4-2011
Totensee/Grimsel, Bild: KWO, Foto R. Bösch
8. Dezember 2011
· Klimawandel und Wasserkraft · Integrales FlussgebietsManagement «Teil 2» · Juragewässerkorrektion · 100. Hauptversammlung SWV
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II
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Editorial Gewinner und Verlierer
Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie
Roger Pfammatter Geschäftsführer SWV, Directeur ASAE
die Zukunft betreffen – dieses unter anderem dem früheren britischen Premierminister Winston Churchill zugeschriebene Zitat passt auch auf den Klimawandel und seine Auswirkungen. Die Unsicherheiten über die voraussichtlichen Veränderungen sind gross und die Zusammenhänge komplex. Klar und augenscheinlich ist eigentlich nur, dass der Wandel stattfindet. Gut zu beobachten ist das beispielsweise am rasant voranschreitenden Abschmelzen unserer Gletscher. Bis Ende des 21. Jahrhunderts werden die Eismassen in der Schweiz voraussichtlich verschwunden sein. Das ergibt nicht nur ein komplett neues Bild unserer Berglandschaft, sondern hat auch weit ernsthaftere Folgen. Die Relevanz des Klimawandels in der Wasserwirtschaft ist vielfältig. Auf der einen Seite weist die Nutzung der Wasserkräfte unter allen Stromquellen die geringsten Emissionen von Treibhausgasen auf und trägt damit am wenigsten zur Erwärmung bei. Auf der anderen Seite bewirkt der Wandel relevante Veränderungen am Wasserhaushalt: höhere Temperaturen, Gletscherschmelze und veränderte Niederschlagsmuster haben direkte Folgen für die Menge und zeitliche Verteilung der Abflüsse in unseren Ge-
wässern. Das betrifft insbesondere den Hochwasserschutz (Häufung von Extremereignissen), den Erhalt wertvoller Gewässerlebensräume (längere Trockenperioden, höhere Wassertemperaturen) und die Nutzung der Wasserkraft (Geschiebebewegungen, Veränderung Abflussmengen und Produktion). Die Auswirkungen auf den Kraftwerksbetrieb wurden während der letzten drei Jahre mit der bisher umfassendsten Studie untersucht (vgl. dazu die Artikelserie ab Seite 265 in diesem Heft). Klima-, Abfluss- und Gletschermodellierungen wurden mit Betriebsdaten zusammengeführt und daraus die Veränderung der Stromproduktion abgeschätzt. Entgegen früher prognostizierter grosser Verluste kommen die Forscher zum Schluss, dass bis 2050 unter dem Strich keine wesentliche Veränderung der Jahresproduktion zu erwarten ist. Allerdings ist mit einschneidenden saisonalen und regionalen Umverteilungen zu rechnen. Es wird Produktionsgewinner und -verlierer geben. Zu Ersteren werden vermutlich die Laufkraftwerke an den Mittellandflüssen gehören, zu Letzteren die Speicherkraftwerke im südlichen Wallis und Tessin. Es ist dies nicht die letzte Wahrheit – aber die Daten sind gut genug, um sich mit möglichen Anpassungsmassnahmen auseinanderzusetzen.
Des gagnants et des perdants
Les
pronostics sont difficiles, surtout lorsqu’ils concernent l’avenir – cette citation de l’ancien Premier ministre britannique Winston Churchill est aussi valable pour le changement climatique et ses consé-quences. Les incertitudes liées aux changements attendus sont élevées et les liens complexes. En réalité, seul est clair et évident que le changement ait lieu; ce qu’on peut observer par la fonte inexo-rable de nos glaciers. Ainsi, au rythme actuel, les masses de glace auront probablement disparu de la Suisse à la fin du 21ème siècle. Non seulement cela modifierait profondément l’image de nos monta-gnes, mais des conséquences bien plus fâcheuses sont à prévoir. Les effets du changement climatique pour l’aménagement des eaux sont divers. D’un côté, l’utilisation des énergies hydrauliques est la source de courant présentant la plus faible émission en gaz à effet de serre, contribuant ainsi le moins au réchauffement. D’un autre côté, le changement modifie considérablement le régime des eaux: la hausse des températures, la fonte des glaciers et les modifications du schéma des précipitations ont des conséquences directes sur la quantité et sur la distribution temporelle des écoulements dans nos cours d’eau. Cela concerne en particulier la protection contre les crues (accumulation des événements extrêmes), la conser«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
vation des biotopes aquatiques d’intérêt (périodes de sécheresse plus étendues, températures plus élevées de l’eau) et l’utilisation de l’énergie hydraulique (mouvement des alluvions, modification des écoulements et production hydraulique). Au cours des trois dernières années, les conséquences sur les centrales hydrauliques ont été examinées par la plus vaste étude menée jusqu’ici (cf. la série d‘article dès la page 265 de cette revue). Des modélisations du climat, de l’écoulement et des glaciers ont été réunies avec les données des exploitations, de sorte que l’on puisse estimer la modification de la production électrique. En fin de compte, à l’encontre de résultats antérieurs pronostiquant de grandes pertes, les chercheurs sont arrivés à la conclusion qu’aucune modification essentielle de la production annuelle n’est à attendre d’ici 2050. Toutefois, d’importantes redistributions saisonnières et régionales sont à prévoir. En termes de production, il y aura des gagnants et des perdants. Les aménagements le long des fleuves du Plateau feront probablement partie du premier groupe, les aménagements à accumulation au sud du Valais et au Tessin du deuxième groupe. Ces faits ne sont pas inéluctables – néanmoins ces données doivent être considérées afin d’y faire face avec des mesures d‘adaptation adéquates. III
Inhalt
4l2011
265
Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung – Einleitung und Überblick über das Projekt Bruno Schädler, Rolf Weingartner, Massimiliano Zappa
267
Lokale Klimaszenarien für die Klimaimpaktforschung in der Schweiz Thomas Bosshard, Sven Kotlarski, Christoph Schär 185 265
273
Veränderung der Gletscher und ihrer Abflüsse 1900–2100 – Fallstudien Gornergletscher und Mattmark Daniel Farinotti, Andreas Bauder, Martin Funk
278
Auswirkungen der Klimaänderung auf die Geschiebefracht in Einzugsgebieten von Kraftwerksanlagen im Kanton Wallis Mélanie Raymond Pralong, Jens Martin Turowski, Dieter Rickenmann Alexander Beer, Valentin Métraux, Thierry Glassey
285
Auswirkungen auf die Wasserverfügbarkeit und Stromproduktion an den Beispielen Oberhasli und Mattmark Manfred Stähli, Mélanie Raymond-Pralong, Massimiliano Zappa Andreas Ludwig, Frank Paul, Thomas Bosshard, Christian Dupraz
292
Einfluss der Klimaänderung auf die Stromproduktion der Wasserkraftwerke Löntsch und Prättigau Pascal Hänggi, Sonja Angehrn, Thomas Bosshard, Eivind Helland Donat Job, Daniel Rietmann, Bruno Schädler, Robert Schneider Rolf Weingartner
300
Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung in der Schweiz 2021–2050 – Hochrechnung Pascal Hänggi, Rolf Weingartner, Markus Balmer
308
Klimawandel: Handlungsbedarf für die schweizerischen Wasserkraftbetreiber? Daniel Spreng
279
308
IV
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Inhalt
315
340
4l2011
Integrales Flussgebietsmanagement/ Gestion intégrale de l’espace fluvial «Teil 2»
313
Flussgebietsmodellierung mit der Simulationssoftware BASEMENT David Vetsch, Patric Rousselot, Roland Fäh
313
Refuges à poissons aménagés dans les berges de rivières soumises aux éclusées Jean-Marc Ribi, Jean-Louis Boillat, Armin Peter, Anton Schleiss
320
Der hydromorphologische Index der Diversität – «eine Messlatte für das ökologische Potenzial von Hochwasserschutzprojekten» Walter Gostner, Anton Schleiss
327
Die beiden Juragewässerkorrektionen in historischer Perspektive Matthias Nast
337
Neuer Schub für die Wasserkraft! Caspar Baader
343
Protokoll der 100. ordentlichen Hauptversammlung des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes, vom Donnerstag, 1. September 2011 in Solothurn
346
Nachrichten Politik Wasserkraftnutzung Energiewirtschaft Klima Rückblick Veranstaltungen Veranstaltungen Agenda Literatur
351 351 352 354 355 358 359 360 360
Branchen-Adressen
363
Impressum
364
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
V
ARGE Hochrhein
Die Arbeitsgemeinschaft Renaturierung des Hochrheins und der Rheinaubund suchen per 1. April 2012 oder nach Vereinbarung eine/n
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«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Einleitung und Überblick über das Projekt Bruno Schädler, Rolf Weingartner, Massimiliano Zappa
1. Einleitung Der Wasserkreislauf ist direkt mit dem Wettergeschehen und damit mit dem Klima verbunden, welches natürlichen und zunehmend auch anthropogenen Einflüssen unterworfen ist. Im Alpengebiet reagiert der Wasserkreislauf besonders sensitiv auf die Klimaerwärmung, weil ein veränderter saisonaler Auf- und Abbau der Schneedecke und die langfristigen Schwankungen beim Wachsen und Abschmelzen der Gletscher einen unmittelbaren Einfluss auf die verfügbaren Wasserressourcen haben. Da in der Schweiz rund 56% der elektrischen Energie durch Wasserkraft produziert werden (BFE, 2007a), sind die durch die Klimaänderung beeinflussten Veränderungen des Wasserkreislaufes äusserst wichtig für die strategische Planung der Stromversorgung der Schweiz wie auch für die mittel- und langfristige Planung von Bau und Betrieb der Wasserkraftanlagen. Das Bundesamt für Energie hat in umfassenden Studien über die Energieperspektiven der Schweiz für das Jahr 2035 alle Aspekte der Nachfrage und der Gewinnung der elektrischen Energie untersucht. In Bezug auf die Veränderung der Stromgewinnung durch die Klimaveränderung bis 2035 wird festgestellt: «Bei wärmerem Klima nimmt das Wasserkraftangebot bis 2035 um rund sieben Prozent ab, dies als Folge geringerer Niederschläge und erhöhter Verdunstung. Das bedeutet, dass im Vergleich zu einer normalen Klimaentwicklung ein zusätzliches Gaskraftwerk notwendig ist» (BFE 2007a). Im spezifischeren Teilbericht Nr. 4 (BFE, 2007b) wird zudem erwähnt, dass bis in eine fernere Zukunft (2070–2099) sogar mit einer Abnahme der Wasserkraftproduktion von bis zu 17 Prozent gerechnet werden muss. Grundlage zu diesen Aussagen waren hydrologische Modellrechnungen in elf zumeist alpinen Einzugsgebieten (Horton et al., 2005), die auf Klimaszenarien des Projektes PRUDENCE (Christensen et al., 2002) basierten. Die Resultate der hydrolo-
gischen Berechnungen wurden dabei auf einfache Art auf das Mitteland extrapoliert und in Wasserkraftproduktion umgerechnet. Eine Synthese dieser Arbeiten findet sich in Piot (2005). Nach der intensiven Energiedebatte in der Schweiz vom Frühjahr 2011 und dem ins Auge gefassten Ausstieg aus der Kernkraft hat das Bundesamt für Energie die Perspektiven für das Jahr 2050 abgeschätzt und geht immer noch von einer Verminderung der Wasserkraftproduktion von 7 Prozent (entsprechend etwa 2 TWh) aus (BFE, 2011; Stand Juni 2011). In den letzten Jahren sind wichtige Grundlagen zur Abschätzung der hydrologischen Veränderungen wesentlich verbessert worden. In einem grossen Europäischen Forschungsprojekt ENSEMBLES (van der Linden und Mitchell, 2009) wurden neue, umfassende und detaillierte europäische regionale Klimaszenarien erarbeitet. Diese Klimaszenarien bildeten die Grundlage für die jetzt aktuellen noch weiter verfeinerten Klimaszenarien für die Schweiz (CH2011, 2011; Bosshard, 2011; Bosshard et al., 2011). Auch sind in der
hydrologischen Modellierung wesentliche Fortschritte zu verzeichnen (Viviroli et al., 2009; Magnusson et. al., 2011; Haenggi, 2011). Um für die Zukunft über eine verbesserte quantitative Basis zu den erwarteten Entwicklungen der Wasserressourcen und der produzierten Energie zu verfügen, haben deshalb swisselectric research und das Bundesamt für Energie im Jahre 2008 nach einer erfolgreich durchgeführten Vorstudie zum Stand der Kenntnisse im Bereich Klimaänderung und Wasserkraft (Hänggi und Plattner, 2009) ein Forschungsprojekt zu diesem Thema lanciert. Ein grosser Teil der hydraulischen Kraftwerksanlagen liegt im Wallis. Deshalb haben die Dienststelle für Energie und Wasserkraft des Kantons Wallis sowie die FMV SA ein ergänzendes Projekt gestartet mit einem speziellen Fokus auf der Thematik Gletscher, Schnee und Geschiebe. Das Konzept des Gesamtprojektes sah vor, einerseits die Auswirkungen der Klimaänderung auf den Abfluss in repräsentativen Einzugsgebieten der Schweiz und andererseits die Auswirkungen auf
Bild 1. Übersicht aller in dieser Studie untersuchten Gebiete.
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
265
Klimawandel & Wasserkraft
Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung
Klimawandel & Wasserkraft
nen in fast allen Teilstudien die gemessenen Werte bzw. die entsprechenden Simulationsexperimente der Jahre 1980– 2009. Als Antrieb für die globalen Klimamodelle wurde in den Modellrechnungen mit wenigen Ausnahmen das weltweit gebräuchliche Treibhausgas-Emissionsszenario A1B des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC, 2008) verwendet. Diesem Szenario liegen Annahmen einer stark wachsenden globalen Wirtschaft, einer zunehmenden Bevölkerungszahl und einer Energieversorgung, die sich zu 50% aus erneuerbaren und zu 50% aus fossilen Energieträgern zusammensetzt, zugrunde (IPCC, 2008).
Bild 2. Schematische Darstellung der Modellkette. den Kraftwerksbetrieb und die Stromproduktion anhand von mehreren Fallstudien mit unterschiedlichen Kraftwerkstypen zu untersuchen (Bild 1). Die Forschungsprojekte wurden unter der Koordination des Netzwerkes Wasser im Berggebiet und unter der Leitung des Geographischen Instituts der Universität Bern (Rolf Weingartner, Bruno Schädler) und der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (Massimiliano Zappa) von sechs Forschungsgruppen durchgeführt. Ein Synthesebericht (SGHL und CHy, 2011) gibt zusammenfassend Auskunft über die wichtigsten Forschungsresultate. Die angewandten Methoden und detaillierten Resultate sind in zwölf Fachberichten zusammengefasst, welche elektronisch verfügbar sind (Fachberichte, 2011). Die nachfolgenden Beiträge in der vorliegenden Ausgabe von «Wasser Energie Luft» fassen die wichtigsten Teile dieser Fachberichte zusammen. 2. Grundlagen Als gemeinsame Grundlage für alle Arbeiten in diesem Projekt dienen die Resultate der Klimamodellierung (Bosshard et al., 2011). Diese Daten sind die Eingangsgrössen für die Modelle zur Abbildung der Gletscherprozesse, des Wasserkreislaufes und des Geschiebetransportes (vgl. Bild 2). Das hydrologische Modell berechnet die Auswirkungen der Temperaturund Niederschlagsänderungen auf den Abfluss, auf die Abflussregimes und auf Extremereignisse (Hoch-/Niedrigwasser), wobei im zeiltichen Ablauf die sich ver266
ändernden Gletscherflächen berücksichtigt werden. Im Gletschermodell werden, ebenfalls auf Basis der Niederschlags- und Temperaturänderungssignale, die Gletscherflächen, -dicken und -volumen für die Zukunft berechnet. Zudem wird modelliert, wo sich beim Abschmelzen der Gletscher neue Seen bilden können. Die Resultate über die Veränderung des Abflussverhaltens und über die Vergletscherung sind die notwendigen Eingangsgrössen zur Modellierung des Feststofftransportes (Geschiebemodell). Im Rahmen dieser Untersuchungen wird der Eintrag von Sedimentmaterial in die Kraftwerksanlagen (Speicherseen, Wasserleitungen, Turbinen) berechnet. Schliesslich werden in einem letzten Modell, basierend auf den vorangegangenen Untersuchungen zur Hydrologie, Vergletscherung und zum Geschiebe, die Konsequenzen für den Kraftwerksbetrieb und die Energieproduktion ermittelt. Weitere Grundlagen für diese Modelle sind die technischen Beschreibungen der Kraftwerksanlagen und der Betriebsregeln. Auch sind Annahmen über die zu erzielenden Preise notwendig. In den Modellierungen für die zukünftigen Zeiträume bleiben diese Grundlagen und Annahmen in der Regel unverändert. Alle Analysen wurden jeweils für zwei Zeitfenster in der Zukunft durchgeführt: Die nahe Zukunft umfasst den Zeitraum von 2021–2050, die ferne Zukunft umschliesst den Zeitabschnitt von 20702099. Da die Konzessionen von Wasserkraftwerken bis zu 80 Jahre dauern, ist die Modellierung auf eine lange Sicht sehr wünschenswert. Als Referenzperiode die-
3. Unsicherheiten Die Resultate der vorliegenden Untersuchungen unterliegen einer ganzen Reihe von Unsicherheiten. Gründe dafür sind unsichere Annahmen in den Emissionsszenarien bezüglich Bevölkerungs-, Technologie-, Wirtschafts- und Politikentwicklung. Zudem sind auch die Resultate der Klima-, Abfluss- und Gletschermodellierung Unsicherheiten unterworfen, da zum einen nicht alle relevanten Prozesse im Detail abgebildet werden können und zum andern oft die Datenlage ungenügend ist. Um die Grössenordnung der Unsicherheiten eingrenzen zu können, wurden jeweils mehrere unterschiedliche Modelle für die Klima-, Abfluss- und Gletscherentwicklung angewandt. Die Resultate zeigen, dass für Temperatur, Gletscher und Schneedecke in der Grössenordnung und in der Richtung der Veränderungen unter den Modellen eine gute Übereinstimmung herrscht. Bei den Niederschlägen und Abflüssen hingegen weisen die Resultate der verschiedenen Modelle zum Teil Werte mit unterschiedlichen Vorzeichen auf. Verdankung Wir bedanken uns bei swisselectric research, Bundesamt für Energie, Kanton Wallis und Forces Motrices Valaisannes für die Finanzierung des Projektes, beim Netzwerk Wasser im Berggebiet NWB für die Unterstützung beim Projektstart und der Koordination, sowie bei Barbara Lustenberger für die Mitarbeit am Synthesebericht. Literatur BFE (2007a): Die Energieperspektiven 2035 – Band 1 Synthese Modellrechnungen, Vergleiche, Bewertungen und Herausforderungen, 128 S., Bern. BFE (2007b): Die Energieperspektiven 2035 – Band 4 Exkurse Einzelthemen, wie fossile Energieressourcen, Einfluss der Klimaerwärmung,
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
änderung und Wasserkraftnutzung: Schlussbe-
sebericht. Beiträge zur Hydrologie der Schweiz,
spektiven, 301 S., Bern.
richt der Vorstudie. Hrsg. Kompetenznetzwerk
Nr. 18, 28. S., Bern. ISBN 978-3-033-02970-5
BFE (2011): Faktenblatt, Energieperspektiven
Wasser im Berggebiet. Bern, Davos.
Van der Linden , P. and Mitchell, J.F.B. (2009):
2050, Abschätzung des Ausbaupotenzials der
Hänggi, P. (2011): Auswirkungen der hydrokli-
ENSEMBLES: Climate Change and its Impacts:
Wasserkraftnutzung unter neuen Rahmenbe-
matischen Variabilität auf die Wasserkraftnut-
Summary of research and results from the EN-
dingungen.
zung in der Schweiz. Inauguraldissertation der
SEMBLES project, Met Office Hadley Center,
Bosshard, T. (2011): Hydrological climate-im-
Philosophischen-naturwissenschaftlichen Fa-
Exeter, UK, 160 pp.
pact modeling in the Rhine catchment down to
kultät der Universität Bern, Bern.
Viviroli, D., Zappa, M., Gurtz, J., Weingartner, R.
Cologne. Diss. ETH 19861. In press.
Horton, P., Schaefli, B., Mezghani, A., Hingray,
(2009): An introduction to the hydrological mo-
Bosshard, T., Kotlarski, S., Ewen, T., and Schär,
B., Musy, A. (2005): Prediction of climate change
delling system PREVAH and its pre- and post-
C. (2011): Spectral representation of the annual
impacts on Alpine discharge regimes under A2
processing-tools. Environmental Modelling &
cycle in the climate change signal, Hydrol. Earth
and B2 SRES emission scenarios for two future
Software 24(10): 1209–1222.
Syst. Sci., 15, 2777–2788, doi: 10.5194/hess-
time periods. Bundesamt für Energie, Energie-
15-2777-2011.
wirtschaftliche Grundlagen, Bern, 2005.
Anschrift der Verfasser
CH2011 (2011): Swiss Climate Change Scena-
IPPC (2008): Klimaänderung 2007, Synthese-
Bruno Schädler, Rolf Weingartner
rios CH2011, published by C2SM, MeteoSwiss,
bericht, Berlin.
Geographisches Institut der Universität Bern
ETH, NCCR Climate and OcCC, Zurich, Switzer-
Magnusson, J., Farinotti, D., Jonas, T., Bavay,
Gruppe für Hydrologie
land, 88 pp. ISBN 978-3-033-03065-7.
M. (2011): Quantitative evaluation of different
Hallerstr. 12, CH-3012 Bern
Christensen, J.H., Carter, T., Giorgi, F. (2002):
hydrological modeling approaches in a partly
bruno.schaedler@giub.unibe.ch
PRUDENCE employs new methods to assess
glacierized Swiss watershed. Hydrol. Process.
rolf.weingartner@giub.unibe.ch
European climate change. In: EOS, 82, 147,
25: 2071–2084.
2002.
Piot, M. (2005): Auswirkungen der Klimaer-
Massimiliano Zappa
Fachberichte (2011): Fachberichte zum Projekt
wärmung auf die Wasserkraftproduktion in der
Eidg. Forschungsanstalt WSL
Auswirkungen der Klimaänderung auf die Was-
Schweiz. «Wasser Energie Luft», Heft 11/12, pp.
Forschungseinheit «Gebirgshydrologie und
serkraftnutzung. Siehe: http://www.hydrologie.
365–367. Baden, 2005.
Wildbäche»
unibe.ch/projekte/ccwasserkraft.html.
SGHL und CHy (2011): Auswirkungen der Klima-
Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf
Hänggi, P. und Plattner, C. (2009): Projekt Klima-
änderung auf die Wasserkraftnutzung – Synthe-
massimiliano.zappa@wsl.ch
Lokale Klimaszenarien für die Klimaimpaktforschung in der Schweiz Thomas Bosshard, Sven Kotlarski, Christoph Schär
1. Einleitung Der globale Klimawandel ist eine nicht mehr zu bestreitende Tatsache und zeigt sich bereits heute in einer Vielzahl an Indikatoren. Hierzu zählen nicht nur langjährige Temperaturmessreihen, welche einen eindeutigen Erwärmungstrend auf globaler Skala offenbaren, sondern auch der weltweit beobachtete Rückzug von Gebirgsgletschern, der Anstieg des Meeresspiegels oder der Rückgang der Schneebedeckung in der Nordhemisphäre. Nach Einschätzung des Weltklimarates (IPCC, 2007) ist der anthropogene Ausstoss von Treibhausgasen für den Grossteil der seit den 1950er-Jahren beobachteten Erwärmung verantwortlich. Für das 21. Jahrhundert wird generell mit einem weiterhin ungebremsten Temperaturanstieg gerechnet, wobei die Intensität dieses
Anstiegs stark von unseren zukünftigen Treibhausgasemissionen abhängen wird. Dabei werden sich die in den kommenden Jahrzehnten erwarteten klimatischen Veränderungen nicht auf die Temperatur beschränken sondern auch weitere Grössen betreffen, insbesondere auch Komponenten des hydrologischen Kreislaufs wie Niederschlag und Evapotranspiration. Als Folge dessen ist mit entsprechenden Konsequenzen auch für den Bodenwasserhaushalt, die Schneebedeckung und das Abflussgeschehen zu rechnen. Bereits der Bericht des OcCC zur Klimazukunft der Schweiz (OcCC und ProClim, 2007) gibt einen umfassenden Überblick über die zu erwartenden wasserwirtschaftlichen Konsequenzen des Klimawandels und mögliche Anpassungsmassnahmen. Für detaillierte, quantitative Ana-
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
lysen zum Einfluss des Klimawandels auf den Wasserkreislauf und insbesondere das Abflussgeschehen und hydrologische Speicherfüllungen bedarf es Informationen zur erwarteten Klimaveränderung mit einer hohen zeitlichen und räumlichen Auflösung. Solche Szenarien können in einem zweiten Schritt als Input für hydrologische Modellsysteme verwendet werden, um zu einer Abschätzung der zukünftigen Entwicklung hydrologischer Komponenten zu gelangen. Eine entscheidende Bedeutung kommt hierbei der Quantifikation der Modellunsicherheiten auf allen involvierten Ebenen zu. Dies gilt in besonderem Masse für die verwendeten Klimaszenarien, die am Beginn der gesamten Modellkette stehen. Während die Klimaszenarien des OcCC Berichtes (OcCC und ProClim, 2007) noch auf Ergebnissen des EU-Pro267
Klimawandel & Wasserkraft
Flugverkehr, Überblick über andere Energieper-
Klimawandel & Wasserkraft Bild 1. Komponenten des Klimasystems und ihre Darstellung in globalen und regionalen Klimamodellen. jektes PRUDENCE (Christensen und Christensen, 2007) basierten, wurden durch das Nachfolgeprojekt ENSEMBLES (van der Linden und Mitchell, 2009) aktualisierte regionale Klimaszenarien für Europa mit verbesserten Modellen und einer höheren räumlichen Auflösung zur Verfügung gestellt. Diese Szenarien entsprechen dem neuesten Stand der regionalen Klimamodellierung und erlauben eine detaillierte Abschätzung der Modellunsicherheiten.
Die ENSEMBLES-Szenarien wurden im Rahmen der CH2011 Initiative (CH2011, 2011) für die Schweiz aufbereitet und – in einer Vorabversion – in den beiden Projekten Klimaänderung und Wasserkraftnutzung (swisselectric/Bundesamt für Energie) und CCHydro (Bundesamt für Umwelt) bereits zur Abschätzung des Einflusses des Klimawandels auf verschiedene hydrologische Systeme verwendet. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über Datengrundlage, Methodik, Ergebnisse sowie Einschränkungen der neu erstellten lokalen Klimaszenarien für das Gebiet der Schweiz.
Tabelle 1. Übersicht über die zehn verwendeten GCM-RCM Modellketten des ENSEMBLESProjektes. 268
2. Zielsetzung Ziel der vorliegenden Studie war es, die aktuellsten regionalen Klimaszenarien des ENSEMBLES-Projektes für hydrologische Klimaimpaktforschung in der Schweiz aufzubereiten. Im Fokus standen dabei die beiden Variabeln bodennahe Lufttemperatur (T) und Niederschlag (P). Ein besonderer Augenmerk galt der Schnittstelle zwischen Klima- und Impaktmodellen und ihrer Anwenderfreundlichkeit: Die entwickelten Produkte sollten einerseits einfach zu handhaben und verständlich sein, andererseits alle wesentlichen Aspekte des regionalen Klimawandels inklusive der Unsicherheiten regionaler Klimaprojektionen abbilden. Letzteres wurde durch die Auswertung von insgesamt 10 unterschiedlichen Klimamodellketten sichergestellt (s. Kapitel 3.1). Hinsichtlich der relevanten Zeitskalen sollten sowohl Abschätzungen für die nahe (Mitte des 21. Jahrhunderts) als auch für die fernere Zukunft (Ende des 21. Jahrhunderts) erfolgen. Dementsprechend wurden die beiden 30-jährigen Zukunftsperioden 2021–2050 und 2070–2099 betrachtet, jeweils relativ zur aktuellen Referenzperiode 1980–2009. Je nach Anwendungsgebiet der Klimasze-
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
3.
3.1
Datengrundlage und Methoden
Globale und regionale Klimamodellierung Globale Klimamodelle (GCMs), vor allem die neueste Generation gekoppelter Atmosphären-Ozean-Zirkulationsmodelle, erlauben die Abschätzung des Einflusses anthropogener Treibhausgasemissionen auf das Klima der Erde auf Grundlage physikalischer Gesetzmässigkeiten. Alle relevanten Komponenten des globalen Klimasystems inklusive ihrer Wechselwirkungen sind in diesen Modellen berücksichtigt (Bild 1). Als Vorgabe zur Berechnung des zukünftigen Klimas wird u.a. eine Abschätzung der zukünftigen Entwicklung der atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen beruhend auf sogenannten Emissionsszenarien benötigt. Bedingt durch den hohen Rechenaufwand der Zirkulationsmodelle liegt die räumliche Auflösung globaler Klimaszenarien jedoch im Bereich von 100–300 km, und damit jenseits der für viele Impaktstudien relevanten Grössenordnung. Hier setzen regionale Klimamodelle (RCMs) an. Sie stellen das wichtigste Werkzeug dar, um die grob aufgelösten Informationen globaler Klimamodelle auf die regionale Skala herunterzubrechen und Klimaänderungsszenarien mit wesentlich höherer räumlicher Auflösung zu erstellen. Ähnlich wie globale Zirkulationsmodelle beschreiben RCMs die Vorgänge innerhalb der verschiedenen Komponenten des Klimasystems sowie die Wechselwirkungen untereinander auf Grundlage physikalischer Prinzipien. Im Unterschied zu Globalmodellen wird hierbei jedoch nicht der gesamte Globus sondern nur eine bestimmte Region, z.B. Europa, betrachtet (Bild 2). Dies ermöglicht eine deutlich höhere räumliche Auflösung von derzeit ca. 10–50 km. Dieser Auflösungssprung ist verbunden mit einer besseren Beschreibung der regionalen Variabilität von Klimaparametern, was vor allem in einem topographisch stark strukturierten Gelände wie den Alpen unerlässlich ist. Am Rande des regionalen Modellgebietes benötigt ein RCM Informationen über die grossskaligen Eigenschaften der atmosphärischen Strömung, die ihrerseits von globalen Klimamodellen bereitgestellt werden. Man spricht von einer sogenannten Nestung, d.h. ein RCM wird in die Ergebnisse eines globalen Klimamodells eingebettet und übernimmt am Rande
des Modellgebietes die Informationen dieses antreibenden Modells (Bild 2). Die dargestellte Methodik wird auch als dynamisches Downscaling, die Kombination eines GCMs mit einem RCM als Modellkette bezeichnet. Aufgrund unterschiedlicher Modellformulierungen müssen sich die Ergebnisse verschiedener regionaler Klimamodelle selbst bei identischem antreibenden GCM nicht exakt entsprechen. Vielmehr zeigt sich in Modellvergleichsstudien, dass einzelne Modelle mit ganz unterschiedlichen, individuellen Fehlercharakteristiken behaftet sein können (z.B. Suklitsch et al., 2010). Die unterschiedlichen Fehlereigenschaften einzelner RCM’s können sich auch auf die simulierten Klimaänderungssignale auswirken. Diese Modellunsicherheit wird noch vergrössert, wenn verschiedene GCM’s als Randantrieb verwendet und/oder unter-
schiedliche Emissionsszenarien vorausgesetzt werden. Eine weitere Unsicherheitsquelle ist die natürliche Klimavariabilität, die durch eine einzelne regionale Klimasimulation nicht adäquat dargestellt werden kann. Aus den genannten Gründen ist es wichtig, eine möglichst grosse Anzahl regionaler Klimasimulationen zu betrachten, um Unsicherheitsbereiche eingrenzen und quantifizieren zu können. Die regionalen Klimasimulationen des ENSEMBLES-Projektes stellen diesbezüglich die umfangreichste und eine weltweit einzigartige Datenbasis dar. Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden insgesamt 10 regionale Klimasimulationen des ENSEMBLES-Projektes (siehe Tabelle 1) für die Schweiz mit einem auf die Abbildung der Jahresganges optimierten statistischen Verfahren (siehe Kapitel 3.2) aufbereitet und den Projektpartnern in Kooperation mit dem Center for Climate Systems
Bild 2. Prinzip der Modellnestung: Ein regionales Klimamodell (rot) wird in die grob aufgelösten Informationen eines Globalmodells (blau) eingebettet und berechnet das Klima in einem begrenzten Modellgebiet (z.B. Europa) mit höherer räumlicher Auflösung.
Bild 3. Topographie des regionalen Klimamodells CLM [m ü. NN.] für das Gebiet der Schweiz in 25 km Auflösung.
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Klimawandel & Wasserkraft
narien haben beide Perioden eine unterschiedliche Relevanz.
Klimawandel & Wasserkraft
Modelling (C2SM) zur Verfügung gestellt. Allen verwendeten Regionalsimulationen liegt das SRES A1B Emissionsszenario zugrunde (Nakicenovic et al. 2000). Die räumliche Auflösung der RCMs betrug 25 km mit einem Modellgebiet, das den gesamten europäischen Kontinent überdeckt. Diese Auflösung erlaubt eine detailreiche Darstellung der räumlichen Variabilität von Lufttemperatur und Niederschlag und ihrer physiographischen Einflussfaktoren (Topographie, Land-Meer-Kontrast, Oberflächenbedeckung, usw.). Dennoch stösst die räumliche Genauigkeit der Modelle im Alpenraum offensichtlich an ihre Gren-
zen. Zur Veranschaulichung zeigt Bild 3 die Modelltopographie des RCM CLM in 25 km Auflösung über der Schweiz. Deutlich sind der Alpenbogen, der Schweizer Jura sowie die tiefergelegenen Regionen des Mittellandes zu erkennen. Jedoch sind insbesondere im hochalpinen Raum wichtige topographische Strukturen wie z.B. des Rhonetal oder das Engadin nicht abgebildet. Die Aussagefähigkeit der regionalen Klimamodelle hinsichtlich kleinräumiger klimatischer Veränderungen in alpinem Gelände ist dadurch offensichtlich begrenzt.
3.2 Statistisches Post-Processing Das statistische Post-Processing bildet die Schnittstelle zwischen den RCMs und den hydrologischen Modellen. Dabei wird einerseits die räumliche Auflösung erhöht, andererseits werden die Modellfehler der GCM-RCMs korrigiert. Für die vorliegende Studie wurde dafür die Delta Change Methode verwendet (Gleick, 1986; Bosshard et al., 2011). In dieser Methode werden beobachtete meteorologische Zeitreihen X in einer Kontrollperiode mit dem aus Klimamodellen abgeleiteten Klimaänderungssignal ΔX skaliert. Zur Kalibration hydrologischer Modelle werden meistens meteorologische Stationsdaten verwendet. Deshalb wurden alle GCM-RCMDaten mittels inverser Distanzgewichtung auf die Stationsstandorte interpoliert, bevor daraus die Klimaänderungssignale ΔX berechnet wurden. Für T wurde eine additive, für P eine multiplikative Skalierung gemäss:
(1)
(2) Bild 4. Ensemblemittel der grossräumigen Muster der saisonalen (Winter: DJF, Sommer: JJA) Niederschlagsveränderung für 2070–2099 relativ zu 1971–2000.
Bild 5. Jahresgänge des Klimaänderungssignals für Temperatur (linke Spalte) und Niederschlag (rechte Spalte) an der Station Bern/Zollikofen. Die frühe Szenarioperiode ist in der oberen Zeile, die spätere Periode in der unteren Zeile dargestellt. Die Namensgebung der GCM-RCM-Ketten folgt dem Schema Institution, an der die Simulation durchgeführt wurde – GCM – RCM (siehe Tabelle 1). Die Bandbreite der natürlichen Variabilität entspricht der Standardabweichung geresampelter Beobachtungszeitreihen. Grafik angepasst von Bosshard et al., 2011. 270
angewendet. Dabei bedeuten die Überstriche die Mittelung über die Bezugsperiode (CTL: 1980–2009, SCE: 2021–2050 und 2070–2099). Beobachtete Daten sind mit dem Superskript OBS bezeichnet, die mittels Delta Change Methode generierten Klimaszenarien mit dem Superskript *. Die hier verwendete Methode wurde hinsichtlich der kontinuierlichen Abbildung des Jahresganges des Klimaänderungssignals, d. h. der saisonalen Veränderung von Temperatur und Niederschlag, optimiert (siehe dazu Bosshard et al., 2011). Die Werte für ΔX variieren deshalb mit dem Tag im Jahresgang. Die so erstellten Klimaszenarien • sind verfügbar für die Variabeln T und P, • beziehen sich auf die Szenarioperioden 2021–2050 und 2070–2099 relativ zu 1980–2009, • werden an Stationsstandorten in der Schweiz abgegeben, • sind optimiert für die Abbildung der saisonalen Veränderung, • ermöglichen durch 10 verschiedene GCM-RCM Ketten eine Abschätzung der Modellunsicherheit, • weisen keine Veränderung der Tagzu-Tag-Variabilität (z. B. der Regen-
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4. Resultate Das Klimaänderungssignal ist die zentrale Grösse in der Delta Change Methode. Im Folgenden wird zunächst das grossräumige europäische Muster der Niederschlagsänderung gezeigt. Danach folgen Beispiele der ermittelten Kimaänderungssignale an einem Stationsstandort sowie das räumliche Muster der Veränderung der Jahresmittel von T und P in der Schweiz. 4.1
Grossräumiges Muster des Klimaänderungssignals Die grossräumige Verteilung der saisonalen Niederschlagsänderung (Bild 4) zeigt einen Nord-Süd-Gradienten mit einer Ab-
nahme im Süden und Zunahme im Norden. Die Grenze zwischen Zu- und Abnahme verschiebt sich dabei im Verlaufe des Jahres. Im Winter liegt sie leicht südlich, im Sommer deutlich nördlich der Schweiz. Dieses räumliche Muster tritt in der grossen Mehrheit der GCM-RCMs zu Tage. 4.2
Jahresgänge des Klimaänderungssignals Werden die Klimaänderungssignale nun lokal für eine Station in der Schweiz ausgewertet, so ergibt sich ein Muster wie in Bild 5, das beispielhaft für die Station Bern/ Zollikofen (BER) die Jahresgänge der Klimaänderungssignale von T und P zeigt. An dieser Station werden für beide Szenarioperioden die grössten Temperaturzunahmen im Sommer und im Winter projiziert. Die Bandbreite der Modellunsicherheit, dargestellt durch die einzelnen GCM-RCM
Ketten, ist im Sommer am Grössten. Trotz der grossen Unsicherheit liegen die projizierten Veränderungen deutlich ausserhalb des Bereiches der natürlichen Variabilität, deren Standardabweichung als graues Band in Bild 5 dargestellt ist. Für den Niederschlag ist in der Periode 2021–2050 noch kein deutliches Signal ersichtlich. In der Periode 2070–2099 zeigt sich eine Tendenz zu einer deutlichen Abnahme im Sommer sowie einer leichten Zunahme im restlichen Jahr. Das deutlichere Signal im Sommer ist eine direkte Folge des grossräumigen Musters (siehe Bild 4). 4.3
Räumliche Muster in der Schweiz Bild 6 zeigt das räumliche Muster der projizierten Veränderung des Ensemblemittels aller 10 GCM-RCMs, ausgewertet an Stationsstandorten in der Schweiz.
Bild 6. Räumliche Muster der Änderung der Jahresmittel der Temperatur (links) und des Niederschlags (rechts), wie sie vom Ensemblemittel projiziert werden. Die frühe Szenarioperiode ist in der oberen, die späte in der unteren Zeile dargestellt. Die graue Schattierung im Hintergrund ist ein Mass für die Übereinstimmung der 10 GCM-RCM-Ketten. Je dunkler die Schattierung, desto kleiner ist die Standardabweichung im Ensemble (Temperatur), oder desto mehr Ketten sind sich einig hinsichtlich des Vorzeichens der Änderung (Niederschlag). «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
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Klimawandel & Wasserkraft
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tagfrequenz) und der interannuellen Variabilität auf, und berücksichtigen nur das Emissionsszenario A1B.
Klimawandel & Wasserkraft
Dargestellt sind die Veränderungen der mittleren Jahrestemperatur und des mittleren Jahresniederschlags. Die Temperaturzunahme weist ein homogenes Muster auf mit grössten Zunahmen über dem Alpenbogen. Die Standardabweichung des Ensembles (siehe graue Schattierung in Bild 6) zeigt zudem, dass die Zunahmen grösser sind als die Modellunsicherheit. Das Muster der Niederschlagsänderung ist heterogen mit einer Abnahme in südlichen und einer Zunahme in nördlichen Teilen der Schweiz. Die Veränderungen im Jahresmittel bewegen sich im Bereich von ±7.5% für 2070–2099, aber die Modelle sind sich uneinig bezüglich des Vorzeichens der Niederschlagsänderung (siehe graue Schattierung). Ein Vergleich mit Bild 5 zeigt zudem, dass sich die Niederschlagsveränderung vor allem in einer saisonalen Verschiebung und weniger in einer Änderung des Jahresniederschlags manifestiert. So ist in den meisten Regionen der Schweiz bis zum Ende des 21. Jahrhunderts mit einer deutlichen Abnahme der Sommerniederschläge gegenüber keinen Veränderungen bzw. leichten Zunahmen in den restlichen Jahreszeiten zu rechnen. 5. Schlussfolgerungen Die im Rahmen der vorliegenden Studie erstellten Klimaszenarien für Stationsstandorte in der Schweiz legen nahe, dass wir uns in den kommenden Dekaden auf zum Teils gravierende klimatische Veränderungen einzustellen haben. Hierzu zählen eine deutliche Erwärmung in der ganzen Schweiz und in allen Jahreszeiten sowie ein Rückgang der sommerlichen Niederschlagsmengen. Diese generellen Aussagen sind trotz aller Modellunsicherheiten relativ robust und belastbar. Die saisonale Veränderung des Niederschlags folgt einem grossräumigen Muster, welches konsistent von der überwiegenden Mehrheit der ENSEMBLES GCM-RCMs projiziert wird. Grosse Unsicherheiten bestehen hingegen hinsichtlich der genauen Grössenordnung der projizierten Änderungen von Temperatur und Niederschlag. Diese hängt z.T. stark von der jeweils betrachteten Modellkette ab. Die vorgestellten Szenarien basieren auf aktuellen Ergebnissen des ENSEMBLES-Projektes. Sie sind Teil der neuen CH2011 Szenarien und können via Webseite www.ch2011.ch bezogen werden. Für einen Vergleich der aktuellen Szenarien mit den älteren Ergebnissen des OcCC Berichtes (OcCC und ProClim, 2007) sei auf den CH2011-Bericht Sze272
narien zur Klimaänderung in der Schweiz CH2011 (Kap. 6.2; CH2011, 2011) verwiesen. Für die Anwendung der neuen Szenarien ist die Kenntnis ihrer Stärken und Limitierungen von grosser Bedeutung: 1) Berücksichtigte Unsicherheitsquellen Durch die Berücksichtigung verschiedener GCM-RCM-Modellketten ermöglichen die Szenarien eine Abschätzung der Unsicherheiten, welche von den Klimamodellen verursacht wird. Die Unsicherheiten aufgrund unterschiedlicher Emissionsszenarien können jedoch nicht abgeschätzt werden, da alle Simulationen dasselbe Emissionsszenario A1B verwenden. Zur Abschätzung des Einflusses der Wahl des Emissionsszenarios auf die Ergebnisse verweisen wir auf die probabilistischen Szenarien des CH2011-Berichtes (CH2011, 2011), die zusätzlich zu A1B noch zwei weitere Emissionsszenarien betrachten. Auch die Unsicherheit aufgrund der natürlichen Variabilität kann mit den vorliegenden Szenarien nicht direkt abgeschätzt werden. 2) Variabilitätsveränderung Die hier vorgestellten Resultate zeigen, dass insbesondere für den Niederschlag die saisonalen Veränderungen wesentlich stärker ausgeprägt sind als die Veränderung der Jahresmittel. Die vorliegenden Szenarien bilden den Jahresgang der Veränderung kontinuierlich ab und berücksichtigen demzufolge die Variabilitätsveränderung auf der saisonalen Skala. Die Szenarien berücksichtigen hingegen keine Veränderungen der interannuellen und Tag-zu-Tag-Variabilität. Die Frage nach den Auswirkungen der projizierten klimatischen Veränderungen auf den Wasserhaushalt war Gegenstand der Projekte Klimaänderung und Wasserkraftnutzung und CCHydro. Ausgewählte Resultate des ersten Projektes werden in dieser Ausgabe vorgestellt. Weitere Studien werden folgen. Die neuen Klimaszenarien CH2011 bieten dafür eine geeignete Grundlage.
Literatur Bosshard, T., Kotlarski, S., Ewen, T., Schär, C. (2011): Spectral representation of the annual cycle in the climate change signal. Hydrol. Earth Syst. Sci., 15, 2777–2788, doi:10.5194/hess15-2777–2011. CH2011 (2011): Swiss Climate Change Scenarios CH2011, published by C2SM, MeteoSwiss, ETH, NCCR Climate, and OcCC, Zurich, Switzerland, 88 pp. Christensen, JH., Christensen, OB. (2007): A summary of the PRUDENCE model projections of changes in European climate by the end of this century. Climatic Change, 81, 7–30. Gleick, P. H. (1986): Methods for evaluating the regional hydrologic impacts of global climatic changes. Journal of Hydrology, 88, 97–116. IPCC (2001): Climate Change 2001: The Scientific Basis. Contribution of Working Group I to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge University Press, United Kingdom and New York, NY, USA, 881 pp. Nakicenovic, N., Alcamo, J., Davi, G., de Vries B., Fenhann, J., Gaffin, S., Gregory, K., Grübler, A., Yong Jung, T., Kram, T., Lebre La Rovere, E., Michaelis, L., Mori, S., Morita, T., Pepper, W., Pitcher, H., Price, L., Riahi, K., Roehrl, A, Rogner, H-H., Sankovski, A., Schlesinger, M., Shukla, P., Smith, S., Swart, R., van Rooijen, S., Victor, N., Dadi, Z. (2000): Special Report on Emissions Scenarios: A Special Report of Working Group III of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge University Press, Cambridge, UK, 599 pp. OcCC and ProClim (2007): Climate change and Switzerland 2050: Expected Impacts on Environment, Society and Economy, Berne, Switzerland, 168 pp. Suklitsch, M., Gobiet, A., Truhetz, H., Awan, NK., Göttel, H., Jacob, D. (2011): Error characteristics of high resolution regional climate models over the Alpine area. Climate Dynamics, 37, 377–390. Van der Linden, P., Mitchell, JFB. (2009): ENSEMBLES: Climate change and its Impacts: Summary of research and results from the ENSEMBLES project. Met Office Hadley Centre, Exeter, UK, 160 pp.
Danksagung Wir bedanken uns bei swisselectric research,
Anschrift der Verfasser
dem Bundesamt für Energie, dem Kanton Wal-
Thomas Bosshard, Sven Kotlarski, Christoph
lis und Forces Motrices Valaisannes für die
Schär, Institut für Atmosphäre und Klima (IAC),
Finanzierung dieser Arbeit. Die verwendeten
ETH Zürich, Universitätsstrasse 16, CH-8092
ENSEMBLES-Daten stammen aus dem EU
Zürich, Tel. +41 (0)44 632 78 18
FP6 Projekt ENSEMBLES (Vertragsnummer
thomas.bosshard@env.ethz.ch
505539), dessen Unterstützung wir hier verdanken möchten. Der MeteoSchweiz wird für die Bereitstellung von Beobachtungsdaten gedankt. Ebenso möchten wir uns beim Center for Climate Systems Modelling (C2SM) für dessen technische Unterstützung bedanken. «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Fallstudien Gornergletscher und Mattmark Daniel Farinotti, Andreas Bauder, Martin Funk
Zusammenfassung Der Gletscherrückzug, der in den Alpen seit dem Ende der kleinen Eiszeit im Gange ist, wird oft als das deutlichste Zeichen für die voranschreitende Klimaerwärmung wahrgenommen. Der weitere Temperaturanstieg, der für die Zukunft von Klimastudien vorausgesagt wird, lässt allerdings noch ausgeprägteren Gletscherschwund erwarten. Als Folge davon werden die Abflussregime in hochalpinen Räumen spürbaren Änderungen unterworfen sein. In dieser Studie wurde der Einfluss der Klimaänderung auf die Abflussverhältnisse zweier vergletscherten Einzugsgebiete des Kantons Wallis untersucht: den Einzugsgebieten «Gorner» und «Mattmark». Gemäss dem verwendeten hydro-glaziologischen Modell, werden die Gebiete bis Ende des 21. Jahrhunderts weitgehend eisfrei sein. Das Abschmelzen der Eismassen wird in einer ersten Phase zu einem Anstieg der Jahresabflussmengen führen, bevor sich die Abflüsse in etwa auf das Niveau des Jahresniederschlags einpendeln werden. Die fehlenden Gletschermassen werden das Abflussregime von einem Eisschmelze- zu einem Schneeschmelze-dominierten Typ übergehen lassen.
1. Einleitung Die Alpen gelten als Wasserschloss Europas. In der Schweiz werden diese Wasserresourcen intensiv für die Energiegewinnung genutzt. Viele der Wasserkraftanlagen befinden sich dabei im Bereich vergletscherter Einzugsgebiete. Obwohl die Gletscher in den letzten Jahrzehnten durch verstärkte Schmelze viel Eis verloren haben, kontrollieren sie als Teil des Wasserkreislaufs hochalpiner Lagen die dortigen Abflussverhältnisse. Der weitere
Temperaturanstieg, der aufgrund Klimaprognosen bis Ende des Jahrhunderts zu erwarten ist, wird auch einen weiteren Gletscherschwund bewirken, welcher zum Teil markante Änderungen in den Abflussregimen der betrachteten Gebiete mit sich bringen wird. In diesem Beitrag werden die Veränderung des Gletschervolumens, die Entwicklung der zu erwartenden Jahresabflüsse sowie die Veränderung im Abflussregime bis 2100 in den stark vergletscherten Einzugsgebieten «Gorner» und «Mattmark» untersucht. Für die Analysen kommen die in Huss et al. (2008b) entwickelte Methodik sowie die vom Institut für Atmosphäre und Klima (IAC) der ETH Zürich erarbeiteten Klimaszenarien zur Anwendung. 2.
Untersuchungsgebiete
2.1 Einzugsgebiet Gorner Das Einzugsgebiet Gorner (Bild 1) ist durch die Wasserfassung, welche die Gornera auf einer Höhe von 2007 m ü.M. fasst, begrenzt und erstreckt sich über rund 81 km2. Das Gebiet ist durch den Gornergletscher geprägt, welcher im Jahre 2007 ein Gesamteisvolumen von etwa 4.4 km3 aufwies. Das Gebiet enthält somit knapp unter 10% des gesamthaft in den Schweizer Alpen liegenden Gletschereisvolumens. Im Jahre 2007 waren 63% der Gebietsfläche vergletschert und 33% unbewachsen. Nur ein unwesentlicher Gebietsanteil ist durch Vegetation bedeckt. Während der Referenzperiode 1980–2009 betrug der mittlere Jahresniederschlag 1320 ± 400 mm und die durchschnittliche Lufttemperatur –4.7 ± 1.3 °C. Der Verlauf des Jahresniederschlags ist durch eine zweigipflige Verteilung charakterisiert, mit Maximas in den Monaten Mai und Oktober. 2.2 Einzugsgebiet Mattmark Das Einzugsgebiet Mattmark (Bild 2) weist bis zum Ausgleichsbecken in Zer Meig-
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geren eine Gesamtfläche von 65.7 km2 auf. Das Einzugsgebiet ist Ursprung der Saaservispa und ist, nebst den enthaltenen Gletschern, durch den Stausee Mattmark charakterisiert, welcher eine Fläche von nicht ganz 2 km2 einnimmt. Im Jahre 2008 waren etwa 30% des Gebiets vergletschert, 52% unbewachsen, 14% durch Vegetation bedeckt und etwa 4% durch Gewässer charakterisiert. Ihrer Grösse nach sind die wichtigsten Gletscher im Gebiet der Allalin-, der Schwarzberg-, der Hohlaub-, der Seewjinen- und der Chessjengletscher. Deren gesamtes Eisvolumen belief sich im Jahre 2008 noch auf rund 1.03 km3. Der mittlere Jahresniederschlag betrug während der Referenzperiode (1980–2009) 1610 ± 550 mm wobei der Jahresverlauf der Gesamtmenge zwei deutliche Maxima in den Monaten Mai und Oktober zeigt. Die durchschnittliche Lufttemperatur betrug in der gleichen Periode –2.3 ± 1.3 °C. 3.
Gletscherentwicklungs- und Abflussmodell GERM Die ausgeprägte räumliche Variabilität der meteorologischen Phänomene machen hydrologische Modellierungen für hochalpine Einzugsgebiete zu einer Herausforderung. Modelle müssen in der Lage sein, eine Serie von gekoppelten Prozessen zu beschrieben, die zum Teil noch nicht ganz verstanden sind (Becker, 2005). Für diese Studie wurde das hydro-glaziologische Modell GERM (Glacier Evolution Runoff Model) (Huss et al., 2008b; Farinotti et al., 2011) verwendet. Das konzeptionelle, deterministische Modell operiert räumlich verteilt, was bedeutet, dass jede der betrachteten Grössen für jede einzelne Gitterzelle, in denen das jeweilige Einzugsgebiet unterteilt wird, berechnet wird. Das Modell löst für jede Gitterzelle die lokale Wasserbilanz Q = P +M − ET + dS
(1) 273
Klimawandel & Wasserkraft
Veränderung der Gletscher und ihrer Abflüsse 1900–2100
Klimawandel & Wasserkraft
Bild 1. Einzugsgebiet Gorner. Gebietsübersicht (links), klimatische Bedingungen in der Referenzperiode 1980–2009 (Mitte) sowie Hypsometrie der Oberflächentypen (rechts). Die Gletscherumrisse entsprechen dem Stand 2007.
Bild 2. Einzugsgebiet Mattmark. Gebietsübersicht (links), klimatische Bedingungen in der Referenzperiode 1980–2009 (Mitte) sowie Hypsometrie der Oberflächentypen ( rechts). Die Gletscherumrisse entsprechen dem Stand 2008. welche besagt, dass der aus der Zelle stammende Abfluss Q, sich aus der Summe des Flüssigniederschlags P der Schnee- und/ oder Eisschmelze M und der Speicheränderung dS, abgezogen der Evapotranspiration ET ergibt. Mit Evapotranspiration bezeichnet man dabei die Summe aus Verdunstung (Evaporation) und Pflanzenatmung (Transpiration). Die Berechnung der einzelnen Komponenten der Wasserbilanz wird im Modell von unterschiedlichen Modulen vorgenommen. Der Niederschlag, sowohl in flüssiger als auch in fester Form, wird aus der Niederschlagszeitreihe, die für einen Referenzpunkt angegeben wird, durch die Anwendung eines linearen Höhengradienten über das Gebiet interpoliert. Beim Festniederschlag werden Schneeumverteilungsprozesse durch Windverfrachtung oder Lawinenaktivität durch ein vorgegebenes Verteilungsmuster berücksichtigt. Die Unterscheidung zwischen Fest- und Flüssigniederschlag geschieht aufgrund der berechneten lokalen Lufttemperatur. Diese wird ebenfalls durch einen linearen Höhengradienten aus der Temperaturzeitreihe am Referenzpunkt ermittelt. Die Schmelze (Ablation), wird mit einem Grad-Tag-Faktor-Ansatz berechnet, welcher den Effekt der Sonneneinstrahlung mitberücksichtigt (Hock, 1999). 274
Zugrunde liegt ein empirischer Zusammenhang zwischen der Tagesmitteltemperatur der Luft und der anfallenden Schmelze. Den unterschiedlichen Eigenschaften von Schnee und Eis wird durch das Anwenden zwei verschiedener Grad-Tag-Faktoren Rechnung getragen. Diese müssen zuerst aus den zur Verfügung stehenden Informationen bezüglich klimatischer Bedingungen in der Vergangenheit und Eisvolumenänderungen der Gletscher bestimmt werden. Die Evapotranspiration wird ebenfalls durch einen empirischen Zusammenhang mit der Lufttemperatur bestimmt. Der Ansatz basiert auf einer Idee von Hamon (1961), in welcher eine Parametrisierung des Sättigungsdampfdrucks sowie eine Unterscheidung verschiedener Oberflächentypen zum Tragen kommen. Die Speicheränderung wird schliesslich mit dem Konzept der linearen Reservoire dargestellt. Dieses postuliert einen linearen Zusammenhang zwischen dem Füllstand eines Reservoirs (Speicher) und dessen Ausfluss (Speicheränderung). Im Modell werden drei abflusswirksame Speicher unterschieden: einen schnellen, einen langsamen und einen Schneespeicher. Der erstgenannte stellt den Oberflächennahen, schnell ansprechenden Abfluss dar, der zweite die langsameren Komponenten,
so wie es z.B. die unterirdischen Abflüsse sind, und der dritte die in der Schneedecke gespeicherten Wassermengen. Ein zentraler Teil des Modells ist die Prozedur, mit welcher die Gletscherentwicklung abgebildet wird. Es handelt sich dabei um die von Huss et al. (2010a) vorgeschlagene Δ_h-Parametrisierung. Dieser einfache, massenerhaltende Ansatz macht sich zu Nutze, dass die Eisdickenänderung eines Gletschers einem charakteristischen Muster folgt, welches aus Daten, die in der Vergangenheit ermittelt wurden, eruierbar ist. Das Muster beschreibt wie die stärksten Änderungen im Bereich der Gletscherzunge stattfinden, während die Geometrieänderungen in höheren Lagen praktisch vernachlässigbar sind. Der Ansatz wurde durch den Vergleich mit komplexeren, physikalisch fundierteren Gletscherfliessmodellen auf seine Gültigkeit überprüft (Huss et al., 2010a) und in verschiedenen Studien bereits erfolgreich angewendet (z.B. Huss et al., 2010b; Farinotti et al., 2011). 4.
Meteorologische Zeitreihen und Klima der Zukunft Um Abflussentwicklungen aus vergletscherten Einzugsgebieten über längere Zeiträume korrekt simulieren zu können, ist eine transiente (d.h. in der Zeit kontinuier-
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Bild 3. Entwicklung des Eisvolumens in den Gebieten Gorner (links) und Mattmark (rechts). Die durchgezogene Linie entspricht einem gleitenden Mittelwert über 15 Jahre. Das hellblaue Band enthält 95% aller Realisierungen. Die Zeitpunkte für welche ein Geländemodell der Gletscheroberfläche zur Verfügung steht, sind mit einem Dreieck gekennzeichnet.
Bild 4. Gletscherentwicklung in den Einzugsgebieten Gorner (oben) und Mattmark (unten). Die Farbtönung entspricht der mittleren Eisdicke sämtlicher Realisierungen. Bereiche in denen mehr als die Hälfte der Realisierungen keinen Gletscher vorhersagen sind weiss dargestellt. Die gezeigten Gletscherumrisse entsprechen dem Stand 2007 (Gorner) resp. 2008 (Mattmark). Die farbigen Balken zeigen die noch verbleibende Gletscherfläche (A) und das noch verbleibende Eisvolumen (V) relativ zu 2010. Die Graphiken sind nicht auf gleicher Skala. liche) Anpassung der Gletscheroberfläche und des Eisvolumens unabdingbar. Nur so kann die Massenerhaltung gewährleistet werden. Transiente Simulationen benötigen allerdings auch transiente Inputdaten für das Antreiben des Modells. Im Falle des verwendete Modell GERM, welches für solch transiente Simulationen ausgelegt ist, bestehen die benötigten Inputdaten aus kontinuierlichen Zeitreihen der Tagesmitteltemperatur und des Tagesniederschlags. Diese meteorologischen Zeitreihen werden für die Vergangenheit und die Zukunft mit zwei unterschiedlichen Ansätzen generiert. 4.1
Meteorologische Zeitreihen für die Vergangenheit Für die Bereitstellung der Zeitreihen in der Vergangenheit kann auf verschiedene
Messdatenquellen zurückgegriffen werden. Für die Temperatur kommen insbesondere die homogenisierten Monatstemperaturreihen, welche vom Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) für 12 Stationen bereitgestellt werden (Begert et al., 2005), sowie Daten aus langjährig betriebenen Messtationen zum Einsatz. Als Grundlage für die Generierung der Niederschlagszeitreihen dient der PRISM Gitterdatensatz von Schwarb et al. (2001), welcher mittlere Monatsniederschlagssummen mit einer horizontalen Auflösung von etwa 2 km liefert, sowie die Tagesmessungen verschiedener Stationen im Umkreis des jeweiligen Gebiets. Eine genauere Beschreibung des Vorgehens um konsistente, kontinuierliche Zeitreihen zu erhalten, ist in Huss et al. (2008a) zu finden. Es sei nochmals ausdrücklich
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darauf hingewiesen, dass die für die Vergangenheit erstellten Meteo-Zeitreihen nicht einzig als Modellantrieb dienen, sondern auch für das Erstellen der Zusammenhänge zwischen vorherrschendem Klima und Massenhaushalt der Gletscher absolut zentral sind. Die Methodik mit welcher diese Zusammenhänge rekonstruiert werden ist ebenfalls in Huss et al. (2008a) beschrieben. 4.2
Meteorologische Zeitreihen für die Zukunft Für das Erstellen von meteorologischen Zeitreihen für die Zukunft stehen keine direkten Messungen zur Verfügung. Hier kommen sogenannte «Szenarien» zum Einsatz, d.h. Hypothesen über mögliche Bedingungen in der Zukunft. In dieser Studie wurden Szenarien verwendet, die vom 275
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Institut für Atmosphäre und Klima (IAC) der ETH Zürich für den Schweizer Alpenraum aufbereitet wurden (Bosshard et al., 2011). Die Szenarien basieren auf den Resultaten des Europäischen Forschungsprojekts ENSEMBLES (van der Linden and Mitchell, 2009) und verwenden den sogenannten «delta-change approach». In diesem wird der Effekt der Klimaänderung zwischen zwei Perioden als Unterschied «Delta» im Mittelwert der betrachteten Variable (Temperatur oder Niederschlag) ausgedrückt. Die beiden Perioden haben dabei gleiche Länge und werden mit «Referenz»- und «Szenarioperiode» bezeichnet. Die jeweiligen «Deltas» müssen nicht notwendigerweise auf den Jahresmittelwert bezogen sein, sondern können eine höhere zeitliche Auflösung aufweisen. Das IAC stellt «Deltas» in täglicher Auflösung bereit, die als Referenz die Periode 1980–2009 haben und für die beiden Szenarioperioden 2021– 2050 und 2070–2099 gelten. Zu bemerken ist, dass für jede Szenarioperiode zehn unterschiedliche Sätze an «Deltas» zur Verfügung stehen, was Ausdruck der Unsicherheit in den Klimamodellen sein soll. Das Verwenden aller zehn «Delta»-Datensätze gibt somit die Möglichkeit, eine Bandbreite für das zukünftige Klima anzugeben. Allerdings würde diese Bandbreite nur die Unsicherheit abbilden, die sich aus der unbekannten Entwicklung des mittleren Klimas ergibt, nicht aber diejenige, die von der natürlichen Jahr-zu-Jahr-Variabilität der meteorologischen Variablen ausgeht. Um diese zweite Unsicherheitsquelle ebenfalls zu berücksichtigen, wurden für jede der zehn Klimaentwicklungen wiederum zehn zufällige Meteo-Zeitreihen generiert, wel-
che sowohl den vorgegebenen Mittelwert einhalten, wie auch eine aus der Vergangenheit abgeleitete Variabilität aufweisen. Für das Antreiben von GERM in der Zukunft steht somit ein Satz von 100 möglichen Temperatur- und Niederschlagszeitreihen zur Verfügung. Weitere Details zur Erstellung der Zeitreihen für die Zukunft sind in Farinotti et al. (2011) zu finden. 5.
Resultate
5.1 Gletscherentwicklung Gemäss den Modellrechnungen ist zu erwarten, dass sich das Eisvolumen im Einzugsgebiet Gorner bis 2040–2060 im Vergleich zur Referenzperiode halbiert haben wird (Bild 3 links). Bis 2090 wird die Vergletscherung voraussichtlich auf etwas weniger als 25% zurückgehen und für Ende des 21. Jahrhunderts wird auch gemäss den günstigsten Szenarien weniger als ein Drittel des heute vorhandenen Eisvolumens übrig bleiben. Bild 4 oben zeigt die Gletscherausdehnung für vier ausgewählte Jahre. Für das Einzugsgebiet Mattmark lassen die Berechnungen eine Halbierung des während der Referenzperiode vorhandenen Eisvolumens bis 2030–2050 erwarten (Bild 3 rechts). Ende dieses Jahrhunderts werden sich die Gletscher voraussichtlich in Höhenlagen über etwa 3500 m ü.M. zurückgezogen haben (Bild 4). Dies würde die Vergletscherung des Gebiets auf weniger als 5% schrumpfen lassen. 5.2 Abflussentwicklung Die grossen Eismassen, die im Einzugsgebiet Gorner gespeichert sind, lassen mar-
kante Änderungen im Abfluss und dessen Jahresgang erwarten (Bild 5 und 6 links). Bis etwa 2030 sagen die Modellrechnungen einen stetigen Anstieg der Jahresabflussmengen voraus. Im Mittel über alle Szenarien beträgt des Jahresabflussvolumen zu diesem Zeitpunkt rund 160 ± 20 mio m3, was im Vergleich zur Referenzperiode einem Anstieg von etwa 20% entspricht. Ab 2030 wird dann, aufgrund des zunehmend fehlenden Beitrags der Eisschmelze zum Gesamtabfluss, mit einer Abnahme der Jahresabflussmengen gerechnet. Diese dürfte, im Vergleich zur Referenzperiode bis 2090 in etwa –13% betragen, was einem Jahresabflussvolumen von 118 ± 14 mio m3 entspricht. Diese Entwicklung ist hauptsächlich auf die Veränderungen der Eismassen zurückzuführen. Der Jahresniederschlag wird sich zwischen der Referenzperiode und Ende Jahrhundert gemäss den verwendeten Klimaszenarien nur unwesentlich ändern, im Mittel wird eine Abnahme des Jahresniederschlags um etwa –5% vorausgesagt. Die vorhergesagte Zunahme der Evapotranspiration ist zwar markant (nicht gezeigt), wird aber im Vergleich zu den Jahresabfluss- und -Niederschlagsmengen weiterhin von geringer Bedeutung bleiben. Bei der Entwicklung des Abflussjahresganges (Bild 6 links) fallen die abnehmenden Abflüsse in den Monaten Juli und August auf, welche bis Ende dieses Jahrhunderts erwartet werden. Im Vergleich zur Referenzperiode wird für 2090 eine Abnahme um etwa 30% vorhergesagt. Zudem wird erwartet, dass sich der Zeitpunkt des maximalen Abflusses um rund einen Monat verschieben wird (von
Bild 5. Entwicklung von Abfluss und Niederschlag in den Einzugsgebieten Gorner (links) und Mattmark (rechts). Gezeigt sind 100 mögliche Realisierungen des Jahresabflussverlaufs in der Periode 1900–2100 (graue Linien) und ein über 30 Jahre geglätteter Mittelwert (blaue Linie). Das blau schraffierte Band enthält 95% der Realisierungen. Für den Jahresniederschlag ist nur der geglättete Mittelwert gezeigt (schwarz gestrichelte Linie). Die relativen Beiträge zum Gesamtabfluss sind im oberen Bereich der Graphik dargestellt. Aufgeschlüsselt sind die Beiträge von Eis- und Schneeschmelze sowie Flüssigniederschlag. Im selben Bereich ist auch der Verlauf der Vergletscherung im Gebiet dargestellt (rote Linie). Der grüne Balken im unteren Bereich der Graphik zeigt die Periode in welcher gemessene Abflussdaten zur Verfügung stehen. 276
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Ende Juli auf Anfangs Juli) und dass die Monate Oktober und November mehr Wasser führen werden. Für das Einzugsgebiet Mattmark lassen die Modellrechnungen erwarten, dass die Jahresabflussmengen nur für etwa eine Dekade ansteigen werden (Bild 5 rechts). Die Maximalen Jahresabflussmengen werden für die Periode um 2020 vorhergesagt und werden rund 115 ± 12 mio m3 betragen. Im Vergleich zur Referenzperiode wäre das ein Anstieg von nicht ganz 5%. Ab 2020 wird von einer stetigen Abnahme der Jahresabflussmengen ausgegangen. Im Vergleich zur Referenzperiode, sind die für Ende dieses Jahrhunderts erwarteten Jahresabflüsse etwa 15% niedriger, was einem Jahresabfluss von rund 95 ± 20 mio m3 entspricht. Dieser Rückgang ist hauptsächlich durch die fehlende Eisschmelze bedingt und in geringerem Masse durch die abnehmenden Jahresniederschlagsmengen und der zunehmenden Evapotranspiration. Im Vergleich zur Referenzperiode wird für den Jahresniederschlag bis 2090 von einer Abnahme um etwa –4% ausgegangen während sich die Evapotranspiration zwischen den beiden Perioden etwa verdoppeln wird (nicht gezeigt). Markante Änderungen sind im Abflussregime zu erwarten (Bild 6 rechts). Insbesondere ist mit einer starken Reduktion des Abflusses in den Monaten Juli und August zu rechnen, was bis Ende dieses Jahrhunderts zu einer ziemlich konstanten Abflussmenge während den Monaten Juli bis Oktober führen wird. Bis 2090 sagen die Modellrechnungen für den Monat Juli eine Abnahme des mittleren Abflusses um mehr als die Hälfte voraus. Der maximale mittlere Abfluss wird sich bis Ende dieses Jahrhunderts um etwa anderthalb Monate verlagern: von Mitte Juli in der Referenzperiode auf Anfang Juni.
6.
Vergleich der beiden Untersuchungsgebiete Obwohl die beiden untersuchten Einzugsgebiete nicht sehr weit auseinanderliegen, unterscheiden sich dessen Charakteristiken und die daraus hergeleiteten Prognosen beträchtlich. Nebst den recht unterschiedlichen Jahresniederschlagsmengen (das Einzugsgebiet Gorner ist in den Modellierungen etwa 15% trockener als das Einzugsgebiet Mattmark, Bild 1 und 2) und dem unterschiedlichen Vergletscherungsgrad der beiden Gebiete (die Vergletscherung des Einzugsgebiets Gorner ist doppelt so hoch wie im Gebiet Mattmark) betrifft der wichtigste Unterschied die Verteilung der in den Gebieten vorkommenden Eismassen. Während im Einzugsgebiet Gorner volumenmässig das meiste Eis in relativ tiefen Lagen liegt (im flachen Bereich zwischen 2300 und 2600 m ü.M.), sind die Eismassen im Einzugsgebiet Mattmark in bedeutend höheren Lagen anzutreffen (mehr als zwei Drittel des Eisvolumens liegt höher als 2800 m ü.M.) und wesentlich homogener mit der Höhe verteilt. Dieser Unterschied in der Höhenverteilung des Eisvolumens führt dazu, dass im Gornergebiet relativ grosse Eismassen in kurzer Zeit hohen Temperaturen ausgesetzt sind und so in einem relativ begrenzten Zeitraum zu einer markant erhöhten Eisschmelze führen, während sich der Effekt im Einzugsgebiet Mattmark nur nach und nach, und somit wesentlich gedämpfter, bemerkbar macht. Im Einzugsgebiet Mattmark steht die Entwicklung der Jahresabflussmengen im direkten Zusammenhang mit der abnehmenden Gletscherfläche. Hingegen sorgen die grossen Eismassen im Einzugsgebiet Gorner für einen stärkeren Anteil an Eisschmelze in den kommenden Jahren wodurch die Abflüsse zunehmen werden.
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
7. Weitere Anmerkungen In der vorliegenden Studie wurden zwei, stark vergletscherte Einzugsgebiete untersucht. Dazu wurde das dafür ausgelegte glaziohydrologische Modell GERM verwendet. Kern darin sind die Massenbilanz- und Gletscherentwicklungsmodelle. Verglichen mit der ersten Version des Modells, welches von Huss et al. (2008b) präsentiert wurde, konnten entscheidende Fortschritte bei der Berechnung der Entwicklung der Gletschergeometrie erzielt werden. Mittlerweile liegt auch ein neues 3D-Gletscherfliessmodell (Jouvet et al., 2008) vor, welches für operationelle Anwendungen zur Verfügung steht. Das Massenbilanzmodell basiert auf einem robusten Ansatz, dessen Parameter für jedes Einzugsgebiet separat kalibriert werden müssen. Allerdings zeigten Studien (z.B. Huss et al., 2009), dass die verwendeten Parameter insbesondere bei grossen Veränderungen der Vergletscherung über längere Zeit nicht unbedingt konstant bleiben. Weiterer Forschungsbedarf besteht auch bei der Berechnung der räumlichen wie zeitlichen Verteilung der Akkumulation. Verhältnismässig wenig Aufmerksamkeit wurde dem Prozess der Evapotranspiration gewidmet. Für Alpine Einzugsgebiete wird in der Regel davon ausgegangen, dass aufgrund der relativ tiefen Temperaturen und der spärlichen Vegetation der Evapotranspiration nur eine untergeordnete Rolle im Wasserkreislauf zukommt (z.B. Bernath, 1991; Verbunt et al., 2003). Die vorgelegten Resultate deuten jedoch darauf hin, dass dieses Verhältnis sich in Zukunft signifikant ändern könnte. Auch in diesem Falle wären entsprechende Abklärungen von grosser Bedeutung, insbesondere messungsbasierte. Die präsentierten Vertrauensintervalle und Bandbreiten beschränken sich auf die Unsicherheiten in der zukünftigen 277
Klimawandel & Wasserkraft
Bild 6. Zeitliche Entwicklung des Abflussregimes in den Einzugsgebieten Gorner (links) und Mattmark (rechts). Gezeigt ist der Verlauf des mittleren Tagesabflusses gemittelt über eine Periode von 30 Jahre und sämtliche Modellrealisierungen.
Klimawandel & Wasserkraft
Entwicklung des Klimas. Weitere Unsicherheiten, die aufgrund des gewählten Modellansatzes entstehen (z.B. die erwähnten Modellparameter oder das Evaporationsmodul), wurden in der vorliegenden Studie nicht untersucht.
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Auswirkungen der Klimaänderung auf die Geschiebefracht in Einzugsgebieten von Kraftwerksanlagen im Kanton Wallis Mélanie Raymond Pralong, Jens Martin Turowski , Dieter Rickenmann, Alexander Beer, Valentin Métraux, Thierry Glassey
Zusammenfassung Für die Einzugsgebiete der vier Walliser Kraftwerke Grande Dixence SA, Gougra SA, Mattmark AG und Mauvoisin SA wurde der Einfluss der Klimaänderung auf den Geschiebetransport basierend auf den aktuellsten Klima-, Gletscher- und Abflussszenarien untersucht. Der zukünftige Geschiebetransport wurde mittels einer abflussbasierten Transportformel bestimmt, welche den Einfluss der Sedimentverfügbarkeit nicht explizit berücksichtigt. Die Ergebnisse zeigen, dass aufgrund der durch die Klimaänderung bedingten geringeren Abflüsse die ausgetragenen Sedimentmengen bei ca. der Hälfte (38 von 64) der untersuchten Einzugsgebiete abnehmen werden. Die grössten Geschiebemengen werden künftig früher im Jahr transportiert, es findet eine Verschiebung vom Sommer in den Frühling statt.
278
1. Einleitung Die prognostizierte Klimaänderung wird das Abflussregime und den damit verbundenen Sedimenttransport alpiner Einzugsgebiete nachhaltig verändern. Der Feststofftransport aus den Einzugsgebieten der Wasserkraftanlagen kann zu Verlandungen von Stauseen, zur Abnutzung von Turbinen, zu vermehrten Spülungen sowie während Extremereignissen zur Beschädigung von Wasserfassungen führen (Bild 1 und Bild 2). Häufigere Spülungen verbrauchen Wasser, das nicht mehr für die Pro-
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Klimawandel & Wasserkraft Bild 1. Turtmanngletscher mit Moränen sowie Sedimentablagerungsbecken der Gougra SA vom Staudamm aus gesehen (Foto: A. Beer, WSL). duktion zur Verfügung steht und verursachen somit direkt Kosten. Diese Prozesse können erhebliche Auswirkungen auf die Betriebs- und Unterhaltskosten bei Kraftwerkanlagen haben. Aus diesen Gründen wurde im Rahmen des Projekts «Wallis, Klimaänderung und Wasserkraftnutzung» der Einfluss der Klimaänderung auf den Geschiebetransport bzw. den gesamten Sedimenttransport untersucht, mit dem Ziel, diesbezügliche Änderungen zu quantifizieren. Dabei wurde der zukünftige Geschiebetransport der Perioden 2021–2050 (nahe Zukunft) und 2070–2099 (ferne Zukunft) für die Einzugsgebiete der vier Walliser Kraftwerksgesellschaften Grande Dixence SA, Gougra SA, Mattmark AG und Mauvoisin SA bestimmt. Die Berechnungen des zukünftigen Geschiebetransportes basieren auf der Modellkette Klima-, Gletscher- und Abflussprognose, welche im Artikel von Schädler et al. (dieses Heft) ausführlich erläutert sind und hier nicht weiter beschrieben werden. Die zu erwartenden Veränderungen hängen jedoch auch von der
Geomorphologie und Sedimentverfügbarkeit der einzelnen Einzugsgebiete ab; dieser Aspekt wurde nur am Beispiel des Turtmanntals untersucht. Der vorliegende Bericht fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen. Weiterführende Ergebnisse können im Bericht von Raymond Pralong et al. (2011) nachgelesen werden. 2.
Grundlagen zum Sedimenttransport
2.1 Der Geschiebetrieb Unter dem Begriff Geschiebetransport ist die Verlagerung von Gesteinkörnern grösser als etwa Feinsand durch Gerinneabfluss zu verstehen, wobei die Körner vorwiegend in Sohlennähe transportiert werden. Im Begriff Sedimenttransport werden auch die feineren Korngrössen eingeschlossen, welche vorwiegend als Schwebstoff transportiert werden und sich auch in den Stauseen ablagern. Die Materialmenge, welche durch Wasser mobilisiert und transportiert werden kann, hängt von der Transportkapazität des Gerinnes
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
und von der Sedimentverfügbarbeit ab. Die Transportkapazität ist einerseits vom geringsten Gefälle innerhalb des Flussverlaufes abhängig, da dort die Schubspannungen an der Sohle am kleinsten sind. Andererseits bestimmt die Abflussmenge die Transportkapazität mit. Damit Material tatsächlich ausgetragen werden kann, ist ein kritischer Abfluss nötig, welcher als untere Grenze für den Stofftransport gilt. Unterhalb dieser Abflussmenge findet kein Sedimenttransport statt. 2.2
Berechnung der Geschiebetransportrate In dieser Studie wurden die zukünftigen Geschiebefrachten mittels einer abflussbasierten Geschiebetransportgleichung bestimmt. Die Geschiebetransportrate wird mit folgender kompakten Gleichung berechnet: (1) Dabei ist qb die volumetrische Geschiebetransportrate pro Einheitsbreite, q der 279
Klimawandel & Wasserkraft
Bild 2. Beschädigte Wasserfassung Riedbach in Grächen (Mattertal, Mattmark AG) als Folge eines Wasserausbruches im Riedgletscher am 08. August 1989 (Fotos: Kraftwerke Mattmark AG). Abfluss pro Einheitsbreite qc, der kritische Abfluss pro Einheitsbreite bei Beginn des Geschiebetransportes und S das Gerinnegefälle. Für eine ausführliche Herleitung dieser Gleichung wird auf Badoux & Rickenmann (2008) oder Nitsche et al. (2011) verwiesen. Der kritische Abfluss qc in Gleichung (1) wird mit folgender empirischer Gleichung abgeschätzt
(2) Dabei ist s = ρs / ρ das Verhältnis von Feststoffdichte ρs zur Fluiddichte ρ, g die Gravitationsbeschleunigung und dx die charakteristische Korngrösse des Bachmaterials, für welche x% des Materials feiner sind. Für das Dichteverhältnis von Quarzsediment zu Wasser wird s = 2.68 gesetzt. Gl. (2) wurde von Bathurst et al. (1987) vorgeschlagen und von Rickenmann (1990) leicht modifiziert. Sie basiert auf Laborversuchen mit relativ einheitlichen Korngrössen und Gerinnegefällen von 0.0025 bis 0.2 und entspricht Bedingungen in einem Bachbett ohne Deckschicht und ohne ausgeprägte Sohlstrukturen. Berücksichtigung des hohen Fliesswiderstandes in steilen und rauen Gerinnen Zur Bestimmung des Geschiebetransportes unter Berücksichtigung von Energieverlusten durch grobe Rauigkeitselemente kann Gl. (1) in Kombination mit einem Ansatz für die Aufteilung des Fliesswiderstandes verwendet werden. Das reduzierte Energieliniengefälle Sred bezieht sich dabei auf ein Basisniveau des Fliesswiderstandes (für eine Grundrauigkeit des Sohlenmaterials) und bestimmt
die verbleibende Energie, welche für den Geschiebetransport zur Verfügung steht (Rickenmann & Recking, 2011):
(3) Dabei bezieht sich der Darcy-Weisbach Reibungskoeffizient ftot auf die Gesamtreibung und fo auf die Basisreibung bzw. der Manning-Strickler Reibungsbeiwert ntot auf die Gesamtreibung und no auf die Basisreibung. Meyer-Peter und Müller (1948) schlugen aufgrund ihrer Experimente einen empirisch bestimmten Wert e = 1.5 vor. Rickenmann et al. (2006) gehen davon aus, dass plausible Werte für den Exponenten e im Bereich von 1 ≤ e ≤ 2 liegen, was durch Untersuchungen zum Geschiebetransport in steilen Gerinnen in der Schweiz und Österreich bestätigt wird (Badoux & Rickenmann, 2008; Chiari & Rickenmann, 2011; Nitsche et al., 2011). Hier wurde e = 1.5 verwendet. Das Verhältnis zwischen Basiswiderstand und gesamtem Fliesswiderstand ergibt sich zu:
2.3
280
eine Funktion der relativen Abflusstiefe. Es handelt sich dabei um einen pauschalen, empirischen Ansatz, welcher aber implizit Informationen über eine durchschnittliche Rauigkeitserhöhung in steilen und rauen Gerinnen enthält.
(4)
Dabei ist v die mittlere Fliessgeschwindigkeit unter Berücksichtigung der Gesamtreibung und ftot und vo bezeichnet eine virtuelle Fliessgeschwindigkeit unter Berücksichtigung der Basisreibung fo. Das Resultat der Aufteilung des Fliesswiderstandes nach Gl. (4) wird in Gl. (3) für die Berechnung von Sred eingesetzt. Die hier vorgeschlagene Aufteilung ist im Grunde
3. Die Untersuchungsgebiete Grande Dixence Das Einzugsgebiet der Grande Dixence SA liegt südlich des Rhonetals, jeweils in den hinteren Teilen des Mattertals und des Val d’Hérens (rote Fläche in Bild 3) und umfasst eine Fläche von 357 km2. Insgesamt werden 36 verschiedene Teileinzugsgebiete gefasst. Das Gesamteinzugsgebiet ist zu zwei Dritteln und gewisse Teileinzugsgebiete bis zu 80% vergletschert. Das gesammelte Wasser wird über einen Hauptstollen in den Grande Dixence Stausee im Nachbartal Val des Dix geleitet. Alle Wasserfassungen liegen oberhalb 2000 m ü.M. Die Standorte der Wasserfassungen sind mit einem Punkt dargestellt. Die grössten Gletscher im Gebiet sind Gorner-, Findelen-, Zmuttgletscher, Glacier de Ferpècle und Haut Glacier d’Arolla. Die Teileinzugsgebietsflächen liegen zwischen 1.5 km2 (Douves Blanches) und 80 km2 (Gornera), wobei die Mehrheit Flächen unter 5 km2 liegen (21 Teileinzugsgebiete). Gougra Das Einzugsgebiet der Gougra SA liegt im hinteren Val d’Anniviers und im Nachbartal Turtmann und umfasst eine Fläche von 252 km2 (hellblaue Einzugsgebiete in Bild 3). Neben dem natürlichen Einzugsgebiet wird dem Stausee Moiry (2250 m ü.M) Wasser der Navisence von Mottec sowie das Wasser aus dem Turtmannstausee zugeleitet. Das Teileinzugsgebiet der Turtmänna umfasst eine Fläche von 36.6 km2
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
4.
Modellierung des künftigen Sedimenttransportes Für die Berechnung des künftigen Sediment- bzw. Geschiebetransportes sollten Voraussagen über (i) die Abflussentwicklung und (ii) die Entwicklung der Sedimentverfügbarkeit in den einzelnen Einzugsgebieten gemacht werden können. In den hier vorgestellten Resultaten wurde hauptsächlich der Einfluss der Abflussentwicklung auf den Geschiebetransport untersucht (Einflussfaktor i). Die Beurteilung der Entwicklung der Sedimentverfügbarkeit ist schwieriger zu quantifizieren und basiert u.a. auf detaillierteren Felduntersuchungen. Im Rahmen dieses Projektes wurde dieser Aspekt nur für das Einzugsgebiet des Turtmanntals (Gougra SA) untersucht. Dort übersteigt die verfügbare Sedimentmenge die Transportkapazität des Baches um mehrere Grössenordnungen. Der Bach zeigt also transport-limitiertes Verhalten. Die Ergebnisse sind
Klimawandel & Wasserkraft
mit einer Vergletscherung von 56% (Zuber, 2005) und erreicht eine maximale Höhe von 4151 m ü.M (Bishorn). Neben dem natürlichen Einzugsgebiet wird dem Turtmannstausee Wasser aus den Bächen Brändji, Bluomatt und Frilli zugeleitet. Mattmark Das Einzugsgebiet des Stausees Mattmark AG liegt im hinteren Saastal und umfasst eine Fläche von 85.9 km2 (dunkelblaue Einzugsgebiete in Bild 3). Der Stausee liegt auf 2197 m ü.M. Das natürliche Einzugsgebiet von 37.1 km2 erreicht eine maximale Höhe von 3795 m ü.M. (Fluchthorn). Neben dem natürlichen Einzugsgebiet werden dem Stausee Mattmark die links- und rechtsufrigen Seitenbäche der Saaser Vispa (Triftbach, Almagellerbach, Furgbach, Allalinbach, Hohlaubbach) mit einem Gesamteinzugsgebiet von 51.1 km2 zugeleitet. Gletscher wie der Schwarzberg-, Allalin- und Feegletscher prägen das alpine Landschaftsbild. Im Jahr 1985 betrug die vergletscherte Fläche im Gesamteinzugsgebiet 30.3 km2, was einem Anteil von 35.4% entspricht. Mauvoisin Das Einzugsgebiet des Stausees Mauvoisin liegt im hinteren Teil des Val de Bagnes (in Bild 3 gelb markiert). Dem Stausee werden neben den natürlichen Zuflüssen mit einem Einzugsgebiet von 114 km2 auch die links- und rechtsufrigen Bäche des mittleren Val de Bagnes mit einem Einzugsgebiet von 53 km2 zugeleitet. Das Einzugsgebiet ist zu 43 Prozent vergletschert. Der Grand Combin mit einer Höhe von 4314 m ü.M. bildet den höchsten Gipfel.
Bild 3. Einzugsgebiete der Kraftwerksbetriebe Grande Dixence SA (rot), Gougra SA (hellblau), Mattmark AG (blau) und Mauvoisin SA ( gelb). im Detail von Beer (2009) und Raymond Pralong et al. (2011) beschrieben. 4.1 Geschiebefrachtprognosen Der künftige Geschiebetransport wird anhand des prognostizierten Abflusses berechnet. Dazu wird die abflussbasierte Transportformel (Gleichung [1]) an den beobachteten Geschiebefrachten (falls vorhanden abgeschätzt aus Anzahl Spülungen der Entsander und Entkieser) geeicht und auf die prognostizierten Abflusswerte angewandt. Die Geschiebefrachten wurden für je zehn Klima-Abfluss-Szenarien für die Perioden 2021–2050 und 2070– 2099 berechnet und im Verhältnis zu den Referenzwerten der Periode 1980–2009 gesetzt. 5. Resultate Der künftige Geschiebetransport wurde für insgesamt 65 Bäche untersucht: 36 im Gebiet der Grande Dixence, 10 in jenem der Kraftwerke Gougra, neun im Einzugsgebiet der Kraftwerke Mattmark und 10 für das Gebiet von Mauvoisin. Die Berechnungen geben die Änderung der Transportkapazität wieder; die Geschiebeverfügbarkeit wurde nicht explizit berücksichtigt. Zur besseren Übersicht wurden für jede Messstelle die mittlere jährliche Geschiebefracht über alle zehn Szenarien ermittelt, und mit dem Wert der Referenzperiode normalisiert. Bei einem Bach (Pas de Chèvres; Grande Dixence) lag der berechnete Geschiebetransport in der Referenzperiode und in den meisten Szenarien bei Null, das
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heisst, dass der mittels Gleichung (2) abgeschätzte Abflussgrenzwert für den Transportbeginn nicht überschritten wurde. Bei diesem Bach dominieren jetzt und in Zukunft Extremereignisse den Geschiebetransport. Dieser Bach wird im Folgenden nicht berücksichtigt. 5.1
Auswirkungen auf die Geschiebemengen und die saisonale Verteilung des Geschiebetransportes Im Durchschnitt gibt es in den restlichen 64 Bächen im Vergleich zu den Beobachtungen der Referenzperiode in der Periode 2021–2050 einen Geschiebeanstieg um den Faktor 2.15 (Median 1.39), in der Periode 2070–2099, um einen Faktor 4.69 (Median 3.79). Diese Werte sind jedoch stark beeinflusst von zwei Ausreissern (Rocs Rouges, Grande Dixence: Mittelwert 40.67 in 2050 und 75.40 in 2099; und Crête Sèche, Mauvoisin: Mittelwert 41.18 in 2050 und 173.28 in 2099). Werden diese Bäche in dem Vergleich weggelassen, verringert sich der Mittelwert für 2021–2050 auf 0.90 (Median 0.88) und für 2070–2099 auf 0.84 (Median 0.83). Im Allgemeinen kann also bei den untersuchten Bächen von einem Geschieberückgang ausgegangen werden, vor allem für die Periode 2070 bis 2099 (Bild 4). Die durch die Klimaänderung bedingten geringeren mittleren Abflüsse rufen diesen Rückgang hervor. Bis 2050 zeigen nur neun Bäche gesteigerte Geschiebelieferungen um mehr als 20%, während 13 Bäche weniger als 80% der Geschiebefrachten in der Referenzperiode 281
Klimawandel & Wasserkraft
bringen. Die restlichen 42 Bäche liefern zwischen 80% und 120% der Referenzfrachten. Bis 2099 liefern zehn Bäche mehr Geschiebe, aber nur noch 16 Bäche liefern ähnliche Frachten wie in der Referenzperiode. Die restlichen 38 Bäche liefern weniger als 80% der Geschiebefrachten der Referenzperiode. Die Veränderungen in den jahreszeitlichen Verteilungen der Geschiebelieferung sind in Bild 5 dargestellt. Bis 2099 betreffen sie fast alle Einzugsgebiete. Die maximalen jährlichen Geschiebemengen fallen heute für die meisten Bäche in den für ein glaziales Abflussregime abflussreichsten Sommermonaten Juli und August an. Aufgrund der veränderten Abflussregimes verschiebt sich ihr Auftreten in Zukunft in den Frühsommer. Bis 2050 zeigen 50% der Bäche eine veränderte Geschiebelieferung vom Sommer in den Frühling (glaziales zu nivales Abflussregime), bis 2099 gar 67%. Eine Verschiebung der jährlichen Geschiebelieferung vom Frühling in den Winter wird erst ab 2070–2099 beobachtet und betrifft acht Bäche. Bis 2050 zeigen 28 Bäche keine Verschiebung, bis 2099 nur noch neun Bäche. Fünf Bäche sind stark von Extremereignissen beeinflusst. Jährliche Geschiebeganglinien, Fallbeispiele zu verschiedenem Bachverhalten Die Einzugsgebiete reagieren je nach Höhenlage und Vergletscherungsgrad, Schneebedeckung, Ausdehnung des Permafrostes, Vegetationsbedeckung und Sedimentverfügbarkeit unterschiedlich auf die Klimaänderung. Die Sedimentverfügbarkeit spielt dabei eine wesentliche Rolle, konnte aber wie bereits erwähnt im Rahmen dieser Studie nur für das Einzugsgebiet des Turtmanntals berücksichtigt werden. Im Folgenden werden Jahresgeschiebeganglinien gezeigt, die verschiedene Reaktionen der Einzugsgebiete auf die Klimaänderung darstellen. Bei gewissen Einzugsgebieten wird nur eine Zunahme der Geschiebefrachten, jedoch keine saisonale Verschiebung in der Zukunft erwartet. Für Tsijiore Nouve (Grande Dixence SA) wurde z.B. eine Zunahme der Geschiebelieferung von im Mittel 177% der Geschiebemengen der Referenzperiode bis 2050 und 393% bis 2099 berechnet (Bild 6). Bei dem Einzugsgebiet Langfluh (Grande Dixence SA) dagegen wird eine Abnahme der Geschiebefrachten auf 80% der Geschiebemengen der Referenzperiode für 2021–2050 und auf 40% für 2070 – 2099 erwartet (Bild 7). Eine saisonale Ver-
Bild 4. Geschiebetransportänderungen in 64 untersuchten Bächen für die Perioden 2021–2050 (links) und 2070–2099 (rechts) im Vergleich zu den Referenzwerte der Periode 1980–2009. Mehr Geschiebetransport entspricht einem Wert von >120 Prozent der Geschiebemengen der Referenzperiode, weniger Geschiebetransport einem Wert <80 Prozent der Referenzperiode. Ein gleicher Geschiebetransport gilt für Geschiebemengen zwischen 80 und 120 Prozent der Werte der Referenzperiode.
5.2
282
Bild 5. Veränderung der jahreszeitlichen Verteilungen der Geschiebelieferung in 64 untersuchten Bächen für die Perioden 2021–2050 (links) und 2070–2099 (rechts). schiebung der maximalen Geschiebemengen von den Sommermonaten zum Frühling ist ab 2021–2050 klar erkennbar. Im Einzugsgebiet Mellichen (Grande Dixence SA) ist für die Periode 2021–2050 eine Zunahme des Geschiebeaufkommens auf 143% und dann für die Periode 2070–2099 eine Abnahme auf 60% prognostiziert. Hier findet ebenfalls eine saisonale Verschiebung der maximalen Geschiebemengen vom Sommer in den Frühling statt, jedoch erst ab 2070– 2099 (Bild 8). 5.3
Sedimentverfügbarkeit am Beispiel des Turtmanntals Zur Bestimmung des vorhandenen Sedimentvolumens im Einzugsbereich des Turtmannstausees (Gougra SA, siehe auch Bild 3), welches für Erosion und Transportprozesse zur Verfügung steht, wur-
den Felderhebungen mit ArcGIS basierten Berechnungen kombiniert. Die massgeblichen Sedimentmengen im Gebiet bilden sich aus Moränenmaterial des Turtmannund Brunegggletschers heraus, sowie aus Moränenschutt eines seitlich ins Haupttal einmündenden Seitentals, dem Innern Wängertälli (Bild 9a). Gesamthaft befinden sich 32±13 Millionen Kubikmeter potenziell erodierbare Sedimente im Gebiet des oberen Turtmanntals inklusive des Innern Wängertällis. Zur Abschätzung des Anteils potenziell erodierbaren Sediments, welches in das Turtmann-Sedimentationsbecken und den Stausee eingetragen werden könnten, sind die lokalgeographischen Gegebenheiten massgebend. Limitierende und fördernde Eigenschaften der verschiedenen Standorte für den Austrag von Geschiebematerial werden unterschieden (Beer, 2009). Das potenzielle
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Bild 7. Jährliche Geschiebeganglinien (m3/Tag) für je zehn Szenarien der Perioden 2021 bis 2050 (links) und 2070 bis 2099 (rechts) im Vergleich zur Referenzperiode 1980–2009 (schwarz) für das Einzugsgebiet Langfluh (Grande Dixence). Klar erkennbar ist die saisonale Verschiebung der Geschiebelieferung von den Sommermonaten (glazial) zum Frühling (niveal).
Bild 8. Jährliche Geschiebeganglinien (m3/Tag) für je zehn Szenarien der Perioden 2021 bis 2050 (links) und 2070 bis 2099 (rechts), jeweils im Vergleich zur Referenzperiode 1980–2009 (schwarz) für das Einzugsgebiet Mellichen (Grande Dixence). Austragvolumen wurde auf 27 Millionen Kubikmeter abgeschätzt (Bild 9b). 6. Diskussion Die hier vorgestellten quantitativen Geschiebefrachtprognosen betrachten den Einfluss der Änderung des Abflusses auf den Geschiebetransport und gelten somit strenggenommen nur für sogenannte transport-limitierte Gebirgsbäche (Begrenzung des Geschiebeaufkommens durch
das Transportvermögen des Baches). Der zukünftige Geschiebetransport kann aber auch stark von einer veränderten Sedimentverfügbarkeit im Einzugsgebiet beeinflusst werden, dies gilt vor allem für verfügbarkeits-limitierte Gebirgsbäche. Tendenziell ist anzunehmen, dass die Sedimentverfügbarkeit in einigen Gebieten durch den Rückzug der Gletscher und den Rückgang des Permafrostes zunehmen dürfte. Die Frage der Sediment-
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verfügbarkeit wurde beispielhaft im Einzugsgebiet des Turtmanntals untersucht. Dort übersteigen die vorhandenen Sedimentmengen die Transportkapazität bei Weitem. Deswegen kann angenommen werden, dass für die heute transport-limitierten Gletscherbäche auch in Zukunft genügend Sediment bzw. Geschiebe zur Verfügung steht. Umgekehrt ist es aber denkbar, dass für heute verfügbarkeitslimitierte Gletscherbäche in gewissen 283
Klimawandel & Wasserkraft
Bild 6. Jährliche Geschiebeganglinien (m3/Tag) für je zehn Szenarien der Perioden 2021 bis 2050 (links) und 2070 bis 2099 (rechts) im Vergleich zur die Referenzperiode 1980–2009 (schwarz) für das Einzugsgebiet Tsijiore Nouve (Grande Dixence SA). In diesem Beispiel erhöhen sich die Geschiebefrachten stark, ohne dass eine saisonale Verschiebung sichtbar ist.
Klimawandel & Wasserkraft Bild 9a. Die Sedimentkörper im oberen Turtmanntal und im Innern Wängertälli. Fällen in den nächsten Jahrzehnten mehr Sediment bzw. Geschiebe in das Gerinnesystem gelangen könnte und so der Geschiebetransport allenfalls auch bei abnehmenden Abflüssen zunehmen könnte. Eine genaue Unterscheidung der untersuchten Bäche in transport-limitierte bzw. verfügbarkeits-limitierte Systeme ist nicht einfach möglich, und würde insbesondere weitere Felduntersuchungen erfordern. Ausser dem Beispiel Turtmanntal wurde die Sedimentverfügbarkeit in der Studie bei der Bestimmung der zukünftigen Geschiebefrachten nicht berücksichtigt. Dies könnte pro Einzugsgebiet je nach geomorphologischem Kontext zu einer Unter- oder Überschätzung der zukünftigen Frachten führen und sollte bei der Interpretation der Resultate berücksichtigt werden. Durch das sich ändernde Abflussverhalten der Bäche führen unsere Berechnungen meist zu einem leichten bis mittleren Geschieberückgang, zumindest wenn die prognostizierten Abflussmengen als korrekt angenommen werden. Für die Interpretation der Ergebnisse sollte man sich jedoch bewusst machen, dass alle Unsicherheiten und Fehler der Modellkette (Emissionsmodelle, Klimaszenarien, Gletscherflächenänderung, Abflussvorhersage) sich direkt auf die Vorhersagen des Geschiebetriebs auswirken. Eine ausführliche Diskussion der verschiedenen Unsi284
Bild 9b. Potenziell erodierbares Sedimentvolumen im Bereich der unbewachsenen Moränen.
cherheiten kann in den entsprechenden Fachberichten gefunden werden. Eine wichtige Änderung im Transportverhalten ergibt sich für den saisonalen Verlauf des Geschiebetransportes. Durch den Rückgang der Gletscher steht im Sommer weniger Wasser zur Verfügung, das stattdessen während der Schneeschmelze im Frühling abfliesst, oder sogar direkt während des Winters als Regen in die Bäche gelangt. Starkniederschlagsereignisse im Sommer und Herbst könnten in Zukunft vermutlich auch eine grössere Rolle spielen. Dies würde heissen, dass die Geschiebelieferung grösseren Schwankungen unterliegen und weniger vorhersagbar wird. Die Sedimentlieferung bei Extremereignissen könnte auch die Wahrscheinlichkeit für Schäden an wasserbaulichen Anlagen erhöhen. Die Veränderung des Feststofftransportes durch Starkniederschlagsereignisse wurde im Projekt «Wallis, Wasserkraft, Klimaänderung» nicht explizit berücksichtigt (weder in den Klimamodellen noch in den hydrologischen Modellen), und kann deshalb hier nur qualitativ diskutiert werden.
stimmt. Im Durchschnitt ist eine Abnahme der ausgetragenen Sedimentmengen zu erwarten, bedingt durch die sinkenden Abflussmengen. Im Einzelfall reagieren aber die verschiedenen Einzugsgebiete entsprechend ihren lokalen Verhältnissen (Höhenlage, Vergletscherungsgrad usw…) unterschiedlich auf die Klimaänderung. So wird bei einigen Einzugsgebieten zuerst eine Zunahme, später eine Abnahme der Geschiebemengen erwartet. Andere Einzugsgebiete verhalten sich gegensätzlich und bei weiteren Gebieten wird entweder nur eine Zunahme oder Abnahme des Sedimenttransports prognostiziert. Die Sedimentverfügbarkeit wurde nur in einem Fallbeispiel berücksichtigt. Der Einfluss Starkniederschlagsereignisse auf den zukünftigen Geschiebetransport wurde in dieser Studie nicht berücksichtigt. Verdankung Diese Arbeit wurde im Rahmen des Projektes «Sektorielle Studie zum Einfluss der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung im Kanton Wallis» durchgeführt. Wir danken den Autraggebern Forces Motrices Valaisannes und Dienststelle für Energie und Wasserkraft Kanton Wallis, und
7. Schlussfolgerungen Für die Einzugsgebiete der vier Walliser Kraftwerke Grande Dixence SA, Gougra SA, Mattmark AG und Mauvoisin SA wurde der zukünftige Geschiebetransport für die Perioden 2021–2050 und 2070–2099 be-
insbesondere J. Pralong, E. Caloz, P. Michellod, P. Amacker, M. Steiner, F. Zuber für die Unterstützung des Projektes. Für die freundliche Bereitstellung von Unterlagen danken wir den Kraftwerkgesellschaften Grande Dixence SA, Gougra SA, Mattmark AG und Mauvoisin SA.
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
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Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf
a numerical model, Earth Surface Processes
jekte/ccwasserkraft.html
Tel. +41 44 739 24 24, jens.turowski@wsl.ch
Auswirkungen auf die Wasserverfügbarkeit und Stromproduktion an den Beispielen Oberhasli und Mattmark Manfred Stähli, Mélanie Raymond-Pralong, Massimiliano Zappa, Andreas Ludwig, Frank Paul, Thomas Bosshard, Christian Dupraz
Zusammenfassung Im Rahmen der SwissElectric Research Studie «Klimaänderung und Wasserkraft» wurde für den Stausee Mattmark und das gesamte Einzugsgebiet des Kraftwerks Oberhasli (KWO) berechnet, wie sich die natürlichen Wasserzuflüsse zu den Reservoiren mit den prognostizierten Klimaänderungen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts verändern werden. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Mächtigkeit der Schneedecke in beiden Gebieten in diesem Zeitraum mehr als halbieren wird. Infolge der saisonalen Vorverschiebung der Schneeschmelze um fünf bis acht Wochen wird die wasserarme Zeit länger. Die mittlere jährliche Abflussmenge dürfte im KWO-Gebiet um 3%±3% (Zeitraum 2021–50), resp. um 7%±6% (Zeitraum 2070–99) abnehmen; im Einzugsgebiet Mattmark um 6%±5% (2021–50), resp. um 12%±6% (Zeitraum 2070–99). Berechnungen mit einer Kraftwerksoptimierungs-Software ergeben, dass die durch die Klimamodellketten bedingte Unsicherheit grösser ist als die Änderung der jährlichen Produktion, resp. des jährlichen Umsatzes. Übereinstimmend wird jedoch vorausgesagt, dass als Folge des sich ändernden Abflussregimes die Produktion im Winter leicht zunehmen wird, im Sommer jedoch deutlich abnehmen wird. Ebenso haben diese hydrologischen Änderungen Auswirkungen auf die Revisionsplanung.
1. Einleitung Die prognostizierte Klimaänderung wird die Schneedecke und Gletscher in alpinen Einzugsgebieten nachhaltig verändern. Dies wird Auswirkungen auf die natürlichen Zuflüsse zu den Speicherseen und Wasserfassungen der Kraftwerkanlagen haben. Wie gross sind diese und was be-
deuten sie konkret für die Stromproduktion und den Umsatz? Vier Fallstudien im Rahmen des swisselectric research/BfE-Projekts «Klimaänderung und Wasserkraftnutzung» sind dieser Frage nachgegangen. Dabei wurde eine einheitliche Methodik verwendet, welche in Abschnitt 2 erläutert wird.
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Der vorliegende Bericht fasst die wichtigsten Ergebnisse der Fallstudien Oberhasli und Mattmark zusammen. Für die Resultate der beiden anderen Fallstudien – Göscheneralp und Gougra – wird auf die Internetseiten http://www.hydrologie.unibe.ch/projekte/ccwasserkraft. html verwiesen. 285
Klimawandel & Wasserkraft
Literatur
Klimawandel & Wasserkraft
2. Modellierungsmethodik Die Ergebnisse dieser Fallstudie basieren auf regionalen Klimamodelldaten des europäischen Projektes ENSEMBLES, welche alle vom Emissionsszenario A1B (moderate Erwärmung) ausgehen. Diese umfassen zehn verschiedene Modellketten von Globalen Zirkulationsmodellen (GCM) und Regionalen Klimamodellen (RCM) und widerspiegeln die Unsicherheits-Bandbreite der Klimamodelle. Um die erwarteten lokalen Klimaänderungen in den Fallstudiengebieten abzubilden, wurden für alle relevanten MeteoSchweiz-Messstellen Jahresgänge der Temperatur- und Niederschlagsänderung für die Zeiträume 2021–2050 (nahe Zukunft) und 2070–2099 (ferne Zukunft) relativ zur Kontrollperiode 1980–2009 berechnet. Diese statistische Downscaling-Methode wird auch Delta-change-Ansatz genannt (Bosshard et al., 2011). Bezüglich Vergletscherung wurde für die beiden Zukunftsszenarien die Gletscherfläche von 1985 mit einem Modell von Paul et al. (2007) in Fünf-Jahres-Schritten kontinuierlich reduziert. Das Modell basiert auf der einfachen Annahme, dass die Gleichgewichtslinie entsprechend der Lufttemperaturerhöhung ansteigt, sich dadurch das Akkumulationsgebiet der Gletscher verkleinert und sich die Gletschergrösse nach 50 Jahren an die neuen Bedingungen angepasst hat. Für die Abflussberechnung wurde die neue Gitterversion des hydrologischen Modells PREVAH (Viviroli et al., 2009 a) mit regionalisierten Parametern von Viviroli et al. (2009 b und c) aufgesetzt (Gittergrösse = 200 m). Anhand von gemessenen Zuflussdaten bei den Wasserfassungen wurden die Modellparameter optimiert. Danach wurden für die Kontrollperiode 1980–2009 in täglicher Auflösung folgende hydrologischen Grössen berechnet: Niederschlag, Verdunstung, Schneewasserwert, Eis- und Schneeschmelze, Bodenwasserspeicher und Abfluss. Dazu wurden die gemessenen meteorologischen Grössen der nahegelegenen MeteoschweizStationen über das Einzugsgebiet hinweg interpoliert. Für die beiden Zukunftsszenarien wurden die Modellparameter unverändert wie bei der Kontrollsimulation beibehalten. Die Temperatur- und Niederschlagsmesswerte der Kontrollperiode wurden stationsweise mit den prognostizierten täglichen Änderungen (Delta change) korrigiert. Somit entstanden zwei neue 30-jährige Zeitreihen mit ähnlicher Variabilität, wie sie in der Kontrollperiode beobachtet worden war, aber 286
mit den erwarteten saisonalen Veränderungen. Abschliessend wurden die Ergebnisse des hydrologischen Modells PREVAH – insbesondere der simulierte natürliche Abfluss aus den Teileinzugsgebieten (Tageswerte) – als Input in eine Kraftwerkoptimierungssoftware eingegeben. Damit wurde für die Zukunftsszenarien die Änderung der Produktion, resp. des Umsatzes unter den heutigen Strommarkt-Randbedingungen berechnet. 3.
Beschreibung der Einzugsgebiete und Kraftwerkanlagen
3.1 KWO Das Einzugsgebiet der KWO (Bild 1) erstreckt sich von Innertkirchen (Kanton Bern; 630 m ü.M.) hinauf bis zum Finsteraarhorn (4274 m ü.M.) und umfasst eine Fläche von 450 km2. Grosse Teile der Landschaft weisen alpinen Charakter auf, mit vergletscherten Gebieten in höheren Lagen (Unteraar-, Oberaar-, Triftgletschter usw.). Unterhalb der nivalen Höhenstufe sind vom Gletscher geschliffene Felsoberflächen und flachgründige Böden mit einfacher Vegetation verbreitet, welche zu einer insgesamt geringen Wasserspeicherkapazität führen. Der geologische Untergrund setzt sich im Wesentlichen aus den Graniten und Gneisen des Aarmassivs zusammen. Nördlich des Gadmentals sind zudem Sedimente der helvetischen Decken aufgeschlossen. Gemittelt über das Gebiet fallen pro Jahr im Durchschnitt 2170 mm Niederschlag (Periode 1980–2009). Diese Summe scheint relativ hoch, wenn man sie mit den Jahresniederschlägen an den Stationen Guttannen (1614 mm) oder Meiringen (1351 mm) vergleicht. Die Station Grimsel-Hospiz (2094 mm) bestätigt aber den starken Niederschlagsgradienten mit der Höhe (von ca. 5% pro 100 m). Dieser ist auch mit verschiedenen ausführlichen Studien in einem benachbarten Gebiet von Farinotti et al. (2010) und Magnusson et al. (2011) gut belegt. Somit ergibt sich für das gesamte Einzugsgebiet ein Jahresvolumen von knapp 1000 Mio. m3 Wasser. Für diese Studie wurde das gesamte KWO-Gebiet in elf Teileinzugsgebiete unterteilt. Vier davon sind nur zu einem geringen Anteil vergletschert: Haslital, Gadmen, Ürbach und Gental. Die Teileinzugsgebiete mit dem aktuell grössten Gletscheranteil sind Trift und Gauli. Kraftwerkanlage: Seit der Inbetriebnahme des Kraftwerks Handeck 1 im Jahre 1932 wurden die Anlagen in mehreren Bauetappen ausgebaut und erneuert (www. grimselstrom.ch). Zur Zeit sind neun Kraft-
werke in Betrieb. Die acht Speicherseen bieten gesamthaft Platz für 195 Mio m3 Wasser, was 20 Prozent des jährlichen Gebietsniederschlags entspricht. Die auf die verschiedenen Kraftwerke verteilten 26 Turbinen produzieren eine jährliche Gesamtenergie von 2350 GWh bei einer durchschnittlichen Leistung von 1150 MW. 3.2 Mattmark Das Einzugsgebiet des Stausees Mattmark (Bild 1) umfasst eine Fläche von 88.2 km2. Neben dem natürlichen Einzugsgebiet von 37.1 km2 werden dem Stausee Mattmark die links- und rechtsufrigen Seitenbäche der Saaser Vispa mit einem Einzugsgebiet von 51.1 km2 zugeleitet (inkl. Almagellerbach [13.1 km2] und Triftbach [13.0 km2]). Der Stausee liegt auf 2197 m ü.M. Das untersuchte Einzugsgebiet erreicht eine maximale Höhe von 4143 m ü.M. (östlich des Strahlhorns). Gletscher wie der Schwarzberg-, Allalin- und Hohlaubgletscher prägen das alpine Landschaftsbild. Unterhalb der nivalen Höhenstufe sind vom Gletscher geschliffene Felsoberflächen und flachgründige Böden mit einfacher Vegetation verbreitet, welche zu einer insgesamt geringen Wasserspeicherkapazität führen. Im südlichen Teilgebiet setzt sich der geologische Untergrund vorwiegend aus Gneisen und untergeordnet aus basischen Gesteinen zusammen. Nördlich von Saas Almagell dominieren Glimmerschiefer. Der jährliche Niederschlag beträgt im Mittel 1310 mm. Für das Einzugsgebiet des Stausees Mattmark ergibt dies ein Jahresvolumen von 115 Mio. m3 Wasser. Für die betrieblichen Berechnungen mit der Kraftwerkoptimierungssoftware wurden zudem diejenigen Einzugsgebiete hydrologisch modelliert, welche ins Ausgleichsbecken Zermeiggern entwässern. Diese liegen nordwestlich des Stausees und weisen insgesamt eine Fläche von 74 m2 auf. Kraftwerkanlage: Der seit 1969 betriebene Stausee Mattmark fasst ein Volumen von 100 Mio m3 Wasser. Hinunter zum Kraftwerk Zermeiggern bei Saas Almagell legt das Wasser eine Höhendifferenz von maximal 459 m zurück. Die Leistung dieses Kraftwerks liegt bei 74 MW. Die angegliederte Pumpstation Zermeiggern ermöglicht die Rückführung des Wassers in den Stausee Mattmark, bzw. die Einlagerung aus dem Zwischeneinzugsgebiet. Das übrige Wasser wird zum Kraftwerk Stalden auf rund 700 m ü.M. geleitet. Die Leistung des Kraftwerks Stalden beträgt 185 MW. Zusammen mit dem kleinen Kraftwerk Saas Fee führt dies zu einem Total von 260.5 MW.
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Prognostizierte Änderung der Schneedecke und Gletscher in den beiden Gebieten Die erwartete Temperaturerhöhung wird in beiden Einzugsgebieten zu einer bedeutenden Veränderung der Schneedecke führen (Bild 2). Das jährliche Schneewasserspeicher-Maximum wird sich zwar zeitlich nur geringfügig nach vorne verschieben (~2 Wochen für den Zeitraum 2070–2099). Mengenmässig wird aber eine durchschnittliche Reduktion des jährlichen Schneewassermaximums (je nach Klimamodellkette) von 20 bis 50% für den Zeitraum 2021–50, resp. von 50 bis 70% für den Zeitraum 2070–99 erwartet. Die Streuung der jährlichen maximalen Schneewassermenge zwischen schneearmen und schneereichen Wintern bleibt für den Zeitraum 2021–50 ähnlich gross wie bisher, nimmt dann aber für den Zeitraum 2070–99 markant ab. Das heisst, dass dann auch in eher seltenen, schneereichen Wintern keine grössere Schneewassermenge als 1000 mm zu erwarten sein wird. Zur Zeit sind beide Einzugsgebiete in den meisten Jahren den ganzen Sommer hindurch teilweise schneebedeckt. Für die Zukunft nimmt die Wahrscheinlichkeit für ein komplettes Abschmelzen der Schneedecke im ganzen Einzugsgebiet stark zu. In einem durchschnittlichen Jahr wird für den Zeitraum 2070–99 (je nach Klimamodellkette) eine komplette Ausaperung von Juli
bis Oktober vorausgesagt. Nach besonders schneearmen Wintern muss bereits im Zeitraum 2021–50 mit einem komplett schneefreien Einzugsgebiet von Juni bis November gerechnet werden. Die für die Erhaltung der Gletscher wichtige Bildung von «ewigem» Schnee ist nicht mehr gewährleistet. Winter ganz ohne Schnee wird es in beiden Gebieten – gemäss den vorliegenden Simulationen – auch für den Zeitraum 2070–99 keine geben. Für den Zeitraum 2021–50 verringert sich der Beitrag der Schneeschmelze im Einzugsgebiet Mattmark durchschnittlich um knapp 130 mm (±40 mm) pro Jahr gegenüber der Referenzperiode und um rund 300 mm (±60 mm) pro Jahr für den Zeitraum 2070–99. Im Einzugsgebiet der KWO ist die entsprechende Abnahme etwas grösser, d.h. rund 180 mm (±65 mm) pro Jahr für den Zeitraum 2021–50, und rund 425 mm (±85 mm) pro Jahr für den Zeitraum 2070– 99. Anteilmässig macht das für die höher gelegenen KWO-Teileinzugsgebiete ~20% (2020–50), resp. ~45% (2070–99) aus, und für die tiefer gelegenen Gebiete ~32% (2020–50), resp. ~80% (2070–99). Auch die Vergletscherung wird sich in beiden Einzugsgebieten spürbar verringern. Für das Einzugsgebiet der KWO wurde 1985 eine Gletscherfläche von 103.2 km2 berechnet, was einem Flächenanteil von knapp 23% entspricht (Tabelle 1). Zu diesem Zeitpunkt wiesen die Teileinzugsgebieten Grimsel (41.7%), Oberaar (35.5%), Gauli
(49.5%), Stein (32.5%) und Trift (54.2%) die grösste Vergletscherung auf. Nur wenig vergletschert waren bereits damals die Teileinzugsgebiete Haslital, Gadmen und Gental. Im Einzugsgebiet Mattmark wurde 1985 eine Gletscherfläche von 30.3 km2 beobachtet, was einem Flächenanteil von 35.4% entspricht. Das damit verbundene Eisvolumen wurde von der Versuchsanstalt für Wasserbau der ETH Zürich (VAW) auf 1.1 km3 geschätzt (Stand: 2008). In der Zeit von 1982 bis 2008 haben die Gletscher im Einzugsgebiet Mattmark einen Massenverlust von ca. 0.38 km3 erfahren. Mit der prognostizierten Temperaturerhöhung wird ein weiterer Rückgang der Gletscher erwartet. Unter Annahme des Emissionsszenarios A1B dürfte sich bis 2040 der Anteil der vergletscherten Fläche an der Gesamtfläche des KWO-Einzugsgebiets auf knapp 15% reduzieren (65.6 km2). Für den Zeithorizont 2085 berechnet das Modell der Uni Zürich eine Reduktion auf 8% (36 km2). Bis dann dürften die Teilgebiete Trift (–37.6%) und Gauli (–33.4%) die grösste Veränderung in der Vergletscherung (relativ zu 1985) erfahren. Zu diesem Zeitpunkt werden die Teileinzugsgebiete Grimsel, Gauli, Trift, Stein und Oberaar noch zu etwa 15–20% vergletschert sein. Im Einzugsgebiet Mattmark dürfte sich bis zur Mitte des Zeitraums 2021–50 der Anteil der vergletscherten Fläche an der Gesamtfläche auf knapp 19% reduzieren (16.3 km2). Für den Zeithorizont 2085
Bild 1. (Teil-)Einzugsgebiete des Kraftwerks Oberhasli (links) und des Mattmarksees (rechts). Die gelben Symbole zeigen die Standorte von verwendeten meteorologischen Daten. «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
287
Klimawandel & Wasserkraft
4.
Klimawandel & Wasserkraft Bild 2. Berechnete Änderung der Klimatologie der mittleren Schneewassermenge in den Einzugsgebieten KWO (links) und Mattmark (rechts) für die Zeiträume 2021–50 (oben) und 2070–99 (unten) gegenüber der Referenzperiode 1980–2009 (schwarze Linie). Die verschiedenen farbigen Linien entsprechen zehn verschiedenen Klimamodellketten. berechnet das Modell der Uni Zürich eine Reduktion auf 8.6% (7.4 km2). Das Teileinzugsgebiet Almagellerbach wird (gemäss diesen Vorhersagen) bis Ende 21. Jahrhundert vollständig eisfrei sein. 5.
Prognostizierte Änderung im natürlichen Zufluss zu den Reservoiren Eine Änderung des Klimas wird sich auf sämtliche Komponenten der Wasserbilanz auswirken, also auch auf die Verdunstung und die Wasserspeicherung im Boden. Jährlich verdunsten im KWO-Einzugsgebiet ca. 13% des gesamten Jahresniederschlags. Im Einzugsgebiet Mattmark sind es etwa 20%. Diese Berechnung des Modells PREVAH ist zwar mit grosser Unsicherheit behaftet, weil man immer noch relativ wenig weiss über die Verdunstung in alpinen Einzugsgebieten, insbesondere was die Schneesublimation betrifft. Die Grössenordnung stimmt aber recht gut mit Angaben des hydrologischen Atlas der Schweiz überein (Tafel 4.1). Im Vergleich zur Unsicherheit im Modell und zum Anteil an der jährlichen Wasserbilanz sind die erwarteten Veränderungen in der Verdunstung unbe288
deutend. Bis zum Ende des Jahrhunderts berechnet das Modell eine Zunahme der jährlichen Verdunstung um 10–25 mm, was weniger als 10% der aktuellen Verdunstung entspricht. Auch bezüglich der im Boden gespeicherten Wassermenge gibt es noch relativ grosse Unsicherheit. Doch angesichts der wenig entwickelten Böden in diesem alpinen Einzugsgebiet kann von einer allgemein geringen Bodenwasserspeicherung ausgegangen werden. Gemäss unseren Ergebnissen dürfte die Bodenwasserspeicherung in Zukunft nur unwesentlich zunehmen. Diese Zunahme wird eine Folge des Gletscherrückgangs und der damit
verbundenen Freilegung des Gletschervorfelds sein. Solche Böden sind nach wie vor sehr speicherarm. Diese vorerst fels-dominierten Flächen entwickeln sich nur über sehr lange Zeit zu feinkörnigen, speicherfähigen Böden. Als Gesamtergebnis der sich verändernden Teilkomponenten der Wasserbilanz (Gletscher, Schnee, Bodenwasserspeicher und Verdunstung) resultieren die in Bild 3 dargestellten Jahresabflussganglinien für das gesamte KWO-Einzugsgebiet (links) und das gesamte Einzugsgebiet Mattmark (rechts). Für den Zeitraum 2021– 50 werden sich in einem durchschnittlichen Jahr die höchsten Abflüsse mengenmässig
Tabelle 1. Berechnete Änderung der Gletscherfläche in den Einzugsgebieten KWO und Mattmark. «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
verändern. Unsere Simulationen sagen eine leichte Erhöhung im Frühling, sowie eine leichte Reduktion im Spätsommer voraus. Der niedrigste Abfluss wird aber auch in Zukunft im Winter eintreffen. Eine grosse Unsicherheit besteht bei den Abflussberechnungen für die Herbstund Wintermonate. Hier weichen die verschiedenen Modellketten stark von einander ab. Eindeutig ist aber der Trend zu höheren Abflüssen in diesen Jahreszeiten, wo künftig die Akkumulation der Schneedecke später beginnen und vermehrt Niederschlag in flüssiger Form vorkommen dürfte. Unsere Berechnungen zeigen auch ganz klar, dass sich die Klimaänderung in den verschiedenen Teileinzugsgebieten sehr unterschiedlich stark auswirken wird. Im Gebiet der KWO zum Beispiel werden die heute kaum vergletscherten Gebiete, wie das Haslital oder das Gental, vor allem auf eine Änderung im Niederschlag reagieren. Andere Teileinzugsgebiete, wie z.B. Gelmer und Grueben, dürften bis zum Ende des 21. Jahrhunderts einen Grossteil der heutigen Gletscherfläche verlieren. Hier wird sich der natürliche Abfluss über die ganze Periode am deutlichsten verändern (–5 bis –13%).
Ebenfalls eine bedeutende Abnahme des natürlichen Abflusses wird für die heute relativ stark vergletscherten Teileinzugsgebiete Trift und Grimsel vorausgesagt, wo der Gletscherrückgang flächenmässig beträchtlich ausfallen dürfte. Hier gehen unsere Berechnungen bis zum Ende des Jahrhunderts von einer Abnahme um 7% aus. Die stark vergletscherten Einzugsgebiete Stein und Oberaar hingegen werden – gemäss unseren Simulationen – in diesem Zeitraum kaum eine Reduktion des natürlichen Abfluss erfahren. Es lohnt sich also, den Einfluss der Klimaänderung auf die natürlichen Zuflüsse zu den KWO-Fassungen im Einzelfall anzuschauen. 6.
Auswirkungen auf die Produktion unter Annahme des heutigen Strommarktes Mit den in dieser Studie berechneten täglichen natürlichen Zuflüssen wurde abschliessend die Auswirkungen auf die Produktion und den Umsatz unter den heutigen Strommarkt-Randbedingungen berechnet. Dafür wurde ein Betriebsmodell der BKW verwendet, welches die Produktion so steuert, dass der Ertrag optimiert wird. Dabei
Bild 3. Berechnete Veränderung in der Klimatologie des natürlichen Abflusses (mm/Tag) für den Zeitraum 2021–50 (oben) und den Zeitraum 2070–99 (unten), dargestellt für den Median, das 97.5%-Quantil und das 2.5%-Quantil der Einzugsgebiete KWO (links) und Mattmark (rechts). Die schwarze Linie entspricht der Referenz-Simulation für den Zeitraum 1980–2009. «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
289
Klimawandel & Wasserkraft
kaum verändern. Sie werden aber ca. einen Monat früher eintreffen; d.h. anfangs Juni anstatt anfangs Juli. Diese zeitliche Vorverschiebung der höchsten Jahresabflusswerte wird sich für den Zeitraum 2070–99 noch weiter verstärken. Im KWO-Einzugsgebiet wird der natürliche Jahresabfluss in einem Normaljahr (je nach Klimamodellkette) gegenüber der Referenzperiode um 3% (±3%, 2021–50), resp. um 7% (±6%, 2070–99) abnehmen. Im Einzugsgebiet Mattmark dürfte diese Abnahme noch etwas grösser ausfallen: um 6% (±5%) für den Zeitraum 2021–50, und um 12% (±6%) für den Zeitraum 2070–99. Die hohe Spannweite zeigt die Unsicherheit, welche durch die Fortpflanzung der zehn Klimaszenarien im hydrologischen System entsteht. In extrem wasserreichen Jahren werden die hohen Abflüsse im Sommer für den Zeitraum 2021–50 wahrscheinlich leicht (bis zu 15%) zunehmen. Für den Zeitraum 2070–99 sind die verschiedenen Modellketten diesbezüglich widersprüchlich. In Jahren mit besonderer Wasserknappheit dürften sich die niedrigsten Abflüsse gegenüber der heutigen Situation nur geringfügig
Klimawandel & Wasserkraft
werden die Gestehungskosten (Zinsen, Amortisation, Personalkosten, Betrieb und Unterhalt, Wasserzins und Steuern, Erneuerungsinvestitionen usw.) nicht berücksichtigt, obschon diese nicht unerheblich sind und manchmal über den Marktpreisen liegen können. Berechnet wurden die Referenzperiode, sowie die zukünftigen Zeiträume 2021–50, resp. 2070–99 mit folgenden Klimamodellketten: • SMHI_HadCM3Q3_RCA = mittleres Abflussszenario • KWM_ECHAM_HIRHAM = pessimistisches Abflussszenario • ETHZ_HadCM3Q0_CLM = optimistisches Abflussszenario Für die Berechnung des Umsatzes und für die stundenscharfe Optimierung wurden Swissix-Preise von 2009 verwendet. Im Fall der KW Mattmark AG werden bei einem mittlerem Abflussszenario für die Jahresproduktion und den Umsatz nur geringfügige Änderungen gegenüber der Referenzperiode berechnet (Bild 4, Tabelle 2). Ganz anders sieht es aber bei den anderen berechneten Klimamodellketten aus. Falls das optimistische Abflussszenario eintreffen würde, könnten die Betreiber mit einer Umsatzsteigerung von ca. 5% bis zum Ende des Jahrhunderts rechnen. Für den Fall des pessimistischen Abflussszenarios müsste mit einer Umsatzeinbusse von über 10% gerechnet werden. Die Produktionserwartung wäre sogar um 20% reduziert. Durch den Speicher ist es aber möglich, weiterhin die höherpreisigen Stunden abzufahren. Zudem sorgen erhöhte Laufwasserzuflüsse im Winter für einen höheren Umsatz. Die Spannweite der möglichen Produktionsund Umsatzentwicklung infolge des Klimawandels ist für das KW Mattmark also noch sehr gross. Die verschiedenen Modellketten sind aber übereinstimmend, dass die Produktion im Winter, wenn die Marktpreise hoch sind, leicht zunehmen wird, und dass sie im Sommer, wenn die Marktpreise niedrig sind, deutlich abnehmen wird. Für den Zeitraum 2070–99 dürfte die Netto-Produktion von April bis Juli sehr gering sein. Damit verbunden ist ein starker Anstieg des Zubringerpumpeneinsatzes, welcher die Pumpkosten in diesem Zeitraum um über 50% ansteigen lässt. Nicht berücksichtigt in dieser Berechnung ist, dass sich die Marktpreise infolge der Klimaänderung saisonal verändern könnten. Die Änderung des Zuflussregimes und der Stromproduktion wird sich auch auf den Füllgrad der Reservoire auswirken. Infolge der zeitlichen Verschiebung der 290
Bild 4. Berechnete monatliche Nettoproduktion des Kraftwerks Mattmark (gemittelt für die drei Berechnungszeiträume).
Tabelle 2. Berechnete mittlere jährliche Veränderungen in der Produktion und im Umsatz für KW Mattmark gegenüber Referenzperiode 1980–2009. Schneeschmelze füllt sich der Stausee früher auf, und bis Ende Sommer ist die volle Speicherkapazität für den folgenden Winter wieder erreicht. 7. 7.1
Diskussion
Natürliche Variabilität versus prognostizierte Veränderung Das Abflussgeschehen in den untersuchten Kraftwerk-Einzugsgebieten unterliegt einer grossen natürlichen Variabilität. Mit unserer Betrachtung von 30-jährigen Zeiträumen können wir dieser natürlichen hydrologischen Bandbreite grösstenteils Rechnung tragen, indem wir z.B. die relative Standardabweichung (= Standardabweichung/Mittelwert) der Schlüsselgrössen (jährliche Schnee- und Eisschmelze, jährliche Verdunstungs- und Abflussmenge) betrachten. Für den Jahresabfluss im KWO-Gebiet zum Beispiel beträgt die relative Standardabweichung 13%. Im Einzugsgebiet des Mattmark-Stausees ist sie etwas grösser (16%). Eine Grundannahme unserer Studie ist, dass die Variabilität in den täglichen meteorologischen Inputgrössen für alle drei Zeiträume (Referenz, nahe Zukunft, ferne Zukunft) gleich bleibt. Unsere Modellierung ergibt, dass sich auch die resultierende Variabilität im Jahresabfluss für die nahe und ferne Zukunft kaum verändern wird. Sie nimmt geringfügig zu. Im Vergleich dazu
sind die prognostizierten relativen Änderungen ziemlich klein. Die simulierten Abfluss-Jahresganglinien in einem zukünftig durchschnittlichen Jahr liegen innerhalb des aktuellen Variabilitätsbereichs. Das heisst nicht, dass die Änderungen nicht signifikant oder unbedeutend wären. Aber es bedeutet, dass die durchschnittlichen Verhältnisse Ende des Jahrhunderts bereits heute in extremen Jahren beobachtet werden können. 7.2
Wie plausibel, resp. unsicher sind die Abfluss-Prognosen? Die berechneten Veränderungen im natürlichen Abfluss des KWO-Einzugsgebiets sind mit verschiedenen Unsicherheiten entlang der ganzen Modellkette verbunden: Eine erste beträchtliche Unsicherheit liegt in der Wahl des Emissionsszenarios. Diese Unsicherheit ist in dieser Arbeit nicht quantifiziert worden, ist aber insbesondere für die Periode 2070–2099 beträchtlich, wie der aktuelle Klimabericht 2011 der ETH Zürich zeigt (http://www.ch2011.ch/). Eine zweite Unsicherheit entsteht durch die globale und regionale Klimamodellierung. Diese können wir abschätzen, indem wir für unsere Zielgrössen (z.B. den Schneewasserwert oder den natürlichen Abfluss) die Standardabweichung der 10 verschiedenen Modellketten berechnen. Für den mittleren Jahresabfluss in den beiden Einzugsgebieten ist die Standardabweichung 66 mm,
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Betriebliche Auswirkungen des veränderten Abflussregimes Die geänderten Abflussregime führen nicht zu einem grundsätzlich geänderten Muster der saisonalen Bewirtschaftung. Am Jahresverlauf der zukünftigen mittleren Abflussganglinien ist jedoch zu erkennen, dass die Akkumulationsperiode kürzer und die abflussarme Zeit länger wird. Bei Spei-
Bild 5. Berechnete Ausnützung der Speicherkapazität des Stausees Mattmark. cherkraftwerken mit kleinem Saisonspeicher dürfte die Bewirtschaftung schwieriger werden. Die Berechnungen für KWO und Mattmark zeigen, dass die Seen in Zukunft früher gefüllt werden (Bild 5). Die Absenkphase hängt aber grösstenteils von den Strompreisen ab und dürfte durch die zukünftig geänderten Abflussregime kaum verändert werden. Ein verschobenes Abflussprofil hat im Betrieb und Unterhalt vor allem Auswirkungen auf die Revisionsplanungen, da sich das Kraftwerk u.a. an die Zeiten mit maximaler und minimaler Wasserführung halten muss. Für Arbeiten an den Wasserwegen wird üblicherweise der Zeitraum nach Entleerung der Seen, vor der Schneeschmelze gewählt. Hier wird eine Verschiebung nach Vorne stattfinden.
modeling. Hydrol. Process. 24: 2087–2097. Lehning, M., Völksch, I., Gustafsson, D., Nguyen, T.A., Stähli, M., Zappa, M. (2006). ALPINE3D: a detailed model of mountain surface processes and its application to snow hydrology. Hydrol. Process. 20: 2111–2128. Magnusson, J., Farinotti, D., Jonas, T., Bavay, M. (2011). Quantitative evaluation of different hydrological modeling approaches in a partly glacierized Swiss watershed. Hydrol. Process. 25: 2071–2084. Paul, F., Maisch, M., Rothenbühler, C., Hoelzle, M., Haeberli, W. (2007). Calculation and visualisation of future glacier extent in the Swiss Alps by means of hypsographic modelling. Global and Planetary Change 55 (4): 343–357. Viviroli, D., Zappa, M., Gurtz, J., Weingartner, R. (2009 a). An introduction to the hydrological modelling system PREVAH and its pre- and postprocessing-tools. Environmental Modelling &
Verdankung
Software 24 (10): 1209–1222.
Wir bedanken uns für die Unterstützung der
Viviroli, D., Zappa, M., Schwanbeck, J., Gurtz,
KW Göschenen AG/CKW (Herrn T. Reithofer),
J., Weingartner, R. (2009 b). Continuous simula-
KW Mattmark AG (Herrn K. Sarbach), FM de la
tion for flood estimation in ungauged mesoscale
Gougra SA (Herrn G. Zuber) und KW Oberhasli
catchments of Switzerland – Part I: Modelling
AG (Herrn A. Fankhauser), insbesondere für die
framework and calibration results. Journal of
Bereitstellung von hydrologischen Daten.
Hydrology 377 (1–2): 191–207.
Ebenfalls verdankt werden die in dieser Studie
Viviroli D., Mittelbach, H., Gurtz, J., Weingartner,
verwendeten Daten aus dem EU FP6 Projekt EN-
R. (2009 c). Continuous simulation for flood es-
SEMBLES (Klimaszenarien), der MeteoSchweiz
timation in ungauged mesoscale catchments of
(meteorologische Daten) und des Bundesamts
Switzerland – Part II: Parameter regionalisation
für Umwelt (Abflussdaten).
and flood estimation results. Journal of Hydro-
Wir bedanken uns bei swisselectric research,
logy 377 (1–2): 208–225.
Bundesamt für Energie, Kanton Wallis und Forces Motrices Valaisannes für die Finanzie-
Anschrift des Verfassers
rung dieser Arbeit.
Manfred Stähli
7.3
Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Literatur
Schnee und Landschaft (WSL)
Bosshard, T., Kotlarski, S., Ewen, T., Schär, C.
Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf
(2011). Spectral representation of the annual
Tel. +41 44 739 24 72, manfred.staehli@wsl.ch
cycle in the climate change signal. Hydrol. Earth Syst. Sci., 15: 2777–2788. Farinotti, D., Magnusson, J., Huss, M., Bauder, A. (2010). Snow accumulation distribution inferred from time-lapse photography and simple
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
291
Klimawandel & Wasserkraft
resp. 80 mm. Das heisst, die Klimamodellkettenbedingte Unsicherheit ist 2.5 bis 4 mal kleiner als die natürliche Variabilität. Eine weitere Unsicherheit liegt im Modell zur Berechnung der zukünftigen Gletscherentwicklung. Das hier verwendete Modell der Uni Zürich ist grundsätzlich für eine grosse Skala (z.B. ganze Schweiz) und längere Zeithorizonte geeignet. Für den Zeitraum 2021–50 dürfte mit diesem Modell der Gletscherrückgang etwas zu rasch simuliert werden. Es wurde überprüft, wie stark sich eine leichte Änderung der Gletscherfläche auf den simulierten Abfluss auswirkt. Dabei erwies sich der simulierte Gesamtabfluss nicht sehr sensitiv auf kleine Änderungen der Gletscherfläche. Und schliesslich entsteht auch durch das hydrologische Modell selbst eine gewisse Unsicherheit. Die Verifikation mit Zuflussdaten zu den Wasserfassungen in den Teileinzugsgebieten (1980–2009) attestiert dem Modell im grossen und ganzen eine gute Leistung. Ein direkter Vergleich mit einem detaillierteren, rechnerisch intensiveren hydrologischen Modell (Alpine3D; Lehning et al., 2008) in einem zentralschweizerischen Einzugsgebiet zeigt, dass es beim hydrologischen Modell eine Unsicherheit bezüglich Schnee- und Eisschmelzintensität gibt. Das konzeptuelle Modell PREVAH ist hier eher etwas konservativ und berücksichtigt (im Gegensatz zu Alpine3D) mögliche Änderungen in der Schnee-/Gletscheroberfläche nicht explizit. Somit liegen die prognostizierten durchschnittlichen Jahresabflüsse bei PREVAH unter denjenigen von Alpine3D. Wir können aufgrund des heutigen Wissensstands nicht sagen, welche der beiden Vorhersagen wahrscheinlicher ist. Anderseits scheinen die von PREVAH simulierten Gletscherschmelzraten in guter Übereinstimmung mit von der VAW berechneten Gletscherschmelzraten zu sein. Dies können wir aus einem direkten Vergleich am Beispiel Mattmark schliessen. Die Aussagen des hydrologischen Modells im Bezug auf die jahreszeitlichen Veränderungen, vor allem im Frühling/ Sommer und längerfristig auch im Sommer/Herbst können als robust angesehen werden.
Klimawandel & Wasserkraft
Einfluss der Klimaänderung auf die Stromproduktion der Wasserkraftwerke Löntsch und Prättigau Pascal Hänggi, Sonja Angehrn, Thomas Bosshard, Eivind Helland, Donat Job, Daniel Rietmann, Bruno Schädler, Robert Schneider, Rolf Weingartner
Zusammenfassung An den Fallbeispielen des Speicherkraftwerks Löntsch (Klöntalersee) und der Wasserkraftwerksgruppe Prättigau wurde der Einfluss der Klimaänderung auf die Stromproduktion untersucht. Dabei wurden verschiedene Klimamodelle mit je einem hydrologischen und einem Betriebsmodell gekoppelt. Für die Berechnungen wurde die aktuelle Stromnachfrage unverändert belassen, sodass die Auswirkungen einer veränderten Zuflussmenge zu den Kraftwerken isoliert betrachtet werden konnten. Beim Beispiel des Kraftwerks Löntsch gehen die Klimaprojektionen für 2021–2050 (A1B Emissionsszenario) im Vergleich zur Referenzperiode 1998–2009 von einer leichten Zunahme der jährlichen Zuflüsse zum Speichersee aus (Median aller Klimaprojektionen: +2.2%; nicht signifikant). Das Zuflussregime verändert sich signifikant, mit höheren Werten im Winter und Herbst, und tieferen Werten während dem Sommer. Durch eine Anpassung des monatlichen Produktionsprofils kann eine leichte Steigerung der Stromproduktion und des Umsatzes erreicht werden. Für die Kraftwerke Prättigau wird im Vergleich zur Referenzperiode 1976–2004 eine Steigerung der Stromproduktion um 9.3% simuliert (Median). Die Zunahme resultiert hauptsächlich aus einer Produktionssteigerung im Winter, da im Sommer, wenn die grössten Abflussmengen auftreten, die bestehenden Fassungskapazitäten nur unwesentlich länger überschritten werden. Die Resultate liefern für hydrologisch ähnliche Gebiete mit gleichen Kraftwerkstypen Hinweise, wie ein sich änderndes Klima den Kraftwerksbetrieb beeinflussen könnte.
1. Einleitung Im Rahmen eines Projektes von Swisselectric Research und dem Bundesamt für Energie wurden die Auswirkungen der Klimaänderung auf die schweizerische Wasserkraftnutzung ausführlich untersucht (SGHL und CHy, 2011). Hier werden die Resultate der Fallstudien des Speicherkraftwerks Löntsch (KW Löntsch) und der Wasserkraftwerke im Prättigau (KW Prättigau) zusammenfassend dargestellt, bei welchen die Auswirkungen der Klimaänderung auf die Stromproduktion und den Umsatz ausführlich untersucht wurden. Eine detaillierte Beschreibung der Fallstudien ist in Hänggi et al. (2011a) und Hänggi et al. (2011b) gegeben. Die Kopplung von Klima-, Hydro- und Betriebsmodellen zeigt, mit welchen Veränderungen in der Zukunft gerechnet werden kann. Für die Modellberechnungen wurde die aktuelle Stromnachfrage bzw. das zugrundeliegende Strompreismodell unverändert 292
belassen. So konnten die Auswirkungen einer veränderten Zuflussmenge zu den Kraftwerken isoliert betrachtet werden. Die simulierte Kraftwerksproduktion und der projizierte Umsatz für die Periode 2021–2050 wurden dabei mit den heutigen Gegebenheiten verglichen, wobei wegen der Datenverfügbarkeit für das KW Löntsch die Referenzperiode 1998–2009 gesetzt wurde, für das KW Prättigau die Periode 1976–2004. Als Klimaszenarien dienten Projektionen aus dem EU-Projekt ENSEMBLES (Linden und Mitchell, 2009), welche für die Schweiz speziell aufbereitet wurden (Bosshard et al., 2011). Im Folgenden werden kurz die beiden Wasserkraftwerke und deren Einzugsgebiete beschrieben. Danach wird im Detail auf die verwendete Methode eingegangen. Nach der Beschreibung der Resultate folgt abschliessend eine Diskussion derselben, inklusive den Schlussfolgerungen.
2. Untersuchungsgebiete Das Hochdruckspeicherkraftwerk Löntsch wurde in den Jahren 1905–1908 erbaut. Der Stausee des Kraftwerks bildet der Klöntalersee (Nutzvolumen: 40 Mio. m3), von wo aus Wasser zur Stromproduktion über eine Druckleitung und einen Druckstollen zur Zentrale in Netstal geleitet wird (Bild 1a). Zur Maschinengruppe in der Zentrale Netstal gehören zwei Francisturbinen mit einer Betriebsleistung von je 40 MW. Für den Eigenbedarf und als Dotiermaschine steht eine Peltonturbine mit 8 MW Leistung zur Verfügung. Die durchschnittliche Energieproduktion der gesamten Kraftwerksanlage beträgt 116 GWh pro Jahr (Mittel 1998–2007). Das Einzugsgebiet hat eine Fläche von rund 83 km2 und eine mittleren Gebietshöhe von 1700 m ü.M. Die Gipfel der Glärnischgruppe rund um das gleichnamige Firnfeld stellen mit Höhen zwischen 2901 und 2915 m ü.M. die höchsten Erhebungen im Einzugsgebiet dar. Der Vergletscherungsgrad beträgt 2.8% (BFS, 1997). Das KW Prättigau umfasst die drei Stufen Davos-Klosters, Schlappin-Klosters und Klosters-Küblis, sowie die erforderlichen Wasserwege, elektrotechnischen Anlagen und Stromleitungen (Bild 1b). Rätia Energie produziert im KW Prättigau pro Jahr über 230 GWh elektrische Energie, wovon im Mittel 32% auf den Winter (Oktober–April) und 68% auf den Sommer (Mai-September) entfallen. Die installierte Leistung der Kraftwerke beträgt knapp 70 MW. Insgesamt werden die Gewässer aus einem Gebiet von 283 km2 genutzt, wobei der Vergletscherungsgrad rund 3% beträgt (BFS, 1997). Für die Stromproduktion entnimmt das KW Prättigau an verschiedenen Fassungen Wasser: Im südlichen Teil (vgl. Bild 1b) wird vom Flüelabach (D), Mönchalpbach (E), Stützbach (F) und dem Gebiet um den Davosersee (G) Wasser ins Speicherbecken Davosersee umgeleitet (Nutzvolu-
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Klimawandel & Wasserkraft
Bild 1. Schematische Darstellung der Einzugsgebiete des KW Löntsch (a) und KW Prättigau (b). Ausdehnung der Gletscher- und Firnflächen nach BFS (1997).
Bild 2. Schematische Darstellung der verwendeten Modellkette zur Analyse der Auswirkungen der Klimaänderung auf das KW Löntsch und KW Prättigau. men: 11.5 Mio. m3). Aus dem See wird über einen Druckstollen Wasser zur Zentrale Klosters geleitet. In Klosters wird an der Hauptfassung, neben den turbinierten Wassermengen aus der Zentrale, auch die Landquart (C) gefasst. Das Wasser wird über einen 10.5 km langen Druckstollen zur Zentrale Küblis geleitet. Auf der rechten Talseite unterhalb Klosters befindet sich die Zentrale Schlappin, welche an das oberliegende Einzugsgebiet (B) über ein Ausgleichsbecken und eine Druckleitung angeschlossen ist. Die anfallende Wassermenge wird über ein Bruttogefälle von 455 m in der Zentrale verarbeitet, und anschliessend in den Druckstollen Klosters-Küblis geleitet. Oberhalb von Küblis befindet sich das Ausgleichsbecken Plevigin, in welches über einen Stollen das gefasste Wasser des Schanielabachs (A) eingeleitet wird. Das Wasser wird in der Zentrale Küblis verarbeitet. 3. Methode Für die Untersuchung der Auswirkungen der Klimaänderung auf die Stromproduktion der beiden Kraftwerke wurden drei
verschiedene Modellsysteme gekoppelt (Bild 2). 3.1 Klimamodellierung Der erste Teil der Modellkette besteht aus verschiedenen Klimamodellketten des EU-Projektes ENSEMBLES (Linden und Mitchell, 2009), welche durch ein A1B Emissionsszenario angetrieben wurden. Beim Szenario A1B wird in Zukunft von einer ausgewogenen Nutzung fossiler und nichtfossiler Energiequellen ausgegangen, wobei die Wirtschaft weiter wächst (IPCC, 2007). Die verwendeten Klimamodellketten bestehen aus Globalen Klimamodellen GCM mit grober Auflösung, deren Berechnungen für die Periode 2021–2050 von mehreren Regionalen Klimamodellen RCM dynamisch auf 25 km Auflösung herunterskaliert wurden. Je höher die räumliche Auflösung von Klimamodellen ist, desto genauer können die Prozesse in der Atmosphäre über komplexem Gelände wie den Alpen modelliert werden. Um Modellfehler zu korrigieren und die räumliche Auflösung zusätzlich zu erhöhen, wurden die RCM-Daten zusätzlich mit statistischen
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Methoden aufbereitet. Dazu wurde die Delta Change Methode verwendet, wobei beobachtete Datenreihen gemäss einem Klimaänderungssignal skaliert wurden (Bosshard et al., 2011). Das Klimaänderungssignal wurde zwischen der Szenarioperiode SCE (2021–2050) und der Kontrollperiode CTL (1980–2009) berechnet. Für die Schweiz liegen diese Klimaänderungssignale für Temperatur (SCE-CTL) und Niederschlag (SCE/CTL) an allen Stationsstandorten der MeteoSchweiz vor. Somit standen für die Analyse an allen Standorten und für jede Klimamodellkette Niederschlags- und Temperaturzeitreihen für die Periode 2021–2050 zur Verfügung. 3.2 Hydrologische Modellierung Im zweiten Teil der Modellkette wurden die Temperatur- und Niederschlagsdaten für das hydrologische Modell auf die Einzugsgebiete der jeweiligen Wasserkraftwerke interpoliert. Die interpolierten Werte dienten als Modellantrieb, wobei die hydrologischen Modelle vorher an gemessenen Abflussganglinien bei den Fassungen der Kraftwerke geeicht und verifiziert wurden. 293
Klimawandel & Wasserkraft
Für das KW Löntsch musste der Zufluss zum Klöntalersee mit Hilfe der Seestände und turbinierten Wassermengen vorher rekonstruiert werden, beim KW Prättigau wurde mit Hilfe von gemessenen Werten aus Nachbargebieten eine hydrologische Regionalisierung der Werte auf die einzelnen Fassungen durchgeführt. Für die Untersuchungen am KW Löntsch wurde das hydrologische Modellsystem Bernhydro verwendet (Hänggi, 2011), beim KW Prättigau das Modell PREVAH (Viviroli et al., 2009). Der Vergleich mit beobachteten Zuflüssen zeigte, dass beide Modelle die hydrologischen Bedingungen in den einzelnen Einzugsgebieten sehr gut wiedergeben können. 3.3 Kraftwerksmodellierung Im dritten Teil, Kraftwerksmodellierung, wurden die resultierenden Abflussganglinien der verschiedenen Klimaszenarien in ein Betriebsmodell des KW Löntsch bzw. KW Prättigau gegeben, sodass die Auswirkungen auf die Stromproduktion und den Umsatz berechnet werden konnten. Die Software TimeSteps-Energy 2010© (Blöchlinger et al., 2004) wurde für das KW Löntsch eingesetzt, wobei unter Berücksichtigung aller physikalischen Einschränkungen, den durch die Konzession auferlegten Rahmenbedingungen und der zur Verfügung stehenden Preisinformationen ein optimaler Einsatz des Kraftwerks unter den gegebenen Zuflussszenarien zur Ertragsmaximierung bestimmt wurde. Dabei wurden die restlichen Inputs wie Strompreis und Nebenbedingungen für jede Berechnung gleich belassen. Für das KW Prättigau wurde das Simulationsmodell WABES (WAsserwirt-
schaftliche BEtriebs-Simulation) verwendet (AF-Colenco AG, 2004). Es berechnet nach vorgegebenen Betriebsprinzipien (vgl. Hänggi et al., 2011b) den optimalen Einsatz des Kraftwerks zur Ertragsmaximierung. Das Wichtigste für den Betrieb der einzelnen Kraftwerksstufen sind die energiewirtschaftlichen Randbedingungen, welche u.a. vom Wochentag (Werktage, Samstage und Sonntage) sowie von den verschiedenen Jahreszeiten (Winter, Sommer und Übergangsperioden) abhängen. Die Randbedingungen definieren die Bewirtschaftung sämtlicher Speicher und den Betrieb der gesamten Anlage, wobei folgende Prioritäten unterschieden wurden: • Erste Priorität haben Höchsttarifstunden (HHT) an Werktagen von 10–14 Uhr, wobei das Modell versucht, die Turbinen auf Volllast zu fahren. • In zweiter Priorität gilt die Stromproduktion den Hochtarifstunden (HT) von 6–10 Uhr sowie von 14–22 Uhr. Während dieser Zeit werden die Turbinen gleichmässig gefahren. • Dritte Priorität haben die Niedertarifstunden (NT) während der Nacht und am Wochenende. 4.
Resultate
4.1
KW Löntsch
4.1.1 Projektionen der Temperaturen und Niederschlagsmengen 2021–2050 Die verwendeten Klimamodelle weisen für hydrologische Modellierungen eine relative grobe Auflösung vor (~25 × 25 km). Somit wirken sich die projizierten Tem-
peratur- und Niederschlagsänderungen bis 2021–2050 gleichmässig auf das gesamte Gebiet aus. Die Projektionen können deshalb uniform für das gesamte Einzugsgebiet des Klöntalersees angegeben werden. Alle Klimaszenarien gehen von einer Erwärmung des Einzugsgebiets bis 2021–2050 aus (Bild 3 links). Die stärksten Erwärmungen werden von den Modellen für Mai (Median: 1.3 °C), Juni und Juli (jeweils 1.4 °C) projiziert. Die grössten Variabilitäten bezüglich der monatlichen Temperaturänderungen sind für Dezember und Januar auszumachen. Der Median für die Zunahme der mittleren jährlichen (ANN) Gebietstemperatur des Klöntalersees beträgt 1.1 °C bis 2021–2050 gegenüber 1980–2009. Die Projektionen der Klimamodelle für die Veränderung des Gebietsniederschlags sind saisonal unterschiedlich (Bild 3 rechts). Für die Frühlingsmonate April und Mai wird bis 2021–2050 tendenziell eine leichte Zunahme des Niederschlags projiziert (Mediane der relativen Abweichungen: 1.02 und 1.08), ebenso für den Herbst und Winter (Mediane zwischen 1.04 und 1.06). Für Februar, März und die Sommermonate Juni, Juli und August wird hingegen eine Abnahme projiziert (0.91– 0.98). Die jährlichen Niederschlagsmengen (ANN) bleiben dabei unverändert. 4.1.2 Projektionen der Zuflüsse zum Klöntalersee 2021–2050 Im Vergleich zur Periode 1998–2009 zeigen die Projektionen für 2021–2050 signifikant höhere Zuflussmengen zum Klöntalersee in den Herbst-, Winter- und Frühlingsmonaten (Bild 4 links). Im Sommer
Bild 3. Boxplots (n = 10 Klimaszenarien) der absoluten [°C] monatlichen und jährlichen (ANN) Änderung der mittleren Gebietstemperatur des Einzugsgebiets des Klöntalersees für 2021–2050 gegenüber dem Mittel 1980–2009 (links). Relative Abweichungen der monatlichen und jährlichen Gebietsniederschlagsmengen für dasselbe Einzugsgebiet und dieselben Perioden (rechts). 294
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Referenzperiode 1998–2009 Mittel Klimaszenarien (n=10)
Umsatz
Δ [%]
[Mio €] Δ [%]
186 688 0.0% 150 800 0.0% 191 669 +2.7% 154 736 +2.6%
11.36 0.0% 11.72 +3.2%
[m /h]
Δ [%]
Produktion [MWh]
Tabelle 1. Mittlere jährliche projizierte Veränderungen der Zuflüsse, Produktion und des Umsatzes des KW Löntsch für die Periode 2021–2050 gegenüber der Referenzperiode von 1998– 2009.
Bild 4. Mittlere monatliche Abflussmengen der Löntsch 1998–2009 (Qobs) und Projektionen 2021–2050 (Qscen). In grau das 90%-Konfidenzintervall 1998–2009.
Bild 5. Stromproduktion des KW Löntsch 1998–2009 und Projektionen für 2021–2050 (Boxplots).
wird eine Abflussminderung projiziert. Das Abflussregime wird demnach leicht ausgeglichener. Unter den gegebenen Klimaszenarien verändert sich der Jahresabfluss der Löntsch bis 2021–2050 unwesentlich zwischen –0.3 und 6.1%. 4.1.3 Projektionen der Stromproduktion des Kraftwerks 2021–2050 Die projizierten Zuflussänderungen zum Klöntalersee für 2021–2050 wirken sich linear zur Produktion und zum Umsatz des KW Löntsch aus (Tabelle 1). Im Mittel wird für das KW Löntsch eine Produktions- und Umsatzsteigerung von 2.6 bzw. 3.2% projiziert. Die monatlichen Produktionsraten zeigen tiefe Werte in den Monaten Oktober, Dezember und April (Bild 5). Im Oktober wird aktiv Wasser für den Monat November zurückgehalten, da im November der produzierte Strom normalerweise zu höheren Preisen verkauft werden kann. Im Dezember ist die Nachfrage nach Strom wegen den vielen Feiertagen geringer als in anderen Monaten. Gegen April nehmen der Füllungsgrad des Speichersees und
Bild 6. Sensitivität der Produktion und des Umsatzes des KW Löntsch gegenüber Veränderungen in den Zuflussmengen (Referenzperiode 1998–2009).
somit auch die Produktion ab. Für 2021– 2050 werden höhere Produktionsraten in den Wintermonaten projiziert, im Sommer hingegen geht man von leichten Abnahmen bei der Stromerzeugung aus. Die Sensitivität der Produktion und des Umsatzes des KW Löntsch gegenüber Veränderungen in den Zuflussmengen ist in Bild 6 dargestellt. Im Bereich von –100% bis +50% Zuflussänderung gegenüber dem Mittel der Referenzperiode 1998–2009 kann dabei ein fast linearer Zusammenhang zwischen Zuflussänderung, Produktion und Umsatz festgestellt werden. Bei höheren Zuflussänderungen nimmt die Produktionsrate zwar weiterhin linear zu, die Umsatzänderung flacht aber aufgrund des höheren Anteils Off-Peak-Stunden in der Produktion mit kleineren Einnahmen pro kWh ab. Die oben beschriebenen Projektionen der Zuflussmengen für 2021–2050 zwischen 0.3% und 6.1% (vgl. Tabelle 1) liegen weiterhin im Streuungsbereich der jährlichen Zuflussmengen der Jahre 1998– 2009. Eine wesentliche Veränderung des Verhältnisses zwischen der Produktion
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
und des Umsatzes für das KW Löntsch wird demnach unter den gegebenen Klimaszenarien nicht erwartet. 4.2
KW Prättigau
4.2.1 Projektionen der Temperaturen und Niederschlagsmengen 2021–2050 Die projizierten Temperatur- und Niederschlagsszenarien für das Einzugsgebiet des KW Prättigau sind repräsentativ an der MeteoSchweiz-Station Davos dargestellt (Bild 7). Die mittleren Klimaänderungssignale für die Lufttemperatur deuten auf eine signifikante Erwärmung bis 2021–2050 hin (Bild 7, links). Die mittleren Deltas schwanken dabei zwischen 0.9 °C und 1.8 °C. Die stärksten Erwärmungen werden von den Modellen für Juni, Juli, Dezember und Januar projiziert. Der mittlere Verlauf der Klimaänderungssignale für den Niederschlag zeigt für Frühling, Herbst und Winter tendenziell eine leichte Zunahme der Niederschlagsmengen an (Bild 7, rechts). Für einzelne 295
Klimawandel & Wasserkraft
Zuflüsse 3
Klimawandel & Wasserkraft
Bild 7. Jahresverläufe der Klimaänderungssignale für die Temperatur (links) und den Niederschlag (rechts) zwischen den Perioden 1976–2005 und 2021–2050 für die Station Davos. In grau jeweils das 10–90% Konfidenzintervall der natürlichen Variabilität der Abweichungen 1976–2005. Monate wie Februar, März und die Sommermonate Juni, Juli und August wird im Mittel hingegen eine Abnahme projiziert. Bei den Niederschlagsprojektionen sind zum einen in jedem Monat sowohl positive als auch negative Veränderungen bis 2021–2050 möglich. Zum anderen liegen die Projektionen grösstenteils innerhalb des 10–90% Konfidenzintervalls der natürlichen Variabilität der Abweichungen 1976–2005, sind demnach statistisch gesehen nicht signifikant. Bild 8. Mittlere monatliche Abflussmengen 1976–2005 (Qobs) und Projektionen 2021– 2050 (Qscen; n = 9 Klimaszenarien) für drei ausgewählte Zuflüsse zum KW Prättigau. In grau jeweils das 5–95% Konfidenzintervall 1976–2005.
Bild 9. Energieproduktion Gesamtsystem KW Prättigau 1976–2004 versus 2021–2050 (n = 9 Klimaszenarien). Jahr: Okt.–Sep; Winter: Okt.-Apr.; Sommer: Mai–Sep. 296
4.2.2 Projektionen der Zuflüsse zu den Fassungen 2021–2050 Im Vergleich zur Periode 1976–2005 zeigen die Szenarien für 2021–2050 in den Einzugsgebieten des KW Prättigau signifikant höhere Abflussmengen in den Frühlings-, Herbst- und Wintermonaten (beispielhaft für drei Gewässer dargestellt in Bild 8). Für Sommer wird in allen Einzugsgebieten eine signifikante Abflussminderung projiziert. Auf die Jahresabflussmengen wirken sich die saisonalen Veränderungen nur leicht aus, wobei Zunahmen zwischen 1 und 8% projiziert werden. 4.2.3 Projektionen der Stromproduktion der Kraftwerke 2021–2050 Bild 9 zeigt die Energieproduktion des Gesamtsystems KW Prättigau für alle untersuchten Klimaszenarien 2021–2050 im Vergleich zu den Verhältnissen 1976– 2004. Die Zunahme in der Jahresproduktion beträgt 9.3% und im Winter 26.5%
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(Mediane Veränderungen). Obwohl vor allem in den Hochsommermonaten (Juli, August und September) signifikante Abnahmen bezüglich den natürlichen Abflussmengen projiziert werden, bleibt die Sommerproduktion für alle untersuchten Szenarien praktisch gleich (Median: +0.4%). Der Grund dafür ist, dass die Anlagen im Prättigau nur begrenzt einen Speicherbetrieb zulassen, welcher sich in erster Linie auf die Wintermonate beschränkt. Im Sommer hingegen können die Anlagen nicht mehr nach Belieben gesteuert werden. Dies zeigt sich vor allem beim Turbinenbetrieb der beiden Stufen Schlappin-Klosters und Klosters-Küblis, wenn neben dem aus der oberen Stufe Davos-Klosters anfallenden Turbinenwasser auch die beträchtlichen natürlichen Zuflüsse aus der Landquart in einem Triebwassersystem mit begrenzter Kapazität (Druckstollen Klosters-Küblis: 12 m3/s, Druckleitung Schlappin: 1.67 m3/s) verarbeitet werden müssen. Die beiden Stufen haben dementsprechend im Sommer sehr stark den Charakter von Laufkraftwerken mit begrenzter Kapazität. In Tabelle 2 sind für drei ausgewählte Klimaszenarien die Veränderungen der gefassten Abflussmengen sowie der Überlaufwassermengen für das Gesamtsystem des KW Prättigau im Vergleich zu den Verhältnissen 1976–2004 dargestellt. Der Zufluss zu den einzelnen Fassungen teilt sich grundsätzlich in zwei Anteile auf, nämlich in die Abflussmenge, die gefasst wird, und in die Restwassermenge. Die Restwassermenge wiederum setzt sich aus den gesetzlich vorgeschriebenen Dotierwassermengen sowie der Überlaufwassermenge zusammen. Letztere könnten theoretisch gesehen ebenfalls für die Stromproduktion gefasst werden. In der vorliegenden Studie wurden für alle Berechnungen die bestehenden Fassungskapazitäten sowie die monatlich variierenden Dotierwasserregime unverändert belassen (Anlagenzustand 1976–2004).
Die gefassten Abflussmengen nehmen unter den projizierten Klimaszenarien S02, S03 und S08 übers Jahr gesehen signifikant zu. Diese Aussage gilt auch für die restlichen sechs untersuchten Szenarien. Eine ganz entscheidende Wassermenge im System wird selbstverständlich beim Wehr Klosters gefasst. Die Szenarien projizieren dort sehr konsistent eine Zunahme von 10 bis 13%. Auch bei den übrigen wesentlichen Fassungen Gadenstätt, Schlappin und Doggiloch werden markante Zunahmen projiziert. Einzig für die kleineren Fassungen Stützbach und Mönchalpbach werden teilweise geringere Abflussmengen projiziert. Für den Winter projizieren sämtliche Klimaszenarien markante Erhöhungen des Wasserdargebots, welche zum grössten Teil durch das System direkt verarbeitet werden können, da während dieser Zeit die anfallenden Abflussmengen meist geringer als die entsprechenden Fassungskapazitäten sind. Für Sommer werden keine wesentlichen Veränderungen in den Fassungsmengen projiziert. Naturgemäss betreffen die Überlaufmengen praktisch nur das Sommerhalbjahr und etwas die Winterrandmonate Oktober und April. Dabei projiziert S08 durchs Band geringere Zuflüsse und damit auch geringere Überlaufmengen im ganzen System. Mit S03 verbleibt der projizierte Zustand gesamthaft gesehen in etwa gleich wie heute. Bei S02 ergeben sich gesamthaft gesehen signifikante Erhöhungen gegenüber heute. 5. Diskussion Die projizierten Änderungen in der Lufttemperatur für die untersuchten Gebiete stehen im Einklang mit bisherigen Klimaprojektionen für die Alpennordseite der Schweiz. Diese gehen gegenüber 1990 von Erwärmungen von 1.8 °C (Winter und Frühling), 2.7 °C (Sommer) und 2.1 °C (Herbst) bis 2050 aus (Frei, 2004). Die von Frei (2004) projizierten Erwärmungen sind demnach
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stärker, basieren aber auf verschiedenen Klimaprojektionen aus dem EU-Projekt PRUDENCE (Christensen et al., 2002). In Bezug auf den Niederschlag schätzte Frei (2004), wiederum für die gesamte Alpennordseite der Schweiz, eine Abnahme der saisonalen Niederschlagsmengen für Sommer und Herbst, eine Zunahme im Winter und für den Frühling tendenziell unveränderte Niederschlagsmengen bis 2050 ab. Diese Resultate unterscheiden sich zu den Niederschlagsprojektionen vor allem im Herbst, wobei im Vergleich zum Mittel der Periode 2021–2050 von einer deutlichen Zunahme der Niederschlagsmengen ausgegangen wird. Dieser Unterschied wirkt sich auch auf die Projektionen für die jährlichen Niederschlagsmengen aus: Im Gegensatz zu früheren Projektionen mit geringer werdenden Niederschlagsmengen (–5% für die Alpennordseite; Hänggi und Weingartner, 2011) konnten in den Projektionen für die Untersuchungsgebiete keine signifikanten Änderungen in den jährlichen Mengen festgestellt werden. Die hier verwendeten ENSEMBLES-Projektionen sind durch die Verwendung neuerer hochauflösender Klimamodelle im Vergleich zu früheren Berechnungen robuster. Die komplexe Topographie und die klimabeeinflussende geographische Lage der Alpen machen es jedoch weiterhin schwierig, die Niederschlagsentwicklung für Regionen in der Schweiz besser abzuschätzen. Die veränderten klimatischen Bedingungen wirken sich auch direkt auf die hydrologischen Bedingungen in den Gebieten aus. So zeigen die Szenarien für 2021–2050 höhere Abflussmengen in den Herbst-, Winter- und Frühlingsmonaten gegenüber heutigen Verhältnissen. Das Abflussregime verändert sich signifikant. Im Vergleich zu anderen Resultaten unterscheiden sich die berechneten Jahresabflussmengen deutlich: Horton et al. (2005) untersuchten den Einfluss der Klimaänderung in elf alpinen Einzugsge297
Klimawandel & Wasserkraft
Tabelle 2. Relative Veränderung der gefassten und überlaufenen Abflussmengen am KW Prättigau für 2021–2050 gegenüber 1976–2004 für drei verschiedene Klimaszenarien (S02, S03 und S08).
Klimawandel & Wasserkraft
bieten der Schweiz mit unterschiedlichen Vergletscherungsgraden. Für die Periode 2020–2049 und das Szenario «+1 °C» gegenüber den Verhältnissen der Jahre 1961–1990 wurden in allen Einzugsgebieten Abnahmen in den jährlichen Abflussmengen zwischen 5% und 15% (Mediane) projiziert. Basierend auf diesen Resultaten schätzte das Bundesamt für Energie eine Abnahme der gesamtschweizerischen Abflussmengen um rund 7% und somit indirekt auch eine Abnahme der hydroelektrischen Produktion um denselben Betrag (Energieperspektiven 2035; BFE, 2007). Zu dieser Aussage muss einerseits festgehalten werden, dass eine Hochrechnung der Abflussprojektionen nach Horton et al. (2005) auf die gesamte Schweiz problematisch ist, da nicht alle Einzugsgebiete der schweizerischen Wasserkraftwerke einen alpinen oder gar hochalpinen Charakter aufweisen. Andererseits entspricht die natürlich anfallende Wassermenge nicht zwingend der für die Wasserkraft nutzbaren bzw. fassbaren Menge. Bei der Berechnung des Kraftwerkbetriebs KW Löntsch und KW Prättigau wurde angenommen, dass das zugrundeliegende Preismodell gleich den heutigen Verhältnissen ist. Die ist eine vereinfachte Annahme, da sich wahrscheinlich auch das Nachfragemuster in einem wärmeren Klima ändern würde. Die verwendete Methode erlaubt allerdings eine Differenzierung des Einflusses der Nachfrage (indirekt über den Strompreis) und des Angebots (indirekt durch die Nutzwassermenge). In weiteren Studien könnte die Anpassung des Preismodells an das projizierte Klima einen Mehrwert bringen. In den monatlich projizierten Produktions- und Umsatzmengen des KW Löntsch konnten Veränderung festgestellt werden: Beide Grössen steigen an, insbesondere im Winter und den Monaten Oktober und November. Über das gesamte Jahr gesehen verlaufen die Zunahmen in der Produktion und dem Umsatz linear zu denjenigen in den Zuflussmengen. Erst bei sehr starken Veränderungen in den Zuflussmengen (mehr als +50% gegenüber 1998–2009) verhält sich der Umsatz nichtlinear. Bei tieferen Zuflussmengen berechnete das Modell ebenfalls einen linearen Zusammenhang zum Umsatz. Dies wäre nur realistisch, wenn der Strompreis stabil bleiben würde. Wahrscheinlicher ist, dass bei sinkendem Angebot der Preis ansteigt, was zu einer nichtlinearen Minderung des Umsatzes bei weniger Zufluss führen würde. Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass sich das Angebot bzw. die Abflussmen298
gen schweiz- oder europaweit ändern müssten, um den Strompreis überhaupt beeinflussen zu können. Die projizierten Änderungen im Wasserdargebot infolge der verwendeten Klimaszenarien 2021– 2050 wirken sich für die KW Prättigau im Winter signifikant aus, wobei eine Produktionssteigerung projiziert wird (+20% bis +40% im Vergleich zum Mittel 1976–2004). Diese Zunahme wird in jedem Falle als sehr wesentlich betrachtet, zumal es sich dabei mehrheitlich um hochwertige Energie handelt, welche in den Tagesstunden hoher Nachfrage erzeugt werden kann. Für die Sommerperiode werden bei allen verwendeten Szenarien gesamthaft nur unwesentliche Veränderungen projiziert. Eine Erhöhung von Fassungskapazitäten ist nicht angebracht, da die projizierten anfallenden Wassermengen problemlos weiter verarbeitet werden können. Der Vergleich der Resultate verwandter Studien, in welchen der Einfluss der Klimaänderung mittels Modellkopplung untersucht wurde, zeigt ein sehr unterschiedliches Bild: Schäfli et al. (2007) schätzten für das Speicherkraftwerk Mauvoisin eine Abnahme der Produktion für die Periode 2070–2099 gegenüber 1961–1990 um rund 36% ab. Im Vergleich zu den Untersuchungsgebieten ist das Einzugsgebiet des Mauvoisin Kraftwerks stark vergletschert (> 40%), und demnach stärker durch projizierte Abnahmen der Gletscher betroffen (vgl. Huss et al., 2008). Westaway (2000) schätzte für das benachbarte Speicherkraftwerk Grande Dixence indes eine Zunahme der Produktion um rund 26% für die Periode 2031–2060 ab (Referenzperiode 1961–1990). Dabei wurde neben den klimabedingten Veränderungen in den Zuflussmengen auch die Veränderung der Stromnachfrage berücksichtigt. Für den Rhein bis Felsberg berechneten Vischer und Bader (1999) bis 2050 und mit dem Szenario «+2 °C Sommer- und Wintertemperatur» und «±0% Sommer- und +10% Winterniederschlag» gegenüber der Referenzperiode 1962–1990 eine Abnahme der natürlichen Abflussmengen des Rheins um 5%. Für ein fiktives Laufkraftwerk bei Felsberg wurde allerdings eine Zunahme der Nutzwassermenge um denselben Betrag berechnet, da im Winter mehr Wasser genutzt werden kann und die Fassungskapazität im Sommer unter den vorgegebenen Klimaszenarien nicht unterschritten wird. Die Resultate anderer Studien, inklusive der vorliegenden, zeigen, dass eine Verallgemeinerung der Aussagen bezüglich der Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung schwierig ist.
Zum einen unterscheiden sich die Studien in Bezug auf die Klimaszenarien, Referenzperioden und projizierten Zeiträumen, zum anderen werden auch unterschiedliche Kraftwerkstypen untersucht. So kann die Klimaänderung bei einem Kraftwerk trotz niedrigeren Zuflussmengen höhere Umsätze bringen, entweder durch Mehrproduktion oder durch Veränderungen im Preis. Eine Abschätzung der Folgen der Klimaänderung auf die Stromproduktion durch die Wasserkraft muss demnach von Fall zu Fall untersucht werden. 6. Schlussfolgerungen Unter den gegebenen Klimaszenarien für 2021–2050 wurde für das KW Löntsch eine leichte Produktions- (+2.6%) und Umsatzsteigerung (+3.2%) berechnet. Die Steigerungen konnten dabei durch ein verändertes monatliches Produktionsprofil erreicht werden. Für das KW Prättigau wurde ebenfalls eine Steigerung der Stromproduktion um 9.3% (Median aller verwendeten Projektionen) gegenüber der Referenzperiode 1976–2004 abgeschätzt. Diese Zunahme resultiert hauptsächlich aus einer Produktionssteigerung während dem Winter. Im Sommer nehmen die natürlichen Abflussmengen im Einzugsgebiet zwar ab, die Fassungskapazität der Kraftwerksgruppe wird aber nicht unterschritten, womit die Produktion im Sommer gleich bleiben wird. Die Resultate können nicht auf die gesamte Schweiz oder gar auf Mitteleuropa verallgemeinert werden, vielmehr handelt es sich um einen lokalen Effekt bei bestimmten Kraftwerken an spezifischen Lagen. Für hydrologisch ähnliche Gebiete mit ähnlichen Kraftwerkstypen liefert die Studie Hinweise, wie ein sich änderndes Klima den Kraftwerksbetrieb beeinflussen könnte. Weitere Untersuchungen in anderen geographischen Regionen wären interessant, um ein Gesamtbild der Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung zu erhalten. Die Berücksichtigung der Veränderung der Stromnachfrage, und damit zusammenhängend des Preises, ist dabei wünschenswert. Danksagung Die Studie ist Teil des Projektes Klimaänderung und Wasserkraftnutzung (SGHL und CHy, 2011), finanziert von Swisselectric Research und dem Eidgenössischen Bundesamt für Energie. Wir danken dem EU FP6 Projekt ENSEMBLES (Vertragsnummer 505539), der MeteoSchweiz und dem Bundesamt für Umwelt für die Bereitstellung der Grundlagendaten. Für die
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
nual variability of runoff and climate within the
mate change and hydropower production in the
für die Unterstützung und gute Zusammenarbeit
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gedankt. Für die Fallstudie KW Prättigau wird
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and related modelling uncertainties. Hydrol
Repower gedankt, mit deren Genehmigung zur
10.536549
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Verwendung der von AF-Colenco AG erarbei-
Hänggi, P., Bosshard, T., Angehrn, S., Helland,
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AF-Colenco AG Täfernstrasse 26, CH-5405 Baden
Wenn Beton und Granit versagen, dann gibt es nur eines: Die unverwüstlichen Basalt-Platten von
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34072
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Klimawandel & Wasserkraft
Fallstudie KW Löntsch wird TimeSteps GmbH
Klimawandel & Wasserkraft
Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung in der Schweiz 2021– 2050 – Hochrechnung Pascal Hänggi, Rolf Weingartner, Markus Balmer
Zusammenfassung Im Rahmen der Synthesearbeiten zum Projekt «Klimaänderung und Wasserkraftnutzung» (SGHL und CHy, 2011) wurde eine Abschätzung durchgeführt, wie sich die Klimaänderung auf die mittlere Stromproduktion der Schweiz in der nahen Zukunft (2021–2050) auswirken könnte. Als Grundlage dazu dienten (a) Simulationen möglicher Abflussveränderungen in repräsentativen Einzugsgebieten der Schweiz, (b) die in mehreren Fallstudien aus der Modellkette «Klimaszenario – hydrologisches Modell – Betriebsmodell» abgeleiteten Veränderungen der mittleren Stromproduktion, (c) die Kraftwerkstypologie nach Balmer (2011) sowie (d) eine Gliederung der Schweiz in Regionen mit ähnlichem Klimaänderungssignal. Die Hochrechnung geht – unter Annahme der heutigen Produktionsmuster – für den Zeitraum 2021–2050 im Vergleich zu 1980–2009 im Winter von einem Anstieg der mittleren Produktion von rund 10% und im Sommer von einer Abnahme zwischen 4 und 6% aus. Diese saisonalen Veränderungen bewirken auf das Jahr gesehen eine leichte Zunahme zwischen 0.9 und 1.9%. Insgesamt zeigen die Ergebnisse – unter Berücksichtigung der Modellunsicherheiten –, dass sich die mittlere Stromproduktion aus der Wasserkraftnutzung gegenüber heute nicht wesentlich verändern wird. Diese Ergebnisse lassen sich allerdings nicht generell auf einzelne Kraftwerke übertragen. So muss aus regionaler Sicht bei den Wasserkraftwerken im Tessin und im südlichen Wallis mit einer leichten Produktionsabnahme gerechnet werden. Ausserdem ist zu beachten, dass Effekte wie etwa eine Veränderung von Extremereignissen, die den täglichen Betrieb massgeblich beeinflussen, bei den Hochrechnungen nicht berücksichtigt wurden.
1. Einleitung Die Auswirkungen der Klimaänderung auf die Stromproduktion durch Wasserkraft in der Schweiz wurden in einem Projekt Klimaänderung und Wasserkraftnutzung eingehend untersucht (SGHL und CHy, 2011). Einerseits lieferte die Studie Aussagen über Veränderungen in den natürlichen Abflussmengen für den Zeitraum 2021–2050. Andererseits wurden mittels Kopplung von klimatologischen, hydrologischen und betrieblichen Modellen die Auswirkungen der Klimaänderung für die Jahre 2021–2050 an verschiedenen Wasserkraftwerken bzw. Fallstudien untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass bei den natürlichen Abflussmengen 2021–2050 im Vergleich zu den Verhältnissen 1980–2009 mit einer saisonalen Verschiebung des Wasserangebots gerechnet werden muss, mit signifikant höheren Mengen im Winter und niedrigeren im Sommer. Die Jahres300
abflussmengen bleiben dabei konstant, mit Ausnahme von stark vergletscherten Einzugsgebieten, wo für 2021–2050 zum Teil höhere Jahresabflüsse projiziert werden. Die Resultate der Auswirkungen auf die Stromproduktion sind unterschiedlich, je nachdem wie das Kraftwerk technisch und betrieblich ausgelegt ist. Einige Fallstudien zeigen, dass die saisonalen Verschiebungen in den Zuflussmengen zu günstigeren Bedingungen bei der Stromproduktion führen können, da im Winter mehr Wasser gefasst wird und im Sommer die maximalen Fassungskapazitäten meist nicht unterschritten werden. Durch Optimierung des Produktionsfahrplans kann eine Abminderung der Produktionsmenge verhindert, oder sogar eine Steigerung erreicht werden. Aus den Ergebnissen der Fallstudien kann geschlossen werden, dass eine Verallgemeinerung der Auswirkungen der
Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung in der Schweiz schwierig ist. Zum einen unterscheidet sich jedes Wasserkraftwerk in Bezug auf seine Betriebsweise und technische Ausstattung. Zum andern zeigen die Studien zu den Veränderungen in den natürlichen Abflussmengen, dass je nach Region andere Auswirkungen auf die hydrologischen Verhältnisse zu erwarten sind. Um die Auswirkungen der Klimaänderung auf die gesamte schweizerische Wasserkraftnutzung abzuschätzen, wurde hier versucht, beiden Umständen Rechnung zu tragen. Die Hochrechnung basiert auf den Ergebnissen der Studie Klimaänderung und Wasserkraftnutzung (SGHL und CHy, 2011) und der Datenbank HYDROGIS (Balmer, 2011), in welcher technische und physiographische Kenngrössen eines Grossteils der schweizerischen Wasserkraftanlagen erfasst sind. Die im Projekt Klimaänderung und Wasserkraftnutzung verwendeten Klimaszenarien aus dem EU-Projekt ENSEMBLES (Linden und Mitchell, 2009) für den Zeitraum 2021–2050 sind allesamt konsistent (Bosshard et al., 2011a), womit sich alle Berechnungen auf dieselben Grundlagen abstützen. Im Folgenden wird auf die Methode zur Übertragung der Resultate aus den Fallstudien auf die schweizerische Wasserkraftanlagen eingegangen, inkl. den zugrundeliegenden Daten (Kap. 2). Danach werden in Kap. 3 die Resultate präsentiert, gefolgt von der Diskussion und den Schlussfolgerungen (Kap. 4 und 5). 2.
Daten und Methode
2.1 Allgemeines Vorgehen Bild 1 zeigt den schematischen Ablauf der Hochrechnung der Resultate aus den einzelnen Studien des Projektes Klimaänderung und Wasserkraftnutzung auf die Schweiz. Die Hochrechnung basiert auf einer Kombination zweier Klassierungen:
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Bei der ersten Klassierung wurden technisch und physiographisch ähnliche Wasserkraftanlagen nach ausgewählten Kriterien gruppiert (Kap. 2.2.1). Bei der zweiten Klassierung wurden Klimaänderungssignale nach Regionen gruppiert (Kap. 2.2.2). Die kombinierte Klassierung beschreibt demnach Kraftwerksgruppen, welche sich in Bezug auf technisch-physiographische Eigenschaften und zu erwartende Klimaänderungssignale unterscheiden (Kap. 2.2.3). Diese kombinierte Klassierung wurde in einem weiteren Schritt verwendet, um die Resultate der Fallstudien (nachfolgend als repräsentative Fallstudien bezeichnet) und der Untersuchungen zu den Veränderungen der natürlichen Abflussmengen zu übertragen (vgl. Bild 2). Dabei wurden relative Änderungen der Produktionsmengen und natürlichen Abflussmengen zwischen der Referenzperiode und 2021–2050 den mittleren Produktionserwartungen der einzelnen Kraftwerke zugeordnet. Dies geschah unter Berücksichtigung der jeweiligen Speicherkapazitäten der Kraftwerke, resultierend in der Hochrechnung für die Schweiz (Kap. 2.3). 2.2
Klassierung der Wasserkraftwerke und Klimaänderungssignale
2.2.1 Klassierung der Wasserkraftwerke Verschiedene technische und räumliche Informationen zu den Wasserkraftanlagen der Schweiz wurden im Rahmen einer Dissertation in der Datenbank HYDROGIS zusammengetragen (Balmer, 2011). Das GIS-Modell beschreibt jede Wasserkraftanlage anhand von Einzugsgebiet, Wasserentnahmen, Speichersee oder Stauraum, Talsperre, Stollen und Zuleitungen, Zentralen, Wasserrückgaben, Restwasser- sowie Schwall- und Sunk-
2.2.2 Klassierung der Klimaänderungssignale in Regionen In den Fallstudien und zur Abschätzung der Abflüsse für die Periode 2021–2050 wurden hydrologische Modelle verwendet. Diese
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wurden mit verschiedenen Temperaturund Niederschlagsszenarien für die Periode 2021–2050 angetrieben, welche mit Hilfe von Klimaprojektionen aus dem EUProjekt ENSEMBLES (Linden und Mitchell, 2009) und beobachteten Temperatur- und Niederschlagswerten für die Schweiz aufbereitet wurden (Bosshard et al., 2011a): Für die Berechnung der Klimaänderungssignale wurden zunächst Klimamodellberechnungen (Auflösung 25 km × 25 km) auf Stationsstandorte der Meteoschweiz interpoliert (Temperatur: 188 Standorte; Niederschlag: 507 Standorte). Aus den interpolierten Zeitreihen wurden anschliessend die Klimaänderungssignale zwischen der Periode 1980–2009 (CTL) und 2021–2050 (SCE) berechnet. Dazu wurde mit einem einfachen gleitenden Mittel sowohl für die CTL- als auch die SCE-Periode der mittlere klimatologische Jahresgang ermittelt. Die Änderung des Jahresganges zwischen der CTL- und SCE-Periode entspricht dem Klimaänderungssignal. Für die Temperatur wurde dabei die Differenz SCE-CTL betrachtet, im Falle des Niederschlages die relative Änderung SCE/CTL. Das gleitende Mittel ermöglicht eine lückenlose Repräsentation des Jahresgangs des Klimaänderungssignals (entspricht einer Zeitreihe mit Änderungssignale vom 1. Januar bis zum 31. Dezember). Mit Hilfe einer Clusteranalyse wurden die Klimaänderungssignale in Klassen eingeteilt, bzw. Regionen mit gleichen zu erwartenden Klimaänderungen gebildet. Dabei wurden nur jene Stationsstandorte berücksichtigt, für welche sowohl für die Temperatur als auch für den Niederschlag Änderungssignale vorlagen. Dies war an 158 Standorten der Fall. Aus den beiden Jahresverläufen der Änderungssignale wurde anschliessend stationsweise eine einzelne Zeitreihe gebildet, bzw. die beiden Jahresverläufe wurden aneinandergekettet. Die neu entstandenen Zeitreihen dienten als Grundlage für die Berechnung der Ähnlichkeiten zwischen den einzelnen Stationsstandorten. Als Ähnlichkeitsmass zwischen zwei Standorten i und k wurde dabei (1) berechnet, mit dem Korrelationskoeffizient nach Spearman (vgl. Begert, 2008). Zur Bildung der Cluster diente das CompleteLinkage Verfahren, in welchem die Distanz zwischen zwei Cluster durch die jeweils weitest entfernten Nachbarn definiert wird (Bahrenberg et al., 2003). Durch Auftragen der jeweiligen Distanzen zwischen den ge301
Klimawandel & Wasserkraft
Bild 1. Schematischer Ablauf der Hochrechnung.
strecken. Dabei sind 283 Kraftwerke mit einer mittleren Produktionserwartung von 19 849 GWh im Sommer und 15 376 GWh im Winter erfasst. Der Vergleich mit der Statistik der Wasserkraftanlagen der Schweiz (BFE, 2011) zeigt, dass in der Datenbank HYDROGIS die grösseren Kraftwerke vollständig erfasst sind. Mit Hilfe der Datenbank und einer Clusteranalyse wurden die erfassten Kraftwerke in Klassen eingeteilt (vgl. Balmer, 2011). Dabei wurde eine Auswahl von technischen Informationen und physiographischen Variablen der einzelnen Wasserkraftanlagen verwendet: Physiographische Variablen • Mittlere Höhe des Einzugsgebietes mH [m ü.M.] (Swisstopo, 2011) • Fläche des Einzugsgebietes A [km2] • Vergletscherungsgrad Vgl [%] (BFS, 1997) • Mittlerer jährlicher Gebietsniederschlag N [mm] (Sevruk und Kirchhofer, 1992) Technische Variablen (BFE, 2011b; Balmer, 2011) • Kumulierte Ausbauwassermenge aller Wasserfassungen QA [m3/s] • Nutzvolumen der Reservoirs NV [Mio m3] • Installierte Turbinenleistung TP [MW] • Ausbauwassermenge der Turbinen TQ [m3/s] • Mittlere Produktionserwartung im Sommer ProdSo [GWh] • Mittlere Produktionserwartung im Winter ProdWi [GWh] • Installierte Pumpenleistung PP [MW] • Mittlere Konsumerwartung aller Zubringerpumpen PK [GWh] Die physiographischen Variablen kennzeichnen indirekt die vorherrschenden hydrologischen Eigenschaften. So steht die mittlere Höhe des Einzugsgebiets auch als Indikator für die mittlere Gebietstemperatur und zusammen mit dem Vergletscherungsgrad für die vorherrschenden Abflussregimes. Die technischen Variablen weisen hauptsächlich auf die Bewirtschaftung der jeweiligen Kraftwerksanlage hin, wobei die letzten beiden Variablen speziell Informationen zum Einsatz von Pumpen liefern. Die resultierenden technisch-physiographischen Klassen enthalten demnach Kraftwerke, welche innerhalb der einzelnen Klassen in Bezug auf die oben genannten Variablen ähnlich sind.
Klimawandel & Wasserkraft
bildeten Clustern wurde die Anzahl Klassen bzw. Regionen abgeschätzt, wobei grosse Distanzen zwischen den Clustern auf grosse Unterschiede zwischen den Klimaänderungsregionen hinweisen (Begert, 2008; Wilks, 2006). Um schliesslich die Regionen zu bilden, wurden die Klassierungen mit Hilfe der Methode des nächsten Nachbarn auf die Fläche der Schweiz interpoliert. 2.2.3 Kombinierte Klassierung Als Basis für die Übertragung der relativen Änderungssignale für die Periode 2021–2050 wurden die technisch-physio-
graphische und klimatische Klassierung miteinander vereint. Dabei wurden die (klassierten) Einzugsgebiete der Kraftwerksanlagen mit den Klimaänderungssignal-Regionen verschnitten. Als Resultat entstanden kombinierte Klassen, welche in Bezug auf technisch-physiographische Eigenschaften und zu erwartende Klimaänderungssignale einzigartig sind (nachfolgend Kraftwerk-Klima-Klassen genannt). Bei Kraftwerken, deren Einzugsgebiet über mehrere Klimaregionen hinweg reicht, wurde diejenige Klimaregion zugeordnet, welche flächenmässig den grössten Anteil
aufwies. Die Codierung der kombinierten Klassierung besteht aus einer zweistelligen Zahl, wobei die erste Ziffer die Klasse der technischen Klassierung angibt, die zweite diejenige der Klimaänderungssignal-Region. 2.3 Hochrechnung auf die Schweiz Im Projekt Klimaänderung und Wasserkraftnutzung wurden an verschiedenen Fallstudien die Auswirkungen der Klimaänderung auf die Stromproduktion aus Wasserkraft untersucht. Des Weiteren wurden für verschiedene Gewässer der Schweiz
Tabelle 1. Relative Änderung für die Periode 2021–2050 (jeweils Mittel aus verschiedenen Modellrechnungen) der mittleren Produktionserwartung verschiedener Wasserkraftwerke (aktueller Ausbaustand) und der natürlichen Abflussmenge ausgewählter Fliessgewässer in der Schweiz. A: Einzugsgebietsfläche; mH: mittlere Höhe; Vgl: Vergletscherungsgrad; dSo: relative Änderung für Sommer (Mai–September); dWi: relative Änderung für Winter (Oktober–April); dJa: relative Änderung für das Jahr (Oktober–September). 302
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
•
einer Kraftwerk-Klima-Klasse zugeteilt, womit die jeweilige Fallstudie repräsentativ für alle Angehörigen der Gruppe steht. Die in den Fallstudien berechneten relativen Produktionsänderungen wurden somit direkt auf die jeweiligen Kraftwerke übertragen. Unterscheidung zwischen Speicherund Laufkraftwerk, um den verbliebenen Speicherkraftwerken entweder die relativen Änderungen der Fallstudie Löntsch oder Mattmark zuzuordnen. Die Unterscheidung zwischen Speicher- und Laufkraftwerk erfolgte mit Hilfe des Speicherausbaugrades β, welcher das Verhältnis zwischen dem Nutzvolumen bzw. dem Speicherinhalt S [m3] im Einzugsgebiet eines Kraftwerks und dem mittleren Zufluss MQ [m3/a] darstellt (Maniak, 2005), also • (2)
MQ wurde hier mit Hilfe des mittleren jährlichen Gebietsniederschlags und der Einzugsgebietsfläche für jede Kraftwerksanlage berechnet, wobei ein Drittel der berechneten Wassermenge als Verdunstungsverlust beziffert wurde. Im Mittel der Schweiz trifft diese Annahme zu, im Alpenraum wird MQ aber eher unterschätzt und β damit überschätzt. Nach Maniak (2005) haben Gebiete mit hohem Ausbaugrad β > 0.1, wobei auch das mittlere innerjährliche Abflussverhalten stark beeinflusst wird. Somit kann der Speicherausbaugrad auch zur Unterscheidung zwischen Speicher(β > 0.1) und Laufkraftwerken (β ≤ 0.1) dienen. Letzteren wurden die relativen Änderungen – mit gewissen Anpassungen ersichtlich in Bild 2 – der natürlichen Fliessgewässer aufgetragen. Einteilung der Laufkraftwerke nach Einzugsgebietsgrösse (A > 2500 km2),
Bild 2. Entscheidungsbaum zur Zuordnung der relativen Änderungen für die Periode 2021–2050 gegenüber der Referenzperiode (gem. Tabelle 1) auf die mittlere Produktionserwartung der einzelnen Wasserkraftwerke (aktueller Ausbaustand). Daneben ist angegeben, wie viele Kraftwerke den einzelnen Gruppen zugeordnet wurden (n) inkl. deren Anteil an der schweizerischen Produktionserwartung (Prod, %). «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
303
Klimawandel & Wasserkraft
Veränderungen in den natürlichen Abflussmengen projiziert. So kann die relative Änderung für den Zeitraum 2021–2050 in der Produktion (für die Fallstudien) bzw. den natürlichen Abflussmengen gegenüber der Referenzperiode berechnet werden (Tabelle 1). Für die Hochrechnung der Auswirkungen der Klimaänderung auf die gesamte Schweiz wurden die relativen Änderungen für Winter (Oktober–April; sieben Monate) und Sommer (Mai-September; fünf Monate) nach dem Schema in Bild 2 auf die mittlere Produktionserwartung der einzelnen Kraftwerke übertragen (aktueller Ausbaustand). Folgende Kriterien wurden bei der Zuordnung berücksichtigt (siehe Rhomben in Bild 2): • Zugehörigkeit des Kraftwerks zu einer Kraftwerk-Klima-Klasse, für welche eine repräsentative Fallstudie vorhanden ist. Die in den Fallstudien untersuchten Wasserkraftwerke wurden im vorgehenden Arbeitsschritt ebenfalls
Klimawandel & Wasserkraft
um die relativen Änderungen der natürlichen Abflussmengen aus «grossen und mittleren» oder «mittleren und kleinen» Einzugsgebieten vorzunehmen (vgl. Tabelle 1). 3. 3.1
Resultate
Kombinierte Klassierung der Wasserkraftwerke und Klimaänderungssignale Als Basis für die Hochrechnung diente die kombinierte Klassierung der Wasserkraftwerke und Klimaänderungssignal-Regionen. Insgesamt wurden acht technische Kraftwerks-Klassen und acht Klimaän-
derungssignal-Regionen ausgeschieden (Bild 3). Es zeigt sich, dass das Klimaänderungssignal auf der Alpennordseite sehr homogen ist (Klassen 1 und 5), hingegen im Alpenraum eine deutliche Heterogenität gegeben ist. Die unterschiedlichen Klassen decken folgende Regionen ab: Klasse 1 Jurabogen und nördliches Mittelland, 2 inneralpine Täler, 3 Alpennordkamm, 4 Südwallis, Gotthardgebiet und Engadin, 5 Voralpen, 6, 7 und 8 Tessin. Durch die Verschneidung der beiden Klassierungen entstanden schliesslich 24 verschiedenen Kraftwerk-Klima-Klassen (Tabelle 2). Diese unterscheiden sich in Bezug auf technisch-physiographische
Eigenschaften und zu erwartende Klimaänderungssignale. Die generelle Beschreibung in Tabelle 2 gibt grob an, welche Kraftwerke durch die jeweilige Kraftwerk-KlimaKlasse repräsentiert werden. Es ist ersichtlich, dass insbesondere grössere Kraftwerke eigene Gruppen bilden (z.B. Klasse 55, 62, 64, 67, 72 und 84). Betrachtet man die Schweiz als Ganzes, so ergibt die Summe der genutzten Fläche aller Wasserkraftwerke rund 530 000 km2. Dies belegt eindrücklich die Mehrfachnutzung des Abflusses durch die Wasserkraft in der Schweiz. 3.2 Hochrechnung auf die Schweiz
Bild 3. Klassierung der (a) 283 Kraftwerke und (b) 158 Stationsstandorte (Punkte) in je acht Klassen. Klimaänderungssignal-Regionen in (b): 1 Jurabogen und nördliches Mittelland, 2 inneralpine Täler, 3 Alpennordkamm, 4 Südwallis, Gotthardgebiet und Engadin, 5 Voralpen, 6, 7 und 8 Tessin.
Tabelle 2. Statistik der Kraftwerk-Klima-Klassen. Angegeben sind die Mittelwerte der einzelnen Variablen, welche für die technische Klassierung der Wasserkraftwerke verwendet wurden (siehe Kap. 2.2.1 für Erklärung der Abkürzungen). Wo als sinnvoll erachtet wurden für die Schweiz die Summen angegeben. 304
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
sind die aufsummierten Produktionserwartungen für 1980–2009 und 2021–2050 pro Kraftwerk-Klima-Klasse dargestellt, inkl. den relativen Änderungen. Betrachtet man die projizierten Veränderungen in den mittleren jährlichen
Produktionserwartungen für den Zeitraum 2021–2050 gegenüber den Verhältnissen 1980–2009, wird in den meisten Fällen von einer leichten Zunahme der Stromproduktion durch die Wasserkraft ausgegangen (optimistischer Fall). Bei den Kraftwerken
Tabelle 3. Veränderung der mittleren Produktionserwartung für die Periode 2021–2050 nach Kraftwerk-Klima-Klasse (aufsummiert). Erklärung für «Optimistisch» und «Pessimistisch» siehe Bild 2. «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
305
Klimawandel & Wasserkraft
An jedem der 283 Kraftwerke aus der Datenbank HYDROGIS wurde der Entscheidungsbaum, dargestellt in Bild 2, angewandt um die relativen Änderungen 2021–2050 auf dessen mittlere Produktionserwartung aufzutragen. In Tabelle 3
Klimawandel & Wasserkraft
im Tessin wird mehrheitlich mit einer leichten Abnahme der Produktion gerechnet (18, 27, 67). Auf die Schweiz hochgerechnet ergibt sich eine leicht positive mittlere Produktionserwartung für die Periode 2021–2050 zwischen 0.9% (pessimistisch) und 1.9% (optimistisch). Die Anteile der jeweiligen Kraftwerk-Klima-Klassen an der gesamtschweizerischen Stromproduktion ändern sich nicht massgeblich. Interessant sind die Veränderungen im Sommer- und Winterhalbjahr: Die sommerlichen Produktionserwartungen nehmen bei den meisten Klassen ab (mehrheitlich zwischen –3 und –10%). Abnahmen betreffen Kraftwerke ähnlich der Fallstudie Mattmark (Klasse 34), Laufkraftwerke an grösseren Flussgebieten (41, 51, 52, 54, 55), das Kraftwerk Officine Idroelettriche di Blenio (67), sowie die Kraftwerke Oberhasli (72) und Grande Dixence (84). Im pessimistischen Fall sind die sommerlichen Abnahmen bei den meisten Kraftwerk-Klima-Klassen deutlicher. Auf die Schweiz hochgerechnet beträgt die Abnahme in der mittleren Produktionserwartung im Sommer zwischen 4.4% (optimistisch) und 6.3% (pessimistisch) gegenüber dem aktuellen Ausbaustand. Für Winter wird bei den meisten Kraftwerken eine Zunahme der mittleren Produktionserwartung für die Periode 2021–2050 erwartet. Die Zunahmen bewegen sich zwischen 2 und 26%. Einzig bei zwei Kraftwerken im Südtessin (Klasse 18) muss mit Abnahmen um 5% gerechnet werden. Auf die Schweiz hochgerechnet ergibt sich eine projizierte Zunahme der Energieproduktion im Winter um 10.1%. 4. Diskussion Die Projektionen für 2021–2050 zeigen, dass die mittleren jährlichen Produktionserwartungen nicht wesentlich verschieden sein werden im Vergleich zu den Verhältnissen 1980–2009. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass es zu einer saisonalen Verschiebung des Wasserangebots vom Sommer- ins Winterhalbjahr kommt. Betrachtet man lediglich die projizierten Veränderungen bei den natürlichen Abflüssen, kann die saisonale Verschiebung vor allem bei (hoch-)alpinen Gewässern festgestellt werden. Nach Hänggi et al. (2011a) sind jene Gewässer besonders von der Klimaänderung betroffen, deren Abflussmengen massgeblich durch die Gletscher- und/oder Schneeschmelze beeinflusst sind. Gewässern in tieferen Lagen im Mittelland, in denen der Niederschlag das Abflussgeschehen dominiert, sind weniger anfällig auf die 306
Klimaänderung. In diesen Regionen bleiben, selbst bei einem starken Anstieg der Verdunstungsraten, auch in der Periode 2021–2050 die Niederschlagsmengen von grösserer Bedeutung. Über einen längeren Zeitraum hinaus, z.B. bis zur Periode 2070–2099, gelten die oben beschriebenen Aussagen nicht. Modellrechnungen zeigen, dass aus vergletscherten Gebieten die Abflussmengen signifikant abnehmen werden, einhergehend mit dem Rückzug der Gletscher bis Ende des Jahrhunderts (Paul et al., 2011; Bauder und Farinotti, 2011) und einer Abnahme der sommerlichen Niederschlagsmengen (Bosshard et al., 2011a). Zudem wird davon ausgegangen, dass durch die ansteigenden Temperaturen die Verdunstungsraten noch stärker zunehmen werden, und somit das Wasserangebot weiter vermindert wird, insbesondere in den Sommermonaten. Für die Schweiz wurden die Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung vom Bundesamt für Energie für die Studie Energieperspektiven 2035 (BFE, 2007) abgeschätzt. Diese Abschätzungen wurden ebenfalls in einer Untersuchung der beiden Bundesämter für Umwelt und Energie zu den Auswirkungen der Klimaänderung auf die schweizerische Volkswirtschaft aufgenommen (BAFU/BFE, 2007). Über das Jahr gesehen gehen die Studien davon aus, dass die schweizerische Wasserkraft bis 2035 klimabedingt im Mittel mit Produktionseinbussen um rund 7% rechnen muss. Der projizierte Verlust basiert dabei auf einer Untersuchung, in welcher die natürlichen Abflussmengen aus elf alpinen Einzugsgebieten für die Periode 2020–2049 abgeschätzt wurden (Horton et al., 2005). Als Antrieb für das hydrologische Modell dienten Klimaprojektionen aus dem EUProjekt PRUDENCE (Christensen et al., 2002), welche geltend für den Zeitraum 2070–2099 auf den Zeitraum 2020–2049 zurückskaliert wurden. Die Resultate zeigen einerseits signifikante Abnahmen in den Jahresabflussmengen, andererseits erwartet man höhere Abflussmengen im Winter und tiefere im Sommer, resultierend in ausgeglichenen Abflussregimes. Die Resultate der Fallstudien des Projektes Klimaänderung und Wasserkraftnutzung (SGHL und CHy, 2011) zeigen aber, dass eine Hochrechnung auf die Schweiz basierend allein auf Projektionen natürlicher Abflussmengen problematisch ist, da die natürlich anfallende Wassermenge nicht zwingend der für die Wasserkraft nutzbaren Menge entspricht. So muss auch zu den beiden oben genannten Studien BFE
(2007) und BAFU/BFE (2007) erwähnt werden, dass rund 65% aller Einzugsgebiete der schweizerischen Wasserkraftwerke einen alpinen oder gar hochalpinen Charakter aufweisen (BFE, 2011). Die hier dargestellte Hochrechnung einzelner Studienresultate auf die Schweiz berücksichtigt neben den Veränderungen in den natürlichen Abflussmengen auch die technische Auslegung der Wasserkraftanlagen, die Unterscheidung zwischen Lauf- und Speicherkraftwerken und die Grösse der Einzugsgebiete der einzelnen Anlagen. Die Hochrechnung ist somit robuster in Bezug auf die projizierten Veränderungen. Eine detailliertere Hochrechnung wäre möglich, wenn zusätzlich der Fokus auf diejenigen Kraftwerk-KlimaKlassen gelegt würde, welche überdurchschnittlich zur schweizerischen Stromproduktion aus Wasserkraft beitragen. Dies wären die Klassen 23 (Kraftwerke im Glarnerland, 6.6%), 24 (Kraftwerke Südwallis, Gotthardgebiet und Engadin, 13.5%), 41 (Kraftwerke am Rhein von Birsfelden bis Rekingen, 10.9%), 51 (Kraftwerke an der Aare, 5.0%), 62 (Kraftwerke Vorder- und Hinterrhein, 6.4%), 64 (Emosson, Maggia, Engadiner Kraftwerke und Mauvoisin, 12.1%) und 72 (Kraftwerke Oberhasli, 4.5%). Die sieben genannten KraftwerkKlima-Klassen decken rund 60% der gesamtschweizerischen Stromproduktion ab. Des Weiteren würden detaillierte Studien bei Kraftwerken im Tessin einen Mehrwert erbringen, da für diesen Teil der Schweiz keine Fallstudie durchgeführt wurde. Die bestehenden Abschätzungen der Veränderungen für die Alpensüdseite basieren mehrheitlich auf den projizierten Veränderungen in den natürlichen Abflussmengen, wobei eine leichte Abnahme der Stromproduktion erwartet wird. Eine österreichisch Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie hier vorgestellt (Schöner et al., 2011). Demnach ändert sich das jährliche theoretische Wasserkraftpotenzial 2021–2050 im Vergleich zu 1976–2006 im Nachbarland nicht wesentlich. Für Winter wird eine Zunahme um rund 20% projiziert, für Sommer eine Abnahme zwischen 10 und 20%. Für ausgewählte Donaukraftwerke wird eine leichte Zunahme in der Jahresproduktion zwischen 0.5 und 2.5% erwartet (2021–2050 im Vergleich zu 1976–2006). 5. Schlussfolgerungen Um die Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung abzuschätzen, müssen neben den Veränderungen in den natürlichen Abflussmengen auch die
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Danksagung
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2
BKW FMB Energie AG, Viktoriaplatz 2 CH-3000 Bern
307
Klimawandel & Wasserkraft
technischen Kenngrössen der Kraftwerke berücksichtigt werden. Mit Hilfe der Datenbank HYDROGIS (Balmer, 2011) wurden hier die Resultate aus dem Projekt Klimaänderung und Wasserkraftnutzung (SGHL und CHy, 2011) auf die Schweiz hochgerechnet. Im Vergleich zu früheren Studien projizieren die Resultate der robusteren Hochrechnung für die gesamte Schweiz folgende Veränderungen in den mittleren Produktionserwartungen 2021–2050 gegenüber den Verhältnissen 1980–2009: • Winterproduktion (Oktober–April): +10.1% • Sommerproduktion (Mai–September): –4.4 bis –6.3% • Jahresproduktion (Oktober–September): +0.9 bis +1.9% Aus regionaler Sicht muss im Tessin mit leichten Produktionseinbussen bei den Wasserkraftwerken gerechnet werden. Weitere detaillierte Untersuchungen zu den Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung sind vor allem bei denjenigen Anlagen wichtig, welche überdurchschnittlich zur Gesamtproduktion beitragen.
Klimawandel & Wasserkraft
Klimawandel: Handlungsbedarf für die schweizerischen Wasserkraftbetreiber? Daniel Spreng
Zusammenfassung Mehrere schweizerische Forschungsinstitute 1 haben sich zusammengefunden, um im Projekt «Klimaänderung und Wasserkraftnutzung» 2 den neuesten Stand des Wissens bezüglich des Einflusses des Klimawandels auf die Zuflüsse der Wasserkraftwerke zu erarbeiten und Hinweise zu geben, wie sich die Veränderungen auf den Betrieb der Wasserkraftwerke auswirken könnten. Im vorliegenden Beitrag soll dieser Stand des Wissens aus der Perspektive der Energiewirtschaft dargestellt und dessen Bedeutung für die Wasserkraftbetreiber erläutert werden.
1.
Veränderungen des schweizerischen Klimas Die Zunahme der CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre ist nun über 50 Jahre durch Messungen belegt worden. Die gemessene Zunahme entspricht ungefähr der halben Menge, welche die Menschheit emittiert, die andere Hälfte wird von den Weltmeeren absorbiert. Dass diese Zunahme die Erde vermehrt zu einem Treibhaus macht ist eine physikalische Tatsache. Die Klimaänderungen, die aufgrund der Zunahme der treibhausrelevanten Gase und Partikel (CO2 ist die wichtigste Komponente) erfolgen, sind messbar und es kann mit an die Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden, dass sich diese Veränderungen in Zukunft mit steigender Geschwindigkeit fortsetzen werden. Insbesondere kann mit hoherWahrscheinlichkeit vorausgesagt werden, dass die Temperatur längerfristig global weiter zunehmen wird. Andererseits weiss man sehr wenig, wie sich der Klimawandel von Jahr zu Jahr und an bestimmten geographischen Orten auswirkt. Dem langfristigen Trend überlagern sich Schwankungen von Jahr zu Jahr, die örtlich meist grösser sind als im globalen Durchschnitt. 1
Von den grossen Klimamodellen weiss man heute, dass die tendenzielle Temperaturerhöhung (d.h., z.B. die Temperaturerhöhung von Jahrzehnt zu Jahrzehnt) nicht überall auf der Erde gleich gross sein wird. Im westlichen Europa entspricht die prognostizierte Temperaturerhöhung etwa der mittleren globalen
Temperaturerhöhung, wobei in den Alpen mit einer etwas grösseren Temperaturerhöhung gerechnet werden muss. Unter der Voraussetzung einer erfolgreichen, aber nicht drakonischen Klimapolitik (sog. Szenario A1B) ist dies eine Temperaturerhöhung von etwa 0.03°C pro Jahr, die sich den anderen (jährlichen, saisonalen, tageszeitlichen,…) Schwankungen überlagert. Im Projekt «Klimaänderung und Wasserkraftnutzung» wurden nun vom Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich die Temperaturveränderungen für viele Wetterstationen der Schweiz berechnet und zwar für die Zeitperioden 2021–2050 und 2070–2099. Für das erwähnte Szenario sind die Temperaturzunahmen immer positiv: in der näheren
Bild 1. Vorausberechnete Erwärmung der Erdoberfläche für das Ende des Jahrhunderts (2090–2099). Das gewählte Szenario ist das sog. A1B-Szenario. Temperaturveränderungen beziehen sich auf die Zeitperiode 1980–1999. Quelle: IPCC 2007, 4. Bericht (Synthesis).
Gruppe Hydrologie des Geographischen Instituts der Universität Bern, Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich, Geographisches Institut der Universität Zürich, Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich und die Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft des ETH Bereichs.
2
http://www.hydrologie.unibe.ch/projekte/ccwasserkraft.html
308
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Klimawandel & Wasserkraft Bild 2. Vorausberechnete Veränderungen der Niederschlagsmengen für das Ende des Jahrhunderts (2080–2099). Das gewählte Szenario ist das sog. A1B-Szenario. Die Veränderungen beziehen sich auf die Zeitperiode 1980–1999. Quelle: IPCC 2007, 4. Bericht (The Physical Science Basis, Summary for Policy Makers). Zukunft (2021–2050) um die +1.5°C (gegenüber der Kontrollperiode 1980–2009), in der ferneren Zukunft (2070–2099) +3.0 bis 4.5°C. Die saisonalen Unterschiede dieser Veränderungen wurden ebenfalls berechnet, diese detaillierten Resultate sind jedoch mit grösseren Unsicherheiten behaftet. Wichtiger für Wasserkraftwerkbetreiber, aber leider viel unsicherer, sind Voraussagen über die klimabedingten Veränderungen der Niederschläge. Der Treibhauseffekt bewirkt nicht nur eine Zunahme der Temperatur, sondern allgemein wird mehr Energie, die von der Sonne auf die Erde gestrahlt wird, im Klimasystem zurückgehalten. Dadurch ergibt sich eine Beschleunigung des Wasserkreislaufs: mehr Verdunstung, mehr Niederschläge. Der gasförmige Wassergehalt der wärmeren Luft kann aber auch höher sein und über weite Strecken transportiert werden bevor
er kondensiert und Niederschläge verursacht. Wo und wann die Niederschläge zunehmen werden, ist deshalb nicht einfach zu berechnen. Gemäss den heutigen grossen Klimamodellen werden die Niederschläge nördlich der Alpen zunehmen und südlich der Alpen abnehmen. Prognosen für einzelne Alpentäler sind entsprechend mit noch grösseren Unsicherheiten behaftet. Die im Rahmen des Projekts «Klimaänderung und Wasserkraftnutzung» gesichteten, neusten Berechnungen von 10 Modellketten führen teilweise zu sich widersprechenden Resultaten, bezüglich der saisonalen Niederschlagsveränderungen im Alpenraum. Wie die globalen Modelle, in Bild 2, prognostiziert auch eine Mehrzahl der regionalen Modelle Niederschlagsabnahmen während den Sommermonaten. Für die fernere Zukunft wird dabei ein durchschnittlicher Wert von –15% prognostiziert. Für den Win-
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ter wird auf der Alpennordseite eher mit Niederschlagszunahmen gerechnet. Für den Jahresdurchschnitt wird die Niederschlagsmenge, wie erwähnt, leicht höher erwartet. Dies alles bezieht sich aber auch wieder nur auf das Szenario A1B. Die erwähnte erhöhte Verdampfungsenergie führt auch dazu, dass die Niederschläge, ob erhöht oder nicht, schneller wieder verdampfen und deshalb in geringerem Mass die Gewässer alimentieren. Dies wird bei der Abschätzung der veränderten Zuflüsse zu bedenken sein. 2. Abschmelzen der Gletscher Die Veränderungen der Gletscher sind viel besser voraussagbar als die Niederschläge. Sowohl der Mengentrend der Abschmelzung, als auch der Trend bezüglich des Einsetzens der Gletscherschmelze im Frühjahr sind mit grosser Sicherheit voraussagbar, denn beides ist in erster Linie vom langfristigen Trend der Tem309
Klimawandel & Wasserkraft
peraturzunahme abhängig. Letzterer ist unter Voraussetzung einer bestimmten Entwicklung der CO2-Emissionen gut prognostizierbar. Ein gut prognostizierbarer Trend darf allerdings nicht mit einem gut prognostizierbaren Ereignis in einem bestimmten Jahr verwechselt werden. Auch ist natürlich das Wachstum der Gletscher im Winter von den nur ungenau voraussagbaren Niederschlägen abhängig, doch das Abschmelzen kann man sich als langsamen Prozess vorstellen, der dem sich verändernden Klima mehrere Jahre nachhinkt und demzufolge relativ ausgeglichen abläuft. Zwei Institute haben sich im Rahmen des Projektes «Klimaänderung und Wasserkraftnutzung» mit den Gletschern befasst, das Geographische Institut der Universität Zürich und Versuchsanstalt für Wasserbau (VAW) der ETH Zürich. Es dürfte sich für den Wasserkraftwerkbetreiber lohnen, sich mit diesem Thema genauer zu befassen, wenn für ihn vergletscherte Einzugsgebiete eine Rolle spielen. In stark vergletscherten Einzugsgebieten können durch das Abschmelzen der Gletscher schon heute die Abflüsse Jahr für Jahr grösser sein als die Niederschläge. In ein paar Jahrzehnten wird jedoch eine Trendumkehr eintreten und die Abflüsse werden langfristig, bei weggeschmolzenen Gletschern und erhöhter Evapotranspiration, im Mittel geringer als die Niederschläge sein. Wie im Bericht der VAW dargestellt wird, ist z.B. der durchschnittliche Zufluss zu der 2007 m ü.M. gelegenen Fassung des zu 70% vergletscherten, 81 km2 grossen Einzugsgebiet Gorner, heute schon rund 50% höher als der Durchschnitt des letzten Jahrhunderts. Bis 2040 wird der durchschnittliche Zufluss vielleicht nochmals 20% zunehmen, dann aber vor Ende des Jahrhunderts unter den Durchschnitt des vergangenen Jahrhunderts absinken. Dieses Beispiel kann nicht auf andere vergletscherte Einzugsgebiete eins zu eins übertragen werden, wichtig sind neben dem Vergletscherungsgrad u.a. die Höhe des Einzugsgebietes, die zu erwartenden Niederschlagsveränderungen und, wegen der Evapotranspiration, die Bodenbeschaffenheit der nicht vergletscherten Flächen. Für die Stromproduktion der ganzen Schweiz halten sich die Auswirkungen
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des Abschmelzens der Gletscher in Grenzen. Insgesamt hatte es im Jahr 1999 noch rund 60 km3 Eis in den Gletschern der Schweiz, was etwa 55 km3 Wasser entspricht. Wenn wir annehmen es brauche wenigstens 100 Jahre bis die Gletscher geschmolzen sind, dann stehen während dieser Abschmelzphase, in der wir schon drin sind, theoretisch jährlich rund 0.5 km3 mehr Wasser zur Verfügung. Dies ist, im Vergleich zu den 60 km3 Niederschlägen, die jährlich auf die Schweiz fallen und von denen etwa ein Drittel genutzt wird, nicht besonders viel. Von potenziellem Interesse ist auch der Umstand, dass die sich zurückziehenden Gletscher z.T. Seen von beachtlicher Grösse zurück lassen (siehe Studie des Geographischen Instituts der Universität Zürich im Projekt «Klimaänderung und Wasserkraftnutzung»). Diese Seen können für die Wasserkraftnutzung allenfalls von Interesse werden. Zudem werden auch höher gelegene Fassungen das Potenzial der Wasserkraftnutzung vergrössern. Dies könnte für hoch gelegene Einzugsgebiete theoretisch ein nicht unwesentliches Potenzial eröffnen. In den beiden von der VAW untersuchten Einzugsgebieten wird mit einer Erhöhung der Gleichgewichtslinie (oberhalb der Linie wächst der Gletscher, unterhalb schmelzt er weg) von 600 Metern gerechnet. Dieses theoretische Potenzial könnte aber nur durch wesentliche Umbauten bestehender Wasserkraftwerke ober bei Neubauten genutzt werden, so z.B. bei neu konzipierten Pumpspeicherwerken. 3.
Veränderungen der mittleren Zuflüsse Wichtig für die Wasserwirtschaft sind vor allen die Veränderungen der Zuflüsse zu den Wasserkraftanlagen (Fassungen und Stauseen). Mengenmässig ergeben sich diese aus dem Zusammenspiel der veränderten Niederschläge, der veränderten Verdunstungen und dem veränderten Abschmelzen der Gletscher. Wichtig sind auch die zeitlichen Veränderungen, sowohl die saisonalen als auch die kurzfristigen Veränderungen, die sich durch die vermutete Zunahme der Extremereignisse ergeben. Letztere werden im Projekt «Klimaänderung und Wasserkraftnutzung» nicht behandelt. Hydrologen teilen Einzugsgebiete
und deren Abflüsse in verschiedene Typen ein. Die Gruppe Hydrologie des Geographischen Instituts der Universität Bern hat im Rahmen des Projektes «Klimaänderung und Wasserkraftnutzung» für je ein Einzugsgebiet aller 16 Typen, die klimagedingten Veränderungen der Abflüsse berechnet. 3 Für die Berechnung des Abflusses in Funktion der Niederschläge wurde im Prinzip jeweils dasselbe Modell verwendet. Dabei wurden Regen und Schnee, Temperaturen (über Null und unter Null) und verschiedene Flächen (Eis, Fels, unterschiedliche Böden und Vegetation) unterschieden. Die Modellparameter wurden für jeden Einzugsgebietstyp an der Vergangenheit separat geeicht. Dies erlaubte, aufgrund der regionalen Klimaprognosen, die Berechnung der zukünftigen Abflüsse. Es ergeben sich für die 16 Einzugsgebietstypen recht unterschiedliche Resultate. Auf der Alpennordseite wirken sich im Winter prognostizierte Erhöhungen der Niederschläge positiv aus, in der ganzen Schweiz werden in den wärmeren Sommern ein höherer Anteil der Niederschläge verdampfen und sich so der Wasserkraftnutzung entziehen und es wird in vielen Gebieten auch mit weniger Abflüssen gerechnet. Bei Letztem ist allerdings die Sicherheit der Aussage nicht sehr hoch. Wasserkraftwerke können bei hoher Wasserführung oft nicht alles Wasser nutzen. Da in der Schweiz im Sommer meist viel Wasser zur Verfügung steht, führen die verminderten Zuflüsse im Sommer nicht unbedingt zu einer Minderproduktion. In sechs Fallbeispielen (Kraftwerke Löntsch, Prättigau, Mattmark, Oberhasli, Gougra und Göscheneralp) wurden die durch die saisonal veränderten Zuflüsse bedingten Mehr- und Mindererträge berechnet. Sie werden in anderen Teilen dieses Heftes erläutert. Diese Berechnungen geben zwar wichtige Hinweise auf mögliche Entwicklungen, führen jedoch nicht zu quantitativ belastbaren Aussagen. Dies aus folgenden Gründen: • Alle Berechnungen über die Klimaveränderungen beziehen sich auf das IPCC-Szenario A1B. Andere Entwicklungen der CO2-Zunahme sind auch möglich. • Die Regionalisierung der globalen Klimamodelle führt zu unterschiedlichen Resultaten. Insbesondere sind quantitative Resultate der regionalen, sai-
Dabei ging es auch um die Frage, ob es Einzugsgebiete gibt, die aufgrund des veränderten Klimas in der Typologie neu eingeteilt werden müssen.
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4.
Welche weiteren Veränderungen spielen eine Rolle? Neben den klimabedingten Zuflussveränderungen hat das Klima auch Auswirkungen auf weitere Faktoren, die die Wasserkraftnutzung beeinflussen. Zum einen sind dies weitere Umgebungsfaktoren, zum andern Elemente des Strommarkts. In der physischen Umgebung der Kraftwerke wird der Klimawandel nicht nur zum Rückzug der Gletscher, sondern auch zu veränderten Geschiebebewegungen, Murgängen und Lawinen führen. Einen gewissen Einfluss auf die Betriebskosten, dürften insbesondere die allenfalls vermehrt notwendig werdenden Geschiebeentnahmen und Spülungen von Fassungen und Stauseen darstellen. Zu diesem Thema wurden im Projekt «Klimaänderung und Wasserkraftnutzung» interessante Studien gemacht. 5 Über die für die Wasserkraftnutzer vielleicht wichtigste Klimaveränderung, über die Zunahme der Extremereignisse (Stürme, Hochwasser, Dürren), wissen wir quantitativ relativ wenig. Statistiken über Extremereignisse, d.h. über seltene Ereignisse, sind grundsätzlich eine schwierige Sache, denn Statistiken sind grundsätzlich nur für viele Datenpunkte sinnvoll. Die Beobachtungsmethoden und die Beurteilung von Ereignissen verändern sich über die vielen Jahrzehnte, die nötig sind, um genügend Daten zu sammeln und um statistische Aussagen machen zu können. Zwar hat die Versicherungsbranche sehr umfangreiche Daten über die Zunahme von umweltbedingten Schadenfällen, doch diese Zunahmen können auch andere Gründe haben, wie z.B. den zunehmenden Bau von Gebäuden in exponierten Lagen. In jüngster Zeit haben sich die Meteorologen diesem Thema trotzdem angenommen. 6 Mindestens die Zunahme von Hitzeperioden ist vielleicht nicht 100%ig, aber doch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit statistisch gesichert. Auch ist mit hoher Sicherheit mit einer Zunahme von heftigen Niederschlä-
gen zu rechnen. Diese resultiert bei Laufkraftwerken zum Verlust von nutzbarem Wasser und könnte zur Forderung der stärkeren Nutzung von Speichkraftwerken für den Hochwasserschutz, mit entsprechender Einschränkung der Stromproduktion, führen. Der Strommarkt wird durch den Klimawandel auf zweierlei Art verändert. Erstens verändert sich die Nachfrage, zweitens die Produktion der Konkurrenz. Die Nachfrage nach Elektrizität wird im Sommer aufgrund wärmerer Temperaturen und vermehrter Klimatisierung von Gebäuden, insb. im Dienstleistungsbereich, wahrscheinlich stark zunehmen. Eine Extrapolation der in den Energieszenarien des Bundesamts für Energie gemachten Schätzungen der klimabedingten Stromnachfrageveränderungen für das Jahr 2050 7 ergibt eine Nachfrageerhöhung um 6% über das ganze Jahr und 11% über das Sommerhalbjahr. Zu den Mitbewerbern, die auch von Klimaeinflüssen betroffen sind, gehören aus Sicht eines einzelnen Wasserkraftwerkbetreibers • die anderen Wasserkraftwerkbetreiber in der Schweiz, • andere Wasserkraftwerkbetreiber im umliegenden Europa • und thermische Kraftwerke mit Flusskühlung in der Schweiz und im umliegenden Europa. Insofern der Klimawandel Auswirkungen auf den Betrieb eines Wasserkraftwerks in der Schweiz hat, wird sich dieser Klimawandel in ähnlicher Weise auf Teile des gesamten Wasserkraftwerkparks der Schweiz und damit auf den Strommarkt der Schweiz auswirken. Werden also beispielsweise die Zuflüsse des einen Kraftwerks im Sommer geringer, so wird das auch für die benachbarten Kraftwerke der Fall sein und deren Betreiber werden ihre Stromproduktion auf kürzere Produktionszeiten am Tag reduzieren. Damit wird weniger Nachtstrom zu Verfügung stehen und damit tendenziell teurer werden. Das heisst, es wird der Strommarkt verändert
CH2011 (2011), Swiss Climate Change Scenarios CH2011, published by C2SM, MeteoSwiss, ETH, NCCR Climate, and OcCC, Zurich, Switzerland, 88 pp. ISBN: 978-3-033-03065-7.
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Mélanie Raymond Pralong, Jens M. Turowski, Alexander Beer, Dieter Rickenmann, Valentin Métraux, Thierry Glassey (2011): Sektorielle Studie Wallis – Auswirkung der Klimaänderung auf die Geschiebefracht, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Sion und Birmensdorf, (auf: http://www.hydrologie.unibe.ch/projekte/ccwasserkraft.html#fachberichte).
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Vergl.: WMO (2011). Weather Extremes in a Changing Climate: Hindsight on Foresight, WMO-Nr. 1075, 1211 Geneva, Switzerland. Gemäss Bernard Aebischer, CEPE, ETHZ. – Die zugrundegelegte Temperaturerhöhung ist in diesen Berechnungen allerdings etwas höher, nämlich 2.5 °C, als im Szenarium, auf dem die weiter oben genannten Abschätzungen der Zuflüsse und der veränderten Stromproduktion beruhen.
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Klimawandel & Wasserkraft
sonalen Niederschlagsberechnungen mit grossen Unsicherheiten behaftet (vergleiche auch den neuesten, ausführlichen Bericht «Swiss Climate Change Scenarios CH2011»4, es handelt sich dabei um dieselben Berechnungen, wie diejenigen, welcher im Projekt «Klimaänderung und Wasserkraftnutzung» angewendet wurden). • Die Berechnung der Zuflüsse zu den Kraftwerken beruht zu einem hohen Mass auf den genannten Niederschlagsberechnungen, sie stellen eine von mehreren möglichen Entwicklungen dar. • Die Berechnung von Minder- und Mehrproduktion beruht zudem auf der Annahme, dass sich neben den Zuflüssen alles andere nicht ändert. Dies ist eine für die Berechnungen zulässige, aber sicher keine realistische Annahme. Mehr dazu im folgenden Abschnitt. In diesem Heft, im Beitrag von Balmer, Hänggi und Weingartner mit dem Titel «Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung in der Schweiz 2021– 2050 – Hochrechnung», werden die Fallstudien, die im Rahmen des Projekts «Klimaänderung und Wasserkraftnutzung» gemacht wurden, mit einer raffinierten Methode hochgerechnet: «Die Hochrechnung geht für den Zeitraum 2021–2050 im Vergleich zu 1980–2009 von einem Anstieg der mittleren Produktionserwartung im Winter um 10.1% aus. Für die Sommerzeit wird eine Abnahme zwischen 4.4 und 6.3% erwartet. Diese saisonalen Veränderungen bewirken auf das Jahr gesehen eine leichte Zunahme der schweizerischen Stromproduktion durch Wasserkraftnutzung zwischen 0.9 und 1.9%. Aus regionaler Sicht muss bei den Wasserkraftwerken im Tessin mit leichten Produktionsabnahmen gerechnet werden.» Diese Aussagen sind als Hinweis auf eine Tendenz zu verstehen und nicht als exakte, quantitative Prognose.
Klimawandel & Wasserkraft
und Berechnungen, die zeigen wie sich die finanzielle Lage einzelner Kraftwerke, bei unverändertem Markt, verbessert oder verschlechtert, sind mit Vorsicht zu geniessen. Die Alpen stellen nicht nur eine reelle Wasserscheide dar, sondern markieren ungefähr auch die Grenze zwischen den Gewinnern und Verlierern der klimabedingten Veränderungen der Wasserkraftnutzung. Deshalb wird sich die Konkurrenzsituation der anderen Wasserkraftwerkbetreiber im umliegenden Europa unterschiedlich entwickeln. Wasserkraftwerkbetreiber in den Alpen, östlich und westlich der Schweiz werden ähnlich der schweizerischen Mitbewerbern Mangel- und Überflusssituationen der Stromproduktion verstärken. Wasserkraftwerke in Italien und Slowenien einerseits und in Nordeuropa andererseits werden aber den allgemeinen Produktionsüberschuss im Norden und den Produktionsmangel im Süden verstärken. Dabei wird allerdings die klimabedingte Produktionszunahme der Wasserkraftwerke in Norwegen 8 den schweizerischen Strommarkt höchstens nur indirekt beeinflussen und gegenüber viel bedeutenderen Entwicklungen, wie dem Bau riesiger Windparks in Norden oder grosser Solarenergieanlagen im Süden nicht stark ins Gewicht fallen. Thermische Kraftwerke sind ebenfalls von klimabedingten Veränderungen betroffen, sowohl von der Zunahme der Gewässertemperaturen als auch von der Zunahme von Dürreperioden. Sobald das Kühlwasser wärmer wird, nimmt der thermische Wirkungsgrad der Kraftwerke ab und wenn in Dürreperioden die Menge des verfügbaren Kühlwassers einen kritischen Wert unterschreitet, muss das Kraftwerk abgestellt werden. 6.
Welche Handlungsoptionen bestehen? Wasserkraftbetreiber beschäftigen sich mit der Erlangung von Konzessionen für die Wasserkraftnutzung, mit der Planung, dem Bau und der Erweiterung von Kraftwerksanlagen (Kraftwerke, Fassungen,
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Stollen und Netze), mit dem Betrieb und dessen Optimierung, mit dem Verkauf von Strom und demzufolge mit dem Strommarkt, sowie mit der Entwicklung der politischen Rahmenbedingungen. Der Einfluss der Klimaänderungen auf die Wasserkraftnutzung wird bei Konzessionsverhandlungen eine wesentliche Rolle spielen. Der Wert einer Konzession hängt ganz direkt mit den Nutzungsmöglichkeiten der Ressource zusammen und zwar nicht nur den heutigen Nutzungsmöglichkeiten, sondern auch den zukünftigen. Detaillierte Kenntnisse und ein umfassendes Verständnis des Einflusses der Klimaänderungen auf die Nutzung einer bestimmten Wasserressource, auch wenn Berechnungen von grosser Unsicherheit behaftet sind, sind in den Verhandlungen und in der Planung wichtig. Bau- und Umbauvorhaben von Kraftwerksanlagen sind jeweils genau auf die vorhandene Wasserressource, insbesondere deren Jahresganglinie, und den erwarteten Markt abgestimmt. Beides wird sich durch die Klimaerwärmung ändern. Wie ist darauf zu reagieren? Höhere Zuflüsse in Winter und niedrigere im Sommer sind zwar günstig und könnten dazu verleiten, tendenziell kleinere Ausbauleistungen zu wählen. Doch dabei wird nicht mit der Zunahme von Hochwassern und Dürreperioden gerechnet. Generell führt die Klimaerwärmung zu Veränderungen, deren Ausmass insgesamt quantitativ schlecht fassbar ist. Deshalb ist genau zu überlegen, wo höhere Ausbauleistungen der verschiedenen Anlageteile allenfalls eine zwar nicht billige, aber trotzdem sinnvolle Versicherung gegen schlecht quantifizierbare Entwicklungen darstellen. Grosszügige Dimensionierungen können Hochwasser besser gerecht werden und Dürreperioden besser überbrücken, sie können auch bei unerwarteten Marktentwicklungen einen Vorteil darstellen. Demgegenüber dürfte die klimabedingte Betriebsoptimierung keine grossen Probleme mit sich bringen. Sowohl Veränderungen auf der Seite des Marktes, als auch Klimaveränderungen von Jahr zu
Jahr werden grösser sein als die Veränderungen des klimabedingten Trends. Die Betriebsoptimierung muss allen Veränderungen laufend kurzfristig gerecht werden und wird dabei die steten, aber von Moment zu Moment und Jahr zu Jahr kaum wahrnehmbaren klimabedingten Veränderungen auffangen. Es stellt sich auch die Frage, was die Klimaveränderungen für die Umweltschutzpolitik bedeuten. Schmelzen die Gletscher, eröffnet sich damit doch die Möglichkeit, das Wasser höher oben zu fassen und damit das nutzbare Gefälle nach oben zu verlängern. Dass mit der Ausschöpfung dieses sich eröffnenden Potenzials Umweltkonflikte vorprogrammiert sind, dürfte klar sein. Eine frühe Diskussion darüber, wie politisch damit umgegangen werden soll, wäre wohl leichter bevor idyllische Seen sich schon gebildet haben und Projekte schon ausgearbeitet sind. Die grössten Veränderungen im Umfeld der Stromproduktion aus Wasserkraft werden nach wie vor durch die Idee der Liberalisierung des Strommarktes angetrieben. Diese Idee muss meines Erachtens nach wie vor kritisch überdenkt werden. Wasserkraftwerke dürfen auf keinen Fall kurzfristigen Interessen geopfert werden. Wasserkraftwerkbetreiber müssen langfristig denken können, sowohl bezüglich ihrer Politik im Strommarkt, wie auch ihrer Politik bei der Pflege und dem Ausbau der Anlagen. Es ist im öffentlichen Interesse, die Anlagen in öffentlichem Besitz zu halten oder mindestens regulativ dafür zu sorgen, dass die Besitzer zu langfristigem Denken gezwungen werden. Wenn das langfristige Denken erhalten bleibt, werden sich die Besitzer für die Klimaveränderungen interessieren und geeignete Massnahmen finden, damit optimal umzugehen. Anschrift des Verfassers Daniel Spreng Prof. c/o Centre for Energy Policy and Economics, ETH Zürich, Zürichbergstr. 18, CH-8032 Zürich dspreng@ethz.ch
Siehe z.B. Byman Hamududu und Aanund Killingtveit (2010), Estimating Effects of Climate Change on Global Hydropower Production, Hydropower’10 – 6th International Hydropower Conference, 1–3 February, Tromsø, Norway.
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Klimawandel Flussgebietsmanagement & Wasserkraft
Integrales Flussgebietsmanagement/ Gestion intégrale de l’espace fluvial «Teil 2»
Flussgebietsmodellierung mit der Simulationssoftware BASEMENT David Vetsch, Patric Rousselot, Roland Fäh
1. Einleitung Im Verlauf der letzten zweihundert Jahre wurden viele Schweizer Fliessgewässer kanalisiert um die angrenzenden Nutzungsflächen vor Hochwasser zu schützen. Die miteinhergehende Melioration führte zu einer Steigerung der Lebensqualität in den vormals durch regelmässige Überschwemmungen beeinträchtigten Regionen. Diese Massnahmen brachten jedoch auch Nachteile mit sich, welche erst im Laufe der Zeit erkannt wurden. Durch die Verengung des Fliessquerschnitts kam es aufgrund der erhöhten Strömungsbelastung zu einer verstärkten Erosion des Gerinnes, welcher mittels Schwellen entgegengewirkt werden musste. Aufgrund unterschiedlicher Sedimentaufkommen musste wiederum vielerorts Geschiebe zurückgehalten oder entnommen werden, um eine Anhebung der Flusssohle zu vermeiden und den für die Hochwassersicherheit entscheidenden Fliessquerschnitt zu gewährleisten. In manchen Flüssen kam es aufgrund des stark reduzierten oder ausbleibenden Sedimenttransports zur Bildung eines Gerinnes mit geringer morphologischer Vielfalt. Des Weiteren führten die Kanalisierung und der Bau von Schwellen zu einer Reduktion der Längsund Quervernetzung der Lebensräume, was sich beispielsweise in der Fischdurchgängigkeit oder in der Interaktion des Gewässers mit den Flussauen auswirkt. Seit ungefähr zwei Jahrzehnten
zeichnet sich ein neuer flussbaulicher Trend ab, welcher den angesprochenen Defiziten entgegenwirken soll. Einzelne Flussabschnitte werden revitalisiert und ökologisch aufgewertet. Eine gängige Massnahme um die morphologische Vielfalt und die Habitatsvielfalt in einem Gewässer zu erhöhen sind Flussaufweitungen. Der Bau von Flussaufweitungen führt zu einer lokalen Anhebung der Gerinnesohle, was je nach Geschiebeaufkommen einer Stabilisierung des Gerinnes gleich kommt. Jedoch stellen derartige Eingriffe in ein Fliessgewässer auch neue
Anforderungen an den Hochwasserschutz. Aus hydraulischer Sicht kann in einer lokalen Verbreiterung und bei einer Anhebung der Flusssohle aufgrund der geringeren Abflusstiefen gegenüber der kanalisierten Strecke eine gleichbleibende Abflusskapazität gewährleistet werden. Dennoch werden Flussaufweitungen zum Teil als potentielle Gefährdung der Hochwassersicherheit angesehen. Entsprechend sind für die Planung solcher Massnahmen numerische Simulationsmodelle hilfreich, um die vielfältigen Folgen eines Eingriffs zu analysieren und die verschiedenen Nut-
Bild 1. Grafische Benutzeroberfläche der Simulationssoftware BASEMENT.
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Flussgebietsmanagement
zungsinteressen besser aufeinander abzustimmen. Des Weiteren ermöglicht die Anwendung von geeigneten numerischen Modellen die Simulation von Vorgängen unterschiedlicher Grössenordnung und somit die Untersuchung von lokalen bis zu überregionalen Problemstellungen. Grundsätzlich eignet sich der Einsatz von Simulationsmodellen, die auf einer Software beruhen, wie sie in diesem Beitrag vorgestellt wird, für die Hochwasservorsorge, die Erstellung von Gefahrenkarten, die Optimierung der Regelung von Flüssen und Seen sowie zur Dimensionierung von Fliessgewässern. Des Weiteren können morphologische Entwicklungen untersucht und mittels geeigneter Indizes die Habitatsvielfalt eines Gewässers bestimmt werden. Im Vergleich zu physikalischen Experimenten bieten sich numerische Modelle für Parameter- und Variantenstudien als kostengünstige Alternative an. Massgebende Eingriffe zur Verbesserung des Hochwasserschutzes und der ökologischen Situation bei bestehenden grossen Fliessgewässern, wie z.B. der Thur oder der Rhone, wurden in den letzten Jahren durchgeführt oder sind noch im Gange. Mit dem Ziel die entsprechenden Massnahmen sowohl vom flussbaulichen und ökologischen als auch vom sozialen Gesichtspunkt zu evaluieren, wurde im Jahr 2002 des transdisziplinäre Forschungsprojekt «Rhone-Thur» als wissenschaftliche Begleitung vom Bundesamt für Umwelt lanciert. Dieses wurde im Jahr 2007 in Form des Nachfolgeprojekts «Integrales Flussgebietsmanagement» bis Dato weitergeführt. In diesem Rahmen wurde die Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich beauftragt, die Simulationssoftware BASEMENT («basic simulation environment for computation of environmental flow and natural hazard simulation») zu entwickeln. Das Programm inklusive umfangreicher Dokumentation steht interessierten Personen kostenlos zur Verfügung (www.basement.ethz.ch). Im vorliegenden Beitrag werden die grundsätzlichen Fähigkeiten des Programms BASEMENT kurz beschrieben und einige Anwendungsbeispiele aufgezeigt. Betreffend mathematischer und numerischer Details sei auf die Dokumentation (Faeh et al. [2011]) verwiesen. Eine Einführung zur grundsätzlichen Vorgehensweise bei der numerischen Fliessgewässermodellierung ist dem entsprechenden Merkblatt des BAFU («Numerische Fliessgewässermodellierung», in Vorbereitung) zu entnehmen. 314
2.
Die Simulationssoftware BASEMENT Das Computerprogramm BASEMENT ermöglicht die numerische Simulation der Strömung und des Sedimenttransports in einem Fliessgewässer. Die Simulationssoftware beinhaltet grundsätzlich zwei unterschiedliche Modelle; das eindimensionale Modell (als BASEchain bezeichnet) ermöglicht die Simulation von Fliessgewässern definiert anhand von Flussquerprofilen und das zweidimensionale Modell (als BASEplane bezeichnet) basiert auf einem dreidimensionalen digitalen Geländemodell. Details zu den beiden Modellen sind in den folgenden Abschnitten beschrieben. Zur Unterstützung der Konfiguration der Modelle, d.h. des Aufsetzens einer Simulation, besitzt das Programm eine grafische Benutzeroberfläche (GUI) wie in Bild 1 dargestellt. Das GUI beinhaltet einen «Command File Editor» mit dem die notwendigen Parameter für das numerische Modell definiert werden können. Sämtliche Optionen sind mit einer Beschreibung versehen und mit Beispielen erklärt. Eingabefehler werden sofort erkannt und entsprechend gekennzeichnet. Des Weiteren besitzt das GUI einen «1DGrid Editor» für die Gittererstellung eindimensionaler Modelle, der eine grafische Darstellung der Querprofile samt ihren Eigenschaften ermöglicht. Zur Laufzeit der Berechnung können ausgewählte Resul-
tate wie etwa Wassertiefen, Geschwindigkeiten oder Sohlendifferenzen visualisiert werden. Die mit der Simulationssoftware modellierten Vorgänge sind grundsätzlich in zwei Arten zu unterteilen: einerseits die hydrodynamischen Ansätze zur Modellierung der Strömung, welche auch die Gerinnerauheit und die Turbulenz miteinschliessen, und andererseits die verschiedenen Ansätze für die Modellierung des Sedimenttransports. Die einzelnen Vorgänge, wie in Bild 2 schematisch dargestellt, sind in den folgenden Abschnitten genauer erläutert. 2.1. Hydrodynamik Zur Simulation der Wasserströmung werden hydrodynamische Modellgleichungen gelöst, bei welchen die Strömungsgeschwindigkeit eine über die Abflusstiefe gemittelte Variable ist. Deshalb werden die entsprechenden Modellgleichungen auch als tiefengemittelte Gleichungen bezeichnet. Diese Vereinfachung basiert auf der Annahme einer hydrostatischen Druckverteilung und die Modellgleichungen sind daher nur dann gültig, wenn die vertikale Geschwindigkeitskomponente vernachlässigt werden kann. Bei Fliessgewässern mit einer vorwiegend ebenen, nicht zu stark geneigten Sohle und geringen kontinuierlichen Gefällswechseln sind diese Annahmen zulässig. Aufgrund der
Bild 2. Vorgänge die mit der Simulationssoftware BASEMENT modelliert werden können. «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Flussgebietsmanagement Bild 3. Modellierung eines Flusslaufs im eindimensionanen Modell.
Bild 4. Ausschnitt aus einem zweidimensionalen Modell für ein Flusskraftwerk.
vereinfachten Gleichungen werden somit praxisorientierte Simulationen von grossräumigen Flussabschnitten oder über einen längeren Zeitraum möglich. Die Wahl des numerischen Verfahrens, welches zur Lösung der Gleichungen verwendet wird, ist entscheidend für die Genauigkeit und Stabilität des Modells. In BASEMENT wird dazu eine Finite-Volumen-Methode in Kombination mit einem als RiemannLöser bezeichneten Verfahren verwendet, welches auch für stark instationäre Abflussvorgänge, wie z.B. Fliesswechsel oder die Ausbreitung einer Dammbruchwelle, stabil bleibt und akkurate Resultate liefert. Zur Berücksichtigung der Gerinnerauheit können verschiedene Reibungsgesetze verwendet werden, wobei der Reibungskoeffizient z.B. in Form des gebräuchlichen Strickler-Beiwerts angegeben werden kann. Die empirische Natur der Reibungsgesetze bedingt je nach Problemstellung eine Variation des Reibungsbeiwerts. Dies bedeutet, dass die Gerinnerauheit die massgebende Grösse zur Kalibrierung der hierin erwähnten hydrodynamischen Modelle ist.
vorgängen zu orientieren hat. Das aus der Dreiecksvermaschung des Höhenmodells resultierende Gitter genügt dieser Anforderung normalerweise nicht. Als Ergebnis erhält der Anwender Wasserspiegellagen und eine tiefengemittelte Fliessgeschwindigkeit für jedes Rechenelement in Abhängigkeit der Zeit. 2D-Modelle eignen sich beispielsweise für die Berechnung von Ausuferungen ausserhalb des eigentlichen Fliessgewässers, zur Gefahrenkartierung oder für die Dimensionierung von Rückhalteräumen und Flussaufweitungen.
2.2 1D-BASEchain Beim eindimensionalen Ansatz wird das Fliessgewässer in Form von Fluss-Querprofilen idealisiert (Bild 3). Dabei hängen die Genauigkeit und die Stabilität des Modells hauptsächlich vom Abstand der Querprofile ab. Die entsprechenden Modellgleichungen basieren auf den Gleichungen von De Saint-Venant. Pro Querprofil wird die zeitliche Variation des Abflusses und
der durchflossenen Fläche bestimmt, woraus über das Querprofil gemittelte Werte für die Fliessgeschwindigkeit und die Wasserspiegellage resultieren. Zudem können pro Querprofil laterale Zuflüsse oder eine seitliche Entlastung berücksichtigt werden. Durch die starke Idealisierung eines realen Fliessgewässers auf wesentliche, die Abflusskapazität bestimmende Grössen, sind Simulationen mit einem relativ kleinen Berechnungsaufwand möglich. Daher eignet sich das 1D-Modell vor allem für langfristige oder räumlich ausgedehnte Simulationen, bei welchen der lokale Detailgehalt eine untergeordnete Rolle spielt. 2.3 2D -BASEplane Für Fragestellungen, bei welchen detailliertere ebene Strömungsvorgänge von Interesse sind, wie etwa die Ausbreitung einer Flutwelle in einer Ebene oder die Vereinigung oder die Aufteilung von Abflüssen, ist die Anwendung des zweidimensionalen Modells sinnvoll. Zur Lösung der Strömungsgleichungen muss das Berechnungsgebiet, wie in Bild 4 dargestellt, in einzelne dreieckige oder viereckige Rechenzellen unterteilt werden. Die benötigten topographischen Informationen werden in der Regel anhand eines dreidimensionalen digitalen Höhenmodells auf das Berechnungsgitter interpoliert. Ähnlich wie beim 1D-Modell ist die Qualität und Auflösung des Gitters entscheidend für die Güte der Resultate. Dies bedeutet insbesondere, dass ein optimales Berechnungsgitter sich an den Strömungs-
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2.4 Sedimenttransport Ergänzend zur Berechnung der Wasserströmung können Module zur Simulation von Sedimenttransport angewendet werden, um zeitliche Veränderungen der Lage der Flusssohle zu berechnen. Der Sedimenttransport wird unterteilt in Geschiebe- resp. Suspensionstransport sowie gravitationsinduzierter Transport. Der Geschiebetransport beschreibt die Bewegung von Sedimenten an der Oberfläche der Flusssohle aufgrund der vorhandenen Strömungsbelastung, wofür verschiedene empirische Formeln zur Verfügung stehen, wie etwa der bekannte Ansatz von Meyer-Peter und Müller. Der Suspensionstransport findet hingegen im Wasserkörper statt und wird direkt durch die Wasserströmung bestimmt. Entsprechend wird dazu eine Advektion-Diffusions-Gleichung gelöst. Damit kann der Transport von suspendiertem Sohlenmaterial oder auch die Ausbreitung von gelösten Stoffen simuliert werden. Zur 315
Flussgebietsmanagement
Beschreibung des Austausches des suspendierten Materials zwischen der Sohle und dem Wasserkörper stehen ebenfalls verschiedene empirische Ansätze zur Auswahl. Die granulare Zusammensetzung der transportierten Sedimente kann mittels beliebig vieler Kornklassen berücksichtigt werden, wobei pro Kornklasse jeweils eine Transportgleichung gelöst wird. Zusätzlich zum Geschiebe- und Suspensionstransport, bei denen die Wasserströmung die treibende Kraft ist, kann das Sohlenmaterial auch durch rein gravitationsinduzierte Vorgänge, wie etwa eine Böschungsrutschung, verlagert werden. Diese Prozesse werden vereinfacht mit einem geometrischen Modell in Abhängigkeit des kritischen Böschungswinkels abgebildet. 2.5 Anfangs- und Randbedinungen Bei einem numerischen Modell beschreiben die Anfangsbedingungen den Zustand des gesamten Modells zu Beginn der Simulation und die Randbedingungen (stationär oder zeitlich veränderlich) die Grössen an dessen Berandung. Die wohl wichtigste Anfangsbedingung für die hier aufgezeigten numerischen Modelle ist die Topographie. Üblicherweise liegen die topographischen Informationen für ein Fliessgewässer in Form von Gerinnequerprofilen vor. Vielfach werden die Profile mit beachtlichem Abstand aufgenommen und haben dementsprechend für die Zwischenräume einen vagen Informationsgehalt. Mit Hilfe von Luftbildern sowie Kenntnis der Situation vor Ort kann aus einer meist dünnen Datenlage das Optimum gewonnen werden. Insbesondere bei 2D-Modellen werden die Querprofildaten entlang des Fliesswegs interpoliert um ein verdichtetes Höhenmodell zu erhalten. Für das Umland hingegen existieren üblicherweise Höheninformationen in guter räumlicher Auflösung (z.B. Daten basierend auf Laserabtastung). Bei der Umwandlung der topographischen Rohdaten in ein zweckmässiges Berechnungsgitter ist auf die Definition von Bruchkanten besonderes Augenmerk zu legen. Nebst der Topographie gibt es weitere Anfangsbedingungen, wie etwa die Gerinnerauheit, anfängliche Wasserspiegellagen oder die Zusammensetzung der Gerinnesohle. Die Randbedingungen für die Strömungsberechnung können auf verschiedene Art und Weise definiert werden. Als Zuflussrandbedingung können z.B. repräsentative Abflussganglinien von Messstationen des BAFU oder Resultate eines hydrologischen Modells verwendet 316
werden. Dabei wird am Zuflussrand von Normalabflussbedingungen ausgegangen um lokale Instabilitäten zu vermeiden. Für die Randbedingung am Abflussrand stehen verschiedene Ansätze wie etwa Wasserstands-Abfluss-Beziehungen oder hydraulische Strukturen wie Wehre oder Schützen zur Verfügung. Der Einsatz dieser Strukturen innerhalb des Rechengebiets ist ebenfalls möglich, wobei diese dann als «innere Randbedingungen» bezeichnet werden. Im Vergleich zu hydrologischen Informationen ist die Datengrundlage für Simulationen des Sedimenttransports meistens spärlich. Zur Bestimmung der Zuflussrandbedingung kann, sofern vorhanden, auf Geschiebehaushaltsstudien zurückgegriffen werden oder es muss anhand von Abschätzungen über den totalen jährlichen Sedimenteintrag eine Geschiebefunktion in Abhängigkeit des hydraulischen Abflusshydrographen konstruiert werden. Diese Funktion hängt massgeblich von den verwendeten Ansätzen für den Sedimenttransport ab und basiert oft auf der Annahme, dass die ganze Transportkapazität ausgeschöpft wird. 3.
Erweiterungen und Spezialitäten
3.1. Effizienzsteigerung Anwendungen von numerischen Modellen in der Ingenieurpraxis sind üblicherweise mit Terminvorgaben verbunden und erfordern diesbezüglich eine überschaubare Berechnungszeit. Dies lässt sich einerseits durch ein wohlgewähltes Berechnungsgitter erzielen, bei dem kleine Gitterzellen nicht an der Stelle tendenziell grosser Geschwindigkeiten zu liegen kommen. Andererseits gibt es softwaretechnische Ansätze wie die bei BASEMENT implementierte Parallelisierung der Berechnungsverfahren. Dieser Ansatz ist vor allem seit der Ausstattung handelsüblicher Computer mit Mehrkernprozessoren zweckmässig, wobei der Benutzer die Anzahl der eingesetzten Rechenkerne selber wählen kann. Jedoch ist die Anwendung des parallelisierten Modells kein Allerheilmittel gegen lange Rechenzeiten, da andere Faktoren wie die vorangehend erwähnte Qualität des Berechnungsgitters oder die Auslastung der einzelnen Rechenkerne ebenfalls eine Rolle spielen. Bezüglich Simulationen mit Sedimenttransport gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Effizienz der Berechnung zu steigern. Zu diesen zählen vorbereitende Massnahmen wie die Reduktion des Simu-
Bild 5. Möglichkeiten zur Kopplung des 1D- und 2D-Modells von BASEMENT. lationszeitraums auf transportwirksame Phasen oder die Verwendung von nur einer repräsentativen Korngrösse. Des Weiteren bietet BASEMENT einen numerischen Ansatz an, der als quasi-stationärer Berechnungszyklus bezeichnet wird. Dabei wird für geeignete Situationen davon ausgegangen, dass Veränderungen der Gerinnesohle eher langsam erfolgen und deren Einfluss auf die Wasserströmung für einen gegebenen Zeitabschnitt vernachlässigbar ist. Die erwähnten Möglichkeiten sind in den meisten Fällen ein sehr effektives Mittel um die Berechnungszeit zu reduzieren. Zu deren erfolgreichen Anwendung ist jedoch eine gewisse Erfahrung bezüglich der Modellierung mit Sedimenttransport unabdingbar. 3.2. Kopplung der Modelle Für grossräumige Flussgebiete mit unterschiedlichen Fragestellungen mag es sinnvoll sein, das Berechnungsgebiet in einzelne Bereiche zu unterteilen, um eine effiziente Simulation zu ermöglichen. Konkret bedeutet dies, dass gewisse Flussabschnitte vereinfacht als 1D-Modell betrieben werden können und in Bereichen wo ein grösserer Detailgrad gefordert ist oder horizontal zweidimensionale Strömungsverhältnisse eine Rolle spielen ein 2D-Modell eingesetzt werden kann. Dazu bietet BASEMENT die Möglichkeit, die beiden Simulationsansätze auf verschiedene Weise miteinander zu koppeln (siehe
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3.3. Regelung Der Betrieb von Stauhaltungen in Flüssen oder die Abflussregulierung von Seen unterliegen häufig einem vorgegebenen Reglement. Zur Berücksichtigung solcher Verhältnisse bietet die Software den Einsatz von parametrisierten Reglern, für welche zweckmässige Sollgrössen wie etwa Abfluss oder Wasserspiegel und Stellgrössen von Abflussorganen definiert werden können. Dadurch lassen sich z.B. Wehre und Schützen gemäss den vorgegebenen Zielkriterien automatisch regeln. Ebenso kann mittels der Regelung der unbestimmte Abfluss eines Zubringers abgeschätzt werden. 3.4. Turbulenzmodell Bei den vorliegenden Modellen sind einerseits turbulente Effekte aufgrund der Beschaffenheit der Gerinnesohle pauschal in den entsprechenden Ansätzen für die Gerinnerauheit enthalten. Andererseits können bei horizontal zweidimensionalen Strömungen Situationen auftreten, bei denen der Einfluss der Turbulenz massgebend sein kann, wie z.B. bei Nischenströmungen oder bei Einmündungen in einen flachen See. Zur numerischen Simulation solcher Vorgänge mit Berücksichtigung der Turbulenz müssen die Gleichungen des tiefengemittelten 2D-Modells erweitert werden. Als einfacher Ansatz bietet sich dazu die Verwendung eines Wirbelviskositätsmodells, wie in BASEMENT implementiert, an. Dabei kann eine turbulente Viskosität vorgegeben werden, welche in Kombination mit der Veränderung des Geschwindigkeitsgradienten einen zusätzlichen Strömungswiderstand bewirkt, häufig auch als «innere Reibung» bezeichnet. 4. Genauigkeit und Aufwand Die Genauigkeit numerischer Resultate hängt massgeblich vom verwendeten Verfahren und dessen vereinfachenden Annahmen sowie von der Qualität der Daten für die Topographie und der Randbedingungen ab. Bei der Anwendung numerischer Verfahren gilt im Allgemeinen, dass sich der numerische Fehler bei höheren Gitterauflösungen verkleinert. Dieses Ver-
halten wird als Konvergenz bezeichnet. Bei praktischen Anwendungen ist die Gitterauflösung allerdings beschränkt durch die daraus resultierende Rechenzeit. Ein numerisches Resultat ist daher immer ein Kompromiss zwischen Genauigkeit und Berechnungsaufwand. Generell sollte der Aufwand für numerische Simulationen nicht unterschätzt werden. Ein lauffähiges Modell kann bereits mit geringem Aufwand erstellt werden. Für qualitativ hochstehende und quantitativ belastbare Resultate ist allerdings eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Problemstellung und deren Umsetzung unabdingbar. Bereits die Gittererstellung kann entscheidend sein für die Stabilität der Simulation, den zeitlichen Rechenaufwand aber auch für die Güte der Resultate. Um Probleme im späteren Verlauf der Simulationen zu vermeiden, ist ein zeitlicher Mehraufwand für die Gittererstellung in den meisten Fällen lohnenswert. Für 2D-Modelle ist bei der Gittererstellung ein besonderes Augenmerk auf die vorhandenen Bruchkanten zu legen. Nach der Interpolation der Höheninformation auf das Rechengitter sollten wichtige Bruchkanten nochmals kontrolliert und bei Bedarf angepasst werden. Dadurch können auftretende Schwachstellen, wie z.B. ein intakter Hochwasserdamm dessen Kronenverlauf aufgrund von Interpolationsfehlern nicht durchgehend modelliert wird, im Vornherein beseitigt werden. Ein anderer Schwachpunkt eines Modells liegt häufig auch in den Randbedingungen. Eine ungünstige Definition der Randbedingungen oder deren Vorgabe an einer ungeeigneten Stelle kann zu fluktuierendem
Verhalten der Randbedingungen führen. Zum Beispiel ist es ratsam zu überprüfen, ob der definierte Zuflussquerschnitt eine genügende Kapazität bezüglich des maximal vorgesehenen Zuflusses aufweist und ob das lokale Normalabflussgefälle passend gewählt ist. Des Weiteren ist es üblich, die Randbedingungen möglichst weit weg vom eigentlich interessierenden Gebiet anzuordnen um eventuelle Randeffekte zu minimieren. Für eine konkrete praxisbezogene Problemstellung sollte der Anwender die zugrundeliegenden Modellannahmen beachten. Für die ein- und zweidimensionalen hydraulischen Modelle wird eine hydrostatische Druckverteilung angenommen. Zudem gelten die Gleichungen strenggenommen nur für moderate Sohlneigungen und kleine Gefällsänderungen. Auch Geschiebetransportformeln gelten meistens nur für einen eingeschränkten Bereich betreffend des Korndurchmessers oder dem Gefälle der Sohle. Deshalb wird ein numerisches Modell üblicherweise kalibriert, um allfällige Unzulänglichkeiten über das gesamte Modellgebiet zu minimieren und ein konsistentes Modell zu erhalten. Bei der Kalibrierung werden die massgebenden Modellparameter wie etwa die Gerinnerauheit solange variiert, bis das Simulationsresultat einem gemessenen Referenzzustand bestmöglich entspricht. Dennoch werden in vielen praktischen Fällen die oben erwähnten Grundannahmen lokal im Modellgebiet verletzt, woraus Abweichungen der Berechnungsresultate zu gemessenen Werten resultieren. Letztendlich muss der Modellierer entscheiden, ob die gewählten Parameter und die
Bild 6. Simulierte Wassertiefen in einer Flussaufweitung.
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Bild 5). So ist es beispielsweise möglich, die Ausbreitung einer Hochwasserwelle in einem Flussschlauch in einer Dimension zu berechnen und etwaige Ausuferungen mit einer gekoppelten 2D-Region zu simulieren. Dabei können auch allfällige Rückstau- oder Rückflusseffekte berücksichtigt werden.
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Kalibrierung des Modells zweckmässig für die Fragestellung sind. Zur Unterstützung eines solchen Entscheids ist, wenn immer möglich, eine Validierung anhand eines zum Kalibrierungslastfall deutlich unterschiedlichen Lastfalls durchzuführen. Berechnungen mit Sedimenttransport benötigen vielfach einen erheblichen Kalibrierungsaufwand. Im Vergleich zur reinen Hydraulik existiert eine ungleich grössere Anzahl an Parametern, welche zur Kalibrierung verändert werden können. Zusätzlich beruhen die Randbedingungen bezüglich des zugeführten Sedimentvolumens meistens auf groben Abschätzungen und haben gleichzeitig einen grossen Einfluss auf die Resultate. Vielfach können Modelle mit Sedimenttransport nicht ausreichend kalibriert und validiert werden, weil keine topographischen Informationen zu verschiedenen Zeitpunkten existieren. All diesen Unsicherheiten ist Rechnung zu tragen, indem die Berechnungsergebnisse kritisch begutachtet und auf ihre Plausibilität geprüft werden. 5. Anwendungen Im Folgenden werden typische Problemstellungen anhand von konkreten Anwendungen aus der Praxis vorgestellt. 5.1.
Hydraulische Wirkungsweise einer Flussaufweitung (2D) An einem kanalisierten Fliessgewässer wird eine Flussaufweitung geplant, um den Hochwasserschutz zu verbessern und gleichzeitig die ökologische Vielfalt zu fördern. Ein regulierbares Wehr in der Flussaufweitung dient als Hochwasserentlastung für extreme Ereignisse. Mit einer rein hydraulischen 2DSimulation wurde die Wirkungsweise der Flussaufweitung bestimmt (siehe Bild 6). Zu diesem Zweck wurden diverse Lastfälle simuliert. Von Interesse waren insbesondere die Strömungsrichtungen sowie die maximalen Fliessgeschwindigkeiten und Wasserstände während den definierten Hochwasserereignissen. Diese Ergebnisse aus den numerischen Simulationen wurden als Randbedingung für ein physikalisches Modell der geplanten Hochwasserentlastung innerhalb der Flussaufweitung verwendet. 5.2.
Automatische Regelung am Beispiel Mittellandseen (1D) Mit einem Testfall wurden die Fähigkeiten der Software bezüglich Regelung von hydraulischen Strukturen in einem grossräumigen Flussgebiet eruiert. Das numerische Modell beinhaltet die drei 318
Bild 7. Simulierte Sohlendifferenzen des Alpenrheins in 1D von verschiedenen Massnahmen nach einer Simulationszeit von 50 Jahren gegenüber der Ausgangslage im Jahr 2005 (Null-Linie). Jurarandseen mit ihren Verbindungskanälen sowie Teile der Aare und der Emme. Für die Modellierung wurde das gesamte Gebiet in einzelne 1D-Modelle unterteilt, welche untereinander gekoppelt sind und insgesamt über 800 Querprofile enthalten. Die Grenzen der einzelnen Modellgebiete wurden durch die fünf vorhandenen Flusskraftwerke bestimmt. Die Abflussregulierungs-Reglemente der einzelnen Wehre sind unterschiedlich. Das Modell wurde anhand eines drei Monate langen Ereignisses von 2005 kalibriert und anschliessend anhand eines Ereignisses aus dem Jahr 2007 erfolgreich validiert. Danach wurden mit dem validierten Modell verschiedene Szenarien bezüglich der Staustufen sowie der Seeregulierung berechnet. Die Simulationen auf einem handelsüblichen Computer waren um mehrere tausend Faktoren schneller als die Ereignisse in Realität. Somit konnte gezeigt werden, dass die Software BASEMENT für grossräumige Simulationen mit regulierten Strukturen geeignet ist. 5.3.
Einfluss von flussbaulichen Eingriffen auf die Sohlenentwicklung am Alpenrhein (1D) Am Alpenrhein zwischen der Illmündung und dem Bodensee soll der Schutz vor Hochwasserereignissen verbessert und gleichzeitig den Anliegen der Bereiche Grundwassernutzung, Ökologie, Wasserkraft und Naherholung besser Rechnung getragen werden. Regelmässige Vermessungen der Sohle des Alpenrheins zeigen, dass die Sohle in den letzten 40 Jahren insgesamt leicht aufgeschottert wurde. Bauliche Massnahmen werden die langfristige Entwicklung der Sohle weiter ver-
ändern. Um diese Veränderungen für die nächsten 50 Jahre zu quantifizieren, wurden in einer ersten Planungsphase verschiedene Massnahmenvarianten simuliert. Aufgrund des 50 km umfassenden Modellgebiets und der langen Zeitdauer wurden die Simulationen in einer Dimension durchgeführt. Für den Geschiebetransport wurde ein Mehrkornverfahren mit acht Kornfraktionen verwendet. Das Modell wurde aufgrund einer zehnjährigen Periode kalibriert und anschliessend anhand eines anderen 20-jährigen Zeitraums validiert. Die unterschiedlichen Verhältnisse im Kalibrierungs- und Validierungszeitraum konnten die Güte des numerischen Modells belegen. Mit dem validierten Modell wurde dann die Sohlenentwicklung von sieben verschiedenen Massnahmenvarianten für die nächsten 50 Jahre simuliert und im Hinblick auf das zu erreichende Hochwasserschutzziel evaluiert (siehe Bild 7). Die Prognoserechnungen zeigten, dass grundsätzlich eine Tendenz zur Auflandung bestehen bleibt. Die Sohlenentwicklung hängt primär von der Menge des eingetragenen Geschiebes ab. Wenn die Unsicherheiten der eingetragenen Geschiebemengen eingegrenzt werden, liefert das numerische Modell belastbare Resultate. 5.4.
Morphologische Entwicklung einer Flussmündung in einen See am Beispiel der Rheinvorstreckung Der Alpenrhein mündet in Form eines künstlichen Gerinnes – die sogenannte Rheinvorstreckung – in den Bodensee. Dabei werden grosse Mengen an feinkör-
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Bild 8. Sohlentopographie im Bereich der Rheinvorstreckung in den Bodensee. nigem Sediment in die Vorstreckung und den Bodensee eingetragen. Um langfristige Prognosen über die Sohlenentwicklung des Vorstreckungsgerinnes zu ermöglichen, wurde ein numerisches Modell des Mündungsbereichs in zwei Dimensionen erstellt (siehe Bild 8). Die Topographie der Rheinvorstreckung ist zu zwei Zeitpunkten im Abstand von etwa 500 Tagen bekannt. Ausgehend vom früheren Zeitpunkt wurde das numerische Modell dahingehend kalibriert, dass die gemessenen Sohlendifferenzen durch die Simulation qualitativ und quantitativ reproduziert werden konnten. Für die Sedimentumlagerungen wurde aufgrund der kleinen Korndurchmesser primär Suspensionstransport modelliert. Bei der Bestimmung der sedimentologischen Randbedingungen weist insbesondere die Bestimmung der Schwebstoffkonzentration in Abhängigkeit des Abflusses eine hohe Unsicherheit auf. Um das Modell für Langzeitprognosen verwenden zu können, muss noch eine Validierung über einen anderen Zeitraum erbracht werden. Die Berechnung läuft auf einem handelsüblichen Computer durchschnittlich etwa 300 Mal schneller als in Realität. Das Modell ist somit in der Lage, Langzeitsimulationen über mehrere Jahre mit vertretbarem Aufwand zu simulieren. 5.5.
Abschätzung der Habitatsvielfalt am Beispiel der Sense Die Sense ist ein Fluss, welcher sich streckenweise noch in seinem natürlichen Zustand befindet. Für einen zwei Kilometer langen Abschnitt mit der Charakteristik eines verzweigten Gerinnes wurde ein Modell in zwei Dimensionen erstellt. Für die Kalibrierung des Modells standen umfangreiche Daten wie Fliessgeschwindig-
keiten und Abflusstiefen zu verschiedenen Abflusszuständen zur Verfügung. Mit dem kalibrierten Modell wurden die Auswirkungen von verschiedenen Geschiebetransportformeln (Ein- und Mehrkorn) auf die Morphologie und die Veränderungen der hydraulischen Habitatstypen untersucht. Dazu wurde eine Abflussganglinie über ein Jahr simuliert. Es konnte gezeigt werden, dass das Geschiebe im untersuchten Abschnitt nur umgelagert wird und sich die Habitatsvielfalt nicht verändert. Dies belegt, dass sich die Sense im Modellperimeter in einem Gleichgewichtszustand befindet. Die Indikatoren für die Habitatsvielfalt liefern allerdings nur für hohe Gitterauflösungen verwertbare Resultate.
die Berücksichtigung von Sekundärströmungseffekten oder die Implementierung eines effizienten dreidimensionalen Strömungsmodells. Andererseits generiert die zunehmende Anwendung des Programms neue Anforderungen, wie etwa eine bessere Benutzerfreundlichkeit, eine erweiterte Funktionalität der grafischen Benutzeroberfläche oder die Kombination der Simulationssoftware mit heute gängigen Geoinformationssystemen. Bei der Entwicklung der Software waren Qualität, Flexibilität und Stabilität, mit Hinblick auf eine praxisorientierte Anwendung, stets die Schwerpunkte. Dieser Fokus soll für die weitere Entwicklung von BASEMENT beibehalten werden. Verdankung Die
Entwicklung
der
Simulationssoftware
BASEMENT wurde vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) unterstützt. Literatur Faeh, R., Mueller, R., Rouselot, P., Vetsch, D., Volz, C., Vonwiller, L., Veprek, R., Farshi, D.
6. Zukünftige Entwicklungen Der vorliegende Beitrag beschreibt die grundlegenden Fähigkeiten und einige Spezialitäten des Simulationsmodells BASEMENT. Die aktuelle Version der Software ist auf der Webseite www.basement.ethz.ch abrufbar und beinhaltet eine Vielzahl an weiteren Details auf welche hier nicht weiter eingegangen wurde. Der heutige Stand des Programms ermöglicht dem Benutzer die numerische Simulation von Fliessgewässern mit Sedimenttransport zur Untersuchung praxisrelevanter sowie wissenschaftlicher Fragestellungen. Dennoch ist die Entwicklung der Software nicht als abgeschlossen zu betrachten. Einerseits besteht nach wie vor Potenzial zur Effizienzsteigerung der Modelle sowie für funktionale Erweiterungen, wie z.B. eine gebietsinterne Kopplung der Modelle zur Simulation von Durchlässen sowie Stollen mit Druckabfluss, die Erweiterung des Geschiebetransports für Situationen mit Nichtgleichgewichtstransport,
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(2011). System Manuals of BASEMENT, Version 2.2. Laboratory of Hydraulics, Glaciology and Hydrology (VAW). ETH Zurich. Anschrift der Verfasser David Vetsch, Patric Rousselot, Roland Fäh VAW, ETH Zürich Gloriastrasse 37/39, CH-8092 Zürich vetsch@vaw.baug.ethz.ch rousselot@vaw.baug.ethz.ch faeh@vaw.baug.ethz.ch
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BASEMENT Das Programm BASEMENT und die dazugehörige Dokumentation (Faeh et al. 2011) sind kostenlos erhältlich unter www.basement.ethz.ch. Dort sind ebenfalls Eingabedateien für verschiedene Übungsbeispiele und Testfälle abrufbar, was den Einstieg in die numerische Modellierung erleichtern soll.
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Refuges à poissons aménagés dans les berges de rivières soumises aux éclusées Jean-Marc Ribi, Jean-Louis Boillat, Armin Peter, Anton Schleiss
Résumé Dans la perspective d’atténuer les impacts des éclusées hydroélectriques, un refuge latéral a été étudié comme mesure de protection des poissons. Suivant une procédure expérimentale, des truites fario juvéniles ont été soumises à des vitesses épuisantes dans un canal expérimental alimenté en eau de rivière. Ce canal long de 12 m, comporte un élargissement rectangulaire local dans lequel une circulation d’eau est forcée par l’installation d’un épi de dérivation. Grâce à cet artifice, la majeure partie des poissons impliqués dans les essais se dirige vers le refuge. En optimisant la position et l’orientation de cet épi, le taux de présence moyen a atteint 87%. Recherchant à déceler les conditions hydrauliques qui attirent les poissons, des champs de vitesses 2D ont été simulés dans le plan horizontal et des profils de vitesses verticaux ont été mesurés par ultrasons. Cette documentation a permis de reconnaître les vitesses recherchées par les poissons pour rejoindre le refuge. Sur cette base la configuration la plus prometteuse a été identifiée, et des recommandations sont proposées pour la réalisation de prototypes de refuges en rivière.
Zusammenfassung Um die Auswirkungen von Schwall und Sunk in Flüssen unterhalb Speicherkraftwerken zu vermindern, wurde die Wirkung von an Ufern angeordneten Buchten untersucht, welche als Fischrefugien dienen können. Die experimentelle Studie wurde in einem Versuchskanal mit Flusswasser und Forellenjährlingen durchgeführt, indem letztere Fliessbedingungen ausgesetzt wurden wie sie bei Schwall und Sunk vorkommen. In einem Kanal von 12 m Länge wurde seitlich eine rechteckförmige Bucht als Fischrefugium angeordnet. Eine Umlenkbuhne bewirkte dass eine bestimmte Abflussmenge vom Kanal in diese Bucht umgelenkt wurde. Dank dieser in die Bucht eintretende Abflussmenge, wurden die meisten Fische von diesem Refugium während Schwall und Sunk angezogen. Mit einer optimalen Ausgestaltung dieser Umlenkbuhne resp. -insel konnte ein mittlere Aufenthaltszeit der Fische im Refugium von 87% erreicht werden. Um die hydraulischen Bedingungen besser zu verstehen, welche für die Lockströmung in die Bucht verantwortlich sind, wurden 2D-Strömungsberechnungen durchgeführt sowie die horizontalen und vertikalen Geschwindigkeitsverteilungen im Versuchskanal mit Ultraschallsonden gemessen. Die beobachteten Fliesswege der Fische in die seitliche Bucht geben einen klaren Hinweis über die Geschwindigkeitsverteilung, welche erforderlich ist, so dass die meisten Fische das Refugium schnell finden. Aufgrund der erfolgversprechendsten Anordnung von Bucht und Umlenkbuhne können erste Empfehlungen für die Umsetzung von Uferbuchten als Rückzugmöglichkeit für Fische während Schwall und Sunk in Fliessgewässern abgegeben werden.
1. Problématique des éclusées La problématique des éclusées est associée à la production d’électricité à partir des centrales hydrauliques à accumulation. Par vocation, la production d’électricité répond à la demande des consommateurs dont elle suit les variations au cours du temps. Les aménagements hydroélectriques constitués d’un ou plusieurs réservoirs, sont particulièrement bien adaptés pour 320
produire l’énergie électrique nécessaire pour couvrir les pointes journalières. En Suisse, la production des centrales à accumulation représente plus du tiers de la consommation totale. Selon les prévisions, il est encore possible, d’augmenter la production de ces aménagements de 6% en moyenne annuelle, et de 20% en hiver (Schleiss, 2007). Les rivières alpines et préalpines d’importance sont directement
Figure 1. Canal expérimental de la Maigrauge, Fribourg (Suisse). concernées. L’un des corollaires de ce mode d’exploitation dit «par éclusées», est une modification du régime hydrologique des cours d’eau concernés (Meile & al. 2011). Sans précautions particulières, le régime naturel est affecté la plupart du temps, par une alternance cadencée et monotone des débits, en aval des points de restitution. Il est alors question de débits maximaux valant de 10 à 40 fois les débits de base. Ces derniers correspondent en général aux débits naturels et dans certains cas aux débits de dotation. Depuis plus de 3 décennies, les impacts négatifs de ce régime artificiel d’éclusées sont étudiés. Le rapport final du projet «Réseau suisse poissons en diminution» (Fischnetz, 2004) relève une diminution de 60% de la prise de truites dans les rivières suisses depuis 1980. La pauvreté en refuges naturels dans les rivières chenalisées, combinée avec le stress induit par les éclusées figurent parmi les causes du déclin piscicole observé. En relation avec les éclusées, Peter & Schager (Fischnetz, 2004) soulignent l’importance de la morphologie et du degré d’aménagement sur l’impact
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Intérêt d’un refuge latéral pour les poissons Les préoccupations concernant la gestion des éclusées ne sont pas récentes. En 1939, Vibert affirmait que le maintien de débits minimaux en aval des barrages ne constituait pas une mesure suffisante pour protéger les poissons. Plus récemment, Heller (2007) a proposé une gestion des débits d’éclusées par épanchement dans un aménagement hydraulique à buts multiples, attenant au cours d’eau principal. Dans ce contexte, Pellaud (2007) a montré que la meilleure réponse écologique d’un tel aménagement résulte de la combinaison d’un marnage mitigé et d’une morphologie diversifiée des berges du cours d’eau. En réponse à ce dernier point, le refuge à poissons proposé ici contribue à l’amélioration des habitats latéraux. Il fait suite aux travaux de Meile (2007) qui a étudié l’influence de macrorugosités de berges sur l’atténuation des éclusées. Durant les éclusées, les vitesses d’écoulement élevées affaiblissent les poissons et provoquent leur dépérissement ainsi que celui des invertébrés (Jungwirth & al., 2003). Lors de l’arrêt des turbines, l’abaissement rapide du plan d’eau peut également entrainer l’échouage des poissons sur le substrat du lit majeur (Baumann & Klaus, 2003). Une dégradation générale des habitats naturels est aussi observée le long des rivières concernées (Valentin & al. 1996, Ovidio & al. 2006, Gouraud & al. 2008). Elle est principalement engendrée par la modification du régime de charriage (Baumann & Klaus 2003, Eberstaller & Pinka 2001). Face à ces impacts, le refuge latéral s’inscrit comme mesure de protection des poissons contre les vitesses d’écoulement excessives, dans les rivières soumises aux éclusées.
Figure 2. Paramètres hydrauliques du canal mis en relation avec les courbes de préférence de vitesse pour la truite fario au stade juvénile (tiré de Vismara & al. 2001).
2.
Figure 3. Configurations de refuge testées. Le trait gras représente la paroi de dérivation. 3. Etude expérimentale Face à l’intérêt revêtu par l’installation de refuges latéraux, l’objectif de la présente recherche est d’en élaborer les formes et les conditions d’implantation, dans le but de maximiser leur taux d’occupation par les poissons lors des éclusées. Elle débouche sur des recommandations en vue de la réalisation de prototypes en rivière. L’approche expérimentale consiste à mettre des poissons en situation d’éclusée dans un canal comprenant un refuge latéral. Dans ce but, un canal ad hoc a été construit dans l’ancienne usine hydroélectrique de la Maigrauge, à Fribourg (Suisse). Ce site a été choisi car il bénéficie d’une alimentation en eau courante prélevée de la Sarine. D’une longueur utile de 12 m, le canal a une largeur de 1.2 m (Figure 1). Le refuge à parois vitrées, est aménagé en rive droite sur une largeur de 1.2 m et une longueur de 2 m. Le fond du canal, peint en blanc pour une meilleure visibilité des poissons, est constitué de galets colmatés au mortier. Le fond du refuge est recouvert de galets de rivière. L’éclusée est générée par l’ouverture de la vanne de régulation. Le débit est mesuré en continu, au même
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titre que la température de l’eau. Les dimensions du canal sont adaptées à l’espèce de poissons retenue pour les essais. Il s’agit en l’occurrence de la truite fario (Salmo trutta fario) juvénile (0+ et 1+). Elle a été choisie pour sa représentativité de la population des rivières suisses concernées par les éclusées, et son stade de croissance pour sa vulnérabilité. De surcroit, elle a fait l’objet d’importantes recherches biologiques (Schager & Peter, 2001–2002), notamment en relation avec les éclusées (Murchie & al. 2008, Gouraud & al. 2008, Flodmark 2006, Valentin 1995, Scruton & al. 2003). Les dimensions du canal sont fixées de manière à disposer de conditions de vitesses moyennes successivement favorables et défavorables, au sens des courbes de préférence d’habitat de l’espèce cible (Vismara & al. 2001, Figure 2 droite). Disposant d’un débit maximum de 220 l/s, la vitesse moyenne dans le canal passe de 0.1 m/s pour l’écoulement du débit de base de 10 l/s, à 0.8 m/s en situation d’éclusée (Figure 2 gauche), sous des hauteurs d’eau respectives de 0.10 et 0.24 m. D’autre part, la surface au sol du canal est fixée par la densité des 321
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écologique des éclusées. Ils préconisent l’amélioration prioritaire de la qualité des habitats dans les tronçons influencés. Le rapport de synthèse «Schwall/Sunk» du projet Rhône-Thur (2005), mentionne pour les régions alpines, les variations de la température de l’eau et de sa turbidité comme effets nuisibles des éclusées, en plus du colmatage des lits et des crues artificielles hivernales qui affectent les frayères. A propos des conséquences écologiques des éclusées, la revue bibliographique de l’OFEV (2003) donne un état de l’art. Elle propose un cadre méthodologique pour l’évaluation des impacts et des recommandations pour atténuer leurs effets.
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poissons. Souhaitant mettre en action 10 ou 20 poissons par essai, les densités retenues sont de 1 à 2 poissons/m2 dans le canal et de 5 à 10 poissons/m2 dans le refuge. Les individus d’une longueur moyenne de 16.5 cm, ont été capturés à l’état sauvage, par pêche électrique au Tannenbach à Büttisholz (LU). Sur le site expérimental, ils séjournaient dans un aquarium alimenté en eau de rivière et étaient nourris avec des macroinvertébrés vivants. Une marque distinctive permettait de partager l’effectif expérimental en 2 groupes de 10 poissons, qui étaient soumis chacun à 5 séquences d’éclusée d’une durée de 3 heures, réparties régulièrement sur 3 semaines. A la fin de cette période, ils étaient rapportés sur le site de capture et remplacés par un nouveau groupe de 20 individus. Concernant la température de l’eau, différentes études (Küttel & al. 2002, Jungwirth & al. 2003) font état d’une vitalité du poisson optimale et peu influencée par les variations de ce paramètre, dans l’intervalle de 6 à 14°C. Pour se trouver dans cette situation, les essais se sont déroulés au printemps et en automne, au cours des années 2008 et 2009. Préalablement à chaque essai le débit de 10 l/s était établi et les poissons introduits à l’entrée du canal, dans un compartiment provisoirement cloisonné. Après une phase d’acclimatation, les poissons étaient libérés et le débit augmenté en quelques minutes à 220 l/s, puis maintenu pendant 3 heures. Durant cette période d’essai, la position des poissons était relevée visuellement à intervalles de 20 minutes, et leurs déplacements étaient enregistrés par une caméra vidéo installée à l’aplomb de la zone du refuge. Afin de valider les résultats, chaque configuration du refuge a été testée 3 fois. Le 1er et le 2ème essai étaient réalisés avec deux groupes distincts de 10 poissons et le 3ème avec les 20 poissons. Chaque individu bénéficiait d’un temps de repos d’au moins 24 heures entre 2 essais. Afin de pouvoir générer de nouvelles configurations de refuge à partir des observations antécédentes, une connaissance des champs de vitesses dans le secteur concerné était nécessaire. Ils ont été produits par simulation numérique 2D avec le logiciel BASEMENT «BASic EnvironMENT for simulation of natural flow and hazard simulation» (Faeh & al. 2010), qui résout les équations des écoulements non-permanents à surface libre, par la méthode des volumes finis. La constitution 322
du maillage, le pré- et post-traitement des données ainsi que la visualisation des résultats ont été effectués avec le logiciel SMS «Surface Water Modelling System». A la suite des essais avec les poissons, chaque configuration a également fait l’objet d’une série de mesures de profils verticaux de vitesses d’écoulement avec la technique UVP (Ultrasonic Velocity Profiler). Six sondes alignées en parallèle sur un support, étaient disposées successivement au droit de 4 sections caractéristiques: 2 sections transversales dans le canal, en amont et en aval du refuge, et 2 autres sur la section interface entre le canal et le refuge, en amont et en aval de la paroi de dérivation. 4.
Optimisation de la configuration du refuge latéral La configuration basique du refuge a été testée initialement (Configuration C0 de la Figure 3). Ces premiers essais montraient que l’attractivité de cette simple cavité aménagée dans la berge, est très limitée
pour le poisson. Les comptages donnent une fréquentation moyenne du refuge de 33%, caractérisée par une forte variabilité au cours des 3 heures d’essai. Ce désintérêt relatif peut s’expliquer par le faible échange d’eau entre le canal et le refuge. Afin de créer un flux attractif dans le refuge, une paroi plane et verticale a été placée perpendiculairement à l’écoulement principal, au milieu de la ligne interface (Configuration C1 de la Figure 3), sur toute la hauteur d’eau. L’extrémité extérieure de cette paroi pénètre de 30 cm dans la section du canal et son extrémité intérieure laisse un espace de 50 cm jusqu’à la paroi du refuge. Durant les 3 essais d’une durée de 3 heures chacun, 74% des poissons en jeu étaient en moyenne présents dans le refuge (Figure 7). Cette performance résulte de la circulation d’un débit de 43 l/s dans le refuge, forcée par la présence de la paroi de dérivation. Ce débit représente 19% du débit total de 220 l/s (Figure 6). Sur la base de ce résultat, une maximisation de la présence moyenne a été recherchée par
Figure 4. Champ de vitesses simulé par BASEMENT 2D, pour la configuration C1. Eléments significatifs de l’écoulement au voisinage et à l’intérieur du refuge.
Figure 5. Distribution des vitesses d’écoulement le long de la ligne interface (ligne continue), à 0.025 m du fond, superposée à la distribution du nombre d’entrées des poissons (bâtonnets verticaux), pour la configuration C1. «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
La procédure méthodologique décrite précédemment a ainsi été appliquée aux 12 configurations retenues. Chacune est documentée par un champ de vitesses simulé avec BASEMENT 2D, un ensemble de 27 fiches de relevés de la position des poissons, 9 heures
Figure 6. Débits dérivés dans le refuge rapportés au débit total transitant dans le canal expérimental, pour chaque configuration.
Figure 7. Taux de présence des poissons dans le refuge, moyennés sur les 3 essais relatifs à chaque configuration, valeurs maximales, moyennes et minimales, avec mention chiffrée des valeurs moyennes.
Figure 8. Dimensions proportionnelles du refuge pour la configuration C8. L’unité est donnée par la largeur de la zone d’influence du refuge, inférieure ou égale à la demilargeur du cours d’eau. «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
d’enregistrement vidéo, et 24 profils de vitesses mesurés par UVP dans 4 sections. Ces informations permettent de définir le débit dérivé dans le refuge (Figure 6), le taux de présence moyen de poissons dans le refuge (Figure 7), le nombre de passages de poissons entrant dans le refuge à travers la ligne interface décomposée en intervalles de 10 cm, ainsi que les vitesses d’écoulement rencontrées au milieu des mêmes intervalles. Les structures d’écoulement significatives de la configuration C1 sont mises en évidence sur la Figure 4, en superposition du champ de vitesses simulées avec BASEMENT 2D. Concernant la distribution des vitesses le long de la ligne interface (Figure 5), elle montre 2 pointes, l’une pour le flux entrant dans le refuge et l’autre pour le flux sortant. Chacune est attenante à une zone de vitesses en sens opposé, délimitée par un point intermédiaire où la vitesse s’annule, le point de cisaillement. Quant aux entrées des poissons (Figure 5), elles ont lieu de manière préférentielle aux alentours du point de cisaillement, là où le gradient de vitesses est important. Par ailleurs elles sont nettement plus nombreuses dans la partie de la section interface située en aval de la paroi de dérivation. L’ensemble de ces constatations est généralisable à toutes les configurations qui comprennent une paroi de dérivation. A cet égard, il est clairement démontré que les vitesses recherchées par les poissons pour entrer dans le refuge sont majoritairement comprises entre 0 et 0.3 m/s. Il est dès lors possible de conclure à l’importance de la structure des écoulements dans le refuge. D’une part, le courant dérivé est indispensable pour attirer le poisson vers le refuge, d’autre part, les cellules de rotation sont essentielles pour faciliter leur entrée. Les résultats présentés sur la Figure 7, montrent que les configurations C8 et C3 ont les meilleurs taux de présence, soit 87 et 82% respectivement. Ces 2 configurations ont en commun la position et l’orientation de la face amont de la paroi de dérivation, qui peuvent être considérées comme les plus favorables. Avec son taux de présence maximum, la configuration C8 est proposée comme référence pour la réalisation de prototypes en rivière (Figure 8). 5. Recommandations Pour la transposition en rivière du refuge expérimental, la question des dimensions adéquates se pose en premier ordre. Le problème réside dans la définition de 323
Flussgebietsmanagement
la production systématique d’un ensemble de configurations (Figure 3). Celles-ci se distinguent par la position et l’orientation de la paroi de dérivation autour de 3 points fixes, dont 2 correspondent aux extrémités de la paroi de la configuration C1 et le 3ème au centre de la ligne interface.
Flussgebietsmanagement
Figure 9. Distribution des vitesses d’écoulement le long de la ligne interface (ligne continue), à 0.025 m du fond, superposée à la distribution du nombre d’entrées par poisson (bâtonnets verticaux), dans la configuration C8.
Figure 10. Champ de vitesses simulé par BASEMENT 2D, pour la configuration C8, proposée pour la réalisation de prototypes en rivière. Les traits gras indiquent les parois à bien marquer dans le projet, les pointillés indiquent les zones de transition. l’emprise nécessaire de la zone d’influence du refuge sur la largeur de la rivière, pour attirer le poisson. Différents scénarios examinés (Ribi, 2011) conduisent à proposer la règle suivante: Au delà d’une valeur minimale de 10 m qui s’impose pour se prémunir contre les obstructions, la longueur de la ligne interface devrait être comprise entre la moitié de la largeur du lit, pour des cours d’eau importants et sa totalité pour de petites rivières. Toutes les autres dimensions du refuge sont à reporter proportionnellement, en référence à celles de la Figure 8. D’un point de vue constructif, il est essentiel de reproduire fidèlement la structure des écoulements dans le refuge, en particulier le profil de vitesses dans la section interface (Figure 9). Pour y parvenir il est nécessaire d’implanter en conformité les parois qui guident le débit dérivé dans le refuge (Figure 10). Leur 324
parement devrait être constitué de blocs d’enrochement empilés en pente raide sur plus de la moitié de la hauteur de marnage, avec des extrémités bien marquées. Les autres faces peuvent être aménagées avec des enrochements en pente douce (Figure 11). Le substrat du fond du refuge doit être semblable à celui de la rivière. Sur le profil transversal (Figure 11), une surélévation du fond du refuge de l’ordre de 0.5 à 1.0 m par rapport au lit de la rivière est préconisée, pour favoriser le transit des alluvions charriées en situation de crue. Cette mesure requiert le maintien d’un niveau d’eau minimum d’autant plus élevé, afin de préserver les habitats dans le refuge. Si le niveau d’eau minimum souhaité dans le refuge est de l’ordre de 0.5 m, la hauteur d’eau minimale dans la rivière adjacente doit être supérieure à 1.0 m. Concernant l’équidistance entre les refuges, 2 critères peuvent être avancés. Le premier concerne la densité
de poissons. Si celle du refuge peut être estimée à 10 à 20 individus/m2, celle du lit est variable dans une proportion supérieure à 1/10 selon la taille de la rivière (Schager & Peter, 2007). Le second critère concerne la capacité du poisson à rejoindre un refuge en phase montante de l’éclusée. La distance recherchée est alors celle que les poissons peuvent parcourir en vitesse de croisière avant qu’ils ne soient emportés par le courant. A cet égard, un accroissement de débit en paliers peut augmenter leur distance de parcours. Dans les 2 cas, la détermination de l’équidistance est dépendante du cas d’espèce, soit de la rivière concernée et du déroulement des éclusées qu’elle subit. Des investigations expérimentales en rivière sont donc requises pour se prononcer sur ce point. Quant à la distribution des refuges le long des berges, elle est en principe prévue en alternance de part et d’autre du cours d’eau. En réalité il faudra éviter des zones d’atterrissements potentiels. 6. Conclusions Les principaux enseignements tirés de cette recherche peuvent se résumer comme suit: • En situation d’éclusées, le refuge latéral simple est une mesure faiblement attractive pour le poisson. L’installation dans le refuge d’un épi de dérivation d’une partie du courant, produit un attrait remarquable pour le poisson. L’orientation et la position de cet épi permettent de maximiser la performance. • La restitution au canal du débit dérivé produit le courant d’attrait. Les poissons entrent principalement dans le refuge par la section située en aval de la paroi de dérivation. Ils recherchent le point de cisaillement pour rejoindre la cellule de rotation, attenante au couloir de circulation du débit dérivé. • La configuration C8 est recommandée pour la réalisation de prototypes en rivière (Figure 11). Outre le taux de présence maximum qu’elle induit, cette configuration présente l’avantage d’un épi de dérivation en forme d’ilot. Son emprise massive lui donne une bonne stabilité et la végétation qui pourra s’implanter à sa surface contribuera à la valorisation écologique et paysagère de l’ouvrage. Préalablement à la réalisation généralisée de refuges, une validation en rivière doit être opérée. De cette façon, l’adaptation du dispositif sera testée avec
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
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d’autres espèces à d’autres stades de croissance, sous toutes conditions de température. Selon cette démarche, les présentes recommandations seront utiles à la réalisation de prototypes de refuges, qui feront l’objet d’un suivi scientifique. A l’issue de ce processus le produit sera véritablement opérationnel.
Groupe-E SA. Les simulations numériques ont
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326
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
«eine Messlatte für das ökologische Potenzial von Hochwasserschutzprojekten» Walter Gostner, Anton Schleiss
Zusammenfassung Im modernen Flussbau müssen nicht nur schutzwasserbauliche, sondern auch ökologische Anforderungen berücksichtigt werden. Durch entsprechende Gestaltung ist ein möglichst grosser Strukturreichtum anzustreben, da dieser zweifelsfrei eine der Grundvoraussetzungen für eine hohe Biodiversität in einem Fliessgewässer darstellt. Im vorliegenden Artikel wird ein neuer hydromorphologischer Index der Diversität (HMID) vorgestellt. Der HMID wurde im Rahmen des Forschungsprojektes «Integrales Flussgebietsmanagement» mittels umfangreicher Felderhebungen, numerischer Modellierungen und statistischer Analysen an drei Fliessgewässern in der Schweiz entwickelt. Er enthält in seiner Formulierung die hydraulischen Variablen Fliessgeschwindigkeit und Fliesstiefe, welche aufgrund der vorhandenen Wechselwirkungen mit anderen hydraulischen und geomorphischen Grössen die Strukturvielfalt eines Fliessgewässers zu charakterisieren vermögen. Mit dem HMID steht dem Wasserbauer ein Werkzeug zur Verfügung, das es ihm erlaubt, bei Hochwasserschutzprojekten auch den Strukturreichtum zu optimieren und damit möglichst günstige hydromorphologische Voraussetzungen für die Wiederherstellung der natürlichen Funktionen eines Fliessgewässers zu schaffen.
1. Einführung Fliessgewässer erfüllen wichtige ökologische, wirtschaftliche und soziale Funktionen. Eingriffe an den Fliessgewässern auf verschiedenen Ebenen waren und sind die Voraussetzung für die Entwicklung unserer Zivilgesellschaften. Durch die mannigfaltigen Nutzungs- und Verbauungsformen zählen Fliessgewässer heutzutage jedoch zu den am vielfältigsten und schwersten beeinträchtigten Ökosystemen (Jungwirth et al., 2003). Zudem hat der klassische Hochwasserschutz oft seine gewünschte Wirkung nicht erreicht. Extreme Hochwässer haben gezeigt, dass ein absoluter Schutz nicht möglich ist und die traditionellen Herangehensweisen zu überdenken sind. Aus diesen Beweggründen heraus hat sich ein Wandel weg von einer sektoriellen Betrachtungsweise hin zu ganzheit-
Résumé Dans l’ingénierie fluviale moderne, il est non seulement nécessaire de considérer les exigences de protection contre les crues, mais également les demandes écologiques. Avec une configuration du lit optimisée, une richesse structurelle peut être retrouvée. Elle représente sans aucun doute une des conditions de base pour une biodiversité élevée dans un cours d’eau. Dans le présent article, un nouvel indice hydro-morphologique de diversité (HMID) est présenté. Le HMID a été développé dans le cadre du projet «Gestion intégrale des réseaux fluviaux» à l’aide d’investigations in situ, de modélisations numériques et d’analyses statistiques sur trois cours d’eau situés en Suisse. Dans sa formulation, il contient les variables hydrauliques, tel que les vitesses d’écoulement et les profondeurs d’eau, qui, suite aux correlations avec d’autres grandeurs hydrauliques et géomorphiques, sont capables de caractériser la richesse structurelle d’un cours d’eau. En utilisant le HMID, l’ingénieur hydraulicien dispose d’un outil qui lui permet d’optimiser la richesse structurelle d’un cours d’eau, dans le cadre des projets de protection contre les crues. Par conséquent, il peut générer des conditions hydro-morphologiques optimales pour la restauration de ses fonctions naturelles.
lichen und integralen Ansätzen vollzogen. In den einschlägigen Gesetzen hat dieser Paradigmenwechsel Eingang gefunden. Demnach müssen die Kantone nicht nur die Gefahrengebiete bezeichnen, sondern auch den Raumbedarf der Gewässer festlegen, der für den Schutz vor Hochwasser und für die Erfüllung der ökologischen Funktionen der Gewässer notwendig ist. Bei Hochwasserschutzprojekten sind also auch die ökologischen Defizite zu ermitteln und zu beheben. Weiters sind die Kantone verpflichtet, die Revitalisierung ihrer Gewässer vorzunehmen, wobei darunter die Wiederherstellung der natürlichen Funktionen der oberirdischen Fliessgewässer zu verstehen ist. Der Wasserbauingenieur benötigt demzufolge nicht mehr nur Instrumente zur fachgerechten Auslegung der Hochwasserschutzmassnahmen, vielmehr
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
muss er imstande sein, die Projekte so zu gestalten, dass auch die Voraussetzungen für das ökologische Potenzial der Fliessgewässer verbessert werden. Der in diesem Artikel vorgestellte «hydromorphologische Index der Diversität» (HMID) ist aus diesen Anforderungen heraus im Rahmen des Forschungsprojektes «Integrales Flussgebietsmanagement» entstanden. Er soll als Werkzeug dienen, bei Hochwasserschutzprojekten die hydromorphologischen Eigenschaften des betroffenen Fliessgewässerabschnitts so zu gestalten, dass möglichst gute Voraussetzungen für dessen natürliche Funktionen geschaffen werden. Durch die Ermittlung des HMID für verschiedene Projektvarianten und die Überprüfung weiterer hydromorphologischer Kriterien können die aus gesamtheitlicher Sicht zu priorisierenden Varianten festgelegt werden. 327
Flussgebietsmanagement
Der hydromorphologische Index der Diversität
Flussgebietsmanagement
2.
2.1
Der hydromorphologische Index der Diversität
Strukturvielfalt als Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Gewässerökosysteme Für die Funktionsfähigkeit der Fliessgewässerlebensräume ist eine Vielzahl sich gegenseitig beeinflussender Faktoren abiotischer und biotischer Natur mitbestimmend. Bei den abiotischen Faktoren spielen die hydromorphologischen Eigenschaften eine tragende Rolle. Stellt man Fliessgewässer mit natürlicher und künstlicher Morphologie einander gegenüber, ist in natürlichen Abschnitten (Beispiel in Bild 1, links) in der Regel eine grosse Variabilität der Strömung, d.h. der hydraulischen Variablen, zu erkennen. Zonen mit hoher Fliessgeschwindigkeit wechseln sich ab mit Bereichen mittlerer Fliesstiefe und -geschwindigkeit und mit Stellen hoher Tiefe und geringer Fliessgeschwindigkeit. Weiter gibt es Flachwasserbereiche mit geringer Strömung, Kiesbänke unterschiedlicher Höhe mit dementsprechend verschiedenen Vegetationscharakteristiken und Sukzessionsstadien, Vorkommen von Totholz und ein buntes Muster an verschiedenen Substratgrössen. Auch ist zwischen dem Fliessgewässer und dem Umland oft ein breiter Ufergürtel vorhanden. Man stellt also eine hohe Vielfalt an aquatischen und terrestrischen Lebensräumen fest. In kanalisierten Abschnitten hingegen (Beispiel in Bild 1, rechts) ist eine starke Monotonie mit konstant bleibenden Strömungsmustern sowohl in Längs- als auch in Querrichtung und einem eingeschränkten Angebot an Lebensräumen zu beobachten.
Die hydromorphologische Vielfalt, häufig auch als Strukturvielfalt bezeichnet, ist einerseits bedingt durch die morphologischen Eigenschaften, also durch die räumliche Variabilität, und andererseits durch das hydrologische bzw. abflussdynamische Geschehen, also durch die zeitliche Komponente. Aus dem Zusammenspiel von Morphologie mit dem Abfluss entstehen jene hydraulischen Variablen (Fliesstiefe, Fliessgeschwindigkeit, Substrateigenschaften, u.a.), welche das Habitatangebot für aquatische Lebensgemeinschaften bestimmen, aber auch die Randbedingungen für die flussbegleitende Flora und Fauna. Die Veränderung und vor allem Homogenisierung der physikalischen Habitate mit der damit einhergehenden Verarmung der Strukturvielfalt in den Fliessgewässern ist die bedeutsamste Bedrohung für die Biodiversität und führt zu einer Reduzierung von Artenreichtum und Biomasse (Allan & Castillo, 2007). In der Schweiz sind rund 15 000 km der Fliessgewässer stark verbaut (BAFU 2010), dort sind verschiedene Fischarten nicht mehr vorhanden bzw. hat sich in den letzten Jahren die Fischbiomasse auf bis zu einem Zehntel dezimiert (Peter A. in Häusler, 2011). Im Umkehrschluss gilt der Grundsatz, dass die Vielfalt der Habitate in verschiedenen räumlichen Massstabsebenen eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für die Entwicklung und Erhaltung artenreicher Lebensgemeinschaften ist (Jungwirth et al., 2003). 2.2 Grundlegende Hypothesen Aus diesen grundsätzlichen Betrachtungen leiten sich die zur Herleitung des hydromorphologischen Indexes der Diversität (HMID) folgendermassen postulierten
Hypothesen ab (Gostner et al., 2011a, Gostner et al., 2011b): • Die Strukturvielfalt eines Fliessgewässerabschnittes lässt sich mit Hilfe der hydraulischen Grössen Fliessgeschwindigkeit und Fliesstiefe sowie ihrer statistischen Parameter charakterisieren. • Die statistischen Parameter dieser hydraulischen Grössen können anhand einer mathematischen Definition in einer Masszahl, dem HMID, kombiniert werden. Dieser charakterisiert somit die Strukturvielfalt der aquatischen Lebensräume eines Fliessgewässerabschnittes direkt und der flussbegleitenden Lebensräume indirekt. • Die räumliche Variabilität der aquatischen Habitate ist in einem natürlichen oder naturnahen Fliessgewässer höher als in einem künstlichen, während die zeitliche Variabilität in einem künstlichen Fliessgewässer höher ist und dort somit eine geringere zeitliche Persistenz der Habitate gegeben ist. 2.3 Anwendungsbereich Bisher war man in Ermangelung besserer Hilfsmittel bei Hochwasserschutzprojekten auf qualitative und gutachterliche Expertenbeurteilungen angewiesen, wenn es darum ging, auch die Strukturvielfalt zu verbessern. Der HMID (siehe Infobox ) trägt den Anforderungen nach einer quantitativen und objektiven Beurteilung Rechnung. Er besitzt nämlich die Fähigkeit zur Vorhersage. Anhand von numerischen Abflussmodellierungen und darauffolgender statistischer Analyse der massgebenden hydraulischen Variablen kann der HMID für einzelne zur Diskussion stehende Varianten auf einfache Weise berechnet werden. Aus dem Vergleich des für die einzelnen
Bild 1. Links: unverbauter, natürlicher Abschnitt an der Sense (Kt. Freiburg) mit Bereichen mittlerer Fliessgeschwindigkeit und –tiefe (Rinner) (1), Zonen hoher Fliessgeschwindigkeit (Furt) (2), hoher Fliesstiefe (Kolk) (3), Flachwasserbereichen (4), Kiesbänken unterschiedlicher Höhe (5), Totholz (6), wechselnden Substrateigenschaften (7) und einem breiten Ufergürtel (8). Rechts: verbauter, kanalartiger Abschnitt an der Bünz (Kt. Aargau) mit stark reduziertem Habitatangebot (aquatisch: Rinner, terrestrisch: Böschung konstanter Neigung mit Grasbewuchs und Sträuchern). 328
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
eines Fliessgewässers erlauben (z.B. BUWAL, 1998) und den Anlass zur Lancierung eines Projektes geben können, und den Methoden für die Erfolgskontrolle (z.B. Woolsey, 2005), welche nach Umsetzung des Projekts zur Anwendung kommen, ein. Er füllt damit jene Lücke, die zwischen der Bewertung von Fliessgewässern vor und nach Durchführung eines Projektes liegt und schafft eine Möglichkeit, eine a-priori Bewertung vorzunehmen und die Projekte in strukturell-morphologischer Hinsicht zu optimieren.
Bild 2. Übersicht der untersuchten Fliessgewässer.
Der HMID ist an kiesführenden Alpenflüssen, die in ihrem Referenzzustand entweder einen pendelnden bis hin zu einem gewundenen oder verzweigten Verlauf aufwiesen, entwickelt worden. Dieser morphologischer Flusstyp war in den Alpen häufig anzutreffen, weshalb sich für die Anwendung des HMID ein breites Betätigungsfeld ergibt. 3.
Herleitung und Entwicklung des HMID
3.1
Durchgeführte Arbeiten
3.1.1 Feldarbeiten An drei Fliessgewässern in der Schweiz wurden umfangreiche Felderhebungen durchgeführt (siehe Bild 2). Bei der Auswahl der Fliessgewässer wurde darauf geachtet, dass Abschnitte mit unterschiedlicher morphologischer Ausprägung vorhanden sind, um die Strukturvielfalt am Fliessgewässer in Funktion der morphologischen Eigenschaften erfassen zu können. Die Bünz liegt im Kanton Aargau, hat ein Einzugsgebiet von 111 km2 und mündet bei Wildegg in den Aare. Die Venoge hingegen weist eine Einzugsgebietsgrösse von 238 km2 auf und mündet in den Genfer See. Die Sense wiederum entwässert ein Einzugsgebiet mit einer Fläche von 432 km², sie mündet bei Laupen (Kan-
Bild 3. Aufnahmen der Untersuchungsabschnitte. Bünz (oben): (1) durch Jahrhunderthochwasser 1999 geformtes pendelndes System («Bünzaue»), (2) naturbelassen pendelnd, (3) kanalisiert, (4) revitalisiert. Venoge (Mitte): (1) naturbelassen geradlinig, (2) kanalisiert, (3) kanalisiert, (4) naturbelassen mäandrierend. Sense (unten): (1) naturbelassen verzweigt, (2) naturbelassen in einer Schlucht pendelnd, (3) naturbelassen verzweigt, geringfügig verbaut, (4) rechtsufrig verbaut, linksufrig naturbelassen, (5) kanalisiert. «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
329
Flussgebietsmanagement
Varianten berechneten Wertes für den HMID kann man jene Variante definieren, die das Fliessgewässer mit der besten Strukturvielfalt auszustatten imstande ist und deshalb die aus ökologischer Sicht zu priorisierende Variante darstellt. Auch kann eine Abschätzung darüber getroffen werden, inwieweit eine gewählte Variante sich in bezug auf die Strukturvielfalt an den Referenzzustand annähern kann. In zeitlicher Abfolge betrachtet reiht sich der HMID zwischen den Methoden, welche eine Bewertung des Ist-Zustandes
Flussgebietsmanagement
ton Bern) in die Saane. Die untersuchten Fliessgewässer weisen pluviales bzw. nivo-pluviales Abflussregime auf, wobei sich das hydrologische Regime weitgehend in seinem natürlichen Zustand befindet. Es gibt nämlich keine bedeutenden Wasserableitungen, auch sind keine grösseren Staustufen vorhanden. Die Sense kann auf einem Grossteil ihres Verlaufes als Referenzgewässer bezeichnet werden: sie weist eine nahezu naturbelassene Morphologie auf und ist vom längsten zusammenhängenden Auenwald der Schweiz flankiert. An jedem Fliessgewässer wurden mehrere Untersuchungsabschnitte festgelegt (siehe Bild 3). Entlang von Querprofilen erfolgte in einem Abstand von durchschnittlich 100–150 cm zwischen den einzelnen Messpunkten die Aufnahme der topographischen Lage, der Sohlhöhe, der Wassertiefe und der mittleren Fliessgeschwindigkeit (Übersicht über die wichtigsten Kenndaten der Untersuchungsabschnitte und der Messungen in Tabelle 1). An der Sense wurden zudem die Substrateigenschaften, die Höhe des bordvollen Abflusses, die Dichte der Ufervegetation und die Totholzvolumina erhoben, eine detaillierte Geländevermessung mit Erfassung des Talweges, der Kiesbänke, der Uferanschlagslinien und aller anderen markanten Bruchkanten im Gelände gemacht sowie eine Temperaturmesskampagne durchgeführt.
3.1.2 Numerische Modellierung Die Felderhebungen stellen lediglich einen Schnappschuss der im Jahresverlauf auftretenden Situationen dar. Da auch die zeitliche Variabilität der untersuchten Variablen für die Entwicklung des HMID von Interesse war, wurde für die Untersuchungsabschnitte an der Sense mit der Software Basement eine numerische 2d-Modellierung durchgeführt. Diese bietet auch den Vorteil, dass im Gegensatz zur Aufnahme entlang von Querprofilen in jedem Element des Gitternetzes die hydraulischen Variablen ermittelt werden, damit eine flächige Abbildung gegeben und somit eine bessere Repräsentation der tatsächlichen Situation gewährleistet ist. Folgenden Daten dienten als Input für die Modellierung: • Abflusswerte, abgelesen von Dauerkurven, die für jeden Untersuchungsabschnitt mithilfe von regionalisierten Modellen (Pfaundler & Zappa, 2006) und mittels Interpolation anhand der Abflussstatistik an drei im Einzugsgebiet vorhandenen Pegeln ermittelt wurden; • aus der Vermessung gewonnene x-, y-, z-Koordinaten der Geländepunkte; • Rauhigkeitsbeiwerte, welche anhand der mittels der Pebble-Count Methode (Wolman, 1954) ermittelten charakteristischen Korndurchmesser der Deckschicht berechnet und anhand der Feldmessungen und der Abfluss-
tiefe bei bordvollem Abfluss geeicht wurden. 3.2
Resultate
3.2.1 Räumliche Variabilität Die Boxplots in Bild 4 zeigen an den jeweiligen Untersuchungsabschnitten die aus den Felderhebungen gewonnenen hydraulischen Grössen Fliessgeschwindigkeit und Fliesstiefe, Tabelle 2 (oben) listet jeweils die Mittelwerte mit den dazugehörigen Standardabweichungen auf. In kanalisierten Abschnitten (S3 an der Bünz, S2 und S3 an der Venoge, S5 an der Sense) ist die Streuung und somit auch Diversität der Variablen gering. In diesen Abschnitten ist auch eine hohe durchschnittliche Fliessgeschwindigkeit zu beobachten, Ruhewasserzonen sind kaum vorhanden. An den natürlichen Abschnitten (S1 und S2 an der Bünz, S1 und S4 an der Venoge, S1 bis S3 an der Sense) hingegen lässt sich eine ausgeprägtere Variabilität der Grössen feststellen. Die statistische Auswertung bestätigt somit die visuelle Wahrnehmung (Bild 1). Mit dem Grad der Naturbelassenheit eines Fliessgewässers nimmt auch die Variabilität der hydraulischen Grössen zu. Je natürlicher also ein Gewässer ist, desto grösser ist die Vielfältigkeit der aquatischen Lebensräume. 3.2.2 Formulierung des HMID Die Standardabweichung σ ist eine statistische Kenngrösse zur Beschreibung der Diversität einer Grösse (Palmer et al., 1997). Deren Aussagekraft hängt allerdings eng mit der Grösse des Mittelwertes µ zusammen. Eine gleich bleibende Standardabweichung hat nämlich bei einem grösseren Mittelwert eine geringeres Gewicht. Um die Standardabweichung als Vergleichsmass heranzuziehen, ist es somit zielführend den Variationskoeffizienten cv zu verwenden, welcher den Quotienten aus Standardabweichung und Mittelwert darstellt und damit ein relatives Streuungsmass ausdrückt (Schneider, 1994). Daraus lässt sich ein Indikator für die Strukturvielfalt an einem Fliessgewässer errechnen (Schleiss, 2005). Die Teilvielfältigkeit für eine einzelne Grösse wird folgendermassen ausgedrückt: (1)
Der HMID für einen Abschnitt wird aus dem Produkt der Teilvielfältigkeitsindizes für Fliessgeschwindigkeit v und –tiefe t beTabelle 1. Überblick über die Untersuchungsabschnitte mit den wichtigsten Kenndaten. rechnet: 330
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Flussgebietsmanagement Bild 4. Boxplots der hydraulischen Grössen Fliessgeschwindigkeit und Fliesstiefe. Die Boxplots geben jeweils den Medianwert (horizontale schwarze Linie) an, die untere und obere horizontale Begrenzung der Box zeigt das 25 bzw. 75% Perzentil der Daten (d.h. 50% der Daten liegen innerhalb dieses Bereiches), die vertikalen strichlierten Linien decken jenen Bereich ab, der ca.zwei Standardabweichungen entspricht. Ausserhalb dieses Bereiches liegende Messdaten sind Ausreisser und werden als Einzelpunkte dargestellt.
(2)
Bei jedem der untersuchten Fliessgewässer weisen die kanalisierten Abschnitte (S3 bei der Bünz, S2 und S3 bei der Venoge, S5 bei der Sense) den niedersten HMID auf (Tabelle 2, unten). Es folgen Abschnitte, die bis zu einem gewissen Grad revitalisiert (S4 bei der Bünz) bzw. teilverbaut (S4 bei der Sense) sind. Den höchsten HMID weisen naturbelassene Abschnitte (S1 und S2 bei der Bünz, S1 und S4 bei der Venoge, S1 bis S3 bei der Sense) auf. Diese Feststellungen lassen den Schluss zu, dass der HMID die Strukturvielfalt eines Fliessgewässers in geeigneter Art und Weise zu charakterisieren vermag. 3.2.3 Vergleich mit einer visuellen Bewertungsmethode Um die Aussagekraft des vorgeschlagenen Indexes weiter validieren zu können, ist den errechneten Werten für den HMID eine multimetrische Methode gemäss den Bewertungsprotokollen der
Tabelle 2. Mittelwerte und Standardabweichung (±) der hydraulischen Variablen Fliessgeschwindigkeit v und Fliesstiefe t (oben). Berechnung der Vielfältigkeitsindizes und des HMID (unten). USEPA (Barbour et al., 1999) gegenübergestellt worden. Bei diesem Verfahren zur Habitatbewertung wird für zehn Kriterien eine visuelle Bewertung abgegeben und auf einer Skala von 1–20 ein
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Wert zugewiesen. Durch Summieren der einzelnen Werte ergibt sich eine Gesamtpunkteanzahl für jeden bewerteten Abschnitt, wobei maximal 200 Punkte erreicht werden können. Die berücksich331
Flussgebietsmanagement
tigten Kriterien betreffen dabei den allgemeinen morphologischen Zustand des Abschnittes sowie die Situation an der Fliessgewässersohle und an den Ufern. Aus Bild 5 ist ersichtlich, dass sich eine gute Übereinstimmung zwischen den beiden Methoden ergibt, obwohl die Ansätze völlig unterschiedlich sind. 3.2.4 Statistische Auswertung der erhobenen Variablen Ein Fliessgewässer und seine Komponenten sind niemals sektoriell zu betrachten. Die abiotischen und biotischen Faktoren beeinflussen sich nämlich auf mannigfaltige Weise, was zu verschiedenen Formen von Wechselwirkungen führt. Ob der Kom-
plexität der in einem Fliessgewässer sich abspielenden Interaktionen könnte man versucht sein, angesichts der Einfachheit seiner Formulierung die Repräsentativität des HMID in Frage zu stellen. Aus diesem Grund wurden die im Feld erhobenen Variablen unter Anwendung der Software R (R Development Core Team, 2009) umfangreichen statistischen Auswertungen unterzogen, um Korrelationen zu erkennen und die Verwendung von lediglich zwei Variablen zur Charakterisierung der Strukturvielfalt rechtfertigen zu können. Folgende Fragen standen dabei im Vordergrund: • Wie hängen die hydraulischen mit
Bild 5. Gegenüberstellung des HMID mit einem multimetrischen, visuell bestimmten Habitatsindex.
Bild 6. Links: Boxplots der Korngrössenverteilung des Sohlsubstrates in den fünf Untersuchungsabschnitten an der Sense. Ein Kruskal-Wallis Test (McDonald, 2009), die nicht parametrische Version einer ANOVA, zeigte signifikante Effekte (p<2,2e-16), die durch einen post hoc paarweise durchgeführten Mann Whitney Test bestätigt wurden (p durchwegs <0,0272), mit Ausnahme zwischen Abschnitt 1 und 3 (p=0,96). Rechts: Zusammenhang zwischen dem Variationskoeffizienten der Korngrössenverteilung und der mittleren Fliessgeschwindigkeit in den fünf Untersuchungsabschnitten der Sense. 332
den geomorphischen Grössen (geomorphische Variabilität in Längs- und Querrichtung, Regimebreite, Breite bei bordvollem Abfluss, Substrateigenschaften, usw.) und vor allem deren Variabilität zusammen? • Welche Korrelationen bzw. Interdependenzen bestehen innerhalb der hydraulischen Grössen? Als Beispiel für diese Analysen sei der Zusammenhang zwischen den Substrateigenschaften und der Fliessgeschwindigkeit dargestellt. Die Korngrössenverteilung der Deckschicht hängt statistisch signifikant mit dem Verbauungsgrad eines Abschnittes zusammen (Bild 6, links), während unter Heranziehen der Variationskoeffizienten eine eindeutige Korrelation zwischen der Fliessgeschwindigkeitsund der Substratvariabilität (Bild 6, rechts) zu erkennen ist. Die Vielfalt in der Fliessgeschwindigkeit repräsentiert somit auch die Vielfalt der für die aquatischen Lebewesen und deren Lebenszyklen wichtigen Sohlsubstrate. Bild 7 fasst die Ergebnisse der durchgeführten Analysen zusammen. Die hydraulischen Grössen Fliessgeschwindigkeit und Fliesstiefe sind imstande, die Strukturvielfalt eines Abschnittes ausreichend zu charakterisieren, da sie aufgrund der inneren Zusammenhänge wichtige geomorphische Grössen und andere komplexe hydraulische Variablen, die auch oft für die Charakterisierung aquatischer Habitate Anwendung finden, repräsentieren. 3.2.5 Zeitliche Variabilität Mittels numerischer 2d-Modellierung wurde die zeitliche Variabilität der hydraulischen Grössen untersucht. Wenn man ein Querprofil eines natürlichen Abschnittes einem Querprofil eines verbauten Abschnittes gegenüberstellt, lässt sich feststellen, dass bei gleicher Zunahme des Abflusses Fliessgeschwindigkeit und –tiefe in einem verbauten Abschnitt aufgrund der behinderten Seitenausdehnung ungleich schneller ansteigen als in einem natürlichen Abschnitt (Bild 8). Dies hat zur Folge, dass in natürlichen Abschnitten an jeder einzelnen Stelle im Fliessgewässer eine grössere zeitliche Konstanz der hydraulischen Variablen vorhanden ist. In einem Fliessgewässer mit natürlicher Morphologie finden die aquatischen Lebewesen also zwar eine grosse räumliche Vielfalt der Habitate vor, diese bleiben aber über einen längeren Zeitraum hinweg erhalten. Erst bei grösseren, bettbildenden Hochwasserabflüssen verlieren die Habitate ihre Stabilität. Es ist aber zu be-
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obachten, dass in Fliessgewässern natürlicher Morphologie der prozentuelle Anteil eines Habitats am Gesamthabitatangebot immer ähnlich bleibt, bei bettbildenden Prozessen finden lediglich räumliche Umlagerungen mit Neubildung der Habitate statt (s. auch Arscott et al., 2002). In einem künstlichen Fliessgewässer hingegen sind die aquatischen Lebewesen einem grösseren Stress ausgesetzt. Sich ändernde Abflüsse bedeuten immer auch eine Änderung der hydraulischen Randbedingungen und somit der Habitate. Deshalb haben sich Lebewesen in einem künstlichen Fliessgewässer nicht nur mit einem verarmten Lebensraum auseinanderzusetzen, sondern auch mit sich ständig wandelnden Lebensbedingungen. In Bild 9 sind die Zeitreihen für den HMID am Beispiel der Sense dargestellt. Es lassen sich mehrere Beobachtungen anstellen: • In natürlichen Abschnitten (Abschnitt 1 bis Abschnitt 3) bleibt der HMID für den gesamten Jahresverlauf annähernd konstant. Erst bei einem Abfluss mit einer Überschreitungsdauer von ein bis zwei Tagen, also bei einem Abfluss, der mindestens einem Jahreshochwasser entspricht und an dem grössere bettbildende Prozesse stattfinden, fällt der HMID stark ab. • Bereits eine leichte Verbauung (in Abschnitt 3 ist das rechte Ufer teilweise durch Zyklopensteine gesichert) oder eine durch die Natur vorgegebene Beschränkung der Seitenausdehnung (Abschnitt 2 verläuft in einer Schlucht) führt dazu, dass die Strukturvielfalt geringer ist als in Fliessgewässern im Referenzzustand (Abschnitt 1). • In teilverbauten oder gänzlich kanalisierten Fliessgewässerabschnit-
Bild 8. Änderung der Fliesstiefe bei gleicher Zunahme des Abflusses in einem verbauten (links) und in einem natürlichen (rechts) Abschnitt.
Bild 9. Zeitreihen für den HMID für verschiedene Verbauungsgrade am Beispiel der Sense.
Tabelle 3. Zeitreihenvariabilität der Fliessgeschwindigkeit und –tiefe sowie des HMID für verschiedene Verbauunsgrade am Beispiel der Sense. ten nimmt der HMID kontinuierlich mit steigendem Abfluss ab. Diese Tendenz verstärkt sich mit dem Verbauungsgrad des Abschnittes: man kann beobachten, dass beim teilverbauten Abschnitt 4 die Neigung der HMID-Linie
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•
geringer ist als beim kanalisierten Abschnitt 5. Bei kleineren Abflüssen (in der Graphik im rechten Bereich) nähern sich die Werte für den HMID einander an, während bei Mittelwasserabflüssen 333
Flussgebietsmanagement
Bild 7. Interdependenzen zwischen morphologischen und hydraulischen Grössen.
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der HMID jene Werte annimmt, welche die Strukturvielfalt des Fliessgewässerabschnittes am besten zu charakterisieren vermögen. Zieht man nun wiederum den Variationskoeffizienten heran, um auch die Variabilität der Zeitreihen zu analysieren, werden diese Feststellungen bestätigt (Tabelle 3). Je natürlicher der Abschnitt, desto geringer ist die zeitliche Variabilität sowohl für die separat gesehenen hydraulischen Grössen als auch für den HMID. 4.
Anwendung des HMID
4.1 Vorgehensweise Der HMID soll vor allem dazu dienen, dem Wasserbauer ein Instrument für die Optimierung von Hochwasserschutzprojekten in strukturell-morphologischer Hinsicht in die Hand zu geben. Da bei einem Hochwasserschutzprojekt die Durchführung von 2d-Modellierungen zur Untersuchung des Hochwasserverhaltens für verschiedene Varianten heutzutage Standard ist, bedeutet die Berechnung des HMID keinen wesentlichen Mehraufwand. Für einzelne zur Diskussion stehende Projektvarianten wird der HMID nun folgendermassen ermittelt: • Durchführung einer numerischen 2DModellierung für den Mittelwasserabfluss. Als Eingabedaten für die Modellierung dienen das digitale Höhenmodell (inklusive Rauhigkeitsbeiwerte) der einzelnen Varianten und der Mittelwasserabfluss, der entweder zu berechnen ist oder aus einer für den betroffenen Fliessgewässerabschnitt vorliegenden Abflussdauerkurve abgelesen werden kann; • Auslesen der Fliessgeschwindigkeiten und -tiefen in den einzelnen Zellen des Gitternetzes des 2d-Modells für den Mittelwasserabfluss, wobei bei stark unterschiedlichen Zellengrössen eine Gewichtung der Werte über die Fläche empfehlenswert ist; • Berechnung der Mittelwerte und Standardabweichungen und Berechnung des HMID gemäss Formel in Kapitel 3.2.2. Durch die Anwendung des HMID eröffnet sich die Möglichkeit, Hochwasserschutzprojekte hinsichtlich der Verbesserung der Strukturvielfalt zu optimieren. Je höher der HMID, desto höher ist die Vielfalt der aquatischen Habitate, die im Projektabschnitt geschaffen werden. Durch die Erlangung eines hohen Strukturreichtums schafft man günstige morphologisch-strukturelle 334
Voraussetzungen für ein hohes ökologisches Potenzial und als Folge davon für eine hohe Biodiversität. 4.2 Weitere Überprüfungen Die Untersuchungen zur Entwicklung der HMID haben die Annahme bestätigt, dass die zeitliche Variabilität der aquatischen Habitate in natürlichen Fliessgewässern niederer ist als in verbauten Fliessgewässern. Deshalb ist es nicht ausreichend, ein Fliessgewässer nur für einen bestimmten Projektzustand mit einer hohen Strukturvielfalt auszustatten. Es ist zu überprüfen, ob die zeitliche Stabilität der Strukturvielfalt gewährleistet bleibt. Dazu stehen zwei Möglichkeiten, die sich ergänzen können, zur Auswahl: • Überprüfung des HMID für mehrere Abflüsse. Der HMID soll auch für Abflüsse, die höher oder niederer als der Mittelwasserabfluss sind, einen ähnlichen Wert wie für den Mittelwasserabfluss aufweisen. Diese Überprüfung kann die zeitliche Stabilität der Habitate bestätigen. Eine Ausnahme bilden Abflüsse mit starken Geschiebeumlagerungen. Bei diesen nimmt der HMID auch in Fliessgewässern, die dem Referenzzustand nahe kommen, stark ab. • Überprüfung des Verhältnisses der benetzten Breite bei Mittelwasserabfluss und bei bordvollem Abfluss. In ihrem natürlichen Zustand beanspruchen Fliessgewässer grosse Flächen. Innerhalb des so genannten parafluvialen Bereiches (Lorang & Hauer, 2006) entwickelt sich die volle Dynamik mit Erosions- und Auflandungsprozessen, der Laufverlagerung und der darauffolgenden Neubildung der Habitate bei geschiebeumlagernden Prozessen. Die von kiesführenden, verzweigten Alpenflüssen in ihrem Referenzzustand beanspruchte Breite liegt um ein Vielfaches höher als die bei verbauten Flüssen noch vorhandene Breite. An der Sense zum Beispiel weist die aktive Flusssohle am natürlichen Abschnitt 1 eine Breite von ca. 150 m auf. Bei Hochwasser wird die gesamte Breite beansprucht, während bei Mittel- und Niederwasser lediglich ca. 20% der Fläche des parafluvialen Bereiches benetzt sind (Gostner et al., 2010). Im kanalisierten Abschnitt 5 hingegen beträgt die Breite bei bordvollem Abfluss ca. 30 m. Die benetzte Breite bleibt für alle Abflüsse annähernd konstant. Bei steigenden Ab-
flüssen kann es kaum zu einer Beanspruchung nicht benetzter Bereiche kommen. Dies schlägt in einer starken Änderung von Fliessgeschwindigkeit und –tiefe und dementsprechend in einer grossen zeitlichen Instabilität der aquatischen Habitate zu Buche. Je kleiner also das Verhältnis zwischen benetzter Breite bei Mittelwasserabfluss und Breite bei bordvollem Abfluss ist, desto näher kommt man – indikativ gesehen – dem Referenzzustand. 4.3 Einschränkungen Es besteht kein Zweifel darüber, dass die hydromorphologische Strukturvielfalt eine notwendige Bedingung für eine reiche Biodiversität am Fliessgewässer darstellt. Dass die Erfüllung dieser Bedingung aber nicht immer hinreichend ist, bringen unterschiedliche Untersuchungen klar zum Ausdruck (Gostner & Schleiss, 2010, Alp et al., 2011). Damit eine strukturmorphologische Gewässersanierung nicht zum Selbstzweck verkommt bzw. einen rein ästhetischen Wert erhält, ist es notwendig, den Fokus nicht nur auf lokale Defizite zu beziehen, sondern auch ausserhalb des Projektperimeters liegende Prozesse mit einzubeziehen (Rau & Peter, 2011). In erster Linie ist bei Projekten im Flussbau ein Leitbild mit klar definierten Zielen zu erarbeiten und dementsprechend die Frage zu beantworten, ob die strukturell-morphologischen Eigenschaften tatsächlich eine relevante Hürde auf dem Weg zu diesem Leitbild darstellen. Sind nämlich andere Elemente massgebend für eine verarmte Biodiversität (z.B. Nährstoffund Sedimenteinträge durch intensive landwirtschaftliche Nutzung bis an den Gewässerrand, chemische Belastung des Fliessgewässers, Fragmentierung des betroffenen Fliessgewässers, durch Wassernutzungen verändertes Abflussregime, usw.) und wird dieser Frage nicht auf den Grund gegangen, können Massnahmen zur Verbesserung der Strukturvielfalt eventuell ohne positive Effekte bleiben und damit den erwarteten Erfolg des Projektes nicht erreichen. Ein Kernthema in diesem Zusammenhang bildet die Vernetzung des Fliessgewässers und seiner Umgebung. Die longitudinale, laterale und vertikale Vernetzung sind grundlegende Voraussetzung dafür, dass mit der Verbesserung der Strukturvielfalt eine höhere Biodiversität einhergeht. Auch ist das Wechselspiel zwi-
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5. Zusammenfassung Fliessgewässer sind komplexe Systeme. Mit dem HMID steht dem Wasserbauer ein Werkzeug zur Verfügung, einzelne Projektvarianten im Hinblick auf die Verbesserung der Strukturvielfalt vergleichen und bewerten zu können. Der Formel zur Berechnung des HMID enthält die hydraulischen Variablen Fliessgeschwindigkeit und –tiefe. Diese können gewissermassen als repräsentativ für die Strukturvielfalt eines Fliessgewässers angesehen werden, da sie aufgrund der vorhandenen Wechselwirkungen stark mit anderen hydraulischen und morphologischen Variablen korrelieren. Bei einem vorhandenen 2d-Modell, was heutzutage bei der Ausarbeitung von Hochwasserschutzprojekten zum Standard gehört, kann der HMID mit wenig Zusatzaufwand für die zur Diskussion stehenden Projektvarianten berechnet werden. Durch zusätzliche Überprüfungen (Berechnung des HMID für mehrere Abflüsse, Untersuchung der Regimebreite im Vergleich zur Breite bei bordvollem Abfluss) ist die zeitliche Stabilität der Habitate
Infobox Der hydro-morphologische Index der Diversität – Wichtigste Merkmale Was ist neu am HMID? Der HMID verwendet die statistischen Parameter von hydraulischen, die aquatischen Habitate kennzeichnenden Grössen. Im Gegensatz zu Bewertungsmethoden (wie zum Beispiel Ökomorphologie des Modul-Stufen-Konzepts), die auf teilweise subjektiven Einschätzungen des Betrachters im Feld aufbauen, basiert der HMID damit auf objektiven Kriterien. Was sind die Vorteile des HMID? Die Verwendung von numerischen, zweidimensionalen Abflussmodellen zur Beurteilung von wasserbaulichen Projekten im Hochwasserfall ist heutzutage Standard. Mit geringem Zusatzaufwand können diese Modelle dazu verwendet werden, auch die Mittelwasserabflüsse zu modellieren und aus den daraus resultierenden hydraulischen Kenngrössen den HMID zu berechnen. Welche Lücke schliesst der HMID? Der HMID hat die Fähigkeit zur Vorhersage. Durch Anwendung des HMID in wasserbaulichen Projekten können Projektvarianten im Hinblick auf die Verbesserung der Strukturvielfalt quantitativ verglichen werden. Der HMID soll also weder ein neues Instrument zur Beurteilung des IST-Zustandes eines Fliessgewässers noch zur Erfolgskontrolle nach der Durchführung von Projekten sein, sondern sich, in zeitlicher Abfolge gesehen, dazwischen einreihen.
und somit des Lebensraumes der aquatischen Flora und Fauna zu verifizieren. Natürliche Fliessgewässer befinden sich in einem dynamischen Gleichgewicht und sind durch eine hohe zeitliche Stabilität der Lebensräume charakterisiert. Deshalb ist dies auch bei Hochwasserschutzprojekten als Ziel anzustreben. Ist man imstande, ein Fliessgewässer mit einem hohen HMID auszustatten und gleichzeitig dessen zeitliche Stabilität bis zum Eintreten von Schwellenereignissen, d.h. von Ereignissen mit intensiven Geschiebeumlagerungsprozessen, zu gewährleisten, schafft man die für ein hohes ökologisches Potenzial notwendigen hydromorphologischen Voraussetzungen. Ob ein Projekt schlussendlich erfolgreich im Hinblick auf die Verbesserung der Biodiversität ist, hängt damit zusammen, ob auch andere wichtige Faktoren (z.B. Nährstoff- und Sedimenteinträge, chemische Belastung, Fragmentierung, verändertes Abflussregime, usw.) auf der Einzugsgebietsebene richtig erkannt und analysiert werden und nicht einer oder mehrere dieser Faktoren einen Erfolg von vorneherein verhindern können.
die Durchführung der 2D-Modellierungen an der Sense und beim Team der Ingenieure Patscheider & Partner GmbH (Südtirol/Italien) für den unermüdlichen Einsatz bei den Feldarbeiten und der Ausarbeitung der Graphiken. Das gegenständliche Projekt ist im Rahmen des Forschungsprojektes «Integrales Flussgebietsmanagement» ausgearbeitet worden. Den Kollegen der EAWAG, WSL und VAW, insbesondere Maria Alp und Patric Rousselot, sind wir Dank schuldig für die sehr wertvolle und konstruktive interdisziplinäre Zusammenarbeit. An das BAFU und die Autonome Provinz Bozen/ Südtirol geht der Dank für die Finanzierung des Projektes. Literatur Allan J.D., Castillo MM. 2007. Stream Ecology. Structure and Function of Running Waters. Second Edition. Springer, Dordrecht, Netherlands. Alp, M., Karpati, Th., Werth, S., Gostner, W., Scheidegger, Ch., Peter, A. 2011. Erhaltung und Förderung der Biodiversität von Fliessgewässern. Wasser Energie Luft. Heft 3: 216–223 Arscott, D. B., Tockner, K., Nat, D., van der Ward, J.V. 2002. Aquatic Habitat Dynamics along a Braid Alpine River Ecosystem (Tagliamento River, Northeast Italy). Ecosystems 5:
Danksagung
802–814.
Wir bedanken uns bei Prof. William K. Annable
Barbour M.T., Gerritsen J., Snyder B.D., Stribling
(University of Waterloo/Kanada) für die grosse
J.B. 1999. «Rapid Bioassessment Protocols for
fachliche und praktische Hilfe bei der Durchfüh-
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rung der Feldarbeiten, bei Prof. Piotr Parasie-
ton, Benthic Macroinvertebrates and Fish»,
wicz (Rushing Rivers Institute, Massachusetts/
Second Edition, EPA 841-B-99-002. U.S. Envi-
USA) für wertvolle wissenschaftliche Unterstüt-
ronmental Protection Agency; Office of Water,
zung, bei Laura Vigne für die Datenerhebung
Washington, D.C., 337 S.
und –analyse an der Venoge, bei Fabri Haldi für
BAFU (Hrsg). 2010. Strukturen der Fliessgewäs-
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
335
Flussgebietsmanagement
schen Morphologie und Geschiebehaushalt zu beleuchten. Fliessgewässer, die langfristig positive strukturelle Lebensbedingungen anbieten, sind durch ein dynamisches Gleichgewicht gekennzeichnet. Es treten zwar in periodischen Abständen bettbildende Prozesse mit der Neubildung der Habitate auf, es kommt aber zu keinen irreversiblen Eintiefungs- bzw. Auflandungstendenzen. Um diese Vorgänge beurteilen zu können, sind Untersuchungen des Geschiebehaushaltes in Verbindung mit abflussdynamischen Prozessen auf der Einzugsgebietsebene notwendig. Zum Beispiel kann eine mangelnde Geschiebezufuhr aus dem Oberlauf in Verbindung mit anthropogen veränderten und häufiger auftretenden Hochwasserspitzen dazu führen, dass die Verbesserung oder Wiederherstellung der Strukturvielfalt nur kurzfristig wirksam ist, da sich der Hauptarm durch die Aufnahme von Geschiebe aus der Sohle eintieft und sich auf lange Sicht wiederum ein Gewässer mit Verödungsflächen und einem verarmten Lebensraumangebot bildet. Deshalb ist bei Hochwasserschutzprojekten nicht nur eine Verbesserung der Strukturvielfalt notwendig. Die Erreichung eines ausgeglichenen Geschiebehaushalts kann nicht nur die Dauerhaftigkeit der Schutzmassnahmen gewährleisten, sondern auch dafür sorgen, dass die Ökosystemleistungen des Fliessgewässers von Dauer sind.
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336 «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden ÀÊ «iÌi ââi ÌÀÕ ÊvØÀÊ* > Õ }ÊÕ `Ê ÕÃvØ ÀÕ }ÊÛ Ê1 ÌiÀ > Ìà ]Ê ÃÌ> `ÃiÌâÕ }à ÊÕ `Ê L` V ÌÕ }Ã>ÀLi Ìi ° -"* , *,"" Ê Ê°Ê, â>Üi}Ê{Ê°Ê Ç{ÎäÊ/ Õà ÃÊ°Ê/°Ê³{£Êä®Ên£ÊÈx£ÊÎ{ÊääÊ°Ê v J à «iÀ >«À v°V
Matthias Nast
1.
Die Juragewässerkorrektion in der Tradition Tullas «Die Geschichte des Menschengeschlechts ist auch die seines Verhältnisses zu der Natur.» (Ritter, Johann Wilhelm, zit. in: Schipperges 1969: 179f.). Dieses bemerkenswerte Zitat von 1810 finden wir im Nachlass des aus Schlesien stammenden und zuerst in Jena und später an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wirkenden Physikers und Philosophen Johann Wilhelm Ritter. Vor dem Hintergrund dieser Aussage gewinnt Johann Gottfried Tullas Devise an Bedeutung, der 1812, nur zwei Jahre nach Ritters naturphilosophischer Betrachtung, folgende Losung ausgab: «Ein Fluss oder Strom hat nur ein Bett nötig, man muss daher, wenn er mehrere Arme hat, auf die Ausbildung eines geschlossenen Laufs hinwirken. Dieser ist soviel als möglich gerade zu halten, damit dem Hochwasser ein geregelter Abfluss verschafft wird, die Ufer leichter erhalten werden können, der Fluss sich tiefer einbette, also der Wasserspiegel sich senke, und das Gelände nicht überschwemmt werde. Die alten Flussarme sind zur Verlandung zu bringen, verlandete Flächen sind anzupflanzen.» (Tulla, Johann Gottfried, zit. in: Vischer 2003: 24). Tullas Leitspruch prägte ganze Generation von Flussbauingenieuren. Nicht
zuletzt in der Schweiz, wo im 19. Jahrhundert flussbauliche Massnahmen, welche die Bevölkerung nachhaltig vor Hochwasserereignissen zu schützen vermochten, Symbole für den politischen und wissenschaftlichen Fortschritt waren. So war es niemand Geringeres als Johann Gottfried Tulla, der zusammen mit Hans Konrad Escher die Linthkorrektion (1807–1816) leitete. Diese Korrektionsarbeiten wiederum dienten den Promotoren der Juragewässerkorrektion als Vorbild, obwohl die Grösse des Seeländer Projektes die Massnahmen in der Linthebene bei weitem übertrafen. Rückblickend betrachtet hatte Tullas Devise für die biologische Vielfalt verheerende Konsequenzen. Ehemals weit verzweigte Flussarme wurden auf schmale Gerinne reduziert und deren Ufer befestigt. Diese gewässerbaulichen Massnahmen führten zusammen mit der zunehmenden Gewässerverschmutzung seit dem Ende des 19. Jahrhundert in Flüssen, Seen und Feuchtgebieten zu einem dramatischen Artenverlust in den Schweizer Gewässern. Das zeigt sich auch im Seeland: Vor der Ersten Juragewässerkorrektion strömte die Aare zwischen Aarberg und Meienreid als mächtiger Fluss durch die Landschaft. Ulrich Ochsenbein (1811–1890) beschrieb das Gebiet 1854 wie folgt: «Kaum
hat nämlich die Aare Aarberg verlassen, so erweitert sie ihr Bett bis nach Meienried in einer Breite, die zuweilen 10 bis 20 Minuten betragen mag und einen Flächenraum von nicht weniger als 3194 Jucharten [gut 1100 ha] darbietet. In diesem Bette hat sie ausser ihrem gewöhnlichen Rinnsal, eine unzählige Menge mehr oder weniger tiefe Kanäle, die während acht bis neun Monaten leer, und nur dazu bestimmt sind, im Sommer das Hochwasser aufzunehmen, dessen Abfluss nach Meienried aufzuhalten und zu verzögern, bis dasselbe wieder fällt und seine normale Höhe erreicht, was gewöhnlich in verhältnismässig kurzer Zeit geschieht.» (Ochsenbein, Ulrich, zit. in: Holenstein 2009: 481). Die beiden Juragewässerkorrektionen (1868–1891 und 1962–1973) bedeuteten das dramatische Ende dieser natürlichen Flusslandschaft: «Zahlreiche Flüsse und Bäche wurden regelrecht aus der Landschaft radiert: Zwischen 1870 und 1990 sank die Länge der Fliessgewässer von rund 1000 Kilometer auf unter 500 Kilometer». Insbesondere die Meliorationsarbeiten im Zuge der Zweiten Juragewässerkorrektion hätten, so Ewald und Klaus, «die Landschaft regelrecht umgepflügt und seien aus Sicht des Naturund Landschaftsschutzes […], ein Biozid für freilebende Tiere und wildwachsende Pflanzen.» (Ewald/Klaus 2009: 109).
Bild 1. Erste genaue Karte des Korrektionsgebietes: «General Charte der Jura Gewaesser». Aufgenommen 1816/1817 durch F. Trechsel, gezeichnet durch J. Opfikofer. (Staatsarchiv des Kantons Bern). «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
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Die beiden Juragewässerkorrektionen in historischer Perspektive
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2. Trockenes Seeland Bei aller Kritik, die vor allem die Zweite Juragewässerkorrektion auf sich gezogen hat, ist es allerdings eine Tatsache, dass es allein den beiden Juragewässerkorrektionen zu verdanken ist, dass das Seeland, aber auch die Kantone Solothurn und Aargau, in den letzten Jahrzehnten von zerstörerischen Hochwassern verschont geblieben sind. So lesen wir etwa in den Freiburger Nachrichten vom 8. September 2005: «Ende August 2005. Die ganze Schweiz steht nach tagelangen Niederschlägen unter Wasser. Die ganze Schweiz? Nein! Ein kleines Fischerdorf am Murtensee lässt sich durch den andauernden Regen nicht beunruhigen.» Mit diesen Worten beschrieb die Zeitung die Situation in Muntelier im Kanton Freiburg. Während Ende August 2005 das halbe Land im Wasser versank, im Berner Oberland, in Graubünden und in der Zentralschweiz Verkehrswege unterbrochen wurden, vier Menschenleben zu beklagen waren und Schäden in Milliardenhöhe entstanden, blieb das Seeland mehr oder weniger von den Naturgewalten verschont. Es wurden zwar auch hier Schäden gemeldet, im Vergleich zu den anderen Landesteilen waren diese aber gering. (Nast 2011, Aareteufel: 264). Beim August-Hochwasser von 2007 wurde das seit der Zweiten Juragewässerkorrektion als hochwassersicher geltende System hingegen überlastet. Das angestrebte Ziel, die Seeanstösser der Jurarandseen und der Unterlieger ent-
lang der Aare vor Überschwemmungen zu schützen, wurde nicht erreicht. (BAFU 2009: 7, 9). Die Autoren der Ereignisanalyse zum Hochwasser von 2007 kommen jedoch zum Schluss, dass «ohne die dämpfende Wirkung dieses Systems […] die Folgen des Ereignisses bedeutend gravierender gewesen [wären].» (BAFU 2009: 7). 3.
Das Seeland vor der Ersten Juragewässerkorrektion Seit dem Ende der mittelalterlichen Warmphase und dem Beginn der kleinen Eiszeit vernichteten Hochwasser regelmässig die Ernten und bedrohten die Häuser, Ställe und das Vieh. Der Geographe Martin Grosjean fasst einige zeitgenössische Bericht wie folgt zusammen: «1480 [flüchteten] die Leute oberhalb Solothurn auf die Bäume. 1579 ging der Pfarrer von Nidau mit dem Schiff zur Predigt, 1758 ertranken 50 Prozent der Kühe und zwei Drittel der Schafe.» Besonders schlimm sei die Situation zwischen 1810 und 1900 gewesen, so Grosjean und schliesst: «In diese Zeit fällt die Planung und Verwirklichung der Juragewässerkorrektion.» (Grosjean 2004: 3). Die Ebene zwischen den Jurarandseen – wo Kelten und Römer in früheren Jahrhunderten noch erfolgreich Ackerbau betrieben haben – versumpfte zusehends. Bald nannte die Bevölkerung diese grösste zusammenhängende Flachmoorlandschaft der Schweiz «Marais d’Aarberg» und später ganz einfach «Grosses Moos». 1835 schilderte Johann Rudolf Schneider, der später als «Retter des Seelandes» in die Geschichte eingegangen ist, die Situation in dramatischen Worten:
Bild 2. Die Gewässer des Seelandes vor der Ersten Juragewässerkorrektion. (S´AT-sandras atelier, Bern). 338
«Wahrlich ein trauriger, schrecklicher Anblick, so viele tausend Jucharten fruchtbares Land mit allen seinen Früchten unter Wasser begraben zu sehen! Das Unglück ist unermesslich. Verloren, gänzlich verloren sind die Früchte des eisernen Fleisses dieser arbeitsamen Bevölkerung. Es scheinen die drei Seen von Murten, Neuenburg und Biel nur ein grosses Wasserbecken zu bilden. […] Die Kartoffeln sind durchaus verloren, die Dörfer mit zusammengeführtem Unrat angefüllt und die Wohnungen die Zufluchtstätten allen Ungeziefers geworden.» (Schneider 1836). Besonders katastrophal war die Situation 1852, als Mitte September ein langanhaltender Landregen in der ganzen Schweiz zu schweren Überschwemmungen führte. Die Aare durchbrach etwas oberhalb von Aarberg die Dämme und setzte die Ebene von Aarberg bis Meienried und Studen vollständig unter Wasser. Das Grosse Moos bildete zwischen dem Murten-, Neuenburger- und Bielersee wiederum eine einzige zusammenhängende Wasserfläche. Ebenfalls stark betroffen waren die Kantone Solothurn und Aargau, da vor der Juragewässerkorrektion die Hochwasserwellen der Aare noch ungebremst durch diese Landschaften fluteten. Es verwundert daher kaum, dass die Aare früher auch «Aareteufel» genannt worden ist. (Müller, Hans, zit. In: Frey 1956: 22). 4. Eine wilde Landschaft Die alles bestimmende Landschaftsgestaltung ging von den Flüssen aus. Sie strömten in alle Himmelsrichtungen – sich stets neue Flussbette grabend, sich verästelnd, vielarmig; dazwischen Sand- und
Bild 3. Die Erste Juragewässerkorrektion (1868–1891). (S´ATsandras atelier, Bern). «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Bild 4. Die Zweite Juragewässerkorrektion (1962–1973). (S´ATsandras atelier, Bern). Kiesbänke, umgeben von Schilffeldern und Auenwäldern. Entlang den verschlungenen Flussläufen erstreckten sich Sumpfebenen; Altwasserarme griffen ins Land hinein. Zwischen den Seen lag das Grosse Moos. Die grösste zusammenhängende Moorfläche der Schweiz war uneinheitlich strukturiert. Es gab gefährliche, morastige Stellen, die sich kaum jemand zu betreten getraute, und solche, wo das Riedgras gedieh, das die Moosanstösser dem Vieh verfütterten. Die Wege quer durchs Moos waren äusserst tückisch und nur selten sicher begehbar. Wassergräben durchzogen das Riedland. Während der Moosheuet dienten sie den Bauern als kleine Bootskanäle. Und immer wieder wurde das Moos überschwemmt. Aus heutiger Sicht waren die Flussläufe wildromantisch, so dass jeder Naturliebhaber seine wahre Freude daran gehabt hätte. Die Broye wies zahlreiche Windungen auf. Seicht und mit wenig Gefälle mäanderte sie in gemächlichen Windungen vom Murten- dem Neuenburgersee zu. Die Zihl verliess beim Maison Rouge den Neuenburgersee und durchzog in Schlingen das Galser Moos. (Nast 2006: 48f.). Den Zeitgenossen galt das Grosse Moos jedoch als eine wüste Landschaft. Der Korrespondent des «Berner Blatt» beschrieb am 3. Oktober 1865 die Situation wie folgt: «Stellt man sich auf irgend eine Höhe, so geniesst man der herrlichen Rundsicht. Aber in der Nähe umdüstert den Blick das hässliche grosse Moos. […] Es ist entsetzlich in Steuerregister fort und
fort die Bemerkung zu lesen, dass die Aare da ein Stück Land und dort eines weggeschwemmt hat. […] Gegenüber der Aare liegt Bild 6. Flugaufnahme während des Hochwassers von 1944: MutLyss. Dort hat man tenhof oberhalb von Solothurn. (archiv suzanne muller). die nämliche trostDramatisch wurde die Situation lose Erscheinung, dass die Aare fortwährend Land wegschwemmt. Viele Jucharten während der «Kleinen Eiszeit»: In dieser sind seit wenigen Jahren verschwunden. Phase mit kühlen, teilweise auch feuchZudem lastet auf dem der Überschwem- ten Klimabedingungen, die um 1850 den mung ausgesetzten Lande eine erdrü- Höhepunkt erreichte, traten regelmässig ckende Schwellenpflicht. Zehnten und schwere Hochwasserereignisse auf und Bodenzinse waren ein Spass gegenüber die Entwässerung der gesamten Seenlandschaft war nicht mehr gewährleistet. dieser Last.» (Grosjean 2004: 3) 5. Ursachen für die schweren 6. Politischer Durchbruch Überschwemmungen Vor der Ersten Juragewässerkorrektion Die Auswirkungen auf Landwirtschaft und mündete die Aare nicht in den Bielersee, Gewerbe, ja auf die Seeländer Bevölkesondern floss bei Aarberg ostwärts Rich- rung insgesamt, waren katastrophal. Die tung Lyss, Dotzigen und Meienried und regelmässig auftretenden Überschwemerreichte das flache Becken des See- mungen, die extremen Pegelstände und landes. Das Geschiebe der ungezähmten die fortwährende Versumpfung weiter Fliessgewässer liess Kies- und Sandbänke Landstriche bedrohten Äcker, Weiden, entstehen; schliesslich wuchs ein riesiger Haus und Vieh, mitunter waren auch Leib Schuttfächer heran, der über Lyss bis nach und Leben in Gefahr. Die wachsende Not Büren reichte und einerseits bei Meienried trieb manch verarmten Seeländer auf ein die in die Aare einmündende untere Zihl Auswanderschiff, schlimmstenfalls jedoch staute. Andererseits verbaute sich der in den Alkohol. Trotz allen Elendes und wiederholFluss das eigene Flussbett, was zu periodischen Ausbrüchen der Aare führte. ter Hilferufe der Seeländer Bevölkerung Damit noch nicht genug, nimmt die Aare kamen die zahlreichen Projekte für eine bei Luterbach unterhalb von Solothurn Korrektion der Juragewässer lange Zeit zusätzlich das Wasser und Geschiebe der nicht vom Fleck. (Nast 2006: 63ff.). Eine umfassende Gewässerkorrektion beausserordentlich wilden Emme auf.
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Bild 5. Das Kraftwerk Hagneck: Ansichtskarte von 1932. (mémreg – Regionales Gedächtnis: URL: http://www.memreg.ch).
100. Hauptversammlung 2011 Bild 7. Aushub der letzten Verengung bei Sugiez im Broyekanal während der Zweiten Juragewässerkorrektion. (archiv suzanne muller).
Johann Rudolf Schneider: Der Retter des Seelandes Der Dass der Bund die Dringlichkeit einer Juragewässerkorrektion erkannte und diese zu einer nationalen Angelegenheit erklärte, ist nicht zuletzt der unermüdlichen Lobbyarbeit Johann Rudolf Schneiders (1804–1880) zu verdanken. Der aus Meienried/BE stammende Politiker, Publizist und Arzt kannte die Überschwemmungen aus eigener, bitterer Erfahrung. Bereits als Knabe hatte er eine ganze Serie von Hochwassern erlebt. Später – als Arzt – erkannte er den Zusammenhang zwischen den verheerenden Überschwemmungen und dem schlechten Gesundheitszustand der Seeländer Bevölkerung. Ob als Arzt, Publizist oder Politiker, sein ganzes Wirken hatte nur ein Ziel: die Zähmung der Juragewässer und die Entsumpfung des Seelandes. (Fischer 1963; Nast 2006: 68ff.).
Bild 8. Verbreiterung des Zihlkanals zwischen Neuenburgerund Bielersee (oben) während der Zweiten Juragewässerkorrektion. (archiv suzanne muller). traf nämlich das Gebiet der fünf Kantone Bern, Freiburg, Neuenburg, Solothurn und Waadt. Bevor also an eine umfassende Korrektion zu denken war, mussten sich die Kantone einigen. Der politische Durchbruch gelang erst mit der Gründung des Bundesstaates 1848. (Summermatter 2007: 202). Der sogenannte Wohlfahrtsartikel verlieh dem Bund das Recht, «im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines grossen Teils derselben auf Kosten der Eidgenossenschaft öffentliche Werke zu errichten oder die Errichtung derselben zu unterstützen.» (Schweizerische Bundesverfassung von 1848, Art. 21). 340
Johann Rudolf Schneider: «Der Retter des Seelandes». (Staatsarchiv des Kantons Bern).
Bild 9. Steinwüste oder Uferschutz: Uferausbau während der Zweiten Juragewässerkorrektion. (archiv suzanne muller).
Damit war das System des Kostenausgleichs zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden geboren, das bis heute – unter dem jeweiligen Getöse – zum erfolgreichen Bestehen des Bundesstaates beiträgt. 1867 entschied der Bund, von den budgetierten 14 Millionen Franken deren fünf zu übernehmen. Der oben genannte Wohlfahrtsartikel kam nicht zufällig zustande: Dieser geht auf das Bestreben des Berner Regierungsrates Johann Rudolf Schneider zurück. Da sein damaliger Freund Ulrich Ochsenbein der Verfassungskommission vorstand, konnte Schneider direkt Einfluss nehmen auf die Ausformulierung dieses Artikels. (Fischer 1963: 389; Müller 2004: 96).
7.
Die Erste Juragewässerkorrektion Die von Schneider präsidierte Vorbereitungsgesellschaft für die Juragewässerkorrektion holte den Bündner Oberingenieur Richard La Nicca (1794–1883) mit ins Boot, welcher den Plan ins Auge fasste, die Aare bei Aarberg in den Bielersee abzuleiten. Schneider setzte alles daran, diesen Plan in ein konkretes Projekt überzuführen. Doch er stiess auf Widerstand. Insbesondere Ulrich Ochsenbein, sein ehemaliger Mitstreiter, äusserte seine Bedenken «mit Applomb» (Holenstein 2009: 475). Ochsenbein wies darauf hin,
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8. Neuland Die Senkung der Seen, die Kanalisierung der Flüsse sowie die Entwässerung des Grossen Mooses veränderten das Antlitz der Landschaft tiefgreifend. Wie der Rücken eines Wales hob sich etwa der alte Heidenweg aus dem Bielersee und aus der Sankt-Peters-Insel wurde wie zur Römerzeit eine Halbinsel. Entlang des Südufers des Neuenburgersees tauchte eine mehrere 100 Meter breite Sandbank auf, die von aus dem Grossen Moos vertriebenen Tieren und Pflanzen rasch besiedelt und
bewachsen wurde. Die Grande Cariçaie ist heute das grösste zusammenhängende Schilf- und Riedgebiet der Schweiz und erstreckt sich über eine Distanz von 40 Kilometern Länge (Nast 2011, Cariçaie). Siedlungen rückten vom Ufer weg, Häfen, aber auch Ufermauern und Brücken mussten umgebaut oder völlig neu errichtet werden. Allgemein wirkte sich die Umgestaltung der Landschaft massiv auf das ökologische System aus. Die natürliche Dynamik in den Gewässern wurde massiv gestört, den Auenwäldern ging das Wasser aus und die biologische Vielfalt nahm drastisch ab. Jedoch machte sich darüber kaum jemand Gedanken; der Schutz vor den wilden Naturkräften, der Gewinn von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen und die um die Jahrhundertwende aufkommende Wasserkraftnutzung hatten damals absoluten Vorrang. 9. Interessenkonflikte Die Resultate der Korrektionsarbeiten waren zwiespältig: Zwar schaffte die Erste Juragewässerkorrektion viele Probleme aus der Welt. Da jedoch das erste Korrektionsprojekt keine Regulierung der Seen vorsah, schwankten die Pegelstände in den Seen und Flüssen weiterhin stark und aus dem Bielersee floss entweder zu viel oder zu wenig Wasser ab. Das hatte nicht nur bedrohliche Hochwasser zur Folge, es kam in den Seen, Kanälen und Flüssen auch immer wieder zu extremen Niedrigwasserständen. Ausserdem sackten, wie vorausgesagt, die trockengelegten Torfböden im Grossen Moos rund einen Meter ab. (Peter 1922). Vor diesem Hintergrund traten kaum überwindbare Interessenkonflikte an den Tag: So verlangten die Landwirte den vollständigen Schutz vor Überschwemmungen und Versumpfung. Auch die Strandbodenbesitzer begehrten, dass ihr Land nicht bei jedem Hochwasser überschwemmt wird. Die Fischer wiederum verlangten kleinere Niveauschwankungen der Seespiegel und konstante Pegel während der Laichzeit, damit der Laich nicht trockenfällt. Da die Schiffe bei Niedrigwasser oft zu wenig Wasser unter dem Kiel hatten, forderte die Schifffahrt möglichst hohe Wasserstände, damit der Wasserweg von Yverdon bis Solothurn jederzeit befahrbar bleibt. Die Hausbesitzer wünschten sich ebenfalls hohe Wasserpegel, damit das Grundwasser nicht weiter absinkt. Mit den Kraftwerkbetreibern traten um die Jahrhundertwende weitere
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Akteure auf, welche ihre Interessen in die Debatte einbringen wollten. Bei der Planung und Durchführung der Ersten Juragewässerkorrektion war die Nutzung der Wasserkraft zur Stromproduktion noch kein Thema. Das änderte sich, als 1900 das Kraftwerk in Hagneck den Betrieb aufnahm. Später folgten weitere Werke unterhalb des Bielersees. Diese waren dringend auf die regelmässige Wasserführung angewiesen. Vor allem im Winter war diese aber nicht gewährleistet. Wegen akuten Wassermangels musste die Stromproduktion jeweils stark zurückgefahren werden, was zu empfindlichen Einbussen und entsprechenden Reklamationen der Kraftwerkbetreiber führte. Die Kraftwerkbetreiber forderten deshalb eine gleichmässige Wasserführung und insbesondere einen höheren und regulierten Abfluss des Bielersees im Winter. Aufgrund ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung nahmen Regierung und Behörden diese Kritik sehr ernst. 10.
Erneute Überschwemmungen 1910 liess ein Rekordhochwasser die Seen über die Ufer treten und führte im Grossen Moos erneut zu schweren Überschwemmungen. Das Wehr bei Nidau konnte die Wassermassen bei weitem nicht meistern. Die Kantone Freiburg, Neuenburg und Waadt telegrafierten nach Bern und verlangten die sofortige Sprengung des Bauwerks. Der damalige bernische Baudirektor Karl Könitzer (1854–1915) kabelte treffend zurück: «Nume nid gschprängt». Nein, gesprengt wurde das Bauwerk nicht. Nicht auszudenken, welche Verheerungen bei einer Sprengung die in Sekundenschnelle freigelassenen Wassermassen in den weiter unten liegenden Kantonen Solothurn und Aargau angerichtet hätten. Doch die Angelegenheit war dringend. Von 1936 bis 1940 wurde deshalb das Regulierwehr bei Port als vorgezogene Massnahme zur Zweiten Juragewässerkorrektion errichtet. Das Bauwerk ist nach wie vor ein Kernstück der gesamten Korrektionsarbeiten im 20. Jahrhundert. Den schweren Überschwemmungen von 1910 folgten weitere Hochwasserereignisse, so 1944, 1948, 1950, 1952, 1953 und 1955. Es zeigte sich, dass die Arbeiten zur Ersten Juragewässerkorrektion die Region nicht ausreichend gesichert haben und sich eine Zweite Juragewässerkorrektion aufdrängte. 341
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dass die vollständige Entwässerung der Sümpfe zur Absenkung der Böden führen würde. Damit hatte er, wie sich später zeigen sollte, nicht Unrecht. Ochsenbein sprach sich auch gegen die Ableitung der Aare in den Bielersee aus, womit aus heutiger Sicht eine zweifellos einmalige Flusslandschaft gerettet worden wäre. Trotz Ochsenbeins Kritik wurden die Korrektionsarbeiten unter der Leitung von Gustav Albert Bridel (1827–1884) zwischen 1868 und 1891 planmässig ausgeführt: Korrektionsarbeiten zur Ersten Juragewässerkorrektion (1868–1891) • Ableitung der Aare von Aarberg in den Bielersee durch den neuen Hagneckkanal (acht Kilometer, davon 900 Meter Seerückendurchstich); • Ableitung des im Bielersee vereinigten Wassers von Aare, Broye, Zihl und Schüss durch den neuen Nidau-BürenKanal (12 Kilometer); • Korrektion der oberen Zihl zwischen Neuenburger- und Bielersee (Zihlkanal: 8.5 Kilometer); • Korrektion der unteren Broye zwischen Murten- und Neuenburgersee (Broyekanal: acht Kilometer); • Trockenlegung der Moore mit weitverzweigt angelegte Binnenkanälen (Binnenkorrektion: zirka 400 km2); • Senkung der drei Seen um 2.5 Meter. Der Durchstich des Seerückens war eindeutig das Pièce de résistance der Ersten Juragewässerkorrektion. Der insgesamt acht Kilometer lange Hagneckkanal musste auf einer Länge von 900 Meter 34 Meter tief ausgegraben werden. Der Sandstein wurde weggesprengt, die weiteren Arbeiten erfolgten von Hand. Die Arbeiter hoben den Kanal indes nicht gänzlich aus, sie gruben lediglich einen Leitkanal auf die volle Sohlentiefe. Den Rest erledigte das ab 1878 sukzessive eingeleitete Aarewasser, das über zwei Millionen Kubikmeter Material – oder fast zwei Drittel des Kanalquerschnitts – in den Bielersee schwemmte. (Ehrsam 1973; Vischer 2003: 105ff.)
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11.
Die Zweite Juragewässerkorrektion 1960 sicherte die Bundesversammlung den fünf Kantonen einen Bundesbeitrag von 50 Prozent zu. Unter der Leitung von Robert Müller (1908–1987) wurden die Arbeiten der Zweiten Juragewässerkorrektion in Angriff genommen. Korrektionsarbeiten zur Zweiten Juragewässerkorrektion (1962–1973) • Erstellung des Kraftwerkes Flumenthal als Regulierwehr; • Korrektion der Aare zwischen Büren a. A. und Flumenthal samt Entfernung des sogenannten Emmeriegels; • Verbreiterung, Vertiefung und Uferausbau des Broye-, Zihl- und NidauBüren-Kanals sowie des Aarelaufes Büren-Flumenthal. Dank der Zweiten Juragewässerkorrektion konnten die Spiegelschwankungen der Jurarandseen weiter vermindert werden: Einerseits wurden die Hochwasserstände den bisherigen Landabsenkungen angepasst – und somit um rund einen Meter gesenkt. Andererseits wurden die Niedrigwasserstände zugunsten der Schifffahrt, der Fischerei und des Landschaftsbildes um knapp einen Meter angehoben. (BVE). Diese Eingriffe stiessen auf Kritik. So nannte der Volksmund die Uferverbauungen entlang der Kanäle abschätzig «Professor Müllers Steinwüste». In den Leserbriefspalten war vom «Landschaftsmord im Grossen Moos» die Rede. Fischereikreise und Naturschützer beschwerten sich über die Versenkung von Aushubmaterial in den Seen. Die Pläne zur Schiffbarmachung der Aare und der Jurarandseen sowie zum Bau einer Verbindung zwischen Neuenburger- und Genfersee brachten das Fass fast zum Überlaufen. Gewässer- und Umweltschutzorganisationen bekämpften diesen Transhelvetischen Kanal vehement. (mémreg; Nast 2010: 25). 12. Gezähmte Landschaft Heute ist das Gebiet der drei Jurarandseen in weiten Teilen eine von Menschenhand geschaffene Landschaft. Dank der Zähmung der wilden Wasser konnte sich das Seeland in einen prosperierenden Lebens-, Wirtschafts- und Erholungsraum entwickeln. Im bernischen und freiburgischen Teil des Seelandes wird rund ein Viertel der Schweizer Freiland-Gemüseernte produziert. Was für die Menschen ein Segen war, bedeutete allerdings Unheil und Verderben für das Tier- und Pflanzenreich. Mit der Trockenlegung der grössten 342
Moorlandschaft der Schweiz, den daran anschliessenden Meliorationen, der Kanalisierung der Fliessgewässer und dem Verschwinden der Auenwälder verloren unzählige Tiere und Pflanzen ihre Lebensgrundlage. Heute gibt der Mensch zwar Gegensteuer: In renaturierten Wasserläufen nagen erste Biber wieder an Baumstämmen. Ausgewiesene Naturschutzgebiete garantieren das Überleben seltener Tiere und Pflanzen und Umgehungsgerinne bei Wasserkraftwerken sollen die Fischgängigkeit sicherstellen. In Zusammenhang mit den anstehenden Sanierungsarbeiten und vor dem Hintergrund des revidierten Gewässerschutzgesetzes stehen heute auch die Kraftwerkbetreiber in der Pflicht. Um den weiteren Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen und die Isolierung verbleibender Populationen aufzubrechen, sind ökologische Aufwertungsmassnahmen dringend notwendig. Dass dies möglich ist, zeigen exemplarisch die Sanierung des Hagneckkanals oder der Neubau des Wasserkraftwerks Hagneck. Die hier an die Hand genommenen Revitalisierungsprojekte und Vernetzungsmannsnahmen zeigen zweierlei: Erstens dient Tullas vor 200 Jahren ausgegebene Losung nicht mehr als alleinige Richtschnur im Wasserbau. Zweitens – um an dieser Stelle an den eingangs zitierten Johann Wilhelm Ritter zu erinnern – ist das Verhältnis des Menschen zur Natur in historischer Perspektive stets im Wandel begriffen. Stand früher der Schutz der Bevölkerung vor den wilden Wassern im Vordergrund, sind wir heute aufgefordert, den Schutz der natürlichen Umwelt vorrangig zu beachten. Die Einhaltung der gesetzlichen Minimalbestimmungen sind indessen nicht hinreichend. Zwar sind der Hochwasserschutz und die Gewinnung elektrischer Energie massgebende Faktoren. Darüber hinaus soll den Gewässern jedoch wieder jener Raum zugestanden werden, den sie benötigen, um auch in Zukunft ihre Funktion als Lebensadern der Natur wahrnehmen zu können.
stellung der beiden Juragewässerkorrektionen. Ausgeführt in den Jahren 1868–1891 und 1962– 1973. Bern. Ewald, Klaus C. / Klaus, Gregor 2009: Die ausgewechselte Landschaft. Vom Umgang der Schweiz mit ihrer wichtigsten natürlichen Ressource. Bern, Stuttgart, Wien. Fischer, Hans 1963: Dr. med. Johann Rudolf Schneider. Retter des westschweizerischen Seelandes. Bern. Frey, Arnold Alfred (Hg.) 1956: Von der I. zur II. Juragewässerkorrektion. De la Ire à la IIe correction des eaux du Jura. Twann. Grosjean, Martin 2004: Die Juragewässerkorrektion. Ein wasserbaulicher Grossversuch und seine Folgen. Biel. mémreg – Regionales Gedächtnis: URL: http:// www.memreg.ch.
Stichwort:
«Transhelve-
tischer Kanal», Version vom 28.10.2011, Autor: Matthias Nast. Müller, Reto 2004: Das wild gewordene Ele ment. Gesellschaftliche Reaktionen auf die beiden Hochwasser im Schweizer Mittelland von 1852 und 1876. Nordhausen. Nast, Matthias 2006: Überflutet – überlebt – überlistet. Die Geschichte der Juragewässerkorrektionen. Biel. Nast, Matthias 2010: Blickpunkt ungezähmte Gewässer: 50 Jahre Rheinaubund. In: natur und mensch (2/2010). S. 23–27. Nast, Matthias 2011: Der Aareteufel oder die Zähmung der Juragewässer. In: Peter Martig (Hg.): Berns moderne Zeit. Das 19. und 20. Jahrhundert neu entdeckt. Bern 2011. S. 265–268. Nast, Matthias 2011: Die Grande Cariçaie – ein historischer Streifzug durch die Camargue der Schweiz. In: natur und mensch (1/2011). S. 22–25. Peter, Arthur 1922: Die Juragewässerkorrektion. Bericht über die Vorgeschichte, Durchführung, Wirkung und Neuordnung 1921 der Korrektion der seeländischen Gewässer von Entreroches bis Luterbach. Bern. Schipperges, Heinrich (Ndr., Hg.) 1969: Fragmente aus dem Nachlass eines jungen Physikers. Bd. 2. Heidelberg. (Fragm. 596/1804). Schneider, Johann Rudolf 1835: Gespraeche über die Ueberschwemmungen im Seelande der westlichen Schweiz: über die Mittel zu Austrocknung und zum Anbau seiner Suempfe und Mooser. Bern.
Literatur
Vischer, Daniel L. 2003: Die Geschichte des
BAFU – Bundesamt für Umwelt 2009: Ereignis-
Hochwasserschutzes in der Schweiz. Von den
analyse Hochwasser August 2007. Analyse der
Anfängen bis ins 19. Jahrhundert. Biel.
Meteo- und Abflussvorhersagen; vertiefte Analyse der Hochwasserregulierung der Jurarand-
Anschrift des Verfassers
gewässer. Bern.
Matthias Nast, stv. Studienleiter BSc Kommuni-
BVE – Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des
kation, HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich
Kantons Bern: URL: http://www.bve.be.ch/bve/
Freier Historiker und Texter, kulturvermittler.ch
de/index/wasser/wasser/gewaesserunterhalt.
CH-8003 Zürich, m.nast@kulturvermittler.ch
html, Version vom 28.10.2011. Ehrsam, Emil 1974: Zusammenfassende Dar«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Caspar Baader
Sehr geehrte Damen und Herren Wer sich in den vergangenen Monaten mit der Schweizerischen Energie- und Wasserwirtschaftspolitik befasst hat, kam nicht um den Begriff «Fukushima» herum. Wie ein Schock wirkten die Ereignisse rund um die infolge des ausserordentlich heftigen Tsunami ausser Kontrolle geratenen Japanischen Kernkraftwerke auf viele Menschen in unserem Land und vor allem auch auf diverse Politikerinnen und Politiker. Und es scheint, dass einige dabei auch den gesunden Menschenverstand verloren haben. Wir können doch nicht einfach die KKWs abstellen und – wenn unsere Industrie am Morgen ihre Maschinen anstellen will – steht alles still. Ich habe nichts dagegen, wenn wir irgendeinmal später Strom anders als durch Kernkraft produzieren können, aber zuerst muss man gleichwertige Technologien haben, die den benötigten Strombedarf realistischerweise zu decken vermögen, bevor der Ausstieg beschlossen wird. Ich bin davon überzeugt, unsere Wirtschaft kann die Arbeitsplätze nur halten, wenn sie genügend kostengünstige Energie bekommt. Mit dem vorgestrigen Entscheid in der Ständerätlichen Kommission beginnt es anscheinend zu tagen! Nun aber zurück zur Wasserkraft. Wie sah eigentlich die Schweizer Energiepolitik bezogen auf die Wasserkraft in der Zeit vor und wie sieht sie in der Zeit nach «Fukushima» aus? Vor Fukushima: Kompromisse bei langjährigen Gesetzesprojekten. Auf den Beginn des Jahres 2011, also noch in der Phase Vor-«Fukushima» haben sich nach langjährigen für unsere Tätigkeit relevanten Gesetzesprojekten diverse Kompromisse durchgesetzt. So hat das Parlament noch im Herbst 2010 nach langem Ringen das Stauanlagengesetz verabschiedet. Während der Geltungsbereich gegenüber der heutigen Regelung weitgehend unverändert bleibt, wurde im neuen Gesetz allerdings die Haftung für die Inhaber von Stauanlagen ausgedehnt und eine zusätzliche Aufsichtsabgabe eingeführt. Beides führt
Nationalrat Caspar Baader, Präsident SWV. letztlich zu einer Stromverteuerung! Der SWV und die Branche haben sich in ihren Vernehmlassungen gegen diese Zusatzbelastungen ausgesprochen, die neuen Rahmenbedingungen sind nun aber zu akzeptieren. Das Gesetz soll zusammen mit der aktuell in Erarbeitung stehenden Revision der Verordnung ca. Mitte 2012 in Kraft gesetzt werden. Bereits auf Anfang 2011 wurde eine andere Gesetzesrevision in Kraft gesetzt, die zu Mehrbelastungen bei den Wasserkraftbetreibern führt. Es ist dies die Revision des Wasserrechtsgesetzes zur Erhöhung der Wasserzinsen bzw. des bundesgesetzlichen Maximums. Dieses Maximum wird nun bis 2015 in zwei Schritten von bisher 80.– CHF auf 110.– CHF pro Kilowatt Bruttoleistung erhöht. Dies entspricht der nunmehr sechsten Erhöhung des Wasserzinsmaximums seit seiner Einführung vor gut 100 Jahren und beschert den konzessionsgebenden Gemeinwesen Zusatzeinnahmen von rund 150 Mio. CHF pro Jahr und der Wirtschaft und den privaten Stromkonsumenten entsprechende Mehrkosten. Parallel dazu hat das Parlament auch die Revision des Energiegesetzes zur Aufstockung der Mittel für die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) verabschiedet. Das bei allen Stromkonsumenten mit der Stromrechnung einkassierbare Maximum wird damit ab 2013 von heute 0.6 Rp./kWh auf 0.9 Rp./kWh erhöht. Dadurch stehen jährlich maximal rund 500 Mio. CHF für die
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Förderung von Strom aus Neuen Erneuerbaren Quellen sowie Kleinwasserkraft bis 10 MW zur Verfügung. Das Parlament will damit den Abbau der langen KEV-Warteliste beschleunigen. An der fehlerhaften Grundkonzeption dieser KEV, dass mit diesen Fördermitteln vor allem die unrentabelsten und nicht die wirkungsvollsten Projekte subventioniert werden, hat sich auch mit dieser Revision nichts geändert. Und schliesslich gilt es noch das einschneidendste vom Parlament zum Abschluss gebrachte Projekt zu erwähnen: die Revision des Gewässerschutzgesetzes. Als Antwort auf die von den eid-genössischen Räten deutlich abgelehnte Volksinitiative «Lebendiges Wasser» – welche am 13. Mai 2010 zurückgezogen wurde – ist das revidierte Gewässerschutzgesetz als indirekter Gegenvorschlag ebenfalls bereits seit dem 1. Januar 2011 in Kraft. In den nächsten 80 Jahren sollen rund 4000 km verbaute Gewässer revitalisiert werden, das entspricht 1 km aufwändiger Revitalisierung à je 1 Mio. CHF pro Woche! Und über die nächsten 20 Jahre sollen die wesentlichen Beeinträchtigungen durch die Wasserkraftnutzung (Schwall/Sunk und Hindernisse bei der Fischwanderung) behoben werden. Finanziert werden die Revitalisierungsmassnahmen mit jährlich rund 60 Mio. CHF durch die Steuerzahler von Bund und Kantonen, und die Sanierungen im Bereich der Wasserkraft über einen von den Stromkonsumenten zu bezahlenden Zuschlag auf die Übertragungskosten von 0.1 Rp./kWh, entsprechend jährlich rund 50 Mio. CHF bzw. total 1 Mrd. CHF durch die Stromkonsumenten. Es ist ein ausgesprochen ambitiöses Projekt, das sich die Schweiz mit dieser Revision gegeben hat. Für die Umsetzung des Vorhabens sind alle Beteiligten stark gefordert. Neben den Inhabern der Wasserkraftanlagen sind das allen voran die Kantone, die für die Analyse der Defizite, die Abstimmung und Priorisierung der Sanierungsplanungen sowie für die 343
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Neuer Schub für die Wasserkraft!
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Genehmigungsverfahren zuständig sind. Angesichts des sehr ehrgeizigen Zeitplans dürften die Kantonsbehörden an die Grenzen ihrer Ressourcen – und darüber hinaus – stossen. Gefordert ist aktuell aber noch die Bundesverwaltung, da sie die Ausführungsbestimmungen auszuarbeiten hat. Die Entwürfe der drei Vollzugshilfen «Revitalisierung», «Fischdurchgängigkeit» und «Schwall/Sunk» waren über die Sommermonate in der Anhörung. Sie richten sich zwar primär an die Kantone, der SWV hat aber die Entwürfe analysiert und den Bundesbehörden – im Hinblick auf umsetzbare Vorgaben – detaillierte Anmerkungen und konkrete Anträge zukommen lassen. In unserer Einschätzung werden insbesondere die Kosten und der Zeitbedarf für die Analysen massiv unterschätzt. Die Konzentration auf das Wesentliche ist deshalb unabdingbar. Der SWV trägt diesen Kompromiss mit und unterstützt die zielgerichtete Umsetzung der Sanierung von wesentlichen Beeinträchtigungen. Dies insbesondere auch aufgrund der sichergestellten Finanzierung und unter der auch vom Parlament geforderten Prämisse, dass dadurch keine für die Versorgungssicherheit relevanten Verluste bei der Wasserkraftproduktion entstehen. Solche Einbussen wären schon Vor-«Fukushima» den energiepolitischen Zielen zur Förderung der erneuerbaren Energien diametral zuwider gelaufen – und sie würden es jetzt erst recht. Nach Fukushima: Postulierte Energiewende Seit März 2011 sind wir in der Phase Post«Fukushima». Die Ereignisse rund um die ausser Kontrolle geratenen Kernkraftwerke im 10 000 Kilometer entfernten Japan haben die Auseinandersetzung zur Energiezukunft der Schweiz schlagartig intensiviert. Zwar lehrt uns die Katastrophe bisher nichts wirklich Neues. Aber die durch Medien und Politik ausgelöste Hektik hat zu einem abrupten Wandel der veröffentlichten Meinung geführt. Das Risiko eines Kernkraftunfalls in der Schweiz wurde breit thematisiert und diskutiert. Alleine in der Frühlingssession der eidgenössischen Räte wurden über 150 neue politische Vorstösse zu diesem Thema eingereicht. Von der Forderung nach «Mühleberg sofort stilllegen» über «Wüstenstrom für die Schweiz», «Weniger Stromverbrauch und tiefere Krankenkassenprämien» bis hin zu Vorschriften «Stromsparen bei Settop-Boxen» ist den Parlamentariern in diesem Wahljahr aller344
hand eingefallen. Und bescherte vorab dem Parlament, aber natürlich auch der Verwaltung viel Papier und Arbeit – und erzeugte im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen vom 23. Oktober 2011 auch Druck auf den Bundesrat. Der Bundesrat hat diesem Druck nachgegeben und Ende Mai mit seinem Grundsatzentscheid über einen Ausstieg frühzeitig und ohne klare Alternativen die energiepolitische Wende proklamiert: In der Schweiz sollen die laufenden Kernkraftwerke schrittweise vom Netz genommen und keine neuen Anlagen gebaut werden. Ob Parlament und Stimmvolk dem Bundesrat auch längerfristig – zum Beispiel nach den Wahlen – noch folgen und welche konkreten Massnahmen zum realistischen Ersatz dieser wegfallenden Kernenergie mehrheitsfähig sein werden, wird sich in den nächsten Monaten und Jahren zeigen. Der Nationalrat hat in seiner Sondersession von Anfang Juni 2011 mit der Behandlung der hängigen Vorstösse diesbezüglich erste Zeichen gesetzt. So stützt der Erstrat – ebenfalls ohne die realistischen Alternativen für die Stromproduktion zu kennen – grossmehrheitlich die bundesrätliche Strategie für einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie, lehnt allerdings die sofortige Ausserbetriebnahme der älteren Kraftwerke ab. Er will unter anderem auch die Verfahren für den Bau von Anlagen für Erneuerbare Energien vereinfachen und beschleunigen, die Begrenzung der KEVFördermittel aufheben und schliesslich das Verbandbeschwerderecht im Energiebereich ein-schränken. Der Ständerat hat die Sonderdebatte auf den Herbst 2011 verschoben und wird am 28. September 2011 die relevanten Vorstösse behandeln und beurteilen. Die ständerätliche Energiekommission hat den Beschluss des Nationalrates an ihrer Sitzung vom 29. August 2011 relativiert. So soll die Kernenergie in der Schweiz auch in Zukunft nicht unmöglich werden und auf eine gestaffelte Stilllegung bestehender Werke soll verzichtet werden. Es kann deshalb sein, dass der Zweitrat noch vor den Wahlen gewisse Korrekturen an den vom Nationalrat überwiesenen Vorstössen anbringt. In jedem Fall wird sich nach der Debatte klarer zeigen, welche Weichenstellungen mehrheitsfähig sind und wohin die Energiereise der Schweiz gehen soll. Klar ist bereits heute: der postulierte Aus- und Umstieg wird kein Selbstläufer. Durch den mittelfristigen Wegfall der Kernenergie sind rund 25 TWh (vor allem Bandenergie) zu ersetzen. Dies entspricht
bereits bei heutiger Nachfrage 40% unserer Stromproduktion! Und der Stromverbrauch wächst bekanntlich weiter an. Im letzten Jahr waren es wiederum satte 4% Mehrverbrauch – für mehr Einwohner, mehr Komfort, mehr elektronische Gadgets, mehr öffentlicher Verkehr, mehr Ersatz von fossilen Energieträgern, usw., usw. Wie also ist eine solche Wende zu schaffen? Und sind alle Beteiligten bereit, die nötigen Kompromisse beim Verbrauch, beim Strompreis sowie beim Kli-ma-, Gewässerund Landschaftsschutz einzugehen? Und sind derartige Strompreisverteuerungen in Anbetracht des ohnehin schon bestehenden internationalen Wettbewerbnachteils durch den hohen Frankenkurs und die sich abflachende Nachfrage aus dem Ausland überhaupt zu verantworten? Der Bundesrat setzt zum einen auf Effizienzsteigerung und Lenkungsabgaben zur Stabilisierung der Stromnachfrage auf heutigem Niveau. Da aber trotz dieser sehr ambitiösen Zielsetzung weiterhin rund 25 TWh zu ersetzen bleiben, soll der Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion forciert werden, unter anderem durch die Erhöhung der Produktion aus Wasserkraft um netto 4 TWh bis 2050 (ohne Pumpspeicherung) – der Grossteil davon allerdings bereits bis 2035. Da auch dies bei weitem nicht reichen wird, geraten auch die jahrelangen Bemühungen zur Reduktion der Treibhausgase in den Hintergrund, und Gaskombi-Kraftwerke sollen plötzlich wieder salonfähig werden. Ausbauziel Wasserkraft Was ist von der Zielsetzung zum Ausbau der Wasserkraft zu halten? Grundsätzlich begrüssen wir das Ausbauziel. Denn obwohl bereits wieder Stimmen laut werden, die von der «Ausbeutung der letzten intakten Gewässer» sprechen, bleibt die erneuerbare Wasserkraft der wichtigste Trumpf der Schweiz. Sie ist eine sehr effiziente und insgesamt die umweltschonendste Form der Stromproduktion. Und mit der Revision des Gewässerschutzgesetzes wurden die Anforderungen an Bau und Betrieb von Wasserkraftanlagen ja nochmals erhöht. Zudem liefert die Wasserkraft sowohl Bandenergie wie auch Spitzenenergie und kann die mit dem forcierten Ausbau der Produktion aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen zunehmend benötigte Speicherkapazität abdecken. Angesichts der Tatsache jedoch, dass sich an den Rahmenbedingungen für die Wasserkraft auch nach dem Grund-
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satzentscheid noch nichts geändert hat – und eine Änderung politisch stark umstritten sein dürfte – mutet das neue Ausbauziel um netto 4 TWh bis 2050 bzw. bereits bis 2035 unrealistisch an. Unter den heutigen Rahmenbedingungen ist dieser Ausbau nicht zu erreichen. Im Gegenteil: Aufgrund der zu erwartenden Energieverluste aus den Restwasserbestimmungen sowie aus dem Klimawandel, von insgesamt 2–3 TWh, muss ohne Anpassungen der Rahmenbedingungen mit einem Rückgang der Produktion aus der Wasserkraft gerechnet werden. Es gibt noch Ausbaupotenzial im Wasserschloss Schweiz und zahlreiche sinnvolle Erneuerungs- und Ausbauideen bei bestehenden Kraftwerken mit Zusatzproduktionen von 30, 100 oder mehr GWh. Viele scheitern aber noch an der Rentabilität, an ungeregelten Konzessionserneuerungen oder an dogmatischen Interpretationen unzähliger Schutzanliegen. Soll es vorwärts gehen, braucht es neue Kompromisse und konkrete Taten. Voraussetzung dazu ist auch eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse in Politik und Verwaltung zu Gunsten der Nutzung der Wasserkraft. Fazit Zur Zeit ist in der Schweizerischen Energiepolitik vieles offen und in Bewegung. Alle Beteiligten müssen über die Bücher. Und es sind neue Kompromisse auszuhandeln. Klar scheint zum heutigen Zeitpunkt, dass die Wertschätzung für die Wasserkraft steigt und neue Nutzungen einen Schub erhalten dürften – zu Recht, wie ich meine. Die Schweiz tut gut daran, den Standortvorteil effizient zu nutzen. Dazu braucht es aber eine Politik, welche die Wasserkraftnutzung nicht einfach als gegeben erachtet oder mit laufend neuen Abgaben und Schutzanliegen schwächt. Nur mit guten Rahmenbedingungen werden Investitionen in die Erneuerung und den Ausbau der erneuerbaren, einheimischen Wasserkraft attraktiv bleiben. Sie sehen also, meine Damen und Herren, die Wasserwirtschaft und damit der SWV sind weiterhin gefordert. Wir brauchen den Verband, um Positionen zu erarbeiten, Diskussionen über laufende Begehren und Vorhaben zu führen sowie den Fachaustausch – wie zum Beispiel anlässlich der vorausgegangenen Tagung oder durch die Fachzeitschrift – zu pflegen. Wir sind überzeugt, dass der Verband hierbei als Plattform und Koordinationsstelle weiterhin wertvolle Unterstützung bieten kann. Damit erkläre ich die heutige Versammlung als eröffnet. «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
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Protokoll der
100. ordentlichen Hauptversammlung des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes vom Donnerstag, 1. September 2011 in Solothurn
Begrüssung Der Präsident, Nationalrat Caspar Baader, heisst die anwesenden Mitglieder und Gäste zur 100. ordentlichen Hauptversammlung des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes im Hotel an der Aare in Solothurn herzlich willkommen. Im Besonderen begrüsst er die anwesenden Vertreter von Behörden und Partnerverbänden, namentlich: Renauld Juillerat, Vorstandsmitglied im SWV und Vertreter des Bundesamts für Energie, Anton Schleiss, Vertreter des Schweiz. Talsperrenkomitee und Ausschussmitglied im SWV, Peter Quadri, Vertreter von swisselectric, Dorothea Tiefenauer, Vertreterin des VSE sowie NR Kurt Fluri, Nationalrat und Stadtpräsident von Solothurn. Die Verbandsgruppen des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes sind vertreten durch Hans Bodenmann, Präsident des Verbandes AareRheinwerke (VAR), und Michelangelo Giovannini, Präsident des Rheinverbandes (RhV). Laurent Filippini, Präsident des Tessiner Wasserwirtschaftsverbandes (ATEA), lässt sich entschuldigen. Verschiedene Personen, welche an der Versammlung nicht teilnehmen können, haben sich entschuldigt. Auf das Verlesen der Entschuldigungsliste wird verzichtet. Vorbemerkung Alle angemeldeten Mitglieder des Verbandes haben ihre Stimmrechtsausweise zur Versammlung erhalten. Ebenso die Stimmkarten, welche für den Fall zum Einsatz kommen, dass bei einer Abstimmung die Stimmen ausgezählt werden müssten. Der Einfachheit halber und soweit dies zu keinen Fehlinterpretationen der Meinung der Stimmenden führen kann, werden die Abstimmungen im Einvernehmen mit der Versammlung jedoch ohne Auszählung der Stimmabgabe durchgeführt. 346
Genehmigung der Traktanden Die Einladung zur Hauptversammlung wurde im Juni 2011 zusammen mit dem Jahresbericht in der Verbandszeitschrift «Wasser Energie Luft – Eau énergie air» Heft 2/2011 allen Mitgliedern des Verbandes zugestellt. Die Traktandenliste wurde allen Angemeldeten mit der Bestätigung zur Teilnahme versandt. Folgende Traktandenliste wird von der Versammlung genehmigt: 1. Protokoll der 99. Hauptversammlung vom 2. September 2010 in Zürich 2. Jahresbericht 2010 3. Berichte aus den Fachbereichen 4. Rechnung 2010, Bilanz auf den 31.12.2010, Genehmigung, Entlastung der Organe 5. Festlegen der Mitgliederbeiträge 2012, Voranschlag 2012 6. Gesamterneuerungswahlen 2011– 2014 7. Festlegen der Hauptversammlung 2012 8. Verschiedene Mitteilungen 9. Umfrage Die Erhebung der anwesenden Stimmrechtsausweise ergibt eine Vertretung von insgesamt 270 Stimmen, bei einem Total von 889 Stimmrechten. Traktandum 1: Protokoll der 99. Hauptversammlung vom 2. September 2010 in Zürich Das Protokoll der 99. Hauptversammlung wurde in der Verbandszeitschrift «Wasser Energie Luft – Eau énergie air» Heft 4/2010 vom 9. Dezember 2010 auf den Seiten 343 bis 346 abgedruckt. Es sind keine schriftlichen Anmerkungen zum Protokoll eingegangen. Das Wort wird auch von der Versammlung nicht verlangt. Die Versammlung genehmigt das Protokoll einstimmig.
Traktandum 2: Jahresbericht 2010 Der Jahresbericht 2010 ist im WEL, Heft 2/2011, Seiten 149 bis 169, veröffentlicht bzw. den Mitgliedern im Juni 2011 zugestellt worden. Der Präsident verzichtet darauf, den Bericht zu verlesen. Es erfolgen keine Wortmeldungen. Der Jahresbericht wird ebenfalls einstimmig genehmigt. Traktandum 3: Berichte aus den Fachbereichen Eine Übersicht über die Tätigkeiten der Kommissionen des Verbandes im Jahr 2010 findet sich im Jahresbericht. Deshalb wird an der Versammlung nur auf ein paar zusammengefasste Hauptaktivitäten des vergangenen und des laufenden Jahres in den zwei Bereichen Wasserkraft und Hochwasserschutz/Wasserbau hingewiesen: Wasserkraft Revidiertes Gewässerschutzgesetz Das aufgrund der Initiative «Lebendiges Wasser» revidierte Gewässerschutzgesetz ist seit dem 1.1.2011 und die zugehörige Verordnung seit dem 1.6.2011 in Kraft. Aktuell ist die Bundesverwaltung in der Ausarbeitung der Vollzugshilfen. Das Thema hat den SWV in den letzten Monaten und Jahren stark beschäftigt und wird es auch weiterhin tun. Medienreise Wasserkraft Am 15./16.3.2011 wurde mit 10 Hintergrundjournalisten eine Medienreise Wasserkraft auf die Grimsel organisiert und durchgeführt. Diese kann auch aufgrund der anschliessenden Berichterstattung als erfolgreich bezeichnet werden. Ein solcher Anlass könnte in 1–2 Jahren erneut durchgeführt werden. Diverse Positionspapiere Es wurde eine Auslegeordnung zum Thema «Vorgezogene Neukonzessionierung/
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Neue Tagung Wasserkraft Eine neue Tagung Wasserkraft (eher technische Ausrichtung, ähnlich der KOHS-Tagung) ist in Vorbereitung. Die erste Durchführung dieser Tagung ist für November 2012 geplant. Weitere Informationen folgen, sobald die Tagung konkretisiert ist. Hochwasserschutz KOHS-Tagung Im Januar 2011 wurde die traditionelle Fachtagung zum aktuellen Thema «Hochwasserschutz und Revitalisierung» durchgeführt. Diese früher auch als «Bieler Tagung» bekannte Veranstaltung wurde zum ersten Mal in Olten durchgeführt und war mit über 230 Teilnehmern ein grosser Erfolg. Gewässerpreis 2011 Im Mai 2011 fand die Verleihung des Gewässerpreises Schweiz unter Teilnahme des Verbandes an den Kanton Tessin und die Stiftung «Bolle di Magadino» statt. Der Gewässerpreis wird alle zwei Jahre verliehen, Trägerschaft ist neben dem SWV der Verein für Ingenieurbiologie, der Verband Schweiz. Abwasser- und Gewässerschutzfachleute und Pro Natura. Weiterbildungskurse Hochwasserschutz, Start 3. Serie Nachdem in den Jahren 2004–2006 und 2008–2010 die ersten beiden Serien Weiterbildungskurse durchgeführt wurden, ist die dritte Serie mit Unterstützung des BAFU nun vorbereitet und wird mit einer ersten Durchführung in Lenzburg am 17./18.11.2011 beginnen. Traktandum 4: Rechnung 2010, Bilanz auf den 31. Dezember 2010 Die Rechnung 2010 und Bilanz per 31.12.2010 finden sich im Jahresbericht 2010 im Anhang 1 (veröffentlicht im WEL 2/2011). Gegenüber den Vorjahren wurde die Bezeichnung einzelner Positionen und die Gruppierung leicht angepasst, u.a. im Hinblick auf die laufende Umstellung der Finanzbuchhaltung im 2011. Neu wird auf die Unterscheidung zwischen Verbandsund Zeitschriftenrechnung verzichtet und damit auf die gegenseitige fiktive Verrech-
nung von Leistungen. Dies machte jedoch entsprechende Anpassungen an den genehmigten Budgetzahlen 2010 und 2011 notwendig. Die Betriebsrechn. 2010 schliesst bei Einnahmen von CHF 849 710.66 und Ausgaben von CHF 836 982.98 mit einem Einnahmenüberschuss von CHF 12 727.68 ab, was praktisch den budgetierten CHF 13 500.– entspricht. Festzuhalten ist, dass CHF 24 000.– als ausserordentliche Sonderlast des Jahres 2010 (100Jahr-Feier, Umzug der Geschäftsstelle) aus Rückstellungen finanziert wurden und nicht in der Rechnung sondern nur in der Bilanz erscheinen. Einnahmeseitig besonders zu erwähnen sind folgende Hinweise: • Die Finanzkrise schlägt sich in einem Einbruch des Finanzertrages nieder, der aufgrund der Ablösung von Obligationen von rund CHF 30 000.– im 2009 auf rund CHF 8000.– im 2010 geschrumpft ist. Auch im laufenden Jahr dürften die Erträge deutlich tiefer als die noch 2009 budgetierten CHF 25 000.– ausfallen. Für 2012 wurde nun vorsichtiger budgetiert. • Die Mitgliederbeiträge sind aufgrund von Zugängen leicht höher und zwar um ca. 1% über dem Budget und über dem Vorjahresniveau. • Erfreulich ist der Inseratenverkauf für die Verbandszeitschrift, der gegenüber dem Vorjahr nochmals gesteigert werden konnte und nun rund CHF 82 000.– beträgt; somit können die reinen Produktionskosten (exklusive Redaktion) vollumfänglich getragen werden. Ausgabenseitig ist speziell zu erwähnen: • Trotz zweier Doppelbelegungen und Personalwechsel im Geschäftsjahr liegen die Personalkosten im Rahmen des Budgets. • Durch notwendige Anschaffungen auf der Geschäftsstelle entstand ein höherer Verwaltungsaufwand. Namentlich ist dies der Ersatz von drei über sechsjährigen Personalcomputern, der Ersatz der veralteten Firewall und die Aktualisierung auf Betriebssystem Windows 7 (Vista konnte übersprungen werden). • Die Ausgaben (sowie die Einnahmen) der Tagungen liegen über dem Budget, schliessen jedoch mit angestrebtem leichten Einnahmenüberschuss ab. Die Position für Projekte und Studien mit Dritten ist grösstenteils reiner Durchlaufposten. Die Bilanz per 31.12.2010 weist die
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aus den Rückstellungen «Tagungen» und «Mobilien/EDV» finanzierte Sonderlast von CHF 24 000.– (100-Jahr-Feier, Umzug der Geschäftsstelle) aus. Somit verbleibt ein Eigenkapital von rund CHF 1 500 000.–, das sich aus Rückstellungen und aktivem Vereinsvermögen zusammensetzt. Die Rechnung und die Bilanz wurde von der OBT AG in Brugg am 6. April 2011 im Rahmen einer eingeschränkten Kontrolle revidiert und für in Ordnung befunden. Der Revisionsbericht, welcher bei Bedarf auf der Geschäftsstelle eingesehen oder bezogen werden kann, liegt vor. Auf das Vorlesen des Berichtes wird verzichtet. Da eine eingeschränkte Revision durchgeführt wurde, liegt kein explizit ausformulierter Antrag der Kontrollstelle auf Annahme der Rechnung vor. Es wurde versichert, dass die Revisionsstelle keine Beanstandungen gefunden habe, welche der Abnahme der Rechnung entgegenstehen würde. Die Verbandsrechnung 2010 und die Bilanz per 31. Dezember 2010 werden von der Versammlung einstimmig genehmigt und den verantwortlichen Organen die Entlastung erteilt. Im Zusammenhang mit der Rechnung wird darauf hingewiesen, dass das Jahr 2011 mit Mehrkosten belastet werden wird, welche zum Teil ebenfalls ausserhalb des Budgets liegen. Es sind dies die Aufwendungen zur notwendigen Modernisierung auf der Geschäftsstelle, namentlich: • Eine komplett neu gestaltete, modernisierte Webseite (seit Juni 2011 aufgeschaltet, seit Ende Juli auch in Französisch). • Die Modernisierung der Adress-, Mitglieder- und Kursverwaltung sowie der Finanzbuchhaltung, welche sich in der Umsetzungsphase befindet. Es handelt sich hier um keine strukturellen Mehrkosten sondern um Investitionen in die Zukunft, die durch Rückstellungen gedeckt sind. Traktandum 5: Festlegen der Mitgliederbeiträge 2012, Voranschlag 2012 Der Voranschlag für das laufende Jahr wurde bereits anlässlich der Hauptversammlung 2010 genehmigt. Er ist, zusammen mit dem heute zu genehmigenden Voranschlag 2012, ebenfalls im Jahresbericht abgedruckt. Der Vorstand beantragt für 2012 die Beibehaltung der Mitgliederbeiträge im bisherigen Umfang für sämtliche Mitgliederkategorien. Die aktuellen Beiträge sind seit der Hauptversammlung 2004 gültig, wobei 347
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Heimfall» ausgearbeitet und allen WK-Betreibern gemäss Adressstamm SWV versandt. Ebenso ein Faktenblatt zum Thema «Stauanlagengesetz» und eines zum Medienthema «Methan und Stauseen». Zudem wurden Positionen zu diversen politischen Vorstössen ausgearbeitet.
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alleine die Teuerung 2004–2011 rund 7% beträgt. Das Budget zeigt jedoch, dass die geplanten Aufwendungen ohne Beitragserhöhung gedeckt werden können. Voraussetzung ist allerdings, dass die Aktivitäten im bisherigen Rahmen fortgeführt werden und keine wesentlichen neuen Aufgaben dazukommen, die eine Erhöhung der Ressourcen notwendig machen würden. Ebenfalls beantragt der Vorstand die Genehmigung des Voranschlages 2012 wie er im Jahresbericht 2010 mit der letzten Ausgabe des WEL 2/2011 zugestellt wurde. Der Voranschlag 2012 widerspiegelt im Wesentlichen eine Fortschreibung bisheriger Tätigkeiten und setzt voraus, dass die Tarife der Mitgliederbeiträge unverändert bleiben. Der Voranschlag 2012 sieht leicht höhere Einnahmen aus Mitgliederbeiträgen durch Neumitglieder sowie höhere Einnahmen und Ausgaben aus Tagungen und Kursen (v.a. durch 3. Weiterbildungskurs Hochwasserschutz) vor. Der Verwaltungsaufwand ist leicht höher budgetiert, vor allem aufgrund der notwendigen Modernisierung der EDV-Systeme und damit verbundener Erhöhung laufender Kosten sowie etwas höheren Personalkosten. Der Voranschlag zielt auf ein ausgeglichenes Ergebnis der Betriebsrechung (bei Verwendung der Rückstellungen für die laufende Modernisierung). Die Festsetzung der Mitgliederbeiträge 2012 auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr sowie der Voranschlag 2012 werden einstimmig genehmigt. Traktandum 6: Gesamterneuerungswahlen 2011–2014 Im Jahr 2011 stehen Gesamterneuerungswahlen sämtlicher Verbandsgremien für die Periode 2011–2014 an. Dies sind einerseits die Kommissionen, die gemäss Statuten bereits vom Vorstand gewählt wurden (in beiden Kommissionen hat der Geschäftsführer SWV statutarisch Einsitz und ist nicht zu wählen). Und andererseits Vorstand und Ausschuss, welche von der Hauptversammlung gewählt werden. Wahlen in die Kommission Hochwasserschutz (KOHS) Die Kommission Hochwasserschutz (KOHS) hat einige altersbedingte Veränderungen erfahren und wurde vom Vorstand an seiner Sitzung vom 25. Mai 2011 wie folgt neu gewählt: Vorsitz Jürg Speerli, HSR, Rapperswil Weitere Mitglieder Tony Arborino, Kanton Wallis 348
Dominique Bérod, BAFU Robert Boes, ETH Zürich – VAW Laurent Filippini, Kantin Tessin Christoph Hegg, WSL Lukas Hunzinger, Flussbau AG SAH Martin Jäggi, Flussbau und Flussmorphologie Hans Kienholz, Universität Bern Mario Koksch, Kanton Luzern Roger Kolb, Niederer + Pozzi Umwelt AG Dieter Müller, AF-Colenco AG Ali Neumann, Stucky SA Matthias Oplatka, AWEL, Kt. ZH Olivier Overney, BAFU Hans Romang, MeteoSchweiz Simon Scherrer, Scherrer AG Anton Schleiss, EPFL-LCH Manfred Spreafico, Universität Bern Rolf Studer, Verein Ingenieurbiologie Heinz Willi Weiss, Basler & Hofmann AG Benno Zarn, Hunziker, Zarn & Partner AG Geschäftsführung SWV Roger Pfammatter, SWV Wahlen in die Kommission Hydrosuisse Die Hydrosuisse als Kommission für den Bereich Wasserkraft bleibt bis auf einen Wechsel (Thomas Zwald für Anton Bucher, beide VSE) unverändert und setzt sich nach der Wahl durch den Vorstand nach seiner Sitzung vom 25. Mai 2011 wie folgt zusammen: Vorsitz Jörg Aeberhard, Alpiq AG Weitere Mitglieder Christoph Busenhart, EWZ Marold Hofstetter, OFIMA SA Jörg Huwyler, Axpo AG Peter Molinari, EKW Mauro Salvador, Alpiq SA Andreas Stettler, BKW AG Ständige Gäste Gianni Biasiutti, KWO AG Thomas Zwald, VSE Guido Conrad, KHR AG Peter Quadri, swisselectric Geschäftsführung SWV Roger Pfammatter, SWV Wahlen in den Vorstand und Vorstandsausschuss Der Wahlvorschlag für die Zusammensetzung von Ausschuss und Vorstand wurde mit der Sitzungseinladung zugestellt. Im Ausschuss inklusive Präsidium sind keine Rücktritte, im Vorstand aber deren fünf zu vermelden, namentlich: Gianni Biasiutti (KWO), Alfred Janka (Vertreter Rheinverband), André Künzi (FM Chancy Pougny), Albert Fournier (Dept. TEE Ct. VS) und Andreas Götz (BAFU).
Der Einsatz dieser zurücktretenden Vorstandsmitglieder wird ganz herzlich verdankt. Den beiden Anwesenden Andreas Götz und Albert Fournier wird mit Solothurner Tropfen ein kleines Zeichen der Anerkennung übergeben. Zudem wird allen austretenden Vorstandsmitgliedern das vom Schweizerischen Talsperrenkomitee in Zusammenarbeit mit dem SWV im Jahre 2011 herausgegebene Buch «Dams in Switzerland», ein Bildband mit technischen Informationen zu den wichtigsten Talsperren der Schweiz, per Post zugestellt. Durch die vorgeschlagene Neubesetzung wird die bisherige Vertretung der Interessengruppen in etwa beibehalten. Die Statuten lassen die Aufstockung des Vorstandes um ein zusätzliches Mitglied zu. Die für den Vorstand vorgeschlagenen sechs neuen Mitglieder sind anwesend und stellen sich kurz vor: Felix Vontobel, Stellvertretender CEO Repower AG Michelangelo Giovannini, Präsident Rheinverband Jérôme Barras, Directeur FM Chancy Pougny Moritz Steiner, Dienstchef Energie und Wasserkraft Kanton Wallis Hanspeter Willi, BAFU, Leiter Abteilung Gefahrenprävention Peter Klopfenstein, CEO Hydro Exploitation SA Der gesamte Vorstand inklusive den sechs neuen Mitgliedern sowie der Ausschuss werden in corpore aufgrund der Wahlvorschläge wie folgt gewählt: Präsident Caspar Baader, Nationalrat, Gelterkinden Ausschuss Jörg Aeberhard, Alpiq AG, Olten Hans Bodenmann, BKW-FMB Energie AG Rolf W. Mathis, Axpo AG, Baden Peter Molinari, Engadiner Kraftwerke AG Mauro Salvadori, Alpiq SA Anton Schleiss, EPFL ENAC LCH Weitere Mitglieder des Vorstandes Jérome Barras (neu), FM Chancy Pougny Robert Boes, ETH VAW, Zürich René Dirren, EnAlpin AG, Visp Christian Dubois, Andritz Hydro AG Laurent Filippini, Kanton Tessin Michelangelo Giovannini (neu), RhV Renaud Juillerat, BFE, Bern Anton Kilchmann, SVGW, Zürich Peter Klopfenstein (neu), Hydro Exploitation SA, Sion Michael Roth, EWZ, Zürich Jürg Speerli, Hochschule Rapperswil Moritz Steiner (neu), Kanton Wallis Felix Vontobel (neu), Repower AG Andreas Weidel, SBB AG, Zollikofen
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Kontrollstelle Als Kontrollstelle wird, wie bereits in den vorangegangenen Jahren, die OBT AG in Brugg zur jährlichen Wahl vorgeschlagen. Die Versammlung stimmt auch diesem Vorschlag einstimmig zu. Traktandum 7: Festlegen der Hauptversammlung 2012 Die Hauptversammlungen des SWV sollen die einzelnen Regionen unseres Landes berücksichtigen. Der Vorstand schlägt in Absprache mit der Geschäftsstelle für die HV 2012 folgendes Datum und Region vor: Termin Donnerstag/Freitag, 6./7. September 2012 Region Zentralschweiz: Raum Sarnen, OW Die Versammlung stimmt dem Vorschlag einstimmig zu. Traktandum 8: Verschiedene Mitteilungen Der Präsident weist darauf hin, dass das vorrangige Ziel der Arbeit des SWV nach
wie vor das Erbringen von Dienstleistungen zu Gunsten der Mitglieder ist. Das praktisch rundum erneuerte Team auf der Geschäftsstelle ist unter der Leitung des neuen Geschäftsführers auf diesem Weg erfolgreich weiter geschritten, hat vieles fortgeführt und einiges Neues angepackt. Neben der Verbandszeitschrift sind die verschiedenen Fachveranstaltungen in den Bereichen Wasserkraft und Hochwasserschutz zu erwähnen, die der SWV jedes Jahr zusammen mit Partnerorganisationen durchführt. Jedoch auch – und etwas weniger sichtbar – die Kommissionsarbeiten zur Vertiefung aktueller Fragestellungen, das Einbringen der Interessen im politischen Prozess, die Beantwortung zunehmender Anfragen von Mitgliedern, der Öffentlichkeit und vor allem auch der Medien. Das Eine oder Andere hat sich verändert und wird sich weiterentwickeln, dazu gehören: die Neulancierung der Webseite, welche seit Ende Juni 2011 weiterhin unter www.swv.ch aufgeschaltet ist sowie die laufende Modernisierung des EDV-Systems zur Adressverwaltung, Veranstaltungsmanagement usw. Das sind interne Projekte, welche den SWV fit für die Zukunft machen und die Geschäftsstelle zusätzlich herausfordern. Die Aktivitäten und Veranstaltungen der kommenden Monate sind auf der Agenda in unserer Verbandszeitschrift respektive auf unserer Webseite www. swv.ch zu finden.
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Traktandum 9: Umfrage Es erfolgen keine Wortmeldungen. Danksagung Der Präsident dankt • den Referenten für die sehr interessanten Beiträge und das Engagement anlässlich der vorangehenden Tagung. • den Kollegen im Vorstand und im Ausschuss für die konstruktive, gute Zusammenarbeit im Interesse des SWV. • allen Mitgliedern und Anwesenden für ihre Unterstützung und das Interesse an den Aktivitäten des SWV. • der SWV-Geschäftsstelle in Baden, welche das ganze Jahr hindurch die vielfältige Verbands- und Redaktionsarbeit bewältigt. Es ist dies Roger Pfammatter, Geschäftsführer, und seine beiden Sekretärinnen, Esther Zumsteg und Doris Hüsser, sowie Manuel Minder von der Redaktion der Verbandszeitschrift. Der Präsident erklärt die 100. ordentliche Hauptversammlung des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes für geschlossen. Protokoll: Esther Zumsteg
349
100. Hauptversammlung 2011
Hanspeter Willi (neu), BAFU Markus Züst, Regierungsrat Kanton Uri Der Präsident heisst die neuen Vertreter im Vorstand willkommen und dankt sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes und des Ausschusses sowie ihren Unternehmungen für die Bereiterklärung zur Ausübung dieser Mandate.
Bestellen Sie unsere Verbandsschriften direkt unter: www.swv.ch
VS: Nr. 67, Der Schweizerische
VS: Nr. 66, Die Engadiner Kraft-
VS: Nr. 65, Wasserkraft – die er-
VS: Nr. 64, Ökologische (Teil A)
Wasserwirtschaftsverband 1910–
werke – Natur und Technik in einer
neuerbare
Beiträge
und technisch/ökonomische Qua-
2010, ein Portrait, von Dr. Walter
aufstrebenden Region, von Robert
des internationalen Symposiums
litäten der Wasserkraft. ecocon-
Hauenstein, 2010, 156 S. Format
Meier, 2003, 207 S., Format 28.5
vom 18./19. Okt. 2001 in Chur,
cept Zürich und Schnyder Ingeni-
17 × 24 cm, ISBN 978-3 85545-
× 20.5 cm, ISBN 3-85545-129-X,
CHF 30.–.
eure AG, Ottenbach, CHF 40.–.
155-5, CHF 40.–.
CHF 60.–.
Energie.
ntan Mome n! ffe vergri
VS: Nr. 63, Wasserbauer und Hy-
VS: Nr. 62, Uferschutz und Raum-
VS: Nr. 61, Rechtsfragen der Was-
VS: Nr. 60, Externe Effekte der
drauliker der Schweiz. Kurzbio-
bedarf von Fliessgewässern/Pro-
serkraftnutzung. Unterhalt und Mo-
Wasserkraftnutzung / Effets ex-
graphien ausgewählter Persönlich-
tection des rives et espace vital
dernisierung, Heimfall und Selbst-
terne de l’exploitation des forces
keiten, 2001, von Daniel L. Vischer,
nécessaire aux cours d’eau, 2001,
nutzung von Wasserkraftanlagen im
hydrauliques, 1999, CHF 50.–.
CHF 50.–.
Vorträge in Biel, CHF 40.–.
Kanton Wallis. Erhältlich als PDF unter: www.wasserkraftwallis.ch.
VS: Nr. 59, Geschiebetransport und
VS: Nr. 58, Entsorgung und Ge-
VS: Nr. 57, Betrieb und Wartung
VS: Nr. 54, Directives pour l’ex-
Hochwasser/Charriage et crues,
schwemmsel, Stand der Technik
von Wasserkraftwerken, 1998,
ploitation et la maintenance des
Vorträge in Biel, 1998, CHF 50.–.
– Kosten – Zukunft, Vorträge in
Bernard Comte, CHF 120.–.
groupes hydroélectriques, 1995,
Bad-Säckingen, 1998, CHF 50.–.
350 250
Bernard Comte, CHF 98.–. 4, CH-5401 Baden «Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 3,
Nachrichten Informationen aus der Wasser- und Energiewirtschaft
Po litik l i tik Energiepolitischer Rückblick Herbstsession: Sonderdebatte des Ständerates zur Kernenergie und zu alternativen Energien Der Ständerat hat am 28. und 29. September 2011 in einer Sondersession über die Kernenergie und alternative Energien debattiert. Die vom Nationalrat unterbreiteten Kernenergieausstiegsmotionen hat der Ständerat mit einer Zweidrittelmehrheit abgeändert: Obwohl er wie der Bundesrat und der Nationalrat den Verzicht auf neue Kernkraftwerke unterstützt, will er ausdrücklich auf ein Technologieverbot verzichten. Weitere Forderungen des Ständerats bestehen insbesondere darin, dass die Erforschung und Entwicklung aller Technologien weiterhin möglich sein soll und dass der Wirtschaftsstandort Schweiz durch die neue Energiestrategie nicht gefährdet werden darf. Die Energiestrategie soll ausserdem auf eine möglichst auslandunabhängige Stromversorgung abzielen. Der neue Vorstosstext im Wortlaut: 1. Es dürfen keine Rahmenbewilligungen zum Bau neuer Kernkraftwerke erteilt werden. (=Version NR) 1bis Das Kernenergiegesetz vom 21. März 2003 ist entsprechend zu ändern. Damit wird kein Technologieverbot erlassen. 2. Kernkraftwerke, die den Sicherheitsvorschriften nicht mehr entsprechen, sind unverzüglich stillzulegen. (=Version NR) 3. Es wird eine umfassende Energiestrategie unterbreitet, um unter anderem den künftigen Strombedarf ohne Atomenergie und durch eine vom Ausland möglichst unabhängige Stromversorgung sicherzustellen, ohne den Wirtschafts- und Forschungsstandort Schweiz insgesamt zu gefährden. Die Förderung der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz wird zielführend verstärkt. 4. Bildung, Lehre und Forschung in sämt-
lichen Energietechnologien in der Schweiz und in der internationalen Zusammenarbeit werden weiterhin unterstützt. 5. Der Bundesrat berichtet periodisch über die Entwicklung der Technologien und die Umsetzung der Energiestrategie und stellt Anträge zu Gesetzesänderungen sowie Programmen. Insbesondere berichtet er regelmässig über die Fortschritte in der Kerntechnologie. Dabei nimmt der Bundesrat namentlich Stellung zu Fragen der Sicherheit, der Entsorgung radioaktiver Abfälle, sowie der volkswirtschaftlichen, umwelt- und klimapolitischen Auswirkungen. Aus den weiteren Entscheiden des Ständerats kann abgelesen werden, dass er: • einen effizienteren Einsatz von Strom und den Abbau von Hürden im Rahmen der Bewilligungsverfahren für erneuerbare Energien und Stromnetze befürwortet. Dazu gehört auch das Überdenken des Verbandsbeschwerderechts. • auf bundesrechtliche Vorschriften im Gebäudebereich verzichten und stattdessen die Kompetenzen bei den Kantonen belassen will. • die Zweckbindung der gesamten Erträge der CO2-Abgabe während 20 Jahren. • für die Verminderung der CO2-Emissionen von Gebäuden und für die Erforschung und Entwicklung der erneuerbaren Energien einsetzen will. • Anreize für die erneuerbaren Energien schaffen und gesetzliche Hürden beseitigen will. • eine Aufhebung des bestehenden Gesamtplafonds und der einzelnen Technologiedeckel bei der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV ablehnt. Stattdessen schlägt die kleine Kammer einen Ersatz des Plafonds durch Jahreskontingente für baureife Projekte vor. Quelle: Energieforum Schweiz, EnergieReport 40/2011.
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Ausbauziel Wasserkraft: Plausibilisierung im Rahmen der bundesrätlichen Energiestrategie 2050 Pfa. Das Bundesamt für Energie (BFE) ist gegenwärtig daran, das im Juni 2011 kommunizierte Ausbauziel Wasserkraft zu plausibilisieren. Neben Einschätzung der kantonalen Energie- und Umweltfachstellen werden auch die Erkenntnisse eines Expertenworkshops berücksichtigt und anschliessend die neue Einschätzung des Bundes den Verbänden zur Stellungnahme gebracht. Gemäss einer Mitteilung des BFE ist die Bundesverwaltung gegenwärtig an einer Plausibilisierung des Ausbauzieles Wasserkraft. Im Rahmen der neuen bundesrätlichen Energiestrategie hatte das BFE das Potenzial zum Ausbau der Wasserkraftnutzung auf 4 TWh bis 2050 geschätzt (vgl. dazu Faktenblatt vom 10.6.2011: www. bfe.admin.ch – >Themen >Energiepolitik >Energiestrategie 2050 >Dokumente zum Thema). Die veröffentlichten Zahlen stellen gemäss BFE eine erste Grobabschätzung dar und sollen nun in einer zweiten Phase plausibilisiert und mit den verschiedenen Interessenvertretern abgeglichen werden. Die Ergebnisse aus dem Faktenblatt vom Juni 2011 sind von den kantonalen Energiefachstellen bereits kommentiert worden. Das BFE hat daraufhin die Projektlisten überarbeitet und die Potenziale aus diesen Projekten entsprechend angepasst. Aktuell findet die Befragung der kantonalen Umweltfachstellen statt. Das BFE wird anschliessend gemeinsam mit dem Bundesamt für Umwelt BAFU bis Ende November 2011 eine Einschätzung des Bundes abgeben. Es ist geplant, dass die Verbände im Dezember 2011 dazu Stellung nehmen können.
Bild. Speichersee Emosson (Quelle: zvg) 351
Nachrichten
Der SWV unterstützt die Plausbilisierung des Ausbaupotenzials. Wie bereits früher kommuniziert (vgl. aktualisiertes Faktenblatt Ausbaupotenzial Wasserkraft SWV vom 10.6.2011, www.swv.ch/Downloads), ist der postulierte Ausbau der erneuerbaren Wasserkraft zu begrüssen – gerade auch aufgrund der neuen energiepolitischen Ausgangslage. Und es gäbe durchaus noch Ausbaupotenzial und interessante Erweiterungs- und Ausbauideen. Viele Ideen und Projekte scheitern jedoch vor allem am politischen Willen. Unter den bestehenden Rahmenbedingungen ist der postulierte Ausbau nicht realisierbar – im Gegenteil: aufgrund der zu erwartenden Verluste aus den geltenden Restwasserbestimmungen und gegebenenfalls aus dem Klimawandel ist ohne Ausbau mit einem Rückgang der Produktion aus Wasserkraft zu rechnen. Eine sorgfältige Auslegeordnung über die Möglichkeiten und damit verbundene notwendige Anpassungen bildet die Basis für eine breite und transparente Diskussion und ist deshalb zu begrüssen. Vgl. dazu: www.swv.ch/Downloads > Ausbaupotenzial Wasserkraft Schweiz 2011
Bild 1. Anlieferung des 30 Tonnen schweren Generators von Savognin zur neuen Kraftwerkszentrale Nandrò (Quelle: ewz)
Was s e r kr af tnut zung Neues Kleinwasserkraftwerk Nandrò in Betrieb Nach einer kurzen und intensiven Bauzeit von rund zwei Jahren steht das neue Kleinwasserkraftwerk Nandrò bereit, ein Gefälle von 78 Metern für die umweltgerechte Stromproduktion zu nutzen. Stadtrat Andres Türler erläutert die Bedeutung des Projekts für Graubünden und für die Stadt Zürich, bevor er das Kleinwasserkraftwerk feierlich in Betrieb nimmt. Dieses wird durch eine zusätzliche Wassernutzung jährlich eine Energiemenge von rund 6 GWh produzieren. Die ersten Ideen zur Nutzung der Wasserkraft des Baches «Ava da Nandrò» stammen aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Seit knapp 40 Jahren wird das Wasser des «Ava da Nandrò» gefasst und dem Kraftwerk Tinizong zugeführt, bisher allerdings ohne das obere Teilgefälle für die Stromproduktion zu nutzen. Im Rahmen einer notwendig gewordenen Leitungssanierung entschied ewz, das in diesem Bereich vorhandene Teilgefälle für die Produktion erneuerbarer Energie zu nutzen. Dazu musste die bestehende Freispiegelleitung durch eine druckfeste Stahlleitung ersetzt und eine Kaverne für 352
Bild 2. Einbringen der druckfesten Stahlleitung (Quelle: ewz)
die Kraftwerkszentrale in den Fels gebaut werden. Fakten zum Kleinwasserkraftwerk Nandrò. Für das Projekt waren keine Konzessionsverhandlungen notwendig, da ein bereits in der bestehenden Konzession «Marmorera-Radons-Tinizong» enthaltenes Gefälle genutzt wird. ewz hat insgesamt Investitionen in der Höhe von knapp 23 Mio. Franken getätigt, damit das Kleinwasserkraftwerk Nandrò eine Wassermenge von bis zu 2.4 m3/s über eine Fallhöhe von 78 Metern nutzen kann. Anschliessend fliesst das Wasser wie bisher in einen bestehenden Druckschacht, welcher auch das Wasser vom Stausee Marmorera zum ewz-Kraftwerk Tinizong leitet. Dort wird das Wasser des «Ava da Nandrò» wie bis anhin bzw. ein weiteres Mal zur umweltfreundlichen Stromproduktion genutzt. Mit der installierten Leistung von 1.8 MW wird das Kleinwasserkraftwerk Nandrò jährlich eine Energiemenge von rund 6 GWh pro-
duzieren. Dies entspricht etwa dem durchschnittlichen Jahresenergieverbrauch von 1300 Haushaltungen. Mit seinen Anlagen in Mittelbünden und im Bergell produziert ewz rund 1200 GWh Energie und versorgt einen grossen Teil des Kantons Graubünden mit Strom. ewz beschäftigt über 1000 Mitarbeitende, davon 100 in Graubünden, und zählt zu den zehn umsatzstärksten Energiedienstleistungsunternehmen in der Schweiz. Kontakt: ewz, Corporate Communications, Telefon 058 319 49 67, harry.graf@ewz.ch
Linthal 2015: Durchschlag Druckschacht 1 erfolgt – Zeitplan wird eingehalten Mit dem Mitte Oktober 2011 erfolgten Durchschlag der letzten Gesteinspartie vom ersten Druckschacht in die Schieberkammer hat das Ausbauprojekt Linthal 2015 der Kraftwerke Linth-Limmern AG einen weiteren Meilenstein er-
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
Bild. Bohrmannschaft nach dem Durchschlag Mitte Oktober 2011 (Quelle: Axpo). reicht. Während es bei einzelnen Arbeiten zu Verzögerungen gekommen ist, hat man bei anderen Vorsprung auf den Zeitplan. Insgesamt ist das Projekt auch zeitlich auf Kurs. Die Tunnelbohrmaschine 2, die sich von der künftigen Maschinenkaverne mit einer Steigung von 90% durch den Fels hocharbeitete, erreichte am 14. Oktober 2011 die auf 2300 m ü.M. gelegene, unterirdische Schieberkammer. Damit ist der erste der beiden Druckschächte ausgebrochen. Die beiden Druckschächte sind mit einer Länge von je 1030 Metern Teil des Triebwassersystems zwischen der Maschinenkaverne auf 1700 m ü.M. und dem Muttsee auf 2500 m ü.M. Während die Ausbrucharbeiten zu Beginn mit einer Tagesleistung von 15 bis 20 Metern auf Kurs waren, wurde bei Tunnelmeter 570 eine prognostizierte Störzone erreicht. Die Durchquerung des so genannten Mörtalbruchs erforderte eine technische Aufrüstung der Tunnelbohrmaschine sowie zusätzliche Felssicherungsarbeiten. Dies führte zu einer Verzögerung von rund sechs Monaten. Mit den eingeleiteten Massnahmen sollte diese Verzögerung bis Ende Bauzeit kompensiert werden können. Die Tunnelbohrmaschine 2 war seit Mitte Dezember 2010 unterwegs. In den kommenden Wochen werden der Bohrkopf der Tunnelbohrmaschine demontiert und die Nachläufer durch den Druckschacht zurückgezogen. Ende März 2012 wird die Maschine erneut einsatzbereit sein und den Ausbruch des zweiten Druckschachtes in Angriff nehmen. Parallel dazu beginnt im ersten Druckschacht der Einbau der Panzerung. Die Arbeiten im Zugangsstollen 1 von Tierfehd zur Maschinenkaverne sind im Rück-
stand. Entsprechende Massnahmen wurden eingeleitet, und der Durchschlag soll nun im Frühsommer 2012 erfolgen. Früher als geplant konnte mit dem Mauerbau auf der Muttenalp begonnen werden. Die ersten Betonarbeiten, die gemäss Terminplan für Frühling 2012 vorgesehen waren, konnten bereits vor einigen Wochen in Angriff genommen werden. Insgesamt liegen die Arbeiten auf Kurs, an der für Ende 2015 geplanten Inbetriebnahme der ersten Maschinengruppe des neuen Pumpspeicherwerks Limmern wird festgehalten. Kontakt: Axpo Holding AG, Corporate Communications, Media Hotline 0800 44 11 00.
Gesamterneuerung Kraftwerke Hinterrhein: Teilentleerung Stausee Sufers/Entleerung Ausgleichsbecken Bärenburg
Bild. Vorentleerung Stausee Sufer im März 2011 (Quelle: KHR).
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Nachrichten
Anfangs November nahmen die Kraftwerke Hinterrhein die Zentralen Bärenburg und Sils ausser Betrieb. Der Stausee Sufers wird abgesenkt, das Ausgleichsbecken Bärenburg komplett entleert. Die erste Sanierungsphase dauert bis zum Ende des Winterhalbjahrs im April 2012. Die Gesamterneuerung der Kraftwerksanlagen der KHR geht jetzt in die Ausführungsphase. Das Grossprojekt mit einem Investitionsvolumen von knapp 300 Mio. CHF wird mit der Abstellung der Kraftwerkszentralen Bärenburg und Sils, mit der Entleerung der Stollensysteme, der Absenkung des Stausees Sufers sowie mit der Entleerung des Ausgleichsbeckens Bärenburg so richtig gestartet. Die umfangreichen Arbeiten umfassen ca. 20 Bauplätze mit insgesamt rund 300 hauptsächlich externen Facharbeitern und dauern bis im April 2012, bis dahin bleiben die Anlagen ausser Betrieb. In Sufers bleibt ein Restsee Die Analyse der Vorentleerung des Stausees Sufers im Frühjahr 2011 hat gezeigt, dass eine komplette Seeentleerung aufgrund der immensen Sedimentablagerungen im Stauraum zum heutigen Zeitpunkt nicht möglich ist. Anders als ursprünglich geplant, bleibt deshalb auch während der Sanierungsarbeiten ein kleiner Restsee bestehen. Dies hat zur Folge, dass in Sufers vorerst nicht sämtliche geplanten Arbeiten ausgeführt werden können. Das Ausgleichsbecken Bärenburg wird nun total entleert und erst im April 2012 wieder eingestaut. Ökologische Begleitung Um die ökologischen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten und um frühzeitig auf allfällige Folgen mit Lösungen reagieren zu können, arbeitet KHR sehr eng mit den Behörden, den Umweltorga-
Nachrichten
nisationen und dem Kantonalen Fischereiverband Graubünden zusammen. KHR hat zudem das Umweltfachbüro ecowert und weitere Experten mit der Begleitung des Projekts und der Durchführung des Umwelt- und Gewässermonitorings beauftragt. Die Fachleute begleiten die Arbeiten, untersuchen die Wasserqualität und zeichnen die Ereignisse auf. Weitere Auskünfte: Guido Conrad, Direktor KHR Tel. 081 635 37 37, admin@khr.ch
Baubeginn beim Kraftwerk Rüchlig in Aarau Die umfassende Teilerneuerung des Kraftwerks Rüchlig in Aarau hat im Oktober mit den Erschliessungsarbeiten begonnen. Das erneuerte Kraftwerk soll Anfang 2015 wieder in Betrieb genommen werden und mit einer Leistung von rund 11 MW ca. 64 GWh Strom produzieren, womit über 14 000 Haushalte versorgt werden können. Die Anlagenkosten belaufen sich auf rund 130 Mio. Franken. Der Regierungsrat hatte die Konzession für die nächsten 60 Jahre und die Baubewilligung am 17. August 2011 erteilt. Nebst dem kompletten Ersatz der bestehenden drei Rohrturbinen und dem Einbau einer vierten identischen Maschine wird auch ein neues Dotierkraftwerk in der Aare erstellt, das die Restwasserabgaben von 30 bis 40 m3/s saisonal angepasst turbiniert. Die Umwelt profitiert durch zwei neue Fischpässe und einem Fischabstieg in der Aare. Weitere ökologische Aufwertungsund Ausgleichmassnahmen sind vorgesehen, unter anderem ein neuer Teich für Kammmolche im unteren Teil der Zurlindeninsel. Die Bauphase wird durch eine beratende Begleitkommission und eine Verkehrskommission unter der Führung des Kantons begleitet.
Nach der rund zweijährigen Planungsund Bewilligungsphase steht nun die rund vierjährige Realisierungszeit bevor. Die Bewohner der Quartiere Telli und Scheibenschachen werden insbesondere vom neuen Hochwasserschutz profitieren. Dieser erlaubt neu eine Abflussmenge von bis zu 1700 m³/s, was gegenüber der heutigen Abflussmenge von 1180 m³/s eine wesentliche Verbesserung darstellt. Weiter wird sich auch die Grundwassersituation mit dem neuen Betriebsregime verbessern. Zudem wird sich das Erscheinungsbild des Kraftwerks zeitgemässer präsentieren. Insbesondere wird der Blick auf die Jurahöhen von der Oberwasserseite her wieder freigeben, der heute durch das Maschinenhaus behindert wird. Alle Bau- und Lieferverträge für den Bau, Stahlwasserbau, Elektromechanik und Elektrotechnik sind inzwischen abgeschlossen. Die ersten Aktivitäten, insbesondere die Bauvorbereitungsarbeiten, werden in den nächsten Wochen beginnen. So gilt es die Baustromversorgung aufzubauen, bestehende Kabelanlagen umzulegen, die Installationsplätze für die Lieferanten vorzubereiten, und eine temporäre Dienstbrücke zu erstellen, um den Verkehr besser führen zu können. Weiter werden die erforderlichen Rodungen, die sich vorwiegend im Bereiche des neuen Dotierkraftwerks befinden, ausgeführt. Im Quartier Telli werden Brunnen erstellt, um das Grundwasser bei zu hohen Grundwasserständen abzusenken. Diese Arbeiten sind vor den Bauhauptarbeiten, die Anfang April 2012 beginnen, abzuschliessen. Die Realisierung inkl. Umgebungsarbeiten dürfte ca. Mitte 2015 abgeschlossen sein. Weitere Auskünfte: Axpo Holding AG, Corporate Communications, Media Hotline 0800 44 11 00.
Bild. Visualisierung neues KW Rüchlig (Quelle: Axpo) 354
Ene E ne r g iewi i ewi r ts t s c haf t Höchstgelegene Windenergieanlage Europas am Gries im Wallis Im Beisein von Bundesrätin Doris Leuthard fand am Freitag, 30. September das Richtfest der höchsten Windenergieanlage Europas statt. Martin Senn, Gründer von SwissWinds, und sein Team stellte sich der technologisch höchst anspruchsvollen Herausforderung während der Planungsund Realisierungsphase. Die Windanlage auf rund 2500 m ü.M. gilt als einzigartig in Europa und ist ein unternehmerisches Pionierwerk. Nach einer mehrmonatigen Testund Einstellphase soll die Windenergieanlage, eine Enercon E-70, 3 GWh pro Jahr produzieren, was dem Verbrauch von 650 Haushalten entspricht.
Bild. Die höchstgelegene Windenergie Europas steht am Gries im Wallis auf 2465 m ü.M. Dieser Standort in der Nähe des gleichnamigen Staudammes wurde gewählt, um die Windturbine mit den vorhandenen elektrischen Leitung verbinden zu können (Quelle: SwissWinds AG). Dieses Pilotprojet wurde anlässlich des Richtfestes von Bundesrätin Doris Leuthard gewürdigt: «Der Kanton Wallis macht einen grossen Schritt in eine erneuerbare Zukunft. Als High-Tech-Land können wir uns in einem Umfeld sehr gut positionieren, in dem natürliche Ressourcen und Energie zu knappen Konsumgütern werden. Wenn wir für die Zukunft eine saubere, eine sichere, eine weitgehend schweizerische und wirtschaftliche Stromund Energieversorgung für die Menschen und für die Wirtschaft in diesem Land wollen, dann müssen wir jetzt handeln. Der Bundesrat hat bereits dargelegt, dass der Umbau technisch möglich ist, wenn wir ihn sorgfältig organisieren und wenn wir 25 bis 30 Jahre Zeit haben. Berechnungen
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
häufigere und längere Hitzewellen und längere sommerliche Trockenperioden zu erwarten. Dies bestätigen die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse Schweizer Klimaforscher unter der Leitung von ETH Zürich und MeteoSchweiz, die an einer Grossveranstaltung im Auditorium Maximum der ETH Zürich neue Klimaszenarien für die Schweiz vorstellen. Die Szenarien stützen sich auf verfeinerte Klimasimulationen und neue statistische Verfahren. Erstmals stehen auch detaillierte Szenariodaten in digitaler Form zur Verfügung. Diese sollen die Erforschung von Folgen des Klimawandels vorantreiben, und ermöglichen Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft Zugriff auf umfassende Informationen über die Klimaentwicklung im 21. Jahrhundert in der Schweiz. Wie wird sich das Klima in der Schweiz in den nächsten 100 Jahren entwickeln? Eine Frage, die viele Schweizer und Schweizerinnen beschäftigt. Das Center for Climate Systems Modeling (C2SM), MeteoSchweiz, die ETH Zürich, der Nationale Forschungsschwerpunkt Klima (NFS Klima) und das OcCC (Beratendes Organ für Fragen zur Klimaänderung) haben in einem mehrjährigen Projekt intensiv zusammengearbeitet und Szenarien für die zukünftige Entwicklung von Temperatur und Niederschlag in der Schweiz erarbeitet. Das Ergebnis: Die mittleren Temperaturen werden sehr wahrscheinlich in allen Regionen der Schweiz und während allen Jahreszeiten ansteigen. Sogar wenn der globale Treibhausgas-Ausstoss bis 2050 gegenüber 2000 halbiert werden könnte, wird sich das Schweizer Klima voraussichtlich bis Ende des Jahrhunderts gegenüber
der Periode zwischen 1980 und 2009 um 1.2–1.8 ° C erwärmen. Spätestens ab Mitte des 21. Jahrhunderts ist im Sommer in der gesamten Schweiz mit einem Rückgang der Niederschläge zu rechnen. In der Südschweiz werden die Winterniederschläge voraussichtlich zunehmen. Durch die Abnahme der Sommerniederschläge nimmt auch das Risiko längerer Trockenperioden zu. Wärmeperioden und Hitzewellen werden häufiger und intensiver auftreten und zudem länger anhalten. Gleichzeitig wird der Winterniederschlag aufgrund der steigenden Temperaturen vermehrt als Regen fallen, wodurch sich das Überschwemmungsrisiko vor allem in niedrigen Lagen vergrössern wird. Die neuen Szenarien sind konsistent mit der Klimaentwicklung der letzten Jahrzehnte. Klimaszenarien liefern einheitliche Planungsgrundlagen für Wissenschaft, Politik und Wirtschaft Die ausführlichen Ergebnisse sind im Bericht «Swiss Climate Change Scenarios CH2011» (deutsch: Szenarien zur Klimaänderung in der Schweiz CH2011) nachzulesen. Eine englische, deutsche, französische und italienische Zusammenfassung des Berichts steht auf der Website www. ch2011.ch zur Verfügung. Dort können auch Klimaszenarien in digitaler Form bezogen werden. Es stehen zum Beispiel die Szenario-Daten für Temperatur und Niederschlag der kommenden Jahrzehnte in täglicher Auflösung an Messstandorten von MeteoSchweiz zur Verfügung. Die neuen Daten sollen in zahlreichen Folgestudien benutzt werden, um die Folgen des Klimawandels auf die Wirtschaft und Umwelt der Schweiz besser abzuschätzen. Für den Bund, der aktuell eine Strategie zur
K l i ma Szenarien zur Klimaänderung in der Schweiz CH2011 In der Schweiz wird es wärmer und im Sommer trockener werden. Von diesen Veränderungen sind auch Extremereignisse betroffen, so sind zum Beispiel
Bild. Entwicklung Temperatur und Niederschlagsänderung zwischen 1875 und 2100; Prognose gemäss dem neuen Klimaszenarien CH2011 [Quelle: MeteoSchweiz/ETHZ, 2011].
«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
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Nachrichten
der ETH haben es bestätigt.» Die höchstgelegene Windenergieanlage Europas ist in mehrerer Hinsicht eine technologische Spitzenleistung. Erstens hat Martin Senn ein Spezialgefährt mit dem Übernamen «Tausendfüssler» entwickeln lassen. Dieser gegliederte Tieflader war notwendig, um die 35 m langen Rotorblätter auf den kurvigen Bergstrassen zwischen Airolo im Tessin und dem Nufenenpass im Wallis zu transportieren. Ohne dieses innovative Gefährt hätte die Windenergieanlage niemals an diesem idealen Standort auf 2465 m in der Nähe der Staumauer Gries errichtet werden können. Der gewählte Ort erlaubt die Nutzung der bestehenden elektrischen Leitungen. Zweitens haben zahlreiche Vorstudien gezeigt, dass mit einer solchen Installation der Eingriff in Fauna und Flora gering gehalten wird. Die Anlage integriert sich relativ gut in die Landschaft und respektiert die Umwelt, was den Planern sehr wichtig war. Schliesslich ist diese Windenergieanlage wegen der bisweilen extremen Wetterverhältnisse, die im Winter auf dieser Höhe vorherrschen, mit einem sparsamen Heizsystem ausgestattet, welches die Rotorblätter schnee- und eisfrei hält und vor Immobilität schützt. Die Bewohner des Goms und die kantonalen Behörden unterstützten diese technologische Herausforderung mit Kräften. Die Umweltverbände wurden seit dem Planungsbeginn konsultiert. Die Gesamtkosten der höchstgelegenen Windenergieanlage Europas belaufen sich auf 5.5 Millionen Franken. Der HöhenwindkraftPionier Martin Senn hatte sich mit den Energieversorgern EnAlpin und Services Industriels de Genève zusammengetan, um dieses Pilotprojekt mitzufinanzieren. Die Gemeinde Obergoms, welche ebenfalls an diesem innovativen Projekt beteiligt ist, wird von den wirtschaftlichen Gewinnen der Windenergieanlage Gries profitieren. Insgesamt haben sich die Partner in der Firma GriesWind AG zusammengetan, um diese Infrastruktur im Oberwallis zu entwickeln. Sie wird Anfang 2012 definitiv ans Netz gehen. Kontakt: SIG: Isabelle Dupont-Zamperini
Nachrichten
Anpassung an die Klimaänderung erstellt, bilden diese Klimaszenarien eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Zudem können Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaftssektoren wie Land-, Bau-, Energie- und Wasserwirtschaft, Gesundheit, Tourismus, Raumplanung, Versicherung usw. einfach und kostenlos auf die für sie relevanten Daten zugreifen. Die Klimaszenarien CH2011 ermöglichen damit schweizweit eine einheitliche Planung der verschiedenen Wirtschaftssektoren. Das Know-how hinter den Klimaszenarien Die CH2011-Klimaszenarien gründen auf einer neuen Generation von globalen und regionalen Klimamodellen. Zudem verwendeten die Forschungspartner neue statistische Methoden, um die Entwicklung von Temperatur und Niederschlag in den drei Schweizer Regionen Nordostschweiz, Westschweiz und Südschweiz abzuschätzen und die Unsicherheit der Klimaprojektionen zu quantifizieren. Verschiedene Emissionsszenarien, welche den künftigen Ausstoss von Treibhausgasen prognostizieren, sind die Basis für die Klimamodelle. Für die vorliegenden Klimaszenarien wurden erstmals drei unterschiedliche Emissionsszenarien gewählt, die ein breites Spektrum an möglichen Wirtschaftsentwicklungen abdecken, darunter auch ein sogenanntes MitigationsSzenario welches umfangreiche Massnahmen gegen den Klimawandel berücksichtigt. Kontakt: ETH Zürich Claudia Naegeli, Medienbeauftragte, claudia.naegeli@hk.ethz.ch, +41 44 632 89 61 Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz, Bärbel Zierl, Kommunikation, media@meteoschweiz.ch +41 44 256 93 51
Methan in Seen und Feuchtgebieten – wie wichtig ist Methan aus Seen für den Klimawandel? Von Oliver Heiri, Oeschger Zentrum für Klimaforschung, Universität Bern An einem Symposium von Mitte September 2011 in Bern über Methan in Seen und anderen Feuchtgebieten diskutierten Wissenschafter und Praktiker den Stellenwert des Treibhausgases Methan. Wie sich zeigte, ist die Datenlage für Regionen wie die Schweiz sehr wahrscheinlich noch zu dünn, um abschliessend zu beurteilen, welche Rolle das Methan aus Seen für die Klimabilanz spielt. Allerdings weisen die verfügbaren Resultate darauf 356
hin, dass Seen als mögliche Methanquellen in die Klimadiskussion miteinbezogen werden sollten. Sind Seen Klimasünder? Ein Blick in die Presse könnte diese Vermutung nahe legen. In den vergangenen Monaten gingen nämlich verschiedene Zeitungsartikel der Frage nach, ob für die Beurteilung des Einflusses von Wasserkraftwerken aufs Klima nicht auch der Methanausstoss von Stauseen berücksichtigt werden müsste. Hintergrund dieser Diskussionen waren neu veröffentlichte Einzelstudien, die aufzeigten, dass der Methanausstoss von Seen bedeutend höher sein kann als bisher angenommen. In der Öffentlichkeit ist Methan im Gegensatz zu Kohlendioxid kaum als Treibhausgas bekannt, obwohl Methan das bedeutend stärkere Treibhausgas ist. Allerdings ist die Konzentration von Methan in der Atmosphäre ein vielfaches kleiner als diejenige von CO2. So kommt es nicht von ungefähr, dass in Studien über Feuchtgebiete die Bedeutung von Methan weniger eingehend untersucht wurde als jene von CO2. Besonders über die Methanproduktion von Seen ist noch relativ wenig bekannt, dies obwohl ihr Methanausstoss fürs Klima relevant ist. So wurde zum Beispiel geschätzt dass bis zu 16% der natürlichen Methanemissionen von Seen stammen, obwohl sie nach verfügbaren Hochrechnungen wohl weniger als 1% der Erdoberfläche einnehmen. Austausch zum Stand der Forschung Um diese Forschungslücke zu schliessen, trafen sich am 12. September 2011 Vertreter aus Wissenschaft, der Verwaltung und Wirtschaft in Bern zu einem Symposium unter dem Titel «Methan in Seen und Feuchtgebieten». Ziel der durch das Oeschger Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern unterstützten Veranstaltung war es, den 45 Teilnehmenden aus dem In- und Ausland einen Einblick in den aktuellen Stand der Forschung zu ermöglichen und die unterschiedlichen Facetten der Methanproduktion und -aufnahme sowie der Methanemission von Seen und anderen Feuchtgebieten zu diskutieren. In Seen entsteht Methan in den tiefen, sauerstofflosen Wasserschichten oder im Sediment durch den mikrobiellen Abbau von organischem Material. Ein Teil des Methans diffundiert im Sediment und in der Wassersäule in Richtung Wasseroberfläche. In Kontakt mit Sauerstoff kann ein grosser Teil dieses Methans durch sogenannte methanoxidierende Bakterien in CO2 umgewandelt werden. Ein weitaus bedeutenderer Teil des Methanausstosses von Seen findet jedoch über Gasblasenbildung
statt. Gasblasen können Methan, das sich in den Tiefen von Seen bildet, sehr schnell und mit nur sehr geringem Verlust an die Gewässeroberfläche transportieren. Je seichter das Gewässer, um so effizienter funktioniert normalerweise dieser Gastransport in Form von Blasen. Deshalb sind seichte Gewässer für den Methanausstoss besonders bedeutend. Der Diffusionsgetriebene Gastransport hingegen scheint vor allem saisonal, während der Umwälzung geschichteter Seen im Herbst und Frühjahr einen bedeutenden Beitrag zur Methanemmission zu leisten. Komplexe Messung und Bilanzierung der Methanemissionen Am Berner Symposium wurde das Thema «Methan in Seen und Feuchtgebieten» aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Dabei zeigte sich, dass Methan aus Feuchtgebieten eine bedeutende Rolle im globalen Methanhaushalt spielt und dass Veränderungen in der Methanproduktion dieser Gebiete in der Vergangenheit das Klimasystem wohl deutlich beeinflusst haben. Allerdings ist viel weniger darüber bekannt wo genau in bestimmten Landschaftstypen die höchsten Methanausstossraten zu erwarten sind und welche Rolle in diesem Kontext Gewässer spielen. Dies führt zum Beispiel dazu, dass die Auftrennung von Überflutungsgebieten und ganzjährigen Gewässer bezüglich ihrer Methanemissionen auf dem regionalen und globalen Massstab (zum Beispiel in Klimamodellen) sehr schwierig ist. Die Messung der Methanemission von einzelnen Gewässern ist sehr komplex weil diese normalerweise durch grosse jahreszeitliche und räumliche Variabilität gekennzeichnet ist.
Bild 1. Sedimentkern für die Bestimmung des Methangehaltes bei Lej Nair vor dem Cambrenagletscher am Bernina-Pass, Graubünden. (Foto: Ch. Bigler)
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Bild 2. Messung der Methanfreisetzung aus einem Sumpfgebiet im Oberaar (Bild: J. Zeyer). Vor allem das Ausperlen und Aufsteigen des Methans in Form von Gasblasen kann räumlich sehr heterogen sein und sich auf kurze Zeitintervalle beschränken. Verschiedene Beiträge am Symposium befassten sich denn auch damit, wie sich der Methanausstoss von Seen am effizientesten und genausten messen lässt. Die diskutierten Ansätze reichten von Messungen des Gasausstosses direkt an der Wasseroberfläche bis zu Zählungen der aufsteigenden Methanblasen mithilfe hydroakustischer Methoden. Deutlich wurde in diesen Diskussionen, dass Einzelmessungen nur in seltenen Fällen verlässliche Schätzungen liefern und längere Messreihen und mehrere Messkampagnen pro Jahr nötig sind, um den Methanhaushalt von Seen verlässlich zu quantifizieren. Ein Teil der Beiträge beschäftigte sich mit der Frage, wie man Messdaten zu Schätzungen des Methanausstosses auf Landschaftsebene oder zu globalen Emmissionswerten für Seen hochrechnen kann. Hier wurde ersichtlich, dass die heutige Datenlage für viele Regionen und Seetypen noch unbefriedigend ist. Methan als Teil der aquatischen Nahrungskette Ein weiterer Teil des Symposiums beschäftigte sich mit der Frage, welche Faktoren den Methanhaushalt von Seen und anderen Feuchtgebieten beeinflussen und welche Rolle Methan für aquatische Ökosysteme spielt. Verschiedene Vorträge widmeten sich der mikrobiologischen Produktion von Methan sowie der Oxidation des Gases durch Bakterien. Ferner wur-
den neuere Resultate gezeigt, die dokumentieren, dass Methan eine bedeutende Kohlenstoffquelle für aquatische Nahrungsketten in Seen und Fliessgewässern darstellen kann. Verschiedene Tiergruppen, vor allem Wirbellose wie beispielsweise Insektenlarven und Wasserflöhe, können einen bedeutenden Teil ihrer Nahrung aus Mikroorganismen beziehen, die ihren Kohlenstoffbedarf mit Methan decken. Methanogener Kohlenstoff wurde auch in höheren Gliedern der Nahrungskette festgestellt. So wurde zum Beispiel in einem eingehend untersuchten finnischen See geschätzt, dass bis zu 17% des Kohlenstoffes im Körper bestimmter Fischsorten ursprünglich von Methan stammt. Der abschliessende Teil des Symposiums konzentrierte sich auf die Frage, wie sich Veränderungen im Methanhaushalt von Seen anhand von Seesedimenten rekonstruieren lassen. Rekonstruktionen würden es erlauben, anhand der Reaktion von Seen auf vergangene Umweltveränderungen abzuschätzen, wie sich der Methanausstoss in Gewässern als Folge des Klimawandels verändert. So könnten möglicherweise Kohlenstoffisotope in organischen Sedimentbestandteilen Informationen über den Methanhaushalt von Seen in der Vergangenheit liefern. Fazit Vorträge und Diskussionen am Berner Symposium machten klar, dass sich die Erforschung der Rolle von Methan in Seen, Flüssen und Feuchtgebieten in einer sehr dynamischen Phase befindet. Verfügbare Resultate zeigen allerdings deutlich,
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Beitrag der Stauseen an den Ausstoss von Klimagasen? Resultate einer internationalen Forschungsarbeit Pfa. Das bisher umfassendste internationale Forschungsprojekt bringt die notwendigen Einordnungen zur Relevanz der Klimagase aus Stauseen. Mit nur rund 4% der Emissionen aller Binnengewässer und gar nur 0.5% des gesamten globalen Ausstosses sind die Emissionen von absolut untergeordneter Bedeutung. Aufgrund der Zusammenhänge mit der geographischen Breite und der Verfüg357
Nachrichten
dass Seen und Feuchtgebieten eine bedeutende Methanquelle sind und dass sie vermehrt in Studien über den Treibhausgasausstoss von Landschaften integriert werden sollten. Sind Seen, wie eingangs gefragt, tatsächlich Klimasünder? Fest steht, dass gewisse Seen eine bedeutende Menge Methan ausstossen. Doch dies gilt nicht für alle Seen. Eine wichtige Aufgabe der Forschung wird es deshalb in den nächsten Jahren sein, die Faktoren, die zu einem hohen Methanausstoss führen besser zu verstehen. Erst dann lassen sich heute noch kontrovers diskutierte Fragen abschliessend beantworten wie zum Beispiel welche Rolle Methan bei der Beurteilung der Klimabilanz von Strom spielt, der mit Hilfe von Speicherseen produziert wird. Der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis wie am Methan-Symposium hilft mit, die Wissensbasis zu erweitern und das gesicherte Wissen weiterzuverbreitern. Zum einen vereinfachen solche themenbezogenen Veranstaltungen die Kommunikation zwischen Wissenschaftern aus unterschiedlichen Fachbereichen. So trafen sich in Bern Vertreter aus der Klimatologie, Limnologie, Ökologie und Mikrobiologie. Andererseits sind auf ein aktuelles und relevantes Einzelthema fokussierte Treffen auch für Vertreter aus Verwaltung und Wirtschaft ergiebiger als thematisch oft sehr breit gefächerte wissenschaftliche Fachkongresse. In Bern jedenfalls zeigte sich das Publikum aus unterschiedlichsten Fachgebieten äusserst diskussionsfreudig und am Austausch interessiert. Das Symposiumprogramm und einige der Präsentationen sind unter http://www. oeschger.unibe.ch/events/conferences/ methane/ zu finden. Kontakt: Oliver Heiri, Institut für Pflanzenwissenschaften und Oeschger-Zentrum für Klimaforschung, Universität Bern, Zähringerstrasse 25, CH-3012 Bern oliver.heiri@ips.unibe.ch
Nachrichten Bild: Keine relevanten Methangasemissionen aus hoch gelegenen Speicherseen im Schweizerischen Alpenraum (Foto: zvg). barkeit von organischem Material ist das Thema zudem vor allem in den tropischen Gebieten relevant. Methangas aus natürlichen und künstlichen Seen ist immer wieder ein Thema in den Medien. Dabei wird gerne und meist falsch auch der Zusammenhang mit der Wasserkraftproduktion in der Schweiz thematisiert. Ursache und Relevanz Zum einen ist festzuhalten, dass Methangasemissionen in natürlichen und künstlichen Seen primär auf das Angebot natürlicher oder anthropogener organischer Substanz zurückzuführen sind und Beiträge aus Stauseen damit nicht ohne Weiteres einfach der Wasserkraft zugeordnet werden können (vgl. Beitrag im Nachrichtenteil WEL 4/2010, Seite 352–353 sowie Argumentarium des SWV zur Methanproduktion auf www.swv.ch/Downloads). Zum anderen stellt sich die Frage, wie gross die Emissionen aus hydroelektrischen Stauanlagen im Vergleich zu anderen Quellen sind und ob diese als relevant eingestuft werden müssen. Weltweite Analyse von 85 hydroelektrischen Anlagen Zur Frage der Relevanz bringt nun ein im Journal Nature Geoscience publizierter Artikel über Untersuchungen zu KlimagasEmissionen aus Stauseen (vgl. Barros N. et al. Nature Geosci. 4, 593–596 [2011]) die notwendigen Einordnungen. Die Analyse des internationalen Forscherteams stützt sich auf weltweit verteilte 85 hydroelektrische Stauanlagen, die insgesamt rund 20% der Gesamtfläche dieser Systeme ausmachen – zwar ist die Datenlage damit weiterhin eher knapp, aber es handelt 358
sich trotzdem um eine der bisher umfassendsten Untersuchungen. Weniger als 0.5% der globalen anthropogenen Klimagas-Emissionen Gemäss den neuen Schätzungen betragen die durch organischen Abbau in hydroelektrischen Stauanlagen verursachten Emissionen von Kohlendioxid und Methan weltweit nur gerade 4% der Emissionen aus allen Binnengewässern der Welt (natürliche und künstliche Gewässer). Der Anteil an den gesamten anthropogenen Emissionen beträgt sogar weniger als 0.5% und ist damit weltweit von absolut untergeordneter Bedeutung. Die grössten globalen Beiträge sind bei den Kohlendioxid-Emissionen: die Verbrennung fossiler Energieträger (rund 80%) sowie die Landwirtschaft und Abholzung (Rest); und beim klimaschädlicheren Methangas: die Abwässer, Gülle/Mist und die Landwirtschaft (v.a. Reisanbau). Vor allem in den Tropen ein Thema Die Untersuchungen des internationalen Forscherteams bestätigen zudem, dass das Thema vor allem in den tropischen Gebieten relevant ist. Die Emissionen aus Seen hängen nämlich primär von folgenden Faktoren ab: • Verfügbarkeit von organischem Material (je weniger desto geringer) • Geographische Breite (je weiter weg vom Äquator, desto geringer) • Alter der Stauanlage (je älter desto geringer, rascher Abbau in den ersten 15 Jahren seit dem Bau). • und – nicht beschrieben aber aufgrund der Abhängigkeit von Temperatur und organischem Material klar – Höhenlage (je höher/kälter, desto geringer).
Die grössten Emissionen sind aufgrund dieser Zusammenhänge in den Tropen und vor allem im Amazonasgebiet zu erwarten. Bei neuen Vorhaben in tropischen Gebieten sollte bei der Planung und Projektierung den Emissionen die notwendige Beachtung geschenkt werden (möglichst geringer Eintrag organischer Substanz, Design von Einlauf und Turbinen). Keine Relevanz für Schweizer Stauanlagen Für die meist sehr hoch gelegenen hydroelektrischen Stauanlagen der Schweiz gilt aufgrund der klimatischen Verhältnisse und der Verfügbarkeit von organischem Material: die Emissionen von Treibhausgasen sind vernachlässigbar. Die Nutzung der Wasserkräfte weist den geringsten Ausstoss an Treibhausgasen aller Stromproduktionstechnologien auf und bleibt damit die mit Abstand klimaschonendste Energiequelle. Quelle: Nathan Barros et al., Carbon emission from hydroelectric reservoirs linked to reservoir age and latitude, Nature Geoscience, published online 31 July 2011.
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Exkursion ATEA 2011: Besuch der Baustelle für ein neues Kleinwasserkraftwerk bei Ossasco im Valle Bedretto Pfa. Die traditionelle Exkursion des Tessiner Wasserwirtschaftsverbandes ATEA führte Ende Oktober 2011 ins Valle Bedretto zwischen Airolo und Nufenenpass. Rund 30 interessierte Teilnehmer besuchten die aktuelle Baustelle für ein Wasserkraftwerk bei Ossasco, das in Zukunft rund 4.7 GWh erneuerbaren Strom liefern wird. Die diesjährige Exkursion des Tessiner Wasserwirtschaftsverbandes ATEA führte ins Valle Bedretto, wo zur Zeit am Bach Cristallina bei Ossasco ein neues Kleinwasserkraftwerk entsteht. Die rund 30 Teilnehmer wurden im Gemeindehaus von Villa Bedretto vom Bürgermeister mit einer launigen Ansprache über die Rechte am Wasser willkommen geheissen. Anschliessend erläuterten Vertreter der IM Ingenieria Maggia SA das Projekt, das nach einigen Anlaufschwierigkeiten nun doch zur Realisierung gelangt. Das Projekt sieht die Fassung des Cri-
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Kennzahlen des Wasserkraftwerkes: Einzugsgebiet: 7 km2 Ausbauwassermenge: 700 l/s Restwassermenge: 116 l/s Installierte Leistung: 1270 kW Energieproduktion: 4.7 GWh/Jahr
Die interessierten Teilnehmer konnten nach der Einführung unter kundiger Führung der Bauleitung die Bergbaustelle besichtigen. Die Tour von der bereits im Rohbau stehenden Wasserfassung mit Entsander über die abenteuerliche Verlegung der Druckleitung bis zum Bau der Zentrale in Ossasco ermöglichte einen guten Eindruck der Bauarbeiten in schwierigem Gelände.
Bild 3. Arbeiten zur Befestigung der Druckleitung in schwierigem Gelände. Die Exkursion fand ihren angenehmen Schlusspunkt bei einem Apéro in der Schaukäserei Caseifico del Gottardo in Airolo.
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Fachleuten ausgeleuchtet und diskutiert. Tagungssprachen/Langues Die Vorträge werden in Deutsch oder Französisch gehalten. Es ist keine Simultanübersetzung vorgesehen. Les conférences seront présentées en allemand ou français. La traduction simultanée n’est pas prévue. Tagungskosten/Frais Mitglieder SWV/Membres ASAE CHF 230.–. Nichtmitglieder SWV/Non-membres CHF 300.–. Studierende/Etudiants CHF 115.–. Inkl. Fachtagung, Mittagessen, Pausenkaffee, exkl. 8% MWSt./Y inclus inscription au symposium, repas de midi, café, 8% TVA exclue. Programm Der diesem Heft beiliegende Flyer, der auch als Download auf unserer Webseite www. swv.ch erhältlich ist, informiert über das detaillierte Programm. Anmeldung/Inscription Anmeldungen sind ab sofort möglich. Bitte ausschliesslich einfach und bequem über die Webseite des SWV/Inscriptions uniquement par le site web de l’ASAE s.v.p: www.swv.ch Die Anmeldungen werden nach Eingang berücksichtigt.
KOHS-Tagung 2012/Symposium CIPC 2012 Regulierung Gewässersysteme – von der Vorhersage zum Entscheid Freitag, 20. Januar 2012, Olten Vendredi, 20 janvier 2012, Olten Hochwasserschutz KOHS-Weiterbildungskurse 3. Serie Gefahrengrundlagen und Hochwasserbewältigung Rapperswil, 26./27. Januar 2012
Bild1 . Die interessierten Teilnehmer der ATEA beim Besuch der Fassung (Fotos: Pfa).
Bild 2. Rohbau von Fassung und Entsander mit temporärer Bachumleitung.
Die jährlich von der Kommission Hochwasserschutz (KOHS) des SWV organisierte Fachtagung ist diesmal dem Thema «Regulierung Gewässersysteme – von der Vorhersage zum Entscheid» gewidmet. Vorhersagen sind eine wichtige Voraussetzung, um frühzeitig auf kritische Hochwasser- und auch Niederwassersituationen reagieren zu können. Neben wissenschaftlichen Grundlagen interessieren dabei auch die Randbedingungen aus Sicht der Entscheidungsfindung und der Politik. Diese Aspekte werden an der KOHS-Tagung von ausgewiesenen
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Die Kommission Hochwasserschutz (KOHS) des SWV startet zusammen mit dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) eine dritte Serie von Weiterbildungskursen. Thema der Kursserie ist die Bewältigung von Hochwasserereignissen, beginnend mit den für die Notfallplanung benötigten Gefahrengrundlagen über die Schwach359
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stallinabaches auf 1544 m ü.M. und die anschliessende Turbinierung im Dorf Ossasco auf 1311 m ü.M. vor. Damit wird in Zukunft das Wasser aus einem Einzusgebiet von rund 7 km2 für die Produktion von dringend benötigten 4.7 Gigawattstunden (entsprechend dem Jahresverbrauch von rund 1000 Haushalten) erneuerbarem Strom genutzt.
Nachrichten
stellenanalyse bis hin zu Sofortmassnahmen während und nach einem Ereignis. Die zentralen Elemente der Hochwasserbewältigung werden von ausgewiesenen Fachleuten präsentiert und in Workshops diskutiert. Die KOHS und das BAFU leisten mit diesem Kurs einen weiteren Beitrag für die Qualitätssicherung im Hochwasserschutz. Der Kurs richtet sich an Fachleute von Ingenieur- und Beratungsunternehmen sowie von kantonalen Verwaltungen. Kurssprache Der Kurs in Rapperswil wird in deutscher Sprache durchgeführt (Kurse in französischer Sprache werden folgen). Kurskosten Mitglieder SWV/VIB CHF 650.–. Nichtmitglieder SWV/VIB CHF 750.–. Inkl. Kursunterlagen, Verpflegung 1. Tag Mittag und Abend sowie 2. Tag Mittag, Pausenkaffee, Transporte für die Exkursion; exkl. 8% MWSt. und allfällige Übernachtungskosten. Programm Der diesem Heft beiliegende Flyer, der auch als Download auf unserer Webseite www.swv.ch erhältlich ist, informiert über das detaillierte Programm. Anmeldung Anmeldungen sind ab sofort möglich. Bitte ausschliesslich einfach und bequem über die Webseite des SWV: www.swv.ch. Die Teilnehmerzahl ist auf 25 Personen beschränkt. Die Berücksichtigung erfolgt entsprechend dem Eingang der Anmeldungen.
Training Workshop MesoHABSIM: A Habitat-Model for River Restoration Planning The Laboratory of Hydraulic Constructions (LCH-EPFL), in collaboration with the Rushing Rivers Institute, is pleased to announce an intensive course in the MesoHABSIM aquatic habitat modeling approach and its accompanying SimStream software. This course will feature the MesoHABSIM technique, a comprehensive planning tool used for river scale, quantitative planning and evaluation of river restoration measures. It is a physical habitat simulation model that describes the instream habitat conditions for aquatic fauna, used to simulate changes in habitat quality and quantity in response to alterations of river morphology or flows. The course will be valuable for those interested in habitat modeling, restoration planning and looking for alternative solutions to tough ecological questions. It will consist of two sections: 360
two days of theory in classroom and field followed by two days of practical software use. The participants can register for each of the sections or for both. Course cost will include the software. The course is scheduled for 24./25. May (Introduction to MesoHABSIM with field work) and to 29/30 May (Practical software use) 2012. More details on program, cost and registration can be found at http://lch. epfl.ch Information about the MesoHABSIM method can be found at website: www.MesoHABSIM.org.
Laboratoire de constructions hydrauliques LCH-EPFL, Station 18, CH-1015 Lausanne, Informationen unter: http://lch. epfl.ch Zürich 14.6.2012 Fachforum SWV an Powertagen 2012: Strategien und Rahmenbedingungen der Wasserkraftproduktion Powertagen 2012 – dem Branchentreffpunkt der Schweizerischen Stromwirtschaft. Weitere Informationen: http:// www.powertage.ch/
L ite i te r atur Age nd a Rapperswil 11.–13.1.2012 Hydro-Weiterbildungskurs: Betriebsführung und Unterhalt (F) Fachhochschulen in Zusammenarbeit mit dem SWV. Informationen und Anmeldung: Hydro-Weiterbildungskurse
Neuerscheinung zum Talsperrenbau: Les barrages – du projet à la mise en service
Olten 20.1.2012 KOHS-Tagung Hochwasserschutz 2012: Regulierung Gewässersysteme – von der Vorhersage zum Entscheid, Tagung des SWV; Informationen und Anmeldung: www.swv.ch Rapperswil 26./27.01.2012 KOHS-Weiterbildungskurs 3. Serie: Gefahrengrundlagen und Hochwasserbewältigung (2. Kurs), BAFU in Zusammenarbeit mit der Kommission Hochwasser (KOHS) des SWV. Informationen und Anmeldung: www.swv.ch Martigny 15./16.3.2012 KOHS-Weiterbildungskurs 3. Serie: Gefahrengrundlagen und Hochwasserbewältigung (3. Kurs, Französisch), BAFU in Zusammenarbeit mit der Kommission Hochwasser (KOHS) des SWV. Informationen und Anmeldung: www.swv.ch Aarau 20./21.3.2012 Aarau PLANAT-Plattformtagung 2012: Instrumente für den Umgang mit Naturgefahren, Nationale Plattform Naturgefahren. Weitere Informationen und Anmeldung ab Januar 2012 unter: Webseite Planat, http://www.planat.ch Lausanne 24./25. und 29./30. Mai 2012 Training Workshop MesoHABSIM: A Habitat Model for River Restoration Planning
Auteurs: Anton J. Schleiss, Henri Pougatsch, ISBN: 978-2-88074-831-9, 2011, 720 pages imprimées en quadri, 19×24 cm, relié, Prix: 129.50 CHF Bezug: Presses Polytechniques et Universitaires Romandes (PPUR), www.ppur. org Sujet du livre: Les barrages constituent l’une des réalisations les plus imposantes et les plus complexes du génie civil, et depuis toujours un facteur important de développement et de prospérité économique. Ils ont pour rôle majeur de stocker les apports d’eau afin de répondre aux besoins vitaux et énergétiques des populations, de protéger celles-ci et les paysages contre les effets destructeurs de l’eau, enfin de servir de recours dans le cas de pénurie d’eau. L’objectif de ce livre, qui s’adresse principalement aux ingénieurs praticiens et aux étudiants de Master, est de présenter de manière claire les bases de conception et de dimensionnement qui régissent l’ingénierie des barrages. Il expose en dé-
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Am Wasser gebaut – Bäche und Flüsse in Siedlungsräumen Herausgeber: André Seippel, Gianni Paravicini, für den Kanton Luzern, Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement, Dienststelle Verkehr und Infrastruktur (vif). 1. Auflage September 2011 ISBN 978-3-271-10045-7 Kantonaler Lehrmittelverlag Luzern, Drucksachen- und Materialzentrale Bezug: Das Buch kann für 29 Franken über den Buchhandel oder bei der Dienststelle Verkehr und Infrastruktur bezogen werden (Arsenalstrasse 43, CH-6010 Kriens, Tel. 041 318 12 12 oder vif@lu.ch).
Wasserbau im Siedlungsgebiet stellt die Wasserbaufachleute vor besondere Herausforderungen. Die Publikation «Am Wasser gebaut. Bäche und Flüsse in Siedlungsräumen», herausgegeben von Gianni Paravicini, Projektleiter der Dienststelle Verkehr und Infrastruktur, und André Seippel, Landschaftsarchitekt, widmet sich diesem anspruchsvollen Thema und gibt Denkanstösse für einen phantasievollen Wasserbau. Das Buch wurde anlässlich der eidgenössischen Wasserbautagung in Luzern vorgestellt. Im herkömmlichen Wasserbau in Siedlungsgebieten konzentriert man sich in erster Linie auf den Hochwasserschutz und die Revitalisierung. Ästhetische Fragen werden häufig vernachlässigt und es liegt
kaum Fachliteratur zum Thema vor. Das vorliegende Buch «Am Wasser gebaut» geht konsequent einen Schritt weiter und vereint Artikel von Fachleuten und Ingenieuren verschiedener Fachgebiete. Die Texte sollen Interessenten aus Verwaltung und Politik, aus den Baubranchen und den gestaltenden Berufen zu einer zukünftig interdisziplinären Zusammenarbeit animieren. Dabei wird die Rolle des Wassers in heutigen Lebenszusammenhängen nicht nur rein technisch, sondern auch emotional und kulturhistorisch betrachtet. Erfahrungsberichte von Planungsprozessen stehen neben ökologieorientierten Betrachtungen; auf einzelne Ingenieursthemen wie Brückenbau und Mauerngestaltung wird im Detail eingegangen. Ergänzt werden die Beiträge durch einen Anhang mit Fallbeispielen aus den Kantonen Aargau und Luzern und thematischen Spots zu technischen und ästhetischen Aspekten. (vif Luzern)
Rechtliche Verankerung des integralen Risikomanagements beim Schutz vor Naturgefahren – Rechtsgutachten Herausgeber: Bundesamt für Umwelt (BAFU), Autor: Erwin Hepperle, ETHZ Reihe: Umwelt-Wissen, Nr. UW-1117-D Bezug: Download www.umwelt-schweiz. ch/uw-1117-d (keine gedruckte Fassung)
der Strategie und dient in diesem Sinne als Grundlage für allfällige Anpassungen von Gesetzen, Verordnungen und Vollzugshilfen. (BAFU)
Leben mit Naturgefahren – Ziele und Handlungsschwerpunkte des BAFU im Umgang mit Naturgefahren Herausgeber: Bundesamt für Umwelt (BAFU), Reihe: Umwelt-Diverses, Nr. UD1047-D, Bezug: Download www.umweltschweiz.ch/ud-1047-d (keine gedruckte Fassung)
Dieses Dokument befasst sich mit dem Umgang mit Naturgefahren, insbesondere dem Schutz vor Hochwasser (Überschwemmungen, Ufererosionen, Murgängen), dem Schutz vor Lawinen, dem Schutz vor Massenbewegungen (Sturzprozesse, Rutschprozesse, Fliessprozesse) sowie mit Erdbeben
Wasser – Grundlage des Lebens. Hydrologie für eine Welt im Wandel Herausgeber: G. Strigel et al., 1. Auflage 2010, gebunden, 22×28 cm, ISBN 978-3510-65266-2, Kosten: 26.80 Euro Verlag: Schweizerbart, Stuttgart www.schweizerbart.de Das reich illustrierte Buch beschreibt die Rolle der Hydrologie für unsere Zivilisation Das vorliegende Rechtsgutachten gibt in einem ersten Schritt einen Überblick über die bestehenden Rechtsgrundlagen betreffend Schutz vor Naturgefahren auf Bundesstufe. In einem zweiten Schritt wird die PLANAT-Strategie des integralen Risikomanagements (IRM) aus juristischer Sicht untersucht, und in einem dritten Schritt wird die Strategie des IRM mit den geltenden Rechtsgrundlagen verglichen. Schliesslich macht das Gutachten Vorschläge für die rechtliche Verankerung
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tail un concept de sécurité basé sur trois piliers, les différents types de barrages en béton et en remblai, ainsi que leur impact sur l’environnement, l’étude des fondations et les modalités de surveillance et d’entretien. La matière est enrichie de nombreux exemples qui reflètent la compétence internationalement reconnue de l’ingénierie suisse en matière de conception de barrages. (PPUR)
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und ihre Geschichte. Von der technischen Entwicklung wesentlicher hydrologischer Messgeräte über Bewirtschaftungsbeispiele bis zu den aktuellen Herausforderungen des zunehmenden Wasserbedarfs werden die Facetten der Hydrologie im Zeitfenster der letzten 200 Jahre aufgezeigt. Das Buch fokussiert auf Deutschland und richtet sich in allgemeinverständlicher Form an alle Interessierten der Hydrologie. Textproben können auf der Webseite des Verlages eingesehen werden.
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Die Themen der deutschen «Wasserwirtschaft» 11–12011 • Das Neisse-Hochwasser 2010 – Analyse und Konsequenzen Uwe Müller, Petra Walther • Internationales Hochwasserrisikomanagement – zwischen Information und Harmonisierung Meike Gierk, Peter Heiland, Thomas Stratenwerth • Internationale Abstimmung beim Hochwasserrisikomanagement am Beispiel der IKSR und der IKSMS André Weidenhaupt, Anne SchulteWülwer-Leidig, Daniel Assfeld • Umsetzung der Europäischen Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie im Flussgebiet Weisse Elster Jörg Walther, Matthias Grafe, HansGeorg Spanknebel • Pilotprojekt Hochwasserrisikomanagement-Plan Nahe Doris Hässler-Kiefhaber, Kurt Knittel Heinrich Webler • Beteiligungsmanagement in Rheinland-Pfalz Werner Theis • Vom Hochwasserschutzkonzept zum Hochwasserrisikomanagement Horst Geiger
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Öffentlichkeitsbeteiligung bei den sächsischen Hochwasserschutzkonzepten Stephan Gerber Zur Ermittlung von Grundwasserständen für Karten zur Gefährdung des Grundwasseranstiegs infolge eines Hochwassers Bernhard P. J. Becker, Steffi Forberig, Roger Flögel, Holger Schüttrumpf, Jürgen Köngeter Hydraulische Wirkung der Deichrückverlegung Lenzen an der Elbe Matthias Alexy, Petra Faulhaber Experimentelle Bestimmung der Rauheit eines Maisfeldes mit echten Pflanzen Christoph Rapp, Tobias Hafner Wassernutzungsabgaben auf Wasserkraft – rechtliche und ökonomische Anforderungen Katharina Kern, Erik Gawel Pelton-Turbinen – Ein Beitrag zu Gehäuseabströmung und Lufteintrag in das Unterwasser Alexander Arch, Dominik Mayr Ehemalige Schleuse im Berliner Spreekanal – Geschichtliche Entwicklung, Ist-Zustand und zukünftige Nutzungsmöglichkeit Ralf Gastmeyer
Die Themen der ÖWAW 9–11/2011 • Integratives Flussgebietsmanagement: Abstimmung wasserwirtschaftlicher, gewässerökologischer und naturschutzfachlicher Anforderungen auf Basis verschiedener EURichtlinien (Beispiel Steirische Enns) S. Muhar, G. Pohl, M. Stelzhammer, M. Jungwirth, R. Hornich, S. Hohensinner • Rekonstruktion historischer Fluss-
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landschaften als Grundlage im Gewässermanagement – Potenzial und Limits G. Haidvogl, S. Hohensinner, S. Preis Einfluss der Hydromorphologie auf den Nährstoffrückhalt in Weinviertler Bächen – Schlussfolgerungen für das Gewässermanagement G. Weigelhofer, J. Fuchsberger, B. Teufl, N. Keuzinger, S. Muhar, S. Preis, K. Schilling, T. Hein Auswirkungen des Wasserkraftausbaues auf die Fischfauna der steirischen Mur S. Schmutz, C. Wiesner, S. Preis, S. Muhar, G. Unfer, M. Jungwirth Schutz und Sicherung ökologisch sensibler Fliessgewässerstrecken: Anforderungen, Kriterien, Implementierungsprozess S. Muhar, M. Poppe, S. Preis, M. Jungwirth, S. Schmutz Sanierungsarbeiten an Laufkraftwerken Ch. Otter Bauwerke in Lebenszyklen denken – Österreich auf dem Weg zur Ressourceneffizienz im Bauwesen H. Daxbeck, H. Buschmann, J. Flath, R. Lixia Bewertung unterschiedlicher Szenarien der Behandlung von Baurestmassen anhand von Kosten-Wirksamkeits-Analysen D. Clement, K. Hammer, P. H. Brunner Baustoffrecycling A. Müller Ersatzbrennstoffe aus Baumischabfall Ch. Ludwig
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Gewässervermessung
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tro- mechanischem Bereich inkl. Leittechnik und Fernwirksysteme. Revitalisierungen, Modernisierungen und Neuanlagen. Trink-, Oberflächen- und Abwasserkraftwerke. Werner Berchtold
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«Wasser Energie Luft» – 103. Jahrgang, 2011, Heft 4, CH-5401 Baden
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Ihr Unternehmen fehlt in diesem Verzeichnis? Infos unter: SWV Schweizerischer Wasserwirtschaftsverband Rütistr. 3a · CH-5401 Baden Tel. 056 222 50 69 · m.minder@swv.ch
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Schweizerische Fachzeitschrift für Wasserrecht, Wasserbau, Wasserkraftnutzung, Gewässerschutz, Wasserversorgung, Bewässerung und Entwässerung, Seenregulierung, Hochwasserschutz, Binnenschifffahrt, Energiewirtschaft, Lufthygiene. Revue suisse spécialisée traitant de la législation sur l’utilisation des eaux, des constructions hydrauliques, de la mise en valeur des forces hydrauliques, de la protection des eaux, de l’irrigation et du drainage, de la régularisation de lacs, des corrections de cours d’eau et des endiguements de torrents, de la navigation intérieure, de l’économie énergétique et de l’hygiène de l’air. Gegründet 1908. Vor 1976 «Wasser- und Energiewirtschaft», avant 1976 «Cours d’eau et énergie» Redaktion: Roger Pfammatter (Pfa), Direktor des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes Layout, Redaktionssekretariat und Anzeigenberatung: Manuel Minder (mmi) ISSN 0377-905X Verlag und Administration: Schweizerischer Wasserwirtschaftsverband, Rütistrasse 3a, CH-5401 Baden, Telefon 056 222 50 69, Telefax 056 221 10 83, http://www.swv.ch, info@swv.ch, E-Mail: r.pfammatter@swv.ch, m.minder@swv.ch, Postcheckkonto Zürich: 80-32217-0, «Wasser Energie Luft», Mehrwertsteuer-Nr.: 351 932 Inseratenverwaltung: Manuel Minder · Schweizerischer Wasserwirtschaftsverband (SWV) Rütistrasse 3a · 5401 Baden · Telefon 056 222 50 69 · Fax 056 221 10 83 · E-mail: m.minder@swv.ch Druck: buag Grafisches Unternehmen AG, Täfernstrasse 14, 5405 Baden-Dättwil, Telefon 056 484 54 54, Fax 056 493 05 28 «Wasser Energie Luft» ist offizielles Organ des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes (SWV) und seiner Gruppen: Associazione Ticinese di Economia delle Acque, Verband Aare-Rheinwerke, Rheinverband und des Schweizerischen Talsperrenkomitees. Jahresabonnement CHF 120.– (zuzüglich 2,5% MWST), für das Ausland CHF 140.–, Erscheinungsweise 4 × pro Jahr im März, Juni, September und Dezember Einzelpreis Heft, CHF 30.–, zuzüglich Porto und 2,5% MWST
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