif et un dîner au Gasthof Sternen – la plus ancienne auberge de Suisse. Procès-verbal: Sonja Ramer

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Informationen aus der Wasser- und Energiewirtschaft

Politik Runder Tisch zur Wasserkraft Auf Einladung von Bundespräsidentin Simo­netta Sommaruga haben sich am Diens­tag, 18. August 2020, in Bern Vertre­ terinnen und Vertreter wichtiger Akteure im Bereich der Wasserkraft zu einem runden Tisch getroffen. Im Zentrum des Ge­ sprächs stand ein gemeinsames Grund­ verständnis für die Herausforderungen der Wasserkraft vor dem Hintergrund der En­ er­giestrategie 2050, des Klimaziels netto null, der Versorgungs­sicher­heit und des Er­halts der Biodiversität zu entwickeln. Die gesetzlichen Rahmenbe­dingungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien sollen mit der Änderung des Energiege­ setzes, dessen Vernehmlassung im Sommer endete, weiter verbessert werden. Für die Entwicklung der Wasserkraft braucht es aber auch das Engagement und eine Grund­ akzeptanz der verschiedenen Akteure. Zur Vorbereitung eines weiteren runden Tisches, der im Januar 2021 stattfinden soll, wurde eine Begleitgruppe mit Vertretern der Energiebranche, der Kantone und der Um­ weltorganisationen eingesetzt. Die Begleit­ gruppe soll in der Zwischenzeit eine Liste möglicher Neu- und Erweiterungsprojekte und Kriterien / Aspekte, nach denen die Projekte bewertet werden sollen, erarbei­ ten. Bei der Auswahl der Projekte sollen die energiewirtschaftlichen und ökolo­gi­ schen Aspekte betrachtet werden. Es wird auf grössere Projekte fokussiert, vor allem auf Speicherkraftwerke, welche die Ver­ sor­gungssicherheit im Winter unterstützen. Die Versorgungssicherheit soll mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Öko­ logie und den Landschaftsschutz erreicht werden. Als Grössenordnung für den Aus­ bau der Speicherproduktion werden rund 2 TWh Winterstrom bis ins Jahr 2040 angestrebt. (BFE)

Energiewirtschaft 66 Prozent des Stroms aus Schweizer Steckdosen stammten 2019 aus Grosswasserkraft Die Daten zum Schweizer Stromliefermix (Strommix ab Steckdose) werden jährlich erhoben und auf stromkennzeichnung.ch im Stromkennzeichnungs-Cockpit veröf­ fentlicht. Die im September 2020 publizierten Daten geben Aufschluss über die Stromlieferungen 2019. Für die Strom­kenn­ zeichnung gilt seit 2018 die Pflicht zur Voll­ deklaration. Dies bedeutet, dass Strom un­­bekannter Herkunft, sogenannter Grau­ strom, nur noch in Ausnahmefällen und bis zum Lieferjahr 2020 zulässig ist. Die gelieferte Wasserkraft wurde wie im Vorjahr zu 76 % in der Schweiz produziert. Auch beim Produktionsmix steht die Wasserkraft an der Spitze In der Schweiz wird Strom zu 56,4 % aus Wasserkraft, zu 35,2 % aus Kernkraft, zu 2,6 % aus fossilen und zu knapp 6 % aus neuen erneuerbaren Energien produziert (= Schweizer Produktionsmix 2019). An die Schweizer Steckdosen wird aber nicht nur Strom aus Schweizer Produktion geliefert: Es herrscht ein reger Handel mit dem Aus­

land, bei dem Strom exportiert und impor­ tiert wird. Deshalb stimmt der Schweizer Produktionsmix nicht mit der durchschnitt­ lichen Zusammensetzung des gelieferten Stroms (= Schweizer Liefermix) überein. (BFE)

Wasserkraftnutzung Neue Konzession Wasserkraftwerk Gösgen ist in Kraft Die Konzession des Alpiq-Wasserkraft­ werks Gösgen und des Stauwehrs Winz­ nau läuft noch bis 2027. Weil beim Stau­ wehr Winznau umfassende Sanierungen notwendig sind, nahmen die Kantone Solo­ thurn und Aargau als Konzessionsgeber so­ wie die heutige Konzessionsnehmerin Alpiq Hydro Aare AG Verhandlungen für eine vor­ zeitige Konzessionserneuerung auf. Diese Bemühungen konnten nun abgeschlossen werden: Die zuständigen Re­gie­rungsräte Roland Fürst (Kanton Solo­ thurn) und Stephan Attiger (Kanton Aargau) haben am Mittwoch, 23. September 2020, in Nieder­ gösgen die Konzession offiziell und rückwirkend per 1. Januar 2020 in Kraft ge­setzt. Dieser Inkraftsetzung vor­aus­ge­gan­­gen war die offizielle Annahme der Kon­­zes­­­sion durch die Vertreter der Alpiq Hydro Aare,

Wasserkraftwerk Gösgen (Bild: Alpiq).

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

289

Nachrichten

Nachrichten


Nachrichten

Ver­waltungsrats­präsi­dent Walter Strau­mann und Geschäfts­führer Thomas Fürst. «Die Förderung und Sicherung einheimischer erneuerbarer und damit res­ sourcenschonender Stromerzeugung durch Wasserkraft ist von grosser Bedeutung», führte der Solothurner Bau- und Justiz­ direktor Roland Fürst anlässlich der Kon­ zessionsunterzeichnung aus. «Wir freuen uns deshalb sehr, dass im Wasser­kraft­werk Gösgen dank der Konzessionser­neu­erung und dank den Investitionen der Alpiq auch die nächsten 70 Jahre umweltfreundlich Strom produziert werden kann.» «Für unsere Sicherheit in der Versor­ gung mit Elektrizität spielt die Wasserkraft eine zentrale Rolle», sagte Regierungsrat Stephan Attiger. «Dazu sind hohe, langfristig ange­legte Investitionen notwendig. Der Kanton Aargau dankt Alpiq für ihren unterneh­me­rischen Entscheid für den Er­ halt der Was­serkraft», so Attiger. Die neue Konzession gilt für 70 Jahre, also bis Ende 2089. Damit wird das Was­ serkraftwerk Gösgen auch in den nächsten Jahrzehnten einen wichtigen Beitrag zur umweltschonenden und klimafreundlichen Stromproduktion und zur Versor­gungs­si­ cher­heit in der Schweiz leisten. Michael Wider, Mitglied der Geschäfts­lei­tung von Alpiq und Leiter des Geschäfts­bereichs Ge­ neration Switzerland betonte im Rahmen der Inkraftsetzung in Nieder­gösgen die Bedeu­ tung dieses Schritts für Alpiq: «Die beispiel­ hafte und wegwei­sen­de Neukon­zes­sio­nie­ rung für das Wasserkraftwerk Gösgen und die Fortsetzung der Partner­schaft mit den Kan­tonen Solothurn und Aargau bedeutet für uns einen Meilenstein. Wir sind stolz darauf, das 1917 in Gösgen begonne Pionier­ ­pro­jekt weitere 70 Jahre fortzusetzen.» Insgesamt investiert Alpiq in den nächs­ ten Jahren beim Wasserkraftwerk Gösgen mehr als 63 Mio. Schweizer Franken in die klimafreundliche Stromproduktion aus Was­serkraft. Darin inbegriffen sind rund 12 Mio. Schweizer Franken für insgesamt 21 Kompensations- und Ausgleichsmass­ nahmen. Mit der Umsetzung dieser Mass­ nahmen ist die Umweltbilanz der Wasser­ kraft­nutzung beim Wasserkraftwerk Gösgen im Sinne des Natur- und Heimatschutz­ge­ setzes deutlich verbessert. So wird beispielsweise die Fischwanderung dank mehr Wasserabgabe in die revitalisierte alte Aare, einem neuen Umgehungsgewässer für Fische beim Maschinenhaus in Nieder­gös­ gen und der rückgebauten Bally­schwelle ökologisch vorbildlich verbessert. Das Wasserkraftwerk Gösgen wurde zwischen 1913 und 1917 erbaut. Zwischen 1996 und 2000 wurde das Maschinenhaus 290

komplett umgebaut. Die mittlere Jahres­ produktion des grössten Laufwasserkraft­ werks an der Aare beträgt 300 Millionen kWh, was dem durchschnittlichen Jahres­ verbrauch von rund 75 000 Haushalten ent­spricht. Das Kraftwerk nutzt dazu das Gefälle der Aare über eine Strecke von rund 14,5 Kilometern – von der Aarebrücke bei Aarburg bis 250 Meter oberhalb der Strassenbrücke bei Schönenwerd. 93 % dieser Strecke befinden sich auf Solo­ thurner Kantonsgebiet, 7 % auf Gebiet des Kantons Aargau. Entsprechend verteilen sich die Anteile der beiden Kantone an den Einnahmen durch die Konzes­sions­ vergabe. (Alpiq) Gemeinschaftskraftwerk Inn: Fertigstellung der Gründungs­ arbeiten und der Baugruben­ umschliessung Auf der orografisch rechten Seite des Wehrs in Ovella im Grenzgebiet zwischen der Schweiz und Österreich am Inn kommt das Einlaufbauwerk zu liegen, durch welches das Wasser anschliessend in den 23 km langen Stollen in Richtung Prutz fliessen wird. Gleichenorts werden zudem das Dotierkraftwerk und die Fischwanderhilfe erstellt. Zur Sicherung dieses Baubereichs und zur Verankerung des Bauwerks auf der Felslinie wurden innerhalb der letzten Monate insgesamt 233 Bohrpfähle erstellt und Säulen im Düsenstrahlverfahren hergestellt. Diese Arbeiten konnten abge­ schlos­sen werden, woraufhin im Septem­ ber mit den Aushubarbeiten gestartet werden konnte. Die ersten Betonierarbeiten der rechten Wehrhälfte sind für Dezember 2020 vorgesehen.

Ersatz Staumauer Spitallamm im Grimselgebiet

Ersatz Staumauer Spitallamm (Bild: KWO). Die zweite Bausaison in der engen Schlucht unterhalb der ca. 90-jährigen Spitallamm­ sperre neigt sich erfolgreich dem Ende ent­gegen. Am 15. Oktober 2020 konnte der wichtige Meilenstein mit dem Abschluss des Aushubs an den Flanken und am Fun­ da­ment erreicht werden. Bereits vorher wurde das Kieswerk an der Gerstenegg und das Betonwerk am Fusse der neuen Staumauer in Betrieb genommen.

Baustelle Staumauer Spitallamm (Bild: SWV).

Gemeinschaftskraftwerk Inn (Bild: GKI). «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


2 x 20-Jahr-Jubiläen der «naturemade star»-Ökofonds von ewz und BKW Die Wasserkraftwerke Höngg von ewz und Aarberg von BKW gehörten vor 20 Jahren zu den ersten Anlagen, die mit dem Güte­ siegel «naturemade star» zertifi­ziert wurden. Damit begann auch die Ge­schichte der «naturemade star»-Öko­fonds. Sowohl von ewz als auch von BKW wurde das Ju­ bi­lä­um gebührend gefeiert. 20 Jahre «naturemade star»-Fonds von ewz – 20 Millionen in die Natur investiert Das ewz-Kraftwerk Höngg wurde vor 20 Jahren als erstes Kleinwasserkraftwerk in der Schweiz mit dem Label naturemade star zertifiziert. Seither ist ewz der grösste Produzent von Ökostrom in der Schweiz und hat schweizweit mehr als 20 Millionen Franken in über 200 Renaturierungs­pro­ jekte investiert. Als eines der ersten Schwei­ zer Energiedienstleistungs­unter­neh­men be­ schloss ewz, mit den eigenen Wasser­kraft­ werken Ökostrom zu produzieren. Des­halb wurde 1999 zusammen mit Um­welt­schutz­ organisationen, Konsumen­ten­ver­bänden und anderen Stromprodu­zen­ten das Label naturmade star ins Leben gerufen – ein Label für erneuerbare und ökologische Energie. Das ewz-Kraftwerk Höngg wurde Anfang 2000 als erstes Klein­wasser­kraft­ werk mit diesem Label zertifiziert. Vier wei­ tere Kraftwerke (Wet­tin­gen, Letten, Lizun und Castasegna) wurden im Laufe der Jahre ebenfalls zertifiziert. Ins­gesamt produziert ewz heute mit diesen Kraftwerken 4000 GWh Ökostrom für rund 170 000 Haus­ halte und ist damit schweizweit der grösste Ökostromproduzent. Jähr­lich 4 Millionen Franken für die Natur «nature­made star»Wasserkraftwerke zeichnen sich durch ei­ nen möglichst umweltschonenden Betrieb

aus. Zusätzlich müssen zertifizierte Wasser­ kraftwerke in einen Fonds für ökologische Aufwer­tungen einzahlen. Pro verkaufte kWh Ökostrom (ewz.pronatur) fliesst ein Rappen in den «naturemade star»-Fonds von ewz. Pro Jahr stehen dem Fonds mittlerweile rund 4 Mil­lionen Franken für die Natur zur Ver­fügung. In den letzten 20 Jahren gab der «naturemade star»-Fonds von ewz über 20 Mil­lio­nen Franken für über 200 ver­schie­dene Aufwertungsmassnahmen aus. Zum Bei­spiel für die Revitalisierungen begradigter Flüsse, für den Bau neuer Am­phibien­wei­her und Fischtreppen oder für soge­nannte In­stream-Massnahmen wie beispielsweise den Einsatz von Wurzel­ stöcken in Fliess­ge­­wässern. Jährlich kommen rund 20 neue Auf­wertungsprojekte hinzu. Alle Projekte, die der «naturemade star»-Fonds von ewz unter­stützt, haben zum Ziel, selten gewordene Lebensräume für unterschiedliche Tiere und Pflanzen aufzuwerten und zu schützen sowie die Biodiversität zur fördern. Einen Überblick zu den vom «nature­made star»-Fonds un­ terstützen Pro­jekte finden Sie auf folgender Internetseite: www.ewz.ch/de/ueberewz/ portrait/engagement/naturemade-starfonds.html. Projektideen gesucht Der Fonds steht allen Personen offen, egal ob Privatpersonen, Umwelt- und Na­tur­ schutzverbänden, Unternehmen, Verei­nen oder Gemeinden. Projektanträge können hier unter «Unterstützung bean­tra­gen» ein­ ­ge­reicht werden: www.ewz.ch/de/ueber­ ewz/portrait/engagement/nature-madestar-fonds.html. Damit ein Projekt durch den Fonds unterstützt werden kann, muss es der Aufwertung eines gewässernahen Le­bens­raums oder der Förderung der Bio­ diversität dienen. 20 Jahre BKW-Ökofonds – 20 Jahre für die Umwelt Was vor 20 Jahren mit der Erstzertifi­zie­ rung des Wasserkraftwerks in Aarberg be­

Limmataue Zürich (Bild: ewz). «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

­ ann, ist eine wahre Erfolgsstory. In zwei g Jahr­ zehnten wurden mit dem BKWÖkofonds in über 250 Projekten im Ge­ wäs­serraum neue Lebensräume geschaf­ fen oder bestehende ökologisch aufge­ wertet. Insge­samt 12,4 Millionen Franken wurden dabei in die heimische Natur investiert – möglich machen dies die Kun­ din­nen und Kunden der BKW mit ihrer Produktwahl. Ein Rappen je verbrauchter Kilowattstunde Strom aus «naturemade star»-zertifizierter Wasserkraft fliesst in den Fonds. Der BKW-Ökofonds hat sein Jubiläum im Oktober 2020 im Berner Seeland gefeiert. Rund 60 geladene Gäste kamen im Bildungszentrum Energie der BKW in Kall­ nach zusammen. Von Stephan Bütler, dem Präsidenten des BKW-Ökofonds, erfuhren sie mehr über die Geschichte des Fonds. Philipp Hänggi, Leiter Produktion und Mit­ glied der Konzernleitung der BKW, erläu­ terte die Bedeutung der Wasserkraft in der Schweiz. Und Michael Gysi, der Vor­ steher des Amts für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern, ging auf die Partnerschaft des Renaturierungsfonds des Kantons Bern und des Ökofonds ein. Nach diesen An­sprachen ging es nach draussen. Die beiden Renaturierungs­pro­ jekte Kallnachkanal und die Gewäs­ser­ landschaft Gauchert zeig­ten den Anwe­ senden anschaulich, wie die vom BKWÖkofonds umgesetzten Pro­jekte die Natur positiv verändern können. Der Geschäftsführer des BKW-Öko­ fonds, Thomas Richli, nutzte die Feier auch für einen Blick nach vorne: «Der Rückhalt, den wir mit dem BKW-Ökofonds genies­sen, ist immens. Das macht uns stolz und ist Antrieb für die kommenden Jahre», sagte er. Im nächsten Jahr werden die beiden Wasserkraftwerke in Kallnach und Hagneck «naturemade star»-zertifi­ ziert. Wie die Was­serkraftwerke in Aarberg und Niederried-Radelfingen liefern sie dann Strom nach höchsten ökologischen Anfor­ derungen.

Renaturierung Spärs am Nidau-Büren-Kanal (Bild: BKW). 291

Nachrichten

Gewässerschutz


Nachrichten

Wasserbau / Hochwasserschutz Kandersteg bereitet sich auf Abbruch am Spitzen Stein vor Seit zwei Jahren werden am Spitzen Stein an der Nordflanke des Doldenhorns grössere Verschiebungen festgestellt. Die obe­ re Hälf­te des Spitzen Steins ist am 20. De­ zem­ber 2019 abgebrochen. Es werden aber noch weitere Abbrüche bis zu 20 Mio. m3 er­wartet, die in Richtung Oeschinensee und anschliessend über Sekundärprozes­se durch den Öschibach in Richtung Kander­­ steg verheerende Auswirkungen haben könn­ten. Deshalb wurden im Jahr 2020 auf beiden Seiten des Bachs je 3 m hohe Däm­ me geschüttet, um das Geschiebe vor dem Dorf zu kanalisieren. Informatio­nen zum Rückblick über die Ereignisse im Jahr 2020 und zu einem Ausblick auf das Jahr 2021 finden sich unter gemeindekandersteg.ch.

Schutzdamm am Oeschibach (Bild: SWV).

Verbandsmitteilungen Benjamin Roduit neuer Präsident von Swiss Small Hydro

An der Generalversammlung des Schwei­ zerischen Verbands für Kleinwasserkraft (Swiss Small Hydro) am 10. Oktober 2020 wurde Benjamin Roduit als Nachfolger von Jakob Büchler gewählt. Der Vorstand 292

dankte Jakob Büchler für seine 8-jährige Amtszeit für Swiss Small Hydro und seine engagierte Unterstützung des Verbandes. Der neu gewählte Präsident Benjamin Roduit aus dem Wallis wird durch seinen direkten Zugang zu wichtigen Wasser­ kraft­akteuren im Wallis sowie durch seine Funktion als Nationalrat dem Verband neue Möglichkeiten eröffnen. Ursprünglich war sein Amtsantritt bereits für Mai 2020 geplant, musste jedoch aufgrund von Covid-19 verschoben werden. Der lei­den­ ­schaftliche Marathonläufer und Bergsteiger hat sich dadurch nicht aufhalten lassen und seine Arbeit für die Kleinwasserkraft in der Schweiz bereits aufgenommen, indem er begann, weitere Mitglieder anzuwerben, die Kleinwasserkraft in politischen Debatten zu vertreten und sich aktiv bei den Vorstandssitzungen von SSH einzubringen. (SSH) Wasser-Agenda 21 veröffentlicht Standortbestimmung zur Schweizer Wasserwirtschaft Der Klimawandel, die gesellschaftlichen Entwicklungen und die ökologischen An­ forderungen stellen die Schweizer Was­ ser­wirtschaft vor neue Herausforde­rungen: Welche sind besonders wichtig, was wird bereits getan, und was bleibt zu tun? Ant­ worten auf diese Fragen gibt eine Stand­ ortbestimmung, die von Wasser-Agenda 21 anlässlich des zehnjährigen Bestehens erarbeitet wurde. Die Standortbestimmung wurde in mehreren Schritten unter Einbezug aller Interessen erarbeitet: Mit einer Umfrage bei mehreren Dutzend Fachleuten wurden die prioritären Herausforderungen der nächs­ ten 20 bis 50 Jahre identifiziert. Im Fokus standen dabei schweizweite Heraus­forde­ rungen, von denen jeweils mehrere Sekto­ ren betroffen sind. In einem Workshop wur­ den Ende 2018 die Herausforderungen an­ schliessend kritisch reflektiert und auf ihre Priorität hin beurteilt. Die Ergebnisse des Workshops wurden anschliessend wei­ter verdichtet und in einem Artikel in der Zeit­ schrift Aqua & Gas publiziert. Zentrale Herausforderungen und Lösungsansätze Folgende drei Herausforderungen wurden als besonders zentral eingestuft: Der Um­ gang mit den Folgen des Klimawandels, die Entwicklung von Strategien für widerstands­ fähige (resiliente) Gewässer sowie die Wei­ terentwicklung der Wasserkraft im Span­ nungsfeld von Energiestrategie und Ge­ wäs­serschutz. Besonders der Klima­wan­­del

Wasser-Agenda 21 ist ein Forum und Netz­werk der Akteure der Schweizer Wasserwirtschaft. Das seit dem Jahre 2008 bestehende Netzwerk verbindet schweizweit tätige Organisationen aller Sektoren und Interessen. Der Schwei­ zerische Wasserwirtschaftsverband (SWV) ist Gründungsmitglied.

wird alle Sektoren zunehmend beschäf­ti­ gen, denn häufigere Trocken­perio­den, mehr Starkniederschläge, schmelzende Gletscher und steigende Wasser­tem­peraturen betreffen die Trink­wasser­ver­sorgung ebenso wie die Landwirt­schaft, die Wasser­kraft­ nutzung, die Gefahren­prä­vention und die Gewässerökologie. Das «National Centre for Climate Ser­ vi­ces» (NCCS) koordiniert als Netz­werk des Bundes die Erarbeitung von Klima­ dienst­leistungen über alle Sektoren hinweg. Ein Themenschwerpunkt, der sich den Wasserressourcen und ihrer zukünftigen Entwicklung widmet, ist «Hydro-CH2018». Auch viele Kantone, Regionen und Ver­ bände beteiligen sich an der Grundlagen­ erarbeitung und sind entscheidende Ak­ teure bei der Umsetzung von Massnah­men. Angesichts der häufiger auftretenden Wetterextreme ist es umso wichtiger, dass die Gewässer widerstandsfähig reagieren. Auch der Umgang mit kombinierten Ver­ änderungen (sog. «Multistressoren») wie veränderte Temperaturen, Abflüsse und Schadstoffmengen ist sowohl in der For­ schung wie in der Umsetzung komplex. Die Entwicklung resilienter Gewässer kann daher zu einem neuen Leitziel werden, zu dem alle Sektoren der Wasserwirtschaft ih­ ren Beitrag leisten können. Diesem Schwer­ punkt wird sich auch Wasser-Agenda 21 in den nächsten Jahren annehmen. Rolle von Wasser-Agenda 21 Die Standortbestimmung zeigt, dass einige Herausforderungen der nächsten Jahr­ zehnte bereits auf dem Radar vieler Ak­ teure der Wasserwirtschaft sind. Zugleich besteht aber ein Bedürfnis, die Akteure von der Forschung bis zur Praxis und über alle Sektoren hinweg noch besser zu vernetzen. Hier sieht Wasser-Agenda 21 auch künftig ihren Auftrag als Netzwerk. Zu­ gleich wird Wasser-Agenda 21 weiterhin mit gezielten Aktivitäten wie beispielsweise Fachtagungen ihre Vordenkerrolle wahrnehmen. Dabei wird auch ein Fokus auf die Folgen des Klimawandels gelegt. Weitere Informationen und Artikel in Aqua & Gas: wa21.ch

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


KOHS-Weiterbildungskurs 5. Serie, 6. Kurs Vorausschauende Entwicklung von Wasserbauprojekten Dienstag / Mittwoch, 25. /26. Mai 2021, Gais, Appenzell Ausserhoden Die Kommission Hochwasserschutz (KOHS) des SWV führt zusammen mit dem Bun­des­ amt für Umwelt (BAFU) diese fünfte Serie der erfolgreichen wasserbaulichen Weiter­ bildungskurse durch. Zielpublikum Der Kurs richtet sich an aktive oder künftige Verantwortliche von wasserbaulichen Gesamtprojekten.

Für die Details siehe das Kursprogramm auf der Webseite: www.swv.ch Sprache Der Kurs wird auf Deutsch durchgeführt. Kursunterlagen Die Kursunterlagen, bestehend aus Skript und Handout der Folien, werden zu Beginn des Kurses allen Teilnehmenden verteilt. Kosten Für Mitglieder des SWV gelten vergüns­tig­te Tarife: • Mitglieder SWV: 650.– • Nichtmitglieder SWV: 750.– inkl. Kursunterlagen, Verpflegung 1. Tag Mit­tag und Abend sowie 2. Tag Mittag und Pausenkaffee, Transporte für die Exkur­sion; exkl. 7,7 % MwSt. und allfällige Über­nach­ tungskosten, Preise in CHF. Anmeldung Ab sofort über die Webseite des SWV: www.swv.ch. Die Zahl der Teilnehmenden ist auf 28 Personen limitiert; Berücksich­ti­ gung nach Eingang der Anmeldungen.

Zielsetzung, Inhalt Der praxisorientierte, zweitägige Kurs soll einen fundierten Einblick in die verschie­ de­nen Aspekte der Entwicklung von Was­ serbauprojekten geben und dabei auch Verständnis für die heute notwendige Inter­ disziplinarität schaffen. Die Teil­neh­men­ den wissen nach dem Kurs, wie man ein zukunftsfähiges Wasserbauprojekt entwickelt und haben dazu verschiedene Werk­ zeuge praxisnah kennengelernt. Zudem haben sie die Gelegenheit, sich an Work­ shops und der Exkursion mit ausgewie­ senen Fachleuten auszutauschen. Aus dem Inhalt 1. Tag: • Einführung und Übersicht • Erfolgsfaktoren für den Projektstart • Umfeld und Randbedingungen von Wasserbauprojekten • Workshop: Risikobasierte Planung von Wasserbauprojekten 2. Tag • Ökologische Ansprüche • Erhaltungsmanagement • Gewässerunterhalt und Instand­haltung von Schutzbauten im Alltag • Besichtigung eines konkreten Wasser­ bauprojekts in der Region

KOHS-Tagung 2021 / Symposium CIPC 2021 Schutzkonzepte und ihre Bauten am Lebensende – was nun? / Concepts de protection et leurs ouvrages en fin de vie – et ensuite ? Donnerstag / Freitag, 24. / 25. Juni 2021, Konzepthalle 6, Thun (CH) / Jeudi / vendredi, 24 / 25 juin 2021, Konzepthalle 6, Thoune (CH)

Die jährlich von der Kommission Hoch­was­ serschutz (KOHS) des SWV organi­sier­te Tagung ist 2021 dem Thema «Schutz­kon­ zepte und ihre Bauten am Lebens­ende –

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

was nun?» gewidmet. Hochwasser­schutz­ bauten haben in der Vergangenheit Men­ schen und Sachwerte oft erfolgreich vor Schäden bewahrt. Manche Schutzkon­zep­ te und ihre Bauten sind in der Zwischen­zeit aber in die Jahre gekommen. An der Ta­ gung werden aktuelle Erkenntnisse aus Forschung und Praxis vorgestellt. / Le sym­ posium annuel de la Commission pour la protection contre les crues (CIPC) de l’ASAE sera consacrée en 2020 au thème de la «Concepts de protection et leurs ouvrages en fin de vie – et ensuite ?». Les ouvrages de protection contre les crues ont bien souvent permis de protéger les personnes et les biens contre les dommages. Cependant, certains concepts de protection et leurs ouvrages sont devenus obsolètes entretemps. Le symposium présentera les ré­ sultats actuels de la recherche et de la pratique. Zielpublikum / Publique cible Angesprochen werden Wasserbauer und weitere mit Hochwasserschutz beschäftigte Fachleute aus Privatwirtschaft, Ver­ wal­tung und Forschung. Die Tagung ist immer auch ein ausgezeichneter Treff­punkt der Fachwelt. / Le symposium est destiné aux ingénieurs et aux spécialistes des aména­ gements des cours d’eau. La journée est d’ailleurs toujours une excellente opportu­ nité d’échange entre les professionnels. Inhalt, Sprache / But, Langues Das detaillierte Tagungsprogramm ist diesem Heft als Flyer beigelegt bzw. kann der Webseite entnommen werden. Die Vorträge werden in Deutsch und Französisch gehalten mit Parallelprojektion der Folien in beiden Sprachen. / Pour les détails voir le programme adjoint dans la présente revue ou sur le site web. Les conférences seront présentées en allemand ou français avec projection simultané des slides dans les deux langues. Kosten / Frais Für Einzelmitglieder und Vertreter von Kol­ lektivmitgliedern des SWV gelten vergüns­ tigte Tarife / Membres de l’ASAE profitent des tarifs préférentiels: • Mitglieder / Membres: 330.– (Exkursion / Excursion 150.–) • Nichtmitglieder / Non-membres: 420.– (Exkursion / Excursion 190.–) • Studierende / Etudiants: 180.– (Exkursion / Excursion 90.–) zzgl. MwSt., in CHF / hors TVA, Prix en CHF. Anmeldung / Inscription www.swv.ch. 293

Nachrichten

Veranstaltungen


Nachrichten

Agenda 25. / 26.5.2021, Gais / AR KOHS-Weiterbildungskurs Wasserbau 5.6: Vorausschauende Entwicklung von Wasserbauprojekten (d) Kommission KOHS des SWV mit BAFU www.swv.ch

Publikationen Der Energiepapst – Wirken, Werk und Werte von Michael Kohn

15. – 17.6.2021, Zürich / ZH Powertage 2021: Ausstellungen und Foren zur Schweizer Strom­ wirtschaft (d / f) VSE, Electrosuisse, SWV, BFE www.powertage.ch 24. / 25.6.2021, Thun / BE KOHS-Wasserbautagung 2021: Umgang mit alternden Schutz­ systemen und -bauten (d / f) Kommission KOHS des SWV www.swv.ch 26.8.2021, Brig / VS Schwebstoffe, hydro-abrasiver Verschleiss und Wirkungsgrad­ änderungen an Pelton-Turbinen VAW der ETH Zürich und CC FMHM der Hochschule Luzern vaw.ethz.ch/veranstaltungen/ veranstaltungen.html 2. / 3.9.2021, Airolo / TI SWV-Wasserwirtschaftstagung mit 110. Hauptversammlung: Wasserkraft für die Versorgungssicherheit mit Exkursion Ritom (d) SWV www.swv.ch 15 – 17.9.2021, Zürich / ZH VAW-Wasserbausymposium 2021: Was­ser­bau in Zeiten von Energie­wende, Gewässerschutz und Klimawandel (d) VAW-ETH Zürich mit Unterstützung SWV www.swv.ch 28. / 29.10.2021, Serpiano / TI KOHS-Weiterbildungskurs Wasserbau 5.5: Vorausschauende Entwicklung von Wasserbauprojekten (i) Kommission KOHS des SWV mit BAFU www.swv.ch 10.11.2021, Olten / SO Hydrosuisse-Fachtagung Wasserkraft 2021: Bau, Betrieb und Instandhaltung von Wasserkraftwerken (d/f) Kommission Hydrosuisse des SWV www.swv.ch 294

erlebte er die Feindseligkeiten der auf­ kom­­menden Atomgegner. Als Vater der «Ge­samt­­energiekonzeption» avancierte er schliesslich zum Energiepapst – eine Rolle, die er sichtlich genoss. Nach seiner Wirtschaftskarriere engagierte er sich für die jüdische Gemein­ schaft in der Schweiz. Als Präsident des «Israelitischen Gemeindebundes» (SIG) versuchte er vier Jahre lang, die oft zerstrittene jüdische Gemeinschaft für ein prag­matisches Miteinander zu gewinnen. Als in den späten 1990er-Jahren wegen der nachrichtenlosen Vermögen der Streit zwischen den USA und der Schweiz eska­ lier­te, engagierte sich Kohn erneut auf höchs­ter Ebene: er versuchte den aggressiv auftretenden Amerikanern den schweizerischen Standpunkt klar zu machen. Karl Lüönds Biographie widerspiegelt nicht nur Kohns Leben, sondern fünf Jahr­ zehnte Schweizer Geschichte. Antiochia – Wasser im Überfluss. 1500 Jahre Wasserbau zwischen Klimaoptimum und Kleiner Eiszeit

Publikation: Karl Lüönd: Der Energie­ papst. Wirken, Werk und Werte von Michael Kohn, Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik, Band 117, hrsg. vom Verein für wirtschaftshistorische Studien, Zürich 2020; 128 Seiten, 43 Bilder, 31 Franken, pioniere.ch//produkt/band-117/h Beschrieb: Die neuste Biographie in der Reihe «Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik» – geschrieben von Karl Lüönd Zürich. – Er war einer der profiliertesten Ex­ ponenten der Schweizer Wirtschaft: Wie kein anderer stand Michael Kohn (1925 – 2018) für die Atomenergie. Die Kernkraft­ werke Kaiseraugst und Gösgen sind unzertrennlich mit seinem Namen verbunden – als grösste Niederlage und als grösster Er­folg seiner Karriere. Der erfahrene Autor Karl Lüönd hat über den Sohn jüdischer Einwanderer eine faszinierende Biogra­ phie verfasst und recherchierte damit ein Stück aufregender Wirtschafts- und Gesell­ schaftsgeschichte der Schweiz. Michael Kohn erlebte den Antisemitis­ mus und die Ungewissheit der 1930er-Jahre und des Zweiten Weltkrieges. Als studierter Bauingenieur beteiligte er sich an den letzten grossen Wasserkraftwerken in den Alpen – in Zervreila und Emosson – und ging für das israelische Wasserbauprojekt in den nahöstlichen Wüstensand. Dann stieg er auf in die Chefetagen von Grosskonzernen wie Motor-Columbus, Atel oder Alusuisse. An vorderster Front beteiligte er sich an der Energiewende von Wasserkraft zu Atomstrom. Und hautnah

Publikation: 2020; Autor: Dr. Mathias Döring; 19 x 27 cm, 272 Seiten, 322 Abb., ISBN 978-39815362-4-9, Bezug: parmenios@t-online.de Beschrieb: Die jüngste Publikation von Mathias Döring, Prof. für Wasserbau und Geo­technik, befasst sich mit antiken Was­ ser­bauten des römischen Antiochia am Oron­tes, dem heutigen Antakya / Türkei, eine der vier grossen Metropolen des Rö­ mi­schen Reichs. Der Historiker Libanios berichtet im 4. Jh. vom «Überfluss an Was­ ser» und einem flächendeckenden Lei­ tungsnetz. Schwer­punkt des Buchs ist die erstmalige Erfassung der wasserbaulichen Infra­struk­tur der antiken Stadt: die Bauge­ schichte von sechs Aquädukten, zwei Tal­

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Landslide-generated Impulse Waves in Reservoirs: Basics and Computation

that time had been identified. In combina­ tion with the authors’ own experiences in ap­plying the manual for hazard assessment studies, these gaps led to the initiation of further research efforts. The main results of these studies have been included in the present new edition. Revised and new topics include, amongst others: slide velocity estimation, 3D impulse wave generation and propagation, overland flow, water body geometries between 2D and 3D and edge waves. Furthermore, additional examples were included and the computational tool has been revised. The preparation and publication of the manual’s second edition was again kindly supported by the Dam Research Program of the Swiss Federal Office of Energy (SFOE / BFE). Eco-morphodynamic Modelling for Gravel Bed Rivers

Publikation: 2019; Autoren: Frederic M. Evers, Valentin Heller, Helge Fuchs, Willi H. Hager and Robert M. Boes.; Herausgeber: Prof. Dr. Robert Boes, VAW – ETH Zürich, VAW-Mitteilung 254, A5-Format, 140 Seiten, kos­tenloser Download unter: https://vaw. ethz.ch/das-institut/publikationen/vawmitteilungen.html Beschrieb: Ten years have passed since the first edition of «Landslide-generated Impulse Waves in Reservoirs – Basics and Computation» was published. During this period, this so-called impulse wave manual has been widely applied by dam operators, engineering companies, dam safety agencies and research institutes around the world. In addition to an improved emer­ gency planning for existing reservoirs, the manual’s computational procedure proved to be an inexpensive method to obtain a first indication of an impulse wave event’s magnitude during the preliminary design phase of new reservoir projects. If a poten­ tial impulse wave risk is identified at an early stage of the design process, more extensive and prototype-specific methods including physical hydraulic modelling and numerical simulations can be conducted to develop mitigation measures. Moreover, in imminent emergency situations, the com­ plementary spreadsheet-based computational tool allowed for ad-hoc wave height and run-up estimations in quasi no time. Besides the presentation of a coherent computational procedure, one of the first edition’s main objectives was to provide practitioners with an overview of the state-of-the-art in impulse wave research. As a result, also research gaps existing at

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

Publikation: 2020; Autor: Francesco Caponi; Herausgeber: Prof. Dr. Robert Boes, VAW – ETH Zürich, VAW-Mitteilung 256, A5-Format, 118 Seiten, kostenloser Download un­ter: www.vaw.ethz.ch/das-in­ stitut/vaw-mitteilungen.html Beschrieb: Anthropogenic impact has led to the deterioration of rivers and natural watercourses. As a result, river morphology and aquatic habitats for flora and fauna commonly develop towards a less natural state. Water protection legislation demands measures to counter these phenomena, and, where possible, to give more space to rivers to develop a more natural planform. In gravel-bed rivers, which are common in Alpine regions and temperate environments, with increasing river width banks and bars tend to form on which vegetation will grow unless disturbed by na295

Nachrichten

sperren sowie des Übersee- und Marine­ hafens Seleukia Pieria. Mit der Tektonik der nördlichen Levante und der Lage der Stadt auf einem Aus­läu­ fer des afrikanischen Rift-Valleys kommen die verheerenden Erdbeben mit Einfluss auf die Stadtentwicklung zur Sprache. Vier Überlauf- und eine artesische Quelle mit extrem hartem Wasser und Schüttun­gen von bis zu 2,5 m³/s sicherten den Was­ser­reichtum der Stadt. Die Sin­ter­ bildung und ihre Abhängigkeit von tektoni­ schen, vulkanischen und klimatischen Vor­ gängen werden anhand von Druckver­än­de­ rungen der artesischen Quelle erklärt so­ wie der Ein­fluss auf die Aquädukte, insbe­ sondere die Veränderungen von Rauheit und Gerinne­geometrie bei Normalabfluss, Rückstau und instationären Verhältnissen. Die ungewöhnliche Sinterbildung lässt sich anhand der grössten der zehn Aquädukt­ brücken zeigen, die nach dem Zerfall ihres Ziegel­mauerwerks unter der leeren Sinter­ hülle als Negativabdruck erhalten blieben. Bei der Vorstellung der sechs Aquädukte und ihrer Bauwerke, darunter zwei Drucklei­ tungen, eine Kaskade und bis zu 1,5 km lange Tunnel, wird Wert auf statische und betriebliche Aspekte gelegt. Anhand der Quellschüttungen, der Abflussleistung der Aquädukte und der Bevölkerungsent­wick­ lung der Stadt, die im 4. – 5. Jh. ca. 400 000 Einwohner erreichte, liess sich eine Was­ ser­bilanz aufstellen. In konstruktiver Hin­ sicht spielte der Einfluss ungleicher Bogen­ spann­weiten von Keilsteinbrücken mit asym­ me­trischer Belastung der Pfeiler eine Rolle. Nach einer Einführung in den römischen Talsperrenbau wird am Beispiel des «Eisernen Tores», einer Bogenstaumauer aus dem 6. Jh., das statische Konzept vorgestellt. Sie ist die einzige erhaltene Tal­ sperre dieser Bauart der Antike, die als ak­ tives Denkmal seit 1450 Jahren einen Be­ zirk von Antiochia vor Hochwasser schützt. Ein weiteres Unikat ist die Hochwas­ ser­umleitung am Hafen in Seleukia Pieria, in dem ein Wildbach Geschiebe ablagerte. Mit einer Gewichtsmauer wurde der Bach im 1. Jh. n. Chr. aufgestaut und durch ein teil­weise unterirdisches Kanalsystem direkt ins Meer abgeleitet. Die 7 x 7 m grossen Tunnel mit bis zu 50 m tiefen Einschnitten im massiven Fels machen den Kanal zu ei­ nem Bauwerk, das seinesgleichen suchte. Es folgen Überlegungen zu Massnahmen, mit denen man in der Antike der küstenpa­ rallelen Sanddrift zu begegnen versuchte, um nur einen Teil der Inhalte zu nennen. Das Buch wendet sich an Fachleute und Interessierte aus den Bereichen Was­ serbau, Geotechnik und Archäologie.


Nachrichten

tural events like floods. If uprooted during floods, the vegetation may produce a considerable amount of woody debris that might endanger flood protection if critical cross sections such as bridges and weirs are blocked. In general, river morphology is highly affected by the interaction of vegetation, sediment transport and water flow. This research project conducted by Dr. Caponi deals with an analytical and nu­ merical investigation of these interactions, also known as eco-morphodynamic modelling. Mr. Caponi quantified the key underlying processes of the coevolution of vegetation and river morphology, which have so far been mostly described in a qualitative way, by developing modelling approaches able to identify and disentangle them. He found, amongst others, that the uprooting, i. e., the mechanism by which plants are removed by flow erosion, is fundamental for describing river ecomorphodynamics, and that the effect of different root characteristics depends on the balance between root anchoring resistance and the erosion potential of the flow.

Zeitschriften «WasserWirtschaft» Themen der Ausgabe 11 / 2020 • Orkan Akpinar: Pumpspeicher  – Eine aussterbende Spezies? • Carmen Exner: Nutzung von Bat­terie­ speichern im Rahmen der Netzampel • Hartmut Drosch: Gastransportnetze als Partner der Energiewende – Herausforderungen und Potenziale • Thorsten Attendorn: Aufwertung der Wasserkraft bei wasserrechtlichen Abwägungsentscheidungen • Veit Blauhut, Giuliana Falasca und Kerstin Stahl: Dürre und die öffentliche Wasserversorgung in BadenWürttem­berg: Folgen, Umgang und Wahrnehmung «WasserWirtschaft» Themen der Ausgabe 12 / 2020 • Claudia Berger: Verluste und Aus­ legung von Schrägrechen anhand ethohydraulischer Studien • Guntram Ebel: Aktueller Kenntnisstand zur biologischen Wirksamkeit von Leitrechen-Bypass-Systemen • Elena-Maria Klopries und Holger Schüttrumpf: Verbesserung des Prozessverständnisses der Kraft­ 296

werkspassage von Aalen durch neuartige Ansätze • Franz Geiger, Mathilde Cuchet und Peter Rutschmann: Zur Berechnung der Schädigungsraten von Fischen bei der Turbinenpassage • Franz Geiger, Mathilde Cuchet und Peter Rutschmann: Zur Verringerung von Fischschäden in Turbinen mittels Verhaltensbeeinflussung «ÖWAW» Themen der Ausgabe 5 – 6 / 2020 • Brandl A., Käfer S., Fillitz B., Pinter G., Laaha G., Mader H.: Relevanz von Schlüsselreizen, im Besonderen Licht und Akustik, zur Auffindbarkeit von Fischaufstiegen • Heine E., Golja M., Habersack H., Hauer C.: Reflexionsseismische Messungen in Fließgewässern und Stauräumen • Schmidt M. B., Schletterer M.: Hydroakustik zur Analyse von Fisch­ beständen und Fischverhalten – Fall­ studien aus Österreich • Zauner G., Lauber W., Jung M., Ratschan C., Schöfbenker M., Schmalfuß R.: Wie erreicht man das «gute ökologische Potenzial»? Fall­bei­ spiel Innstauraum Egglfing-Obernberg • Gruber G., Pichler M., Hofer T., Maier R., Clara M.: Die Beprobung von Jahres­schmutzfrachten in einem Mischwasser- und einem Nieder­ schlagswasserkanal bei Regenwetter • Nordbeck R., Clar C., Fuchs S., Löschner L., Papathoma-Köhle M., Thaler T., Fischer T.: Die Bedeutung des demografischen Wandels für das österreichische Hochwasserrisiko­ management

• Peßenteiner S., Gegenleithner S., Kamp N., Krenn P.: Modellierung vergangener und zukünftiger Abflüsse und Sedimentfrachten mit freier Software – Einblicke am Beispiel des Schöttlbach (Niedere Tauern) • Krebs G.: Niederschlags-AbflussModellierung im urbanen Raum • Staudacher E., Zenz G.: Stand­ sicherheitsnachweise von Ge­ wichtsstaumauern mit CADAM2D • Ernst H.-P., Bauhofer P., Akpinar O., Goekler G.: AGAW-Studie «Wasser­ kraft und Flexibilität» «Kleinwasserkraft» Themen der Ausgabe 2/2020 • Sämi Zgraggen: Energieautonomes Wohnen «Am Aawasser» – Pionierrolle einer Überbauung für die Energie­ wende • Elektrizitätswerk Altdorf AG EWA – energieUri: Kraftwerk Bristen im BLN-Schutzgebiet – Pionieranlage in vielerlei Hinsicht • Martin Bölli: Revision Wasserrechts­ gesetz – Wirres Hüst und Hott • Martin Bölli: Neuorganisation der Geschäftsstelle – Bewährte Leute für gewohnte Qualität • Dr. Hedi Feibel: Erwiderung in «Wasser Energie Luft» – ... zum Artikel «Kleine Anlage – kleiner Eingriff? Aus­wir­ kungen von Kleinwasserkraftwerken auf Fliessgewässer» • Martin Bölli: Neue Rahmenbe­ dingungen für die Kleinwasserkraft – «Energiestrategie: Bremsen lösen und konsequent umsetzen» • Martin Bölli: ABB entwickelt Brenn­ stoffzellen-Antrieb für Schiffe – Ab­ sichtserklärung von ABB und Hydro­ gène de France

«ÖWAW» Themen der Ausgabe 7 – 8 / 2020 • Gegenleithner S., Dorfmann C., Schneider J.: Hydronumerische Modellierung mittels frei verfügbarer Software; ein kurzer Überblick • Vetsch D., Bürgler M., Gerke E., Kam­merer S., Vanzo D., Boes R.: BASEMENT – Softwareumgebung zur numerischen Modellierung der Hydround Morphodynamik in Fließgewässern • Shahriari S., Schneider J., Zenz G.: Selected applications of an opensource three-dimensional computational fluid dynamic code in hydraulic engineering «Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Abdichtungen

Gewässerökologie www.oeplan.ch | 071 722 57 22 | info@oeplan.ch

OePlan

Schweizerische Fachzeitschrift für Wasser­­wirt­schaft.  / Revue suisse spécialisée sur l’aménagement des eaux.

Revitalisierung

an Fliessgewässern und Seeufern Varianten- und Machbarkeitsstudien Ausführungsplanung und Umsetzung

Gegründet 1908. / Fondée 1908 Bis 1930 «Schweizerische Wasser­wirtschaft»; 1931 – 1934 «Schweizerische Wasser- und Energiewirtschaft»; 1935 – 1975 «Wasser- und Energie­wirtschaft»; ab 1975 «Wasser Energie Luft»

Gewässerentwicklung

Entwicklungsziele und Initiierung Unterhaltskonzepte und Pflegepläne Erfolgskontrolle und Monitoring

So nicht ...

Begleitplanungen

Herausgeber / Editeur Schweizerischer Wasserwirtschafts­verband (SWV) / Association suisse pour l’aménagement des eaux (ASAE)

Armaturen

Redaktionsleitung / Direction de la rédaction Andreas Stettler, andreas.stettler@swv.ch Layout, Anzeigen, Redaktion / Mise en page, annonce, rédaction Mathias Mäder, mathias.maeder@swv.ch ISSN 0377-905X

Preise / Prix Jahresabonnement CHF 120.–, zzgl. MwSt.; für das Ausland CHF 140.–; Einzelpreis Heft, CHF 30.–, zzgl. MwSt. und Porto; Erscheint 4 × pro Jahr. / Abonnement annuel CHF 120.–, plus TVA; pour l’étranger CHF 140.–; Prix au numéro: CHF 30.–, plus TVA et frais de port; paraît 4 fois par an. «Wasser Energie Luft» ist offizielles Organ des SWV und seiner Gruppen: / «Eau énergie air» est l’organe officiel de publication de l’ASAE est ses groupes régionaux: Associazione Ticinese di Economia delle Acque (ATEA), Verband Aare-Rheinwerke (VAR), Rheinverband (RhV).

Wir arbeiten in einem interdisziplinären Team aus Kulturingenieuren, Landschaftsarchitekten und Umweltfachleuten. Mit über 30 Jahren Erfahrung bieten wir ihnen kreative und nachhaltige Lösungen.

Gewässerpflege

Ak

Verlag, Administration / Edition, administration SWV, Rütistrasse 3 a, CH-5401 Baden Telefon +41 56 222 50 69, info@swv.ch, www.swv.ch Postcheckkonto Zürich: 80-1846-5 Mehrwertsteuer-Nr.: CHE-115.506.846 Abonnement / Abonnement Das Abonnement ist in der Mitgliedschaft SWV ent­halten. / L’abonnement est compris dans l’affiliation ASAE.

Landschaftsgestaltung Aquatisch, terrestrische Ökologie (UBB, UVB) Boden (Bodenschutzkonzepte, BBB) Naherholung und Besucherlenkung

Branchen-Adressen

Impressum

Bit t

Aber so!

i Präsentieren Sie Ihre Firma einem grossen Fachpublikum zu attraktiven Preisen mit einem Eintrag im «WEL»-Branchenverzeichnis. Kontaktieren Sie mich unter: mathias.maeder@swv.ch oder Telefon 056 222 50 69

taf taucharbeiten ag Südstrasse 21 · CH-3250 Lyss Telefon +41 32 392 73 20 · Fax +41 32 392 73 21 info@taf-taucharbeiten.ch ·www.taf-taucharbeiten.ch

So nicht ...

Die publizierten Beiträge geben die Meinung der jeweiligen Autoren wieder. Diese muss sich nicht mit derjenigen der Redaktion oder der Verbände decken. / Les articles publiés reflètent les avis des auteurs et ne correspondent pas forcément à ceux de la rédaction ou des associations. Druck, Lektorat / Production, Correction Effingermedien AG, CH-5201 Brugg

Aber so!

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

297


Ingenieursdienstleistung

Branchen-Adressen

Gewässervermessung

Stahlwasserbau

Massgeschneiderte Lösungen für Bau und Vermessung

Präzisions-Geodäsie zur Überwachung von Stauanlagen, Druckleitungen und Wasserkraftwerken Spundisstrasse 23 +41 81 286 97 00 7007 Chur schneideringenieure.ch

Hydrografie

Fischwanderhilfen und Revitalisierungen Wir planen und bauen für Sie.

ECHOLOT UND TERRESTRISCHE VERMESSUNG

Rufen Sie uns an: Tel. 081 258 40 50

www.straub.pini.group

erfahren | kompetent | engagiert www.meisser-geo.ch

Inserat_MeisserVermessungen_Echolot_58x65mm.indd 1

28.01.2020 10:40:11

Engineering & Lieferung •  von HSR Entsander (Patent) •  von Sonderkonstruktionen im Stahlwasser- und Maschinenbau

www.stahltec.ch

298

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden


Wasserbau

APR

PIPE SYSTEMS

APR Allpipes Rohrsysteme (Schweiz) AG Bachmatten 9 CH - 4435 Niederdorf Tel.: +41 (0)61 963 00 30 info@apr-schweiz.ch www.apr-schweiz.ch R

Premium Plus Reseller

Hydrokarst Swiss SA Tel. +41 (0)26 673 11 62

Für nachhaltige Arbeiten im, am und unter Wasser. Zuverlässige WasserbauSpezialisten für Ihre auf Beständigkeit ausgelegten Projekte in den Bereichen Bäche und Flüsse, Kraftwerke, Hafenanlagen und Bootspfähle. Referenzobjekte für Rekultivierung, Renaturierung, Revitalisierung, Neophyten, Fischtreppen, Pontons, Sohlrampen und Hochwasserschutz

wsb AG

Im Hard 8 8197 Rafz 043 433 30 03 info@wsbag.ch • wsbag.ch

«Wasser Energie Luft» – 112. Jahrgang, 2020, Heft 4, CH-5401 Baden

299

Branchen-Adressen

Hafenbau und Taucharbeiten

www.hydrokarstswiss.com

Taucharbeiten



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.