Wasser Energie Luft 4/2013

Page 1

4-2013

Neues KW Illspitz im Bau, Foto: Roger Pfammatter.

5. Dezember 2013

· Neubau Kraftwerk Illspitz · Schwall/Sunk-Sanierungen Hasliaare (Teil 2) · Hochwasserschutz Zürich (Teil 1) · 102. Hauptversammlung SWV


Alte Strasse 28A info@cabletrans.com www.cabletrans.com

Das Prinzip des Wasserrads mit moderner Technologie.

CH-3715 Reichenbach i.K. Tel. +41 (0)33 671 32 48 Fax +41 (0)33 671 22 48

• Transportsysteme • Materialseilbahnen • Pipelinebau • Wasserkraftwerke • Brückenbau • Schutzbauten

Eine Kleinwasserkraftturbine basierend auf Fördertechnik.

Die K o der I mmunik at nform ation ion

12 kW bei 90% Wirkungsgrad ✔ Keine baulichen Massnahmen ✔ 3 Std. Installationszeit ✔

steffturbine

Linear Power

WRH Walter Reist Holding AG

II

Telefon +41 44 938 70 00

Industriestrasse 1

info@steffturbine.com

CH-8340 Hinwil / Schweiz

www.steffturbine.com

CH-54

buag Grafis ches 05 Ba Unternde den-D erhInmfoermat ättwil n AioG · www .buag .ch

Für Informationsfluss in geordneten Bahnen. buag-Kommunikations-Full-Service Für die Konzeption und Realisation von Dokumentationen, Publikationen, Berichten und Broschüren steht Ihnen ein Team von Fachleuten mit einer nahtlosen Netzwerkstruktur zur Verfügung, die sich flexibel auf Umfang und Art Ihres Informationsprojektes einstellen können. Sie halten so Ihren Informationsfluss, aber auch Ihre Budgets in geordneten Bahnen. Informieren Sie sich unter www.buag.ch und verlangen Sie die Broschüre «Die Kommunikation der Information» oder rufen Sie einfach Tel. 056 484 54 54 an.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Editorial Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Die Katze ist aus dem Sack! Wobei mit «Katze» die

Roger Pfammatter Geschäftsführer SWV, Directeur ASAE

Gesetzesänderungen für die neue Energiestrategie und mit «Sack» die mehr oder weniger geheimen Stuben der Bundesverwaltung gemeint sind. Der Bundesrat hat Anfang September seine Botschaft zum 1. Massnahmenpaket dem Parlament zur Beratung überwiesen. Es sind allerdings keine grossen Überraschungen zu vermelden. Die «Katze» – um beim Bild zu bleiben – war schon weitgehend bekannt: die Botschaft entspricht im Wesentlichen der vor Jahresfrist in die Vernehmlassung gebrachten Version. Und das war angesichts des forschen Tempos bei diesem Dossier und der sehr kontroversen Stellungnahmen auch naheliegend. Von der Wasserkraft als wichtigster erneuerbarer Stromquelle der Schweiz und Pfeiler der Versorgungssicherheit wird unverändert viel erwartet. So unter anderem die Steigerung der Jahresproduktion bis 2035 um rund 6% sowie die Bereitstellung von Kapazitäten für die bedarfsgerechte Produktion und den Ausgleich von unregelmässig anfallendem Strom aus Sonne und Wind. Die dafür notwendige Verbesserung der Rahmenbedingungen sucht man allerdings

vergebens. Einzig die Zuweisung von «Nationalem Interesse» kann als hilfreich bezeichnet werden. Ansonsten bleibt eine grosse Diskrepanz zwischen dem geäusserten politischen Willen, die Wasserkraft zu stärken und der Bereitschaft, die Bedingungen tatsächlich zu verbessern (vgl. dazu die Position des SWV im Nachrichtenteil Seite 323). Im Moment geschieht das Gegenteil. Die massive Förderung für einen Teil der erneuerbaren Produktion sowie tiefe CO2-, Gas- und Kohlepreise führen zu Preiszerfall und Verdrängung der nicht geförderten Wasserkraft. Bedroht sind inzwischen auch bestehende Kraftwerke, die nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können. Die Wasserkraft ist dabei mehrfach diskriminiert: während sie mit ständig steigenden Anforderungen und Abgaben an den Staat belastet wird, kommen andere Produktionsformen in den Genuss von risikolosen Preisgarantien. Die Spiesse müssen wieder gleich lang werden. Da die Abkehr vom Förderprinzip kaum mehrheitsfähig ist, bleiben zwei Möglichkeiten: die Reduktion der Belastung der Wasserkraft oder die technologieneutrale Förderung aller Erneuerbaren.

Entre exigences et réalité

Le lapin est sorti de son chapeau ! Dans l’expression, le «lapin» désigne les changements législatifs pour la nouvelle stratégie énergétique, tandis que le «chapeau» se réfère aux chambres plus ou moins secrètes de l’administration fédérale. Au début du mois de septembre, le Conseil fédéral a soumis au Parlement pour examen son message relatif au premier paquet de mesures. Il n’y a cependant pas de grandes surprises à signaler. Le «lapin» – pour continuer la métaphore – était déjà largement connu: le message correspond pour l’essentiel à la version introduite en consultation l’année précédente. Et cela aussi était évident au vu de la cadence énergique sur ce dossier. Comme toujours, on attend beaucoup de la force hydraulique en tant que source d’électricité renouvelable principale de la Suisse et pilier de la sécurité d’approvisionnement. On attend notamment une augmentation de la production annuelle d’environ 6% d’ici 2035, ainsi que la mise à disposition de capacité productive axée sur la demande et le rééquilibrage du courant électrique solaire et éolien irrégulier. Cependant, on cherche en vain les améliorations nécessaires des conditions-cadres. Seule l’attribution d’un «inté-

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

rêt national» peut être qualifiée d’utile. Pour le reste, il subsiste un décalage important entre la volonté politique exprimée de renforcer l’énergie hydraulique et la propension à effectivement améliorer les conditions (cf. la position de l’ASAE dans les Nouvelles dès la page 322). Pour le moment, le contraire se produit. Le subventionnement massif pour une partie de la production renouvelable ainsi que les faibles prix du CO2, gaz et charbon induisent une érosion des prix et l’élimination de l’énergie hydraulique non-subventionnée. L’énergie hydraulique fait l’objet de multiple discrimination: des exigences et des redevances étatiques en constante augmentation, tandis que d’autres formes de production bénéficient de garanties des prix sans risques. Les brochettes doivent à nouveau être de même longueur. Comme l’abandon du principe des subventions est peu susceptible de réunir une majorité, deux possibilités subsistent: la réduction des charges sur l’énergie hydraulique ou l’encouragement neutre pour toutes les énergies renouvelables.

III


Inhalt

4l2013

253

Neubau Kraftwerk Illspitz – ein Wasserkraftwerk der verträglichen Art Hans-Jörg Mathis, Christoph Volaucnik

259

Würden Wasserkraftwerke von Kapazitätsmärkten profitieren? Urs Meister 254

265

Dynamische Projektführung – das Mittel zum kostengünstigen Bau von Wasserkraftwerkanlagen Gianni Biasiutti, Daniel Fischlin

269

Schwall/Sunk-Sanierung in der Hasliaare – Phase 2a: Konstruktion repräsentativer Abflussganglinien für künftige Zustände Steffen Schweizer, Martin Bieri, Diego Tonolla, Judith Monney, Matthias Rouge, Pascal Stalder

277

Schwall/Sunk-Sanierung in der Hasliaare – Phase 2b: Ökologische Bewertung von künftigen Zuständen Steffen Schweizer, Stephanie Schmidlin, Diego Tonolla, Peter Büsser, Adrien Maire, Matthias Meyer, Judith Monney, Sandro Schläppi, Matthias Schneider, Quentin Theiler, Jeff Tuhtan, Kurt Wächter

288

Schwall/Sunk-Sanierung in der Hasliaare – Beurteilung der ökologischen Auswirkungen von künstlichen Pegelschwankungen auf die Makroinvertebratenfauna anhand von physikalischen Habitatmodellen David Tanno, Steffen Schweizer, Christopher Robinson

297

Integrales Risikomanagement für den Hochwasserschutz in der Stadt Zürich Carlo Scapozza, Dörte Aller, Bernhard Kuhn, Matthias Oplatka

302

Umsetzung von Gefahrenkarten: Ein Beispiel aus der Praxis Elisabeth Maidl, Carmen Graf, Matthias Buchecker

270

279

297

IV

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Inhalt

4l2013

Integrales Einzugsgebietsmanagement am Beispiel der Urtenen (Kanton Bern) Reto Flury, Severin Schwab, Tobias Weiss

307

Die Wasserkraft in der Kostenklemme – Präsidialansprache HV 2013 vom 5.September 2013 in Interlaken Caspar Baader

315

Protokoll der 102. ordentlichen Hauptversammlung des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes vom Donnerstag, 5. September 2013 in Interlaken

317

Nachrichten Politik Wasserkreislauf/Wasserwirtschaft Wasserkraftnutzung Hochwasserschutz/Wasserbau Energiewirtschaft Rückblick Veranstaltungen Veranstaltungen Agenda Literatur Industriemitteilungen

322 322 324 325 328 329 330 332 332 333 335

Stellenangebot

338

Branchen-Adressen

339

Impressum

340

307

321

323

326

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

V


Wasser. Kraft! Technologie von Künz sorgt für Energie und Sicherheit.

Hans Künz GmbH | 6971 Hard - Austria T +43 5574 6883 0 | sales@kuenz.com | www.kuenz.com

SpeedWey

Die stete Suche nach dem Besseren treibt uns an. Unsere Produkte kommen unter anderem dort zum Einsatz, wo für Mensch und Umwelt Gefahren drohen. Darum haben wir uns kompromisslos der Sicherheit verpflichtet. Und schaffen immer wieder Innovationen. Damit auch in heiklen Situationen alles unter Kontrolle ist. Dafür bürgen wir. Und unsere anspruchsvollen Kunden in der ganzen Welt bestätigen das.

Wey Plattenschieber

Wey Kanalabsperrorgane

Wey Absperr- und Rückschlagklappen

Wey Wasserwirtschaft und Hochwasserschutz

Beim SpeedWey Schieber haben wir einen natürlichen Reflex eingebaut. Er schliesst sich bei Gefahr innert Millisekunden. SISTAG AG, Alte Kantonsstrasse 7, 6274 Eschenbach, Switzerland, Tel +41 41 449 9944, weyvalve.ch

VI

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Neubau Kraftwerk Illspitz – ein Wasserkraftwerk der verträglichen Art Hans-Jörg Mathis, Christoph Volaucnik

Zusammenfassung Am Illspitz, der Mündung der Ill in den Alpenrhein, entsteht derzeit ein Wasserkraftwerk der neuen Generation. Eingebettet in eine sensible Auwaldlandschaft und angrenzend an ein Naturschutz- und Natura-2000-Gebiet, erfüllt das Projekt der Stadtwerke Feldkirch hohe Ansprüche aus Natur- und Landschaftsschutz sowie Hochwassersicherheit. Das neue Wasserkraftwerk wird mit einer installierten Leistung von 6 MW eine Jahresproduktion von rund 25 GWh erneuerbaren Strom liefern. Von den geschätzten Kosten von rund 35 Mio. Euro werden je rund 4 Mio. Euro mit einem Bürgerbeteiligungsmodell und der in Österreich vorgesehenen Ökostrom-Investitionshilfe finanziert. Die laufenden Bauarbeiten werden im Juli 2014 weitgehend ihren Abschluss finden und das Werk wird dann voraussichtlich im Herbst 2014 vollständig ans Netz gehen.

1.

Historischer Hintergrund der unteren Ill Die durch Feldkirch fliessende Ill war für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt ein wichtiger, bestimmender Faktor. Seit dem Mittelalter verstanden es die Bürger, die Wasserkraft des Flusses zu nutzen. Sie leiteten das Wasser in einem Kanal, dem Mühlekanal, in der oberen Illschlucht aus und leiteten das Wasser in die vor den Wohnquartieren befindliche Au. Dort befand sich ein zentrales Wasserbecken, von dem aus die Gewerbebetriebe das benötigte Wasser erhielten. Von dort aus wurden die Wasserräder der Stadtmühle, einer Säge, einer Hammerschmiede, des Kupferhammers, einer Ölmühle, von Gerbereien, einer Stampfe und kleinerer Gewerbebetriebe mit Wasser versorgt. Seit dem 19. Jahrhundert nutzten auch die Textilfabriken der Firmen Escher, Getzner und Ganahl die Wasserkraft der Ill bzw. des Mühlebaches zum Antrieb der Wasserräder bzw. der Turbinen. Unter dem Kapf, der unteren Illschlucht, befand sich eine Mühle der kleinen Herrschaft Tosters. Auch in Nofels nutzte eine Mühle die Wasserkraft der Ill. Die unter Wassermangel leidende Ortschaft Gisingen leitete unter dem Kapf Illwasser in einem Graben in das Dorf. 1905/06 entstand auf Anregung von engagierten Bürgern das erste städtische Kraftwerk am Standort der alten

Stadtmühlen; Feldkirch war damit die erste Stadt in Vorarlberg mit einer eigenen, kommunalen Stromversorgung. Der Bau dieses Kraftwerks entstand im Rahmen eines grossen Ausbauprogrammes zur Schaffung einer kommunalen Infrastruktur. Kurz nach der Fertigstellung des Elektrizitätswerkes erhielt Feldkirch eine moderne Trinkwasserversorgung mittels einer Hochquellenleitung. Die Abwässer wurden mit einer Schwemmkanalisation aus der Stadt geleitet. Feldkirch war damit im Kronland Tirol-Vorarlberg nach Innsbruck die zweite Stadt mit einer kompletten, modernen Infrastruktur. Die Finanzierung dieser Investitionen erfolgte übrigens über eine von der Stadt Feldkirch aufgelegte Anleihe. 1.1 Alte Projekte In den 1920er- und 1930er-Jahren entstanden zwar Pläne für den Ausbau der Stromerzeugung an der Unteren Ill, diese konnten aber vermutlich wegen der schlechten finanziellen Lage nicht realisiert werden. Nach dem «Anschluss» Österreichs an Hitler-Deutschland im Jahre 1938 begann im Montafon der sofortige Ausbau der Wasserkräfte in der Silvretta. Wie man aus Zeitungsartikeln des Jahres 1938 entnehmen kann, war als zweite Bauphase die Errichtung mehrerer Staustufen an der Ill zwischen Bludenz und der Illmündung bei Bangs/Meiningen geplant. Die

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

im Archiv der Stadtwerke lagernden Pläne aus dem Jahre 1939 zeigen die Errichtung von mehreren Werken, z.B. in Nenzing, in Nofels und in der Roten Au in Gisingen und bei Meiningen. Der Ausgang des Krieges verhinderte die Realisierung dieser Planungen. Zwischen 1981 und 1987 legten die Vorarlberger Illwerke Planungen für den energiewirtschaftlichen Ausbau bzw. die Nutzung der Ill von Beschling bis zur Mündung in den Rhein in vier Kraftwerken vor. In Frastanz-Hofen war das Werk IV, in der Felsenau das Werk III geplant. Im Gemeindegebiet von Feldkirch war zwischen der Kapfschlucht bis Nofels ein Stauraum vorgesehen, in unmittelbarer Nähe der Hauptschule Gisingen war der Bau eines Krafthauses für das Werk II geplant. Das Werk 1 sollte 320 Meter oberhalb der Illmündung in den Rhein errichtet werden. Starker Protest in der Bevölkerung, die sich vor allem gegen die Aufstauung des Flusses wehrte, wie auch politische Bedenken liessen das Projekt scheitern. 1.2 Hochwasser 1999 Eine der zentralen Veränderungen an der Mündung der Ill in den Rhein war die Eintiefung der Rheinsohle, die sich in den letzten 50 Jahren durch Kiesentnahmen im Oberlauf ergeben hatte. Während die Ill in den 1950er-Jahren noch auf nahezu gleichem Niveau in den Rhein mündete, mussten in den Folgejahren immer wieder Blocksteine am Illspitz eingebaut werden, um die Sohle der Ill zu stützen und damit flussaufwärts die Stabilität der Hochwasserschutzdämme zu gewährleisten. Beim Maihochwasser 1999 zeigte sich allerdings, dass die mit der Zeit gewachsene Blockrampe nicht die nötige Stabilität aufwies. Der gesamte Innenbogen der Illmündung wurde von den Wassermassen (560 m3/s) weggerissen. Als Sofortmassnahme wurden grosse Wasserbausteine zur Ufersicherung eingebaut.

253


Bild 1. Projekt für Umbau Illmündung gemäss Untersuchungen 1987. 1.3 Umbau der Illmündung 2002 Die zerstörte Illmündung erforderte ein rasches Handeln der zuständigen Behörde. Es wurde umgehend eine Planung eingeleitet, die auch den Schutz des Schweizer Prallufers berücksichtigte. Die Ill wurde im Mündungsbereich mit einem Rechtsbogen versehen und so über zwei Blockrampen im spitzen Winkel an den Rhein angebunden (Bild 1 und 2). Die Umsetzung wurde 2002 abgeschlossen. 2.

Erste Überlegungen zum Kraftwerksbau durch die Stadtwerke Feldkirch Im Jahr 2005 wurden bei den Stadtwerken Feldkirch erste Überlegungen zu einem Kraftwerksprojekt an der Mündung der Ill in den Rhein, dem sogenannten Illspitz, angestellt. Zunächst sollte über eine Potenzialstudie die wirtschaftliche Machbarkeit geprüft werden. Diese ersten internen Prüfungen brachten ein vorsichtig angenommenes Erzeugungspotenzial von jährlich 24 Mio. kWh und damit grünes Licht aus technischer Sicht für weitergehende Überlegungen. Dass ein Kraftwerk am Illspitz kein typisches Kraftwerk der Machart «Klotz und Protz» sein konnte, war allein schon aus der Historie heraus von Anfang an klar. Der Planungsansatz für die Konzepterstellung musste ein sensibler und stark ökologisch orientierter sein. Auch die Vorgaben aus der parallel in nationales Recht einfliessenden Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union legte mit dem «Verschlechterungsverbot» für den ökologischen Zustand eines Gewässers die Latte höher, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Darüber hinaus entwickelte sich im Planungsteam ein gewisser Ehrgeiz, zu zeigen, dass ein vernünftiges Wasserkraftprojekt mit Naturschutzzielen und den lokalen ökologischen Anforderungen einer geschützten Auenlandschaft vereinbar ist. Der erste Ansatz war somit die Suche nach ökologischen Defiziten im Projektgebiet, 254

Bild 2. Gestaltungskonzept für neues Kraftwerk an der Mündung der Ill in den Alpenrhein. die sich im Zuge des angedachten Kraftwerkes am Illspitz beseitigen oder zumindest entschärfen liessen. Auf Anhieb wurden vier markante Defizite evaluiert: a) die durch eine über Jahrzehnte bis zu 4 m eingetiefte Rheinsohle, welche eine deutliche Absenkung des Grundwasserspiegels im Matschelser Auenwald verursacht, sodass inzwischen die Gefahr besteht, den Auencharakter und damit viele seltene Pflanzen- und Tierarten zu verlieren b) die kanalartige, strukturarme Morphologie der «Unteren Ill» (Abschnitt zwischen Feldkircher Innenstadt und Mündung in den Rhein) c) die Schwallwasserführung, die sich aus dem Betrieb der Spitzenlastkraftwerke im Oberlauf ergibt d) die unglückliche Anbindung des 2002 errichteten Mündungsarms, der die Blockrampen für schwächere Fischarten überbrücken soll und der bei Niederwasser aufgrund von Anlandungen im Einlauf trocken fällt. Während für die Schwallwasserführung mit einem Kraftwerksprojekt am Illspitz keine Verbesserung zu erzielen war, konnten für die Punkte a), b) und d) in weiterer Folge Lösungsansätze gefunden werden, welche die Perspektive für die Realisierung des Kraftwerkes von «schwierig, aber nicht unmöglich!» auf «denkbar!» verbesserte. Es folgten erste Gespräche mit der Politik, mit Sachverständigen der Genehmigungsbehörde und es wurden vertiefende Gutachten zu Geschiebetrieb,

Hochwasserschutz, Geologie sowie terrestrischer und aquatischer Ökologie eingeholt. 3. Kraftwerkskonzept Gemeinsam mit dem Planungsbüro «Hutarew & Partner» aus Pforzheim wurde ein Konzept entwickelt, das eine dreifeldrige Wehranlage direkt oberhalb der 2002 erstellten Blockrampen vorsah, die sich durch einen bescheidenen Aufstau von 3.5 m gegenüber dem Mittelwasserstand auszeichnete (Bild 2 und 3). In Flussrichtung linksseitig sollte im Aussenbogen das Entnahmebauwerk für das Kraftwerk entstehen, das seinerseits mit dem Turbinenunterwasser im Bereich der ehemaligen Illmündung direkt an den Rhein anbindet. Begleitende ökologische Massnahmen waren: a) die Verlängerung des bestehenden Mündungsarms um ca. 1 km in Form eines naturnahen Gerinnes mit geregelter Dotation b) die Dotation des Grundwassers im Matschelser Auwald zur Vergleichmässigung des Grundwasserstandes und zur Belebung der Giessenbachstruktur c) die Auflösung der hart verbauten Uferstruktur des Ill-Mutterbetts auf einer Länge von 300 m d) die Schaffung einer Flachwasserzone im wehrnahen Stauraum auf einer Länge von 250 m e) zwei zusätzliche Fischaufstiegshilfen und ein Fischabstieg im Bereich des Turbinenfeinrechens.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Bild 3. Lageplan Kraftwerk Illspitz mit Wehranlage, Einlaufbauwerk und Maschinenhaus. 4.

Politischer Entscheidungsweg und Genehmigungen 2008–2011

4.1 Einreichprojekt Wenngleich Führungskräfte der politischen Fraktionen in der Feldkircher Stadtvertretung über die Pläne der Stadtwerke zum Bau eines Kraftwerkes am Illspitz informiert waren und sich prinzipiell offen zeigten, wurde ein vorsichtiger Weg bei der Weiterentwicklung eingeschlagen. Man wollte der Öffentlichkeit ein ausgereiftes Projekt präsentieren, das auch für kritische Fragen die Antworten bereithielt. Die gescheiterten Pläne der Vorarlberger Illwerke aus den 1980er-Jahren sollten nicht durch ein Projekt der Stadtwerke Feldkirch ergänzt werden, das sich ebenso im Bürgerprotest verlor. Eine plötzliche Wendung erhielt die Situation allerdings im Jahre 2008, als über die Medien ein privater Interessent seine Absicht verbreitete, am Illspitz ein Kraftwerk bauen zu wollen. Die unerwartete Wettbewerbssituation führte zu einer raschen Entscheidung in der Feldkircher Stadtvertretung, durch die Stadtwerke ein Einreichprojekt ausarbeiten zu lassen und sich das Recht zum Bau des Kraftwerkes zu sichern. In der Folge wurde dieses Ziel mit Hochdruck verfolgt und am 25. Januar 2010 das Einreichprojekt bei der Wasserrechtsbehörde eingereicht. Parallel wurde das Naturschutzrechtliche Verfahren der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch eingeleitet. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung war nicht notwendig.

4.2 Genehmigungen Nach der gemeinsamen Verhandlung aller Verfahren am 22. Juni 2010 erhielt das Projekt Kraftwerk Illspitz noch im Herbst des gleichen Jahres alle Genehmigungen. Es dauerte jedoch noch bis Juli 2011, bis die wasserrechtliche Genehmigung ihre Rechtskraft erhielt, da der Einspruch einer Privatperson noch behandelt werden musste. Das Projekt war aber inzwischen so gut entwickelt und auch öffentlich vorgestellt worden, dass in der Bevölkerung ein sehr grosser Zuspruch zu verzeichnen war. Dementsprechend gab es auch in der Stadtvertretung von Feldkirch einen einstimmigen Beschluss zum Bau des Kraftwerkes.

5. Umsetzung 2010–2014 Nach der Grundsatzentscheidung der Stadtvertretung konnten Ausschreibungen der wesentlichen Gewerke vorbereitet werden. Zunächst wurden Turbinen und Generatoren sowie der Stahlwasserbau ausgeschrieben. Es sollten zwei hoch effiziente Kaplanturbinen, vorzugsweise ohne Getriebe, zum Einsatz kommen. Rahmenbedingungen für den Vergleich zwischen den Anbietern waren sowohl die stark schwankenden Abflussverhältnisse in der Ill wie auch stark schwankende Fallhöhenverhältnisse durch den schwallgeprägten Alpenrhein, der den Unterwasserpegel wesentlich mitbestimmt. Das finale «Kopf an Kopf»-Rennen gewann schliesslich die Firma Andritz (Ravensburg) mit ihren getriebelosen Compact-Bulb-Turbinen. Die Stahlwasserbauarbeiten wurden an die Firma Künz aus Hard vergeben. 5.1 Vorarbeiten Schon im Herbst 2011 wurden einige vorbereitende Massnahmen für den Kraftwerksbau getroffen. Die Rohrleitung für die Grundwasseranreicherung im Natura2000-Gebiet Matschels und das knapp 6 km lange Energiekabel für die Baustellenversorgung und die spätere Energieableitung wurden verlegt. Im Frühjahr 2012 folgte der Erdbau für das orographisch rechts im Auwald vorgesehene knapp 1 km lange neue Nebengerinne, die sogenannte «Kleine Ill» (Bild 4). 5.2 Bauablauf Mit dem Spatenstich am 8. August 2012 wurde der Startschuss für die erste Bauphase am Kraftwerksstandort gegeben.

Bild 4. Naturnah gestaltete Kleine Ill als ökologische Ausgleichsmassnahme, Juni 2013.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

255


Bild 5. Hochwasserereignis der Ill mit Dammbruch und mit verheerenden Schäden an der Baustelle , Okt. 2012. Zunächst musste der Spiersbach, ein Giessenbach zwischen Ill und Rhein, der 2008 aufwendig renaturiert worden war, auf einem Abschnitt von etwa 100 m um einige Meter Richtung Rhein verlegt werden, um mehr Abstand zum Krafthaus zu gewinnen. Parallel wurde das Flussbett der Ill auf der orographisch linken Seite aufgeweitet, um rechtsufrig mit dem Bau der Wehrfelder 2 und 3 beginnen zu können. Die dazu

Bild 4. Schnitt durch Wehrsegmente mit aufgesetzten Klappen.

Bild 6. Luftbild während Bau der Wehrfelder, unmittelbar nach dem Oktober-Hochwasser, Nov. 2012.

durchgeführten Spundwandarbeiten wurden teilweise durch Restbestände alter Blockrampen und Blocksteine aus provisorischen Ufersicherungen (Hochwasser 1999) erschwert. 5.3 Naturgewalten In der Nacht vom 9. auf den 10. Oktober 2012 kam es innerhalb von einer Stunde zu einer plötzlichen Verdoppelung des Abflusses der Ill auf maximal 333 m3/s. Dieses für Oktober aussergewöhnliche Ereignis führte gegen 23:30 Uhr zur Überflutung des linken Begleitdammes mit verheerenden Folgen für die Krafthausbaustelle (Bild 5 und 6). Der Damm wurde in der Folge durch die Wassermassen auf einer Länge von 60 m aufgerissen, das Aufstandsplanum für die Spezialtiefbauarbeiten wurde weggerissen und der eben fertiggestellte neue Spiersbach wurde mit samt dem Dammsporn zum Rhein hin völlig zerstört. Das Kiesmaterial bildete im Rhein eine weitläufige Bank, die den

Fluss gänzlich auf das Schweizer Prallufer lenkte. Der Lückenschluss beim Illdamm und die Wiederherstellung des Bauplanums beanspruchten acht Wochen und gestalteten sich sehr mühsam. So konnte die Baugrubenumschliessung mit einer 30 m tiefen Schlitzwand erst im Februar 2013 fertiggestellt werden. Die anschliessenden Aushub- und Ankerungsarbeiten erfolgten im Schutz einer Wasserhaltung über Vakuumbrunnen, die den Wasserdruck in Dichtschichten unter der Krafthaussohle abbauten. Ohne Folgen blieb das Hochwasserereignis für die Arbeiten an der Wehranlage, sodass diese pünktlich mit der IllUmleitung am 18. April 2013 abgeschlossen werden konnten. Im Mai 2013 konnten die Arbeiten am Wehrfeld 1 begonnen und Ende Oktober abgeschlossen werden. 5.4 Technische Ausstattung Herzstück der Anlage sind die beiden Kaplan-Turbinen der Firma Andritz in Ra-

Bild 5. Schnitt durch Wehrfelder 2+3 mit aufklappbaren Wehrsegmenten. 256

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


vensburg. Die gewählte Bulb-Bauweise zeichnet sich durch die getriebelose Ausführung aus. Der Generator ist vom Triebwasser umströmt und somit gleichzeitig gekühlt. Eine zunächst angedachte Abwärmenutzung für die Beheizung des Kraftwerkes ist bei dieser Bauform nicht möglich. Die Drehzahl wurde im Hinblick auf eine weitgehend fischfreundliche Konzeption möglichst niedrig gewählt und liegt bei 157.89 U/min. Die Turbinen mit einem Laufraddurchmesser von 2.85 m haben einen Nominaldurchfluss von 45 m3/s, können aber mit bis zu 60 m3/s betrieben werden. Die Maximalleistung jeder Turbine beträgt 3.6 MW. Dementsprechend wurden die Generatoren und Transformatoren auf 4 MVA ausgelegt. Die Energie wird ins 10-kV-Netz der Stadtwerke Feldkirch eingespeist. Die Anlage ist aber auf 20 kV ausgelegt. Die Transformatoren können für eine zukünftige Änderung der Netzspannung auf 20 kV umgeschaltet werden.

· · · · · · ·

Technische Daten Kraftwerksanlage Ausbauwassermenge 2 × 45 m3/s Leistung 4.26 MW Jahresarbeit 28.5 GWh Stauziel 429.5 müA Turbinen 2 Kaplan PIT Laufraddurchmesser 2.85 m Fallhöhe 3.5–8.0 m

Technische Daten Wehranlage · 3 Wehrsegmente (Segmentschütze) · Höhe Wehrsegment 1 mit Klappe 4.60 m · Höhe Wehrsegment 2+3 3.59 m · Breite Wehrsegmente je 15 m · Staulänge 1500 m · Stauhöhe 3.50 m

Die Wehranlage besteht aus drei je 15 m breiten Wehrsegmenten mit aufgesetzten Klappen (Bild 7 und 8). Die Klappen haben eine Abfuhrkapazität von bis zu 150 m3/s. Bei höheren Abflüssen werden die Wehrsegmente komplett geöffnet, um den Geschiebetransport sicherzustellen. Das Entnahmebauwerk befindet sich seitlich vor der Wehranlage im Aussenbogen der Ill, hat eine Breite von ca. 60 m, eine Höhe von 2.4 m und verfügt über eine Tauchwand und einen Grobrechen

Bild 9. Luftbild zum Bau von seitlichem Entnahmebauwerk und Maschinenhaus (Ansicht flussaufwärts), Okt. 2013. zur Geschwemmselabwehr. Der Feinrechen vor den Turbinen zeichnet sich durch eine neuartige Formgebung aus, die durch Zurückversetzen einzelner Stäbe bei verringertem Stababstand dennoch aussergewöhnlich niedrige Verlustwerte erreicht. Die lichte Stabweite beträgt 30 mm. Besonderheit der Rechenreinigung ist, dass das Rechengut nicht aus dem Wasser entnommen wird, sondern über Schwemmklappen die Harken in eine Spülrinne entleert werden, die im Unterwasser mündet. 6. Kosten/Finanzierung Die Projektkosten werden auf ca. 32 bis 35 Mio. Euro abgeschätzt. Die Finanzierung erfolgt auf mehreren Standbeinen. Neben Eigenmitteln und «normalen» Fremdmitteln wurde – schon fast traditionell – ein Bürgerbeteiligungsmodell im Finanzierungspaket berücksichtigt. Ein Betrag von gut 4 Mio. Euro wurde über das «Energieanlagekonto KW Illspitz» aufgebracht. Dabei wird den Anlegern über eine Laufzeit von fünf Jahren eine fixe Verzinsung und für weitere fünf Jahre eine variable Verzinsung zu Marktkonditionen geboten. Die Nachfrage war so gross, dass das gesamte aufgelegte Volumen bereits nach einem Tag vergriffen war. Schon bei der Errichtung des Kraftwerks Hochwuhr war 2002 eine Bürgerbeteiligung mit grossem Erfolg angeboten worden. Damals betrug

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

die Laufzeit 10 Jahre und zahlreiche Anleger nutzten nun die Gelegenheit für eine sichere Folgeanlage bei der man weiss, was mit dem Geld geschieht. Last but not least erhält das Kraftwerk Illspitz als Kleinkraftwerk eine Ökostrom-Investitionsförderung von ca. 4 Mio. Euro. 7. Ausblick Die kommende finale Bauphase beinhaltet den Einbau wesentlicher Komponenten des Maschinenbaus und ist daher geprägt von Verzahnungen zwischen Bau- und Montagearbeiten. Nach dem aktuell gültigen Bauzeitplan werden die Bauarbeiten im Juli 2014 weitgehend ihren Abschluss finden und es kann mit der Nassinbetriebnahme der Turbinen und Wehrverschlüssen begonnen werden. Im Herbst 2014 ist mit der offiziellen Inbetriebnahme zu rechnen. Weitere Informationen zum Projekt können auch folgender Webseite entnommen werden: www.kraftwerk-illspitz.at

Anschrift der Verfasser Hans-Jörg Mathis, Stadtwerke Feldkirch, Diplomingenieur und Bereichsleiter STROM Leusbuendtweg 49, A-6800 Feldkirch hans-joerg.mathis@stadtwerke-feldkirch.at Christoph Volaucnik, Stadtarchivar Feldkirch christoph.volaucnik@feldkirch.at

257


Kreativität, auf die Sie bauen können.

Wasserkraftwerke Wasserbau Tiefbau Konstruktion Spezialtiefbau

www.rueesch.ch 071 354 74 40 Herisau St.Gallen Luzern

Unsere Referenz – Rundum zufriedene Kunden terra vermessungen ag Tel.: 043 500 10 77 terra@terra.ch www.terra.ch

HYDROGRAPHIE I STRÖMUNGSMESSUNG I SEEGRUNDKARTIERUNG Inserat_quer_RZ.indd 1 258CyanProzessfarbe MagentaProzessfarbe GelbProzessfarbe Schwarz Prozessfarbe

23.03.12 «Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

13:25


Würden Wasserkraftwerke von Kapazitätsmärkten profitieren? Urs Meister

Zusammenfassung In der europäischen Klimapolitik hat eine Gewichtsverschiebung stattgefunden: Während der CO2-Zertifikatehandel an Relevanz verloren hat, werden die Strommärkte immer mehr durch die Subventionierung von erneuerbaren Energien beeinflusst. Für die Wasserkraft sind das keine guten Nachrichten. Schliesslich würden sie über das höhere Preisniveau direkt von einer Belastung des CO2-Ausstosses profitieren. Ganz im Gegenteil reduziert nun die wachsende Einspeisung subventionierter erneuerbarer Energien den Strompreis und damit die Wirtschaftlichkeit grosser Wasserkraftwerke und anderer konventioneller Anlagen ohne Subventionen. Weil steuerbare Kraftwerke aber weiterhin als Back-up nötig sind, um die fluktuierende Produktion auszugleichen, erwägen immer mehr Länder die Einführung sogenannter Kapazitätsmechanismen bzw. -märkte. Diese sollen eine finanzielle Abgeltung der blossen Bereitstellung von Kraftwerkskapazitäten möglich machen. Auch die Wasserkraftbetreiber erhoffen sich dadurch neue Ertragsmöglichkeiten. Doch das tatsächliche Potenzial für die Wasserkraft dürfte beschränkt sein, für Pumpspeicherwerke könnte die Rechnung sogar negativ ausfallen. Werden die Kapazitätsmechanismen effizient und marktnahe implementiert, profitieren eher Kraftwerkstypen mit tiefen Fixkosten und hoher Verfügbarkeit während den Wintermonaten. Ausserdem reduzieren solche Mechanismen die Preisvolatilität und damit die Wirtschaftlichkeit von Speichern.

1.

Sinkende Preise und Neugewichtung der Klimapolitik in Europa Energiewende und Klimapolitik waren im Grunde gute Nachrichten für die Wasserkraft in Europa. Weil üblicherweise fossile Anlagen am Strommarkt die Preise bestimmen, profitieren Wasserkraftwerke direkt von der finanziellen Belastung des CO2-Ausstosses mittels Steuer oder einem Preis für CO2-Emissionszertifikate. In eine ähnliche Richtung weist der politisch beschlossene schrittweise Ausstieg aus der Kernkraft in Deutschland und der Schweiz: Die Ausserbetriebnahme von Kraftwerkskapazitäten stützt das durchschnittliche Preisniveau im Grosshandel. Weil Energiemärkte grenzüberschreitend sind, wirkt sich dies auch positiv auf die Wirtschaftlichkeit der Schweizer Wasserkraft aus – unabhängig davon, ob im Inland eine Energiewende umgesetzt wird oder nicht. Doch die Erwartung steigender Strompreise musste in den vergangenen Jahren relativiert werden. Am Terminmarkt der deutschen Strombörse sinken die Preise praktisch kontinuierlich. Der

Preis für Grundlast, die im Jahr 2014 geliefert wird, liegt mittlerweile unter 39 Euro/ MWh – Mitte 2008 waren es noch gegen 100 Euro/MWh. Und auch die längerfristigen Lieferungen für 2018 oder 2019 geben keinen Hinweis auf ein bald signifikant steigendes Preisniveau. Die Gründe für die anhaltend tiefen Preise im Stromgrosshandel sind vielfältig und hängen miteinander zusammen: Durch den Rückgang der industriellen Produktion im Zuge der Wirtschaftskrise nahmen Energieverbrauch und CO2-Emissionen in den meisten europäischen Staaten ab. Dadurch bildete sich ein Überhang an Kraftwerkskapazitäten. Parallel dazu bildete sich auch auf dem Markt für CO2-Zertifikate – der eigentlich das Herzstück der europäischen Klimapolitik sein sollte – ein Überangebot. Der Preis für den Ausstoss einer Tonne CO2 liegt heute bei etwa fünf Euro – 2005 waren es noch etwa 30 Euro. Die tiefen Zertifikatspreise entfalten dadurch keine relevante lenkende Wirkung, denn sie beeinflussen die – für den Kraftwerkseinsatz entscheidenden – variablen Kosten fossiler Kraftwerke nur geringfügig.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

Entsprechend gering ist daher auch ihr Einfluss auf die Grosshandelspreise, die sich üblicherweise auf Basis der variablen Kosten von Kohle- oder Gaskraftwerken bilden. In der europäischen Energie- und Klimapolitik hat sich in den vergangenen Jahren eine eigentliche Gewichtsverschiebung abgezeichnet: Während die Relevanz des CO2-Zertifikatehandels als steuerndes Instrument in der Klimapolitik an Bedeutung verloren hat, wächst der Einfluss subventionierter erneuerbarer Energien. Die rasant steigenden Mengen an Strom aus Windkraft und Photovoltaik (PV) führen zu immer grösseren Verzerrungen am Strommarkt. 2. Nachteile für die Wasserkraft Für die Wasserkraft sind dies keine guten Nachrichten, schliesslich ist sie als CO2freie Technologie mit tiefen variablen Kosten «Preisnehmerin» am Markt. Sie würde von einer Belastung des CO2-Ausstosses mittels Steuer oder CO2-Zertifikatspreis und den damit verbundenen höheren Grosshandelspreisen im Strommarkt direkt profitieren. Ganz im Gegenteil belastet nun die wachsende Einspeisung subventionierter erneuerbarer Energien das Preisniveau und die Wirtschaftlichkeit von konventionellen Kraftwerken, die ohne Subventionen auskommen müssen. Weil solche konventionellen, steuerbaren Kraftwerke aber als Back-up dringend nötig sind, um die fluktuierende Produktion erneuerbarer Energien auszugleichen, erwägen immer mehr Länder in Europa die Einführung sogenannter Kapazitätsmechanismen oder -märkte, die eine finanzielle Förderung der blossen Bereitstellung von Kraftwerkskapazitäten möglich machen. Auch Betreiber von grossen Wasserkraftwerken erhoffen sich dadurch neue Ertragsmöglichkeiten. Ob solche Mechanismen aber tatsächlich Vorteile für die Wasserkraft generieren, ist alles andere als sicher. Denn Kapazitätsmärkte sind kein Ersatz für den bisherigen Energiemarkt, auf dem Mega259


wattstunden als Produkt gehandelt wird. Vielmehr handelt es sich um ein ergänzendes Instrument. Das heisst, auch im Falle einer Einführung eines Kapazitätsmarktes generieren die Kraftwerke weiterhin einen Grossteil ihres Ertrages über den Verkauf von Energie. Kapazitätsmechanismen sind komplementär und sollen Anreize für den Neubau und den Weiterbetrieb von konventionellen Kraftwerken schaffen. Kapazitätsmechanismen haben aber einen Rückkoppelungseffekt auf den Energiemarkt und verändern die Ertragsmöglichkeiten beim Verkauf der produzierten Megawattstunde. Um die konkreten Vorund Nachteile für die Wasserkraft abzuwägen, ist es sinnvoll, sich den Zweck und die Funktionsweise von Kapazitätsmechanismen genauer anzuschauen. Avenir Suisse hat im April 2013 eine Studie über die Auswirkungen solcher Mechanismen veröffentlicht (vgl. Meister 2013). 3.

Mangelnde Investitionsanreize in der Spitzenlast Versorgungssicherheit hat bei der Stromversorgung eine grössere Bedeutung als in anderen Märkten. Erstens sind die volkswirtschaftlichen Kosten eines Blackouts ausserordentlich hoch. Zweitens stellt in einem liberalisierten Strommarkt die Versorgungsstabilität eine Art öffentliches Gut dar. Grundsätzlich muss die Stromeinspeisung ins Netz zu jeder Zeit dem Verbrauch entsprechen. Schon eine kurzzeitige Differenz kann zu Spannungsverlusten und Instabilität führen. Fällt ein Kraftwerk aus, ist nicht nur der vertragliche Abnehmer des Stroms vom Lieferunterbruch betroffen. Vielmehr droht dadurch die Versorgung als Ganzes zusammenzubrechen. Ein einzelner Marktakteur berücksichtigt bei seinen Entscheidungen die immensen Kosten eines solchen Systemausfalls zu wenig. Aus diesem Grund wird im liberalisierten Markt dem Übertragungsnetzbetreiber die Funktion eines Systemoperators übertragen. Im Falle kurzzeitiger Ungleichgewichte kann er durch die Bereitstellung von Kraftwerksreserven einen Ausgleich und damit Systemstabilität schaffen. Doch solche Systemdienstleistungen sind nicht dafür konstruiert, die langfristige Versorgungssicherheit im Sinne ausreichender (Back-up-)Kraftwerkskapazitäten zu garantieren. Dieses Ziel wird im liberalisierten Strommarkt grundsätzlich durch die Preisbildung im Grosshandel erreicht. Bereits zu Beginn vieler Marktöffnungen in den 1990er-Jahren gab es verbreitet Zweifel an der Stabilität eines Strommarktdesigns, das ausschliesslich auf dem Handel von Energie basiert. 260

Ungewissheit besteht vor allem darüber, ob der Markt ausreichend Investitionsanreize für jene (Spitzenlast-) Kraftwerke gibt, die relativ selten zum Einsatz kommen, aber für die Systemstabilität etwa in Extremsituationen nötig sind. Denn in einem funktionierenden Markt basiert die Abgeltung des letzten eingesetzten Kraftwerks auf dessen Grenzkosten. Kraftwerke in der Grund- und Mittellast mit tiefen variablen Kosten profitieren von den höheren Preisen während Spitzenlastzeiten. Kraftwerke zur Abdeckung der Spitzenlast – die üblicherweise tiefere Fixkosten, aber höhere variable Kosten aufweisen – kommen dagegen weniger häufig zum Einsatz und profitieren nicht unbedingt von Marktpreisen, die (deutlich) über ihren Grenzkosten liegen. Existieren ausreichend Kraftwerkskapazitäten und funktioniert der Wettbewerb, bilden sich auch in der Spitzenlast Preise auf Basis der variablen Kraftwerkskosten. Im theoretischen Marktgleichgewicht würden Spitzenlastkraftwerke keinen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaften. Das aber würde bedeuten, dass es auch keine Anreize gibt, in solche Anlagen zu investieren. In der Theorie wird dieser Umstand als «Missing Money Problem» bezeichnet – es fehlt das Geld, um die (Fix-)Kosten dieser Kraftwerke zu decken. Dagegen lässt sich einwenden, dass kurzzeitige, aber besonders hohe Preise im Strommarkt ausreichende Investitionsanreize vermitteln könnten. Denn wegen der geringen Elastizität von Stromnachfrage und -angebot bilden sich in Knappheitssituationen ausserordentlich hohe Preise. Diese würden sich in einem perfekten Markt an den sehr hohen Kosten eines Stromausfalls orientieren. Mindestens theoretisch könnten dabei die Preise auf das 100- bis 500Fache des üblichen Niveaus ansteigen. Profitieren Spitzenlastkraftwerke von derart hohen Preisen, lassen sie sich auch mit wenigen Betriebsstunden profitabel betreiben. Doch in der Praxis sind die Risiken für einen Investor bedeutend. Einerseits ist die Häufigkeit und die Höhe der Knappheitspreise schwer zu prognostizieren, anderseits würden derart hohe Preise vermutlich eine Intervention des Regulators provozieren. Das «Missing Money Problem» ist keineswegs ein neues Phänomen, das erst im Zusammenhang mit der Energiewende entstanden ist. Vielmehr stellt sich die Herausforderung der Investitionsanreize für Spitzenlast- bzw. Back-up-Kraftwerke im offenen Markt grundsätzlich. Allerdings wird das dargestellte Problem durch die

rasant wachsende Einspeisung subventionierter erneuerbarer Energie zweifellos akzentuiert. Weil erneuerbare Energien wie Wind oder PV vernachlässigbare variable Kosten aufweisen, schieben sie die Angebotskurve (Merit Order) im Markt parallel nach rechts. Einerseits senkt das zusätzliche, subventionierte Angebot die durchschnittlichen Preise am Markt. Anderseits nimmt die Auslastung konventioneller Kraftwerke rechts in der Merit Order (also vor allem der Spitzenlastkraftwerke) zusätzlich ab. Damit verbunden ist eine weitere Schwächung der Investitionsanreize bei den konventionellen, nicht-subventionierten Kraftwerken. 4.

Formen und Wirkungen von Kapazitätsmechanismen Kapazitätsmechanismen sollen Investitionsanreize für Spitzenlast- oder Backup-Kraftwerke stimulieren. Sie erschliessen den Investoren eine zusätzliche Ertragsquelle und erhöhen die Investitionssicherheit. Weil das «Missing Money Problem» keine neue Erscheinung ist, existieren solche Mechanismen in der einen oder anderen Form schon seit Jahren. Eine einheitliche Kategorisierung gibt es nicht. Häufig wird zwischen preis- und mengenbasierten Mechanismen unterschieden (Tietjen 2012, Barrera et al. 2011, Siegmeier 2011). Bei den preisbasierten Mechanismen entscheidet eine zentrale Instanz über eine finanzielle Abgeltung (administrative Kapazitätszahlungen, strategische Reserve), bei den mengenbasierten Instrumenten entscheidet sie über die Kapazitäten, während sich der Preis dafür in einem Markt bildet (Kapazitätsverpflichtungen). Häufig werden lediglich mengenbasierte Instrumente als Kapazitätsmärkte im engeren Sinn bezeichnet. Die administrative Kapazitätszahlung gilt als einfache Form eines preisbasierten Kapazitätsmechanismus. Solche Zahlungen – wie sie beispielsweise in Spanien existieren – werden den Kraftwerksbetreibern als Ergänzung zu den Erträgen aus dem Energiemarkt ausgerichtet. Die Zuschüsse werden nicht durch den Markt, sondern durch einen administrativen Prozess festgelegt. Sie werden etwa so berechnet, dass (Spitzenlast-)Kraftwerke ihre ungedeckten Fixkosten finanzieren können. Als Benchmark kann beispielsweise ein neues Gasturbinenkraftwerk mit tiefen Investitionskosten dienen. Die konkrete Ausgestaltung der Zahlung kann unterschiedlich sein, etwa als fixer jährlicher Beitrag, als Zuschuss, basierend auf der tatsächlichen Verfügbarkeit, der effektiven

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Produktion während bestimmter Zeitperioden oder als Kombination daraus (vgl. Pfeifenberger et al. 2009). Produktionsbezogene Zahlungen sollen verhindern, dass Kraftwerksbetreiber Anlagen vom Netz nehmen, um während Knappheitssituationen eine künstliche preistreibende Wirkung zu erzielen. Allerdings entstehen mit den produktionsbezogenen Zahlungen zusätzliche Marktverzerrungen, ähnlich wie im Modell der Einspeisevergütung. Erfahrungen aus Argentinien und Peru illustrieren, dass damit ineffiziente (Über-) Produktionsanreize einhergehen – denn Kraftwerksbetreiber würden ihre Produktion auch unter den Grenzkosten anbieten. Ein alternativer preisbasierter Mechanismus stellt die strategische Reserve dar. In diesem Modell beschafft der Systemoperator zusätzliche Kraftwerkskapazitäten, beispielsweise im Rahmen eines Auktionsverfahrens. Diese Kraftwerkskapazitäten gibt er bei Knappheit bzw. einem bestimmten Preisniveau zur Entlastung in den Markt. Der administrativ festgelegte Auslösungspreis, bei dem die Reservekapazitäten aktiviert und auch angeboten werden, wird damit zur faktischen Preisobergrenze im Markt. Der Auslösungspreis bestimmt zudem, wie gross die Reserve längerfristig sein muss (vgl. auch EWI 2012). Wird der Auslösungspreis sehr tief angesetzt, nehmen nicht nur die Investitionsanreize im freien Markt ab, sondern auch die Anreize, in eine Flexibilisierung des Verbrauchs oder Speicher zu investieren. Ein hoher Auslösungspreis geht umgekehrt mit der Gefahr eines ineffizienten Kraftwerkseinsatzes einher: Stellt sich bei hoher Nachfrage ein Spotmarktpreis zwischen den Grenzkosten des letzten produzierenden Kraftwerks und dem Auslösungspreis ein, werden von Verbrauchern womöglich Massnahmen zur Lastreduktion getroffen, deren marginale Kosten über denjenigen der (noch nicht eingesetzten) Kraftwerksreserven liegen. Die strategische Reserve wird heute beispielsweise in Schweden oder Finnland angewendet. Sogenannte Kapazitätsverpflichtungen stellen ein mengenbasiertes Instrument dar. Versorger (oder einzelne Grossverbraucher) werden dazu angehalten, Produktionskapazitäten, basierend auf ihren Bedarfsspitzen, vorzuhalten (vgl. beispielsweise Cramton und Stoft 2006, Cramton und Stoft 2008, Bidwell 2005, EWI 2012). Dies können sie auf unterschiedliche Art machen. Sie können eigene Kraftwerke betreiben, Verträge mit Dritten abschliessen oder entsprechende Zertifikate für Kraftwerksleistung

auf einem zentral organisierten Markt beschaffen. An einem solchen ForwardMarkt für Produktionskapazitäten können auch Verbraucher durch das Angebot von Lastreduktionsmassnahmen teilnemen. Sinnvollerweise werden die Produktionskapazitäten (oder Lastreduktionsmassnahmen) auf Basis ihres Beitrags zur Systemstabilität gewichtet, etwa aufgrund ihrer technischen Verfügbarkeit während potenzieller Knappheitsperioden. Dabei können grundsätzlich auch erneuerbare Technologien mit fluktuierender Produktion wie Wind, PV oder Wasser mindestens einen Teil ihrer Kraftwerksleistung anbieten. Dazu kann – etwa auf historischen Daten basierend – berechnet werden, welche Kraftwerksleistung während besonders ausgeprägten Spitzenlastzeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit als «gesichert» angenommen werden kann. Ein Vorteil des häufig in den USA angewendeten Modells liegt in der Marktnähe. Erstens wird der Ansatz üblicherweise nicht selektiv angewendet. Das heisst, er bevorzugt weder neue noch alte oder spezifische Kraftwerke, zudem können auch Verbraucher am Markt teilnehmen. Dadurch werden Verzerrungen von Investitionsanreizen minimiert. Zweitens resultiert kein positi-

ver Preis für Kraftwerkskapazitäten, wenn sich auch längerfristig Kraftwerksüberkapazitäten abzeichnen sollten. Und drittens geht mit dem Modell nicht unbedingt eine Preisobergrenze im börslichen Energiehandel einher. Um dennoch Produktionsanreize zu vermitteln – bzw. die strategische Zurückhaltung von Kraftwerkskapazitäten zu verhindern – kann das Modell mit sogenannten Verfügbarkeitsoptionen (Reliability Options) ergänzt werden. Kraftwerksbetreiber zeichnen eine Art Call-Option und verpflichten sich zu einer Zahlung an den Käufer der Kraftwerkskapazität, also die Versorger. Die Zahlung entspricht der Differenz zwischen dem Spotmarktpreis und einem Ausübungspreis. Dadurch werden bei den Kraftwerksbetreibern einerseits Anreize geschaffen werden, ihre Anlagen während Knappheitssituationen tatsächlich im Markt anzubieten. Anderseits werden die Verbraucher vor besonders starken Preisausschlägen am Energiemarkt abgesichert. Die Ausgestaltung und die Wirkungen der dargestellten Grundmodelle von Kapazitätsmechanismen unterscheiden sich grundlegend. Dennoch weisen sie Gemeinsamkeiten auf. Sie vermitteln den Kraftwerksinvestoren eine höhere Sicher-

Bild 1. Entwicklungen in Europa – eine Übersicht. In zahlreichen europäischen Ländern sind Kapazitätsmechanismen bereits implementiert oder werden diskutiert. Quelle: Avenir Suisse auf Basis von Boltz 2013 und ACER 2013, Grafik: Avenir Suisse.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

261


Bild 2. Verfügbare Leistung und Landesverbrauch in der Schweiz im Jahresverlauf 2010 und 2011 (jeweils am 3. Mittwoch des Monats)*. Die Schweiz verfügt mittelfristig über ausreichende (Reserve-)Kapazitäten bei der Stromproduktion. Eine frühzeitige Ausserbertiebnahme der jüngeren Kernkraftwerke könnte hingegen zu kritischen Versorgungssituatiuonen in den Wintermonaten führen. Quelle: Avenir Suisse auf Basis Elektrizitätsstatistik BFE, Grafik: Avenir Suisse.

heit, indem sie zusätzliche Ertragsmöglichkeiten neben dem Energiemarkt schaffen. Dadurch entstehen stärkere Investitionsanreize vor allem bei jenen Kraftwerken, die relativ wenige Vollbenutzungsstunden haben. Die Verbraucher finanzieren die Kosten des Mechanismus separat, etwa über einen Aufschlag auf dem Netz- oder Energietarif. Umgekehrt profitieren sie von der Verhinderung besonders ausgeprägter Preisspitzen, die sich bei einer Angebotsknappheit im «Energy-only-Markt» einstellen würden. In der Praxis geht die Einführung eines Kapazitätsmechanismus häufig mit einer regulierten Preisobergrenze (Price Cap) einher – schliesslich möchte der Regulator oder die Politik nicht, dass Kraftwerksbetreiber gleichzeitig von Erträgen aus den Mechanismen und allfälligen (künstlich herbeigeführten) Knappheitspreisen profitieren. Durch die implizite oder explizite Preisbegrenzung im Markt nimmt gleichzeitig die Preisvolatilität ab. In Kombination mit der Subventionierung 262

von erneuerbaren Energien reduzieren die Kapazitätsmechanismen schliesslich das durchschnittliche Preisniveau am Markt. Die Betreiber von konventionellen Kraftwerken haben daher eine Einbusse bei den Erträgen aus dem Energiemarkt, profitieren aber umgekehrt von den Erträgen aus dem Kapazitätsmechanismus. 5. Entwicklungen in Europa Kapazitätsmechanismen oder -märkte sind bislang nicht sehr verbreitet in Europa (vgl. Bild 1). Kapazitätsmechanismen auf Basis einer strategischen Reserve, Kapazitätszahlungen oder gar Kapazitätsmärkte existieren nur vereinzelt. Doch vor dem Hintergrund der Energiewende und sinkender Energiepreise nimmt in vielen Ländern der Druck auf Veränderungen in der Marktorganisation zu. Ein Blick auf die Landkarte illustriert, dass sich die Ansätze tendenziell in Richtung der vorteilhafteren, mengenbasierten Instrumente bewegen, also Kapazitätsmärkte. In Deutschland

hat sich noch keine einheitliche Position herauskristallisiert – diskutiert werden alle Modelle. Im europäischen Kontext existieren bisher weder ein einheitliches Konzept noch zwingende zentrale Vorgaben. Allerdings ist zu erwarten, dass die EU-Kommission im Hinblick auf die vollständige Umsetzung des Elektrizitätsbinnenmarktes bis 2014 gewisse Regeln schaffen wird – etwa bezüglich (grenzüberschreitendem) Wettbewerb. In der Schweiz bestehen bislang noch keine konkreten Pläne zur Einführung von Kapazitätsmechanismen. Aufgrund der relativ grossen inländischen Produktionskapazitäten besteht auch kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Selbst bei einer Ausserbetriebnahme der älteren Kernkraftwerke gäbe es noch ausreichend Kapazitäten zur Deckung der Spitzennachfrage. Allerdings würden die Importe vor allem in den Wintermonaten zunehmen, denn die Speicherwerke könnten aufgrund ihres beschränkten Speicherinhalts (sowie der im Winter geringeren natürlichen Zuflüsse) nicht dauerhaft betrieben werden (vgl. Bild 2). Doch auch wenn die Schweiz selber keinen Kapazitätsmechanismus installiert, so sind die inländischen Kraftwerksbetreiber aufgrund der engen Vernetzung mit den Nachbarländern und der hohen Relevanz des Stromhandels von den Entwicklungen in Europa direkt betroffen. Denn die Schweiz «importiert» nicht nur die von den subventionierten erneuerbaren Energien verursachten Marktverzerrungen, sondern auch die potenziell preisbegrenzenden Effekte allfälliger Kapazitätsmechanismen. Deshalb wäre es für die Schweiz wohl schwierig, bei einer Einführung von Kapazitätsmechanismen in den Nachbarländern abseits zu stehen. Zwar könnten inländische Verbraucher von durchschnittlich tieferen Marktpreisen profitieren, doch würden gleichzeitig die Erträge der Stromproduzenten unter Druck geraten. Längerfristig könnte die Versorgungssicherheit gefährdet werden, da der Bau neuer Kraftwerke im Inland weniger attraktiv würde. Umgekehrt wäre die unilaterale Einführung eines Fördermechanismus für konventionelle Kraftwerke in einem kleinen Land wie der Schweiz wegen der engen Vernetzung mit den Nachbarn und der hohen Bedeutung des grenzüberschreitenden Handels wenig sinnvoll und nur begrenzt funktionsfähig. Die inländischen Verbraucher würden die Kosten tragen, hätten aber keinen Gegenwert in Form tieferer Grosshandelspreise oder geringerer bzw. seltenerer Preisausschläge (Knappheitspreise). Denn die

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Energiepreise auf dem kleinen inländischen Markt würden weiterhin durch die Nachbarn bestimmt. Zudem wäre ein auf die Schweiz beschränkter Kapazitätsmarkt aufgrund der hohen administrativen Aufwendungen, der fehlenden Liquidität und des mangelnden Wettbewerbs auf jeden Fall ineffizient. Eine enge Koordination mit den Nachbarn wäre daher fast zwingend. 6.

Beschränktes Ertragspotenzial für die Wasserkraft Um herauszufinden, wie sich Kapazitätsmärkte auf die Erträge einzelner Stromproduzenten auswirken, gilt es einige grundsätzliche Überlegungen zu berücksichtigen. Erstens sind Kapazitätsmärkte kein Substitut, sondern ein Komplement für den Energiehandel an der Strombörse. Das heisst, einen Grossteil ihres Ertrages generieren die Kraftwerke weiterhin über den Verkauf der Energie im Grosshandel. Zweitens würde bei einem marktnahen Kapazitätsmechanismus nur dann ein positiver Preis für die Vorhaltung von Kraftwerksleistung resultieren, wenn sich in den nächsten Jahren ein Kraftwerksmangel abzeichnet. Drittens würden sich allfällige Zahlungen aus einem Kapazitätsmechanismus an den fehlenden Deckungsbeiträgen von selten eingesetzten Spitzenlastkraftwerken orientieren. Üblicherweise sind dies Kraftwerke mit tiefen fixen und hohen variablen Kosten, z.B. Gasturbinenkraftwerke. Kraftwerke mit einem hohen Investitionsanteil eignen sich dagegen aus ökonomischer Sicht kaum als Backup-Technologie. Ihre Kosten würden unabhängig von ihrem (seltenen) Einsatz anfallen – eine explizite Förderung ist daher ausgesprochen teuer. Viertens werden allfällige Zahlungen aus den Kapazitätsmechanismen häufig an die tatsächliche Verfügbarkeit oder Produktion gebunden. Damit soll sichergestellt werden, dass nur jene Kraftwerke profitieren, die während den potenziellen Knappheitssituationen am Netz sind und über eine gewisse Dauer produzieren können. Für die Betreiber von (Schweizer) Wasserkraftwerken sind dies nicht in jedem Fall die besten Voraussetzungen. Erstens dürfte das Kraftwerksüberangebot in Europa noch eine Weile anhalten – darauf hin weisen jedenfalls die Preise am Terminmarkt. Zweitens sind die Kosten von Wasserkraftwerken durch hohe fixe Investitionskosten geprägt. Anhaltend tiefe Preise für Gas, Kohle und CO2-Zertifikate schmälern weiterhin das Ertragspotenzial der Wasserkraft im herkömmlichen Ener-

Umgang mit Werteverlusten im Kraftwerkspark Die Einspeisung subventionierter erneuerbarer Energien in Europa und die damit zusammenhängenden Preissenkungen an der Strombörse («Merit-Order-Effekt») beeinträchtigen die Wirtschaftlichkeit inländischer Kraftwerke. Einige Vertreter der Strombranche interpretieren den Wertverlust auf ihren Kraftwerken als eine Art Enteignung. Betroffen sind sowohl bestehende Anlagen als auch neue Kraftwerksprojekte. Mindestens teilweise sind diese Klagen gerechtfertigt, denn viele Kraftwerksinvestitionen wurden im Glauben an knappe Kapazitäten und steigende Preise realisiert. Umgekehrt war die politische Absicht zur Förderung erneuerbarer Energien in Europa bereits seit Längerem bekannt, sodass rationale Investoren die damit zusammenhängenden marktlichen Entwicklungen mindestens ansatzweise vorhersehen konnten. Bereits 2001 trat die «Directive on Electricity Production from Renewable Energy Sources» in Kraft. Die Richtlinie setzte für jeden EU-Mitgliedstaat individuelle Ziele für die Energieproduktion aus erneuerbaren Energien. 2009 wurde sie erneuert. Stromproduzenten konnten sich – mindestens in grossen Zügen – bereits ab 2001 auf die Veränderungen einstellen. Aus einer schweizerischen Perspektive stellt sich auch die Frage, ob inländische Produzenten aufgrund der durch die Subventionen in den Nachbarländern ausgelösten Marktverzerrungen einen Anspruch auf irgendeine Form von Kompensation erheben könnten, da ja weder inländische Gesetze noch schweizerische Steuerzahler oder Stromkonsumenten für die Verzerrungen verantwortlich sind. Nach dieser Logik könnten nämlich auch Hersteller von Solarmodulen Entschädigungen fordern, wenn sie durch die subventionierte Konkurrenz aus dem asiatischen Raum unter Druck kommen. Umgekehrt haben Schweizer Kern- und Wasserkraftwerke auch von der Einführung der CO2-Emissionszertifikate in der EU profitiert. Weil die Schweiz im Grosshandel das Preisniveau ihrer Nachbarn übernimmt und dort üblicherweise fossile Kraftwerke die Preise bestimmen, zahlen die Verbraucher in der Schweiz für die Instrumente der europäischen Klimapolitik. Anders wäre die Situation, wenn die Marktverzerrung durch eine inländische Subventionierung verursacht würde. Im schweizerischen Kontext allerdings gilt, dass sich die Subventionierung der erneuerbaren Energien im Inland (bisher) nur marginal auf die Marktpreisbildung auswirkt. Aber unabhängig von diesen Überlegungen eignen sich Kapazitätsmärkte ohnehin nicht für die Entschädigung eines durch die Energiewende induzierten Wertverlustes bei konventionellen Kraftwerken. Sie wurden ja nicht als Abgeltung für sogenannte «nicht amortisierbare Investitionen» (NAI) konzipiert, sondern sollen – mit Blick auf die Versorgungssicherheit – Anreize schaffen für die Bereitstellung ausreichender Produktionsmittel («Missing Money Problem»). Besteht etwa ein Kapazitätsüberhang im Markt, sollte – bei adäquater Ausgestaltung des Mechanismus – auch keine Kompensation für neue oder bestehende Kraftwerkskapazitäten resultieren.

giemarkt. Drittens wird der Wert der Wasserkraft auf den Kapazitätsmärkten durch ihre begrenzte Verfügbarkeit im Winter eingeschränkt (vgl. Bild 2). Mittelfristig dürften in Europa (inklusive der Schweiz) vor allem während kalten Wintermonaten und zeitgleichen Perioden mit wenig Wind Knappheitssituationen auftreten. Kapazitätsmechanismen müssten diesen Umstand adressieren und vor allem jene Kraftwerke fördern, die zur Entlastung beitragen. Profitieren werden daher eher fossil betriebene Anlagen als Wasserkraftwerke. Während Wasserkraftwerke ganz allgemein nur beschränkt von Kapazitätsmechanismen profitieren, könnten Pumpspeicherwerke im Speziellen sogar negativ betroffen sein. Ihre Wirtschaftlichkeit bemisst sich weniger an der absoluten Höhe der Marktpreise, sondern hat vor

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

allem mit den Preisvolatilitäten bzw. den Preisunterschieden zwischen Peak-Load und Off-Peak zu tun. Kapazitätsmärkte tendieren jedoch dazu, Preisvolatilität aus dem Energiemarkt zu nehmen, indem sie Knappheitspreise während Nachfragespitzen verhindern. Die Einführung einer parallelen, expliziten Preisobergrenzenregulierung würde die Ertragssituation von Pumpspeichern zusätzlich schwächen. Allgemein gilt, dass Kapazitätsmechanismen Investitionsanreize in Speichertechnologien und die Flexibilisierung der Nachfrage schwächen. Wie andere Kraftwerke auch, könnten Pumpspeicherwerke umgekehrt von allfälligen Zahlungen aus den Kapazitätsmechanismen profitieren. Dabei aber müsste ihre tatsächliche Verfügbarkeit berücksichtigt werden. Vor allem Pumpspeicherwerke mit gerin263


gem Speichervolumen könnten wohl nur einen Teil ihrer maximalen Leistung im Rahmen eines Kapazitätsmarktes anbieten. Schliesslich wären sie nicht fähig, ihre volle Erzeugungskapazität während mehrerer Tage oder gar Wochen aufrechtzuerhalten. Pumpspeicherwerke werden daher wohl auch in Zukunft eher vom Angebot im Markt für Systemdienstleistung profitieren als von allfälligen Zahlungen aus einem Kapazitätsmarkt – ein solcher könnte sich netto sogar negativ auf die Erträge auswirken. Aus einer schweizerischen Optik stellt sich ausserdem die Frage, ob inländische Wasserkraftwerke an allfälligen Kapazitätsmechanismen im benachbarten Ausland teilnehmen könnten. Vor allem dann, wenn in der Schweiz kein solcher Mechanismus installiert ist und gleichzeitig die Erträge aus dem Energiemarkt abnehmen, dürfen die Anreize gross sein, Kraftwerkskapazitäten grenzüberschreitend zu vermarkten. Mindestens theoretisch ist es denkbar, dass ihnen ein solcher Marktzugang gewährt wird. Allerdings bestehen relevante technische Barrieren. Einerseits müssten allfällige Beschränkungen im Zusammenhang mit den saisonal unterschiedlich knappen Kapazitäten im grenzüberschreitenden Übertrgagungsnetz (NTC) berücksichtigt werden. Anderseits muss davon ausgegangen werden, dass schweizerische Kraftwerke, die an ausländischen Kapazitätsmärkten teilnehmen, dazu verpflichtet werden, ihre Verfügbarkeit an den Knappheitssituationen im Aus-

264

land auszurichten. Besonders kritisch wäre das im Zusammenhang mit der Speicherbewirtschaftung. Dies könnte wiederum die Systemstabilität in der Schweiz gefährden – weshalb eine Intervention des inländischen Systemoperators nötig werden könnte. Und schliesslich dürfte ein grenzüberschreitendes Angebot in einem Kapazitätsmarkt den Abschluss eines bilateralen Energieabkommen Schweiz– EU voraussetzen.

Massachusetts Institute of Technology. California. Cramton, Peter und Steven Stoft (2008): Forward Reliability Markets: Less Risk, Less Market Power, More Efficiency. In: Utilities Policy, 16. 194–201. EWI, Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (2012): Untersuchungen zu einem zukunftsfähigen Strommarktdesign. Köln. Pfeifenberger, Johannes; Spees, Kathleen und Adam Schumacher (2009): A Comparison of

Literatur

PJM’s RPM with Alternative Energy and Capa-

ACER (2013): Opinion of the agency for the co-

city Market Designs. The Brattle Group. Prepa-

operation of energy regulators no. 05/2013 of 15

red for PJM Interconnection.

February 2013 on capacity markets. Ljubljana.

Siegmeier, Jan (2011): Kapazitätsinstrumente

Barrera, Fernando; Janssen, Matthias und Chris-

in einem von erneuerbaren Energien gepräg-

toph Riechmann (2011): Kapazitätsmärkte: Aus

ten Stromsystem. Dresden University of Tech-

der internationalen Praxis lernen? In: Energie-

nology, Chair of Energy Economics und Berlin

wirtschaftliche Tagesfragen 61, Heft 9. 8–12.

University of Technology, Workgroup for Infra-

BFE, Bundesamt für Energie (2012b): Elektrizi-

structure Policy (WIP). Electricity Markets Wor-

tätsstatistik 2011. Bern.

king Papers. WP-EM-45.

BFE, Bundesamt für Energie (2011): Elektrizi-

Tietjen, Oliver (2012): Kapazitätsmärkte: Hin-

tätsstatistik 2010. Bern.

tergründe und Varianten mit Fokus auf einen

Bidwell, Miles (2005): Reliability Options: A

emissionsarmen deutschen Strommarkt. Stu-

Markte-Oriented Approach to Long-Term Ade-

die. Germanwatch. Berlin.

quacy. IN: The Electricity Journal. Vol. 18, Issue

Meister, Urs (2013): Keine Energiewende im Al-

5. 11–25.

leingang: Wie die Schweiz mit Ökostrom und

Boltz, Walter (2013): Die Effizienz der Strom-

Kapazitätsmärkten umgehen soll. Diskussions-

märkte aus Sicht der Regulierungsbehörde.

papier. Avenir Suisse. Zürich.

Vorstand E-Control. Präsentation anlässlich der IEWT 2013 Wien. Cramton, Peter und Steven Stoft (2006): The Convergence of Market Designs for Adequate

Anschrift des Verfassers

Generating Capacity with Special Attention to

Dr. Urs Meister, Projektleiter und Mitglied des

the CAISO’s Resource Adequacy Problem. A

Kaders, Avenir Suisse

White Paper for the Electricity Oversight Board.

urs.meister@avenir-suisse.ch

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Dynamische Projektführung – das Mittel zum kostengünstigen Bau von Wasserkraftwerkanlagen Gianni Biasiutti, Daniel Fischlin

2.

Zusammenfassung Bei Planung und Bau grosser Prototypenanlagen besteht die Gefahr, Konzepte abseits der einfachsten Lösungen zu verfolgen, weil man nach Risikominimierung trachtet und sich an bewährten Lösungen orientiert. Wasserkraftanlagen sollten aber stets für die spezifischen örtlichen Gegebenheiten massgeschneidert werden, und für diesen Gestaltungsprozess greifen die klassischen Projektleitungsinstrumente zu kurz. Das Prinzip der dynamischen Projektführung versteht sich als Navigator zur einfachsten Lösung. Der Bauherr tritt in enger Zusammenarbeit mit den Funktionen zur generellen Planung und zur Bauleitung; er fällt die risikorelevanten Entscheidungen. Die Planer arbeiten ausschliesslich entlang der einfachsten Lösungen, für alles Weitergehende werden Optionen formuliert, über deren Aufnahme der Bauherr zeitnah entscheidet. Entlang der Projektbearbeitung wird der Lerneffekt ständig genutzt, um das Vorhaben in wiederkehrenden Reviews dynamisch zu optimieren. Die beauftragten Unternehmer werden mittels spezifischer Massnahmen in den Gestaltungsprozess eingebunden.

1. Einleitung Grosse Wasserkraftwerke sind Prototypen; sie werden unter spezifischen örtlichen Gegebenheiten für eine bestimmte Nutzungsabsicht massgeschneidert. Dies gilt sinngemäss auch für andere grosse Infrastrukturanlagen. Planung und Bau solcher Anlagen stellen die Projektführung vor besondere Herausforderungen – wenn es darum geht, eine Anlage so einfach und damit so kostengünstig wie möglich zu bauen. Die besondere Herausforderung beruht im Umstand, dass sich die Projektentwicklung nur beschränkt auf existierende Lösungskonzepte stützen kann. Jede Anlage ist ein Einzelfall, und die örtlichen Gegebenheiten, unter welchen die Anlage zu erstellen ist, werden naturgemäss erst im Laufe der Bearbeitung und Ausführung des Vorhabens vollends erfasst und verstanden. Das Finden der einfachsten Lösung kann sich deshalb nicht auf einen initialen Konzeptentscheid beschränken, sondern muss als Prozess von der Lancierung bis zur Fertigstellung verstanden werden – «Learning by Doing». Für die Bewältigung dieser spezifischen Herausforderung greifen die klassischen Projektleitungsinstrumente für Führung, Organisation, Steuerung und Cont-

rolling zu kurz. Sie sind zum grossen Teil notwendig, aber im Prototypenbau nicht hinreichend (im Gegensatz zum Systembau wie z.B. für Gaskraftwerke, Eisenbahnfahrzeuge u.a.m.). Als Erfolgsposition für den Bau kostengünstiger Wasserkraftanlagen wurde in der KWO ein ertüchtigtes Projektführungssystem aufgebaut. Dieses wird anschliessend vorgestellt. Die Anwendung der klassischen Projektleitungsinstrumente wird als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt und hier nicht weiter besprochen.

Die «statische» Projektführung als Kostentreiber Bauherren von Wasserkraft-Investitionsvorhaben verfügen oft nur über ein kleines Projekt-Führungsteam. Dieses leitet dann eine mehr oder weniger breit aufgestellte Organisation von beigezogenen Beratern, Planern, Experten, Bauleitern sowie beauftragten Unternehmern und Lieferanten. Der Bauherr definiert die Eckdaten und überträgt den Planern, Experten und Bauleitern die Abwicklung. Jeder dieser Mitspieler folgt dann seinen eigenen Motivatoren – und diese beinhalten bei keinem den Aspekt der einfachsten Lösung (siehe Tabelle 1). Lanciert wird ein Projekt mit einem Anlagenkonzept, bei dessen Entwicklung sich der Planer auf Erfahrungen aus Bauten an anderen Orten stützt. Das Anlagenkonzept wird zwar immer die Frucht einer ausgiebigen Variantenevaluation sein. Doch diese Evaluation kann nur auf der Grundlage des unvollständigen Anfangswissens zu den spezifischen Gegebenheiten erfolgen. Für grosse Wasserkraftwerke gibt es keine Systemlösungen, welche zur Duplizierung herangezogen werden können. Jedes Projekt ist hinsichtlich Topologie, Geologie, Hydrologie, Naturgefahren usw. einmalig und deshalb nicht von vorne-

Tabelle 1. Motivatoren!

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

265


Bild 1. Einfachste Lösung oder nicht? herein voll erfassbar. Folglich besteht das Risiko, dass sich die anfangs gewählten Lösungen letztlich als wirtschaftlich und evtl. auch technisch suboptimal erweisen. In die Entwicklung des Anlagenkonzepts fliessen alle vom Bauherrn explizierten und vom Planer implizit angenommenen Anforderungen ein. Dabei erfolgt in der Regel eine ausgesprochen konservative Interpretation der Sicherheitsvorschriften und technischen Regeln. Aufgrund der heute allseits üblich gewordenen Fokussierung auf Risiko- und Verantwortungsvermeidung wollen sich die Planer und Experten stets auf der «sichern Seite» bewegen. Ihr Streben geht nicht zur einfachsten Lösung, sondern zu der ihrer Meinung nach besten – einer sicheren, umfassenden, technisch «guten», flexiblen und evtl. auch honorareinträglichen. Im üblichen Ansatz der Projektführung bildet das zur Lancierung gewählte Anlagenkonzept eine feste Vorgabe, die in der Folge verfeinert und anschliessend auf geradem Wege ausgeführt werden soll. Der Fokus liegt dabei auf der Gewährleistung der Spezifikationen, der Sicherheit und der Vermeidung von Zusatzaufwand beim Bau, bzw. im Falle von unvermeidbarem Zusatzaufwand einer stichhaltigen Begründung desselben. Dadurch entsteht ein «Tunnelblick» von der Anfangslösung zur fertigen Anlage. Die Möglichkeiten zur Vereinfachung und zur Senkung des baulichen Risikos, welche man mit fortscheitender Erfahrung erkennt, können dabei nur beschränkt einfliessen. Änderungen des Projekts werden normalerweise eher als Störung denn als Chance verstanden, und sie verursachen in der üblichen Projektführung meist Mehraufwand. Das «Learning by Doing» kann so kaum Früchte tragen. Eine zusätzliche Tendenz zur Kosteneskalation ergibt sich aus dem Um266

Bild 2. Statische versus dynamische Projektführung. stand, dass die beauftragten Unternehmer nicht den Folgeauftrag sehen und meist kein Vertrauensverhältnis zum Bauherrn pflegen. Und nachdem sie in der Ausschreibung des Auftrags unter starkem Preisdruck standen, versuchen sie später die Vertragssumme durch Nachforderungen aufzuwerten. Besonders problematisch für den Prototypenbau sind Bauaufträge im Generalunternehmermodus. Diese stehen im grundsätzlichen Widerspruch zu einem Learning-by-Doing-Prozess: Jede Änderung führt hier unvermeidlich zu Mehrkosten – der «Tunnelblick» ist beim Generalunternehmervertrag systemimmanent. Oft werden Projekte vor dem Baubeschluss nochmals nach Einsparpotenzialen durchforstet und in der Folge vereinfacht. Allerdings, die nachtägliche Vereinfachung einer Planung mit opulentem Anforderungskatalog führt nicht zum gleichen Resultat wie die Entwicklung der einfachsten Lösung. Die klassische, statische Projektführung läuft also Gefahr, Lösungen umzusetzen, die sich schliesslich als nicht optimal erweisen – mindestens hinsichtlich der Kosten. 3.

Die Idee der dynamischen Projektführung Die dynamische Projektführung ist der Navigator zur einfachsten Lösung. Das Konzept versteht die Projektführung als einen Gestaltungsprozess: Statt der blossen «statischen» Umsetzung von Geplantem soll der Lerneffekt ständig genutzt und das Projekt «dynamisch» optimiert werden – von der initialen Idee bis zur Fertigstellung des Werkes. Dazu werden die kollektive Intelligenz und die Achtsamkeit aller Beteiligten aktiviert und Impulse zur Projektanpassung stimuliert. Es gilt das Prinzip: Alles, was noch nicht fertiggestellt

oder für einen Lieferanten definitiv spezifiziert ist, muss auf der Basis des laufenden Erkenntnisgewinns immer wieder in seiner Qualifikation als einfachste Lösung hinterfragt werden. Als einfachste Lösung wird jene verstanden, welche die Funktion, und nur die Funktion, mit dem tiefst möglichen Aufwand gerade erfüllt (sowie im Bedarfsfall die Voraussetzungen für eine behördliche Bewilligung). Die Lösung soll korrekt und dauerhaft sein, sie soll sich aber nicht an üblichen Konzepten und Standards orientieren. Sie soll in intelligenter Weise innovativ und einfach auf die spezifischen Gegebenheiten hin massgeschneidert sein. Hinsichtlich Sicherheit, Betrieb und Instandhaltung werden gewisse Unannehmlichkeiten zugunsten der Einfachheit bewusst in Kauf genommen. Tragbare Risiken werden nicht eliminiert. Der prioritäre Fokus liegt bei den Kosten. Plakativ kann man diese Idee folgendermassen charakterisieren: In der klassischen Projektführung fragt sich der Planer: «Haben wir an alles gedacht?» In der dynamischen Projektführung dagegen: «Haben wir schon alles weggelassen (was die Funktion nicht unbedingt erfordert)?» Die Budgetierung erfolgt mit Expertenwissen, aber ohne Reserven, d.h. als fundierte, realistische, aber ehrgeizige Zielsetzung. In der Ausführung soll es keine Budgetüberschreitungen geben, unvermeidbarer Zusatzaufwand wird anderenorts durch die laufenden Projektoptimierungen kompensiert. Die Position «Unvorhergesehenes» wird primär als Chance zur Senkung der Kosten dank des Lerneffekts verstanden. Im Budget hat diese Position den «Mittelwert» Null. Ziel ist stets, die Rechnung unter dem Budget abzuschliessen.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Bild 3. Bauherr, Planer, Bauleitung und Projektleitung diskutieren über die vorgeschlagenen Optionen.

4.

Methoden der dynamischen Projektführung

4.1 Gestaltungsprozess Im Verständnis der dynamischen Projektführung bildet der Bauherr zusammen mit den Funktionen «generelle Planung/ Expertise» und «Bauleitung» eine Einheit. Diese beiden Funktionen muss der Bauherr mit eigenen hochqualifizierten Mitarbeitern abdecken. Falls dies nicht möglich ist, müssen die entsprechenden externen Ressourcen seiner direkten Führung unterstellt werden. In diesem Dreiergespann tritt der Bauherr nicht nur als Projektleiter auf, sondern auch als Verantwortungsträger für sämtliche Gestaltungsentscheide (basierend auf den Vorschlägen der Planer und Bauleiter). Der Gestaltungprozess bedingt einen spontanen, häufigen und intensiven Austausch im erwähnten Dreiergespann. Gegenstand des Austauschs sind die Optionen sowie Einfachheits- und Verzichtsvorschläge der Planer/Experten und Bauleiter, über welche der Bauherr in einer Kosten-Nutzen/Risiko-Abwägung entscheidet. Der ständige direkte Kontakt der handelnden Funktionen mit der risikotragenden Funktion, dem Bauherrn, öffnet den Weg zur einfachsten Lösung. Der Gestaltungsprozess gliedert sich in drei Phasen: • Entwicklung der Anfangslösung, welche für die Lancierung des Vorhabens sowie das Bewilligungsgesuch benötigt wird:

Die Planer/Experten haben den Auftrag, losgelöst von Standardkonzepten das gemäss anfänglichem Kenntnisstand einfachste Konzept aus den sich bietenden Möglichkeiten herauszuschälen. Zu jenen Aspekten, bei welchen ihrer Ansicht nach weitergehende Anforderungen z.B. hinsichtlich Sicherheit, Betrieb und Instandhaltung aufgenommen werden sollten, formulieren sie Optionen mit Angabe von Inhalt und Kosten. Der Bauherr bewertet dann die Optionen und entscheidet über deren Aufnahme oder Verzicht. (NB: Bei der klassischen Projektführung entwickeln die Planer Varianten und evaluieren sie im Rahmen verschiedener Eignungskriterien. Bei der dynamischen Projektführung beurteilen die Planer die sich bietenden Möglichkeiten ausschliesslich nach dem Kriterium der einfachsten Lösung; sie arbeiten diese aus und verlagern alles Weitergehende in Optionen.) Vertiefung und Detaillierung der Lösung für Ausschreibung und Baubeschluss: Die Planer/Experten greifen die entlang der Bearbeitung des Projekts sich zeigenden Möglichkeiten zur weiteren Vereinfachung auf, klären sie hinsichtlich Kosteneinsparungen, Risiken und Konsequenzen ab und unterbreiten sie dem Bauherrn als Vorschlag zum Entscheid.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

Bild 4. Der Polier schlägt dem Bauleiter eine Vereinfachung der Ortsbrustsicherung vor. •

Bauausführung: Die Bauleiter halten entlang der Bauausführung ständig Ausschau nach möglichen Massnahmen, mit welchen die Baukosten gesenkt werden können. Soweit diese Massnahmen die Funktion und das Risiko nicht tangieren, setzen sie sie sofort um, andernfalls unterbreiten sie sie dem Bauherrn zum Entscheid. Die beauftragten Unternehmer werden angehalten, sich an diesem Prozess mit eigener Initiative zu beteiligen (zur Motivation siehe Abs. 4.3).

4.2 Führung der Projektmitarbeiter Aufgrund der heutigen Ausbildungen und Erfahrungen sind Ingenieure fokussiert auf Sicherheit, technische Vollständigkeit. Das Gedankengut der dynamischen Projektführung steht hierzu im Gegensatz. Es bedarf deshalb einer eingehenden Instruktion der involvierten Mitarbeiter. Ausgangspunkt ist das Bekenntnis des Bauherrn, grundsätzlich nichts mehr als die Funktion anzustreben. In diesem Sinne ergeht der Auftrag an die Planer, die einfachste Lösung zu entwickeln und sie im Fortgang der Bearbeitung sukzessive weiter zu vereinfachen. In allen Aspekten, die über die Funktion hinausgehen bzw. Risiken beinhalten, stehen die Planer in der Pflicht, den Bauherrn lückenlos zu beraten und Vorschläge zu unterbreiten. Die Entscheide hierzu obliegen aber ausschliesslich dem Bauherrn.

267


Die dynamische Projektführung erfordert ein konsequentes Verhalten in der Führung. Keinesfalls darf die Führung im Streben nach einfacher Lösung selber in die Rolle des Vereinfachers schlüpfen. Sie muss den Prozess gemäss Abschnitt 4.1 einfordern, denn die gesuchte Lösung ist nicht eine gekappte Gross-Lösung sondern eine innovative Klein-Lösung. Diese Innovationsleistung ist die zentrale Aufgabe der Fachleute. Und die Fachleute müssen ihre Motivation aus eben dieser intelligenten Leistung schöpfen (und nicht aus der Freude an einer allumfassenden Lösung). Die Lebhaftigkeit der dynamischen Projektführung äussert sich im ständigen Austausch zwischen den Handelnden und der Entscheidungsinstanz, dem Bauherrn. In der ersten Phase betrifft dieser Austausch die Beurteilung der Anfangslösung und der dazu formulierten Optionen, in den anschliessenden Phasen die Vorschläge zur Vereinfachung. Auf diese Weise finden immer wieder Projekt-Reviews statt, getrieben vom wachsenden Erkenntnisstand. Die Führung hält die Häufigkeit und Qualität dieses Austauschs ständig im Auge und interveniert bei allfälligem Abklingen. Beigezogene externe Planer werden in der gleichen Weise eingebunden. Um dies zu ermöglichen, erfolgt deren Honorierung mit pauschalen Beträgen, d.h., sie ist nicht an die Bausumme geknüpft. Eine Erfolgsbeteiligung in Bezug auf einen definierten Budgetwert kann zweckmässig sein. 4.3

Die beauftragten Unternehmer im selben Boot Voraussetzung für die Einbindung der Unternehmer in den Gestaltungsprozess ist ein partnerschaftliches Verhältnis frei von Streitigkeiten. Die Motivation der Unternehmer an diesem Prozess teilzunehmen ist: eine kostenoptimale Bauausführung, die Unterschreitung des Kostenvoranschlags als Spielraum des Bauherrn bei der Abgeltung von Zusatzaufwand sowie der Folgeauftrag. Die Möglichkeit zur erfahrungsgetriebenen Optimierung der Ausführung muss bereits in die Ausschreibung einfliessen (verbreitertes Spektrum von Einheitspreisen, wenig Pauschalisierung, keine Generalpreise, Vorbehalt zur Änderung des Leistungsverzeichnisses, Einladung für Unternehmervarianten). Um den Motivator des Folgeauftrags zur Geltung zu bringen, werden die Arbeiten so weit wie möglich und sinnvoll in Lose eingeteilt und zeitlich gestaffelt. 268

Dabei muss der Bauherr die Koordination und das Risiko der Schnittstellen mittragen. Eine Schlüsselrolle kommt den Bauleitern zu: Mit hoher Fachkompetenz, zu Entscheidungen befähigt und mit grosser zeitlicher Präsenz vertreten sie den Bauherrn vor Ort. Sie sorgen für zeitnahe Erfassung der Ausmasse, rasche Entscheide bei Interpretationsdifferenzen sowie für den kreativen Austausch in Bezug auf Möglichkeiten zur Vereinfachung oder Optimierung der Ausführung. Bei Mehraufwand (z.B. infolge geologischer Schwierigkeiten, Wassereintritt u. dgl.) strebt der Bauherr eine schnelle Einigung mit dem Unternehmer an. Dabei darf Letzterer davon ausgehen, dass der Spielraum für die Einigung umso grösser ist, je tiefer die aufgelaufenen Kosten unter dem Voranschlag liegen – dank vorangegangener Optimierungen. Für schwierige Fälle muss eine Schlichtungsstelle auf Abruf bereitstehen. 4.4

Beste Angebote der Komponentenlieferanten Ziel der Komponentenbeschaffung ist, die technischen Fähigkeiten und preislichen Vorteile der Lieferanten bestmöglich zu nutzen. Den verschiedenen Lieferanten soll ermöglicht werden, ihre besten Angebote zu unterbreiten. Deshalb werden in den Ausschreibungen die technischen Spezifikationen auf die wirklich wichtigen Daten und Bedingungen beschränkt. Was nicht unbedingt vorgeschrieben sein muss, soll offen bleiben. Ausserdem werden die Lieferanten dazu angehalten, Optimierungsvarianten einzubringen. 5. Schlusswort Der Begriff «dynamische Projektführung» steht für ein Konzept der Entwicklung und Realisierung von Prototypenanlagen, welches die einfachste Lösung als oberstes Ziel definiert und den Weg dorthin als einen Gestaltungsprozess versteht. In diesem Prozess unterliegt das Vorhaben ständigen Reviews, getrieben vom Gewinn an Erfahrung im Laufe der Projektbearbeitung. Voraussetzung für diesen Gestaltungsprozess ist die direkte Führung der Planer/Experten und Bauleiter durch den Bauherrn sowie eine klare Aufgabenteilung: Die Handelnden schlagen vor, der Bauherr als Risikoträger entscheidet. Die einfachste Lösung als oberste Zielsetzung im Bau einer Wasserkraftanlage ist eigentlich nichts Neues. Früher, in der Pionierzeit des Wasserkraftbaus, war die einfachste Lösung eine Selbstver-

ständlichkeit – zu mehr hätte man weder die technischen noch die finanziellen Mittel gehabt. In dieser Weise sind die meisten der existierenden Wasserkraftwerke gebaut worden, und sie verrichten beste Dienste. Mit dem Umstand, dass manches etwas unkomfortabel bzw. risikoreicher gelöst wurde und die Instandhaltung zuweilen mehr Aufwand erfordert, kann man leben. Heute allerdings sind die Bauherren oft mehr Wirtschafter als technische Pioniere, und sie nehmen primär die Risiken in den Fokus. Bei den Ingenieuren hat ein umfassendes Sicherheitsdenken Einzug gehalten. Und die Auftragnehmer sind ausgeprägte Interessengegenspieler. Daraus entsteht eine Tendenz zur Kosteneskalation, deren Wurzeln auch das beste Controlling nicht auszureissen vermag. 6. Ein alternativer Vorschlag Ein andersartiges Konzept, bezeichnet als «Projektbündnis oder Projektallianz», mit ähnlicher Zielsetzung, nämlich der Überwindung der Kosteneskalation bei der Realisierung grosser Infrastrukturvorhaben, findet sich in der Literatur: Bertram Zichel: «Von der australischen Project Alliance zum Schweizer Projektbündnis», BR/DC 1/2013. Kernpunkt dieses Konzepts ist die Bildung eines formalen Bündnisses aller Beteiligten im Anfangsstadium des Vorhabens. Dabei werden Zielwerte für Technik und Kosten definiert, nach denen sich auch die Entschädigung im BonusMalus-System richtet. Für das Erreichen der Zielwerte sind dann alle Beteiligten verantwortlich und interessiert. Stärke dieses Konzepts ist die Beseitigung des Interessengegensatzes zwischen Bauherrn und Aufragnehmern. Schwächen sind die frühzeitige Bindung, der aufwendige Prozess, sowie die Konflikte mit den Verordnungen des öffentlichen Beschaffungswesens. Dieses Konzept dürfte eher dann in Betracht kommen, wenn das zu realisierende Vorhaben nicht in Lose aufgeteilt und gestaffelt werden kann und wenn der Bauherr wenig eigene Ressourcen und Expertise besitzt. Anschrift der Verfasser Gianni Biasiutti und Daniel Fischlin, KWO, Kraftwerke Oberhasli AG, Innertkirchen bia@kwo.ch

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Phase 2a: Konstruktion repräsentativer Abflussganglinien für künftige Zustände Steffen Schweizer, Martin Bieri, Diego Tonolla, Judith Monney, Matthias Rouge, Pascal Stalder

Zusammenfassung Basierend auf zahlreichen und umfassenden ökologischen Untersuchungen konnte die Vollzugshilfe des Bundesamts für Umwelt «Sanierung Schwall/Sunk – Strategische Planung» für die Hasliaare vollständig angewendet werden. Mehrere Indikatoren zeigten dabei eine Sanierungspflicht an. Unabhängig vom 2011 revidierten Gewässerschutzgesetz begann die Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) vor mehreren Jahren mit der Planung zur Erweiterung der Zentrale Innertkirchen 1. Dieser Kraftwerksausbau würde ohne Gegenmassnahmen die künstlichen Pegelschwankungen prinzipiell verschärfen. Wie die verschiedenen Untersuchungen zeigen, kann insbesondere mit einer Reduktion der Schwall- und Sunkraten eine ökologische Verbesserung erreicht werden. Technisch lässt sich dies mit einem zwischen Turbinenausfluss und Wasserrückgabe geschalteten Speicher umsetzen. Die Dämpfungsmöglichkeiten hängen dabei sowohl vom zur Verfügung stehenden Speichervolumen als auch von der Art der Speichersteuerung und den Durchflussmengen ab. Im Fall der Hasliaare wurden drei Zustände hydrologisch untersucht: heutige Situation (I), künftig mit Kraftwerksausbau ohne (II), respektive mit (III) Zwischenspeicher. Ausgehend von den Winterabflüssen 2008–2012 (Szenario I) wurde in einem ersten Schritt der Einfluss des geplanten Kraftwerksausbaus auf das Betriebsregime abgeschätzt (Szenario II). Auf Basis dieser Ganglinie wurden Simulationsrechnungen für verschiedene Speichervolumina mit einem Volumen zwischen 50 000 und 100 000 m3 (Szenarien IIIa–IIId) durchgeführt. Abschliessend wurden für alle Zustände die wichtigsten Schwallkennwerte (minimaler und maximaler Abfluss, Schwall- und Sunkrate) statistisch ausgewertet (95%- und 100%-Perzentile). Auf Basis dieser hydrologischen Ergebnisse liessen sich die ökologischen Auswirkungen von verschiedenen Szenarien gezielt abschätzen.

1. Einleitung Wasserkraftwerke mit grossen Speicherseen sind in der Lage, ihre Stromproduktion den Bedürfnissen des Strommarktes anzupassen. Dadurch ergibt sich häufig eine sehr unregelmässige Wasserrückgabe, die künstliche Pegelschwankungen (Schwall/Sunk) im Vorfluter (Schwallstrecke) zur Folge hat. Aus ökologischer Sicht sind vor allem die Geschwindigkeit der Abflusszu- und -abnahme (Schwall-/ Sunkraten) sowie die minimal und maximal auftretenden Abflüsse in der Schwallstrecke entscheidend. Mit der 2011 in Kraft ge-

Abstract Several intense ecological studies meeting the guidelines of the Swiss Federal Office for Environment FOEN on «Hydropeaking Mitigation – Strategic Planning» have been implemented into the case study of the Hasliaare River. This includes the application of multiple guideline indicators demonstrating the necessity for mitigation strategies of hydropeaking in this river. Prior to (and independent of) the changes in the water protection law (2011) the Kraftwerke Oberhasli (KWO) begun the planning to redesign the power station at Innertkirchen, thereby already integrating mitigation measures to decrease artificial fluctuations in the flow regime as a prerequisite for the expansion of the power station. As demonstrated by the results of the studies, a reduction of the up- and down-ramping rates is expected to significantly improve ecological conditions. This can be accomplished with an increased storage volume between the power plant outlet and the Hasliaare river. The effectiveness of hydraulic dampening depends on the available volume, the production of electricity and the discharge in the Hasliaare river. Three hydrological scenarios were considered: the status quo (I), future situation including an expanded power plant without storage (II), and with storage (III). Based on the winter flow rates from 2008–2012 (scenario I) first comparisons were made considering operational changes due to the expansion (scenario II). Based upon this hydrograph, simulations were done for a range of storage volumes between 50 000 and 100 000 m3 (scenarios IIIa–IIId). Additionally, key hydropeaking related factors (minimum and maximum flow rate, up- and down-ramping rate) were determined statistically (95th and 100th percentiles). Based on these studies the forecast of ecological impacts for each scenario could be improved significantly.

tretenen Revision des Gewässerschutzgesetzes (GSchG) sollen unter anderem die wesentlichen Beeinträchtigungen durch Schwall/Sunk behoben werden. Dafür sind in erster Linie bauliche Massnahmen (z.B. Beruhigungsbecken zur Reduktion der Schwall- und Sunkraten oder Direktableitung in ein grösseres Gewässer) geplant. Auf Antrag des Kraftwerkbetreibers sind allerdings auch betriebliche Massnahmen (Einhaltung von Grenzwerten bei der Wasserrückgabe) oder Kombinationen mit baulichen Sanierungen möglich.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

2.

Heutige gewässerökologische Situation in der Hasliaare (Zustand I)

Die Schwallstrecke Unterhalb der Wasserrückgabe in Innertkirchen verläuft die Hasliaare bis zur Mündung in den Brienzersee als Schwallstrecke. Morphologisch lässt sich das Gewässer in vier unterschiedliche Abschnitte gliedern: • Buhnenstrecke in Innertkirchen (Länge 0.7 km) • Aareschlucht (Länge 1.9 km) 269

Schwall/Sunk – Hasliaare

Schwall/Sunk-Sanierung in der Hasliaare


Schwall/Sunk – Hasliaare

die Schwall- und Sunkrate bestimmt. Hinsichtlich dieser Kennwerte besteht nur für den minimalen Abfluss eine Regelung mit dem Kanton, die einen Mindestdurchfluss von 3 m3/s (100%-Perzentil) in der Aare vorschreibt. Auf der insgesamt rund 16 km langen Schwallstrecke verringern sich die Schwall- und Sunkraten (infolge grossmassstäblicher Fliesswiderstände) und erhöht sich der maximale Abfluss (infolge seitlicher Zuflüsse). In der Niedrigwasserperiode fallen die seitlichen Zuflüsse im Längsverlauf hingegen sehr gering aus, sodass sich der minimale Abfluss nur geringfügig erhöht (Tabelle 1).

Bild 1. Seeforelle in der Hasliaare (Foto: D. Göz). •

Kiesbankstrecke in Meiringen (Länge 1.4 km) • Kanal zwischen Meiringen und Brienzersee (Länge 11.5 km). In der Schwallstrecke kommen Bach- und Seeforellen (Bild 1), Groppen sowie vereinzelt Trüschen und Bachsaiblinge vor. Maximale Betriebswassermenge heute und nach Kraftwerkserweiterung Heute beträgt die maximal mögliche Betriebswassermenge in den Zentralen in Innertkirchen 70 m3/s (40 m3/s in Innertkirchen 1 und 30 m3/s in Innertkirchen 2). Bereits vor mehreren Jahren begann die Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) mit der Planung zur Erweiterung der Zentrale Innertkirchen 1 (Schweizer et al. 2012a). Mit dem Kraftwerksausbau wird die maximale Durchflussmenge auf 95 m3/s erhöht (+25 m3/s in Innertkirchen 1). Ökologische und hydrologische Vorarbeiten für eine Defizitanalyse Im Vorfeld der Kraftwerkserweiterung wurden zahlreiche gewässerökologische Untersuchungen zum Themenkomplex Schwall/Sunk in der Hasliaare durchgeführt (Schweizer et al. 2010, Schweizer et al. 2013a). Basierend auf den Erkenntnissen dieser Arbeiten lassen sich die heutigen Auswirkungen des künstlichen Abflussregimes auf die Gewässerökologie qualitativ und semiquantitativ beschreiben. Damit war auch eine vollständige Anwendung der Vollzugshilfe des Bundesamts für Umwelt (BAFU) «Sanierung Schwall/Sunk – Strategische Planung» möglich (Baumann et al. 2012). Die Bewertung der Indikatoren erfolgte durch ein Expertenteam (Limnex, Büsser, Eawag, EPFL-LCH, Schneider & 270

Jorde Ecological Engineering) und wurde mit einer Begleitgruppe (BAFU und Amt für Wasser und Abfall des Kantons Berns) abgesprochen (Schweizer et al. 2013b). Für die ökologische Bewertung wurde vor allem auf die Winterabflüsse zurückgegriffen, da in der Niedrigwasserperiode die stärksten Änderungen des Abflussregimes auftreten (Schweizer et al. 2013b). Seit 2008 bietet die KWO sogenannte Systemdienstleistungen an. Mit dieser Dienstleistung verpflichtet sich ein Kraftwerk, bei einem Stromüberschuss oder -mangel im Netz innerhalb kurzer Zeit regulatorisch einzugreifen. Im Fall der KWO hat dies zu markanten Änderungen im Betriebsregime geführt. Mit der geplanten Energiewende wird diese Art der Kraftwerkssteuerung tendenziell zunehmen. Aus diesen Gründen beschloss die Begleitgruppe, dass die winterlichen Abflüsse von 2008 bis 2012 für die ökologischen Beurteilungen als Grundlage verwendet werden. Für die Konstruktion einer repräsentativen Abflussganglinie wurden die 95%- und 100%-Perzentile (basierend auf den täglichen Extremwerten) für den minimalen/maximalen Abfluss sowie für

Ergebnisse der Defizitanalyse gemäss BAFU-Vollzugshilfe Die Bewertung einzelner Indikatoren (F2 Stranden von Fischen, F3 Laichareale für Fische, F5 Fischereiliche Produktivität) basiert auf der o.g. repräsentativen Abflussganglinie. An insgesamt drei Stellen in der Schwallstrecke (Buhnen-, Kiesbank- und Kanalstrecke) wurde die Bewertung der BAFU-Vollzugshilfe vollständig durchgeführt. Insgesamt zeigen sieben Indikatoren einen guten oder sehr guten, drei einen mässigen und jeweils ein Indikator einen unbefriedigenden, bzw. einen schlechten Zustand an (Limnex 2012, Schweizer et al. 2013b). Mit der Klasse gelb (mässig) wurden die Indikatoren Biomasse des Makrozoobenthos (B1), Modulstufenkonzept Modul Fische (F1) sowie Stranden von Fischen (F2) beurteilt. Als ökologisch stark beeinflusst wurden die Indikatoren Fischereiliche Produktivität (F5) (unbefriedigend) und die Reproduktion der Fische (F4) (schlecht) eingeschätzt. Basierend auf den Aggregationsregeln des BAFUBewertungssystems liegt für die Gesamtbeurteilung somit eine wesentliche Beeinträchtigung durch Schwall und Sunk vor. Bedeutung der Morphologie bei der Bewertung Allerdings muss bei der Interpretation dieser Indikatoren auch der Einfluss der

Tabelle 1. Absolute und relative Veränderungen der hydrologischen Schwallkennwerte im Längsverlauf der Hasliaare aufgrund von Zuflüssen und grossmassstäblicher Fliesswiderstände (jeweils auf die 95%-Perzentile bezogen). «Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Schwall/Sunk – Hasliaare

Morphologie berücksichtigt werden (Bieri 2012, Person et al. 2013). Die mässig bis stark eingeschränkte morphologische Vielfalt (vgl. Bild 2) lässt in der Hasliaare bei den Indikatoren F1, F4 und F5 auch bei einem natürlichen Abflussregime keine oder nur eine geringfügig bessere Bewertung zu (Limnex 2012). Im Rahmen der Hochwasserschutzkonzepte Innertkirchen und Meiringen bis Brienzersee sowie im Zuge des Investitionsprogramms KWO plus sind für die nächsten Jahre verschiedene morphologische Aufwertungen in der Schwallstrecke vorgesehen (Schweizer et al. 2012b). Für eine ökologisch wirksame Verbesserung der Indikatoren F1, F4 und F5 bedarf es in jedem Fall aber auch einer gleichzeitigen Sanierung des Abflussregimes. 3.

Bild 2. Kanalisierter Abschnitt der Hasliaare kurz oberhalb der Mündung in den Brienzersee, Blick flussaufwärts.

3.1

licht daher nur ein relativ kleines Beckenvolumen von rund 18 000 m3. Als zusätzliches Speichervolumen kommt somit nur ein unterirdischer Stollen zwischen dem Kraftwerk Innertkirchen 1 und der heutigen Wasserrückgabe in Betracht (Schweizer et al. 2013c). Unter Berücksichtigung des Kosten/Nutzen-Verhältnisses und den landschaftlichen Rahmenbedingungen für die Deponierung des Ausbruchmaterials ist ein zusätzliches unterirdisches Speichervolumen bis etwa 80 000 m3 als realistisch zu betrachten.

Ausarbeitung verschiedener Sanierungsoptionen (Phase 2 der S/S-Sanierung) Liegt wie im Fall der Hasliaare eine wesentliche Beeinträchtigung des Abflussregimes vor, sieht der gesetzliche Vollzug der Schwall/Sunk-Sanierung eine Ausarbeitung verschiedener Massnahmenvarianten durch den Kraftwerksbetreiber vor (Phase 2). Die verschiedenen Varianten werden dann hinsichtlich finanziellem Aufwand und ihrer ökologischen Wirkung bewertet. Variante 1: Direktableitung (verworfen) Grundsätzlich könnte im Fall der Hasliaare das Abflussregime mit einer Direktableitung des turbinierten Wassers in den Brienzersee erfolgen. Diese Option erfordert allerdings einen über 16 km langen Stollen zwischen der bestehenden Wasserrückgabe in Innertkirchen und dem Brienzersee. Selbst bei einer Ausnützung des bestehenden Gefälles zur Stromproduktion wäre diese Sanierungsoption mit unverhältnismässig hohen Kosten verbunden. Daher konzentrierten sich die weiteren Abklärungen auf den Bau von Ausgleichspeichern zwischen Turbinenausfluss und Vorfluter. 3.2

Wirkung eines Ausgleichspeichers Bei einer schnellen Steigerung der Stromproduktion kann ein Teil des turbinierten Wassers im Speicher zwischengelagert und auf diese Weise verzögert in die Schwallstrecke abgegeben werden (Bild 3). Im Vorfluter führt dies zu einer langsameren Abflusszunahme. Im entgegengesetzten Fall kann bei einer abrupten Reduktion der Stromproduktion Wasser aus dem Speicher verwendet werden, um den

Abflussrückgang in der Schwallstrecke zu verlangsamen. Damit bleiben den Fischen und Wirbellosen längere Reaktionszeiten, um sich auf die Veränderungen des Abflusses einzustellen. Bei einer ausreichenden Dämpfung können sich die aquatischen Organismen rechtzeitig in die Sohle oder an eine andere Stelle im Gewässer zurückziehen. So kann zum Beispiel das Risiko des Strandens minimiert und die Anzahl abgeschwemmter Tiere deutlich reduziert werden (Limnex 2009). Aufgrund der relativ hohen Betriebswassermenge und des beschränkten Speichervolumens ist es nicht möglich, den minimalen Abfluss über grössere Zeiträume aufzustocken oder länger andauernde Abflussspitzen mit Werten über 40 m3/s zu reduzieren. Allerdings haben die umfangreichen gewässerökologischen Studien gezeigt, dass im Fall der Hasliaare eine ökologische Verbesserung mit einer Reduktion der Schwall- und Sunkraten erreicht werden kann (Limnex 2012, Schweizer et al. 2013b, 2013c).

Variante 2: Bau eines Ausgleichspeichers zwischen Krafwerksausfluss und Wasserrückgabe (weiterverfolgt)

Räumliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen Im Bereich der Wasserrückgabe ist der für ein Beruhigungsbecken zur Verfügung stehende Raum eingeschränkt und ermög-

Bild 3. Schematische Darstellung der Wirkung eines zwischen Kraftwerk und Vorfluter geschalteten Ausgleichspeichers.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

271


Schwall/Sunk – Hasliaare

Konkrete Sanierungsplanung mit vier Varianten Die hydrologische Wirkung eines Speichers hängt direkt vom zur Verfügung stehenden Volumen ab. Folgende realistische Massnahmenvarianten (Kap. 3.2) wurden näher untersucht: • VIIIa = 50 000 m3 (wie vor der Revision des GSchG vorgesehen; Schweizer et al. 2008) (Zustand IIIa) • VIIIb = 60 000 m3 (Zustand IIIb) • VIIIc = 80 000 m3 (Zustand IIIc) • VIIId = 100 000 m3 (Zustand IIId)

tisch dargestellt, um die ökologische Wirkung der verschiedenen Sanierungsvarianten möglichst gut abzuschätzen. Während die Stufen (a) und (b) bereits in Kap. 2 sowie in Schweizer et al. (2013b) beschrieben sind, wird das Vorgehen für die Schritte (c) und (d) in den beiden folgenden Unterkapiteln (4.1 und 4.2) detailliert dargestellt. Diese ersten vier Schritte sind eine wichtige Grundlage für eine abschliessende ökologische Bewertung (e) (Schweizer et al. 2013c). 4.1

4.

Abschätzung und Bewertung zukünftiger Zustände Ziel der weiteren Untersuchungen war es, das Speichervolumen zu bestimmen, das bei einem verhältnismässigen Aufwand die Sanierungspflicht möglichst erfüllt. Allerdings bestehen aktuell noch Wissenslücken, um die Zusammenhänge zwischen Abflussregime, Morphologie und Gewässerökologie hinreichend genau beschreiben zu können, insbesondere für die Prognostizierung künftiger Zustände (Bruder et al. 2012a und 2012b). Daher musste bei den weiteren Schritten auf den heutigen Kenntnisstand und in bestimmten Fällen auf Vereinfachungen zurückgegriffen werden. In Bild 4 ist das Vorgehen schema-

Zustand II: Ausbau KW Innertkirchen 1 ohne Zwischenspeicher Die Begleitgruppe und die Branchenvertreter diskutierten, welche Auswirkungen die Erhöhung der maximalen Betriebswassermenge auf das künftige Abflussregime haben könnte. In einem ersten Schritt wurde beschlossen, die Winterabflüsse der Jahre 2008 bis 2012 als Grundlage zu verwenden (Kap. 2). Daran anschliessend wurden verschiedene Varianten zur Simulation des künftigen Betriebsregimes näher untersucht (Stalder & Rouge 2012). Dabei wurden jeweils die täglichen Maximalabflüsse aus den Turbinen auf verschiedene Arten erhöht (Szenarien IIA–IID). Dies führte bei den Szenarien zu grösseren täglichen Betriebswassermengen. Da die

daran anschliessende Datenanalyse ausschliesslich auf Extremwerte (95%- und 100%-Perzentile) fokussiert, konnte auf einen volumenneutralen Ausgleich, bzw. auf eine ausgeglichene Wasserbilanz bei den Szenarien verzichtet werden. Szenario IIA: Generelle Erhöhung der maximalen Tagesabflüsse um jeweils 25 m3/s Diese Simulationsvariante geht davon aus, dass künftig in den Zentralen in Innertkirchen die Stromproduktion mindestens einmal am Tag wesentlich erhöht wird. Dadurch kommt es zu einem starken Anstieg der täglichen Maximalabflüsse (jeweils +25 m3/s) sowie der Schwallraten (+100%) (Tabelle 3). In den tiefen Abflussbereichen (< 8.1 m3/s), bei denen ein Stranden von Fischen möglich ist, verbleiben die Sunkraten gegenüber heute unverändert. Die hier vollzogenen Anpassungen sind als Grenzfall zu betrachten, da bei diesem Szenario alle täglichen Maximalabflüsse erhöht wurden, obwohl unter den damals bestehenden Kraftwerksbedingungen bereits deutlich höhere Stromproduktionen möglich gewesen wären. Daher kann davon ausgegangen werden, dass vom Kraftwerksbetrieb in der Mehrheit der Fälle auch künftig keine Erhöhungen in diesem Ausmass vorgenommen werden. Szenario IIB: Generelle Erhöhung der maximalen Abflüsse um den Faktor 95/70 In dieser Variante wird davon ausgegangen, dass die aufgetretenen Maximalabflüsse entsprechend dem Ausbauverhältnis (künftig 95 m3/s, heute 70 m3/s = 95/70 = 1.35) höher ausfallen. Aus ökologischer Sicht handelt es sich auch hier um ein tendenziell pessimistisches Szenario, da wie beim Szenario IIA alle täglichen Maximalabflüsse erhöht werden. Insgesamt fallen die hydrologischen Kennwerte aber deutlich moderater aus als bei Szenario IIA (Tabelle 3).

Bild 4. Mehrstufiges Vorgehen für eine Abschätzung der ökologischen Wirkung künftiger Zustände. Qmin = minimaler Abfluss, Qmax = maximaler Abfluss, ΔQmax = Schwallrate, ΔQmin = Sunkrate. 272

Szenario IIC: Beschreibung der künftigen Ganglinie mit einer Normalverteilung Für dieses Szenario wurden die winterlichen Abflussganglinien von 2008 bis 2012 hinsichtlich Mittelwert, Standardabweichung und Anzahl der Wendepunkte im Abfluss statistisch ausgewertet. Mit diesen Parametern wurde eine Normalverteilung definiert, wobei die Standardabweichung um den Faktor 95/70 erhöht wurde. Wie die Werte in Tabelle 3 zeigen, gab es bei diesem Ansatz nur einen vernachlässigbaren Effekt auf die maximalen Abflüsse. Aufgrund der Kantonsregelung

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Szenario IID: Abgestufte Erhöhung der maximalen Tagesabflüsse Grundsätzlich kann das künftige Betriebsregime auch mit einer selektiven Erhöhung der maximalen Tagesabflüsse beschrieben werden (Tabelle 2). In Absprache mit der Begleitgruppe erfolgte eine Erhöhung der Abflüsse bei Betriebswassermengen von über 34 m3/s, wenn in der Vergangenheit etwa 50% des damals möglichen Potenzials für die Stromproduktion ausgeschöpft wurde. Eine vollständige Erhöhung um 25 m3/s wurde bei Abflüssen über 54 m3/s vorgenommen (bei rund ¾ des in der Vergangenheit bestehenden Potenzials). Allerdings wurde die maximal mögliche Betriebswassermenge von 70 m3/s seit 1990 nur zweimal erreicht und lag zwischen 2005 und 2012 stets unter 60 m3/s. Damit dürfte diese Variante das künftige Betriebsregime tendenziell ebenfalls mit etwas zu hohen Maximalabflüssen be-

schreiben. Falls der künftige Strommarkt unerwartet zu höheren Durchflussmengen führen sollte, dürfte dieses Szenario das künftige Betriebsregime allerdings immer noch realistisch abbilden. Daher wurde gemeinsam mit dem Expertenteam und der Begleitgruppe beschlossen, die weiteren Untersuchungen mit Szenario IID fortzuführen. Insgesamt fallen die 95%-Perzentile der maximalen Abflüsse und der Schwallraten etwas höher aus als bisher, während der Minimumabfluss und die Sunkraten unverändert bleiben (Tabelle 3). 4.2

Zustand IIIa – IIId: Ausbau KW Innertkirchen 1 mit verschieden grossen Zwischenspeichern Basierend auf den Abflussganglinien von Szenario IID wurden in einem nächsten Schritt verschiedene Speichervolumina zwischen den Zentralen in Innertkirchen und der Wasserrückgabe in die Aare geschaltet (Kap.3.2). 4.2.1 Technische und ökologische Aspekte der Beckensteuerung Vorhersagezeit für Speichersteuerung Aufgrund von netzregulierenden Dienstleistungen (Kap. 2) bestehen bei der Stromproduktion verlässliche Vorhersagezeiten von maximal 15 Minuten. Dementsprechend wird die künftige Speichersteuerung auf diese Prognosezeiträume zurückgreifen müssen. Möglichkeiten der Speichersteuerung Für die Beckensteuerung ist zu beachten, dass eine optimale Dämpfung der Schwallraten i.d.R. mit einer Verschärfung der Sunkraten einhergeht (LCH 2012). Bei-

Tabelle 2. Selektive Erhöhung der Maximalabflüsse für Szenario IID.

spielhaft lässt sich dieses Phänomen wie folgt erklären: Wird ein Speicher nach dem Turbinieren nur langsam entleert, so fehlt bei einer kurz darauffolgenden Turbiniersequenz das nötige Speichervolumen für eine weitere Dämpfung der Schwallraten. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen wurde ein zweistufiges Optimierungsverfahren gewählt, um das Potenzial der künftigen Beckensteuerung bereits heute möglichst realistisch abschätzen zu können. Optimierung der Sunkraten (Stufe 1) In einem ersten Schritt wurden die Sohlenbereiche identifiziert, wo Fische potenziell stranden können (Bilder 5 und 6). Im Fall der Hasliaare beschränken sich diese Bereiche auf wenige Stellen in der Kiesbankstrecke (Schneider & Jorde Ecological Engineering 2012). Grundsätzlich ist ein Stranden von Fischen nur möglich, wenn die Abflusstiefe am höchsten Punkt der Fischfalle unter 20 cm fällt (Baumann et al. 2012). Im Fall der betrachteten potenziellen Fischfallen entspricht dies einem Abfluss von Qkritisch = 8.1 m3/s. Fällt der Abfluss unter diesen kritischen Wert, sollte die Pegelrückgangsrate geringer als 0.5 cm/min ausfallen, um den Fischen genügend Reaktionszeit zu geben (Baumann et al. 2012). Um diesen Grenzwert einzuhalten, darf der Abflussrückgang (Sunkrate) in der Kiesbankstrecke nicht schneller als mit –0.07 m3s-1min-1 erfolgen. Unter Berücksichtigung der Dämpfungseffekte im Längsverlauf der Hasliaare (Tabelle 1) ergibt sich somit eine kritische Sunkrate von –0.14 m3s-1min-1 bei der Wasserrückgabe in Innertkirchen. Entsprechend Gleichung (1) benötigt das vollständige Zurückfahren der Wasserrückgabe von 8.1 auf 3.1 m3/s (Minimalabfluss, Kap. 2) eine Dauer (THerunterfahren) von etwa 36 Minuten (Bild 7). Insgesamt werden dafür gemäss den Gleichungen (2) und (3) etwa 12 500 m3 Wasser in die Aare abgegeben. Aus den Gleichungen (1) bis (3) lässt sich somit dasjenige Wasservolumen bestimmen, das im Speicher zurückgehalten werden sollte, um das Risiko von strandenden Fischen zu minimieren. Mit der Realisierung von morpho-

Tabelle 3. Schwallkennwerte in der Aare unterhalb der Wasserrückgabe in Innertkirchen für den Ist-Zustand (Szenario I) und die Szenarien IIA–IID (vgl. Text). Dargestellt sind jeweils die 95%-Perzentile der Winterabflüsse. * Bei der Sunkrate wurden nur Abflüsse < 8.1 m3/s berücksichtigt, da nur in diesem tiefen Abflussbereich ein Risiko vorliegt, dass aquatische Organismen stranden (Kap. 4.2.1). «Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

273

Schwall/Sunk – Hasliaare

kann auch bei diesem Szenario davon ausgegangen werden, dass der minimale Abfluss in der Aare auch künftig 3.1 m3/s (95%-Perzentil) betragen wird (Kap. 2). Im Vergleich mit den anderen Szenarien fällt die Sunkrate dagegen etwas höher aus. Der markanteste Unterschied zeigt sich bei der Schwallrate von 2.21 m3s-1min-1. Dies ist darauf zurückzuführen, dass zwar die Anzahl der Wendepunkte in der künstlich generierten Abflussganglinie berücksichtigt, allerdings die in der Regel hohe Korrelation zwischen vor- und nachgängigen Abflusswerten nicht korrekt wiedergegeben wird. Dadurch ergeben sich in der Zeitreihe zufällige und z.T. sehr hohe Differenzen zwischen den einzelnen Werten, wodurch unrealistisch hohe Schwall- und auch Sunkraten resultieren.


Schwall/Sunk – Hasliaare

logischen Aufwertungen in der Schwallstrecke (Kap. 2) würde der kritische Abfluss Qkritisch etwas höher als heute ausfallen und dementsprechend eine grössere Wassermenge für einen gedämpften Abflussrückgang erfordern.

THerunterfahren

(1)

THerunterfahren = Dauer für langsames Herunterfahren der Wasserrückgabe, [min] Qkritisch = 8.1 m3/s, QMinimum = 3.1 m3/s

(95%-Perzentil), ΔQmin = Sunkrate = -0.14 m3s-1min-1. Auf Minutenbasis lässt sich mit den Gleichungen (2) und (3) dasjenige Wasservolumen VWasser [m3] bestimmen, das für diese sanfte Reduzierung der Wasserrückgabe nötig ist. (2) Mit Qi = Abfluss [m3/s] zum Zeitpunkt i [min], einer zeitlichen Auflösung von Δt = 1 Minute und mit: (3)

Bild 5. Querprofil der Hasliaare in der Kiesbankstrecke. Links vom grauen Dreieck befindet sich eine potenzielle Fischfalle. Der höchste Punkt der Fischfalle liegt bei 602.31 m ü.M. (graues Dreieck), 20 cm oberhalb davon (bei 602.51 m ü.M., hellblaues Dreieck) beträgt der Abfluss Qkrit = 8.1 m3/s. Der Wasserstand beim minimalen Abfluss Qmin = 3.1 m3/s (95%-Perzentil; Tabelle 3) liegt bei 601.89 m ü.M. (dunkelblaues Dreieck).

Bild 6. Potenzielle Fischfalle in der Hasliaare. Der blaue Pfeil gibt die Fliessrichtung an.

Bild 7. Schematische Darstellung der sanften Reduktion des Beckenausflusses (mit einer Sunkrate von –0.14 m3s-1min-1) und der dabei kumulierten abgegebenen Wassermenge. Qmin = minimaler Abfluss mit 3.1 m3/s (95%-Perzentil), Qkritisch = 8.1 m3/s. 274

Optimierung der Schwallraten (Stufe 2) Ausgehend von der Optimierung der Sunkraten kann in einem nächsten Schritt versucht werden, die Schwallraten möglichst stark zu dämpfen. Konkret wurde bei den anschliessenden Simulationen die Randbedingung eingefügt, dass stets ein Wasservolumen von 12 500 m3 im Speicher für ein sanftes Zurückfahren zur Verfügung steht. Das restliche Volumen im Speicher stand dagegen ausschliesslich für die effiziente Dämpfung der Schwallraten zur Verfügung. Die so gewählte Steuerung des Zwischenspeichers entspricht zwar einer relativ starken Vereinfachung, ist allerdings nach heutigem Kenntnisstand angemessen genau und aus mathematischer Sicht grundsätzlich zulässig. 4.2.2 Ergebnisse für die verschiedenen Speichervolumina Abhängig von der Grösse des Speichers können unterschiedlich starke Dämpfungen bei den Schwallraten erzielt werden (Tabelle 4). Verglichen mit dem heutigen Zustand fallen bereits beim kleinsten betrachteten Volumen (Szenario IIIa) die Schwallraten mit 0.9 m3s-1min-1 (95%-Perzentil) deutlich tiefer aus als heute. Mit einer Erhöhung der Speichervolumina lassen sich die Schwallraten dementsprechend weiter reduzieren. Aufgrund der gewählten Vereinfachung bei den Speichersimulationen unterscheiden sich die Sunkraten zwischen den einzelnen Szenarien nicht. Allerdings können mit grösseren Speichervolumina auch bei künftigen morphologischen Aufwertungen strengere Kriterien bei den Sunkraten eingehalten werden (Schweizer et al. 2013c). Diese hydrologischen Simulationen sind eine essenzielle Grundlage, um die ökologische Wirkung verschiedener Sanierungsmassnahmen abschätzen zu können.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


5.

Diskussion

Betrachtung der Unsicherheiten hinsichtlich Betriebsregime In Absprache mit Begleitgruppe und Expertenteam wurden folgende Annahmen hinsichtlich des Betriebsregimes getroffen: • «Mit den Produktionsdaten von 2008 bis 2012 wird das künftige Betriebsregime (ohne Kraftwerkserweiterung) am besten wiedergegeben.» Da die Produktion von Sonnen- und Windenergie nicht planbar und nur beschränkt vorhersagbar ist, wird den Speicherkraftwerken auch künftig eine wichtige Funktion bei der Netzregulierung zukommen. Bereits seit 2008 bietet die KWO dafür notwendige Systemdienstleistungen an (Kap. 2). Aufgrund dieser Rahmenbedingungen dürften die Produktionsdaten von 2008 bis 2012 das künftige Betriebsregime (ohne Kraftwerkserweiterung) auf eine realistische Art und Weise beschreiben. • «Aus ökologischer Sicht liegt der Fokus auf den winterlichen Abflüssen.» Während den Wintermonaten fallen die Änderungen des Abflussregimes und damit die Effekte auf die Lebensraumbedingungen am stärksten aus. Ausserdem finden in dieser Jahreszeit diverse gewässerökologische Schlüsselprozesse (u.a. Laichzeit der Salmoniden, Entwicklung von verschiedenen Arten der Wirbellosen) statt. In Absprache mit den Experten und den Begleitgruppenmitgliedern (Kap. 2) ist daher der Fokus der hydrologischen und ökologischen Abklärungen auf die Wintermonate zu legen. Für bestimmte Thematiken (z.B. Lebenszyklus der Fische) wurden bei der anschliessenden ökologischen Beurteilung allerdings auch die anderen Jahreszeiten miteinbezogen. • «Der Einfluss der Kraftwerkserweiterung auf das künftige Betriebsregime wird mit einer abgestuften Erhöhung (Szenario IID) nicht unterschätzt.»

Mit dem Einbau einer zusätzlichen Turbine in der Zentrale Innertkirchen 1 wird die maximal mögliche Betriebswassermenge um 25 m3/s erhöht (Kap. 4.1). Die abgestufte Erhöhung der Abflüsse beginnt bereits, wenn in der Vergangenheit 50% des damals möglichen Potenzials für die Stromproduktion ausgeschöpft wurde. Die vollständige Erhöhung wird erreicht, wenn in den historischen Daten 75% des damals zur Verfügung stehenden Leistungsvermögens ausgenutzt wurde. Diese Anpassungen wurden vorgenommen, obwohl eine maximale (winterliche) Stromproduktion zuletzt im Jahr 2005 auftrat. Aus ökologischer Sicht beschreibt das Szenario IID das künftige Betriebsregime daher tendenziell etwas ungünstiger, als es aus heutiger Sicht zu erwarten wäre.

5.1

5.2

Betrachtung der Unsicherheiten hinsichtlich Speichersteuerung Um die künftige Steuerung des Speichers so realistisch wie möglich simulieren zu können, wurden in Absprache mit Begleitgruppe und Expertenteam folgende Vereinfachungen vorgenommen: • Die zeitliche Retention zwischen Turbinenausfluss und Speicherstollen und -becken von knapp 10 Minuten wird nicht berücksichtigt. Grundsätzlich wird das künftige Einbeziehen dieser zeitlichen Verzögerung eine effizientere Speichersteuerung erlauben. • Das Bereitstellen eines Reservevolumens für absolute Extremfälle (z.B. Hochfahren der Stromproduktion von 0 auf 95 m3/s innerhalb weniger Minuten) wurde bei den durchgeführten Simulationen nicht einbezogen. Allerdings wird bei der Feinplanung auch dieser Aspekt berücksichtigt und detailliert betrachtet. • Aufgrund der Datengrundlage (Stromproduktion und Abflussdaten) wurde eine zeitliche Auflösung von 15 Minuten gewählt, die ausreichend genau sein dürfte, um die Effekte vom Schwallbetrieb adäquat beschreiben zu können.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

Aufgrund (noch) fehlender Kenntnisse über die genauen Zusammenhänge zwischen Abflussregime, Morphologie und Gewässerökologie (Bruder et al. 2012a, 2012b) konnten weitere Optimierungen bei der Steuerung des Speichers nicht berücksichtigt werden. Das umfangreiche Untersuchungsprogramm legt eine Fokussierung auf die Abflussgradienten (Dämpfung der Schwallraten im gesamten Abflussbereich sowie Reduktion der Sunkraten im tiefen Abflussbereich) nahe. Nach Inbetriebnahme des Zwischenspeichers müssen die angestrebten Grenzwerte und die ökologische Wirkungen in der Praxis überprüft werden. Aus ökologischer Sicht sind weitere Optimierungsmöglichkeiten in der Speichersteuerung denkbar, wie beispielsweise mit einem abgestuften Hochfahren der Wasserrückgabe (Vorschwall; Limnex 2009) oder saisonal variierenden Grenzwerten (z.B. während der Laichzeit). Die künftige Steuerung muss automatisiert erfolgen und verschiedene Faktoren wie beispielsweise Betriebsregime, Speicherfüllung (Beruhigungsbecken und Stollen), aktuelle Wasserrückgabe und momentaner Abfluss in der Aare berücksichtigen. Bei einer künftigen Veränderung der morphologischen Verhältnisse in der Schwallstrecke (Kap. 2) ist eine Anpassung der anzustrebenden Grenzwerte wahrscheinlich (Kap. 4.2.1). 5.3

Grundlagen für eine möglichst objektive Auswahl der umzusetzenden Sanierungsvariante Der letztliche Entscheid für oder gegen eine Sanierungsmassnahme hängt sowohl von den Kosten als auch von den erwarteten ökologischen Wirkungen ab. Während sich die finanziellen Aufwendungen relativ genau abschätzen lassen, bestehen relativ grosse Unsicherheiten hinsichtlich der ökologischen Effekte. Trotz bestehender Unsicherheiten bei den hydrologischen Simulationen (Kap. 5.1 und 5.2) ist es möglich, das künftige Abflussregime relativ 275

Schwall/Sunk – Hasliaare

Tabelle 4. Schwallkennwerte unterhalb der Wasserrückgabe in Innertkirchen für die Szenarien IIIa–IIId (Kap.3.2 und 4.2), jeweils 95%-Perzentile der Winterabflüsse. Die entsprechenden Werte für die Szenarien I und II sind in Tabelle 3 dargestellt. * Bei der Sunkrate wurden nur Abflüsse < 8.1 m3/s in der Aare berücksichtigt (vgl. 4.2.1).


Schwall/Sunk – Hasliaare

genau vorherzusagen. In einem nächsten Schritt können die Abflussganglinien der verschiedenen Szenarien als wichtige Grundlage für eine ökologische Bewertung verwendet werden (Schweizer et al. 2013c). Wenn den lokalen Gegebenheiten (z.B. Betriebsregime, gewässerökologische Situation, wirtschaftliche und raumplanerische Rahmenbedingungen) ausreichend Rechnung getragen wird, kann das hier beschriebene Vorgehen auch bei anderen Sanierungsfällen angewendet werden.

nahmen – Möglichkeiten und Empfehlungen aus

hasli. «Wasser Energie Luft» 2010(4): 289–300.

wissenschaftlicher Sicht. «Wasser Energie Luft»

Schweizer S., Zeh Weissmann H. und Ursin M.

2012 (4): 265–273.

(2012a): Der Begleitgruppenprozess zu den

LCH (2012): Betrieb des Dämpfungsbeckens

Ausbauprojekten und zur Restwassersanierung

Innertkirchen. Bestimmung der Schwallkenn-

im Oberhasli. «Wasser Energie Luft» 2012(1):

werte für die Hasliaare unter Berücksichtigung

11–17.

einer ökologisch optimalen Beckensteue-

Schweizer S., Meyer M., Wagner T. und Zeh

rung. EPFL-LCH, Lausanne, Rapport LCH Nr.

Weissmann H. (2012b): Gewässerökologische

13/2012, 15 Seiten. Bericht im Auftrag der KWO

Aufwertungen im Rahmen der Restwassersa-

(Autoren: Bieri M. & Meile T.).

nierung und der Ausbauvorhaben an der Grim-

Limnex (2009): Schwall-Sunk in der Hasliaare.

sel. «Wasser Energie Luft» 2012(1): 30–39.

Gewässerökologische Untersuchungen von

Schweizer S., Schmidlin S., Tonolla D., Büsser

Hasliaare und Lütschine und Beurteilung der

P., Meyer M., Monney J., Schläppi S. und Wäch-

Schwall-Auswirkungen in je zwei Strecken und

ter K. (2013a): Schwall/Sunk-Sanierung in der

Szenarien. Bericht im Auftrag der KWO. (Auto-

Hasliaare – Phase 1a: Gewässerökologische

Danksagung

ren: Baumann P.,Wächter K. und Vogel U.).

Bestandsaufnahme. «Wasser Energie Luft»

Für die fachlich hervorragende Zusammenar-

Limnex (2012): Schwall-Sunk Bewertung der

2013(3):191–199.

beit möchten sich die Autoren ganz herzlich bei

KWO-Zentralen in Innertkirchen. Bewertung

Schweizer S., Schmidlin S., Tonolla D., Büsser

Manfred Kummer, Martin Huber Gysi, Daniel

des Ist-Zustands und Varianten zur Bewertung

P., Meyer M., Monney J., Schläppi S., Schneider

Hefti (alle Bundesamt für Umwelt) und Vinzenz

eines zukünftigen Zustands nach Realisierung

M., Tuhtan J. und Wächter K. (2013b): Schwall/

Maurer (Amt für Wasser und Abfall) bedanken.

des Aufbauprojekts KWO plus (mit und ohne

Sunk-Sanierung in der Hasliaare – Phase 1b:

Catherine Mathez (BWU), Bernhard Luder

Speichervolumen zur S/S-Dämpfung). Bericht

Ökologische Bewertung des Ist-Zustands an-

(BAFU), Matthias Meyer, Sandro Schläppi, Heinz

im Auftrag der KWO.(Autoren: Baumann P.,

hand der 12 Indikatoren der aktuellen BAFU-

Peter Tscholl, Oliver Kost, Jan Baumgartner, Da-

Schmidlin S., Wächter K., Peter A. und Büsser

Vollzugshilfe. «Wasser Energie Luft» 2013(3):

niel Fischlin (alle KWO), Peter Büsser, Stepha-

P.).

200–207.

nie Schmidlin (Limnex), Kurt Wächter (Limnex),

Person E., Bieri M., Peter A. und Schleis A.

Schweizer S., Schmidlin S., Tonolla D., Büsser

Matthias Schneider (SJE), Jeff Tuhtan (SJE) und

(2013): Mitigation measures for fish habitat

P., Maire A., Meyer M., Monney J., Schläppi S.,

Michael Döring (eQcharta) gebührt ein grosser

improvement in Alpine rivers affected by hy-

Schneider M., Theiler Q., Tuhtan J. und Wächter

Dank für die wertvollen Anmerkungen und für

dropower operations. Ecohydrology 2013, 20

K. (2013c): Schwall/Sunk-Sanierung in der Has-

das kritische Durchlesen des Manuskripts.

Seiten.

liaare – Phase 2b: Ökologische Bewertung von

Schneider & Jorde Ecological Engineering

künftigen Zuständen. «Wasser Energie Luft»

Literatur

(2012): Casimir-Modellierungen zur Ermittlung

2013(4): 275–285.

Baumann P., Kirchhofer A. und Schälchli U.

der Indikatoren F2 und F3 in drei schwallbe-

Stalder P. und Rouge M. (2012): Steuerung

(2012): Sanierung Schwall/Sunk – Strategische

einflussten Strecken der Hasliaare für den Ist-

des Beruhigungsbeckens am Standort Innert-

Planung. Ein Modul der Vollzugshilfe Renatu-

Zustand und weitere Szenarien. Bericht im Auf-

kirchen. Schlussbericht des Desing-Projekts

rierung der Gewässer. Bundesamt für Umwelt,

trag der KWO. (Autoren: Schneider M., Kopecki

«Science et ingenierie de l’environment 2012.

Bern. Umwelt-Vollzug Nr. 1203.

I. und Tuhtan J.).

Betreuung Prof. Dr. A. Schleiss und Dr. S.

Bieri M. (2012): Operation of Complex Hydro-

Schweizer S., Neuner J., Ursin M., Tscholl H.

Schweizer.

power Schemes and its Impact on the Flow

und Meyer M. (2008): Ein intelligent gesteuertes

Regime in the Downstream River System under

Beruhigungsbecken zur Reduktion von künst-

Changing Scenarios. Diss. EPFL No 5433., Zü-

lichen Pegelschwankungen in der Hasliaare.

rich, Schweiz.

«Wasser Energie Luft» 2008(3): 209–215.

Bruder A., Schweizer S., Vollenweider S., To-

Schweizer S., Neuner J. und Heuberger N.

nolla D. und Meile T. (2012a): Schwall und Sunk:

(2009): Bewertung von Schwall/Sunk – Her-

Auswirkungen auf die Gewässerökologie und

leitung eines ökologisch abgestützten Bewer-

Anschrift des Verfassers

mögliche Sanierungsmassnahmen. «Wasser

tungskonzepts. «Wasser Energie Luft 2009» (3):

Steffen Schweizer

Energie Luft» 2012 (4): 257–264.

194–202.

Kraftwerke Oberhasli AG

Bruder A., Vollenweider S., Schweizer S., To-

Schweizer S., Meyer M., Heuberger N., Brech-

Grimselstrasse, CH-Innertkirchen

nolla D. und Meile T. (2012b): Schwall und Sunk:

bühl S. und Ursin M. (2010): Zahlreiche ge-

sste@kwo.ch

Planung und Bewertung von Sanierungsmass-

wässerökologische Untersuchungen im Ober-

Tel. +41 33 982 20 19

276

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Phase 2b: Ökologische Bewertung von künftigen Zuständen Steffen Schweizer, Stephanie Schmidlin, Diego Tonolla, Peter Büsser, Adrien Maire, Matthias Meyer, Judith Monney, Sandro Schläppi, Matthias Schneider, Quentin Theiler, Jeff Tuhtan, Kurt Wächter

Zusammenfassung Im Rahmen des Investitionsprogramms KWO plus plant die Kraftwerke Oberhasli AG eine Erweiterung der Zentrale Innertkirchen 1. Damit wird die heute maximal mögliche Wasserrückgabe in die Hasliaare von 70 m3/s auf künftig 95 m3/s erhöht. Im Vorfeld wurde daher die gewässerökologische Situation in dieser Schwallstrecke mit biologischen, hydraulischen und hydrologischen Erhebungen umfassend untersucht. Gemeinsam mit Fachexperten (Limnex AG, Eawag, Peter Büsser, Schneider & Jorde Engineering, EPFL-LCH) und Vertretern des Bundesamts für Umwelt (BAFU) und des Amts für Wasser und Abfall des Kantons Bern (AWA) wurde eine ökologische Defizitanalyse durchgeführt. Basis dafür war die (erstmalige) vollständige Anwendung der zwölf Bewertungsindikatoren der BAFU-Vollzugshilfe «Sanierung Schwall/Sunk». Insbesondere wurde dabei der Einfluss der Morphologie als erheblicher Faktor berücksichtigt. Anschliessend wurden verschiedene Sanierungsvarianten ökologisch bewertet. Da für diese Phase der Schwall/Sunk-Sanierung (noch) keine Methodik entwickelt ist, wurde auf die bestehende Vollzugshilfe zurückgegriffen. Trotz verschiedener, methodischer, Unsicherheiten konnte schliesslich die Sanierungsmassnahme mit dem besten Kosten/Nutzen-Verhältnis transparent, nachvollziehbar und nach aktuellem Wissensstand identifiziert werden. Seit Frühjahr 2013 wird zwischen dem Kraftwerk in Innertkirchen und der Wasserrückgabe ein Zwischenspeicher (Beruhigungsbecken und Speicherstollen) mit einem Volumen von rund 80 000 m3 realisiert. Damit lassen sich die Pegeländerungsraten deutlich reduzieren und die Reaktionszeiten für die aquatischen Organismen werden verlängert. Nach der Fertigstellung im Jahre 2016 wird ein umfassendes Monitoring durchgeführt. Dieser erste Sanierungsfall gemäss GSchG liegt insgesamt weit vor dem offiziellen Zeitplan des BAFU. Künftige Projekte können von den hier gewonnenen Erfahrungswerten und Wissenserweiterungen profitieren. Unabhängig von der Komplexität eines Sanierungsfalls lässt sich der hier beschriebene Ansatz anwenden: Beispielsweise wenn neben der hydrologischen Sanierung auch eine Erhöhung der maximalen Wasserrückgabe geplant ist oder wenn ein Zwischenspeicher sowohl zur Schwallsanierung als auch zur Pumpspeicherung ausgenützt werden soll.

Abstract With the planed extension of the power station in Innertkirchen by the Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) the maximum possible outflow from the turbines into the Hasliaare will increase from 70 m3/s to 95 m3/s. For the identification of realistic measures to mitigate hydropeaking effects on aquatic organisms a comprehensive study including biological, hydraulic and hydrological aspects has been successfully finished. This ecological deficit analysis of the actual state of the river was conducted with the support of an expert team (Limnex AG, Eawag, Peter Büsser, Schneider & Jorde Ecological Engineering, EPFL-LCH) and a group of representatives of the Federal Office for the Environment (FOEN) and the cantonal office of water and waste (Bern). This deficit analysis is the first applying the complete FOEN’s 12 hydropeaking indicator criteria., while taking impacts of the local river morphology into account (for a final evaluation). The spectrum of mitigation measures was evaluated in terms of their hydrological and ecological efficiency. Despite the uncertainties in the ecological responses and the operation mode of the powerplant in the future, it was possible to identify the mitigation measure with the best cost-benefit-ratio: The construction of a storage of 80 000 m3 (retention basin and storage tunnel) between the power plant and downstream outlet allows the reduction of up and down-ramping rates in discharge significantly. This will provide longer response times for the aquatic organisms to move to adequate (refuge) habitats under different discharge conditions. After the realization of the mitigation measures (scheduled for 2016) a comprehensive monitoring program is scheduled to evaluate the expected ecological improvements. Overall experiences from this study are expected to stimulate and support other projects on hydropeaking mitigation.

1. Einleitung Im letzten Jahrhundert wurden in den Alpen zahlreiche Speicherseen gebaut, um das zufliessende Wasser zurückzuhalten und es zu einem späteren Zeitpunkt bei Bedarf zur Stromproduktion zu verwenden. Mit Hilfe der Stauseen lässt sich ein Teil der Stromproduktion vom Sommer in den Win-

ter verlagern, um damit auch in der kalten und niederschlagsarmen Jahreszeit regelmässig auftretende Engpässe im Stromnetz schliessen zu können. Diese aus energiepolitischer Perspektive betrachteten Vorzüge sind allerdings mit sehr unregelmässigen Abflüssen aus den Kraftwerksturbinen verbunden.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

Wird das turbinierte Wasser direkt in den Vorfluter abgegeben, entstehen unterhalb der Wasserrückgabe künstliche Pegelschwankungen (Schwall/Sunk). Für die aquatischen Organismen kann dieses künstliche Abflussregime weitreichende Folgen nach sich ziehen (Schweizer et al. 2009, Bruder et al. 2012a und 2012b). 277

Schwall/Sunk – Hasliaare

Schwall/Sunk-Sanierung in der Hasliaare


Schwall/Sunk – Hasliaare

Die 2011 in Kraft getretene Revision des Gewässerschutzgesetzes (GSchG) sieht vor, dass die wesentlichen Beeinträchtigungen durch Schwall/Sunk bis zum Jahr 2030 behoben werden. Dafür sind in erster Linie bauliche Massnahmen (z.B. Beruhigungsbecken zur Reduktion der Geschwindigkeit von Abflusszu- oder -abnahme oder Direktableitung des turbinierten Wassers in ein grösseres Gewässer) geplant. Auf Antrag der Kraftwerksbetreiber können aber auch betriebliche Massnahmen (Einhaltung von Grenzwerten bei der Wasserrückgabe) oder eine Kombination aus baulichen und betrieblichen Sanierungsformen umgesetzt werden. Die Kosten für die Sanierungsmassnahmen werden vom Stromkonsumenten durch eine Abgabe von 0.1 Rappen pro kWh getragen, wobei diese Beiträge auch für die Sanierung von Geschiebehaushalt und zur Wiederherstellung der Fischgängigkeit verwendet werden. Die Abgaben werden von der Swissgrid AG, der Betreiberin der Übertragungsnetze, verwaltet. Die Umsetzung der Schwall/SunkSanierung ist in insgesamt vier Phasen gegliedert: Defizitanalyse des Ist-Zustands bis Ende 2014 (Phase 1), Variantenstudium von möglichen Sanierungsmassnahmen (Phase 2), Umsetzung der ausgewähl-

ten Sanierungsmassnahme(n) (Phase 3) und Erfolgskontrolle nach der Umsetzung (Phase 4). In der vom BAFU herausgegebenen Vollzugshilfe «Sanierung Schwall/Sunk – Strategische Planung» (Baumann et al. 2012) werden insgesamt zwölf Indikatoren beschrieben, mit denen bestimmt werden kann, ob in einem Fliessgewässer eine wesentliche Beeinträchtigung durch Schwall/ Sunk vorliegt (Phase 1). Zur Unterstützung der Kraftwerksinhaber und der Behörden (Kanton und Bund) wird vom BAFU aktuell eine einheitliche Methodik erarbeitet, um die ökologische Wirkung künftiger Sanierungsmassnahmen bewerten zu können (Veröffentlichung für Sommer 2014 vorgesehen). Im Rahmen des Investitionsprogramms KWO plus erweitert die Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) unter anderem das Kraftwerk Innertkirchen 1 (Projekt «Tandem»; Schweizer et al. 2012). Zur Erhöhung der Stromproduktion und der Leistung wird in dieser Zentrale eine zusätzliche Turbine mit einem Maximaldurchfluss von 25 m3/s eingebaut. Ohne Gegenmassnahmen würde diese Kraftwerkserweiterung zu einer Verschärfung der künstlichen Pegelschwankungen führen. Daher wurden bereits im Vorfeld und somit mehrere Jahre vor

der Revision des GSchG zahlreiche gewässerökologische Untersuchungen durchgeführt (Schweizer et al. 2013a, 2013b) sowie die Wirkung möglicher Dämpfungsmassnahmen analysiert (Schweizer et al. 2008, 2013c). 2.

Vorgehensweise bei der Sanierung von Schwall/Sunk in der Hasliaare In Bild 1 sind die verschiedenen Arbeitsschritte, die bei der Fallstudie Hasliaare durchlaufen wurden, dargestellt. Die sehr gute Datengrundlage (i) ermöglichte eine vollständige Defizitanalyse gemäss BAFUVollzugshilfe (ii). Mit hydrologischen Simulationen konnte das künftige Betriebsregime der Zentralen in Innertkirchen für die Wintermonate abgeschätzt werden (iii). Anschliessend wurden verschiedene Sanierungsvarianten weiterverfolgt, die zu einer Verbesserung der gewässerökologischen Situation in der Hasliaare führen dürften. Für die ausgewählten Szenarien wurden hydrologische Modellrechnungen der Winterabflüsse vorgenommen (iv) und aus diesen Simulationsergebnissen die 95%- und die 100%-Perzentile der wichtigsten Schwallkennwerte ermittelt (v). Auf Basis dieser Grundlagen wurden die ökologischen Auswirkungen für jedes Szenario von einem Expertenteam beurteilt. Dafür wurden die 12 Indikatoren der Vollzugshilfe herangezogen (vi). Abschliessend wurde in der Begleitgruppe die Sanierungsvariante bestimmt, die aus heutiger Sicht hinsichtlich Kosten und ökologischer Wirkung am besten abschneidet (vii). Diese mehrstufige Herangehensweise orientierte sich am aktuellen Kenntnisstand in der komplexen Thematik «Schwall/Sunk». Die intensive Zusammenarbeit von Experten und Amtsvertretern (Kap. 3.3) ermöglichte, dass trotz bestehender Wissenslücken über die quantitativen und qualitativen Zusammenhänge von Abflussregime, Morphologie sowie aquatischer Flora und Fauna künftige Zustände möglichst objektiv bewertet werden konnten. 3.

Bild 1. Arbeitsschritte bei der Sanierung Schwall/Sunk für die Fallstudie Hasliaare. 278

Grundlagen

3.1 Abflussregime der Hasliaare In Innertkirchen beträgt der mittlere jährliche Abfluss 35 m3/s, der natürliche Niedrigwasserabfluss Q347 2.4 m3/s (basierend auf den Abflussdaten von 1913–1921) und das zweijährige Hochwasser 190 m3/s. Sohlenbewegungen treten bei Abflüssen oberhalb von 150 m3/s auf (Schweizer et al. 2010). Aufgrund des hohen Gletscheranteils von

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


3.2

Die Schwallstrecke und die Lütschine als Referenzgewässer Die Schwallstrecke lässt sich in vier morphologisch unterschiedliche Abschnitte gliedern: • Buhnenstrecke in Innertkirchen (Länge 0.7 km, Breite 27 m) • Aareschlucht (Länge 1.9 km, Breite z.T. kleiner als 10 m) • Kiesbankstrecke in Meiringen (Länge 1.4 km, Breite 34 m, Bild 2) • Kanal zwischen Meiringen und Brienzersee (Länge 11.5 km, Breite 20 m, Bild 2) Aufgrund der sehr hohen Beschattung und einer ausgeprägten seitlichen Einengung in der Aareschlucht konzentrierten sich die Bewertungen auf die übrigen drei Streckenabschnitte. Grundsätzlich kann die Schwallstrecke in diesen Abschnitten als morphologisch stark beeinträchtigt charakterisiert werden. Im Rahmen von Hochwasserschutzprojekten und Ausgleichsmassnahmen für das Investitionsprogramm KWO plus (Schweizer et al. 2012) sind verschiedene morphologische Aufwertungen in der Schwallstrecke geplant. Neben der Schwallstrecke erfolgten auch eingehende Untersuchungen in der benachbarten und hydrologisch nur geringfügig beeinflussten Lütschine, die aufgrund ihrer Ähnlichkeit hinsichtlich Vergletscherung, dem natürlichen Abflussregime und der Morphologie (Kanal- und Kiesbankstrecken) als Referenzgewässer gut geeignet ist.

Schwall/Sunk – Hasliaare

rund 20% würde ohne Kraftwerkseinfluss ein glazio-nivales Abflussregime für die Hasliaare resultieren. Die maximalen Wassermengen, die in die Hasliaare zurückgegeben werden können, betragen im Kraftwerk Innertkirchen 1 heute 40 m3/s und künftig 65 m3/s sowie im Kraftwerk Innertkirchen 2 (heute und künftig) 30 m3/s. Hinsichtlich Schwall/ Sunk treten die grössten Beeinträchtigungen des Abflussregimes im Winter auf. Während der natürlichen Niedrigwasserperiode bewirken vor allem die unnatürlich schnellen Anstiege der Pegel sowie die Erhöhung der Abflussspitzen negative Folgen für die aquatischen Organismen (Schweizer et al. 2013a). Während heute keine Grenzwerte für den maximalen Abfluss und die Schwall- und Sunkraten eingehalten werden müssen, regelt eine Vereinbarung zwischen der KWO und dem Kanton den Minimalabfluss in der Aare. Demzufolge liegt der Abfluss in der Hasliaare stets bei mindestens 3 m3/s.

Bild 2. Kiesbank- und Kanalstrecke in Meiringen (Fliessrichtung von links unten nach rechts oben). 3.3 Experten- und Begleitgruppe Um sowohl die heutige Situation als auch künftige Szenarien mit Kraftwerksausbau und verschiedenen schwalldämpfenden Massnahmen (Kap. 3.5) beurteilen zu können, wurden die gewässerökologisch relevanten Aspekte von einem Expertenteam (Limnex, Eawag, Büsser, EPFL-LCH, Schneider & Jorde Ecological Engineering) untersucht. Ausserdem wurden diese Arbeiten in einer Begleitgruppe mit Vertretern vom Amt für Wasser und Abfall des Kantons Bern (Judith Monney und Vinzenz Maurer) und vom Bundesamt für Umwelt (Manfred Kummer, Diego Tonolla, Martin Huber-Gysi und Daniel Hefti) besprochen und koordiniert. Nachdem die wichtigsten Abklärungen durchgeführt waren und alle relevanten Untersuchungsergebnisse vorlagen, wurden im Rahmen eines Expertenworkshops die verschiedenen Szenarien anhand der BAFU-Vollzugshilfe gemeinsam bewertet. Dabei wurde für jeden Indikator eine Gesamtbewertung über die drei Gewässerabschnitte (vgl. Kap. 3.2) von den Experten gemeinsam festgelegt. 3.4

Aufnahme des Ist-Zustands (Szenario I) Für den heutigen Zustand bieten die umfassenden Untersuchungen zu den Aspekten Fischfauna, Makrozoobenthos (MZB), Wasserpflanzen, Lebensräume, Hydraulik und Hydrologie eine solide Grundlage, um alle zwölf Indikatoren der Vollzugshilfe anzuwenden (Schweizer et al. 2013a). Die vollständige Bewertung zeigte eine wesent-

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

liche Beeinträchtigung durch Schwall/Sunk an (Schweizer et al. 2013b). 3.5

Hydrologische Simulationen für fiktive Zustände (Szenarien II und III) Um auch Szenarien mit Kraftwerksausbau (Szenario II) und mögliche Sanierungsmassnahmen (Szenarien IIIa-d) ökologisch beurteilen zu können, wurden verschiedene Abflusssimulationen auf Basis der Winterabflüsse von 2008 bis 2012 durchgeführt (Schweizer et al. 2013c). Kraftwerksausbau (Szenario II) In Absprache mit der Begleitgruppe (Kap. 3.3) wurde in einem ersten Schritt versucht, die Auswirkungen des Kraftwerksausbaus (Kap. 3.1) auf das künftige Abflussregime abzuschätzen. Dafür wurden die historischen Abflussspitzen oberhalb von 34 m3/s (etwa 50% des heute maximal möglichen Kraftwerksdurchflusses) stufenweise erhöht. Eine vollständige Erhöhung um 25 m3/s erfolgte bei Kraftwerksdurchflüssen von 54 m3/s (etwa 75% der heutigen Kapazität) (Bild 3; Schweizer et al. 2013c). Sanierungsvarianten Anschliessend wurden verschiedene bauliche Massnahmen zur Dämpfung des künftigen Abflussregimes geprüft. Aufgrund unverhältnismässiger Kosten wurde eine Direktableitung des turbinierten Wassers in den 16 km entfernten Brienzersee nicht weiterverfolgt. 279


Schwall/Sunk – Hasliaare

Bild 3. Gemessene (Zustand I) und simulierte Wasserrückgabe (Szenario II) in Innertkirchen für den Winter 2010/11.

Bild 4. Darstellung der 95%-Perzentile des Maximalabflusses (oben), der maximalen Schwallrate (Mitte) und der minimalen Sunkrate (unten) für die Zustände/Szenarien I-III. Da die Sunkraten in negativen Werten angegeben sind, wird der Begriff «minimale Sunkrate» verwendet.

terial für die Bereitstellung unterirdischer Speicher) verbunden. Der Bau eines oberirdischen Speichers in Form eines Beruhigungsbeckens ist aufgrund der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung im Talboden auf 18 000 m3 limitiert (Kap. 5). Die gewässerökologischen Untersuchungen fokussierten sich daher auf die Möglichkeit zur Dämpfung der Schwall- und Sunkraten, auf die ein wesentlicher Teil der hydrologischen Beeinträchtigung zurückzuführen ist (Schweizer et al. 2013b). Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen wurden daher die Dämpfungswirkungen von insgesamt vier unterschiedlichen Varianten untersucht: • Szenario IIIa: V = 50 000 m3 • Szenario IIIb: V = 60 000 m3 • Szenario IIIc: V = 80 000 m3 • Szenario IIId: V = 100 000 m3 Für jedes Speichervolumen wurde eine Simulation gerechnet, um die maximale Dämpfung der Schwall- und Sunkraten zu bestimmen (Schweizer et al. 2013c). Als Kraftwerksausfluss wurde dabei jeweils die konstruierte Abflussganglinie von Szenario II verwendet. Statistische Analyse der Schwallkennwerte Um die einzelnen Abflussganglinien der verschiedenen Szenarien miteinander vergleichen zu können, wurden jeweils die 95%- sowie die 100%-Perzentile für die wichtigsten hydrologischen Kennwerte statistisch bestimmt. Infolge von seitlichen Zuflüssen und grossmassstäblichen Fliesswiderständen in der Schwallstrecke kommt es im Längsverlauf zwischen Innertkirchen und Brienzwiler zu Veränderungen der folgenden Schwallkennwerte • Maximalabfluss Qmax: leichte Erhöhung um bis zu 3.2 m3/s • Maximale Schwallrate ΔQmax: markante Reduktion um bis zu 44% • Minimale Sunkrate ΔQmin: deutliche Reduktion um bis zu 69% Aufgrund der geringen Zuflüsse im Winter wurde der minimale Abfluss Qmin für alle Zustände und alle Abschnitte auf 3.1 m3/s (95%-Perzentil) festgesetzt (LCH 2010, LCH 2012, Schweizer et al. 2013c; Bild 4). 4.

Somit konzentrierten sich die weiteren Abklärungen auf die Errichtung eines Speichers zwischen Turbinenausfluss und Rückgabe in die Hasliaare. In Abhängigkeit des Speichervolumens und der Turbinenausflüsse lassen sich Schwall- und Sunkraten unterschiedlich stark abdämpfen. Eine 280

Dämpfung grösserer Abflussspitzen würde im Fall der Hasliaare ein sehr grosses Speichervolumen benötigen. Dessen Realisierung wäre ebenfalls mit unverhältnismässig hohen Kosten und zusätzlich ausgeprägten landschaftlichen Eingriffen (Deponierung von grossen Kubaturen an Ausbruchma-

Ökologische Bewertung künftiger Zustände (Szenarien II und III) In den folgenden Unterkapiteln wird mehrfach auf die Bewertung des Ist-Zustands (Szenario I) verwiesen. Eine detaillierte Beschreibung der Defizitanalyse findet sich in Schweizer et al. (2013b).

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Betrachtung methodisch bedingter Unsicherheiten Die ökologischen Auswirkungen der künstlichen Pegelschwankungen hängen direkt von den morphologischen Verhältnissen ab (Schweizer et al. 2009, Person et al. 2013, Tabelle 1). Im Fall der Hasliaare ist es trotz dem umfangreichen Untersuchungsprogramm nicht möglich, den jeweiligen Einfluss von Abflussregime und Flussform für jeden Indikator eindeutig abzugrenzen. Hinzu kommen weitere Unschärfen hinsichtlich der Bewertungsmethodik (u.a. Ort/Zeitpunkt von Probenahmen, natürliche Variabilität, Aggregation der zwölf Indikatoren zu einer Gesamtbewertung) und Annahmen, die das künftige Betriebsregime und die Steuerungsmöglichkeiten des Zwischenspeichers betreffen. Für die Abschätzung künftiger Zustände können quantifizierbare, bzw. modellierbare und nicht quantifizierbare Indikatoren unterschieden werden (Tabelle 1). Eine Anwendung der nicht modellierbaren Indikatoren kann nur über Experteneinschätzungen erfolgen, die sich auf Analogieschlüssen, Erfahrungswerten und Literaturrecherchen abstützen. Dies führt zu weiteren Unsicherheiten in der ökologischen Bewertung. 4.2

Szenario II – Kraftwerksausbau ohne schwalldämpfende Massnahmen Die in Kap. 3.5 beschriebene Simulation des künftigen Betriebsregimes führt in der

Buhnenstrecke zu einer moderaten Anhebung der winterlichen Maximalabflüsse von heute 42.2 m3/s auf 46.6 m3/s und damit verbunden zu einer Steigerung der Schwallraten von heute 1.36 m3s-1min-1 auf 1.43 m3s-1min-1 (jeweils 95%-Perzentile für die Buhnenstrecke, Bild 4). Im Gegensatz dazu wird die Kraftwerkserweiterung keinen Einfluss auf die tiefen Abflussbereiche ausüben, so dass sowohl der Minimalabfluss von 3.1 m3/s als auch die Sunkraten im tiefen Abflussbereich unterhalb von 8.1 m3/s (s.u.) unverändert gegenüber der heutigen Situation bleiben. Abiotische Indikatoren (A1, Q1, H1) Da es im Fall des Kraftwerksausbaus zu keinen Veränderungen des minimalen Abflusses (Indikator A1 Mindestabfluss) kommt, werden die Anforderungen für diesen Indikator heute wie auch künftig eingehalten werden (Tabelle 2). Die zukünftige Variabilität der Wassertemperatur wurde durch die zu erwartenden Mischungsverhältnisse von Betriebswasser und Restwasser (oberhalb der Zentralen Innertkirchen 1 und 2) abgeschätzt. Die Bewertung des Indikators Q1 Wassertemperatur ergab für die Zustände I und II jeweils die Klasse G rün. In Absprache mit der Begleitgruppe und dem Expertenteam wurden für die Anwendung des Indikators H1 Innere Kolmation die im Feld erhobenen Daten als Grundlage verwendet. Die Einflussfaktoren Schwebstoffkonzentration, Sohlenschubspannung, hydraulischer Gradient

und Korngrössenverteilung, die für die Prozesse der Kolmatierung und Dekolmatierung relevant sind (Baumann et al. 2012), ändern sich nicht mit den einzelnen Szenarien. Daher beurteilten die Experten die Sohlenverhältnisse entsprechend dem IstZustand mit einer schwachen bis mittleren Kolmation (Klasse Grün). Indikatoren des Makrozoobenthos (B1– B4) Wie die Driftversuche von 2008 gezeigt haben, dürften insbesondere die höheren Schwallraten eine verstärkte Wirkung auf das Abschwemmen von Wasserwirbellosen ausüben (Limnex 2009, 2012) und damit v.a. die Biomasse (Indikator B1 Biomasse MZB) langfristig tendenziell reduzieren. Beim Szenario II wird von einer eher geringen Erhöhung der Schwallraten (und auch der Maximalabflüsse) ausgegangen. Die heutigen Biomassen ergeben sowohl für die Buhnen- als auch für die Kiesbankstrecke die Klasse Gelb, wobei diese Abschnitte nur knapp die Anforderungen für die Klasse grün verfehlen. Daher wird von den Experten keine Herabstufung in die Klasse Orange für diese beiden Abschnitte erwartet (Tabelle 2). Die Ergebnisse aus der Kanalstrecke wurden für die Bewertung nicht berücksichtigt, da hier die lokale Dominanz einzelner Taxa das Ergebnis tendenziell verzerrt. Gesamthaft resultierte daher für den Indikator B1 die Gesamtbewertung Klasse Gelb sowohl für den Ist-Zustand als auch für Szenario II.

Tabelle 1. Beurteilung der BAFUIndikatoren bei der Fallstudie Hasliaare. MZB = Makrozoobenthos, MSK = Modulstufenkonzept, EPT = Eintags-, Steinund Köcherfliegenlarven; Q = Quantifizierbar, E = Abschätzung durch Experten; Qmin = minimaler Abfluss, Qmax = maximaler Abfluss, ΔQmax = maximale Schwallrate, ΔQmin = minimale Sunkrate. «Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

281

Schwall/Sunk – Hasliaare

4.1


Schwall/Sunk – Hasliaare

Für den heutigen Zustand entsprachen sowohl der Index zur Beschreibung der standortgerechten Vielfältigkeit (B2 MSK-Modul MZB) als auch die Diversität von Eintags-, Stein- und Köcherfliegenlarven (B4 EPT-Familien MZB) bei allen betrachteten Abschnitten (und in den Referenzstrecken der Lütschine) den Vorgaben für Klasse Grün. Mit den etwas höheren Maximalabflüssen und Schwallraten wird beim Szenario II der hydraulische Stress ansteigen und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass empfindliche Familien verschwinden können. Daher wurden die Indikatoren B2 und B4 für das Szenario II auf die Klasse Gelb herabgestuft. Häufig führen die höheren Fliessgeschwindigkeiten während den Schwallphasen dazu, dass auf Strömung empfindlich reagierende Arten verschwinden und die Entwicklung strömungsliebender Arten dagegen tendenziell begünstigt wird («Rhithralisierung»; Céréghino et al. 2002). Wird die Lütschine als Referenz zur Beschreibung der standorttypischen Artenvielfalt herangezogen, resultiert für die Hasliaare im heutigen Zustand die Bewertungsklasse Blau. Da der hydraulische Stress im Szenario II etwas zunimmt, können schwächere Rhithralisierungseffekte nicht ausgeschlossen werden. Daher stuften die Experten den Indikator B3 Längenzonation MZB für das Szenario II auf die Klasse «gut» (Grün) herab. Indikatoren der Fischfauna (F1–F5) Der Indikator F1 MSK-Modul Fische wird anhand der Parameter Artenspektrum, Deformationen, Populationsstruktur und Fischdichte bestimmt (Schager & Peter 2004). Während für die heutige Situation die ersten beiden Aspekte ohne Defizit bewertet werden, zeigen die beiden letzten Aspekte eine methodisch maximale Abweichung zu einem natürlichen Zustand an. Allerdings muss hierbei auch der Einfluss der relativ eintönigen Morphologie auf das Lebensraumangebot mitberücksichtigt werden (Schweizer et al. 2013b). Da von den moderaten Erhöhungen der Schwallraten und des Maximalabflusses keine Verschlechterung hinsichtlich der Aspekte Artenspektrum und Deformationen erwartet wird, wurde dieser Indikator für die Zustände I und II mit der Klasse Gelb bewertet (Tabelle 2). Für die Bewertung des Indikators F2 Stranden von Fischen werden die Aspekte Pegelrückgangsrate, trockenfallende Fläche bei Sunkabfluss sowie die Beobachtung von tatsächlich gestrandeten Fischen berücksichtigt. Die Beurteilung dieser Pa282

Tabelle 2. Bewertung der verschiedenen Zustände anhand der BAFU-Vollzugshilfe. Szenarien I bis III siehe Kap. 3.4 und 3.5. Bedeutung der Farben: Rot = schlecht, Orange = unbefriedigend, Gelb = mässig, Grün = gut, Blau = sehr gut. rameter erfolgt ausschliesslich bei tiefen Abflussverhältnissen, im Fall der Hasliaare unterhalb von 8.1 m3/s (Schweizer et al. 2013c). Da mit dem Szenario II künftig keine Veränderungen im Niedrigwasserbereich auftreten (s.o.), wurde dieser Indikator entsprechend dem Zustand I mit Gelb bewertet (Schweizer et al. 2013b). Bei der Anwendung des Indikators F3 Laichareale der Fische werden die Parameter vorhandenes Laichsubstrat, überflossene Sohlenbereiche bei Sunkabfluss sowie stabile Flächen des Flusssediments bei Schwallabfluss betrachtet. Die Beurteilung dieser Aspekte variiert nur unwesentlich zwischen den Zuständen I und II, so dass die Experten für beide Zustände diesen Indikator mit der Klasse Grün bewerteten. Die Bewertung des Indikators F4 Reproduktion der Fischfauna erfolgt über die Anzahl gefangener Sömmerlinge je Sohlenfläche. Die Abfischungen der Eawag (Haas & Peter 2009, Person et al. 2013) ergaben für alle Abschnitte in der Schwallstrecke sehr tiefe Werte, sodass der heutige Zustand mit der Signalfarbe Rot bewertet wurde. Die tiefste Bewertungsklasse wurde für das Szenario II übernommen. Allerdings muss bei diesem Indikator auch der Einfluss der Morphologie als erheblicher Faktor mitberücksichtigt werden. Aufgrund der relativ eintönigen Flussform fehlen in der Schwallstrecke insbesondere Flachufer, die als Lebensräume für Jungfische infrage kommen. Die hydraulische Modellierung mit CASiMiR (www.casimirsoftware.de, Jorde 1997, Schneider 2001) zeigte, dass in allen Abschnitten nur bei relativ tiefen Abflüssen zwischen fünf und 20 m3/s geeignete Lebensräume für juve-

nile Bachforellen vorhanden sind (Person et al. 2013). Da die natürlichen mittleren Monatsabflüsse während der Entwicklung der Jungfische deutlich darüber liegen (z.B. Mai mit 45 m3/s), würden selbst bei einem natürlichen Abflussregime keine geeigneten Habitate für juvenile Bachforellen existieren. Bei der Gesamtbeurteilung wurde entsprechend den Vorgaben der Vollzugshilfe dieser Indikator daher nicht voll berücksichtigt. Entsprechendes gilt für die Indikatoren F1 und F5 (siehe unten), die ebenfalls sehr stark von der Morphologie beeinflusst werden. Für den Indikator F5 Fischereiliche Produktivität werden die Aspekte fischereiliche Zonierung, Wassertemperatur, Lebensräume, Abflussregime und Verfügbarkeit der Nährtiere berücksichtigt. Bei den vier erstgenannten Faktoren ergeben sich keine Unterschiede zwischen den Beurteilungen der Zustände I und II. Dagegen nimmt die Verfügbarkeit der Nährtiere für das Szenario II tendenziell etwas ab (s.o. Indikator B1). Bei der Anwendung des Indikators wurde die Wertefunktion den Gegebenheiten der Hasliaare (hohe Vergletscherung mit generell geringer Produktivität) angepasst (Details in Schweizer et al. 2013b). Insgesamt wurde eine relativ niedrige fischereiliche Produktivität bestimmt, die für beide Zustände (I und II) die Bewertungsklasse Orange zur Folge hat. 4.3

Szenarien IIIa–IIId – Ausbau KW Innertkirchen 1 mit schwalldämpfenden Massnahmen Mit den betrachteten Speichervolumina ist es im Winter weder möglich, die minimalen Abflüsse zu erhöhen noch die maximalen Abflüsse zu reduzieren (Bild 4). Allerdings

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Abiotische Indikatoren (A1, Q1, H1) Dank der Vereinbarung mit dem Kanton werden auch mit den Szenarien IIIa–IIId die Vorgaben von Indikator A1 Minimalabfluss eingehalten (Tabelle 2). Trotz gedämpfter Schwall- und Sunkraten und einer damit verbundenen zeitlichen Verzögerung bei den Änderungen der Wassertemperatur wird keine Klassenverbesserung des Indikators Q1 Wassertemperatur erreicht (Limnex 2012). Auch für den Indikator H1 Kolmation werden keine Veränderungen angenommen, sodass alle abiotischen Indikatoren mit der Klasse Grün bewertet werden. Indikatoren des Makrozoobenthos (B1– B4) Wie die Driftversuche von 2008 (Limnex 2009) gezeigt haben, lässt sich das Abschwemmen von Wirbellosen mit einer verlangsamten Abflusszunahme deutlich reduzieren. Hingegen wurde beim Abfluss im Bereich zwischen 40 und 50 m3/s keine erhöhte Drift gemessen. Zurzeit ist es allerdings nicht möglich, die genauen Zusammenhänge zwischen der Entwicklung des Makrozoobenthos (MZB), der Verdriftung und weiteren Faktoren wie z.B. Lebensräume oder Wasserqualität zu quantifizieren. Daher muss die ökologische Bewertung für die Indikatoren B1–B4 auf Expertenwissen, Erfahrungswerte, Literaturrecherchen und Analogieschlüsse zurückgreifen. Zur Abschätzung des Indikators B1 Biomasse MZB wurde davon ausgegangen, dass eine Reduktion der Drift zu einer insgesamt höheren Biomasse an Insektenlarven führt. Die Drift in der Hasliaare hängt ihrerseits sowohl von der Schwallrate (s.o.) als auch von der Morphologie ab (Limnex 2009, Schweizer et al. 2010). So wurde bei den Driftversuchen eine deutlich geringere Abschwemmung an Insekten in der Kiesbankstrecke nachgewiesen als in der Ka-

Bild 5. Reduktion des maximalen Abflusses in der Hasliaare im November 2009 zur Verbesserung der Laichbedingungen von Salmoniden (Maire & Theiler 2013). Unterhalb der roten Linie treten günstige Laichbedingungen für die Forellen auf. nalstrecke. Auf Basis dieser Grundlagen und der grossen Zahl an Felduntersuchungen wurde der Indikator B1 mit der Klasse Grün für die Szenarien IIIa und IIIb und mit der Klasse Blau für die Szenarien IIIc und IIId bewertet (Tabelle 2). Grundsätzlich dürften ähnliche Schlussfolgerungen für die Indikatoren B2 MSK-Modul MZB, B3 Längenzonation MZB und B4 EPT-Familien MZB zulässig sein. Das heisst, dass auch hinsichtlich standortgerechter Artenzusammensetzung und Artenvielfalt gewisse Verbesserungen gegenüber dem heutigen Zustand möglich sind. Aufgrund der sehr hohen Anforderungen für einen Klassenwechsel (Tabelle 3) verbleiben die Indikatoren B2 und B4 wie für den Ist-Zustand in der Klasse Grün, der Indikator B3 in der Klasse Blau. Indikatoren der Fischfauna (F1–F5) Ohne morphologische Aufwertungen werden keine Veränderungen hinsichtlich der Aspekte Artenspektrum, Deformationen, Populationsstruktur und Fischdichte erwartet. Daher wurden die Indikatoren F1 MSK-Modul Fische und F4 Reproduktion der Fischfauna entsprechend den Zuständen I und II mit der Klasse Gelb, resp. Rot bewertet (Tabelle 2). Bereits mit einem Volumen von 50 000 m3 (Szenario IIIa) können die Anforderungen hinsichtlich der Pegelrückgangsrate für den Indikator F2 Stranden der Fische erfüllt werden. Daher wurden die Szenarien IIIa und IIIb mit der Klasse grün bewertet. Mit der Realisierung von morphologischen Aufwertungen in der Schwallstrecke werden sich die hydraulischen Verhältnisse in diesen Abschnitten ändern. Dies wird dazu führen, dass strengere Grenzwerte für die Sunkraten nötig sein werden, um unter den neuen Gegebenheiten die Anforderungen des Indikators F2 (hinsichtlich Pegelrückgangsraten) weiterhin einhalten zu können

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

(Schweizer et al. 2013c). Ab einem Speichervolumen von 80 000 m3 kann davon ausgegangen werden, dass die Anforderungen hinsichtlich der Sunkraten auch bei morphologischen Verbesserungen (z.B. Aufweitungen) eingehalten werden können. Daher wurden die Szenarien IIIc und IIId mit der Klasse Blau (sehr gut) bewertet. Verglichen mit den Szenarien I und II führt das Abflussregime der Szenarien IIIa–IIId zu keinen Veränderungen bei der Bewertung des Indikators F3 Laichareale von Fischen. Somit wurde dieser Indikator für alle Szenarien mit der Klasse Grün bewertet. Grundsätzlich sollten bei einer umfassenden Beurteilung der Verlaichung auch die Parameter Fliessgeschwindigkeit und Abflusstiefe während der Paarungszeit berücksichtigt werden (Tabelle 3). In der Regel benötigen die Bach- und Seeforellen über mehrere Stunden günstige Abflussbedingungen, um ihre Paarung ungestört zu vollenden. In der Kiesbankstrecke müssen dafür die Abflüsse unterhalb von 20 m3/s liegen (Bieri 2012, Person et al. 2013). Im November treten i.d.R. eher kleinere Schwallspitzen auf, die bereits mit einem Speichervolumen von 80 000 m3 so herabgesetzt werden können, dass für über 90% der Laichzeit geeignete Bedingungen für die Paarung gegeben sind (Bild 5; Maire & Theiler 2013). Gegenüber dem heutigen Zustand ändert sich bei den Eingangsgrössen für den Indikator F5 Fischereiliche Produktivität nur die Verfügbarkeit an Nährtieren, die der Biomasse des MZB entspricht. Die für die Szenarien IIIa–IIId prognostizierte Erhöhung der Nahrungsverfügbarkeit führt beim Indikator F5 für die Szenarien IIIa–IIId zu einem Wechsel in die Bewertungsklasse Gelb. 4.4

Gesamtbewertung der verschiedenen Szenarien Die abschliessende Bewertung für jedes 283

Schwall/Sunk – Hasliaare

können sowohl die Schwall- als auch die Sunkraten in Abhängigkeit des Speichervolumens deutlich reduziert werden. In der Buhnenstrecke kann beispielsweise das 95%-Perzentil der Schwallraten von heute 1.36 m3s-1min-1 auf 0.90 m3s-1min-1 beim Szenario IIIa und auf 0.70 m3s-1min-1 beim Szenario IIIc verringert werden. Grundsätzlich verlängert eine gedämpfte Änderung des Abflusses die Reaktionszeiten für die aquatische Fauna. Die Tiere können sich in diesem Fall den neuen Abflussbedingungen besser anpassen und bei Bedarf in andere Bereiche im Gewässer oder in die Sohle ausweichen.


Schwall/Sunk – Hasliaare

Bild 6. Schematische Darstellung zur Ermittlung des Kostenteilers. Die Y-Achse zeigt dabei die ökologische Beeinträchtigung durch Schwall/Sunk. Das Niveau Sanierungspflicht ist etwas breiter dargestellt, da hier neben ökologischen Kriterien auch die Verhältnismässigkeit mitberücksichtigt werden muss.

Bild 8. Verlauf des heutigen (blaue Linie) Stollens und des künftigen Speicherstollens (violette Linie, mit deutlicher Laufverlängerung gegenüber heute) sowie Lage des Beruhigungsbeckens (rote Linie). Szenario wurde gemeinsam in einem Workshop mit der Begleitgruppe und dem Expertenteam durchgeführt. Aufgrund methodisch bedingter Unsicherheiten (Kap. 4.1) konnte keine «exakte» Gesamtbewertung (z.B. Szenario I: Klasse Gelb, Szenario II: Klasse Orange) vorgenommen werden. Stattdessen wurde versucht, die Beurteilung der verschiedenen Szenarien in Form einer Synthese verbal zusammenzufassen: • «Für den heutigen Zustand liegt eine wesentliche Beeinträchtigung durch Schwall/Sunk vor.» • «Der Kraftwerksausbau (Szenario II) führt zu einer leichten Verschlechterung, da insgesamt drei Indikatoren (B2, B3 und B4) eine Klasse schlechter als Szenario I abschneiden.» 284

«Mit den Szenarien IIIa (V = 50 000 m3) und IIIb (V = 60 000 m3) kann die durch den Kraftwerksausbau verursachte Verschlechterung mehr als kompensiert werden. Es resultiert für beide Szenarien gegenüber heute eine leichte Verbesserung, da insgesamt drei Indikatoren (B1, F2 und F5) eine Klasse besser als Szenario I abschneiden.» «Für die Szenarien IIIc (V = 80 000 m3) und IIId (V = 100 000 m3) wird eine leichte bis mässige Verbesserung gegenüber heute erwartet, da insgesamt ein Indikator (F5) eine Klasse besser und zwei Indikatoren (B1 und F2) zwei Klassen besser als Szenario I abschneiden».

Bild 7. Illustration des künftigen Beruhigungsbeckens in Innertkirchen. •

«Mit der bestehenden Morphologie kann mit den Szenarien IIIa–IIId keine Verbesserung für die Indikatoren F1 und F4 erreicht werden. Bei einer deutlichen Aufwertung der Morphologie (insbesondere bzgl. Habitate für Jungfische) ist mit zunehmendem Beckenvolumen eine Verbesserung möglich.» Diese zusammenfassenden Erkenntnisse bildeten die Grundlage sowohl für die Festlegung der umzusetzenden Sanierungsvariante als auch für eine möglichst objektive Herleitung eines Kostenteilers. Der von der KWO zu tragende Anteil entspricht dabei der ökologischen Verschlechterung, die durch den Kraftwerksausbau (Szenario II) gegenüber dem Ist-Zustand (Szenario I) resultiert. Allerdings können trotz Kraftwerksausbau mit dem Bereitstellen eines Zwischenspeichers (Szenarien IIIa–IIId) ökologische Verbesserung gegenüber dem heutigen Zustand erreicht werden (siehe oben). Diese ökologische Aufwertung berechtigt grundsätzlich zu Beiträgen der Swissgrid AG (Kap. 1). Rechnerisch lassen sich die entsprechenden Beiträge aus der Differenz zwischen Ist-Zustand und dem gewählten Szenario (IIIa, IIIb, IIIc oder IIId) ableiten. Bild 6 stellt das angewendete Prinzip vereinfacht dar. 5.

Auswahl und Kurzbeschrieb der umzusetzenden Sanierungsvariante Auf Basis der oben beschriebenen Grundlagen wurde von den Vertretern des BAFU und des AWA die Sanierungsvariante IIIc (80 000 m3) für die Umsetzung ausgewählt (Bild 7 und 8). Ausschlaggebend für diesen Entscheid waren folgende Aspekte: • Zwischen der Sanierungsvariante IIIb und IIIc wird eine ökologische Verbesserung erwartet (Indikatoren B1 und F2).

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Schwall/Sunk – Hasliaare Tabelle 3. Bei der Defizitanalyse gewonnene Erfahrungswerte.

Tabelle 4. Anregungen für eine Bewertungsmethode zur Beschreibung künftiger Zustände. «Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

285


Schwall/Sunk – Hasliaare

a)

b)

Bild 9a und 9b. Illustrationen zu Beginn der Bauarbeiten am Beruhigungsbecken. •

Verglichen mit den Varianten IIIa und IIIb treten bei der Variante IIIc unterproportionale Zusatzkosten auf. • Aufgrund einer neuen Linienführung des Speicherstollens ist eine Realisierung der Variante IIId mit deutlich höheren Zusatzkosten (verglichen mit Szenario IIIc) verbunden, ohne dass damit ein ökologischer Mehrwert erwartet wird. • Mit Variante IIIc können auch die Anforderungen bei künftigen morphologischen Aufwertungen in der Schwallstrecke erfüllt werden (Kap.4.3). • Mit Variante IIIc dürfte ein ausreichender Handlungsspielraum bestehen, um die bestehenden Unsicherheiten (z.B. bzgl. künftigem Betriebsregime) ausreichend abzufedern. Da bei der Wasserrückgabe in Innertkirchen nur eine begrenzte Fläche für den Bau eines Beruhigungsbeckens zur Verfügung steht, kann oberirdisch ein Speichervolumen von maximal 18 000 m3 erreicht werden. Das restliche Volumen wird daher unterirdisch, in Form eines Speicherstollens mit Drosselklappen umgesetzt. Künftig wird das Kraftwerk Innertkirchen 1 das turbinierte Wasser über diesen Speicherstollen in das Beruhigungsbecken leiten, während die Zentrale Innertkirchen 2 direkt in das Beruhigungsbecken entwässert. Die Wasserrückgabe in die Aare erfolgt mit zwei regelbaren Organen am Auslauf des Beruhigungsbeckens (Bild 7). 6. 6.1

Diskussion

Indikatoren für die Bewertung des Ist-Zustands Wie in Tabelle 1 beschrieben, reagieren die zwölf Indikatoren unterschiedlich sensitiv auf die morphologischen und hydrologischen Verhältnisse. Methodisch bedingte Redundanzen traten zwischen den Indikatoren B2 und B4 (teilweise auch mit B3), zwischen B1 und F5 sowie zwischen F1 und 286

F4 auf. In Absprache mit den Experten und den Behördenvertretern wurde die Methodik bei den Indikatoren H1, B3, F2, F3 und F5 entsprechend den Gegebenheiten (sehr feine Trübstoffe, hoher Gletscheranteil, relativ grobes Sohlensubstrat, geringe natürliche Fischproduktivität) in der Hasliaare angepasst (Schweizer et al. 2013b). Diese Zusammenfassung der methodischen Aspekte verdeutlicht, dass die Vollzugshilfe nur von Experten mit ausreichender Erfahrung und guten lokalen Kenntnissen angewendet werden sollte. Trotz allenfalls nötiger methodischer Anpassungen eignet sich die BAFU-Vollzugshilfe sehr gut, um die aktuelle gewässerökologische Situation umfassend zu beschreiben und um Sanierungsansätze effizient abzuleiten. In Tabelle 3 sind die in dieser Fallstudie gewonnenen Erfahrungswerte und die daraus abgeleiteten Empfehlungen in aller Kürze zusammengefasst. 6.2

Indikatoren für die Bewertung künftiger Zustände Während das bestehende Indikatorenset zur Beurteilung des Ist-Zustands entwickelt wurde, erfordert das in Phase 2 vorgesehene Variantenstudium (Kap. 1) eine Bewertungsmethodik, deren Indikatoren auch für künftige Zustände prognostizierbar (oder zumindest semi-quantitativ abschätzbar) sind. Konkret müssen Veränderungen im Abflussregime aber u.U. auch in den morphologischen Verhältnissen der Schwallstrecke objektiv und ausreichend genau berücksichtigt werden können. Grundsätzlich sind mit einer Vorhersage von künftigen Zuständen zusätzliche Unsicherheiten (z.B. künftiges Betriebsregime, künftige Steuerung von Zwischenspeichern) verbunden. Ungeachtet dessen, erfordert der ambitionierte Zeitplan zur Sanierung von Schwall/ Sunk eine möglichst nachvollziehbare, transparente und dem aktuellen Wissensstand entsprechende Bewertung zukünftiger Varianten. Daher wird seit dem Frühling

2013 die bestehende Bewertungsmethode vom BAFU weiterentwickelt, um den o.g. Ansprüchen möglichst gerecht zu werden (Veröffentlichung geplant für Sommer 2014). Ohne in diese methodische Weiterentwicklung eingreifen zu wollen, erlauben sich die Autoren, basierend auf den gewonnenen Erfahrungswerten, konkrete Anregungen in Form einer Diskussionsgrundlage zu formulieren (Tabelle 4). 6.3 Fallstudie Hasliaare Aufgrund der sehr guten Datengrundlage und des Einbezugs von Experten und Vertretern der Behörden konnte die Massnahmenplanung für die Sanierung der Hasliaare bereits vor dem offiziellen Zeitplan transparent und nach aktuellem Wissensstand umgesetzt werden. Dafür wurde ein stufenweises Verfahren gewählt (Kap. 2), wobei jeder Arbeitsschritt im Begleitgremium diskutiert und festgelegt wurde. Grundsätzlich dürfte sich dieses Vorgehen auch für andere Sanierungsfälle eignen, sofern auf die lokalen Gegebenheiten eingegangen und die Methodik dementsprechend angepasst wird. Mit den Sanierungsvarianten können die Bewertungen der Indikatoren B1, F2 und F5 um eine, resp. zwei Klassen verbessert werden. Bei den übrigen Indikatoren liegt entweder bereits heute eine zufriedenstellende Situation (B2, B3, B4, F3, H1, A1, Q1) vor oder die morphologischen Defizite sind so stark, dass selbst bei einer deutlichen hydrologischen Aufwertung keine oder nur eine geringfügige Verbesserung zu erwarten ist (F1, F4, F5). Da in den nächsten Jahren verschiedene morphologische Aufwertungen in der Hasliaare umgesetzt werden sollen, wurden auch diese künftigen Rahmenbedingungen bei der Auswahl der umzusetzenden Sanierungsvariante mitberücksichtigt. Um einen sachlich fundierten Variantenvergleich durchführen zu können, waren im Vorfeld zahlreiche und umfassende gewässerökologische Untersuchun-

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


7. Ausblick Die Bautätigkeiten für das Beruhigungsbecken und den Speicherstollen wurden im Frühjahr 2013 aufgenommen (Bild 9). Die Inbetriebnahme erfolgt voraussichtlich im Jahr 2016. Anschliessend werden die gewässerökologischen Reaktionen mit einem umfassenden Monitoringprogramm nach einem, drei, fünf und zehn Jahr(en) dokumentiert. Unabhängig von der Komplexität eines konkreten Sanierungsfalls eignet sich das hier beschriebene Vorgehen. Beispielsweise können mit diesem Ansatz Fälle mit oder ohne Kraftwerksausbau untersucht und bewertet werden. Ebenfalls erlaubt die vorgestellte Methodik, den Kostenteiler für den Fall zu bestimmen, bei dem ein Zwischenspeicher neben der hydrologischen Sanierung auch zur Pumpspeicherung eingesetzt werden soll. Sowohl die bisher gewonnenen als auch die künftigen Erfahrungswerte können auf Anfrage für andere Sanierungsfälle zur Verfügung gestellt werden.

wirkungen auf die Gewässerökologie und mög-

thoden zur Untersuchung und Beurteilung der

liche Sanierungsmassnahmen. «Wasser Energie

Fliessgewässer. Mitteilungen zum Gewässer-

Luft» 2012(4): 257–264.

schutz Nr. 44. BUWAL: 63 S.

Bruder A., Vollenweider S., Schweizer S. und

Schneider M. (2001): Habitat und Abflussmodel-

Meile T. (2012b): Schwall und Sunk: Planung

lierung für Fliessgewässer mit unscharfen Be-

und Bewertung von Sanierungsmassnahmen –

rechnungsansätzen. Dissertation, University of

Möglichkeiten und Empfehlungen aus wis-

Stuttgart, Stuttgart, Germany.

senschaftlicher Sicht. «Wasser Energie Luft»

Schneider & Jorde Ecological Engineering (2012):

2012(4): 265–273.

Casimir-Modellierungen zur Ermittlung der Indi-

Céréghino R., Cugny P. und Lavandier P. (2002):

katoren F2 und F3 in drei schwallbeeinflussten

Influence of intermittent hydropeaking on the

Strecken der Hasliaare für den Ist-Zustand und

longitudinal zonation patterns of benthic inver-

weitere Szenarien. Bericht im Auftrag der KWO

tebrates in a mountain stream. Internat. Rev. Hy-

(Autoren: Schneider M., Kopecki I. und Tuhtan J.)

drobiol. 87: 47–60.

Schweizer S., Neuner J., Ursin M., Tscholl H. und

Haas R. & Peter A. (2009): Lebensraum Hasliaare

Meyer M. (2008): Ein intelligent gesteuertes Be-

2009 – eine fischökologische Zustandserhebung

ruhigungsbecken zur Reduktion von künstlichen

zwischen Innertkirchen und Brienzersee. Eawag

Pegelschwankungen in der Hasliaare. «Wasser

Kastanienbaum. KTI-Projekt: Nachhaltige Nut-

Energie Luft» 2008 (3): 209–215.

zung der Wasserkraft – Innovative Massnahmen

Schweizer S., Neuner J. und Heuberger N. (2009):

zur Reduzierung der Schwall-Sunk-Problematik.

Bewertung von Schwall/Sunk – Herleitung eines

Jorde K. (1997): Ökologisch begründete, dy-

ökologisch abgestützten Bewertungskonzepts.

namische Mindestwasserregelungen bei Aus-

«Wasser Energie Luft» 2009 (3): 194–202.

leitungskraftwerken. Dissertation, University of

Schweizer S., Meyer M., Heuberger N., Brech-

Stuttgart, Stuttgart, Germany.

bühl S. und Ursin M. (2010): Zahlreiche gewäs-

LCH (2010): Abschätzung der dämpfenden Wir-

serökologische Untersuchungen im Oberhasli.

kung von grossmassstäblichen Uferrauheiten

«Wasser Energie Luft» 2010 (4): 289–300.

auf Schwall- und Sunkerscheinungen in der Has-

Schweizer S., Zeh Weissmann H. und Ursin M.

liaare. EPFL-LCH, Lausanne, Rapport LCH Nr.

(2012): Der Begleitgruppenprozess zu den Aus-

25/2010, 12 Seiten. Bericht im Auftrag der KWO

bauprojekten und zur Restwassersanierung im

(Autoren: Bieri M. & Meile T.).

Oberhasli. «Wasser Energie Luft» 2012(1): 11–17.

Danksagung

LCH (2012): Betrieb des Dämpfungsbeckens In-

Schweizer S., Schmidlin S., Tonolla D., Büsser

Die in dieser Publikation beschriebenen Arbeiten

nertkirchen. Bestimmung der Schwallkennwerte

P., Meyer M., Monney J., Schläppi S., Wächter

basieren zu einem grossen Teil auf den Vorar-

für die Hasliaare unter Berücksichtigung einer

K. (2013a): Schwall/Sunk-Sanierung in der Has-

beiten, Untersuchungen, Erfahrungen und dem

ökologisch optimalen Beckensteuerung. EPFL-

liaare – Phase 1a: Gewässerökologische Be-

einmaligen Wissen von Peter Baumann. Nicht nur

LCH, Lausanne, Rapport LCH Nr. 13/2012, 15

standsaufnahme. «Wasser Energie Luft» 2013(3):

in diesem Projekt verbleibt eine grosse Lücke im

Seiten. Bericht im Auftrag der KWO (Autoren:

191–199.

Fachbereich der Gewässerökologie.

Bieri M. & Meile T.).

Schweizer S., Schmidlin S., Tonolla D., Büsser P.,

Für die sehr konstruktive Zusammenarbeit

Limnex (2009): Schwall-Sunk in der Hasliaare.

möchten sich die Autoren ganz herzlich bei Man-

Gewässerökologische

von

Tuhtan J. und Wächter K. (2013b): Schwall/Sunk-

fred Kummer, Martin Huber Gysi, Daniel Hefti

Hasliaare und Lütschine und Beurteilung der

Sanierung in der Hasliaare – Phase 1b: Ökolo-

(alle Bundesamt für Umwelt) und Vinzenz Mau-

Schwall-Auswirkungen in je zwei Strecken und

gische Bewertung des Ist-Zustands anhand der

rer (Amt für Wasser und Abfall des Kantons Bern)

Szenarien. Bericht im Auftrag der KWO. (Autoren:

12 Indikatoren der aktuellen BAFU-Vollzugshilfe.

bedanken. Catherine Mathez (BWU), Bernhard

Baumann P., Wächter K. und Vogel U.).

«Wasser Energie Luft» 2013 (3): 200–207.

Luder (BAFU), Heinz-Peter Tscholl, Oliver Kost,

Limnex (2012): Schwall-Sunk Bewertung der

Schweizer S., Bieri M., Tonolla D., Monney J.,

Jan Baumgartner, Daniel Fischlin (alle KWO) und

KWO-Zentralen in Innertkirchen. Bewertung des

Rouge M. und Stalder P. (2013c): Schwall/Sunk-

Michael Döring (eQcharta) gebührt ein grosser

Ist-Zustands und Varianten zur Bewertung eines

Sanierung in der Hasliaare – Phase 2a: Konst-

Dank für das kritische Durchlesen des Manu-

zukünftigen Zustands nach Realisierung des Auf-

ruktion repräsentativer Abflussganglinien für

skripts.

bauprojekts KWO plus (mit und ohne Speicher-

künftige Zustände. «Wasser Energie Luft» 2013

volumen zur S/S-Dämpfung). Bericht im Auftrag

(4): 267–274.

Untersuchungen

Meyer M., Monney J., Schläppi S., Schneider M.,

Literatur

der KWO. (Autoren: Baumann P., Schmidlin S.,

Bieri M. (2012): Operation of Complex Hydro-

Wächter K., Peter A. und Büsser P.).

Anschrift des Verfassers

power Schemes and its Impact on the Flow Re-

Maire A. & Theiler Q. (2013): Management of a re-

Steffen Schweizer

gime in the Downstream River System under

tention basin to mitigate effects of hydropeaking.

Kraftwerke Oberhasli AG

Changing Scenarios. Diss. EPFL No 5433., Zü-

Final Report des Desing-Projekts «Science et in-

Grimselstrasse, CH-Innertkirchen

rich, Schweiz.

genierie de l’environment 2013. Betreuung Prof.

sste@kwo.ch

Baumann P., Kirchhofer A. und Schälchli U.

Dr. P. Perona und Dr. S. Schweizer.

Tel. +41 33 982 20 19

(2012): Sanierung Schwall/Sunk – Strategische

Person E., Bieri M., Peter A. und Schleiss A.

Planung. Ein Modul der Vollzugshilfe Renatu-

(2013): Mitigation measures for fish habitat im-

rierung der Gewässer. Bundesamt für Umwelt,

provement in Alpine rivers affected by hydro-

Bern. Umwelt-Vollzug Nr. 1203: 126 S.

power operations. Ecohydrology 2013, 20 Sei-

Bruder A., Schweizer S., Vollenweider S., Tonolla

ten.

D. und Meile T. (2012a): Schwall und Sunk: Aus-

Schager E. & Peter A. (2004): Fische Stufe F. Me-

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

287

Schwall/Sunk – Hasliaare

gen nötig. Dabei waren in verschiedenen Bereichen auch immer wieder ökologische Pionierarbeiten erforderlich.


Schwall/Sunk – Hasliaare

Schwall/Sunk-Sanierung in der Hasliaare Beurteilung der ökologischen Auswirkungen von künstlichen Pegelschwankungen auf die Makroinvertebratenfauna anhand von physikalischen Habitatmodellen David Tanno, Steffen Schweizer, Christopher Robinson

Zusammenfassung Wasserkraftwerke mit einem Speichersee sind in der Lage, Strom flexibel zu produzieren, entsprechend Bedarf und Nachfrage. Damit können einerseits Netzschwankungen effizient ausgeglichen und andererseits notwendige saisonale Verschiebungen in der Energiegewinnung bewältigt werden. Allerdings führt diese bedeutende Flexibilität in der Stromproduktion zu einer unregelmässigen Wasserrückgabe in den Vorfluter, was zu künstlichen Pegelschwankungen, bzw. Schwall/Sunk im Gewässer unterhalb der Zentrale(n) führt. Diese künstlichen Pegelschwankungen bewirken eine signifikante Verringerung der bewohnbaren Lebensräume für Fische und Wasserkleintiere (Makrozoobenthos). Die Revision des Gewässerschutzgesetzes von 2011 sieht eine Sanierung des Abflussregimes in Schwallstrecken vor. Computergestützte, physikalische Habitatmodelle sind ein effizienter Ansatz, um die Veränderungen der verfügbaren Lebensräume unter verschiedenen Abflussbedingungen zu simulieren. Auf diese Weise liefern diese Modelle wichtige Informationen für die Abschätzung der ökologischen Auswirkungen verschiedener Sanierungsmassnahmen und sind daher eine wichtige Unterstützung bei der Auswahl von Dämpfungsmassnahmen. In dieser Fallstudie wurden die Habitateignungen in der Schwallstrecke der Hasliaare für die Biomasse von Wasserinsekten mit dem physikalischen Habitatmodell CASiMiR simuliert und beurteilt.

1. Einleitung Wasserkraftwerke mit einem Speichersee können flexibel Strom produzieren. Dies führt in den meisten Fällen zu einer unregelmässigen Abgabe von Wasser in den Vorfluter und damit zu künstlichen Pegelschwankungen, bzw. Schwall/Sunk unterhalb der Wasserrückgabe. Diese künstlichen Pegelschwankungen führen zu unnatürlichen Veränderungen von physikalischen Parametern wie Wassertiefe, Fliessgeschwindigkeit, Wassertemperatur und -trübung und haben daher weitreichende Konsequenzen für die aquatischen Organismen. Neben den Fischen sind auch die Wasserkleintiere (hauptsächlich Stein-, Eintags- und Köcherfliegenlarven) vom unnatürlichen Abflussregime in der Schwallstrecke beeinflusst. Während dem unnatürlich schnellen Abflussanstieg und den häufig unnatürlich hohen Abflussspitzen kann ein Grossteil des Makrozoobenthos (Gemeinschaft der von Auge erkennbaren wirbellosen Kleintiere) verdriftet werden (Bruno et al. 2010). Dadurch werden die Biomasse 288

und die Abundanz (Häufigkeit) des Makrozoobenthos erheblich reduziert. Während den immer wiederkehrenden hohen Abflüssen treten regelmässig hohe hydraulische Belastungen auf. Längerfristig kann dies dazu führen, dass strömungsliebende Arten unter den Wirbellosen tendenziell begünstigt werden. Andererseits können auf eine verstärkte Strömung empfindlich reagierende Arten verschwinden (Cereghino & Lavandier 1998; Cereghino et al. 2002). Im Rahmen des revidierten Gewässerschutzgesetzes müssen die negativen Auswirkungen von Schwall/Sunk reduziert werden, und zwar in dem Mass, dass (mit verhältnismässigem Aufwand) für Tiere, Pflanzen und ihre Lebensräume keine wesentlichen Beeinträchtigung mehr bestehen (vgl. Artikel 39a GSchG). Es ist vorgesehen, dass die Sanierung mit baulichen Massnahmen (z.B. Speichervolumen oder Direktableitungen in Seen) erfolgt. Auf Antrag der Kraftwerksbetreiber können auch betriebliche Massnahmen (z.B. Reduktion der Abflussspitzen und der Schwall- und

Sunkraten, Erhöhung der minimalen Abflüsse) umgesetzt werden (Bruder et al. 2012a). Im Zusammenhang mit bisherigen Sanierungsprojekten wurden i.d.R. physikalische Habitatmodelle eingesetzt, mit welchen die Qualität und Quantität der Lebensräume (Habitate) berechnet werden können. Die verschiedenen Tiere und ihre unterschiedlichen Lebensstadien benötigen bestimmte hydraulische Bedingungen und Habitatsstrukturen (Fliessgeschwindigkeit, Abflusstiefe, Korngrösse), um sich in einem Gewässer etablieren zu können. Das Angebot der Habitate hängt dabei direkt vom Abfluss ab. Die hydraulischen Modelle können für verschiedene Abflüsse die zur Verfügung stehenden Lebensräume quantifizieren (Bruder et al. 2012b). Diese Modelle sind seit den 1980er-Jahren in Gebrauch und wurden in vielen Fällen für Restwasseruntersuchungen verwendet. Seit kürzerer Zeit werden diese auch für Schwallstrecken angewendet. Meistens liegt bei den Habitatmodellierungen der Fokus bei den Fischen. Bisher wurden in der Schweiz nur an zwei Stellen die Habitate für das Makrozoobenthos in einer Schwallstrecke modelliert: Am Alpenrhein (Mastrils, Buchs und Koblach; www.alpenrhein.net) und in der Hasliaare. In diesem Beitrag werden die Resultate der Habitatmodellierung für das Makrozoobenthos in der Hasliaare exemplarisch vorgestellt. 2.

Morphologie und Schwallbetrieb in der Hasliaare Die Hasliaare entspringt dem Oberaarund Unteraargletscher auf ca. 2000 m und fliesst anschliessend durch mehrere Speicherseen (Oberaar-, Grimsel- und Räterichsbodensee), wo der Grossteil des zufliessenden Wassers für die Stromproduktion gefasst wird. Unterhalb der Stauseen fliesst die Aare als Restwasserstrecke, bis in Innertkirchen das turbinierte Wasser zurückgegeben wird. Dies führt zu künstlichen Pegelschwankungen von

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


3. Methoden Um die Qualität und Quantität der Lebensräume bei verschiedenen Abflüssen ab-

schätzen zu können, wurde das HabitatModell CASiMiR (Jorde 1997, Schneider 2001, www.casimir-software.de) eingesetzt. Neben der Gerinnegeometrie und hydraulischen Berechnungen müssen dafür auch die Präferenzen von aquatischen Organismen bekannt sein oder zumindest nach dem aktuellen Wissensstand abgeschätzt werden. Bild 1 zeigt schematisch wie vorgegangen wurde, um aus den verschiedenen Informationen in Abhängigkeit des Abflusses letztlich die Lebensräume der aquatischen Organismen modellieren zu können. Die vollständige Prozedur ist detailliert in Tanno (2012) beschrieben. 3.1

Messung der Gerinnegeometrie und hydraulische Modellierung Die Gerinnegeometrie der drei Teststrecken (Buhnenstrecke, Kiesbankstrecke und Kanalstrecke) wurde mit einer Kombination von Tachymetrie und GPS EchoSoundern, jeweils mit einer Rasterzellen-

grösse von 0.5 m, aufgenommen. Daraus wurde ein dreidimensionales Höhenmodell erstellt, welches als Input für die 2D hydraulische Modellierung verwendet wurde. Die Abflusstiefe und Fliessgeschwindigkeit für jede Rasterzelle des Modells wurden mit dem 2D hydrodynamischen Modell HYDRO_AS-2D bei 30 verschiedenen Abflüssen (3–100 m3/s) simuliert. Detailliertere Angaben zur hydraulischen Modellierung finden sich in Person et al. (2013). 3.2

Biologische Datenerhebung im Gewässer In der Regel sind die Präferenzen (bzgl. Fliessgeschwindigkeit, Abflusstiefe, Sohlensubstrat, Wasserqualität) nur für einzelne Insektenarten bekannt, wobei sich diese von Gewässer zu Gewässer unterscheiden können. Summenwerte für das Makrozoobenthos wie z.B. Häufigkeit, Biomasse oder Artenvielfalt sind häufig von den direkten Lebensbedingungen ab-

Tabelle 1. Die wichtigsten Schwallkennwerte (jeweils 95%-Perzentile für die Winterabflüsse von 2009–2012) für die Hasliaare bei der Wasserrückgabe in Innertkirchen (unter Berücksichtigung des Zwischeneinzugsgebiets) und am Pegel Brienzwiler (rund 10 km unterhalb der Wasserrückgabe). Aus ökologischer Sicht (Stranden von Organismen) sind vor allem Abflüsse < 8 m3/s relevant.

Bild 1. Schematisches Vorgehen bei den Modellierungen. Bei mit * indizierten Bereichen bestehen Optionen zur Dämpfung von Schwall/Sunk-Effekten.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

289

Schwall/Sunk – Hasliaare

der Wasserrückgabe in Innertkirchen bis zur Mündung in den Brienzersee (Schweizer et al. 2013). Auf dieser Schwallstrecke kommen folgende Flussmorphologien vor: • Buhnenstrecke im Raum Innertkirchen, • Aareschlucht zwischen Innertkirchen und Meiringen, • Kiesbankstrecke im Raum Meiringen • Kanalstrecke zwischen Meiringen und der Mündung in den Brienzersee. Zur Beschreibung des Abflussregimes in der Hasliaare stehen neben den Pegeln «Brienzwiler» und «Schattenhalb/ Aareschlucht» auch die Angaben der turbinierten Wassermengen in Innertkirchen (jeweils mit 15 Minuten Zeitauflösung) zur Verfügung. Heute ist theoretisch eine maximale Wasserrückgabe von 70 m3/s möglich, mit dem Ausbau des Kraftwerks Innertkirchen 1 im Rahmen des KWO plus Projekts «Tandem» künftig 95 m3/s (Schweizer et al. 2012). Im Winter treten diese maximalen Abflüsse nur in absoluten Extremsituationen auf. So beträgt der winterliche Maximalabfluss der letzten sieben Jahre 60 m3/s (Limnex 2012). Aufgrund der geringen natürlichen Zuflüsse sind die Auswirkungen der künstlichen Pegelschwankungen in der Winterzeit am grössten. Während der Schneeund Gletscherschmelze, wenn ein Grossteil des zufliessenden Wassers wegen voller Speicherseen nicht mehr zwischengelagert werden kann, sind die Effekte von Schwall/Sunk auf das Abflussregime und auf das Makrozoobenthos i.d.R. weniger stark ausgeprägt (Bieri 2012). Für die aquatische Fauna sind neben den absoluten auftretenden Minimal- und Maximalabflüssen vor allem auch die meist kurzfristigen Änderungsraten von entscheidender Bedeutung. Mit statistischen und hydraulischen Analysen können die Dämpfungseffekte, die in der Buhnenstrecke und insbesondere in der Aareschlucht auftreten, beschrieben werden (LCH 2010, LCH 2012, Limnex 2009). Der Einfluss auf die Abflussspitzen ist dabei in der Regel vernachlässigbar, während sich der Abflussanstieg (Schwallrate) um rund 56% und der Abflussrückgang um rund 31% zwischen Innertkirchen und Brienzwiler deutlich verringert (LCH 2012). Tabelle 1 gibt einen Überblick über die wichtigsten Schwallkennwerte bei der Wasserrückgabe in Innertkirchen und am Pegel Brienzwiler.


MITTEL

HOCH

SEHR HOCH

Zugehörigkeit [-]

Schwall/Sunk – Hasliaare

SEHR KLEIN KLEIN

Fliessgeschwindigkeit [m/s]

Bild 2. Beispiel einer Fliessgeschwindigkeits-Präferenzkurve für die Makrozoobenthos-Biomasse im Frühling. hängig, aber nur in Einzelfällen sind diese Präferenzen abgeschätzt oder quantifiziert. Deshalb sind mit dem heutigen Wissensstand Felduntersuchungen im betroffen Gewässer erforderlich. Mit dem Abfluss verändern sich die Lebensräume hinsichtlich Fliessgeschwindigkeit und Abflusstiefe. Bei einem Schwall/Sunk-Abflussregime treten diese Änderungen des Lebensraums häufig täglich auf. Um trotzdem die Präferenzen der einzelnen Arten oder von Summenwerten (s.o.) möglichst gut abschätzen zu können, empfiehlt es sich, zusätzlich auch ein Referenzgewässer mit ähnlichen ökologischen Eigenschaften (Morphologie, Wasserqualität, Gewässergrösse) aber ohne künstliche Pegelschwankungen zu beproben. Im Dezember 2011 und im Mai 2012 wurden in der Restwasserstrecke Makrozoobenthosproben genommen (je 20 Probennahmestellen), in der Schwallstrecke während tief gehaltenem Abfluss (in Absprache mit der KWO) im Februar 2012 (36 Probennahmestellen). Die Probennahme erfolgte mittels Hess-Sampler. An jeder Probennahmestelle wurden ebenfalls physikalische Parameter wie Abflusstiefe, Fliessgeschwindigkeit und Korngrösse gemessen. Die Korngrösse wurde dabei in neun Grössenklassen eingeteilt, die von tonigem Substrat bis Felsuntergrund reichten. Im Labor wurden die Benthosproben ausgezählt und bestimmt. Die Biomasse wurde mittels Körperlängen-Trockenmassen Beziehungen bestimmt (Burgherr & Meyer 1997). 3.3

Präferenzkurven für das Makrozoobenthos Die erhobenen Felddaten (Kap. 3.2) sind 290

Bild 3. Einteilung der Fuzzy Klassen für Fliessgeschwindigkeit für Biomasse im Winter. Eine Fliessgeschwindigkeit von 0.4 m/s würde zur Menge «mittel» gehören, während eine Fliessgeschwindigkeit von 0.8 m/s zu 50% in die Menge «mittel» und zu 50% in die Menge «hoch» gehört.

die Grundlagen, um Korrelationen, bzw. Präferenzkurven zwischen den biologischen (Biomasse als Summenwert) und physikalischen (Abflusstiefe, Fliessgeschwindigkeit, Sohlensubstrat) Daten abzuleiten. Mit der Jahreszeit ändern sich sowohl die biologischen (z.B. Körpergrösse und -gewicht, Artenverteilung, Emergenz = Insektenlarven verlassen das Gewässer als erwachsenes Tier zur Fortpflanzung) als auch die physikalischen Kenngrössen (z.B. Wassertemperatur, Trübung, Basisabfluss). Daher muss für jede Saison eine eigene Präferenzkurve erstellt werden. Zur Bestimmung der Korrelationen wurden generalisierte lineare Regressions-Modelle (GLM) mit Polynomen zweiter Ordnung verwendet. Zum Beispiel für die Abflusstiefe h: Biomasse = a + bl · h + b2 · h2 + e Mit dem y-Achsenabschnitt a, den Regressionkoeffizienten b1 und b2 und dem Fehlerterm e. Dabei wurden die biologischen Zielwerte normiert (jeweils durch den höchsten Wert der jeweiligen Präferenzkurve geteilt), sodass auf der y-Achse Werte zwischen 0 und 1 resultierten. Diese Prozedur entspricht der IFIM Methode nach Bovee (1982). Da die Korngrösse in Klassen (1–9) erfasst wurde, wurden die Präferenzen als Histogramm dargestellt, aber ebenfalls nach der IFIM Methode normalisiert. Die so erstellten Präferenzkurven (Bild 2) sind die Grundlage für die Formulierung sogenannter Fuzzy Regeln (Kap. 3.4), die vom CASiMiR-Modell für die letztliche Habitatmodellierung (Kap. 3.5) benötigt werden.

3.4 Fuzzy logische Modellierung Fuzzy Logik ist eine Erweiterung der klassischen Mengenlehre, bei der die einzelnen Mengen überlappen (Zadeh 1965). Somit kann ein Wert teilweise zu der einen, teilweise zu einer anderen Menge gehören. In der Habitatsimulationssoftware CASiMiR (Jorde 1997, Schneider 2001) wird dieser Ansatz für die Modellierung von Habitatsansprüchen von Fliessgewässerorganismen verwendet. Die dabei verwendeten Fuzzy Regeln werden in einem linguistischen Regelwerk formuliert, zum Beispiel: Wenn Abflusstiefe «klein» und Fliessgeschwindigkeit «mittel» und Korngrösse «mittel» dann ist Habitateignung «hoch». Um die Fuzzy Regeln zu bestimmen, müssen in einem ersten Schritt die unscharfen Fuzzy-Mengen definiert werden. Dabei werden die Skalen der physikalischen Variablen in sich überschneidende Bereiche eingeteilt, die für Fliessgeschwindigkeit und Abflusstiefe in insgesamt fünf Klassen (sehr klein, klein, mittel, hoch und sehr hoch) und für die Korngrösse in drei Klassen (klein, mittel, hoch) unterteilt werden (Bild 3, Tabelle 2). Aus methodischen Gründen unterscheiden sich die einzelnen Klasseneinteilungen zwischen den Jahreszeiten. Basierend auf den Ergebnissen der Präferenzkurven wurden den jeweiligen Fuzzy-Klassen für Abflusstiefe und Fliessgeschwindigkeit sogenannte Eignungswerte zugeteilt (Tabelle 2, vgl. Eberstaller et al. 2012): • 0 für ungeeignet, • 1 für mittel geeignet • 2 für sehr gut geeignet Für die Korngrösse wurde nur zwi-

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Schwall/Sunk – Hasliaare

Tabelle 2. Eignungswerte für Biomasse im Winter und im Frühling. SK = Sehr Klein, K = Klein, M = Mittel, H = Hoch und SH = Sehr Hoch.

Tabelle 3. Fuzzy-Regeln für Biomasse im Winter und im Frühling. SK = Sehr Klein, K = Klein, M = Mittel, H = Hoch, SH = Sehr Hoch. schen ungeeignet (0) und geeignet (1) unterschieden. Da je fünf Mengen für Abflusstiefe und Fliessgeschwindigkeit und drei für Korngrösse definiert wurden, ergibt sich für alle Kombinationen ein Regelwerk mit 5·5·3 = 75 Regeln. Für alle diese Regeln muss schliesslich noch eine Gesamteignung, wie im oben gezeigten Regel-Beispiel, bestimmt werden. Dies wird durch die Multiplikation der drei Eignungswerte erreicht (Neary 2006). Beispielhaft ergibt sich für die o.g. Stelle folgendes Produkt: «Kleine Abflusstiefe» (Eignung = 1) × «Mittlere Fliessgeschwindigkeit» (Eignung = 2) × «mittlere Korngrösse» (Eignung = 1) = Gesamteignung 2. Um die Gesamteignung verbal zu beschreiben, gelten folgende Klasseneinteilungen • Gesamteignung 0  Gesamteignung «Klein» • Gesamteignung 1  Gesamteignung «Mittel» • Gesamteignung 2 Gesamteignung «Hoch»

Gesamteignung 4  Gesamteignung «Sehr hoch» In einem letzten Schritt können nun die insgesamt 75 Fuzzy-Regeln für die einzelnen Jahreszeiten analog Tabelle 3 formuliert werden. •

3.5

Habitat-Modellierung mit CASiMiR Wie aus Bild 1 ersichtlich ist, wird für die Habitat-Modellierung in CASiMiR (Jorde 1997, Schneider 2001) zusätzlich zu den Lebensraumansprüchen (vgl. Kap. 3.23.4) auch ein hydraulisches Modell eines Flussabschnitts benötigt, mit dem die Abflusstiefe und die Fliessgeschwindigkeit bei verschiedenen Abflüssen berechnet werden können (3.1). Die Korngrösse ist von den Feldaufnahmen (Kap. 3.1) bekannt. Im Fall der Hasliaare lag das zweidimensionale Modell für die Buhnen-, die Kiesbank- und die Kanalstrecke mit jeweils einer Abschnittslänge von ca. 150 Meter vor (Person et al. 2013). In einem Zwischenschritt berechnet CASiMiR den Erfüllungsgrad jeder

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

Regel und daraus ergibt sich ein Habitateignungsindex (HSI) zwischen 0 (ungeeignet) und 1 (geeignet). Dieser Zwischenschritt wird detailliert von Schneider (2001) beschrieben. Basierend auf einer statistischen Analyse von Abflussdaten der Messstation bei Brienzwiler 2009–2012 wurden die Abflüsse für die Simulationen gewählt. Für die Wintersituation: 4 m3/s als Sunkabfluss, 15 m3/s und 30 m3/s als Bereich in dem sich die meisten Abflüsse (ca. 53%) befinden, und 55 m3/s als extreme Schwallspitze. Die Extremwerte (Sunk und Schwallspitze) kamen dabei sehr selten vor und im Durchschnitt nicht länger als zwei Stunden. Für die Frühlingssituation wurden infolge der einsetzenden Schneeschmelze höhere Abflüsse gewählt: 15 m3/s als Basisabfluss, 30 m3/s und 45 m3/s als Bereich mit den häufigsten Abflüssen (ca. 50% ) und 60 m3/s als Abflussspitze. Für die betrachtete Zielgrösse Makrozoobenthos-Biomasse wurde zusätzlich das Habitatangebot, mit dem sogenannten «Weighted Useable Area» (WUA, Bovee 1982), als integraler Wert berechnet. Das WUA ist die flächengewichtete Summe der Habitateignungen eines Abschnitts und gibt einen gewissen Hinweis darauf, wie viele «wertvolle» Lebensräume vorhanden sind. Dafür wird in einem ersten Schritt für jede Zelle im hydraulischen Modell das Produkt aus Zellenfläche (A) und dem dortigen Habitateignungsindex (HSI) berechnet. Anschliessend wird die Summe aller Produkte bestimmt. Je höher der Wert, desto mehr geeignete Lebensräume finden sich im untersuchten Flussabschnitt. WUA wird als Funktion des Abflusses dargestellt (Bild 5 & 7).

291


Schwall/Sunk – Hasliaare

Bild 4. Habitateignungskarten berechnet mit CASiMiR für die drei Morphologietypen Buhnenstrecke (links), Kiesbankstrecke (Mitte) und Kanalstrecke (rechts) bei verschiedenen Abflüssen im Winter. Der Habitateignungsindex liegt zwischen 0 und 1. Grau eingefärbte Flächen bedeuten dabei eine sehr niedrige Eignung, rot bis grün eine mittlere und blau eine hohe Habitateignung. 4. Resultate Die Berechnungen in CASiMiR zeigen, dass die Lebensraumbedingungen für die Biomasse des Makrozoobenthos sehr stark von der Höhe des Abflusses, der Saison aber auch von der Morphologie abhängen. Biomasse des Makrozoobenthos im Winter Im Winter liegen die natürlichen Abflüsse in der Schwallstrecke zwischen 2.5 und rund 10 m3/s (5%- und 95%-Perzentil der Abflüsse von 1913–1921). Durch die Speicherung in den Stauseen der KWO erfolgt eine saisonale Verschiebung von Teilen der Sommerabflüsse in den Winter. Heute liegen die Abflüsse in 90% der Fälle zwischen 3 m3/s und rund 40 m3/s und über 50% liegen zwischen 15 und 30 m3/s. Bei niedrigen Abflüssen finden sich in allen betrachteten Abschnitten relativ grosse Flächen mit mittlerer bis guter Eignung (Bild 4) für die Entwicklung einer hohen Biomasse an Makrozoobenthos. Abflüsse über 30 m3/s treten im Winter nur gelegentlich und nicht über allzu lange Zeit auf. Deshalb spielen bei diesen Abflussverhältnissen die Lebensraumbedingungen gesamthaft gesehen eher eine untergeordnete Rolle. Allerdings kann bei höheren Abflüssen von einer Zunahme der Verdriftung von Wirbellosen ausgegangen werden, die die Biomasse des Makrozoobenthos zu einem gewissen Grad reduzieren dürfte. Aufgrund der homogenen Fliessbedingungen in der Kanalstrecke wirken sich in diesem Abschnitt die Änderungen der Lebensraumbedingungen am stärksten aus. Bereits bei Abflüssen von 15 m3/s werden nur noch minimale Bereiche direkt an der Uferlinie mit mittlerer bis guter Eignung ausgeschieden (Bild 4). In der Kiesbankstrecke liegen Flä-

Bild 5. Weighted Useable Area (WUA) für die Makrozoobenthos-Biomasse im Winter als Funktion des Abflusses. Je höher das WUA, desto mehr geeignete Habitate stehen zur Verfügung (Linien). Die Balken zeigen die Häufigkeitsverteilung (auf 15-Minutenbasis) der Abflüsse in den Wintern 2009–2012.

4.1

292

chen mit mittlerer oder guter Eignung bis zu Abflüssen von 30 m3/s vor. Diese Flächen liegen bei niedrigen Abflüssen jedoch in der Niedrigwasserrinne, während sie sich bei höheren Abflüssen auf den dann überströmten Kiesbänken befinden (Bild 4). Dieses Phänomen zeigt sich auch in dem zweiten Maximum der WUA-Kurve (bei ca. 15 m3/s) in Bild 5. Allerdings gibt es schmale Bereiche auf der Kiesbank, die sowohl bei Sunk als auch bei Schwall gute Eignungen anzeigen. Auch in der Buhnenstrecke nehmen die Flächen mit mittlerer oder guter Eignung mit steigendem Abfluss ab. Doch liegen die geeigneten Flächen sowohl bei tiefen als auch bei höheren Abflüssen im Strömungsschatten der Buhnen. 4.2 Frühling Im Frühling liegen die natürlichen Abflüsse in der Schwallstrecke zwischen 2.5 und 42.2 m3/s (5%- und 95%-Perzentil der Ab-

flüsse von 1913–1921). Generell sind die Abflüsse aufgrund der Schneeschmelze deutlich höher als im Winter. Da das Gadmertal (⅓ des KWO-Einzugsgebiets) über keine Speicherseen verfügt, fallen permanent hohe Schmelzwasser an, sodass der Basisabfluss deutlich erhöht ist (zwischen 13 und 40 m3/s). Durch die (natürlicherweise auftretenden) höheren Basisabflüsse im Frühling erhöhen sich auch die Abflusstiefen und Fliessgeschwindigkeiten, welche das Habitatangebot stark reduzieren. Verglichen mit den Verhältnissen im Winter zeigen die Modellsimulationen eine deutliche Verschärfung der Lebensraumbedingungen für den Frühling an. In der Kanal- und in der Buhnenstrecke liegen selbst beim Basisabfluss von 15–20 m3/s so gut wie keine geeigneten Flächen mehr vor (Bild 6). In der Kiesbankstrecke sind die geeigneten Flächen im Frühling etwas kleiner als im Winter (tief-

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Bild 7. Weighted Useable Area (WUA) für die Makrozoobenthos-Biomasse im Frühling als Funktion des Abflusses. Je höher das WUA, desto mehr geeignete Habitate stehen zur Verfügung (Linien). Die Balken zeigen die Häufigkeitsverteilung (auf 15-Minutenbasis) der Abflüsse in für die Frühlingssituationen 2009–2011.

ere WUA-Werte). Allerdings liegen diese Flächen nur auf den zu dieser Jahreszeit permanent überströmten Kiesbänken und nicht in der Niederwasserrinne (Bild 6). Die geeigneten Flächen verschwinden jedoch bei Abflüssen von ca. 30 m3/s, die im Frühjahr recht häufig auftreten. 5.

Diskussion

5.1 Methodenkritik Die Präferenzkurven sind ein nützliches Werkzeug, um einen generellen Eindruck von den Ansprüchen der Wirbellosen zu erhalten. Allerdings ist dies mit relativ grossen Unsicherheiten verbunden. So wurden bei dieser Fallstudie teilweise Daten aus der Schwallstrecke verwendet, bei denen die physikalischen Parameter Abflusstiefe und Fliessgeschwindigkeit mit den verschiedenen Abflüssen sehr stark schwanken. Daher wurde der Schwerpunkt bei den Probenahmen auf

die Restwasserstrecke gelegt, wo keine künstlichen Pegelschwankungen auftreten. Die Restwasserstrecke führt jedoch ganzjährig klares Wasser und das Temperaturregime ist gegenüber dem natürlichen Zustand verändert. Aus diesem Grund eignet sie sich nur bedingt als Referenzstrecke. Eine weitere Unsicherheit in der Erstellung der Präferenzkurven liegt in der Tatsache, dass die Interaktion der einzelnen Parameter wie Fliessgeschwindigkeit, Abflusstiefe und Korngrösse nicht genügend integriert werden kann (z.B. Mouton et al. 2007). Als eine weitere Unsicherheit in der hier vorgestellten Fallstudie ist das Hochwasser im Herbst 2011 zu nennen, das einen gewissen Einfluss auf die Besiedlung des Makrozoobenthos gehabt haben dürfte. Trotz dieser allgemeinen und fallspezifischen Unsicherheiten dürften die hier erstellten Präferenzkurven eine relativ gute Beschreibung der Lebensraumansprüche der Wirbellosen in der Hasliaare

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

geben und eine solide Basis für das Ableiten der Fuzzy-Logischen Regeln im Modell darstellen. 5.2 Saisonale Effekte Die Habitateignungskarten (Bild 4 & 6) und die WUA-Kurven (Bild 5 & 7) zeigen, dass generell nur bei niedrigen Abflüssen relativ viele Flächen eine gute oder mittlere Eignung anzeigen. Bedingungen Winter Vor der Verschiebung des Abflussregimes vom Sommer in den Winter lag der Abfluss im Winter relativ konstant auf tiefem Niveau (ca. 4 m3/s). Durch die saisonale Verschiebung des Abflussregimes treten diese niedrigen Abflüsse nur noch gelegentlich auf. Ein Grossteil der Abflüsse befindet sich heute zwischen 15 und 30 m3/s. Aufgrund der hohen Fliessgeschwindigkeiten und Abflusstiefen ist der Bereich in der Hauptrinne für die Wirbellosen grösstenteils ungeeignet. Allerdings tritt eine erhöhte Verdriftung von Wirbellosen erst bei höheren Abflüssen und bei schnellen Abflussanstiegen auf (Limnex 2009, 2012). Bedingungen Frühling Bedingt durch die im Frühling einsetzende Schneeschmelze liegen die Abflüsse deutlich über denen im Winter. Rund ein Drittel des Einzugsgebiets der KWO fällt auf das Gadmertal (Sustengebiet). Hier gibt es keine grossen Stauseen, sodass das Schmelzwasser aus diesem Gebiet permanent turbiniert wird und einen relativ hohen Basisabfluss in der Schwallstrecke bewirkt, der in der Grössenordnung des natürlichen Basisabfluss von 15 m3/s liegt. Mit der Jahreszeit ändern sich neben den Abflussbedingungen auch die Lebensraumansprüche der Insektenlarven, da sich deren Lebenszyklus ändert. Im Frühling stehen die Invertebraten kurz 293

Schwall/Sunk – Hasliaare

Bild 6. Habitateignungskarten berechnet mit CASiMiR für die drei Morphologietypen Buhnenstrecke (links), Kiesbankstrecke (Mitte) und Kanalstrecke (rechts) bei verschiedenen Abflüssen im Frühling. Der Habitateignungsindex liegt zwischen 0 und 1. Grau eingefärbte Flächen bedeuten dabei eine sehr niedrige Eignung, rot bis grün eine mittlere und blau eine hohe Habitateignung.


Schwall/Sunk – Hasliaare

vor dem Emergieren (d.h. die Tiere verlassen das Wasser als adulte Insekten, um sich fortzupflanzen). Die meisten untersuchten Arten bevorzugen deshalb im Frühling seichte, aber gut durchströmte Lebensräume. Solche Habitate sind in der Schwallstrecke selbst bei den natürlich auftretenden Basisabflüssen jedoch nur sehr vereinzelt vorhanden, was sich auch in den Habitateignungskarten und WUAKurven zeigt (Bild 6 & 7). Daraus lässt sich schliessen, dass im Frühjahr nicht der Schwallbetrieb alleine das Angebot der geeigneten Lebensräume stark reduziert, sondern dies vor allem auf die stark eingeengte und begradigte Morphologie zurück zu führen ist. 5.3

Morphologie

Buhnenstrecke Durch die Buhnen wird der Abfluss bei diesem Morphologietyp auf die Flussmitte konzentriert. Dadurch entstehen in der Flussmitte bereits bei Abflüssen von über 10 m3/s hydraulisch harsche Bedingungen, die für die Invertebraten ungeeignet sind. Im Strömungsschatten hinter den Buhnen bilden sich aber einige Refugien mit guter oder mittlerer Eignung, die zumindest im Winter auch bei höheren Abflüssen bestehen bleiben. Allerdings lagert sich hinter den Buhnen regelmässig Sand ab, welcher für die meisten Wirbellosen kein günstiges Substrat darstellt (Gore et al. 2001). Kiesbankstrecke Bei mittleren Abflussverhältnissen (15– 30 m3/s) finden sich in diesem Flussabschnitt im Vergleich zu den anderen beiden Morphologietypen deutlich mehr Flächen an geeigneten Lebensräumen. Allerdings verschieben sich diese Stellen mit steigendem Abfluss von der Niedrigwasserrinne auf die Kiesbänke. Diese stellen den dort lebenden Wirbellosen Refugien zur Verfügung und können so bis zu einem gewissen Grad die Auswirkungen von erhöhten Schwällen puffern. Doch auch dieser Morphologietyp stösst an seine Grenzen, da bei Abflüssen von über 30 m3/s, wie sie im Frühling auch natürlicherweise auftreten würden, geeignete Flächen verschwinden. Kanalstrecke Die Abflussrinne in der Kanalstrecke ist insgesamt weniger breit als bei den anderen beiden Morphologietypen. Aufgrund der ebenen Sohle ergeben sich relativ homogene Fliessbedingungen und nur grössere Blöcke können abschnittsweise eine ge294

wisse Strömungsvariabilität verursachen. Bereits bei Abflüssen von 15 m3/s gibt es aufgrund des Blockwurfs nur noch einen sehr schmalen Uferstreifen mit geeigneten Lebensräumen. Über 99% der Fläche werden dagegen als ungeeignet klassifiziert. Künftige Änderungen der Morphologie Im Rahmen des Hochwasserschutzprojekts Aare Meiringen bis Brienzersee werden aktuell morphologische Aufwertungen diskutiert. Die Aare ist heute zwischen Meiringen und Brienzersee von der Zentralbahn (linker Damm) und der Nationalstrasse (rechts der Aare) begrenzt. Daher sind nur punktuelle Aufweitungen im Raum Meiringen und im Mündungsbereich wahrscheinlich. Zusätzlich ist geplant, die Vorländer in der Kanalstrecke abzusenken und soweit es die Hochwassersicherheit und der Geschiebehaushalt zulassen, auch strukturelle Verbesserungen (z.B. alternierende und inklinante Buhnen) im Gerinne vorzunehmen. Inwieweit dies zur Erhöhung geeigneter Habitatsflächen führt, müssen künftige Untersuchungen noch zeigen. 5.3 Vergleich mit anderen Flüssen Im Vergleich zu anderen Fliessgewässern dieser Höhenlage erreicht die Makrozoobenthos-Biomasse (Indikator B1, Baumann et al. 2012) für die Buhnenstrecke und die Kiesbankstrecke rund 60% der Sollbiomasse (Bewertung: mässig) und für die Kanalstreck rund 90% (Bewertung: sehr gut, Limnex 2012). Als Referenz für die Berechnung der Biomass-Sollwerte wurden Daten aus über 70 österreichischen Flüssen verwendet (Dückelmann 2001). Ausserdem wurden für die Abklärungen zu Schwall/Sunk in der Hasliaare auch Probenahmen in der benachbarten Lütschine durchgeführt. Die Lütschine entwässert die Jungfrauregion und fliesst in Interlaken in den Brienzersee. Ihr Einzugsgebiet ist hinsichtlich Vergletscherung, Höhenlage und Grösse mit dem der Hasliaare sehr gut vergleichbar und es treten keine künstlichen Pegelschwankungen auf. Auch verläuft die Lütschine in ihrem Unterlauf sowohl in Abschnitten mit Kiesbänken als auch in vollständig kanalisierten Abschnitten. Die Biomassen in der Lütschine zeigen ein bezüglich Morphologie spiegelverkehrtes Bild: Hier sind hohe Biomassen (über 100% des Sollwerts) in der Kiesbankstrecke gefunden worden, während in der Kanalstrecke die Biomassen nur rund 60% des Sollwerts betragen. Allerdings ist es möglich, dass

die Probenahmen in der Lütschine durch flussaufwärts durchgeführte Baggerarbeiten etwas beeinflusst sind (Limnex 2012). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Biomasse der Wirbellosen in der Hasliaare gegenüber dem Erwartungswert reduziert ist. 5.4

Methodisch bedingte Unsicherheiten Neben der natürlichen Variabilität, die zur Unsicherheit beiträgt, werfen sich schon bei der Probenahme generelle Fragen auf, z.B.: • Welche Stellen werden beprobt? • Wann werden die Probenahmen durchgeführt? • Werden grosse Tiere, wie z.B. Steinfliegenlarven gefunden, die einen grossen Einfluss auf die Gesamtbiomasse haben? • Sind zusätzliche Ereignisse zu beachten (z.B. Bauarbeiten, Hochwasserereignisse)? Aufgrund dieser Unsicherheiten ist eine klare Aufteilung der Einflüsse von Abflussregime und Morphologie auf die Gewässerökologie nur bedingt möglich. Auf jeden Fall dürften die hier genannten Aspekte einen wesentlichen Einfluss auf die eher überraschend hohen Biomassen in der Kanalstrecke der Hasliaare haben. 5.5 Gesamtbeurteilung Durch Schwall/Sunk wird das natürliche Abflussregime künstlich verändert. Dies wirkt sich auch auf die hydraulischen Bedingungen aus. Mit der CASiMiR-Modellierung werden die biologischen Ansprüche mitberücksichtigt und erlauben so, die Änderungen in der Habitatsverteilung quantitativ zu beschreiben. Die Folge der saisonalen Speicherung ist eine deutliche Erhöhung der winterlichen Abflüsse. Bei der bestehenden Morphologie hat dies für die Invertebraten eine deutliche Reduktion von geeigneten Lebensräumen zur Folge. Für die Verdriftung von Wirbellosen ist neben der Abflussmenge auch die Schwallrate von grosser Bedeutung. Ohne Schwalldämpfende Massnahmen kann von einem gewissen Verlust durch Verdriftung ausgegangen werden, wie auch schon in diversen wissenschaftlichen Untersuchungen gezeigt werden konnte (z.B. Bruno et al. 2010). Daher kann davon ausgegangen werden, dass im Winter neben der Morphologie auch das künstliche Abflussregime einen signifikanten Einfluss auf die Gemeinschaft der Invertebraten ausübt. Im Frühling liegen die heutigen

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


6. Ausblick und Praxisrelevanz Physikalische Habitatmodelle stellen ein wichtiges Unterstützungstool bei Sanierungsprojekten von Fliessgewässern dar. Sie werden mittlerweile routinemässig bei Restwasseruntersuchungen eingesetzt, können aber auch bei Schwall/SunkUntersuchungen wichtige Erkenntnisse liefern. Diese Werkzeuge können helfen die Effekte von Schwall/Sunk auf das Lebensraumangebot zu quantifizieren und die Auswirkungen von zukünftigen Sanierungsszenarien besser abzuschätzen. Allerdings sollten weitere Untersuchungen mit Habitatmodellen auch die Schwallund Sunkraten berücksichtigen. Für das Makrozoobenthos sind in diesem Zusammenhang noch einige Fragen offen. Bezüglich allgemeiner Lebensraumansprüche, Reaktionszeiten und Mobilität des Makrozoobenthos besteht noch grosser Forschungsbedarf. Im Frühjahr 2016 wird der Bau des Beruhigungsbecken und der Speicherkaverne Innertkirchen zur Minderung der Auswirkungen von Schwall/Sunk abgeschlossen sein. Insbesondere die Schwallund die Sunkraten können mit diesen Speichermöglichkeiten deutlich reduziert werden. Die künftig längeren Reaktionszeiten dürften die Verdriftung von Wirbellosen erheblich verringern.

Meyer (KWO), Matthias Schneider und Ianina

der KWO, Autoren: T. Meile und M. Bieri.

Kopecki (Schneider & Jorde Ecological Engi-

LCH (2012): Betrieb des Dämpfungsbecken

neering GmbH, Deutschland), Prof. Craig Tho-

Innertkirchen. Rapport LCH Nr. 13/2012, Lau-

mpson (Western Wyoming Community College,

sanne. Bericht im Auftrag der KWO, Autor: M.

USA), Andreas Bruder (EAWAG), Emilie Person

Bieri.

(EAWAG), Armin Peter (EAWAG), Roman Alt-

Limnex (2009): Schwall/Sunk in der Hasliaare –

her (EAWAG) und Stephanie Schmidlin (Limnex

Gewässerökologische Untersuchung von Has-

AG).

liaare und Lütschine – Beurteilung der SchwallAuswirkungen in je zwei Strecken und Szena-

Literatur

rien. Interner Bericht. Zürich.

Bieri, M.P. (2012): Operation of Complex Hyd-

Limnex (2012): Schwall/Sunk-Bewertung der

ropower Schemes and its Impact on the Flow

KWO-Zentralen in Innertkirchen. Bericht im Auf-

Regime in the Downstream River System under

trag der KWO. Autoren: P. Baumann, P. Büsser,

Changing Scenarios. Doktorarbeit Nr. 5433,

A. Peter, S. Schmidlin, K. Wächter.

EPFL. Lausanne.

Neary, J.P. (2006): Use of Physical Habitat

Bruder, A., Schweizer, S., Vollenweider, S., To-

Structure to Assess Stream Suitability for Brown

nolla, D., Meile, T. (2012): Schwall und Sunk:

Trout: A Case Study of Three Upland Scotish

Auswirkungen auf die Gewässerökologie und

Streams. Dissertation, University of Stirling,

mögliche Sanierungsmassnahmen. «Wasser

Scotland.

Energie Luft» 104 (4) 257–264.

Person, E., Bieri, M., Peter, A., Schleiss, A. J.

Bruder, A., Vollenweider, S., Schweizer, S., To-

(2013): Mitigation measures for fish habitat im-

nolla, D., Meile, T. (2012): Schwall und Sunk:

provement in Alpine rivers affected by hydro-

Planung und Bewertung von Sanierungsmass-

power operations. Ecohydrology (2013).

nahmen – Möglichkeiten und Empfehlungen aus

Schneider, M. (2001): Habitat und Abflussmo-

wissenschaftlicher Sicht. «Wasser Energie Luft»

dellierung für Fliessgewässer mit unscharfen

104 (4) 265–272.

Berechnungsansätzen. Doktorarbeit, Universi-

Bruno, M.C., Maiolini, B., Carolli, M., Silveri,

tät Stuttgart, Stuttgart.

L. (2010): Short time-scale impacts of hydro-

Schweizer, S., Zeh Weissmann, H., Ursin, M.

peaking on benthic invertebrates in an Alpine

(2012): Der Begleitgruppenprozess zu den

stream (Trentino, Italy). Limnologica 40 (4):

Ausbauprojekten und zur Restwassersanie-

281–290.

rung im Oberhasli. «Wasser Energie Luft» 2012

Cereghino, R., Cugny , P., Lavandier, P: (2002).

(1): 11–17.

Influence of intermittent hydropeaking on the

Schweizer, S., Schmidlin, S., Tonolla, D., Bü-

longitudinal zonation patterns of benthic inver-

sser, P., Meyer, M., Monney, J., Schläppi, S.,

tebrates in a mountain stream. International Re-

Wächter, K. (2013): Schwall/Sunk-Sanierung

view of Hydrobiology 87 (1): 47–60.

in der Hasliaare – Phase 1a: Gewässerökolo-

Cereghino, R., Lavandier, P: (1998). Influence of

gische Bestandesaufnahme. «Wasser Energie

hypolimnetic hydropeaking on the distribution

Luft» 2013(3): 191–199.

and population dynamics of Ephemeroptera in

Tanno, D. (2012): Physical habitat modeling for

a mountain stream. Freshwater Biology 40 (2):

the assessment of macroinvertebrate response

385–399.

to hydropeaking. Master Thesis, Universität Zü-

Dückelmann, H. (2001): Seehöhen-Biomassen-

rich/EAWAG.

Beziehung des Makrozoobenthos in österreichischen Fliessgewässern. Diplomarbeit, Universität für Bodenkultur Wien, 81 Seiten. Eberstaller, J., Frangez, C., Baumann, P.,

Anschrift der Verfasser:

Schneider, M., Kopecki, I. (2012): Alpenrhein D6:

David Tanno, M.Sc., Limnex AG

Quantitative Analyse von Schwall/Sunk-Gang-

Neumarktplatz 18, CH-5200 Brugg

linien für unterschiedliche Anforderungsprofile.

david.tanno@limnex.ch

Arbeitspaket 2 – Adaptierung der Präferenzkur-

Dr. Steffen Schweizer, Kraftwerke Oberhasli AG

ven, Definition von Eingangsparametern für die

Grimselstrasse 19, CH-3862 Innertkirchen

Habitatmodellierung. Im Auftrag der Internatio-

sste@kwo.ch

nalen Regierungskomission Alpenrhein (IRKA).

PD Dr. Christopher Robinson, EAWAG

Jorde, K. (1997): Ökologisch begründete, dy-

Überlandstrasse 133, CH-8600 Dübendorf

namische Mindestwasserregelungen bei Aus-

christopher.robinson@eawag.ch

leitungskraftwerken. Doktorarbeit, Universität Stuttgart, Stuttgart. LCH (2010): Abschwächung Schwall – Ab-

Danksagung

schätzung der dämpfenden Wirkung von gross-

Wir danken all jenen Personen, die an der

massstäblichen Uferrauheiten auf Schwall- und

Durchführung dieses Projekts mitgeholfen

Sunkerscheinungen in der Hasliaare. Rapport

haben: Peter Baumann (Limnex AG), Matthias

LCH Nr. 25/2010. Lausanne. Bericht im Auftrag

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

295

Schwall/Sunk – Hasliaare

Abflüsse im Bereich des natürlichen Abflussregimes. Deshalb wirkt sich in dieser Jahreszeit vor allem die relativ eintönige Morphologie negativ auf die Gemeinschaft der Invertebraten aus. Über beide Jahreszeiten hinweg schneidet die Kiesbankstrecke gewässerökologisch am günstigsten ab. Dies ist auf die vielfältigere Struktur und auf die höhere Flussbreite zurück zu führen. Ausserdem wirkt die Aareschlucht puffernd auf Abflussanstieg und -reduktion, so dass hier die Schwall- und Sunkraten auf rund die Hälfte gegenüber der Buhnenstrecke reduziert werden. Zusätzlich zur Biomasse wurden auch noch andere Parameter modelliert, wie die Häufigkeit von einzelnen Leitarten (z.B. Baetis sp. oder Rhitrogena sp.) und die Artenvielfalt der Wirbellosenfauna (Tanno 2012). Diese Resultate werden in diesem Artikel nicht dargestellt, flossen aber in die hier vorgestellten Schlussfolgerungen massgeblich mit ein.


Erfolg besteht darin, dass man genau die Fähigkeiten besitzt, die im Moment gefragt sind. Henry Ford

H.P. REY AG POSTSTRASSE 5 / CH-9536 SCHWARZENBACH Telefon + 41 71 929 57 00 Fax + 41 71 929 57 49 info @ rey-automation.ch

296

www.rey-automation.ch

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Carlo Scapozza, Dörte Aller, Bernhard Kuhn, Matthias Oplatka

Zusammenfassung Die Stadt Zürich entging 2005 nur knapp grossen Hochwasserschäden: Wäre damals das Niederschlagszentrum statt im Berner Oberland über dem Sihl-Einzugsgebiet gelegen, dann hätte die Sihl grosse Teile der Stadt Zürich überschwemmt. Die Gefahrenkarte zeigt zudem, dass auch von den Bächen an den Flanken von Adlisberg, Zürichberg, Hönggerberg und Uetliberg eine Hochwassergefährdung ausgeht. In der Gefährdungsfläche «Hochwasser 500-jährlich» liegen in der Stadt derzeit rund 7000 Gebäude, die Hälfte davon auf dem rund 5 km2 grossen Schwemmkegel der Sihl. Zur Verbesserung des Hochwasserschutzes setzen Stadt und Kanton Zürich auf das integrale Risikomanagement mit Einbezug aller wichtigen Akteure. Ziel ist der Schutz der grössten Schweizer Stadt gegen ein Extremhochwasser. Der vorliegende Beitrag zeigt, mit welchen Strategien, Instrumenten und Prozessen Stadt und Kanton Zürich die Grundsätze des integralen Risikomanagements in die Praxis umsetzen.

1.

Gefährdeter Wirtschaftsraum Zürich Sihl und Limmat können statistisch gesehen alle 100 Jahre über die Ufer treten. Letztmals geschah dies 1910. Häufiger geht die Hochwassergefahr in Zürich von den städtischen Bächen aus, insbesondere an Adlisberg, Zürichberg, Hönggerberg und Uetliberg. Seit dem Hochwasser von 1910 ist in Zürich viel gebaut worden. Heute wird für den Schwemmkegel der Sihl das mögliche Schadenausmass eines 500-jährlichen Hochwassers auf über fünf Milliarden Franken an Sachwerten geschätzt. Hinzu kämen volkswirtschaftliche

Folgekosten durch Betriebsunterbrüche und den Ausfall oder die Zerstörung der Infrastruktur für Verkehr, Energie und Telekommunikation. Auch Menschenleben wären durch ein Hochwasser gefährdet. 2. Handlungsbedarf erkannt Im Februar 2009 erliess die Baudirektion des Kantons Zürich die Gefahrenkarte für Zürich. Die Stadt weist grösstenteils gelbe und gelbweisse Gefahrengebiete auf. Dort ist häufig nur mit geringen Wasserstiefen zu rechnen. Aufgrund der hohen Wertedichte, der intensiven Nutzung der Erdund Untergeschosse sowie verletzlicher

Objekte ergibt sich jedoch ein sehr hohes Risiko. In ihrer neusten Studie über globale Naturkatastrophen (Mind the Risk, A global ranking of cities under threat of natural disasters, 2013) stuft die Swiss Re die Stadt Zürich bezüglich Hochwasserrisiko unter die Top 10 in Europa ein. Der Kanton und die Stadt Zürich haben ihre gesetzlichen Verpflichtungen wahrgenommen, geeignete Massnahmen in der Raumplanung, beim Gewässerunterhalt, im baulichen Hochwasserschutz und für die Notfallplanung zu treffen. Für die Umsetzung der Erkenntnisse aus der Gefahrenkarte bildete die Stadt eine departementsübergreifende Gruppe, die sich im September 2010 zur ersten Koordinationssitzung traf. In der Umsetzungsorganisation vertreten sind 14 städtische Dienstabteilungen aus fünf Departementen. Weitere Beteiligte sind die kantonale Baudirektion (Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft, AWEL) und die kantonale Gebäudeversicherung (GVZ) sowie externe Partner für die Prozessbegleitung und Kommunikation. Noch vor Beginn der Umsetzung der Gefahrenkarte in der Stadt Zürich startete die Baudirektion des Kantons Zürich 2007 das Projekt Hochwasserschutz an Sihl, Zürichsee und Limmat. In diesem Projekt wurden bauliche und organisatorische

Bild 1. Siedlungsentwicklung auf dem Schwemmkegel der Sihl 1908–2010 (Bild: AWEL). «Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

297

Hochwasserschutz Schwall/Sunk – Hasliaare Zürich

Integrales Risikomanagement für den Hochwasserschutz in der Stadt Zürich


Hochwasserschutz Zürich

Massnahmen zur Verminderung der Hochwassergefährdung an Sihl, Zürichsee und Limmat entwickelt, die Schritt für Schritt umgesetzt werden. 3.

Bild 2. Synoptische Naturgefahrenkarte der Stadt Zürich (Ausschnitt).

Bild 3. Potenzielles Schadenausmass in der Stadt Zürich bei einem Sihl-Hochwasserabfluss.

Risikoanalyse als Grundlage für weitere Schritte Die Stadt Zürich liess auf Empfehlung des AWEL sowie der GVZ eine Risikoanalyse erarbeiten. Diese Risikoanalyse dient als Grundlage für die Diskussion über das zu erreichende Sicherheitsniveau sowie für die Definition und Priorisierung von Schutzmassnahmen. Neben der sinnvollen Massnahmenpriorisierung und -dimensionierung sind die Ergebnisse der Risikoanalyse auch für die städtische Kommunikation von grossem Nutzen: Auf dieser Basis kann die Stadt Zürich die betroffene Bevölkerung für die Hochwasserproblematik und die möglichen Auswirkungen sensibilisieren. Zudem stärkt die Risikoanalyse den Konsens für den Handlungsbedarf im Hochwasserschutz und schafft so eine weitere wichtige Voraussetzung für die sach- und termingerechte Realisierung der aufeinander abgestimmten Schutzmassnahmen. Für die Risikoanalyse verwendete die Stadt Zürich das vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) entwickelte Berechnungsinstrument «EconoMe 2.1». Dieses Instrument wurde auf die städtischen Verhältnisse in Zürich kalibriert. Basis dafür waren die Untersuchungen der Schätzer der GVZ in einem Testgebiet mit rund 100 Objekten. Die Ergebnisse des Testgebietes wurden in einem zweiten Schritt auf die gesamte Überflutungsfläche der Sihl in der Stadt Zürich extrapoliert. Die Extrapolation über das betroffene Gesamtgebiet zeigte das Ausmass des Risikos durch ein Sihl-Hochwasser in der Stadt Zürich: Im Fall eines 100bis 300-jährlichen Ereignisses ist mit Sachschäden in der Höhe von CHF 1.6 Mrd. zu rechnen, während die Schadensumme bei einem 500-jährlichen Ereignis sogar CHF 5.7 Mrd. betragen würde. 4.

Tabelle 1. Charakterisierung der städtischen Sonderrisiko-Objekte. 298

Erfassung der Sonderrisiko-Objekte Neben der quantitativen Erfassung des Hochwasserrisikos im Überflutungsgebiet der Sihl wurden im Gefährdungsgebiet die Sonderrisiko-Objekte im Eigentum der Stadt Zürich erfasst. Die Erfassung erfolgte nach der Struktur in Tabelle 1. Zusätzlich zu den Objekten im städtischen Eigentum wurden alle Gebäude mit einem oberirdischen Volumen über 5000 m3 erfasst und den Sonderri«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


das Risiko aufgrund der stärkeren Nutzung und Wertsteigerung im Gefährdungsgebiet jeweils normalerweise wieder an. Als langfristiges Massnahmenziel für den

flächendeckenden Hochwasserschutz strebt der Kanton Zürich den Schutz vor einem Hochwasserereignis mit einem Sihlabfluss von 550 m3/s an (vgl. Bild 3).

Bild 4. Erfasste Objektinformationen. 5.

Stadt analysiert Handlungsbedarf an eigenen Gebäuden und Infrastruktur Im Rahmen der Umsetzung der Gefahrenkarte setzt sich die Stadt Zürich auch als Eigentümerin von Gebäuden und Infrastrukturen mit dem Hochwasserrisiko und mit dem Schutz der einzelnen Objekte auseinander. Die Dienstabteilung für Immobilien-Bewirtschaftung (Immo) liess 22 Gebäuden mit erhöhtem Hochwasserrisiko untersuchen. Dabei wurden das Personenrisiko, das Sachwertrisiko und das Betriebsausfallrisiko (Bild 5) analysiert und quantifiziert. Die erhaltenen Risikowerte verglich die Immo in einem zweiten Schritt mit im Voraus festgelegten Grenzwerten des Risikos. Anschliessend traf sie basierend auf Kosten-Nutzen-Überlegungen Entscheide für den Schutz der einzelnen Objekte. Die Vorgehensweise der städtischen Immobilien-Bewirtschaftung wird nun auch in anderen Dienstabteilungen implementiert. Abgestimmte Risikohandhabung zwischen Stadt und Kanton Stadt und Kanton Zürich haben in einem intensiven Austausch unter Einbezug der GVZ ihre Risikohandhabung aufeinander abgestimmt. Die Stadt für ihre Bäche und der Kanton für Sihl, Zürichsee und Limmat verfolgen das Hauptziel, mit baulichen und organisatorischen Massnahmen die Hochwassergefährdung zu senken. Bild 6 zeigt schematisch die Risikoreduktion, die für den Schwemmkegel der Sihl mit den Massnahmen des Kantons erreicht wird (blaue Linie). Zwischen der Umsetzung der einzelnen Massnahmen steigt

Bild 5. Einstufung von einzelnen städtischen Objekten nach Toleranz gegenüber einem Betriebsausfall (Ausschnitt).

6.

Bild 6. Stufenweise Risikoreduktion durch die kantonalen Hochwasserschutzmassnahmen an Sihl, Zürichsee und Limmat.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

299

Hochwasserschutz Zürich

siko-Objekten zugeordnet. Bauten mit besonderen Gefahren, beispielsweise Betriebe aus dem Risikokataster Chemie des Kantons Zürich, wurden ebenfalls aufgenommen. Die rund 800 erfassten Objekte bildete die Stadt Zürich anschliessend in einem dafür entwickelten GIS-basierten System ab (Bild 4 und Bild 8). Die Datenbank über die Sonderrisiko-Objekte ist eine wertvolle Grundlagen zur: • Sensibilisierung von Eigentümern und Betreibern • Priorisierung der Beratung von Schutz und Rettung Zürich bezüglich Evakuationsplänen • Priorisierung der Objektschutz-Beratung durch die GVZ • Handhabung im Bewilligungsverfahren durch das Amt für Baubewilligung


Hochwasserschutz Zürich

• • • • •

städtebauliche Rahmenbedingungen Sonderrisiko-Objekte absolute Wasserspiegellagen Notfallplanung Karten Geomatik + Vermessung Der Masterplan dient als Grundlage für die Planung von wasserbaulichem Hochwasserschutz, von Objektschutzmassnahmen, von Notfallplanungen sowie zur Gebäudebeurteilung im Baubewilligungsverfahren. 8.

Bild 7. Auswirkungen der Hochwasserprävention der Stadt Zürich, der kantonalen Gebäudeversicherung und von Privaten auf die Risikoentwicklung.

Bild 8. Koordinationsinstrument «Masterplan Naturgefahren Stadt Zürich». Ohne Ergänzungsmassnahmen durch die Stadt Zürich oder Private zur Verringerung der Verletzlichkeit im Ereignisfall (vgl. Bild 7) wäre nach Erreichen des langfristigen Massnahmenziels wieder mit einer langsamen, aber stetigen Zunahme des Hochwasserrisikos zu rechnen. Durch die Sensibilisierung der Eigentümer für die Grenze zwischen akzeptablem und inakzeptablem Risiko wird die Stärkung der Eigenverantwortung von Privaten angestrebt. Mit der Umsetzung der Gefahrenkarte im Baubewilligungsverfahren und in der Notfallplanung wirkt die Stadt Zürich der künftigen Risikosteigerung im Gefährdungsgebiet entgegen. Die Massnahmen der Stadt Zürich, der GVZ und von Privaten tragen ebenfalls dazu bei, dass das Hochwasserrisiko bis zur vollendeten Umsetzung der einzelnen kantonalen Schutzmassnahmen kontinuierlich verringert wird (Bild 7).

300

7.

Abstimmung der städtischen Massnahmen über einen Masterplan Die Umsetzung der Gefahrenkarte in der Stadt Zürich erfordert die Wahrnehmung von vielschichtigen interdisziplinären Aufgaben, die nur im departementsübergreifenden Verbund gelöst werden können. Aus diesem Grund erarbeitete die städtische Umsetzungsorganisation den Masterplan «Naturgefahren Stadt Zürich». In diesem Koordinationsinstrument werden alle notwendigen Informationen zusammengetragen und für die städtische Verwaltung zugänglich gemacht. Dies nicht nur für Sihl, Zürichsee und Limmat, sondern auch für alle anderen Gewässer auf städtischem Gebiet. Der Masterplan ist in sieben Ebenen (Layer) gegliedert (vgl. Bild 8): • synoptische Gefahrenkarte • Intensitätskarten • wasserbauliche Massnahmen

Wirkungsvolle Umsetzung der Gefahrenkarte im Baubewilligungsverfahren Die Erfahrung zeigt, dass sich Überschwemmungsschäden oft mit geringem Aufwand vermeiden lassen, wenn die Schutzmassnahmen bereits in die Planung und Bauausführung einbezogen werden. Deshalb hat das Amt für Baubewilligung der Stadt Zürich die Prozesse zur Berücksichtigung der Naturgefahren im Bewilligungsverfahren definiert und implementiert. Dies geschah in enger Abstimmung mit der GVZ und der Sektion Beratung + Bewilligung des AWEL. Die GVZ unterstützt die Planer und Eigentümer von Gebäuden im gelben und gelbweissem Gefahrenbereich. Sie bietet eine vorgängige Erstberatung für Neu- und Umbauten an. Die GVZ berät auch Eigentümer, die bestehende Bauten vor Hochwasser schützen möchten. Dabei ist zu beachten, dass 5% der Gebäude aufgrund ihrer Grösse und Anhäufung von Sachwerten bis zu 50% zum möglichen Schadenausmass beitragen können. Häufig ist das Verhältnis von Massnahmenkosten zur Risikoreduktion bei grossen Gebäuden wesentlich besser als bei kleinen. Ob die Massnahmen verhältnismässig und zumutbar sind, wird im Einzelfall geklärt. Gerade bei Neubauten kann der Einbezug der Hochwassergefährung schon in den Anfängen der Planung dazu führen, dass keine Zusatzkosten entstehen und dennoch ein hoher Schutzgrad erreicht wird. Bei Neu- und Umbauten in der Stadt Zürich wurde in den letzten zwei bis drei Jahren die Hochwassergefährdung berücksichtigt; diese Bauten tragen daher nicht oder kaum zum Risikoanstieg bei. Neben der Implementierung im Baubewilligungsverfahren setzt die Stadt Zürich die Naturgefahrenkarte auch in der Bau- und Zonenordnung (BZO) grundeigentümerverbindlich um. Der neue BZOArtikel 4a postuliert einen risikobasierten Ansatz im Umgang mit Naturgefahren. Er bietet der Stadt Zürich eine bessere rechtliche Grundlage in ihrem Bestreben zur Risikominderung.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Weiterführende Links: www.stadt-zuerich.ch/naturgefahren www.hochwasserschutz-zuerich.zh.ch Anschrift der Verfasser: Carlo Scapozza, Berater für integrales Risiko-

Bild 9. Anzahl Erstberatungen im gelben und blauen Gefahrenbereich der Bauherren für das Baubewilligungsverfahren in der Stadt Zürich seit 2009.

management, TBF + Partner AG csc@tbf.ch Dörte Aller, Leiterin Naturgefahren, GVZ Gebäu-

9.

Zusammenarbeit der relevanten Akteure als Erfolgsfaktor Der Umgang mit Naturgefahren ist eine interdisziplinäre Herausforderung, bei deren Bewältigung der Kanton und die Gemeinden alle relevanten Beteiligten einbinden müssen. Bei der Umsetzung kommen der

Kommunikation und der Abstimmung zwischen den relevanten Akteuren Schlüsselrollen zu. Für den Schutz der Stadt Zürich vor Hochwasser wird eine enge Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen gepflegt. Vertreter des Kantons und der GVZ nehmen Einsitz in der Umsetzungsorganisation der Gefahrenkarte der Stadt Zürich.

deversicherung Kanton Zürich doerte.aller@gvz.ch Bernhard Kuhn, Leiter Koordinationsstelle Naturgefahren, Stadt Zürich bernhard.kuhn@zuerich.ch Matthias Oplatka, Sektionsleiter Wasserbau, Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft matthias.oplatka@bd.zh.ch.

Werden Sie Mitglied beim Schweizerischen Wasserwirtschaftsverband Abonnieren Sie unsere Fachzeitschrift «Wasser Energie Luft» Bestellen Sie unsere Verbandsschriften Näheres finden Sie unter: www.swv.ch

Devenez membre de l’Association suisse pour l’aménagement des eaux

100 re Jah

1910 2010

Abonnez notre revue technique «Eau énergie air» Commandez nos publications Pour plus de détails: www.swv.ch

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

301

Hochwasserschutz Zürich

Die Stadt und die GVZ sind im Lenkungsausschuss und in der Gesamtprojektleitung des kantonalen Hochwasserschutzprojektes an Sihl, Zürichsee und Limmat vertreten. Die Verwaltungen werden dabei von einem gemeinsamen externen Koordinator und von einem Kommunikationsberater unterstützt. Die beiden externen Fachleute stellen die Koordination der Aktivitäten und der Kommunikation zwischen Stadt und Kanton sicher.


Hochwasserschutz Zürich

Umsetzung von Gefahrenkarten: Ein Beispiel aus der Praxis Elisabeth Maidl, Carmen Graf, Matthias Buchecker

Zusammenfassung Heute liegen für die Schweiz beinahe flächendeckend Gefahrenkarten vor. Basierend auf der Eintretenswahrscheinlichkeit sowie der Intensität von Naturgefahren wie Hochwasser, Lawinen, Rutschungen oder Felsstürzen machen sie Risiken in Siedlungsgebieten erkennbar. Gefahrenkarten sind daher ein sehr nützliches Instrument in der Vorbeugung von Schäden für Menschen und materielle Güter. Dieser Nutzen wird aber erst wirksam, wenn die Gefahrenkarten u.a. in die Praxis der Raumplanung einbezogen sowie zur Sensibilisierung der Bevölkerung genutzt werden (siehe vorhergehenden Artikel «Integrales Risikomanagement für den Hochwasserschutz in der Stadt Zürich»). In der Stadt Zürich ist die Hochwasser-Gefahrenkarte in einem kooperativen Pilotprojekt umgesetzt worden. Die WSL hat diesen Prozess wissenschaftlich begleitet und Interviews mit Teilnehmenden über ihre Erfahrung in der Umsetzungsorganisation geführt. Diese Erfahrungen dienen als Anregung für die Praxis in Gemeinden, in denen die Umsetzung der Gefahrenkarten noch ansteht. Insbesondere die gemeinsame Bewältigung von Aufgaben über verschiedene Dienstabteilungen hinweg ist hierbei ein vielversprechender Lösungsansatz. Der vorliegende Artikel stellt das Potenzial wie auch Grenzen eines solchen Ansatzes dar.

1. Einleitung Mit den Gesetzen zu Wasserbau, Wald und Raumplanung wurde schweizweit ein einheitlicher Umgang mit Naturgefahren in die Wege geleitet. Heute liegen in 85% (Bild 1) der Kantone Gefahrenkarten vor. Diese weisen jene Bereiche in Siedlungen aus, welche Risiken durch Hochwasser, Rutsch- und Sturzprozesse sowie Lawinen ausgesetzt sind. Der Nutzen der Gefahrenkarten wird aber erst mit deren Umsetzung wirksam. Hierzu bieten zwar die Regelwerke von Bund und Kantonen einen Rahmen. Wie dies aber in der Praxis ausgestaltet wird, liegt im Handlungsspielraum der Gemeinden (Schwank et al. 2010, Schwank und Geisler 2009). Diese müssen selbst Lösungen dafür finden, welche konkreten Massnahmen vor Ort für das Ziel eines verbesserten Schutzes vor Naturgefahren nötig sind, welche Verfahrensweise dabei zielführend sind und welche Akteure am Umsetzungsprozess mitwirken.

Anhand des Beispiels der Stadt Zürich wird in diesem Artikel dargestellt, wie solche Fragen angegangen werden können. Dazu hat die Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, WSL eine Studie zum Umsetzungsprozess in der Stadt Zürich durchgeführt (Kuhn et al. 2013). Zwischen November 2012 und Januar 2013 wurden Experteninterviews 1 mit Vertretern beteiligter Organisationen geführt. In diesen Gesprächen konnten sich die Teilnehmenden dazu äussern, welche Ziele mit dem Umsetzungsprozess erreicht werden konnten, mit welchen Herausforderungen sie sich konfrontiert sahen und welche weiteren Erfahrungen sie aus der Mitwirkung am Prozess mitgenommen haben. Die Ergebnisse erlauben Rückschlüsse auf das Potenzial sowie die Grenzen einer sektorenübergreifenden Vorgehensweise und zeigen, wie integrales Risikomanagement in der Praxis aussehen kann. Die ausgewählten Zitate

der Interviewpartnerinnen und -partner in diesem Artikel dienen dazu, wesentliche Erkenntnisse zu illustrieren. 2.

Rahmen der Umsetzung der Gefahrenkarte in Zürich Im Februar 2009 verfügte die kantonale Baudirektion, dass die Stadt Zürich die Umsetzung der Gefahrenkarte angehen soll. Jedoch fehlte bis dahin eine klare Zuweisung des Themas Naturgefahren in der Departementsgliederung der Stadt. Schliesslich wurde unter Federführung des städtischen Tiefbauamtes eine Koordinationsstelle eingesetzt, die sich unter Beteiligung von 14 betroffenen Dienstabteilungen und Einbezug der relevanten kantonalen Stellen (GVZ Gebäudeversicherung Kanton Zürich und AWEL Amt für Abfall, Energie Luft des Kantons Zürich) die Umsetzung der Gefahrenkarte in Zürich zur gemeinsamen Aufgabe machte. Seit die Umsetzungsorganisation ihre Arbeit im Jahr 2010 aufnahm, bearbeitete sie in zwei- bis viermal jährlich stattfindenden Sitzungen die folgenden Aufgaben: • die Erarbeitung der notwendigen Grundlagen in einem Masterplan Hochwasser, z.B. die Bestimmung des Hochwasserrisikos und die Identifikation von Sonderrisiken, die Definition der Schutzziele oder die Festlegung der Rahmenbedingungen für bauliche Massnahmen • die Berücksichtigung der Gefahrenkarte im Baubewilligungsverfahren und in der raumwirksamen Tätigkeit • die Erarbeitung und Umsetzung eines Kommunikationskonzepts und die Information der betroffenen Eigentümer • das Weiterführen des baulichen Hochwasserschutzes an den Bächen

1

Experteninterviews sind eine Methode der qualitativen Sozialforschung. Dabei werden Experten einer Fachrichtung an Hand eines vorher festgelegten Interviewleitadens befragt. Im Gegensatz zu einem Fragebogen sind die Antwortmöglichkeiten nicht vorgegeben. Vielmehr können sich die interviewten Personen frei zu den offenen Fragen äussern. Gleichzeitig ist die Vergleichbarkeit der Antworten aufgrund der festen Fragestruktur gewährleistet.

302

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


die Anpassung der Notfall- und Interventionsplanung

3.

Konzipierung der Umsetzungsorganisation

3.1

«Temporäre» Einrichtung einer Koordinationsstelle Die Koordinationsstelle ist als temporäre Einrichtung konzipiert, die nur so lange besteht, bis der Einbezug der Gefahrenkarte in die relevanten Verfahrensabläufe sichergestellt ist. Die Teilnehmenden tragen die in der Umsetzungsorganisation erarbeiteten Grundlagen in ihre jeweiligen Dienstabteilungen hinein. So soll die dauerhafte Berücksichtigung der Gefahrenkarte in den Verfahrensabläufen gewährleistet werden und das Fortbestehen der Umsetzungsorganisation später nicht mehr nötig sein. Mit der Erfüllung der Aufgaben, u.a. mit dem Vorliegen des Masterplans, neigt sich die Arbeit an der Umsetzung der Gefahrenkarte Hochwasser dem Ende zu. Angedacht ist die Überführung der Umsetzungsorganisation in eine dauerhafte Kommission. Auf diesen Erfahrungen aufbauend, wird auch die Organisation der Umsetzung der Gefahrenkarte Massenbewegungen gestaltet. 3.2

Zusammenführen der betroffenen Akteure (Bild 2) Die Gefahrenkarte im Rahmen der Kooperation verschiedener Dienstabteilungen umzusetzen ermöglicht es, durch den internen Austausch den Bedarf externer Beratungsaufträge zu reduzieren. Im offenen Informationsaustausch werden vorhandene Wissensressourcen genutzt, um so im Verbund eine Gesamtsicht über die Stadt Zürich herzustellen. Diesem Vorgehen lag die Auffassung der Projektleitung zugrunde, dass die Vernetzung der einzelnen Dienstabteilungen im Sinne eines wirksamen Hochwasserschutzes bis dahin ungenügend war. Daher war es ein explizites Ziel, den Kontakt zwischen den Dienstabteilungen und das Verständnis für die Perspektiven und Handlungsweisen dieser Akteure zu fördern. Dieser Ansatz spiegelt sich u. a. darin, dass Sitzungen nicht an einem zentralen Ort statt fanden, sondern jeweils im Turnus in Räumlichkeiten einer beteiligten Dienstabteilung. Überzeugungsarbeit und Sensibilisierung Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, die Beteiligten für das Thema Hochwasser zu sensibilisieren und ein

Bewusstsein für die Betroffenheit in den jeweiligen Dienstabteilungen herzustellen. Daher ging der eigentlichen Arbeit an der Umsetzung zunächst Überzeugungsarbeit für deren Dringlichkeit voraus. Die interdisziplinäre Zusammensetzung der Umsetzungsorganisation erforderte es zudem, eine gemeinsame Sprache zu finden. Zu Beginn galt es also, das gegenseitige Verständnis für die Perspektive und die Problemlagen in anderen Abteilungen zu fördern, um so auf einer gemeinsamen Ebene arbeiten zu können. 3.4 Motivation der Beteiligten Letztlich war auch der Erhalt einer positiven Arbeitsatmosphäre inkl. Kaffee und Kuchen ein Aspekt, den die Projektleitung bewusst förderte, da so Motivation und Engagement zusätzlich gestärkt werden konnten. Zudem konnte die Gruppenidentität z.B. durch die gemeinsame Teilnahme an themenbezogenen Führungen gestärkt werden. Förderlich für die Motivation der Beteiligten wirkte sich auch die Erfüllung von Etappenzielen aus. So wurde der Stand der Umsetzung in Form von Zwischenberichten an den Stadtrat und den Kanton rapportiert. 4.

Welche Wirkung hat der Prozess aus Sicht der Beteiligten? Sowohl organisatorische Neuerungen als auch raumplanerische Massnahmen tragen aus Sicht der Befragten als konkrete

Wirkung des Umsetzungsprozesses zum übergeordneten Ziel eines verbesserten Hochwasserschutzes bei. Die Einrichtung der Umsetzungsorganisation fördert die Kooperation zwischen den Dienstabteilungen und regt zur gemeinschaftlichen Erfüllung zukünftiger Aufgaben an. Bei den raumplanerischen Massnahmen geht es in erster Linie um die Berücksichtigung der Gefahrenkarte bei den Baubewilligungen. So werden Bauherren bereits vor der Baueingabe über nötige Auflagen sowie über eventuelle Kürzungen von Versicherungsleistungen bei Nichteinhaltung aufgeklärt. Als weiteres wichtiges Ergebnis nannten die Teilnehmenden, dass eine Liste besonders gefährdeter Sonderobjekte wie Schulen oder Krankenhäuser erstellt wurde. Diese ist eine wichtige Grundlage für die Definition der Schutzziele sowie die Planung von Rettungseinsätzen. Als Folgewirkung wurde genannt, dass die Teilnahme am Umsetzungsprozess in den eigenen Dienstabteilungen bereits zu erkennbaren Veränderungen führt. Dies entspricht dem Ziel, die neuen Umsetzungsaufgaben in den Dienstabteilungen zu verankern. Die Umsetzung der Gefahrenkarte führt dabei zu einem Mehraufwand in den Dienstabteilungen. Dieser konnte jedoch durch Arbeitsteilung bei gemeinsamen Aufgaben in Grenzen gehalten werden. Auch die Überzeugungsarbeit zeigte Wirkung bei den Befragten. Nur wenige Teilnehmende verfügten bereits

3.3

Bild 1. 85% der Gefahrenkarten liegen vor © Bundesamt für Umwelt BAFU, Datenbank ShowMe.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

303

Hochwasserschutz Zürich


Hochwasserschutz Zürich Bild 2. Von Umsetzung der Gefahrenkarte betroffene Dienstabteilungen (blau) sowie weitere beteiligte Akteure (grün). vor Einbezug in den Umsetzungsprozess über Erfahrung im Bereich Naturgefahren bzw. Hochwasser. Sie konnten erfolgreich für die Hochwasserrisiken in der Stadt sensibilisiert werden und haben die Notwendigkeit erkannt, dieses Bewusstsein in den Behörden sowie in der Bevölkerung zu stärken: «Man hat die Dringlichkeit gesehen, etwas zu machen (...). Auch für mich selbst habe ich in kurzer Zeit sehr, sehr viel gelernt. Und ich konnte das auch intern weiterverbreiten. Es ist wichtig, dass man das in die eigene Organisation hineinträgt.» Zusätzlich betonten die Teilnehmer, dass sie den persönlichen Austausch mit Vertretern anderer Dienstabteilungen als wichtiges Resultat bewerten. «Ich finde es sehr interessant, mit verschiedenen Leuten über dieses Thema zu sprechen, ihren Blickwinkel kennenzulernen, wie sie das erfahren haben, was sie für Lösungsansätze haben (...) und wie man voneinander profitieren kann. Ich glaube auch, dass es der einzige Weg ist weiterzukommen, wenn man das Problem miteinander angeht.» Auch dank der als effektiv wahrgenommenen Organisation und der Kooperation in einer offenen Arbeitsatmosphäre empfanden selbst Teilnehmende mit einer hohen Arbeitsbelastung das eingebrachte Engagement als lohnend. 5.

Mit welchen Herausforderungen sahen sich die Beteiligten konfrontiert? Ein zentrales Problem liegt aus der Sicht der Befragten im mangelnden Problembe304

wusstsein für Hochwasserrisiken. Daher bestand gerade zu Beginn des Prozesses, als sich die Gruppe konstituierte, eine Hauptschwierigkeit darin, alle relevanten Dienstabteilungen einzubinden. Schliesslich konnte zwar eine sehr breite, aber dennoch nicht umfassende Beteiligung der betroffenen Abteilungen erreicht werden. Die personelle Fluktuation von mehreren Teilnehmern wurde als Herausforderung empfunden, da mit jedem Neuzugang Grundlagen erneut vermittelt werden mussten, was jeweils einen Teil der Sitzungszeit in Anspruch nahm. Dies ist eine spezielle Situation in einer grossen Stadt wie Zürich. Bei engerer personeller Vernetzung, wie sie unter Umständen in kleineren Gemeinden gegeben ist, sollte sich der Einbezug aller relevanten Personen und Dienstabteilungen weniger komplex gestalten. Weitere Herausforderungen betreffen die Knappheit der zur Verfügung stehenden Ressourcen (Zeit, Finanzen) bezüglich der Umsetzung in den Dienstabteilungen. Dies wurde zwar nur von Vertretern einzelner Sektoren genannt. Da aber das Bewusstsein während des Prozesses gestärkt wurde, dass es sich um eine gemeinschaftliche Aufgabe handelt, werden solche Beschränkungen auch als Grenzen des eigenen Handlungsspielraums wahrgenommen. «Mir ist an diesem Zusammenspiel wichtig, dass man sieht, was wo wirkt (...). Die Feuerwehr musste eigentlich selber lernen, dass sie (...) nur sehr begrenzte Ressourcen hat (...). Man hat ihnen da mit Simulationen gezeigt, (...) wenn sie an einer

Stelle, wo das Wasser über das Ufer geht, zumachen, dann fliesst es woanders rüber, wo es vorher vielleicht gar nicht der Fall gewesen wäre. Wenn sie einfach intuitiv handeln würden, würden sie es wahrscheinlich viel schlimmer machen.» Auf diese Weise wird beispielsweise auch erkennbar, dass die Teilung der Verantwortung zwischen Öffentlichkeit und Privaten u.U. überdacht und entsprechend kommuniziert werden muss: «Wenn es wirklich ein relativ gravierendes Ereignis ist, das sich abzeichnet (...), dann haben wir zwar Mittel, aber die sind wirklich beschränkt - also viel beschränkter als viele meinen. Da muss man realistisch sein mit den Erwartungen. Das heisst andererseits, dass eben für Liegenschaftseigentümer die Eigenverantwortung grossgeschrieben werden müsste.» Eine nicht zu vernachlässigende Herausforderung liegt auch in Zielkonflikten des Hochwasserschutzes mit anderen Prioritäten. Einer der Befragten merkte an, dass die Umsetzung der Gefahrenkarte neue Vorschriften bedeute, was der angestrebten Vereinfachung von Verfahren entgegenläuft. Dies zeigt, dass der Hochwasserschutz mitunter einen Wertekonflikt mit anderen Interessen mit sich bringt. Dies gilt auch für Abwägungen zwischen wirtschaftlicher Effizienz und Schutzzielen, z.B. bei der Nutzung von Kellerräumen für die Lagerung von Chemikalien oder als Standort für IT-Infrastruktur (Server). Angesichts der erhöhten Differenziertheit des Hochwasserschutzes, nicht einen umfassenden, sondern angemessenen Schutz zu gewährleisten, erhält die Sensibilisierung für Risiken ein umso grösseres Gewicht. Dies war allen Interviewten als Herausforderung bewusst. Eine effektive Abwägung von Massnahmen setzt voraus, dass Risiken als solche erkannt und wahrgenommen werden. Manche Herausforderungen waren bereits zu Beginn des Umsetzungsprozesses absehbar, während andere erst im Verlauf des Prozesses erkennbar wurden. Kennzeichnend für den Umgang damit war, dass Schwierigkeiten offen angesprochen werden konnten und die Verantwortung, Lösungsansätze zu entwickeln, als gemeinsame Aufgabe aufgefasst wurde. 6.

Wie bewerteten die Befragten die Organisation des Prozesses? Die Befragten haben die Mitwirkung an der Umsetzungsorganisation überwiegend positiv bewertet. Insbesondere stimm-

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Erfolgsfaktor und nachhaltige Quelle fortgeführten Engagements: «Es ist ein Erfolg, dass man die relevantesten Dienstabteilungen involvieren konnte. Ich habe das Gefühl, dass man sich über das Ziel und über die Richtung einig ist, in die man gehen will. Das habe ich schon gespürt.» Wie haben die Befragten ihre Rolle und ihre Aufgaben im Umsetzungsprozess verstanden? Insgesamt verstanden die Teilnehmenden ihre Rolle primär als Vertreter ihrer jeweiligen Dienstabteilungen. Daher definierten sie Ziele und Aufgaben der Umsetzungsorganisation im Zusammenhang mit den Aufgaben und Interessen ihrer Dienstabteilungen, wie die folgende Aussage exemplarisch zeigt: «Ich bin als Vertreter meiner Organisation in der Projektorganisation (...) und dort lasse ich unsere Interessen einfliessen.» Die Aufgaben und Interessen anderer Stellen wurden von den Teilnehmenden seltener als primäre Prozessziele genannt. Diese wurden zwar als Folge der Zusammenarbeit wahrgenommen und erkannt, jedoch erst aus der veränderten Perspektive heraus, gemeinsam an den Umsetzungszielen zu arbeiten. «Ich würde sagen, dass die Meisten – nachdem sie plötzlich gemerkt haben worum es geht – erkannt haben, dass sie auch ein Problem haben, und es ihnen nützt, wenn sie mitmachen.» Es war eine oft genannte Wirkung des Prozesses, dass sich die persönliche Sicht der Beteiligten auf die Hochwasserproblematik verändert hat. Diese neue Sicht erlebten einige Befragte als Erweiterung des persönlichen Horizonts. Mit dem Wandel ihrer Perspektive auf das Thema Hochwasser veränderte sich mitunter auch das Verständnis der eigenen Rolle im Umsetzungsprozess. Eine starke Identifizierung mit dem Ziel, den Hochwasserschutz in der Stadt zu verbessern, stellte sich aber nur allmählich und erst bei sehr hohem Verantwortungs- und Risikobewusstsein ein. Die Interviews erlauben den Schluss, dass nur mit höherem Engagement und Arbeitseinsatz bei der Erfüllung gemeinsamer Aufgaben das ursprüngliche Rollenverständnis verändert wurde. Allerdings kann das Engagement nicht ausschliesslich als Folge der Teilhabe interpretiert werden, sondern auch als deren Voraussetzung. Diese Dynamik wirkte

analog auch in die Gegenrichtung: Personen, deren Dienstabteilung nur peripher von der Umsetzung betroffen sind, identifizierten sich auch persönlich weniger mit dem Prozess. Dienstabteilungen, die nicht zur Partizipation angeregt werden konnten, blieben bei dieser Dynamik naturgemäss ganz aussen vor.

7.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

8.

Welche Divergenzen traten zutage? Generell war ein hohes Mass an Einverständnis mit den Projektzielen wie auch mit der Bewertung der Organisation festzustellen. Es lassen sich aber Unterschiede in der Gewichtung der Ziele und Wirkungen feststellen, die vom eigenen Rollenverständnis sowie dem persönlichen Problembewusstsein beeinflusst sind. Bei den interviewten Teilnehmern, also den aktiven Mitgliedern am Prozess, traten keine Divergenzen zutage, die sich problematisch auf die Zusammenarbeit ausgewirkt, oder die Definition der Projektziele in Frage gestellt hätten. Dies unterstreicht die konsensbildende Wirkung des Prozesses. Die Antworten der Befragten wiesen eher graduelle Unterschiede auf als grundlegend divergente Einschätzungen. 9.

Grenzen des Umsetzungsprozesses und weiterer Handlungsbedarf Gemessen an den Zielen der Projektleitung konnte die Umsetzungsorganisation die wichtigen Punkte erfüllen. Insbesondere die Herstellung bzw. Stärkung des Bewusstseins für Hochwasserrisiken konnte bei den Teilnehmenden erreicht werden. Diese konnten motiviert werden, dieses Bewusstsein in die eigenen Dienstabteilungen weiterzutragen. Auch der Wissensaustausch, die Herstellung persönlicher Kontakte sowie die Herstellung einer departementsübergreifenden Perspektive der einzelnen Teilnehmer konnte erreicht werden. Auf der Grundlage der persönlichen Überzeugung von den Projektzielen kam es zu einer engagierten Zusammenarbeit, die von allen Befragten positiv bewertet wurde. Der Erfolg wie auch die Grenzen des Prozesses liegen zu einem hohen Grad in der persönlichen Überzeugung der Akteure begründet. Dies wurde von Seiten der Projektleitung bereits in der Einführungsphase erkannt und schlug sich in der Organisation des Umsetzungsprozesses nieder. Als Grenzen in der Umsetzung der Gefahrenkarte erwiesen sich knappe fi305

Hochwasserschutz Zürich

ten die Befragten in der Bewertung der Projektorganisation überein, die als sehr effizient beurteilt wurde: «Es ist eigentlich gut geführt und das ist das A und O, wenn jemand auf die Leute gesunden Druck macht, bei den Meetings (...) auch wirklich Checklisten abgearbeitet werden und darauf geachtet wird, wer jetzt seinen Job wirklich gemacht hat und wer nicht.» In der gemeinsamen Arbeit haben die Beteiligten auch den Arbeitseinsatz der anderen Teilnehmer wahrgenommen, was sich positiv auf die Dynamik in der Gruppe auswirkte. Zwar war der Arbeitsaufwand je nach beteiligter Dienstabteilung unterschiedlich. Das hohe Mass an Zustimmung zu den Projektzielen wirkte aber motivierend auf das persönliche Engagement der Teilnehmenden. Dies zeigte sich besonders bei kontinuierlicher Teilnahme über einen längeren Zeitraum. Bereits während des Prozessverlaufs erzielte Resultate, wie die Information der Grundeigentümer und die Berücksichtigung der Gefahrenkarte im Baubewilligungsprozess, trugen ebenfalls zu einer positiven Bewertung des Verfahrens bei: «Erstens ist die Information der betroffenen Eigentümer ganz zentral, das ist erfolgt. Und zweitens (...), dass wir seit mittlerweile etwa einem halben Jahr diese Gefahrenkarte in Baubewilligungsverfahren berücksichtigen.» So waren für die Teilnehmenden die ersten «Früchte» ihres Arbeitseinsatzes direkt erkennbar, was das Gefühl stärkte, einen effektiven Beitrag zum Hochwasserschutz zu leisten. Auch der persönliche Gewinn, den Teilnehmende für sich erkennen konnten, ging mit einer positiven Bewertung des Prozesses einher. Als gewinnbringend bezeichneten die Befragten beispielsweise das neu erworbene Wissen zu Hochwasserrisiken. Zu konkretem Nutzen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit führten aber insbesondere die neu geknüpften Kontakte: «Es ist natürlich sehr gut, wenn man jetzt in verschiedenen Dienstabteilungen Leute kennt. Dann kann man nämlich auch bei anderen Arbeiten wieder auf diese Leute zugreifen.» Die hohe Zahl in den Prozess integrierter Abteilungen sowie deren Übereinstimmung in Bezug auf die Projektziele kann selbst als Wirkung des Prozesses betrachtet werden. Die Ziele wurden in einem offenen Austausch gemeinsam definiert. Der so erzielte Konsens erwies sich im Verlauf des Umsetzungsprozesses als


Hochwasserschutz Zürich

nanzielle Ressourcen in einzelnen betroffenen Dienstabteilungen sowie generelle Zielkonflikte zwischen Hochwasserschutz und anderen Zielen. Weiteren Handlungsbedarf sehen die Befragten durchwegs in der Förderung des Risikobewusstseins in der Bevölkerung, aber auch in den einzelnen Dienstabteilungen. «Wenn man dann das Thema Hochwasser anspricht, kommen ganz viele falsche Bilder an’s Licht. Also, da kommt zuerst der See, oder eben der Staudamm, oder die Limmat, aber nicht die Sihl, die eigentlich ein Problem bringt.» «Es gibt ja immer wieder einzelne Vertreter aus Bereichen, welche finden ‹Ja, ich bin davon überhaupt nicht betroffen› (...). Manchmal ist diese Sichtweise sehr erstaunlich. Wenn man dann ein bisschen diskutiert, findet man vielleicht heraus, dass doch eine Betroffenheit besteht, die demjenigen vielleicht noch gar nicht bewusst gewesen ist. Und daher finde ich es sehr bereichernd.» 10.

Schlussfolgerungen zur Umsetzung von Gefahrenkarten Eine sektorenübergreifende, interdisziplinäre Kooperation kann wertvolle Grundla-

gen schaffen und zu langfristigen Lerneffekten führen. Die Teilnehmenden bringen als Expertinnen und Experten ihre spezifischen Sichtweisen und Erfahrungen in den Prozess mit ein. So lernen sie, im offenen Austausch miteinander Zusammenhänge zu erkennen und Arbeitsabläufe in anderen Abteilungen zu verstehen. Das resultiert nicht nur in einem umfassenden Bild der Situation, sondern auch in besseren Kooperationsbedingungen zwischen den Abteilungen bei zukünftigen Projekten. Die Stärkung persönlicher Kontakte ist dabei ein wichtiger Faktor. Wesentlich für das Gelingen einer solchen Kooperation ist eine erfolgreiche Kommunikationsarbeit. Hier können die von der PLANAT erarbeiteten Grundlagen wie der «Praxiskoffer Risikodialog» hilfreich sein, welcher Hinweise für den Einbezug von Behörden, privaten Eigentümern sowie Fachpersonen liefert. Ebenso kann die Nutzung vorhandener Erfahrungen aus anderen Gemeinden oder Kantonen die Planung der Umsetzung der Gefahrenkarte erleichtern. Die Bereitstellung von Erfahrungen aus Pilotprojekten stellt daher einen wertvollen Beitrag für die Diskussion zukünftiger Lösungsansätze dar.

Literatur: Maidl, E., Buchecker, M. (2013). Hochwasserschutz in der Stadt Zürich: Eine empirische Studie zur Riskokommunikation. WSL Ber. 1: 88 S. [http://www.wsl.ch/dienstleistungen/publikationen/pdf/12522.pdf]. Kuhn B., Neuenschwander U., Maidl E. (2013) Von der Gefahrenkarte zum integralen Hochwasserschutz. Kommunalmagazin. Schwank C., Geiser U., Jenni P., Domschky A., Jud A. (2010). Raumplanerische Umsetzungen von Gefahrenkarten fördern und aushandeln. Geosciences Actuel, 1: 18–21. Schwan C., Geiser U. (2009). Praxishilfe «Gouvernanz». Gefahrenkarten erstellen und umsetzen – eine Praxishilfe zu Mitwirkung und Entscheidungsfindung. KTI Forschungsprojekt Naturgefahren im Siedlungsraum. Geographisches Institut, Universität Zürich, Zürich.

Anschrift der Verfasser Elisabeth Maidl, Matthias Buchecker, Carmen Graf Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, WSL, Gruppe Sozialwissenschaftliche Landschaftsforschung elisabeth.maidl@wsl.ch matthias.buchecker@wsl.ch carmen.graf@wsl.ch

In der ersten Ausgabe des neuen Jahres (März 2014) folgen zwei weitere Artikel zum Thema Hochwasserschutz der Stadt Zürich: «Risikoanalyse für ein Sihl-Hochwasser in der Stadt Zürich» und «Daten absoluter Wasserspiegellagen der Gefahrenkarte Stadt Zürich»

306

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Integrales Einzugsgebietsmanagement am Beispiel der Urtenen (Kanton Bern) Reto Flury, Severin Schwab, Tobias Weiss

Zusammenfassung Das Einzugsgebiet der Urtenen (Kanton Bern) weist aus wasserwirtschaftlicher Sicht diverse Defizite auf. Infolge der mannigfaltigen Ansprüche an die Wasserwirtschaft der Urtenen wurde im Rahmen einer Regionalen Entwässerungsplanung (REP) für das gesamte Urtenen-Einzugsgebiet ein integraler Ansatz des Einzugsgebietsmanagements angewendet. Nach einer klaren Bestandesaufnahme mittels Inventaren (Ist-Zustand) wurde ein Leitbild für die Wasserwirtschaft im Urtenental definiert (Soll-Zustand). In der anschliessenden Defizitanalyse wurde der Vergleich von Ist- und Soll-Zustand durchgeführt. Die ermittelten Defizite waren die Entscheidungsbasis zur Ausarbeitung der Massnahmen. Wie sich im Projektverlauf zeigte, mussten diese infolge der langen Umsetzungsdauer von bis zu 80 Jahren klar priorisiert werden. Sowohl das organisatorische wie auch methodische Vorgehen hat sich aus Sicht der Autoren bewährt und kann auf andere Einzugsgebiete angewendet werden.

1. Einführung Die Urtenen ist ein rund 18 km langer Mittellandbach, der das Urtenental nördlich von Bern entwässert. Das Einzugsgebiet weist bis zur Mündung in die Emme eine Fläche von 92.6 km2 auf. Das durchschnitt-

liche Gefälle des Baches liegt bei lediglich 2.3 Promille [1] . Das Einzugsgebiet ist in Bild 1 dargestellt. Die intensive siedlungs- und verkehrstechnische sowie landwirtschaftliche Nutzung führt zu einem grossen Druck

auf das Gewässersystem. So weisen etwa der Hochwasserschutz und die Wasserqualität Defizite auf. Die Gewässer sind über weite Strecken kanalisiert, natürliche Lebensräume selten und die Artenvielfalt gering. Die Urtenen wurde im Rahmen einer flächendeckenden Situationsanalyse im Jahr 2001 als das Einzugsgebiet mit dem höchsten Handlungsbedarf im ganzen Kanton Bern identifiziert [2]. Die mit der Wasserwirtschaft im Urtenental befassten Verbände – der Wasserbauverband Urtenenbach und die Gemeindeverbände ARA Moossee-Urtenenbach und ARA Region Fraubrunnen – haben früh erkannt, dass Massnahmen zur Behebung der Defizite in den verschiedenen Bereichen der Wasserwirtschaft nicht unabhängig voneinander geplant werden können. 2.

Grundlagen und generelle Methodik

2.1

Bild 1. Untersuchungsperimeter REP Urtenen. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA130250). «Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

Sicht auf das gesamte Einzugsgebiet Angesichts des grossen Handlungsbedarfes und der Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Bereichen der Wasserwirtschaft im Einzugsgebiet der Urtenen wurde im Jahr 2010 eine integrale Planung ausgelöst. Damit konnte von Beginn an eine angemessene Abstimmung zwischen den verschiedenen wasserwirtschaftlichen Aspekten gewährleistet werden. Anstatt nur abschnittsweise, wurde diese Planung für das ganze Einzugsgebiet der Urtenen inkl. der wichtigen Seitengewässer durchgeführt. Die integrale Planung orientiert sich am Ansatz des Einzugsgebietsmanagements, wie er vom BAFU vorgegeben und beschrieben wird [3]. Die zentralen Merkmale der integralen Wasserwirtschaft sind: • sie folgt den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung, • orientiert sich an langfristigen Zielen, • betrachtet Interessenkonflikte ganzheitlich aus regionaler Sicht, 307


ist transparent und bezieht alle Betroffenen und Interessen in die Lösungsfindung ein.

2.2 Gewähltes Instrument Als Instrument für die integrale Planung wurde die «Regionale Entwässerungsplanung (REP)» gewählt. Nach dem Abschluss der REP Urtenen zur Umsetzung des REP-Massnahmenplanes wird das Projekt unter dem Titel «Lebensraum Urtenen» weitergeführt. In der REP Urtenen sind alle wichtigen wasserwirtschaftlichen Aspekte im Einzugsgebiet berücksichtigt: Vom Hochwasserschutz über die Siedlungsentwässerung, die Gewässerökologie, den Landschafts- und Naturschutz bis zum Lebensraum Urtenen als Erholungsgebiet für die Bevölkerung. Der integrale Ansatz ist einerseits wegen der Abhängigkeiten nötig und andererseits auch sinnvoll, da nur damit die Synergien in der Wasserwirtschaft genutzt und technisch wie auch finanziell die optimalen Lösungen gefunden werden können. 2.3 Planerteam Das Planerteam setzte sich aus verschiedenen Firmen und Personen zusammen, die ihr spezifisches Fachwissen in das Projekt einbrachten. Folgende Firmen waren beteiligt: • Holinger AG, Bern (Markus Flückiger und Reto Flury; Gesamtprojektleitung, Themenbereich Siedlungsentwässerung). • Geotest AG, Zollikofen (Severin Schwab und Thomas Scheuner; stellvertretende Gesamtprojektleitung, Themenbereich Naturgefahren, Risikoanalysen, Geoinformatik). • Kissling + Zbinden AG, Bern (Tobias Weiss und Stefan Troxler; Themenbereich Hochwasserschutz). • Moeri und Partner AG, Bern (Daniel Moeri; Themenbereich Naherholung und Landschaft). • Aquaplus, Zug (Dr. Fredy Elber und Ernst Roth; Themenbereich Ökologie und Neophyten). 3.

• • • •

TP 2: Integrales Hochwasserschutzkonzept. TP 3: Aufhebung des Beschlusses zur dezentralen Retention in der Siedlungsentwässerung. Überprüfung des Nutzens und der Notwendigkeit der im Einzugsgebiet der Urtenen geltenden Retentionsregeln. TP 4: Definition der regional relevanten Anlagen der Siedlungsentwässerung. TP 5: Definition der regional relevanten Gewässer. TP 6: Information und Öffentlichkeitsarbeit. TP 7: Reorganisation. Schaffung einer neuen Organisation, welche als Trägerschaft für alle Belange der Wasserwirtschaft im Urtenental und für die Umsetzung des REP-Massnahmenplanes zuständig ist (Lebensraum Urtenen).

3.2 Vorgestellte Teilprojekte Nachfolgend wird das integrale Hochwasserschutzkonzept (TP 2), das eigentliche Kernstück der REP Urtenen, vorgestellt. Die Bearbeitung umfasste folgende Schritte: • Erstellung der Inventare (Ist-Zustand) • Definition Leitbild (Soll-Zustand) • Defizitanalyse • Massnahmenplanung • Integrale Priorisierung In diesen klar festgelegten Arbeitsschritten wurde der integrale REP-Massnahmenplan für das gesamte Einzugsgebiet der Urtenen erarbeitet. Die Arbeitsschritte werden nachfolgend kurz beschrieben und deren Umsetzung pro Themenbereich

in Kapitel 4 erläutert. Der letzte Punkt, die integrale Priorisierung, wird im separaten Kapitel 5 behandelt. Im REP-Massnahmenplan wurden auch organisatorische Aspekte bezüglich Reorganisation der Wasserwirtschaft im Urtenental (Lebensraum Urtenen) behandelt. Diese werden im Folgenden thematisch nur angeschnitten, da sie Gegenstand eines separaten, hier nicht vorgestellten Teilprojektes (TP 7) sind. 3.3 Erstellung der Inventare Das Ziel des ersten Teilprojektes war die möglichst vollständige Inventarisierung des IST-Zustandes in Plänen für folgende relevanten Themen: • Hochwasserschutz • Siedlungsentwässerung • Ökologie • Naherholung und Landschaft • Neophyten Für die genannten Inventarpläne wurden praktisch ausschliesslich Daten aufbereitet und verwendet, die bereits vorhanden waren. Eine Ausnahme bildete die Erhebung der Neophyten, die erstmals systematisch durchgeführt wurde. Die Aufbereitung der Karten erfolgte in einem geografischen Informationssystem (GIS). Praktisch alle verwendeten Daten lagen als GIS-Datensätze vor. Aus diesem Arbeitsschritt resultierten folgende Inventar- und Übersichtskarten: • Projektperimeter Urtenen mit relevanten Gewässern • Gewässerstruktur und Ausbreitungshindernisse (Ökomorphologie) • Uferbereichsbreite und Gewässerraum

Aspekte des Einzugsgebietsmanagements im Urtenental

3.1 Übersicht Die REP Urtenen umfasste folgende Teilprojekte (TP): • TP 1: Dokumentation der vorhandenen Grundlagen (nicht Gegenstand der Bearbeitung). 308

Bild 2. Ausschnitt aus der Inventarkarte «Gefahrenkarte und Schnittstellen Siedlungsentwässerung». «Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Gefahrenkarte und Schnittstellen mit Siedlungsentwässerung (Kanalisationsnetz) • Gewässerqualität, Grundwasser und Altlasten • Infrastruktur • Vorhandene Elemente bezüglich Naherholung und Landschaft, Naturschutz und vorhandene Neophyten Mit den genannten Karten konnte der Ist-Zustand des Einzugsgebietes abgebildet werden. Ein Ausschnitt aus der Inventarkarte «Gefahrenkarte und Schnittstellen Siedlungsentwässerung» ist in Bild 2 dargestellt. 3.4 Definition des Leitbildes Basierend auf den vorhandenen gesetzlichen Grundlagen und Vorgaben aus Richtlinien und Empfehlungen wurde der anzustrebende Soll-Zustand der Wasserwirtschaft im Urtenental in einem Leitbild definiert. Dieses hat die Funktion eines Entwicklungskonzeptes, das aufzeigt, wie sich die Wasserwirtschaft mittel- bis langfristig entwickeln soll. Eine integrale Wasserwirtschaft in einem Einzugsgebiet braucht gemeinsame Ziele und eine Strategie zur Erreichung dieser Ziele. Diese sind für die relevanten Bereiche in einem Leitbild aufeinander abgestimmt und werden von allen betroffenen Akteuren genehmigt. Als Grundlage für das Leitbild wurden in jedem relevanten Bereich (Sektor) der Wasserwirtschaft Ziele festgelegt. Im Bereich Hochwasserschutz sind dies beispielsweise die abgestuften Schutzziele bei Überflutungen oder im Bereich Ökologie die Vorgaben zur anzustrebenden Struktur der Gewässer und zum minimalen Gewässerraum. Die Ziele basieren auf gesetzlichen Grundlagen, eidgenössischen und kantonalen Richtlinien und Normen sowie bestehenden Planungen und Strategien. Die konkreten technischen Zielvorgaben wurden in Fachleitbildern für die einzelnen Bereiche respektive Teilprojekte festgelegt (siehe Grafik in Bild 3). Es zeigte sich, dass die meisten Zielvorgaben durch Gesetze und Verordnungen vorgegeben und damit für die integrale Planung verbindlich sind. Das Fachleitbild mit den festgelegten Zielzuständen für die Bereiche Hochwasserschutz und Ökologie Fliessgewässer ist in Bild 4 dargestellt. Die konkreten technischen Ziele aus den Fachleitbildern wurden in einem Leitbild für die Wasserwirtschaft im Urtenental zu allgemeinen Thesen und Entwicklungszielen in den Bereichen

REP Urtenen TEILPROJEKTE Fachleitbilder Konkrete technische Zielvorgaben zu: - Hochwasserschutz - Ökologie - Siedlungsentwässerung - Naherholung und Landschaft - Retentionsregel - Zusammenarbeit der Verbände

Zusammenfassung

Leitbild für die Wasserwirtschaft im Urtenental Thesen / Ziele zur Entwicklung der Wasserwirtschaft aus Sicht: - Umwelt - Gesellschaft - Wirtschaft

Bild 3. Stellung der Fachleitbilder und des «Leitbildes Wasserwirtschaft im Urtenental» in der REP Urtenen.

Bild 4. Festlegung der Zielzustände im Fachleitbild, Beispiel Hochwasserschutz und Ökologie Fliessgewässer. HQ5 Intensität

mittel / stark

schwach

HQ20 mittel / stark

HQ100

schwach

mittel / stark

HQ300

schwach

Siedlung (Bauzone)

Siedlung (ständig bewohnte Gebäude ausserhalb Bauzone) Landwirtschaft intensiv

Landwirtschaft extensiv (Gewässerraum) Wald

Legende: Hohes Defizit Hohes Verbesserungspotential

Geringes Defizit Geringes Verbesserungspotential

Mittleres Defizit Mittleres Verbesserungspotential

Kein Defizit Kein Verbesserungspotential

Bild 5. Defizitmatrix am Beispiel Hochwasserschutz. •

Umwelt (Hochwasserschutz, Ökologie, Naturschutz) • Gesellschaft (Naherholung und Landschaft) • Wirtschaft zusammengefasst. Dieses Leitbild ist ein breit abgestütztes strategisches Führungsinstrument für die mittel- bis langfristigen wasserwirtschaftlichen Tätigkeiten im Einzugsgebiet. 3.5 Defizitanalyse Die Defizite wurden mittels Vergleich des Soll-Zustandes aus dem Leitbild mit dem IST-Zustand aus den Inventaren ermittelt.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

Die Höhe der Defizite wurde mittels themenbezogener Beurteilungsmatrizen definiert und in thematischen Defizitplänen dargestellt. Bild 5 zeigt als Beispiel die für den Hochwasserschutz verwendete Matrix. In Bild 6 und Bild 7 werden Ausschnitte aus den beiden Defizitkarten «Hochwasser» und «Gewässerraum» dargestellt. Lesebeispiel für Bild 5: Ein bestimmter Abschnitt eines Gewässers innerhalb der Bauzone bietet einen Schutz für ein Hochwasser, das statistisch gesehen alle 20 Jahre auftreten kann (HQ20) und zu schwachen Intensitäten führt. Diese Information stammt aus dem Inven309


Bild 6. Ausschnitt aus dem Defizitplan Hochwasserschutz und Siedlungsentwässerung. tar Gefahrenkarte. Gemäss den Vorgaben des Kantons Bern ist damit ein grosses Schutzdefizit vorhanden, was zur Einstufung in die rote Kategorie «hohes Defizit/ hohes Verbesserungspotenzial» führt. Bei gleicher Intensität und Wiederkehrperiode führt die genannte Überflutung in der Landwirtschaft hingegen nur zu einem geringen Defizit (gelbe Kategorie). 3.6 Massnahmenplanung Ausgehend von den erkannten Defiziten wurden Massnahmenvorschläge zur Behebung der Defizite auf der Stufe Machbarkeitsstudie erarbeitet. Die Massnahmen wurden pro Gewässerabschnitt priorisiert und im integralen REP-Massnahmenplan dargestellt. Die Massnahmenplanung beschreibt die notwendigen Arbeiten, um die in der Defizitplanung ermittelten Defizite zu beheben und somit die formulierten Ziele aus den Fachleitbildern einzuhalten. Der Planungshorizont erstreckt sich über 60 bis 80 Jahre. Das gesamte Investitionsvolumen beträgt rund CHF 115 Mio., an denen sich Bund und Kanton nach heutigen Gesichtspunkten zu 50% bis 80% beteiligen werden. Angesichts des grossen Investitionsvolumens und des langen Planungshorizontes muss die Umsetzung etappiert 310

Bild 7. Ausschnitt aus der Defizitkarte «Gewässerraum», Raum Iffwil-Grafenried.

werden. Dazu wurden die Massnahmen in hydrologischen/funktionalen Gewässerabschnitten zusammengefasst und bewertet. Die Bereiche Hochwasserschutz, Ökologie, Siedlungsentwässerung, Naherholung und Landschaft wurden dabei alle gleich stark mit 25% gewichtet. Der REP-Massnahmenplan ist in Bild 8 im Überblick dargestellt. Bild 9 zeigt einen Ausschnitt aus dem Massnahmenplan für das Gebiet Moossee/UrtenenSchönbühl. 3.7 Erfolgskontrolle Für die bedeutenderen Massnahmen sind Erfolgskontrollen vorgesehen. Hierzu werden abhängig von der zu treffenden Massnahme relevante Parameter definiert. Mit Hilfe der Ergebnisse der Erfolgskontrollen können allenfalls notwendige Anpassungen erkannt und umgesetzt werden. 4.

Umsetzung pro Themenbereich

4.1 Hochwasserschutz Basierend auf dem Defizitplan wurden in einem ersten Schritt für sämtliche Bereiche mit Hochwasserschutz-Defiziten mögliche bauliche Massnahmen definiert. Aus der Kombination dieser Einzelmassnahmen ergaben sich vier Grundkonzepte

(z.B. Ausbau der Urtenen, zentrales Rückhaltebecken im Bereich A, dezentrale Rückhaltebecken an den Bächen B/C/D), welche hinsichtlich ihrer Machbarkeit und der hydraulischen Auswirkungen auf das Gesamtsystem beurteilt wurden. Dabei war die Tatsache, dass für die Urtenen und ihre wichtigsten Seitenbäche eine detaillierte Studie zur Hydrologie vorlag [1], von zentraler Bedeutung. Die Variante mit Rückhaltebecken an vier Seitenbächen sowie einem Ausbau der Urtenen auf bestimmten Abschnitten als Hauptmassnahmen wurde schliesslich mit einem numerischen Modell (2-D-Überflutungsmodellierung) abgebildet. Für sämtliche der insgesamt rund 100 Einzelmassnahmen des Grundkonzepts «Dezentrale Rückhaltebecken plus Teilausbau» wurden schliesslich Massnahmenblätter erarbeitet. Darin sind Kartenausschnitte, ein Massnahmenbeschrieb sowie eine Grobkostenschätzung (+/-25%) auf der Basis von Laufmeterpreisen dokumentiert. Ein Beispiel eines Massnahmenblattes ist in Bild 10 dargestellt. 4.2 Siedlungsentwässerung Im Bereich Siedlungsentwässerung verursacht die Einleitung von Regenwasser der Autobahnen grosse Defizite. Die Wasserqualität der Urtenen wird durch die Einlei-

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Bild 8. Integraler Massnahmenplan im Überblick. tungen sehr stark beeinträchtigt. Hingegen ist die Belastung der Gewässer durch Mischwassereinleitungen aus der Siedlungsentwässerung und durch die ARA vergleichsweise gering. Im REP-Massnahmenplan sind für den Bereich Siedlungsentwässerung mehrere Retentionsfilterbecken zur Reinigung des Regenwassers der Autobahnen A1 und T6 als prioritäre Massnahmen vorgesehen. Die Planung und Realisierung der Behandlungsanlagen liegt vollumfänglich in der Zuständigkeit des ASTRA.

4.3 Ökologie Im Bereich Ökologie wurden die Defizite für die Kriterien Ökomorphologie, Einhaltung Gewässerraum, Durchgängigkeit und Vorhandensein von Neophyten entlang der Gewässer bestimmt. Mit Ausnahme von wenigen renaturierten Abschnitten weisen alle regional relevanten Gewässer im Siedlungsund Landwirtschaftsgebiet überwiegend grosse bis mittlere Defizite in der Gerinnestruktur auf. Der gesetzlich geforderte Gewässerraum ist über weite Strecken

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

nicht vorhanden. In der Massnahmenplanung wurden für die einzelnen Gewässerabschnitte Lösungen gesucht, mit welchen Synergien zwischen ökologischen Massnahmen und dem Hochwasserschutz genutzt werden können. Beispielsweise kann mit einer naturnahen Gestaltung eines Gewässerabschnittes dessen Rückhaltekapazität erhöht werden. Die Ausscheidung eines genügend grossen Gewässerraumes, die Ausbildung von Flachufern und die Wiederherstellung der natürlichen dynami311


Bild 9. Ausschnitt aus dem integralen Massnahmenplan. 4.4.2 Defizite Die Defizitanalyse bezüglich Naherholung und Landschaft zeigte, dass folgende Defizite vorhanden sind: • Fuss-/Velowegverbindungen entlang der Gewässer sind nicht vorhanden. • Zusammenhängende Freiräume entlang der Gewässer fehlen. • Der bestehende Freiraum entlang der Gewässer ist ungenügend aufgewertet. 4.4.3 Vorgeschlagene Massnahmen Die Inhalte und Ideen zur Massnahmenplanung «Naherholung und Landschaft – Lebensraum Urtenen» umfassen 13 Massnahmen mit dem Ziel, der Bevölkerung den Zugang zum Gewässerraum wieder vermehrt zu ermöglichen, indem attraktive und gut mit öffentlichem oder Langsamverkehr erschlossene Aufenthaltsorte am Gewässer geschaffen werden. Als Beispiel ist in Bild 11 eine Massnahme auf Konzeptstufe für einen Aussichtsturm an der Urtenen abgebildet.

Bild 10. Beispiel eines Massnahmenblattes. schen Prozesse, welche ein strukturreiches Gewässer mit verschieden Tiefen und Fliessgeschwindigkeiten aufweist, bilden die Grundlagen dafür. 4.4

Naherholung und Landschaft

4.4.1 Ziele und Chancen Mit der Umsetzung des Integralen Hochwasserschutzkonzeptes im Rahmen der REP Urtenen bietet sich eine grosse Chance, die Defizite an Lebensräumen für Menschen, Tier und Pflanzenwelt wieder abzubauen. Die planerische Bearbeitung der Einzugsgebiete und die Festlegung neuer, grösserer Räume für die Fliessgewässer bieten die einmalige Möglichkeit, 312

ganzheitliche, integrale Überlegungen zu Gestaltung und Konzeption der Landschaftselemente zu machen (u.a. übergeordnete Landschafts- und Raumentwicklung, Naherholung, Wanderwege, Rad-/ Fusswege, Erholungseinrichtungen, Kulturgüterschutz). Das Ziel und die formulierte Vision für das Einzugsgebiet der Urtenen bestehen denn auch darin, den gesamten Bachlauf von 18 km Länge zu einem attraktiven Naherholungsgebiet aufzuwerten. Dies impliziert, dass sich die Gemeinden im Einzugsgebiet mit ihrer Umgebung identifizieren. Das beispielhafte Zusammenspiel von qualitativ hochwertigen Erholungsräumen und artenreichen Naturräumen soll dem Gebiet Vorzeigecharakter verleihen.

4.5 Neophyten Gemäss Fachleitbild sollen die Neophyten entlang der Gewässer vollständig eliminiert werden. Dieses Ziel gilt für alle Zonen (Siedlung, Landwirtschaft und Wald). Aufgrund der Zielvorstellung aus dem Fachleitbild stellt das Vorhandensein von Neophyten ein grosses Defizit dar. Eine Einteilung in geringe und mittlere Defizite erübrigte sich somit. Die Planung der Aufwertungsmassnahmen muss festhalten, wie mit den Neophytenbeständen in den entsprechenden Gewässerabschnitten verfahren werden soll. Bei der Ausführung der Massnahmen ist darauf zu achten, dass sich be-

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Bild 11. Beispiel einer vorgeschlagenen Massnahme (Konzeptstudie) «Aussichtsturm» bezüglich des Themenbereiches «Naherholung und Landschaft» . stehende Neophytenbestände nicht weiter verbreiten und dass sie sachgemäss eliminiert werden. 5. Integrale Priorisierung Die Umsetzung einer integralen Planung auf Stufe Einzugsgebiet erfordert eine fundierte und nachvollziehbare Priorisierung der sektoralen Einzelmassnahmen. Jede Priorisierung bleibt schliesslich jedoch subjektiv und auch politischen Kräften ausgesetzt. Für die Priorisierung der Massnahmen im Einzugsgebiet der Urtenen wurden in einem ersten Schritt die Einzelmassnahmen aggregiert (pro Seitengewässer bzw. pro Abschnitt der Urtenen) und deren Relevanz für die Bereiche Hochwasserschutz, Ökologie, Siedlungsentwässerung und Naherholung und Landschaft mit jeweils max. zehn Punkten bewertet. Die Bewertung basierte dabei auf der Kostenwirksamkeit nach EconoMe (Bereich Hochwasserschutz), bzw. den Defizitkarten für die übrigen Bereiche. Für die Gesamtpriorisierung wurden die vier Bereiche jeweils gleich gewichtet. «Konzeptionell zwingende Massnahmen» – die Hochwasserrückhaltebecken – wurden jedoch generell der höchsten Prioritätsstufe (Zeithorizont Umsetzung: zehn Jahre) zugewiesen. Aus der integralen Priorisierung resultierten die nachfolgend beschriebenen Gruppen von Massnahmen. 5.1 Schlüsselmassnahmen Als Schlüsselmassnahmen sind die Massnahmen definiert, die eine übergeordnete Wirkung auf den Hochwasserschutz im Urtenental haben. Diese erhalten unabhän-

gig vom Nutzen-Kosten-Verhältnis eine hohe Bewertung und sind eine zwingende Voraussetzung für den Erfolg der REP Urtenen. Folgende fünf Schlüsselmassnahmen sind vorgesehen: • Rückhaltebecken am Ballmoosbach in Jegenstorf • Rückhaltebecken am Dorfbach Hettiswil • Rückhaltebecken am Bärebach Grafenried • Ausbau des Bachbetts der Urtenen bei Schalunen • Rückhaltebecken am Kilchmattbach in Münchenbuchsee Der Umsetzungshorizont für diese Massnahmen beträgt rund zehn Jahre. 5.2 Prioritäre Massnahmen Massnahmen, die zur Gesamtbeurteilung eines Gewässerabschnittes wesentlich beitragen, wurden als prioritär ausgeschieden. Dies sind beispielsweise Hochwasserschutzmassnahmen mit einem guten Nutzen-Kosten-Verhältnis oder ökologische Aufwertungen, die mit wichtigen Hochwasserschutzmassnahmen kombiniert werden können. Der Umsetzungshorizont für diese Massnahmen beträgt rund 20 Jahre. Als Beispiele für prioritäre Massnahmen aus drei ausgewählten Themenbereichen sind zu nennen: • Siedlungsentwässerung: Einfache bauliche Massnahmen an bestehenden Sonderbauwerken der Kanalisation; Bau von Retentionsfilterbecken für die Behandlung des Autobahnabwassers. • Naherholung und Landschaft: Projekt Besucherlenkung Moossee; Verbin-

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

dung des Freibades Fraubrunnen mit der Urtenen zu einem «Naturbad». Neophyten: Vollständige Elimination der Neophyten.

5.3 Mittelfristige Massnahmen Als mittelfristig prioritär wurden Massnahmen mit mittlerer Wirkung auf die Defizite und mässigem Nutzen-Kosten-Verhältnis definiert. Der Umsetzungshorizont liegt bei 50 Jahren. Im Bereich Hochwasserschutz wurden insgesamt 49, im Bereich Ökologie 31 und in den Bereichen Siedlungsentwässerung sowie Naherholung und Landschaft je sieben Einzelmassnahmen definiert. Beispiele für mittelfristige Massnahmen in den verschiedenen Bereichen sind: • Hochwasserschutz: Kapazitätserhöhung von Abschnitten des Binelbaches (Gemeinde Grafenried), verbunden mit einer ökologischen Aufwertung. • Ökologie: Anbindung des Urtenengrabens im Bereich Undermoos (Gemeinden Münchenbuchsee und Deisswil b.M.) an die Urtenen und Entfernung von Hindernissen. • Siedlungsentwässerung: Aufhebung von lokalen Einleitungen von Strassenwasser der Autobahn A1 in kleinere Seitengewässer; Prüfen der Notwendigkeit des Einbaus einer Rechensiebanlage gemäss Verbands-GEP ARA Moossee-Urtenenbach mittels einer Erfolgskontrolle. • Naherholung und Landschaft: Bachabschnitte in der Gemeinde UrtenenSchönbühl mit plattigen Natursteinen treppenartig dem Publikum zugänglich machen. 5.4 Organisatorische Aspekte Neben den technischen Aspekten bilden die organisatorischen Themen einen wichtigen Teil der integralen Planung. Die bestehenden Verbände im Einzugsgebiet haben sich die Frage gestellt, ob sie mit den heutigen Zuständigkeiten und Strukturen die zukünftigen Anforderungen erfüllen können. Sie sind zum Schluss gekommen, dass dies nicht möglich ist. Mit dem Projekt «Lebensraum Urtenen» soll deshalb auch eine zeitgemässe Organisation geschaffen werden, welche für sämtliche in dem Projekt behandelten Belange der Wasserwirtschaft zuständig ist und die weiteren Aspekte (Autobahnwasser) mit den zuständigen Stellen koordiniert. Alle Gemeinden im Einzugsgebiet haben gemäss einer ersten Mitwirkung dem Vorhaben zugestimmt, womit der 313


Weg frei war, um ein Projekt «Organisation» zu starten. In der REP Urtenen wurden diesbezüglich erste gedankliche Vorarbeiten geleistet. Die Umsetzung erfolgt aber erst im Rahmen des TP 7 (Lebensraum Urtenen). Dieses wird ab Sommer 2013 umgesetzt. 6. Erfahrungen und Ausblick Aus organisatorischer Sicht hat sich gezeigt, dass die Einbindung von Politik und kantonalen Fachstellen in die Projektorganisation unerlässlich ist. Zusammen mit einem angepassten Partizipationskonzept, durch welches auch die Gemeinden in die Entscheidungen eingebunden worden sind, hat das Projekt eine breite Akzeptanz erhalten. Das technische Vorgehen hat sich ebenfalls sehr gut bewährt, wobei aus unserer Sicht folgende Faktoren für die Bearbeitung zentral sind: • Ohne konkreten Handlungsbedarf wird es schwierig, die Akzeptanz für integrale Projekte zu erreichen. • Die Ziele der Planung müssen vor der Bearbeitung definiert und konsequent umgesetzt werden. • Integrale Betrachtungen müssen die im Einzugsgebiet relevanten Themen umfassen. • Eine engagierte und akzeptierte Prozessleitung ist unerlässlich für den Erfolg des Projektes. • Ein angepasstes Kommunikationsund Partizipationskonzept erhöht die

314

Erfolgsaussicht des Projektes massiv. Wird im Projektverlauf erkannt, dass in Bezug auf organisatorische Aspekte auf Stufe der Trägerschaften ein Handlungsbedarf besteht, so wird empfohlen, diese Fragen unbedingt in das Projekt miteinzubeziehen, da dies Voraussetzung dafür ist, um zukunftsträchtige Lösungen erarbeiten zu können. Im Anschluss an die REP Urtenen ist vorgesehen, auf der Basis des Massnahmenkonzeptes einen Gewässerrichtplan (GRP) zu erstellen. So kann sichergestellt werden, dass der Massnahmenplan behördenverbindlich wird und die einzelnen Massnahmenpakete kontinuierlich umgesetzt werden können. Für weitere Informationen zum Projekt sei auf die Homepage www.wasserwirtschaft-urtenen.ch und www.lebensraum-urtenen.ch verwiesen. •

verband ARA Fraubrunnen), Heinz Roth (Tiefbauamt des Kantons Bern), Harry Dähler (Amt für Wasser und Abfall des Kantons Bern). Wir danken ebenfalls allen weiteren Personen und Fachstellen, die in Begleit- und Fachgremien Einsitz genommen haben und den betroffenen Gemeinden im Einzugsgebiet der Urtenen für ihre tatkräftige Unterstützung.

Literatur [1] Scherrer AG (2008): Hochwasserabflüsse im Einzugsgebiet der Urtenen (Kanton BE). Bericht Nr. 06/73, Reinach. [2] Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern (2001): Ganzheitliche Gewässerplanung und regionale Entwässerungsplanung, Bern. [3] BAFU (Hrsg.) (2012): Einzugsgebietsmanagement. Anleitung für die Praxis zur integralen Bewirtschaftung des Wassers in der Schweiz. Bundesamt für Umwelt Bern, Umwelt-Wissen Nr. 1204.

Danksagung Ein grosser Dank gebührt folgenden Personen, die das Projekt REP Urtenen massgeblich unterstützt haben: Rolf Mathys (Projektleiter,

Anschrift der Verfasser

Präsident Gemeindeverband ARA Moossee-

Reto Flury, Holinger AG

Urtenenbach), Jörg Bucher (Tiefbauamt des

Kasthoferstrasse 23, CH-3011 Bern

Kantons Bern, Oberingenieurkreis III), Regula

reto.flury@holinger.com

Furrer (Vorsitzende der Begleitkommission),

Severin Schwab, Geotest AG

Markus Grimm (Geschäftsführer Gemeindever-

Birkenstrasse 15, CH-3052 Zollikofen

band ARA Moossee-Urtenenbach), Hanspeter

severin.schwab@geotest.ch

Junker (Präsident Wasserbauverband Urtenen),

Tobias Weiss, Kissling + Zbinden AG,

André Hubacher (Wasserbauverband Urtenen),

Brunnhofweg 37, Postf. 402, CH-3000 Bern 14,

Hans-Rudolf Stettler (Präsident Gemeinde-

tobias.weiss@kzag.ch

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Präsidialansprache HV 2013 vom 5. September 2013 in Interlaken

Caspar Baader

«Sehr geehrte Damen und Herren Wir sind mittlerweile im dritten Jahr der neuen energiepolitischen Zeitrechnung, seit der Bundesrat und das Parlament vorschnell und ohne durchdachte Alternative den Ausstieg der Schweiz aus der Kernenergie und damit – nach deutschem Vorbild – die sogenannte «Energiewende» beschlossen haben. Seither wurde viel geschrieben, noch mehr geredet und manchmal auch nachgedacht. Grosse, umstrittene Kiste auf dünnem Eis Das weiterhin bestehende Ziel, auf rund 40% der heutigen Stromproduktion in der Schweiz zu verzichten, ohne die Versorgungssicherheit, die Wettbewerbsfähigkeit oder den Klima- und Umweltschutz zu gefährden, bleibt eine Herkulesaufgabe auf dünnem Eis. Der weltweite Strombedarf wächst doppelt so schnell wie der Gesamtenergieverbrauch. Auch wenn in der Schweiz eine Stabilisierung des Energieverbrauchs auf hohem Niveau erreicht wurde, wird die über das Stromnetz umgeschlagene Energiemenge allein schon wegen des Ersatzes fossiler Energieträger durch Elektrizität weiterhin stark zunehmen. Der Bundesrat spricht von «Paradigmawechsel» und einer «grossen Kiste». In Deutschland sprechen Minister gar von der «grössten wirtschaftspolitischen Herausforderung seit dem Wiederaufbau». Die Vorlage zum «1. Massnahmenpaket zur Energiestrategie 2050», die der Bundesrat vor Jahresfrist in die Vernehmlassung geschickt hat, war inklusive aller Grundlagenstudien wohl Tausende von Seiten schwer. Und ähnlich viel Papier wurde anschliessend mit den Stellungnahmen der insgesamt 459 (!) an der Vernehmlassung teilnehmenden Organisationen fast postwendend wieder zurück nach Bern geschickt. Es ist keine Überraschung: die Interessen und Meinungen gehen weit auseinander. Und ob diese zu einem mehrheitsfähigen und erst noch

funktionierenden Gesamtpaket geschnürt werden können, oder ob das Projekt Schiffbruch erleidet, werden die Botschaft, welche vom Bundesrat am 5. September 2013 zu Handen des Parlaments verabschiedet wurde und vor allem die parlamentarischen Beratungen in den kommenden Monaten zeigen. Beitrag und Position des SWV Auch der SWV hat sich in den vergangenen Monaten in diesem Prozess engagiert: mit Stellungnahmen und Positionspapieren, mit eigenen Referaten und Interviews, durch die Mitarbeit in zahlreichen Arbeitsgruppen der Bundesämter und die aktive Teilnahme in den sogenannten RoundTable-Gesprächen von Bundesrätin Doris Leuthard. Ich meine, es lässt sich sagen, dass unser Verband in der Debatte als fundierte und gewichtige Stimme der Wasserkraft wahrgenommen wird. Und das ist angesichts der vergleichsweise bescheidenen Mittel des SWV doch bemerkenswert. Entsprechend seiner Zweckbestimmung hat sich der SWV vor allem auf die wasserwirtschaftlichen Aspekte der Energiestrategie 2050 konzentriert. Konkret haben wir geprüft, ob die bisher vorgesehenen Massnahmen die Erreichung des sehr hoch gesteckten Ausbauzieles für die Wasserkraft ermöglichen. Der Befund war eindeutig: sie genügen bei weitem nicht. Bis 2050 müssten jedes Jahr durchschnittliche Produktionskapazitäten von mindestens 130 GWh dazugewonnen werden. Ein Rhythmus, der in den letzten Jahren praktisch nie erreicht wurde. Im vergangenen Jahr war zwar immerhin ein Zuwachs von 108 GWh/a zu verzeichnen. Der Grossteil davon entfiel aber auf die Inbetriebnahme

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

des rundum erneuerten Kraftwerk Eglisau am Hochrhein – ein Projekt, das heute kaum mehr ausgelöst würde. Schwächen der Vorlage bezüglich Wasserkraft Der SWV hat in den vergangenen Monaten auf die Schwächen der Vernehmlassungsvorlage bezüglich Wasserkraft aufmerksam gemacht. Erwähnt seien vor allem die folgenden drei: 1. Keine oder falsche wirtschaftliche Anreize für Investitionen in die Wasserkraft: Ein zunehmend subventioniertes Umfeld lässt die Marktpreise sinken und untergräbt die Konkurrenzfähigkeit der grossen Wasserkraftanlagen mit mehr als 10 Megawatt Leistung, die mehr als 90% der heutigen Wasserkraftproduktion liefert. Die Energiestrategie hält demgegenüber weiterhin an der generellen Förderung von Kleinund Kleinstanlagen fest, was die Konflikte bezüglich Gewässerschutz und Landschaftsschutz bei geringer Energieausbeute unnötig verschärft. 2. Ungenügende Berücksichtigung der Systemdienstleistungen der Wasserkraft: Energiewirtschaftlich entscheidende Leistungen und Potenziale der Wasserkraft liegen vor allem in den Vorzügen der Speicherseen mit ihrem saisonalen Ausgleich und ihrem Beitrag an die Versorgungssicherheit im Winter, der stunden- und tageweisen Einlagerung von Strom über Pumpspeicherwerke sowie in den flexibel zu- und abschaltbaren Kraftwerken. Die Vorlage beinhaltet praktisch keine Massnahmen zur Sicherstellung dieser dringlich benötigten Systemdienstleistungen. 315

102. Hauptversammlung 2013

Die Wasserkraft in der Kostenklemme


102. Hauptversammlung 2013

3. Zu wenig Beachtung der drohenden Produktionsverluste durch Schutzanliegen: Es ist in den meisten Fällen sowohl ökologisch wie ökonomisch sinnvoller, bestehende Produktionsanlagen zu erhalten und zu erneuern, als neue Anlagen zu bauen. Die drohenden Produktionsverluste aus der Restwasserabgabe bei Sanierungen und Neukonzessionierungen sind deshalb im Rahmen einer Interessenabwägung auf das notwendige Minimum zu beschränken, um die Verluste nicht anderswo – kaum umweltfreundlicher – wieder beschaffen zu müssen. Die Vorlage geht zwar optimistisch von nur minimalen Verlusten aus, aber leider, ohne zu konkretisieren, wie das zu erreichen ist. Ob wir mit diesen und weiteren Anliegen genügend Gehör gefunden haben und ob in der Botschaft entsprechende Massnahmen vorgesehen sind, wird sich bei der kommenden Analyse der Botschaft zeigen. Tatsache ist, dass sich die Rahmenbedingungen für die Wasserkraft in den letzten Monaten nochmals deutlich verschlechtert haben und die obigen Problembereiche heute eher noch deutlicher zu erkennen sind. Verzerrter Strommarkt gefährdet Wasserkraft So gefährdet der verzerrte Strommarkt die Wasserkraft schon bald akut. Die Marktpreise kennen seit Monaten nur noch eine Richtung: nach unten. An einem durchschnittlichen Tag bekommt man am wichtigsten Handelsplatz Europas, der EEXBörse in Leipzig, für eine Kilowattstunde gerade mal noch umgerechnet 4 bis 5 Rappen. Das liegt bereits unter den Gestehungskosten von manchem bewährten Wasserkraftwerk der Schweiz. Alleine Wasserzinsen, Gebühren und Abgaben kosten schon mehr als die Hälfte von diesem Preis. Und das sollte uns allen zu denken geben. Denn wenn die weitaus effizienteste und wirtschaftlichste aller erneuerbaren Stromquellen und überdies das wichtigste Standbein der einheimischen Energieversorgung am Markt nicht mehr bestehen kann, dann ist am Modell doch einiges schief. Der Preiszerfall in Europa lässt sich zum einen mit dem gedrosseltem Strombedarf bei bestehenden Überkapazitäten, auch aus Kohle- und Gaskraftwerken, erklären, zum anderen ist dieser Preiszerfall aber das Resultat der Überschwemmung des Marktes mit hoch subventionierter Produktion aus Photovoltaik und Wind. 316

Alleine Deutschland – wir haben es auch in den heutigen Referaten gehört – pumpt Fördergelder von mehreren Milliarden Euro pro Jahr in neue Produktionsanlagen, was den Endverbraucher im Nachbarland bereits eine Abgabe von umgerechnet rund 6.5 Rappen pro kWh kostet. Das ist mehr als die eigentliche Produktion am Markt wert sein soll! Der geförderte Strom wird zudem prioritär und faktisch ohne Produktionskosten ins Netz eingespeist, was den Markt verzerrt und die nicht finanziell unterstützte Produktion diskriminiert. Die durch Subventionen angeheizten Überkapazitäten lassen die Marktpreise weiter sinken, was zwangsläufig zu weiteren Fördergeldern führt. Teufelskreis der Subventionen Das ist ein Teufelskreis, dem nur schwer zu entrinnen ist. Investiert wird nur noch in subventionierte Anlagen, seien sie noch so klein oder ineffizient. Andere Projekte, wie Erweiterungen oder Optimierungen der Wasserkraftanlagen, sind unter den heutigen Rahmenbedingungen unwirtschaftlich und werden sistiert. Und selbst die bestehende Produktion ist bei solch tiefen und bei noch weiter fallenden Preisen in Gefahr. Und leider besteht keine Aussicht auf baldige Korrektur am Markt, denn die Einspeisevergütungen sind auf zwanzig und mehr Jahre garantiert. Da sich die vor allem von Spanien und Deutschland verursachten Verzerrungen dem Einflussbereich der schweizerischen Politik weitgehend entziehen, bleibt uns nur: 1) den Fehler nicht zu wiederholen, und 2) dessen schädliche Wirkung zu dämpfen. Damit rückt die Frage nach finanziellen Anreizen und Stützungsmechanismen für die unverzichtbaren Leistungen unserer Wasserkraft zunehmend in den Vordergrund. So funktioniert eben das Subventionierungssystem: man fördert eine politisch gewollte Massnahme am Markt vorbei, um dann festzustellen, dass diese Förderung unerwünschte Auswirkungen auf andere politisch gewollte Bereiche hat, die dann eben auch wieder zu unterstützen sind. Ausdehnung der entschädigungslosen Eingriffe Der fallende Strompreis ist nicht die einzige Verschlechterung der Rahmenbedingungen für die Wasserkraft – nein, zusätzlich werden auch noch die von Kraftwerken hinzunehmenden Eingriffe in ihr Nutzungsrecht ausgedehnt. Zu erwähnen ist namentlich das Bundesgerichtsurteil zur Restwassersanierung der Misoxer

Kraftwerke vom November 2012. Mit diesem wurde die entschädigungslos hinzunehmenden Eingriffe in der nach oben offenen Skala der wirtschaftlichen Tragbarkeit und nach richterlichem Gutdünken weiter ausgedehnt. Ebenfalls zu erwähnen sind die Sanierungen gemäss revidiertem Gewässerschutzgesetz. Gemäss den Entwürfen zu den Richtlinien sollen diese nicht mehr wie ursprünglich vom Parlament vorgesehen, vollständig über swissgridGelder finanziert werden. Diese Ausdehnung entschädigungsloser Eingriffe in die Wasserkraft sollte der Schweiz nicht egal sein. Zum einen sind Eigentumsgarantie und Vertrauensschutz Werte, die wir im persönlichen Umfeld ja auch sehr gerne gewahrt sehen. Zum anderen ist zu befürchten, dass die Sanierungen zu grösseren Produktionsverlusten führen, als bisher angenommen wurde und die Kraftwerke sicherlich mehr kosten. Beides schwächt die Konkurrenzfähigkeit der Wasserkraft, was der Versorgungssicherheit nicht gerade zuträglich ist und der Energiestrategie 2050 zuwiderläuft. Fazit Es ist noch ein langer Weg bis zur sogenannten «Energiewende». Und klar ist allen: ohne die Wasserkraft als wichtigste erneuerbare Stromquelle der Schweiz und als eigentlicher Trumpf unseres Landes wird es sicherlich nicht gehen. Allerdings besteht weiterhin eine grosse Diskrepanz zwischen der von der Politik offenbar gewollten Stärkung der Wasserkraft und dem Willen, die konkreten Rahmenbedingungen entsprechend zu verbessern. Es bleibt zu hoffen, dass die Zeichen erkannt werden und die Botschaft des Bundesrates sowie die Beratungen im Parlament die Weichen richtig stellen. Der SWV jedenfalls bleibt gefordert und wird sich weiterhin mit Engagement für die Wasserwirtschaft und namentlich für die umweltverträgliche Nutzung der Wasserkraft einsetzen. Wir brauchen den Verband, sehr geehrte Damen und Herren, um gemeinsame Positionen zu erarbeiten, Diskussionen über laufende Begehren und Vorhaben zu führen sowie den Fachaustausch zu pflegen. Ich bin überzeugt, dass der SWV als Plattform und Stimme für die Wasserwirtschaft weiterhin eine wichtige Rolle spielt. Und ich danke ihnen ganz herzlich für ihre Unterstützung unserer Aktivitäten! Damit erkläre ich die heutige Hauptversammlung des SWV als eröffnet».

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


102. ordentlichen Hauptversammlung des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes vom Donnerstag, 5. September 2013 in Interlaken

Begrüssung Der Präsident, Nationalrat Caspar Baader, heisst die anwesenden Mitglieder und Gäste zur 102. ordentlichen Hauptversammlung des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes im Kursaal Interlaken herzlich willkommen. Die Verbandsgruppen des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes sind vertreten durch Hans Bodenmann, Präsident des Verbandes Aare-Rheinwerke (VAR), Michelangelo Giovannini, Präsident des Rheinverbandes (RhV), und Laurent Filippini, Präsident der ATEA. Anwesend sind ebenso die Vorsitzenden der beiden Fachkommissionen im SWV: Andreas Stettler, Vorsitzender Kommission für die Wasserkraft (Hydrosuisse), und Jürg Speerli, Vorsitzender Kommission Hochwasserschutz, Wasserbau und Gewässerpflege (KOHS). Verschiedene Personen, welche an der Versammlung nicht teilnehmen können, haben sich entschuldigt. Auf das Verlesen der Entschuldigungsliste wird verzichtet.

Genehmigung der Traktanden Die Einladung zur Hauptversammlung wurde im Juni 2013 zusammen mit dem Jahresbericht 2012 in der Verbandszeitschrift «Wasser Energie Luft – Eau énergie air», Heft 2/2013, allen Mitgliedern des Verbandes zugestellt. Die Traktandenliste wurde allen Angemeldeten mit der Bestätigung zur Teilnahme versandt: 1. Protokoll der 101. Hauptversammlung vom 6. September 2012 in Melchsee Frutt 2. Jahresbericht 2012 3. Berichte aus den Fachbereichen 4. Rechnung 2012, Bilanz per 31. Dezember 2012, Genehmigung, Entlastung der Organe 5. Mitgliederbeiträge und Budget 2014 6. Ersatzwahlen Vorstand 7. Verschiedene Mitteilungen 8. Festlegen der Hauptversammlung 2014 9. Umfrage Die Traktandenliste und deren Reihenfolge wird ohne Bemerkungen von der Versammlung genehmigt.

Vorbemerkung Alle angemeldeten Mitglieder des Verbandes haben ihre Stimmrechtsausweise zur Versammlung erhalten. Ebenso haben die Mitglieder die Stimmkarten zugestellt bekommen falls bei einer Abstimmung die Stimmen ausgezählt werden müssten. Insgesamt sind 307 Stimmen anwesend, bei einem total von 936 Stimmrechten. Die Versammlung ist unabhängig von der anwesenden Anzahl Stimmen beschlussfähig. Der Einfachheit halber und soweit dies zu keinen Fehlinterpretationen der Meinung der Stimmenden führen kann, werden die Abstimmungen im Einvernehmen mit der Versammlung ohne Auszählung der Stimmabgabe durchgeführt.

Traktandum 1: Protokoll der 101. Hauptversammlung vom 6. September 2012 in Melchsee Frutt Das Protokoll der 101. Hauptversammlung wurde in der Verbandszeitschrift «Wasser Energie Luft – Eau énergie air» im Heft 4/2012 vom 6. Dezember 2012 auf den Seiten 314 bis 320 abgedruckt. Es sind keine schriftlichen Anmerkungen zum Protokoll eingegangen. Das Wort wird auch von der Versammlung nicht verlangt. Die Versammlung genehmigt das Protokoll einstimmig. Traktandum 2: Jahresbericht 2012 Der Jahresbericht 2012 ist im WEL-Heft 2/2013 vom 13. Juni 2013 auf den Seiten 133 bis 153 in deutscher und französischer Sprache veröffentlicht bzw. den Mitglie-

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

dern im Juni 2013 zugestellt worden und ist ebenfalls auf der Webseite zugänglich. Der Präsident verzichtet darauf, den Bericht zu verlesen. Es erfolgen keine Wortmeldungen. Der Jahresbericht wird ohne Bemerkungen in zustimmendem Sinne zur Kenntnis genommen. Traktandum 3: Berichte aus den Fachbereichen Die Tätigkeiten der Geschäftsstelle und der beiden Kommissionen sind im Jahresbericht 2012 zusammengefasst, weshalb vom Geschäftsführer nur einige Hauptaktivitäten der vergangenen Monate 2012/13 in den zwei Bereichen Wasserkraft und Hochwasserschutz/Wasserbau hervorgehoben werden: Wasserkraft Der Bereich Wasserkraft war stark von den laufenden Arbeiten zur neuen Energiestrategie 2050 geprägt, wobei sich der SWV im Rahmen der Vernehmlassung, mit Referaten und Gesprächen sowie durch die Mitarbeit in Arbeitsgruppen und «RoundTables» stark im Prozess engagiert hat. Daneben war die Mitarbeit bei der Revision der StAV bzw. bei der laufenden Aktualisierung der entsprechenden Richtlinien ein Schwerpunkt. Weitere wichtige Aktivitäten beinhalten die mit 150 Teilnehmenden erfolgreiche erste Durchführung der Hydrosuisse-Fachtagung «Bau, Betrieb und Instandhaltung von Wasserkraftwerken» von Ende 2012 in Olten sowie die Erarbeitung und Publikation von bisher fünf Faktenblättern zu verschiedenen Themen der Wasserkraft. Letztere sind wie auch die Stellungnahmen und Positionen auf der Webseite www.swv.ch verfügbar. Hochwasserschutz/Wasserbau Der Bereich Hochwasserschutz/Wasserbau stand in den letzten Monaten ganz 317

102. Hauptversammlung 2013

Protokoll der


102. Hauptversammlung 2013

im Zeichen der zahlreich durchgeführten Veranstaltungen. Zum einen war das die traditionelle und auch 2013 mit 215 Teilnehmenden sehr gut besuchte KOHS-Tagung. Zum anderen betrifft das die letzten Durchführungen der Weiterbildungskurse Hochwasserschutz zum Thema «Gefahrengrundlagen und Hochwasserbewältigung». Mit Letzteren konnten in den Jahren 2011–2013 bei acht Durchführungen insgesamt 173 Teilnehmende spezifisch weitergebildet werden. Anfang 2013 wurden zudem die von der Kommission erarbeitete Empfehlung «Freibord bei Hochwasserschutzprojekten» auf Deutsch und Französisch publiziert sowie zwei neue Arbeitsgruppen zu den Themen «Hochwasserentlastungen an Flüssen» und «Ufererosionen» gebildet. Die Vorsitzenden der beiden Kommissionen Hydrosuisse und KOHS haben keine Ergänzungen. Die Versammlung nimmt in zustimmenden Sinne Kenntnis der Aktivitäten.

den durchgeführten Tagungen und Kursen erwähnenswert. Die Fachzeitschrift WEL trägt über Inserate und Abos ebenfalls rund 5% an die Einnahmen bei und finanziert damit immerhin deutlich mehr als die effektiven Druckkosten. Die Entschädigungen für die Geschäftsführung der Verbandsgruppen Aare-Rheinwerke und Rheinverband mit 4% sowie diverse andere Einnahmen wie z.B. der Verkauf von Verbandsschriften und der Finanzertrag mit 6% komplettieren die Einnahmen.

Traktandum 4: Rechnung 2012, Bilanz per 31. Dezember 2012, Genehmigung, Entlastung der Organe Die Rechnung 2012 und die Bilanz per 31. Dezember 2012 wurden im Jahresbericht 2012 im WEL 2/2013, Anhang 1, veröffentlicht und erläutert. Das Wichtigste wie folgt:

Revision Die Rechnung und die Bilanz wurden von der OBT AG in Brugg am 20. Februar 2013 im Rahmen einer eingeschränkten Kontrolle revidiert und für in Ordnung befunden. Der Revisionsbericht, welcher bei Bedarf auf der Geschäftsstelle eingesehen oder bezogen werden kann, liegt vor. Auf das Vorlesen des Berichts wird verzichtet. Da eine eingeschränkte Revision durchgeführt wurde, liegt kein explizit ausformulierter Antrag der Kontrollstelle auf Annahme der Rechnung vor. Es wird versichert, dass die Revisionsstelle keine Beanstandungen gefunden hat, welche der Abnahme der Rechnung entgegenstehen würden. Insgesamt widerspiegeln die Bilanz und die Erfolgsrechnung eine gesunde Finanzlage des Verbandes und die Revision zeigt die gute Rechnungsführung durch die Geschäftsstelle. Ausschuss und Vorstand des SWV beantragen die Annahme der Rechnung und die Entlastung der verantwortlichen Organe. Die Verbandsrechnung 2012 und die Bilanz per 31. Dezember 2012 werden von der Versammlung ohne Diskussion einstimmig genehmigt und die verantwortlichen Organe entlastet.

Rechnung Bei Einnahmen von CHF 948 556.– und Ausgaben von CHF 896 432.– schliesst die Betriebsrechnung 2012 ohne Verwendung von Rückstellungen oder Reserven mit einem positiven Überschuss von CHF 52 124.– gegenüber dem budgetierten Einnahmeüberschuss von CHF 11 500.– ab. Somit kann wiederum auf ein erfreuliches Geschäftsergebnis zurückgeblickt werden. Die Hauptgründe für den im Vergleich zum Budget 2012 deutlich besseren Abschluss sind deutlich höhere Einnahmen aus dem Mitgliederzuwachs (rund CHF 25 000.–) und gestiegene Deckungsbeiträge aus zahlreicheren Veranstaltungen (rund CHF 60 000.–). Ausgabenseitig liegt alles +/- im Budget, mit Ausnahme der Aufwendungen für die Öffentlichkeitsarbeit, die für 2012 noch gar nicht budgetiert waren. Den Hauptteil der Einnahmen machen mit 77% die Mitgliederbeiträge aus, die wiederum zu 4/5 von Unternehmen mit eigener Wasserkraftproduktion stammen. Mit einem Anteil von rund 8% sind aber auch die Deckungsbeiträge aus 318

Bilanz Die Bilanz per 31. Dezember 2012 zeigt die unveränderten Rückstellungen und Reserven in der Höhe von CHF 1 250 041.– sowie die Erhöhung des aktiven Vereinsvermögens um den Überschuss 2012 auf CHF 311 022.–. Die ausgewiesenen Debitoren sind mit rund CHF 50 000.– auf einem vertretbaren Niveau und betreffen die per Ende Jahr offenen Rechnungen des 4. Quartals.

ohne Beitragserhöhung gedeckt werden können. Voraussetzung ist jedoch die Weiterführung der Arbeiten im bisherigen Rahmen (kein wesentlicher Ausbau der Aufgaben und keine Personalaufstockung). Der Vorstand des Verbandes beantragt die Beibehaltung der Mitgliederbeiträge im bisherigen Umfang für sämtliche Kategorien. Budget 2014 Das Budget zielt auf ein ausgeglichenes Ergebnis und rechnet bei Einnahmen von CHF 821 500.– und Ausgaben von CHF 809 500.– mit einem leichten Einnahmeüberschuss von CHF 12 000.–. Ertragsseitig wird zwar wiederum mit etwas höheren Einnahmen aus leichtem Mitgliederzuwachs gerechnet. Da im 2014 jedoch voraussichtlich deutlich weniger Tagungen und Kurse anfallen (Übergangsjahr für KOHS-Weiterbildungskurse), sind die budgetierten Gesamterträge und auch Gesamtausgaben tiefer als im Vorjahr. Mit unveränderten Mitgliederbeiträgen und dem gestützt darauf unterbreiteten Budget können die voraussichtlichen Tätigkeiten im bisherigen Umfang finanziert werden. Ausschuss und Vorstand beantragen die Annahme des Budgets 2014. Die beantragte Beibehaltung der Mitgliederbeiträge und das Budget 2014 werden von der Versammlung einstimmig genehmigt. Traktandum 6: Ersatzwahlen

Traktandum 5: Mitgliederbeiträge und Budget 2014

Neubesetzung Kommissionen Die Versammlung wird vorweg über die erfolgten Neubesetzungen in den beiden Kommissionen informiert. Diese wurden statutengemäss direkt vom Vorstand vorgenommen und betreffen folgende Änderungen: a) Ersatzwahl KOHS: Rücktritt von Dominique Bérod, BAFU sowie Neuwahl von Theres Bürgi, BAFU; und b) Ersatzwahlen Hydrosuisse: Rücktritt von Jörg Aeberhard (Vorsitz), Alpiq, und Peter Molinari, EKW, sowie Neuwahl von Andreas Stettler (bisher Mitglied, neu Vorsitz), BKW, Beat Imboden, Alpiq, und Felix Vontobel, Repower. Die abtretenden Kommisionsmitglieder wurden im Rahmen der Kommissionen verabschiedet. Ihr Engagement wird nochmals herzlich verdankt und die neuen Kommissionsmitglieder werden herzlich willkommen geheissen.

Mitgliederbeiträge Die aktuellen Beiträge sind seit der Hauptversammlung 2004 gültig. Das Budget zeigt, dass die geplanten Aufwendungen

Ausserordentliche Ersatzwahlen Vorstand Aufgrund von Rücktritten sind für die restliche Periode bis zur HV 2014 ausserordent-

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Traktandum 7: Verschiedene Mitteilungen Der Präsident weist darauf hin, dass das vorrangige Ziel des SWV nach wie vor ist, Dienstleistungen zu erbringen, welche den Mitgliedern Nutzen bringen. Er hebt die wichtigsten Plattformen für die Mitglieder des SWV hervor: • Fach- und Verbandszeitschrift «Wasser Energie Luft» • Webseite www.swv.ch (mit Agenda und diversen Dokumenten wie Positionspapiere, Faktenblätter, Referate, usw.) • E-Mail-Newsletter (mit Mitteilungen und Hinweisen auf Veranstaltungen) • Veranstaltungen und Tagungen (bei denen die Mitglieder in den Genuss von besseren Konditionen kommen). Die Aktivitäten und Veranstaltungen der kommenden Monate sind jeweils in der

102. Hauptversammlung 2013

liche Ersatzwahlen in den Vorstand notwendig, die von der Hauptversammlung vorzunehmen sind. Folgende Rücktritte sind zu vermelden: Jörg Aeberhard, Alpiq AG; Peter Molinari, EKW; Michael Roth, EWZ; Andreas Weidel, SBB und Markus Züst, RR Uri und RKGK. Der Einsatz dieser Vorstandsmitglieder wird ganz herzlich verdankt. Als kleines Zeichen der Anerkennung wird allen das vom Talsperrenkomitee mit Unterstützung des SWV herausgegebene Buch «Dams in Switzerland», ein Bildband zu den rund 200 grossen Talsperren der Schweiz überreicht bzw. zugestellt. Anschliessend werden die beiden anwesenden langjährigen Kommissionsund Vorstandsmitglieder, Jörg Aeberhard und Peter Molinari vom Präsidenten mit einer Dankesrede herzlich verabschiedet. Die Mitglieder haben mit der Einladung zur Hauptversammlung die Vorschläge für eine Neubesetzung erhalten wie folgt: Beat Imboden, Alpiq; Michael Roth, neu: EKW statt EWZ; Martin Roth, EWZ; Thomas Staffelbach, SBB, und Andreas Stettler, BKW. Die RKGK verzichtet auf eigenen Wunsch auf eine weitere Einsitznahme und fühlt sich durch Moritz Steiner, Kanton Wallis, im Vorstand genügend vertreten. Die vorgeschlagenen Kandidaten Beat Imboden, Michael Roth, Martin Roth, Thomas Staffelbach und Andreas Stettler werden von der Versammlung einstimmig in den Vorstand gewählt. Der Präsident heisst die neuen Vertreter im Vorstand willkommen und dankt ihnen und den anderen Mitgliedern des Vorstandes sowie ihren Unternehmungen dafür, dass sie sich bereit erklären, dieses Mandat zu übernehmen auszuüben.

Agenda auf der Webseite aufgeführt. Der Präsident ist überzeugt, dass die Mitglieder weiterhin von den wertvollen Leistungen des SWV profitieren können und zählt auf die breite Unterstützung, auch als Teilnehmer an Veranstaltungen und als Autoren für die Fachzeitschrift. Traktandum 8: Festlegen der Hauptversammlung 2014 Der SWV versucht, durch den Ausführungsort der Hauptversammlung die verschiedenen Regionen des Landes zu berücksichtigen. Verteilt man die Durchführungsorte seit 2000 auf einer Schweizer Karte, fällt auf, dass folgende Regionen schon lange nicht mehr besucht wurden: Oberwallis, Gotthard/Uri, Genf oder auch das Wasserschloss Aargau. Der Vorstand schlägt vor, für die nächste Hauptversammlung des Verbandes wieder einmal der Westschweiz einen Besuch abzustatten, konkret: der Region Montreux, Kanton Waadt. Als Termin wird der 11./12. September 2014 vorgeschlagen, dann wieder begleitet von einer halbtägigen Vortragsveranstaltung und gefolgt von einer Exkursion. Die Versammlung stimmt dem Vorschlag zur Durchführung der nächsten Hauptversammlung am 11./12. September 2014 im Raum Montreux ohne Gegenvorschlag und einstimmig zu. Traktandum 9: Umfrage Es erfolgen keine Wortmeldungen. Danksagung Zum Abschluss der Versammlung dankt der Präsident: • den Kollegen im Vorstand und den Mitgliedern in den Kommissionen für die konstruktive, gute Zusammenarbeit im Interesse des SWV • allen Mitgliedern und Anwesenden für ihre Unterstützung und das Interesse an den Aktivitäten des SWV • der SWV-Geschäftsstelle in Baden, welche das ganze Jahr hindurch die vielfältige Verbands- und Redaktionsarbeit bewältigt. Es sind dies neben dem Geschäftsführer Roger Pfammatter, namentlich: Esther Zumsteg, Verbandssekretariat und Assistentin des GF, Doris Hüsser, Buchhaltung und Abonnenten WEL sowie Manuel Minder von der Redaktion der Fachund Verbandszeitschrift WEL Der Präsident erklärt die 102. ordentliche Hauptversammlung des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes für geschlossen. Protokoll: Esther Zumsteg

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

319


n e n o i s s e r Imp 2013 in SWV-HeVrlaken Int

320

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


321

Bilder: Peter Klopfenstein & Manuel Minder

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Nachrichten Informationen aus der Wasser- und Energiewirtschaft

P ol iti k Politi Energiestrategie 2050: Bundesrat überweist Botschaft Der Bundesrat hat Anfang September 2013 die Botschaft zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 verabschiedet und dem Parlament zur Beratung überwiesen. Ziel ist der etappenweise Umbau der Schweizer Energieversorgung bis 2050, der insbesondere durch die Senkung des Energieverbrauchs und den zeitgerechten und wirtschaftlich tragbaren Ausbau der erneuerbaren Energien erreicht werden soll. Der Bundesrat schlägt dem Parlament die Energiestrategie 2050 als indirekten Gegenvorschlag zur Atomausstiegsinitiative vor. In der Vernehmlassung zur Energiestrategie, die vom 28. September 2012 bis 31. Januar 2013 dauerte, gingen insgesamt 459 Stellungnahmen ein. Die Energiestrategie 2050 insgesamt sowie das etappierte Vorgehen stiessen dabei mehrheitlich auf Zustimmung. Aufgrund der detaillierten Rückmeldungen zur Vernehmlassungsvorlage (vgl. dazu den Ergebnisbericht auf der Webseite des BFE) wurde das Massnahmenpaket in einzelnen Punkten überarbeitet und präsentiert sich nun insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien flexibler und marktorientierter. Ausgangslage Die Schweiz importiert heute rund 80% ihrer Energie. Sie ist damit stark auslandsabhängig und preislich bei Verknappungen verletzlich. Der Energieverbrauch pro Kopf ist hoch. Er liegt heute bei einer kontinuierlichen Leistung von rund 6400 Watt und ist damit weit entfernt vom Ziel einer 2000-Watt-Gesellschaft. Der Anteil fossiler Energie am Energiemix liegt bei rund 66%, was aus klimapolitischer Sicht zu hoch ist. Weiter gilt es, im Strombereich den absehbaren Wegfall der Produktion von Kernkraft zu ersetzen. Ausserdem sind die Stromnetze zu erneuern. Revision von zehn Bundesgesetzen Zur Umsetzung des ersten Massnahmenpakets der Energiestrategie 2050 sind eine 322

Totalrevision des Energiegesetzes sowie Anpassungen in weiteren neun Bundesgesetzen nötig. Mit der Revision des Kernenergiegesetzes (KEG) wird verankert, dass keine Rahmenbewilligungen zum Bau neuer Kernkraftwerke oder zu Änderungen bestehender Kernkraftwerke mehr erteilt werden. Zudem wird das bestehende Moratorium für die Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen im Ausland im KEG neu durch ein Verbot abgelöst. Die sieben Stossrichtungen der Energiestrategie (Details und Massnahmen > siehe Faktenblatt und Botschaft auf der Webseite des BFE) 1. Energie- und Stromverbrauch senken: Der sparsame Umgang mit Energie im Allgemeinen und Strom im Speziellen wird mit verstärkten Effizienzmassnahmen gefördert. Im Energiegesetz werden entsprechende quantitative Ziele festgeschrieben, die bis 2020 und 2035 erreicht werden sollen. 2. Anteil der erneuerbaren Energien erhöhen: Die Stromproduktion aus Wasserkraft sowie aus den neuen erneuerbaren Energien (Sonne, Biomasse, Biogas, Wind, Abfall, Geothermie) wird ausgebaut. Im Energiegesetz werden entsprechende quantitative Ziele festgeschrieben, die bis 2020 und 2035 erreicht werden sollen. Weiter soll die Möglichkeit bestehen, die Nachfrage falls nötig durch den Ausbau der fossilen Stromproduktion aus Wärmekraftkopplungsanlagen (WKK-Anlagen) und Gaskombikraftwerken zu decken und/ oder durch vermehrte Stromimporte. 3. Zugang zu internationalen Energiemärkten sicherstellen: Wichtig zur Sicherstellung der Energieversorgung ist der ungehinderte Zugang zu den internationalen Energiemärkten. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Treibstoffe. Der Stromaustausch mit dem Ausland ist für eine sichere Stromversorgung und den temporären Ausgleich aufgrund von wetter-, tages- und jahreszeitlich bedingten Produktionsschwankungen erforderlich. Deshalb strebt der Bundesrat den gesicherten Marktzugang zum europäischen Strombinnenmarkt mit einem Abkommen

mit der EU an. 4. Um- und Ausbau der elektrischen Netze und Energiespeicherung: Das heutige Übertragungsnetz muss erneuert werden. Der zunehmende Ausbau der neuen erneuerbaren Energien mit wetter-, tagesund jahreszeitlich bedingten Produktionsschwankungen erfordert zudem einen Ausbau der Stromübertragungsnetze und den Umbau der Netze zu Smart Grids. Das Schweizer Netz soll optimal an das europäische Netz angebunden werden. Zudem wächst der Bedarf an Energiespeichern. 5. Energieforschung verstärken: Das Parlament hat bereits im März 2013 den Aktionsplan «Koordinierte Energieforschung Schweiz» verabschiedet, mit dem die Energieforschung gezielt verstärkt wird. 6. Vorbildfunktion des Bundes, der Kantone, der Städte und Gemeinden: Die öffentliche Hand setzt mit energetischen Standards für ihre eigenen Bauten ein gutes Beispiel und deckt ihren Eigenbedarf an Strom und Wärme so weit wie möglich durch erneuerbare Energieträger. Die vom Programm «EnergieSchweiz» vergebenen Labels «Energiestadt» sowie «Energie-Region» spielen hierbei eine wichtige Rolle. 7. Internationale Zusammenarbeit intensivieren: Die Schweiz als bedeutender Forschungs- und Innovationsstandort kann zum Aufbau von Wissen und Technologietransfer im Energiebereich international beitragen und auch davon profitieren. Die Einbindung in internationale Krisenmechanismen stärkt die Versorgungssicherheit unseres Landes. Nach 2020: Übergang von Förder- zu Lenkungssystem Die Energiestrategie 2050 sieht vor, Energie- und Klimapolitik mittelfristig gemeinsam strategisch neu auszurichten. So soll in einer zweiten Etappe der Energiestrategie 2050 das bestehende Fördersystem (Netzzuschlag für die Förderung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien und Teilzweckbindung der CO2Abgabe für das Gebäudesanierungsprogramm) schrittweise durch ein Lenkungssystem abgelöst werden, da die staatliche Förderung der erneuerbaren Energien

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


sowie der Gebäudesanierung langfristig nicht sinnvoll sind. Die Arbeiten des UVEK zur möglichen Ausgestaltung der zweiten Etappe und des Übergangs laufen derzeit und werden mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement, EFD, koordiniert. Sämtliche Unterlagen können auf der Webseite www.energiestrategie2050.ch heruntergeladen werden. (Der Bundesrat/UVEK/BFE; leicht gekürzte Version: Pfa)

Energiestrategie 2050: Anhörung SWV durch UREK-NR Die Kommission für Umwelt, Energie und Raumplanung (UREK) des Nationalrats hat im Oktober 2013 die Beratungen zum ersten Massnahmenpaket des Bundesrates im Rahmen der Energiestrategie 2050 in Angriff genommen und erste Anhörungen durchgeführt. Mit der vom Bundesrat überwiesenen Botschaft zum «1. Massnahmenpaket Energiestrategie 2050» hat das Parlament bzw. die parlamentarischen Kommissionen Ende Oktober 2013 die Beratungen in Angriff genommen. Der Schweizerische Wasserwirtschaftsverband (SWV) hatte Gelegenheit, im Rahmen von Anhörungen der nationalrätlichen Kommission für Umwelt, Energie und Raumplanung (UREKNR) seine Einschätzungen darzulegen. Die wichtigsten Botschaften des SWV können wie folgt zusammengefasst werden:

Bild. Speicher als zentrales Element der Versorgungssicherheit (Foto: Argessa AG). Einschätzung SWV Es besteht weiterhin eine Diskrepanz zwischen dem geäusserten politischen Willen, die Wasserkraft zu stärken und der Bereitschaft, die Bedingungen für die wichtigste einheimische Stromquelle tatsächlich zu verbessern (im Moment geschieht das Gegenteil). Die aktuelle Botschaft verkennt namentlich drei wichtige Fakten zur Wasserkraft:

Über 99% der einheimischen Wasserkraftproduktion stammen von den grossen Anlagen > 1 MW Leistung; die Politik hingegen setzt seit Jahren vor allem auf Klein- und Kleinstanlagen. • Annähernd die Hälfte der Gestehungskosten der Wasserkraftproduktion resultieren aus Abgaben an den Staat; das ist das Gegenteil der Förderung anderer Stromquellen und resultiert in sehr ungleich langen Spiessen und diskriminiert die Wasserkraft. • Die europäische Milliarden-Förderung von Wind und PV führt zusammen mit anderen Faktoren zu Überkapazitäten, Preiszerfall und Verdrängung der Wasserkraft; das gefährdet die Wirtschaftlichkeit und das Anlagevermögen der einheimischen Produktion. Stossrichtung für Korrekturen Soll die Wasserkraft tatsächlich gestärkt statt geschwächt werden, braucht es dringend Korrekturen und weitergehende Massnahmen entlang folgender Stossrichtungen: • Zu bestehender erneuerbarer Produktion aus Wasserkraft Sorge tragen (Vermeidung unnötige Produktionsverluste durch verhältnismässige Sanierungen nach Gewässerschutzgesetz; Einführung «Nationales Interesse» für die Nutzung der Wasserkraft, auch für bestehende Anlagen). • Keine Erhöhung der für die Wasserkraft schädlichen Fördermittel und stattdessen rasches Zurückfahren sowie marktnähere Ausrichtung (möglichst viel Energie bzw. regelbare Leistung pro Förderfranken, Berücksichtigung Nachfragekurve und Ausgleich, Beteiligung am Marktrisiko, Schutz gegenüber Billigstrom aus Europa). • Abbau negativer Anreize für Modernisierungen und Erweiterungen bestehender Wasserkraftanlagen (Moratorium für ständig steigende Abgaben und Anforderungen, Ermöglichen Effizienz-/Leistungssteigerungen ohne Neukonzessionierung, faire Restwertentschädigungen für Investitionen vor Ablauf der Konzession). • Stärkung der (Pump-)Speicherung über Wasserkraft als effizienteste Speichertechnologie (rasche Realisierung «Strategie Stromnetze», Systemverantwortung der stochastischen Produktionstechnologien, Speicherung und Flexibilität müssen wieder einen Wert bekommen). (SWV/Pfa)

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

Bundesrat legt neue Regeln für die Einspeisevergütung fest Photovoltaikanlagen und Kleinwasserkraftwerke, die nach dem 1. Januar 2014 in Betrieb gehen, erhalten die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) nur noch während 20 statt 25 Jahren. Die Vergütungssätze für Photovoltaikanlagen werden weniger stark gekürzt, als in der Anhörung vorgeschlagen, sollen aber künftig regelmässig an die Preisentwicklung der Photovoltaikmodule angepasst werden. Ausserdem werden die Energieetiketten für bestimmte Elektrogeräte den Neuerungen in der EU angepasst. Der Bundesrat setzt die entsprechenden Änderungen der Energieverordnung per 1. Januar 2014 in Kraft. Im Rahmen der Anhörung zur Revision der Energieverordnung (EnV) vom 14. August bis 11. September 2013 gingen insgesamt 181 Stellungnahmen ein. Diese bezogen sich mehrheitlich auf die Vorschläge zu den Änderungen der KEV. Sowohl die vorgeschlagene Senkung der PhotovoltaikVergütungssätze als auch die Abschaffung der Kategorie der integrierten Photovoltaikanlagen stiessen insbesondere in der Solarbranche auf heftige Kritik. Die Anpassungen der Energieetiketten für Elektrogeräte wurden hingegen weitgehend befürwortet. Aufgrund der Ergebnisse der Anhörung wurde der Entwurf der EnV in den letzten Wochen überarbeitet und vom Bundesrat verabschiedet. Die revidierte EnV tritt am 1. Januar 2014 in Kraft. Die wesentlichen Neuerungen sind nachfolgend zusammengefasst: Kürzere KEV-Vergütungsdauer für Photovoltaik und Kleinwasserkraft Die Vergütungsdauer für Photovoltaikanlagen und Kleinwasserkraftwerke, die nach dem 1. Januar 2014 in Betrieb gehen, wird von bisher 25 auf 20 Jahre verkürzt. Aufgrund der Anhörungsergebnisse wurde auf die ursprünglich geplante Verkürzung auf 15 Jahre verzichtet. Die Anhörungsteilnehmenden konnten darlegen, dass eine sofortige Verkürzung um 10 Jahre zu grossen Markterschütterungen führen würde. Mit dem Zwischenschritt auf 20 Jahre können die Marktanpassungen sanfter erfolgen und bis zum Inkrafttreten des ersten Massnahmenpakets der Energiestrategie 2050, das eine maximale Vergütungsdauer von 15 Jahren vorsieht, umgesetzt werden. Für Biomasseanlagen mit Entsorgungsauftrag, die nach dem 1. Januar 2014 in Betrieb gehen, wird die Vergütungsdauer von bisher 20 auf 10 Jahre verkürzt (siehe unten). Für die übrigen Biomasseanlagen ebenso wie für 323


Nachrichten

Windenergieanlagen und Geothermiekraftwerke bleibt die Vergütungsdauer wie bisher bei 20 Jahren. Photovoltaik Bei der Neuberechnung der Vergütungssätze für die Photovoltaik wurde berücksichtigt, dass die Betreiber nach Ablauf der Vergütungsdauer von 20 Jahren die Möglichkeit haben, in der restlichen Betriebszeit der Anlage ihren Stromeigenbedarf aus der eigenen Anlage zu decken und so Strombezugskosten zu sparen. Das Berechnungsmodell für die neuen Vergütungssätze bezieht diesen Effekt für die Zeit zwischen dem 21. und dem 25. Produktionsjahr mit ein. In den neuen Vergütungssätzen ebenfalls berücksichtigt sind die seit der letzten EnV-Revision vom 1. März 2012 stark gesunkenen Preise für Photovoltaikmodule und die tieferen Installationskosten. Weiter waren Anpassungen bei der Berechnung der Unterhaltskosten und des durchschnittlichen Ertrags der Photovoltaik-Referenzanlagen erforderlich. Insgesamt führen diese Effekte dazu, dass die Photovoltaik-Vergütungssätze trotz kürzerer Vergütungsdauer zwar weniger stark als in der Anhörung vorgeschlagen, aber dennoch leicht gesenkt werden. Die bisherige automatische jährliche Absenkung der Vergütungssätze um 8% entfällt. Die Photovoltaik-Vergütungssätze werden jedoch per 1. Januar 2015 neu berechnet und den Marktentwicklungen angepasst. Kleinwasserkraft Kleinwasserkraftwerke werden neu in zwei Kategorien eingeteilt: (1) Anlagen an natürlichen Gewässern und (2) Anlagen mit geringen ökologischen Auswirkungen (Dotierkraftwerke, Trinkwasserkraftwerke usw.). Für die Anlagen der Kategorie 1 werden die kleinsten Leistungsklassen aufgehoben, sodass die unterste Leistungsklasse neu alle Anlagen bis 300 kW umfasst. Dadurch verringert sich der Anreiz zum Bau von Kleinstkraftwerken an natürlichen Gewässern. Projektfortschrittsmeldungen müssen neu bereits nach zwei statt erst nach vier Jahren erfolgen. So fallen Projekte, die bis dann nicht auf dem Weg zur Realisierung sind, aus dem KEVSystem und blockieren neu angemeldete Projekte nicht unnötig lange. Windenergie Wie bei der Kleinwasserkraft, muss auch bei Windenergieanlagen, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung benötigen, die Projektfortschrittsmeldung neu bereits nach zwei statt erst nach vier Jahren erfolgen. Eingeführt wird ausserdem ein Höhenbonus für Anlagen auf über 1700 Me324

tern über Meer. Damit werden die höheren Wartungskosten (Vereisung, Turbulenzen) und die geringere Stromproduktion (geringere Luftdichte) abgegolten. Die höheren Erschliessungskosten für Strasse und Netz werden durch den Höhenbonus allerdings nicht abgedeckt. Der Höhenbonus soll Anreiz bieten, Anlagen an alpinen Standorten – allerdings nur mit den besten Windverhältnissen – zu erstellen. Solche Standorte werden dank ihrer grossen Distanz zu bewohnten Gebieten meist gut akzeptiert. Biomasse Die Vergütungsdauer für Biomasseanlagen mit Entsorgungsauftrag (Kehrichtverbrennungsanlagen, Schlammverbrennungsanlagen, Abwasserreinigungsanlagen, Klärgas- und Deponiegasanlagen) wird von 20 auf 10 Jahre gekürzt. Die Vergütungssätze bleiben unverändert. Diese Anlagen sollen künftig nicht mehr im bisherigen Umfang vom KEV-System profitieren, sondern ihre langfristige Wirtschaftlichkeit über verursachergerechte Entsorgungsgebühren sicherstellen. (Der Bundesrat/UVEK/BFE)

Komplexe Vorschriften, Verfahren sowie zahlreiche Einsprachen verzögern Projekte zur Stromproduktion aus erneuerbaren Energien Oft verzögert sich der Bau von Kraftwerken und Anlagen zur Stromproduktion aus erneuerbaren Energien. In Erfüllung der Motion 09.3726 und des Postulats 11.3419 hat der Bundesrat im September 2013 einen Bericht gutgeheissen, der die Hauptgründe für diese Verzögerungen aufzeigt. Mit dem im September 2013 vom Bundesrat genehmigten Bericht «Verzögerungen von Projekten zur Stromproduktion aus erneuerbaren Energien» (Bundesamt für Energie, August 2013) werden die Motion «Erneuerbare Energien. Beschleunigung der Bewilligungsverfahren» der UREK-N (09.3726) sowie das Postulat «Inventar über verhinderte Kraftwerkprojekte für Strom aus erneuerbarer Energie» der Fraktion der BDP (11.3419) erfüllt. Der Bericht bietet eine aktuelle Momentaufnahme zu den derzeit blockierten Kraftwerksprojekten. Dazu wurde im Januar 2013 eine Umfrage bei den Projektanten durchgeführt, die ihre Projekte trotz eines positiven KEV-Bescheids (KEV = Kostendeckende Einspeisevergütung) bis Ende 2012 noch nicht realisiert hatten. Die Umfrage richtete sich an 1223 Projekte, davon konnten für 570 Projekte vollständige In-

terviews realisiert werden. Der Bericht zeigt auf, dass komplexe Vorschriften, Verfahren sowie zahlreiche Einsprachen die Hauptgründe für diese Verzögerungen sind. Zur Beschleunigung des Zubaus von Kraftwerken und Anlagen zur Stromproduktion aus erneuerbaren Energien können aus Sicht der befragten Projektanten folgende Faktoren beitragen: 1. Möglichst einheitliche, einfache, nachvollziehbare und klare Regeln sowie die Koordination und die Konzentration der Bewilligungsverfahren durch die Kantone. Ideal wäre eine einzige Ansprechstelle (Leitbehörde) für das gesamte Verfahren, die dieses aktiv und speditiv abwickelt. 2. Personelle Engpässe bei kantonalen Fachstellen aufgrund der stark gestiegenen Anzahl der Gesuche sind zu beseitigen. Zudem müssen sich die zuständigen Behörden die notwendigen Fachkompetenzen für neue Technologien möglichst rasch aneignen. 3. Die Qualität der Projekteingaben muss seitens der Projektanten verbessert werden. Dazu beitragen können klare Regeln und eine einzige, unterstützende Ansprechstelle. 4. Um die Zahl von Einsprachen oder Beschwerden zu verringern, sollten die Kantone konzentrierte Entscheidungsverfahren einführen. Auf Stufe Bund können entsprechende Gesetzesänderungen sowie Präzisierungen und die Erarbeitung von Mustervorschriften und Qualitätsstandards dazu beitragen. Diese Massnahmen sind Bestandteil des ersten Massnahmenpaketes der Energiestrategie 2050 (siehe Botschaft zur Energiestrategie 2050 vom 4. September 2013). Der Bericht kann auf der Webseite des BFE unter www.bfe.admin.ch heruntergeladen werden.(Der Bundesrat/UVEK)

Was s e r kr ei s lauf/ Was s e r wi r ts c haf t 15. Rheinministerkonferenz: «Rhein als Lebensader erhalten» Die Ministerinnen und Minister der RheinAnrainerstaaten haben anlässlich der 15. Rheinministerkonferenz am 28. Oktober 2013 in Basel beschlossen, bis 2020 die Durchgängigkeit für den Lachs zu verbessern, eine Anpassungsstrategie für den Klimawandel zu erarbeiten und die Anstrengungen gegen Mikroverunreinigungen zu verstärken. Bundesrätin

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Bild. Die neun Teileinzugsgebiete des Rheins (Quelle: ISKR). Die Ministerinnen und Minister der Anrainerstaaten zogen an der 15. Rheinministerkonferenz Bilanz über die bisherigen Aktivitäten zum Schutz des Rheins und legten die Eckpunkte der künftigen Tätigkeiten fest. Sie verhandelten in Basel über eine gemeinsame Deklaration und hielten fest, dass sich die Wasserqualität und die ökologische Situation des Rheins im letzten Jahrzehnt klar verbessert hat. Mikroverunreinigungen, Lachsaufstieg, Hochwasserschutz und Klimawandel In der Ministerdeklaration stellten sie aber ebenfalls fest, dass weitere Aufgaben anstehen. Als Herausforderungen für die Zukunft benennen die Ministerinnen und Minister folgende Themen: • Mikroverunreinigungen sowie punktuelle Schadstoffbelastungen: Zusätzliche Massnahmen zur Vermei-

dung und Verringerung von Mikroverunreinigungen auf nationaler und internationaler Ebene sind notwendig. Da viele Massnahmen die Verantwortlichkeiten der IKSR bzw., die Ebene des Rheineinzugsgebiets überschreiten, verpflichten sich die Ministerinnen und Minister sowie der Vertreter der Europäischen Union, die Initiative zu ergreifen und Aktivitäten zu entwickeln, die auf Vermeidung und Verminderung von Einträgen von Mikroverunreinigungen abzielen. • Biodiversität erhalten und verbessern, Durchgängigkeit erhöhen: Ziel ist, dass bis 2020 der Atlantische Lachs nach Basel zurückkehrt. Zu diesem Zweck sollen die bestehenden Hindernisse beseitigt und die ökologische Situation des Rheins verbessert werden. Zudem wollen die Ministerinnen und Minister bis 2020, 800 Kilometer Uferlinie ökologisch aufwerten, um die Artenvielfalt im Uferbereich des Rheins deutlich zu fördern. • Hochwasserrisikomanagement optimieren: Seit dem letzten grossen Rheinhochwasser 1995 haben die Staaten im Rheineinzugsgebiet gut 10 Milliarden Euro in die Hochwasservorsorge, den Hochwasserschutz und die Hochwassersensibilisierung investiert, um das Hochwasserrisiko zu mindern und damit den Schutz von Menschen und Sachwerten zu erhöhen. Da aufgrund des Klimawandels häufiger Extremereignisse zu erwarten sind, müssen jedoch mehr Rückhalteräume geschaffen werden. Angesichts der katastrophalen Hochwasserereignisse im Mai/Juni 2013 im Donau- und Elbeeinzugsgebiet wird für das Rheineinzugsgebiet erneut deutlich, dass die Anstrengungen in den Staaten zur Reduzierung des Hochwasserrisikos nicht nachlassen dürfen. • Auswirkungen des Klimawandels: Die Ministerinnen und Minister beauftragen die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR), bis 2014 eine Anpassungsstrategie an den Klimawandel für das Rheineinzugsgebiet auszuarbeiten, begleitet von Vorschlägen für Anpassungsmassnahmen. Den Niedrigwasserereignissen, insbesondere im Sommer verbunden mit hohen Wassertemperaturen, ist zudem mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) Die IKSR umfasst alle Anrainerstaaten

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

des Rheins und strebt einen ganzheitlichen Gewässerschutz an. Ziel ist eine gute Wasserqualität für Pflanzen und Tiere und die Trinkwassergewinnung sowie die Wiederherstellung des gesamten Ökosystems Rhein als Rückgrat und Lebensraum für Wanderfische und heimische Tier- und Pflanzenarten. Berücksichtigt wird dabei auch die wichtige wirtschaftliche Funktion des Rheins. Die Schweiz spielt in der IKSR eine aktive Rolle. Sie hat den Masterplan Wanderfische ausgearbeitet und zeigt mit der Strategie Mikroverunreinigungen für Siedlungs- und Industrieabwässer, wie das Problem angegangen werden kann. Zudem treibt sie den Hochwasserschutz voran. (UVEK/BAFU)

Was s e r kr af tnut zung Lintthal 2015: Die neue Gewichtsstaumauer Muttsee entsteht Mit der Erstellung der Gewichtsstaumauer am Muttsee für das Pumpspeicherwerk Limmern entsteht in den Sommermonaten 2011 bis 2014 zum ersten Mal seit 30 Jahren wieder eine neue Staumauer in der Schweiz.

Bild 1. Transportbahn hoch über dem Limmernsee (Foto: SWV/Pfa, 2012). Auf knapp 2500 Metern über Meer befindet sich zurzeit eine der höchstgelegenen Grossbaustellen Europas. Hier entsteht die ungefähr einen Kilometer lange neue Staumauer, die den Seespiegel des Muttsees auf 2474 Meter über Meer anheben und somit einen Nutzinhalt von knapp 25 Millionen Kubikmetern Wasser generieren wird. Ab Herbst 2011 sowie in den Som325

Nachrichten

Doris Leuthard betonte die Bedeutung des Rheins als Lebensader Europas und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu seinem Schutz. Der Rhein entspringt in der Schweiz und fliesst durch sechs Staaten. Er ist eine der Lebensadern Europas und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. «Europa ohne Rhein ist unvorstellbar. Sein Stellenwert verpflichtet uns zu einer Politik des Handelns, diesund jenseits unserer nationalen Grenzen», sagte Bundesrätin Doris Leuthard in ihrer Eröffnungsrede als Vertreterin des Gastgeberlandes Schweiz anlässlich der Rheinministerkonferenz am 28. Oktober 2013 in Basel. Die erfolgreiche Arbeit der Vergangenheit müsse in die Zukunft fortgeführt werden, «auf dass die Lebensader Rhein auch künftigen Generationen erhalten bleibt», betonte Leuthard.


Nachrichten

mermonaten 2012 ist hier der erste Teil der Staumauer hochgezogen worden. Ebenfalls in den Sommermonaten 2013 und 2014 entstehen nun der zweite beziehungsweise der dritte Teil der Mauer.

Bild 2. Die neu entstehende Mauer vor dem Wintereinbruch (Foto: SWV/Pfa, 2012). Etappenweiser Aufbau Mächtige Blöcke erheben sich vor der Bergkulisse und dem Muttsee wie überdimensionierte Zinnen. Rote und gelbe Kräne ergänzen das Bild. Übrigens befindet sich der grösste Teil der Bauinstallationen wasserseitig, also auf der hinteren Seite der Mauer, zum künftigen See hin. Nach Abschluss der Bauphase kommen diese unter den Wasserspiegel des Muttsees zu liegen: Bau- und Installationsplätze werden rückgebaut und Zufahrtsstrassen und -pisten werden vom Wasser überdeckt. Abgesehen von der Staumauer

wird davon in der Landschaft nichts mehr sichtbar sein. Die Staumauer wird nicht in einem Stück hochgezogen, sondern in einzelne, riesige Blöcke mit einer Länge von fünfzehn Metern unterteilt. 68 solcher Blöcke sind für die ganze Mauer zu errichten. Der Bau erfolgt nach einem genauen Schema, dem sogenannten Pilgerschrittverfahren. Dabei wird jeder zweite Block bis zu seiner abschliessenden Höhe betoniert (Vorläufer). Anschliessend werden die Blöcke dazwischen erstellt (Nachläufer). So kann der Beton besser auskühlen, und die bereits erstellten Teilstücke dienen als Schalung links und rechts von den danach einzupassenden Blöcken. Aufwendige Vorarbeiten Das Fundament für die einzelnen Blöcke kommt direkt auf den Fels zu stehen. Die gesamten Vorbereitungsarbeiten sind ziemlich aufwendig: Das Fundament für jeden Block wird aus dem Fels gesprengt, und die Felsoberfläche muss entsprechend der geologischen Gegebenheiten modelliert werden. Dies geschieht mit Bagger und Abbauhammer. Anschliessend wird die Oberfläche grob gereinigt und vom Helikopter aus mit einem Scan gerastert, kartiert und fotografiert. Zusammen mit den Absteckungen im Gelände bildet diese Kartierung die Grundlage, anhand derer die Geologen Störungen und Klüfte in der Felsoberfläche definieren können, um gemeinsam mit der Bauleitung zu entscheiden, wie die Oberfläche für das Fundament nachzubearbeiten ist. Grössere Unebenheiten und Störzonen müssen unter Umständen vorgängig mit einem feinen Beton, dem Dental-Concrete, verfüllt und sorgfältig vibriert werden. Zum Schluss wird die Oberfläche nochmals mit Wasserhoch-

Bild 3. Pilgerschrittverfahren beim Bau der Mauer (Quelle: Axpo, Foto: Daniel Boschung, 2013). 326

druck und Druckluft von sämtlichen losen Teilen gereinigt. Nun ist sie bereit für die Betonage. Dafür werden die Schalungen an den Fels angepasst. Sobald die Erdungen verlegt, allfällige Temperaturfühler montiert und die Schalungen kontrolliert sind, erfolgt die Betonierfreigabe durch die Bauleitung. Betonierablauf Die erste Schicht von etwa zehn Zentimetern Dicke wird mit Kontaktbeton gegossen, dessen Mischung besonders fein ist, weil damit die Felsunebenheiten ausgeglichen werden. Über diese Schicht kommt dann der eigentliche Mauerbeton, auch Vorsatzbeton genannt. Der Staumauerbeton besteht aus einer Mischung von Kies, Zement, Flugasche und Wasser. Beim Vorsatzbeton ist der Kies gröber als beim Kontaktbeton. Dieser Kies ist Ausbruchmaterial, das zum Beispiel aus dem Kavernenausbruch stammt. So wird der ausgebrochene Fels gleich wieder vor Ort in die Staumauer verbaut. Die Eigenschaften des Vorsatzbetons lassen ein Befahren des Frischbetons mit Raupenfahrzeugen zu, ohne dass diese einsinken. Weil er so dicht ist, lässt er sich nur schwer verteilen, und der Aufwand, um von Hand zu vibrieren, ist hoch. Diese Arbeiten werden mit kleinen Baggern ausgeführt. Nach dem Verteilen des Betons in der Schalung wird die Masse vibriert. Das verdichtet den Beton und lässt Lufteinschlüsse entweichen. Weil Vorsatzbeton so dicht und «klebrig» ist, müssen Randzonen und Einbauteile wie Thermofühler, Dichtbänder, Schalungsabstützungen usw. von Hand umschüttet und vibriert werden. So wächst die Mauer Block um Block. Die Abschlussarbeiten an der Staumauer sollten voraussichtlich 2015 erfolgen. Zum ersten Mal voll aufgestaut wird der Seee frühestens 2016. (Aus: Newsletter «Lintthal 2015» der LinthLimmern Kraftwerke AG/Pfa)

Einreichung des Konzessionsgesuchs für ein neues Kraftwerk am Grimsel Die KWO reicht das Konzessionsgesuch für ein Kraftwerk zwischen dem Grimselund dem Räterichsbodensee (Grimsel 1E) ein. Die Anlage besitzt eine Leistung von 150 Megawatt. Sie wird eine effizientere Seebewirtschaftung ermöglichen und zusätzliche Energie erzeugen. Die gegenwärtigen Verwerfungen am Strommarkt haben Auswirkungen auf das laufende Investitionsprogramm der Kraftwerke Oberhasli AG (KWO). Statt des bereits konzessionierten 660-MW-Pump-

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Bild. Stausee Räterichsboden (Foto: SWV/Pfa, 2013) Die neue Anlage beseitigt einen Engpass im KWO-Kraftwerkssystem. Zwischen den beiden genannten Stauseen existiert heute nur das vergleichsweise kleine Kraftwerk Grimsel 1, und dieses soll nun mit einer zusätzlichen, stärkeren Anlage ergänzt werden. Die vorgesehene Maschinenleistung von 150 Megawatt dient sowohl der Stromproduktion wie auch der Energiespeicherung. Mit diesem zusätzlichen Element im Netz der elf KWO-Kraftwerke und acht Speicherseen kann das Wasser wesentlich flexibler genutzt werden. Dank besserer Wirkungsgrade entsteht auch ein Effizienzgewinn von bis zu 30 GWh pro Jahr. Das Investitionsvolumen beläuft sich auf 155 Mio. Franken. Das neue Kraftwerk befindet sich vollständig im Berginnern und kann an die bereits bestehenden Infrastrukturen wie Seen, Zugangsstollen und Energietransportleitungen angeschlossen werden. Die Auswirkungen auf die Umwelt sind minimal und beschränken sich auf das Deponieren von Ausbruchsmaterial in Baustellennähe. Nach einer Genehmigung des Konzessions- und anschliessenden Baugesuchs könnte die KWO den Realisierungsentscheid Mitte 2015 fällen. Der Bau würde dann voraussichtlich vier Jahre dauern. Die zu den KWO-Projekten geführte Begleitgruppe des Kantons Bern wurde über das Konzessionsgesuch informiert. (KWO)

Beginn der Bauarbeiten Wasserkraftwerk Mühleberg Nachdem das Bewilligungsverfahren zur Ausführung der Instandhaltungsarbeiten am Wasserkraftwerk Mühleberg (WKW) abgeschlossen ist, hat die BKW Energie AG die Arbeiten aufgenommen. Diese dienen der zusätzlichen Erhöhung der Sicherheit sowohl der Stauanlage als auch des Kernkraftwerks Mühleberg. Am 4. Juli 2012 hatte die BKW beim kantonalen Amt für Wasser und Abfall (AWA) das Baugesuch für die Instandhaltungsarbeiten an der Stauanlage Mühleberg eingereicht. Daraufhin hatte das AWA am 29. April 2013 der BKW mit dem Gesamtbauentscheid die entsprechende Baubewilligung erteilt. Gegen diesen Entscheid wurde in der Folge beim Bundesverwaltungsgericht von mehreren Privatpersonen eine Beschwerde eingereicht, auf die das Gericht mit Entscheid vom 16. August 2013 aber nicht eingetreten ist. Damit ist der Entscheid nun rechtskräftig und die BKW verfügt über eine gültige Baubewilligung.

Bild. Wasserkraftwerk Mühleberg (Quelle: BKW). Die Instandhaltungsarbeiten umfassen die Verstärkung des Untergrunds unterhalb der Stauanlage durch 18 Meter lange Bohrpfähle mit Stahlrohren. Die BKW will damit die Sicherheit der Stauanlage Mühleberg über die gesetzlichen Anforderungen hinaus weiter erhöhen, obwohl die Standfestigkeit des Bauwerks bereits heute den gegenwärtigen Erdbebengefährdungsannahmen gemäss gültiger Richtlinie für Stauanlagen entspricht. Die Arbeiten werden rund sieben Monate dauern. (BKW)

Wasserkraftwerk Aarau: Erneuerung Konzession und Anlagen Mit der Konzessions- und Kraftwerkserneuerung liefert die IBAarau einen wichtigen Beitrag zur Erneuerung und Steigerung der regionalen, erneuerbaren Stromproduktion für die nächsten Jahr-

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

zehnte, aber auch zur Aufwertung des Aareraums zwischen Schönenwerd und Aarau für die Natur und die Besucher. Nach 121 Jahren Betrieb, anfänglich durch das EWA und später die IBAarau Kraftwerk AG, beantragt das Unternehmen die Konzession ab 1. Januar 2015 für weitere 68 Jahre.

Bild. Fotomontage modernisiertes Kraftwerk (Quelle: IBA). Am 31. Dezember 2014 läuft die Wasserkraftkonzession der IBAarau Kraftwerk AG zur Nutzung der Wasserkraft an der Aare zwischen Schönenwerd und Aarau aus. Mit Grundsatzentscheiden der Regierungen der Kantone Solothurn und Aargau vom 16./24. Februar 1999 gemäss Art. 58a WRG wurde der IBAarau Kraftwerk AG die Erneuerung der Wasserkraftkonzession zugesichert. Optimierung Vorentwürfe Am 31. März 2010 hat die IBAarau Kraftwerk AG bei den zuständigen Amtsstellen der Kantone Aargau und Solothurn nach Variantenstudium und umfangreichen Abklärungen den Vorentwurf für die Gesuchserneuerung eingereicht. Im Zuge zahlreicher Besprechungen im interkantonalen Begleitteam sowie mit den mit der Vorprüfung betrauten Ämtern und Fachstellen, aber auch mit externen Fachleuten und im Kreise einer über 50-köpfigen Begleitgruppe, wurde der Vorentwurf entsprechend den Rückmeldungen bezüglich Umwelt-, Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen weiter optimiert. Am 22.Oktober 2012 reichte die IBAarau Kraftwerk AG das überarbeitete Gesuch zur Vorprüfung durch die kantonalen Umweltschutzfachstellen ein. Diese eröffneten am 13. März 2013 die vorläufige Beurteilung, welche grundsätzlich positiv ausfiel. Die noch offenen Punkte konnten am 13. Juni 2013 im Kreis des interkantonalen Begleitteams unter Anwesenheit der Fachstellenvertretenden allesamt bereinigt werden. Das heutige Projekt Das heute vorliegende Projekt enthält den Umbau der Kraftwerkszentrale 2 auf die neuste und effizienteste Turbinentechnologie, aber auch zahlreiche weitere tech327

Nachrichten

speicherwerks Grimsel 3 soll zunächst das Kraftwerk Grimsel 1E zwischen dem Grimsel- und dem Räterichsbodensee realisiert werden. Die beiden Vorhaben sind voneinander unabhängig, ergänzen sich aber hinsichtlich ihres Nutzens.


Nachrichten

nische und wasserbauliche Anpassungen im Kraftwerkskanal, damit die jährliche Energieproduktion des Laufwasserkraftwerks in Zukunft von 108 auf 126 Millionen Kilowattstunden gesteigert werden kann. Mittels Hochwasserentlastungsschützen beim Kraftwerk und weiteren Schutzmassnahmen im Aarauer Schachen wird die Hochwassersicherheit von Aarau deutlich erhöht. Zahlreiche Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen Auch im Bereich der Umwelt und Natur sind zahlreiche Optimierungsmassnahmen geplant. Mit dem Wegzug des Netzbaus von der Kraftwerksinsel kann das rund 15 000 m2 grosse Areal neu für zwei Weiher und einen Wasser- und Erlebnisspielplatz genutzt werden. Der Fischaufstieg beim Kraftwerk wird durch zwei neue Fischpässe am rechten und linken Ufer verbessert. Im Schönenwerder Schachen wird ein neues Gewässer im Wald gebaut, welches sowohl für die Fischwanderung vom Altlauf in die Aare oberhalb des Wehrs aber auch als Lebensraum für Fische, Amphibien und zahlreiche weitere Kleinlebewesen dienen soll. Kosten Die Kosten für die Umbauarbeiten bis 2020 liegen bei 115 Mio CHF. In einer späteren Phase im Jahr 2035 werden die vier Turbinen der Kraftwerkszentrale 1 noch ausgetauscht. Der zweite Umbauschritt wird auf 28 Mio CHF veranschlagt. Eckwerte Erneuerung Kraftwerk Aarau/Aarekonzession per 1. Januar 2015 gemäss Gesuch 1. Beibehaltung des heutigen Anlagenkonzepts «Kanalkraftwerk» 2. Ausbauwassermenge 400 m3/s 3. Geringfügige Erhöhung des Stauziels 4. Kompletterneuerung Zentrale 2 und Errichtung einer neuen Dotierzentrale 5. Erhöhung der Stromproduktion bis 2036 um 17% auf 126 GWh/a 6. Reichhaltige ökologische Aufwertungs- und Ersatzmassnahmen 7. Erhöhung der Restwasserdotation des alten Aarelaufs um 50% gegenüber 2010 8. Verbesserung der Hochwassersicherheit von Wehr und Kraftwerk und Abstimmung auf Gefahrenkarte sowie Massnahmen der Kantone Solothurn und Aargau 9. Renaturierung Areal Netzbau auf der Mittelinsel 10. Optimiertes Angebot für Freizeitnutzung im Bereich Mittelinsel mit Kinderspielplatz und Bistro

328

Gemäss Verfahrensplan und in Absprache mit den zuständigen Amtsstellen erfolgten die Publikation des Konzessionsgesuchs, gemäss Art. 60, Abs. 2 WRG, sowie die öffentliche Auflage des Projektes am 23. Oktober 2013. (IBAarau)

Konzessionserneuerung Wasserkraftwerk Schattenhalb 1

Bild. Das Kraftwerk Schattenhalb 1 (EWR). Die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern hat dem Gesuch der EWR Energie AG um die Neukonzessionierung des Wasserkraftwerks Schattenhalb 1 in der Gemeinde Schattenhalb zugestimmt. Durch die Totalsanierung des Wasserkraftwerks kann die Produktion um rund 30% gesteigert werden. Somit wird Schattenhalb 1 weiterhin einen wichtigen Beitrag für eine CO2-neutrale, erneuerbare und einheimische Stromproduktion leisten. Im Herbst 2016 läuft nach einer über 100-jährigen Betriebsdauer die Konzession für das Wasserkraftwerk Schattenhalb 1 aus. Nach der Totalsanierung wird das modernisierte Werk mit Wasserfassung beim Fallbecken unterhalb des grossen Reichbachfalls und der Zentrale auf dem Betriebsgelände der EWR in Schattenhalb rund 6.5 Mio. Kilowattstunden pro Jahr produzieren. Dies entspricht dem jährlichen Bedarf von rund 1300 Haushalten. Bis 2014 wird nun das Baugesuch ausgearbeitet und bei den zuständigen Behörden eingereicht. Wird dieses positiv beurteilt, kann die Anlage nach rund zweijähriger Bauzeit im Frühling 2017 in Betrieb genommen werden. Die Gesamtinvestitionen für die Totalsanierung betragen rund 10 Mio. CHF. (EWR)

H o c hwas s e r s c hut z/ Was s e r bau Limmatauen Werdhölzli: Verbindung von Hochwasserschutz, Ökologie und attraktiver Flusslandschaft Der Kanton Zürich hat die Bauarbeiten an der Limmat zwischen dem Stauwehr Zürich-Höngg und der Autobahnbrücke bei Oberengstringen termingerecht abgeschlossen. Die Limmatauen Werdhölzli sind ein Vorzeigeprojekt für die Verbindung von Hochwasserschutz, Ökologie und attraktiver Flusslandschaft sowie für die Zusammenarbeit der öffentlichen Hand mit Projektpartnern. Die Gesamtkosten betragen 9.4 Millionen Franken. Zwischen Höngg und Oberengstringen hat der Kanton Zürich den Hochwasserschutz erheblich verbessert. Davon profitieren in der Stadt Zürich die Grünau, das SikaAreal und das Klärwerk Werdhölzli sowie die Gemeinde Oberengstringen. Gleichzeitig hat der Kanton Zürich den 1.8 Kilometer langen Limmatabschnitt renaturiert. Die alten, stark verbauten Uferböschungen sind Flachufern gewichen. Lokale Ufersicherungen mit Steinblöcken und Raubäumen bieten neue Lebensräume für Fische. Der alte Hochwasserdamm wurde im unteren Projektabschnitt vor der Autobahnbrücke bis acht Meter landeinwärts verlegt. Das verbreiterte Flussbett mit aufgeschütteten Kiesbänken bildet eine naturnahe Flusslandschaft, die sich durch Hochwasser laufend verändert. Dadurch entsteht ein auentypischer Lebensraum für Vögel, Fledermäuse, Amphibien, Fische und Pflanzen. Ein 320 Meter langer Erlebnissteg durch den Auenwald ermöglicht das Beobachten von Pflanzen und Tieren, die den Besuchern auf spielerische Art näher gebracht werden.

Bild. Lokale Ufersicherung mit Blöcken (Foto: zvg). «Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Ene E ne r g iiewi ewi r ts t s c haf t Der Weltenergierat ruft zu Realitätssinn auf und zeichnet den Weg zu nachhaltiger Energiezukunft Der Weltenergierat (World Energy Council, WEC) hat zu Beginn des 22. Weltenergiekongresses von Mitte Oktober 2013 in Daegu, Korea, zu mehr Realitätssinn in der Energiediskussion aufgerufen. Das aktuelle Umfeld sei weitaus herausfordernder, als bisher angenommen. Dem entgegen stünden zahlreiche Mythen, die den Blick auf die notwendigen Massnahmen für eine nachhaltige Energiezukunft verstellten. Der WEC fordert deshalb rasch einen kohärenten und langfristig angelegten Rahmen sowie Leadership, um Investitionen in eine erschwingliche, allen zugängliche und umweltverträgliche Energieversorgung zu gewährleisten. Die Mythen, die es gemäss WEC zu korrigieren gilt: 1. Die globale Energienachfrage flacht ab. 2. Peak Oil oder: die Erwartung einer imminenten Knappheit bei den fossilen Energieträgern. 3. Das Nachfragewachstum kann vollständig durch neue und saubere Energieträger gedeckt werden.

4. Die globalen Treibhausgasemissionen können bis 2050 um 50% gesenkt werden. 5. Die aktuellen Businessmodelle und Märkte bewähren sich. 6. Die aktuellen Programme führen zu einem universellen Zugang zu Energie innert 10 bis 15 Jahren. 7. Kapital ist global gesehen günstig und ausreichend. Wenn Versorgungssicherheit, Zugang zu Energie und eine umweltverträgliche Versorgung erreicht werden sollen, müssen dringend Massnahmen getroffen werden, um das Energiesystem weiter zu entwickeln und zu wandeln. Der WEC identifiziert dazu die folgenden Handlungsfelder: 1. Der Fokus muss sich vom Angebot weg hin zur Nachfrageeffizienz richten. 2. Damit die notwendigen Investitionen getätigt werden, müssen die nationalen Politiken und rechtlichen Rahmenbedingungen ausgewogen sein. Risiken müssen verstanden und Wege gefunden werden, um Risiken zu bepreisen. 3. Es braucht bedeutende Investitionen in Forschung und Entwicklung, insbesondere bei den Stromspeichertechnologien. 4. Die Energielandkarte verändert sich; ihr Schwerpunkt liegt heute ausserhalb der OECD. Die Energieinstitutionen müssen die verschiedenen Anliegen (aus gesellschaftlicher Natur) einbeziehen und reflektieren. 5. Politiken, ein institutioneller Rahmen und finanzielle Mittel sind dringend nötig, um die Risiken unternehmerischer Initiativen zu verringern und diese zu unterstützen. 6. Die Verwundbarkeit der Energieinfrastruktur muss stärker in den Vordergrund rücken. Ihre Widerstandsfähigkeit ist angesichts neuer Herausforderungen neu zu überdenken und zu definieren. Weitere Informationen finden sich auf der Webseite des WEC: www.worldenergy. org. (Energieforum Schweiz/Pfa)

Ergebnisse einer Studie zum Thema: «Schweizer Stromwirtschaft: Durch falsche Anreize ins Abseits?» EVU investieren dort, wo die Investitionssicherheit gegeben und wo der Widerstand aus der Gesellschaft gering ist. Im Bereich Energieeffizienz planen die meisten EVU, ihre Aktivitäten zu erhöhen, allerdings sind diese nur für wenige ein Geschäft. Weiter liegt mit Blick auf die

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

Marktliberalisierung ein starker Fokus auf der Optimierung der betrieblichen Abläufe und Kostenstrukturen. Diese Erkenntnisse resultieren aus der zweiten Standortbestimmung zur Schweizer Stromwirtschaft, die The Boston Consulting Group und der VSE zusammen erstellt haben. Viele Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) planen, ihre Produktion mit erneuerbaren Energien weiter auszubauen. Ein wichtiger Grund hierfür ist die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV), die eine Wirtschaftlichkeitsgarantie für entsprechende Projekte darstellt. Die momentane Auslegung der KEV verhindert, dass vorhandene Mittel in die effizienteste Form der Energieerzeugung investiert werden. Die Studie «Schweizer Stromwirtschaft: Durch falsche Anreize ins Abseits?» weist aus, dass zurzeit jene Projekte priorisiert werden, die den geringsten öffentlichen Widerstand erfahren. Insbesondere kleinere Photovoltaikanlagen werden in grosser Zahl realisiert. Gleichzeitig werden Investitionen in Wind- und Wasserkraft eher vernachlässigt beziehungsweise im Ausland realisiert. Dies, weil der Widerstand aus der Bevölkerung vielfach zu Blockaden führt. Die Studie zeigt aber auch, dass sich die Wahrscheinlichkeit der Projektrealisierung um rund 50% erhöhen lässt, wenn EVU frühzeitig aktiv auf die lokalen Interessengruppen zugehen. Nach der Teilliberalisierung des Strommarktes 2009 wechselten nur wenige Grosskunden ihren Stromanbieter. Dies änderte sich letztes Jahr, als ein Wechsel in den freien Markt für Grosskunden wegen den tiefen Energiepreisen interessant wurde. Heute rechnen 86% der EVU mit einer drastischen Verstärkung des Wettbewerbs. Gemäss Studie erwarten die meisten Unternehmen, dass sich der Wettbewerb weiter verschärfen wird, und sehen sich deshalb gezwungen, ihre betrieblichen Abläufe und Kosten weiter zu optimieren. 63% planen demnach Kostensparmassnahmen, und 66% wollen durch Kooperationen innerhalb ihrer Wertschöpfungsstufe einzelne Funktionen industrialisieren. 88% der Studienteilnehmer geben an, im Bereich Energieeffizienz bereits aktiv zu sein, oder haben die Absicht, Aktivitäten aufzunehmen. Als Hauptgründe wurden, wie bereits im vergangenen Jahr, Kundenbindung und Imagepflege genannt. Nur eine Minderheit der EVU sieht im Thema Energieeffizienz ein eigentliches Geschäft. Meist fehlen hierfür die Geschäftsmodelle. Am erfolgversprechends329

Nachrichten

Schonende Aufwertung des Naherholungsgebietes Der beliebte Limmatabschnitt wurde auch für die Bevölkerung schonend aufgewertet. Durch den besseren Zugang zum Fluss bietet das Gebiet noch mehr Erholungsqualität. Zudem wurde der Fischerweg für den Fussgänger- und Veloverkehr verbreitert. Für die Besucher der Limmatauen hat die Stadt Zürich Orientierungs- und Informationstafeln angebracht, die Hintergrundinformationen über die Flora und Fauna bieten. Vorbildliches Gemeinschaftswerk Die Realisierung der Limmatauen Werdhölzli hatte im September 2012 begonnen und konnte nach knapp einem Jahr Bauzeit termingerecht und unter Einhaltung des Budgetrahmens beendet werden. Die Limmatauen Werdhölzli sind Bestandteil des kantonalen Massnahmenplans Wasser und des Landschaftsentwicklungskonzepts Limmatraum Stadt Zürich. An den Gesamtkosten von 9.4 Millionen Franken beteiligten sich die Stadt Zürich, der naturemade star-Fonds von ewz, der WWF in Kooperation mit der Zürcher Kantonalbank sowie der Bund. Informationen: www.auenpark.zh.ch (Baudirektion Kanton Zürich)


Nachrichten

ten werden dabei Geschäftsmodelle mit grösserer Wertschöpfungstiefe (wie z.B. Energie-Contracting) angesehen. Aus der Studie resultieren drei Handlungsempfehlungen für EVU: 1. Die betriebliche Effizienz im Kerngeschäft weiter verbessern und weniger differenzierende Funktionen industrialisieren, beispielsweise mittels Kooperationen. 2. Beim Zubau von erneuerbaren Energien die (lokalen) Interessengruppen frühzeitig in die Planung mit einbeziehen, um die Realisierungswahrscheinlichkeit zu erhöhen. 3. Energieeffizienz-Geschäftsmodelle mit grösserer Wertschöpfungstiefe prüfen und entsprechende Kompetenzen und Fähigkeiten aufbauen. Die Politik ist gefordert, eine Gesamtbetrachtung zu behalten und nicht planwirtschaftlich jedes Detail zu regeln. Klare Rahmenbedingungen mit Marktlösungen müssen das Ziel sein. An der repräsentativen Umfrage, die der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) in Zusammenarbeit mit der internationalen Managementberatung The Boston Consulting Group (BCG) durchgeführt hat, haben insgesamt 94 EVU aus allen Wertschöpfungsstufen und Regionen teilgenommen. (VSE)

Rüc kbl ic k Ve r anstaltunge n

Bild 1. Montage der Rotorblätter und Nabe (Foto: CKW).

Bild 2. Fertiggestelltes Windkraftwerk (Foto: CKW). Das grösste Windkraftwerk der Zentralschweiz ist am Netz Im Entlebuch hat die Centralschweizerische Kraftwerke AG (CKW) Ende August 2013 den Bau des grössten Windkraftwerks der Zentralschweiz abgeschlossen und im September in Betrieb genommen. Seit Ende September produziert das Windkraftwerk erstmals Naturstrom und speist ihn ins Stromnetz ein. Das Kraftwerk auf der Anhöhe Lutersarni (Entlebuch) kann mit seiner Leistung von 2300 Kilowatt rund 600 durchschnittliche Haushalte mit Strom versorgen. Die grosse Strommenge muss von der abgelegenen Anhöhe aus in das regionale Stromnetz eingebracht werden – und dies ohne das Netz zu überlasten. Deshalb baute die CKW für CHF 300 000.– vor Ort eine neue Trafostation. «Nach dem anspruchsvollen Bau mussten wir nun noch die Produktionsstätte mit dem bestehenden Netz und der neuen Trafostation zusammenschliessen», erklärt Peter Suter, Leiter Neue Energien, die Abschlussarbeiten.

330

Stillstand bei Vogelzug Zur Erfüllung der ökologischen Auflagen wird die CKW während der nächsten Monate die Zufahrtsstrasse begrünen, den Lebensraum der Fledermäuse mit Kompensationsmassnahmen aufwerten und die Anlage während des herbstlichen Vogelzuges und in den für Fledermäuse heiklen Zeiten abstellen. Das Windkraftwerk ist mit seinen 120 Metern etwa gleich hoch wie das höchste Gebäude der Schweiz, der PrimeTower in Zürich. Im Mai 2013 erfolgte der Spatenstich. Die aufwendigen Schwerlasttransporte der bis zu 40 Meter langen und 60 Tonnen schweren Anlageteile erfolgten im August und wurden auf ihrem Weg ins Entlebuch von vielen schaulustigen Einheimischen begleitet. Ebenso stiess der Aufbau des Windrads im August 2013 auf reges Interesse der Bevölkerung. (CKW)

Symposium AGAW/SWV vom 4.–6. September 2013, Interlaken: Unsichere energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Wasserkraft im Alpenraum Im Turnus von zwei Jahren veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft Alpine Wasserkraft (AGAW) Symposien, um die Bedeutung der Wasserkraft für eine stabile Stromversorgung zu dokumentieren. Dieses Jahr wurde das Symposium gemeinsam mit dem Schweizerischen Wasserwirtschaftsverband (SWV) vom 4.–6. September 2013 in Interlaken durchgeführt und stiess mit rund 220 Teilnehmenden auf grosse Resonanz. Autor: Lutz Fleischer Verstärkt durch das deutsche «Erneuerbare-Energien-Gesetz», die allgemeinen europäischen Anstrengungen zur CO2freien Stromerzeugung und die Ereignisse in Fukushima, wächst die Einspeisung aus Wind- und Solaranlagen in rasantem Tempo. Dies stellt die für eine sichere Stromversorgung verantwortlichen Unternehmen vor eine grosse Aufgabe, da die Einspeisung aus Wind- und Solaranlagen naturbedingt ungleichmässig und nicht planbar erfolgt. Die früher «heile Welt» – Grundlastkraftwerke, Mittellastkraftwerke und Spitzenlastkraftwerke arbeiten nach Einsatzplänen und folgen dem im Tagesverlauf von den Kunden erzeugten Bedarf – gibt es nicht mehr. Unsichere Rahmenbedingungen Die Referenten aus der Schweiz, aus Deutschland, Österreich und dem Südtirol widmeten sich den neuen und noch unsicheren energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Wasserkraft. Das Spektrum der Vorträge reichte von der Darstellung vorhandener Potenziale und Ausbaumöglichkeiten von Speicherund Pumpspeicherkraftwerken bis hin zu der zentralen Frage, wie ein wirtschaftlicher Einsatz der Speicher- und Pumpspeicheranlagen bei dem massiven Angebot subventionierter Strommengen aus Wind- und Solaranlagen erreicht werden kann. Immer wieder ist es bereits zu Tageszeiten, in denen früher die Speicheranlagen Strom als Spitzenlast rentabel liefern konnten, zu «negativen» Strompreisen gekommen, da der Überschuss aus Wind- und Solaranlagen ansonsten nicht mehr auf dem europäischen Strommarkt absetzbar war.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Nachrichten Bild. Panorama des Einzugsgebietes der KWO (Foto: KWO). Neue Marktmodelle als Wunderlösung? Die Problematik wurde vom Key-NoteSprecher des Symposiums, Urs Meister vom Think-Tank Avenir Suisse, in seinem Vortrag «Entwicklung neuer Marktmodelle und Auswirkungen auf die Wasserkraft» klar aufgezeigt. Dem scheinbar günstigen Umfeld für die Wasserkraft (20-20-20-Ziele zur Reduktion des CO2-Ausstosses, CO2Emissionshandel, ambitionierte Klimaziele, Ausstieg aus der Atomkraft) stehen andere Realitäten gegenüber: drastisch sinkende Preise am EEX-Terminmarkt und der Preiszerfall bei Emissionszertifikaten. Daraus ergeben sich zwangsläufig sinkende Ertragsmöglichkeiten und Investitionsanreize bei konventionellen Kraftwerken. Zudem ist eine Verschärfung des «Missing Money Problem» zu beobachten, da die Subventionierung der «Neuen Erneuerbaren» die Auslastung der Spitzenlastkraftwerke zusätzlich senkt. Zwar gäbe es nach Urs Meister Möglichkeiten zur «künstlichen» Stimulierung von Investitionsanreizen. So zum Beispiel die Ausdehnung der Einspeisevergütung auf konventionelle Kraftwerke und den Regelleistungsmarkt (sog. operative Reserve) oder auch die Einführung von Kapazitätsmechanismen wie Abgeltung/ Handel mit Kapazitäten als Komplement zu Energiemarkt. Allerdings drohen damit noch vielfältigere Verzerrungen des Marktes, was insgesamt eher eine Gefahr für die Wasserkraft darstellen könnte. PSW: Gewinner oder Verlierer? In der ersten Session befassten sich die Referenten Roger Kohlmann, BDEW, Stefan Muster, VSE und Barbara Schmidt, Österreichs E-Wirtschaft, mit der Rolle, Bedeutung und notwendigen Netzinfrastruktur der Pumpspeicherkraftwerke. Kohlmann versuchte zu klären, ob PSW Gewinner oder Verlierer seien und kam zum Fazit: «Wird der Status-Quo fortgeschrieben, dann sind die PSW die Verlierer

der Energiewende, obwohl der technische Bedarf an Flexibilitätsoptionen mit wechselndem Anteil ‹erneuerbarer Energien› steigt». Aber: «PSW können/müssen zum Gewinner werden. Es sind neue Mechanismen im Strommarkt zu etablieren, die Anreize zur Erhöhung der Flexibilitätspotenziale auf der Angebots- und Nachfrageseite sowie im Bereich der Speicherung von elektrischem Strom liefern. Für eine marktgetriebene Etablierung von Energiespeichern müssen politische und regulatorische Rahmenbedingungen stimmen». Wachsende Flexibilitätsanforderungen Eine grundsätzlich höhere Auslastung der Pumpspeicherkraftwerke erwartet Stefan Muster vom VSE durch den zu erwartenden künftigen Energiemix in der Schweiz und in Europa. Allerdings nicht unbedingt als Lieferant von Spitzenenergie, sondern vielmehr als Flexibilitätsangebot bei den schwankenden Einspeisungen der Erneuerbaren (mit entsprechend höherer mechanischer Belastung der Anlagen). Seine wesentlichen Erkenntnisse fasste er zusammen: «Ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien bedingt einen intensiven Stromaustausch mit und in Europa. Die Schweiz verfügt mit dem bestehenden Kraftwerkspark, namentlich der Speicherwasserkraft, über eine hervorragende Grundlage, zukünftig wachsende Flexibilitätsanforderungen zu meistern. Je nach gewähltem Szenario werden sich Kraftwerkseinsatz und Zusammenspiel der Kraftwerke deutlich verändern.» Notwendiger Netzausbau Von einer notwendigen Symbiose von Pumpspeicherkraftwerken und Netzinfrastruktur sprach Barbara Schmidt von der Österreichischen E-Wirtschaft. Sie unterstrich die Bedeutung des Netzausbaus zur Ergänzung des Speicherausbaus und dessen Beiträge zur Netz- und Systemstabilisierung: «Pumpspeicherwerke sind ideale Erbringer von Regelleistung mit

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

sehr hoher Verfügbarkeit, Leistungsänderungsgeschwindigkeit und Flexibilität (positive und negative Regelleistung) des Regelleistungsangebots. Ebenso zentral sind die bedarfsgerechte und flexible Bereitstellung von Blindleistung zur Steuerung des Spannungsniveaus sowie für den Netzwiederaufbau nach Blackout mit Schwarzstartfähigkeit.» Gefährdete Wirtschaftlichkeit In den weiteren Sessionen strichen die Referenten immer wieder die gefährdete Wirtschaftlichkeit der Wasserkraft heraus, so auch Andres Stettler, BKW Energie AG, Johann Sachmann, E.ON Wasserkraft GmbH, Nikolaus Sauer, EnBW, Dieter Theiner, SE HYDRPOWER GmbH und SEL AG und Gianni Biasutti, Kraftwerke Oberhasli AG. Marktzyklen und Subventionen sowie Systemdienstleistungen (SDL) im Spannungsfeld von Netzstabiltät, Wirtschaftlichkeit und Technik. Auch deshalb ist es wichtig, der Wasserkraft in Europa eine stärkere Stimme zu geben. Otto Pirker vom VERBUND stellte dazu das kürzlich von der EURELECTRIC veröffentlichtes Thesenpapier «Hydropower for a sustainable Europe» vor, das mit sechs Faktenblätter die Bedeutung und Rolle der Wasserkraft für die europäische Energieversorgung darlegt. Aktuelle Tendenzen der Forschung Den Abschluss der Tagung machten die Wasserbauinstitute der technischen Hochschulen und Universitäten der deutschsprachigen Alpenländer mit ihren Berichten zu aktuellen Tendenzen der Forschung. In Interlaken referierten namentlich die Professoren Markus Aufleger, Uni Innsbruck, Robert Boes, ETH Zürich, Anton Schleiss, ETH Lausanne, Peter Rutschmann, TU München, und Gerald Zenz, TU Graz, zu aktuellen Themen und Tendenzen der Wasserkraft in Mitteleuropa. 331


Nachrichten

Exkursion zu den Kraftwerken Oberhasli Den Abschluss des Symposiums bildete eine Exkursion zu den Kraftwerken Oberhasli AG am Grimselpass. Neben der Kraftwerksbesichtigung wurde über verschiedene Vorhaben berichtet, namentlich: der laufende Ausbau der Zentralen Innertkirchen und Handeck, das geplante, aber aktuell zurückgestellte Pumpspeicherkraftwerk Grimsel 3, die geplante Erhöhung der Staumauer Spitallamm/Seeuferegg, das Projekt zur Nutzung des neu entstehenden Sees am Triftgletscher sowie die zahlreichen ökologischen Ausgleichs- und Sanierungsmassnahmen. Ausreichend Raum für Fach- wie Freundschaftsgespräche boten die beiden Abendveranstaltungen – am Vorabend im Höhenrestaurant Harder-Kulm und am zweiten Abend im historischen Theatersaal des Kurhauses von Interlaken. Eine rundum gelungene Veranstaltung. Die Referate stehen als pdf-Files auf der Webseite des SWV www.swv.ch/Symposium-AGAW-2013 zur Verfügung. (AGAW, L. Fleischer/gekürzte Fassung: SWV/Pfa)

Ve r anstaltunge n

Vorankündigung KOHS-Tagung 2014 Swiss competences in river engineering and restoration Freitag, 5. September 2014, ETH Lausanne

Die jährlich von der Kommission «Hochwasserschutz, Wasserbau und Gewässerpflege» (KOHS) des SWV organisierte Tagung wird 2014 als spezielle Session im Rahmen der Internationalen Konferenz «River Flow 2014» in Lausanne durchgeführt. 332

Zielpublikum, Inhalt Angesprochen werden wie üblich insbesondere Wasserbauer und weitere mit Revitalisierungen beschäftigte Fachleute aus der Privatwirtschaft und der Verwaltung. Den Schweizer Teilnehmern sowie dem Internationalen Publikum werden laufende Projekte und Entwicklungen zum Thema «Schweizerische Kompetenzen in Flussbau und Gewässerrevitalisierung» vorgestellt. Programm Die Tagung wird wie üblich drei Sessionen mit je vier Vorträgen haben (ab 10:40 bis 18:10 Uhr). Das detaillierte Programm ist bei der KOHS in Erarbeitung und wird ca. im März 2014 publiziert. Sprache, Tagungsband Die Vorträge werden ausnahmsweise in Englisch gehalten und in einem Tagungsband «Swiss competences in river engineering and restoration» publiziert. Es ist keine Simultanübersetzung vorgesehen. Rahmenprogramm Die Teilnehmer der KOHS-Tagung haben auch die Gelegenheit, am 5. September 2014 an einem Nachtessen auf einem Schiff auf dem Genfersee sowie am 6. September 2014 an einer Exkursion ins Wallis teilzunehmen. Die Tagung wird auch von einer technischen Ausstellung begleitet, an der verschiedene Firmen ihre Dienstleistungen und Produkte vorstellen. Weitere Informationen: riverflow2014.epfl.ch. Die Anmeldung zur Sondersession KOHSTagung vom 5. September erfolgt wie üblich über den Schweizerischen Wasserwirtschaftsverband (SWV) und wird ca. im März 2014 auf der Webseite www.swv.ch/ KOHS-Tagung-2014 publiziert.

Annonce Symposium CIPC 2014 Swiss competences in river engineering and restoration Vendredi, 5 Septembre 2014, EPF Lausanne Le symposium traditionnel organisé par la Commission pour la protection contre les crues (CIPC) de l’ASAE aura lieu le 5 septembre 2014 comme session spéciale dans le cadre de la conférence internationale «River Flow 2014» à Lausanne. Publique cible, Contenu Le symposium est destiné comme d’habitude aux ingénieurs et aux spécialistes des aménagement et revitalisation des cours d’eau. Aux participants suisses, ainsi qu’au public international, seront présentés des projets actuels et des développements concernant le thème

«Compétences suisses en aménagement et revitalisation des cours d’eau». Programme Le symposium CIPC a pour habitude trois sessions avec 4 présentations (de 10 h 40 à 18 h 10). Le programme détaillé est en élaboration et sera publié en mars 2014. Langue, Publication Exceptionnellement, les conférences seront données en anglais et publiées dans le livre «Swiss competences in river engineering and restoration» qui sera offert à tous les parti-cipants. La traduction simultanée n’est pas prévue Programme cadre Les participants du symposium ont la possibilité de participer à la croisière sur le Lac Léman avec un repas le vendredi soir 5 septembre 2014 et de prendre place à une excursion technique en Valais le samedi 6 septembre 2014. Le symposium est accompagné par une expo-sition technique où différentes entreprises exposeront leurs services et produits. Plus d’information: riverflow2014.epfl.ch. L’inscription pour le symposium CIPC du 5 septembre 2014 se fait comme d’habitude par l’Association suisse pour l’aménagement des eaux (ASAE) et sera publié en mars 2014 sur le site web: www. swv.ch/KOHS-Tagung-2014

Age nda Burgdorf, 5.12.2013 3. Burgdorfer Wasserbautag 2013: Niedrigwasser (D) Berner Fachhochschule, Reihe Bau und Wissen. Weitere Informationen unter folgendem Link: www.bauundwissen.ch Rapperswil, 9.–11.1.2014 Hydro-Weiterbildungskurs: Stahlwasserbau – Abschlussorgane, Druckleitungen, Rechenreinigung (D) Fachhochschulen in Zusammenarbeit mit dem SWV. Informationen und Anmeldung: www.weiterbildung-hydro.ch Zürich, 5.6.2014 Forum im Rahmen Powertage 2014: Erzeugungsmix der Zukunft (D) Strombranche mit Forumspatronat des SWV. Weitere Informationen unter folgendem Link: www.powertage.ch Chamonix, 12./13.6.2014 Fachtagung Talsperrenkomitee 2014: Messverfahren und Überwachung bei Pumpspeicheranlagen (f/d)

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Kappel a.A., 19./20.6.2014 KOHS-Weiterbildungskurs 4. Serie: Revitalisierung von kleinen und mittleren Gewässern Kommission Hochwasserschutz KOHS des SWV. Erster Kurs der neuen Serie. Weitere Informationen: www.swv.ch Zürich, 25.–27.6.2014 Internationales Wasserbau-Symposium VAW: Wasser- und Flussbau im Alpenraum (D) VAW, ETH Zürich, mit Unterstützung SWV. Weitere Informationen unter folgendem Link: www.vaw.ethz.ch/symposium14 Lausanne, 5.9.2014 KOHS-Tagung als Sondersession an River Flow 2014: Swiss competences in river engineering and restoration (E) Kommission Hochwasserschutz (KOHS) des SWV, im Rahmen der Konferenz River Flow. Ankündigung/Annonce: www.swv.ch

L ite i te r atur Neue Seen als Folge des Gletscherschwundes im Hochgebirge/Formation de nouveaux lacs suite au recul des glaciers en haute montagne

ungen, teilweise farbig, CHF 54.–. ISBN 978-3-7281-3533-9. Auch als E-Book (Open Access) erhältlich: vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich. www.vdf.ethz.ch. Weltweit schwinden die Gletscher rasant und auch die Alpen dürften ihre Gletscher in den kommenden Jahrzehnten weitgehend verlieren. In den eisfreien Gebieten bilden sich dabei zahlreiche neue Seen. Der Forschungsbericht zum Projekt NELAK behandelt in einem integrativ-multidisziplinären Ansatz Fragen nach dem optimalen Umgang mit diesen neuen Elementen der Landschaft und des Wasserkreislaufs. In engem Kontakt mit Behörden und Wirtschaft wurden Grundlagen zu relevanten Aspekten der Naturgefahren, der Wasserkraft, des Tourismus und des Rechts erarbeitet sowie an Fallbeispielen diskutiert. Der vorliegende Bericht enthält eine erste systematische Wissensbasis sowie Empfehlungen für die dringend notwendige Planung: Was kommt auf uns zu, was können wir tun und wie gehen wir am besten vor? Les glaciers déclinent à toute vitesse dans le monde entier; les Alpes ne sont pas épargnées et devraient perdre la plupart de leurs glaciers au cours des prochaines décennies, entraînant la formation de nombreux nouveaux lacs. Le projet NELAK vise à optimiser la gestion des nouveaux éléments du paysage et du cycle hydrologique par le biais d’une approche multidisciplinaire et intégrée. Le contact étroit avec les autorités et les milieux économiques a permis d’élaborer les bases des aspects importants concernant les dangers naturels, l’énergie hydraulique, le tourisme et le droit; ils sont illustrés à partir d’études de cas. Ce rapport contient une première base de connaissances systématiques ainsi que des recommandations pour la planification des mesures les plus urgentes: ce qui nous attend, ce que nous pouvons faire et comment le réaliser au mieux? (vdf) Hinweis der Redaktion: ein zusammenfassender Fachbeitrag zum Thema wurde bereits im WEL 2/2012 unter dem Titel «Gletscherschwund und neue Seen in den Schweizer Alpen» publiziert. Dieser kann auf der Webseite www.swv.ch eingesehen oder das entsprechende Heft auch nachbestellt werden.

Wilfried Haeberli et al. (Hrsg.) Forschungsbericht, Nationales Forschungsprogramm «Nachhaltige Wassernutzung» (NFP 61), 2013, 308 Seiten, Format 17 × 24 cm, broschiert, zahlreiche Abbild«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

Nachhaltigkeitsbezogene Typologisierung der schweizerischen Wasserkraftanlagen

Nachrichten

Schweiz. Talsperrenkomitee (STK). Weitere Informationen folgen unter folgendem Link: www.swissdams.ch

Markus Balmer, GIS-basierte Clusteranalyse und Anwendung in einem Erfahrungskurvenmodell, 1. Auflage 2013, 220 Seiten, Format 21 × 29.7 cm, broschiert, zahlreiche Abbildungen, z.T. farbig, CHF 86.–/EUR 75.–, (D). ISBN 978-3-7281-3543-8, auch als EBook (Open Access) erhältlich: vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich www.vdf.ethz.ch Gibt es typische Gruppen von Wasserkraftwerken oder ist jede Wasserkraftanlage einzigartig? Im Zusammenhang mit interdisziplinären Fragestellungen im Themenbereich der Wasserkraft tritt diese Frage in der Praxis, der Politik und der Forschung immer wieder auf. Und in dieser einfachen Frage gründet die Idee der vorliegenden Arbeit. Es zeigt sich, dass für den wichtigsten heimischen Primärenergieträger die Faktoren Technologie, Standort und Zeit eine wichtige Rolle spielen. In Zukunft wird die Wasserkraft vermehrt in Bezug auf Wirtschaftlichkeit, ökologische Qualität, volkswirtschaftliche Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit analysiert und bewertet werden. Treiber dahinter sind die bevorstehende Strommarktliberalisierung, die Energiestrategie 2050 des Bundes, die gesellschaftliche Debatte um die Nachhaltigkeit von Elektrizitätserzeugungstechnologien im Allgemeinen und konkrete politische Anliegen in der Schweiz. Dabei werden einerseits Vergleiche von Wasserkraftanlagen untereinander und andererseits Vergleiche von Wasserkraft mit anderen Elektrizitätserzeugungstechnologien im Zentrum der Debatten stehen. 333


Nachrichten

Das Buch stellt ein GIS-Modell namens HYDROGIS für die schweizerischen Wasserkraftanlagen als Grundlage dieser und zukünftiger Arbeiten vor. Die Resultate der deskriptiven Beschreibung der schweizerischen Wasserkraftanlagen vom Einzugsgebiet bis zur Wasserrückgabe sind detailliert wiedergegeben. Es werden typische Gruppen von Wasserkraftanlagen identifiziert, die in Bezug auf wirtschaftliche, technische, ökologische und gesellschaftliche Variablen ähnlich sind. Dies unter Einbezug von räumlichen Gegebenheiten des jeweiligen Standortes. Abschliessend wird anhand der Historie der schweizerischen Wasserkraftanlagen eine Schätzung von Erfahrungskurven für die Wasserkraft gemacht und das klassische Erfahrungskurvenmodell zu einem hybriden Modell weiterentwickelt. Zielpublikum: Entscheidungsträger in Wirtschaft, Politik und Energiefragen, Betreiber von Wasserkraftwerken, Umweltverbände usw. (vdf)

Sicherheitsniveau für Naturgefahren – Empfehlung der PLANAT

soll darauf aufbauend die für ihn spezifischen Bedürfnisse im Detail entwickeln. Die vorliegende Empfehlung richtet sich an sämtliche Akteure, welche strategische Vorgaben zum integralen Risikomanagement umsetzen. Sie kann in Deutsch, Französisch oder Italienisch auf der Webseite www.planat.ch als pdf-File heruntergeladen werden. (PLANAT)

Das neue Linthwerk – Weitblick hat Zukunft

Herausgeber: Linthverwaltung, Publikation: November 2013, Umfang: 104 Seiten, CHF 38.–, ISBN: 978-3-033-04248-3. Bestellung: www.linthwerk.ch. Auf 104 Seiten werden das einzigartige Wasserbauwerk und das Geschehen vor, während und nach der Sanierung umfassend erläutert, mit spannenden Texten und zahlreichen grossformatigen Bildern. Im Buch integriert: DVD «Eschers Zeitreise zum Linthwerk» – ein dokumentarischer Film mit philosophischem Hintergrund zum Thema «Weitblick hat Zukunft». (Linthverwaltung)

Nationale Beobachtung Oberflächengewässerqualität – Konzept Fliessgewässer

Autor und Herausgeber: Nationale Plattform für Naturgefahren PLANAT, Publikation: August 2013, 15 Seiten/Format A4. Die Nationale Plattform für Naturgefahren (PLANAT) hat sich in mehreren Etappen mit dem angestrebten Sicherheitsniveau auseinandergesetzt und verschiedene Berichte verfasst. Dabei zeigte sich, dass die Begriffe Sicherheitsniveau und Schutzziel sehr unterschiedlich ausgelegt werden. Eine einheitliche Definition ist für ein gemeinsames Verständnis unabdingbar. Mit dem Dokument Sicherheitsniveau für Naturgefahren liegt erstmals eine Empfehlung der PLANAT vor. Jeder Fachbereich 334

Ausgabejahr: 2013, Seiten: 72, Nummer: UW-1327-D, Herausgeber: Bundesamt für Umwelt BAFU, Reihe: Umwelt-Wissen, Bezug: www.bafu.admin.ch/publikationen. Das BAFU und die Kantone haben mit der Nationalen Beobachtung Oberflächengewässerqualität, NAWA, gemeinsam ein Messprogramm geschaffen, um den Zustand und die Entwicklung der Schweizer Oberflächengewässer auf nationaler Ebene dokumentieren und beurteilen zu können. NAWA umfasst ein Basismessnetz zur langfristigen Dauerbeobachtung (TREND) sowie problembezogene Spezialbeobachtungen (SPEZ). Der vorliegende Bericht beschreibt das Konzept und die Ziele von NAWA sowie das Messprogramm von NAWA TREND, in dem ab 2011 an rund 100 Messstellen chemisch-physikalische und biologische Erhebungen durchgeführt werden. (BAFU)

Die Themen der deutschen «Wasserwirtschaft» 11/2013 • Zur Rolle der Raumordnung beim Hochwasserschutz und Hochwasserrisikomanagement Hans-Jürgen Seimetz • Zur Zieldiskussion des Hochwasserrisikomanagements im Einzugsgebiet des Rheins André Weidenhaupt, Anne SchulteWülwer-Leidig • Beteiligung der Städte und Gemeinden an der Hochwasserrisikomanagement-Planung in Bayern Gabriele Merz und Marc Daniel Heintz • Leitfaden «Kommunales Hochwasserrisikomanagement als Teil der Umsetzung der HWRM-RL in Thüringen» Manuela Gretzschel und Hans-Georg Spanknebel • Umsetzungsinstrumente der HWRMRL in Baden-Württemberg am Beispiel der Dreisam Jürgen Reich, Klaus Dapp • Instrumente und Initiativen zur Umsetzung der Hochwasserkrisenmanagement-Richtlinie Uwe Müller • Hochwasserkrisenmanagement als Teil von Hochwasserschutzkonzepten – Praktische Erfahrungen aus Pilotprojekten Christian Brauner • Fortbildung «Hochwasserrisikomanagement und hochwasserangepasstes Planen und Bauen» in RheinlandPfalz und Luxemburg – Erfahrungen Martin Cassel, Robert Jüpner

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Hochwassergefahrenkarten – Was bleibt zu tun? Stefan Wallisch Zwischen EU-Erfordernissen und praktischem Nutzen – HWRM-Planung in Nordrhein-Westfalen Lisa Friedeheim, Peter Heiland Management des Hochwasserrisikos von Kulturgütern in Baden-Württemberg Michael Hascher

Die Themen der ÖWAW 5–8/2013 • Spurenstoffe in der aquatischen Umwelteinleitung Kreuzinger, N., Kroiss, H. • Belastung österreichischer Gewässer mit Spurenstoffen und Vergleich unterschiedlicher Eintragspfade Clara, M., Windhofer, G. • Regulatorische Massnahmen zur Reduktion von anthropogenen Spurenstoffen Rauchbüchl, A., Wimmer, M. • Ableitung von Qualitätsnormen für die chemische Qualität von Oberflächengewässern und Grundwasser Bursch, W., Clara, M., Grillitsch, B. • Anthropogene Spurenstoffe – Ableitung von gesundheitlichen Orientierungswerten durch den Einsatz von Biotestverfahren Grummt, T. • Anthropogene Spurenstoffe in der aquatischen Umwelt – Positionspapier des ÖWAV-Ausschusses «Spurenstoffe» • Hochwasserrückhaltebecken Pletschgraben Weitbacher, J. • Hochwasserschutz Antiesen – Rückhaltebecken Hof Wölfle, H., Schaufler, R., Riegler, G., Mayr, A. • Hochwasserrückhalteanlagen im Südburgenland Wagner, J. • Sanierung und Adaptierung des Hochwasserschutzdammes Bad Radkersburg Kratzer, K. • Überwachung und Kontrolle von Hochwasserrückhaltebecken Hornich, R. • Betrieb von Hochwasserrückehalteanlagen. Praxisbericht aus St. Veit/ Glan in Kärnten, April 2013 Eibensteiner, E. • Neue Entwicklungen bei Überströmstrecken von Dämmen Schüll, M., Tschernutter, P.

• •

Erfahrungen beim Probestau des Rückhaltebeckens Hof Mader, J., Kibler, T. EU-Konzessionsrichtlinie Casati, C. Hochwasserschutz Machland-Nord – Bewährungsprobe im Hochwasser Juni 2013 Schwingshandl, A., Liehr. C., Heidrich, R. Pilotprojekt Hochwasserrisikomanagementplan Graz-Andritz Fordinal, I., Jöbstl, C., Schwingshandl, A., Hammer, A., Hornich, R., Krajnz, H., Neuhold, C., Wiener, R.

Nachrichten

I ndustriemit ndustr ie mit teilung tei lung ALSTOM-Service in Wasserkraftwerken – Teilerneuerung und Austausch von Komponenten Auch bei regelmässiger Wartung erreichen verschiedene Bauteile der elektromechanischen Ausrüstungen in Wasserkraftwerken nach einer entsprechenden Betriebszeit das Ende ihrer Lebensdauer. Dazu gehören beispielsweise Bauteile wie die hochbeanspruchten Pol/Rotorkranzklauen, die aufgrund der zyklischen Wechselbeanspruchung bei jedem StartStopp der Maschinen hohen Kräften ausgesetzt sind. Es empfiehlt sich dabei eine sorgfältige und frühzeitige Abwägung des Umfangs der Erneuerung im Hinblick auf technische und wirtschaftliche Überlegungen. Selbst wenn nur einzelne Komponenten gewechselt werden, lassen sich damit vorhandene Probleme beseitigen und die Maschinen für weitere Jahrzehnte für einen sicheren Betrieb bereitstellen.

Bild 1. Statorwicklungseinbau mit RoundPacking: eine robuste und zuverlässige Fixierung des Stabes in der Nut. Neuwicklung des Stators Bei Alstom kommt das über Jahrzehnte bewährte Isolationssystem Micadur zur Anwendung. Es ist ein im Vakuum-Druckimprägnierverfahren (VPI-System) hergestelltes Isolationssystem, das alle Elemente von der Hauptisolation, dem Glimmschutz, der Fixierung der Wicklung in der Nut bis hin zur Wickelkopfabstützung mit einbezieht. Alle diese Elemente sind optimal aufeinander abgestimmt. Nur dadurch ist ein wartungsarmer und störungsfreier Betrieb über lange Zeit hinweg gewährleistet.

Bild 2. Elektrische Abnahmeprüfungen an Polen im Werk Birr.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

335


Nachrichten

Leistungsfähige Generatoren – dank neugewickelten Polen Die Erregerwicklung ist hohen mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt. Mit der Zeit können sich Probleme bezüglich der Abstützung ergeben. Eventuell kann die Leiterisolation beschädigt werden, wodurch ein zuverlässiger Betrieb nicht mehr möglich ist. Es bietet sich daher eine Neuisolierung an. In vielen älteren Maschinen wurden asbesthaltige Isolationsmaterialien verwendet. Der Umgang mit diesen Materialien erfordert entsprechend zertifizierte Einrichtungen und geschultes Personal. Die begleitenden Massnahmen bei der Entsorgung müssen fachgerecht erfolgen und verursachen in der Regel Mehraufwendungen gegenüber nicht asbesthaltigen Komponenten. Auch hier sind wir in der Lage, die notwendigen Arbeiten professionell durchzuführen. In vielen Fällen bietet es sich an, die Polspulen komplett zu ersetzen. Mit dem dabei eingesetzten Design lässt sich die Zuverlässigkeit und in einigen Fällen auch der Wirkungsgrad verbessern. Ob der Pol bzw. der Rotor die mechanischen Beanspruchungen (Ermüdung) für die gewünschte Restlebensdauer der Maschine sicher ertragen kann, kann heute durch eine Abschätzung der Restlebensdauer mittels Finite-Elemente-Berechnungen durchgeführt werden. Für weitere Informationen stehen Ihnen in der Hydro-Abteilung von Alstom in Birr jederzeit gerne zur Verfügung: Dr. Christoph Ortmanns Service Wasserkraftanlagen Leiter Verkauf & Projektleitung D/CH christoph.ortmanns@alstom.com Dr. Armin Schleussinger Service Wasserkraftanlagen Technischer Direktor Generator, Erregung, Leittechnik Europa Dr.-Ing. Sylvain Déplanque Leiter mechanische Berechnung Generator Europa.

Mühlenfreunde bei der WRH Walter Reist Holding AG in Hinwil – Steffturbine: Wasserkraftnutzung im Mikrobereich Die Steffturbine ist eine neuartige Wasserturbine, deren Wirkungsgrad auch im Teillastbetrieb überdurchschnittlich hoch bleibt. Entwickelt wird die Steffturbine bei der WRH Walter Reist Holding AG in Hinwil. Eine Delegation der Vereinigung Schweizer Mühlenfreunde wollte Genaueres erfahren und stattete dem 336

Bild 1. Die Steffturbine ist eine Kleinturbine für die Nutzung von Wasserkraft in kleinräumigem Gelände. Im Bild der Prototyp beim Kleinwasserkraftwerk Pilgersteg in Rüti (Zürich). Unternehmen kürzlich einen Besuch ab. Prinzip Fördertechnik Im Zusammenhang mit der Suche nach umweltschonenden Methoden für die Energiegewinnung rückt die Nutzung von Wasserkraft in den Mittelpunkt. Von besonderem Interesse sind Lösungen für die Anwendung im Kleinstbereich mit niedrigen Fallhöhen und geringen Durchflussmengen. Solche Kleinkraftwerke erlauben es, Wasserressourcen auch in kleinräumigem Gelände unter Wahrung der Fischverträglichkeit zu nutzen und in elektrische Energie umzuwandeln. Aus diesem Bedürfnis heraus hat die WRH Walter Reist Holding AG die Steffturbine entwickelt. Das in Hinwil im Zürcher Oberland beheimatete Unternehmen ist als Weltmarktführer für die verarbeitende Fördertechnik in der Druckindustrie bekannt. In den vergangenen Jahren wurde mit innovativer Fördertechnik erfolgreich in die Lebensmittel-, Textil-, Pharma-, Kosmetik- und Automobilindustrie diversifiziert. Das fördertechnische Prinzip, die Kernkompetenz der WRH Walter Reist Holding, liegt auch der neuen Steffturbine zugrunde. An der Entwicklung ist die Universität der Bundeswehr in München beteiligt. Im dortigen Labor wird die Steffturbine in Langzeittestläufen auf ihre hydraulische Wirkungsweise hin untersucht. Für mehr als 20 Haushalte Die Kleinturbine beruht auf dem Prinzip des oberschlächtigen Wasserrads und nutzt die potenzielle Energie von Wasser. Entgegen der von gängigen Wasserrädern her bekannten Kreisform hat die WRH Walter Reist Holding AG für die Steffturbine

eine Ovalform gewählt. Ein Kettenrundlauf wird über zwei Umlenkräder geführt. Aus Stahl gefertigte Schaufeln übertragen die Wasserkraft auf den Kettenrundlauf. Ein integrierter Permanent-Magnet-Generator wandelt die mechanische in elektrische Leistung mit Wechselstromerzeugung um. Die Steffturbine ist modular konzipiert. Sie kann in der Länge variiert und an die topografischen Gegebenheiten angepasst werden. Sofern es das Gelände zulässt, ist es möglich, für das Erreichen einer höheren Gesamtleistung mehrere Turbinen im Parallelbetrieb mit einer zentralen Steuerung einzusetzen. Ihre idealen Bedingungen findet die Steffturbine bei einer Fallhöhe des Wassers zwischen drei und fünf Metern. Durch das gewählte Rundlaufkonzept wird das einfliessende Wasser möglichst früh erfasst und die Wassersäule über eine möglichst lange Strecke hinweg bei gleichbleibender Fliessgeschwindigkeit mitgeführt. So bringt es die Kleinturbine auf eine Leistung von 12 kW. Auf das Jahr hochgerechnet ergibt das eine Stromproduktion von über 100 000 kWh, womit die Versorgung von rund 20 Durchschnitthaushalten sichergestellt ist. Schaufelgeometrie maximiert Wirkungsgrad Nach dem heutigen technischen Stand arbeitet die Steffturbine bei einem Durchfluss von 400 Litern pro Sekunde mit einem maximalen Wirkungsgrad von 92 Prozent. Noch bei einer Durchflussmenge von 300 Litern pro Sekunde und einer Neigung von 45° liegt der Wirkungsgrad bei über 80 Prozent. Das überdurchschnittlich gute Ergebnis

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Nachrichten Bild 2. Am Modell werden die strömungsbedingten Einflüsse auf den Wirkungsgrad der Steffturbine untersucht.

ist im Wesentlichen auf die ausgeklügelte Schaufelgeometrie zurückzuführen. Bei herkömmlichen Wasserrädern oder Turbinen ist die Schaufelform derart ausgestaltet, dass das einfliessende Wasser wie von einem Behälter aufgefangen und das Rad derart in Bewegung gesetzt wird. Ein sogenannt nachlaufendes Schaufelprofil mindert allerdings in der Steffturbine den Wirkungsgrad insofern, als einerseits aus dem Kontakt zwischen den sich bewegenden Schaufeln und der Wasseroberfläche Rückschlagverluste resultieren und andererseits die Kammern zwischen den einzelnen Schaufeln grosse Mengen an Lufteinschluss aufweisen und sich demnach nicht die volle Energie des Wassers nutzen lässt. Eine umfangreiche Versuchsreihe führte schliesslich zur Umkehrung der Geometrie vom nachlaufenden auf ein vorlaufendes Schaufelprofil. Die vordere Schaufelkante trifft nun senkrecht auf die Wasseroberfläche, und es findet keine Verdrängung statt. Der Rückschlagverlust ist praktisch inexistent, die Kammern zwischen den Schaufeln sind fast vollständig mit Wasser gefüllt. Grosse Anpassungsfähigkeit Die kompakt gebaute Steffturbine ist vielseitig einsetzbar. Für die Energienutzung eignen sich Fliess- und Staugewässer, Kläranlagen, Bewässerungseinrichtungen, Auslaufkanäle bestehender Kraftwerke, das Prozesswasser in Industriebetrieben, Standorte alter Mühlen oder Staustufen, die einer Revitalisierung bedürfen. Der Neigungswinkel der Steffturbine lässt sich dem jeweiligen Gelände anpassen. Im Extremfall ist die Gewinnung von Elektrizität durch den horizontalen Wasserdurchfluss unter Nutzung der kinetischen Energie möglich. Die von der Steffturbine erzeugte Elektrizität kann in das öffentli-

Bild 3. Die Steffturbine ist modular konzipiert. Für das Erreichen einer höheren Gesamtleistung können mehrere Turbinen im Parallelbetrieb eingesetzt werden.

che Netz eingespeist, im Rahmen einer Insellösung genutzt oder in Kombination mit anderen Energieerzeugern (Erdwärme, Sonne, Wind) in ein Verbundnetz eingebracht werden. Durch ihre Anpassungsfähigkeit ist der Einbau der Steffturbine ohne Eingriffe in bestehende Ökosysteme möglich. Wie die Marktverantwortlichen der WRH Walter Reist Holding AG bestätigen, befinden sich mehrere Projekte in Arbeit. Vor allem in Norditalien zeigen Betreiber von Kläranlagen und von Bewässerungssystemen an der Steffturbine grosses Interesse. In Nyangao, in der Region Lindi in Tanzania, ist der Einsatz eines Kleinwasserkraftwerks geplant. Im Rahmen eines autarken Systems wird eine Steffturbine eine Schule und die umliegenden Häuser mit Elektrizität versorgen. Als Wasserkraft soll der Überlauf eines kleinen Stausees genutzt werden. Ihren Einsatz findet die Steffturbine idealerweise dort, wo einerseits für den Strom hohe Preise zu bezahlen sind und andererseits attraktive Gebühren für die Einspeisung ins öffentliche Stromnetz vergütet werden. Ausgehend von einer Rückvergütung von 25 Rappen pro Kilowattstunde, nennt die WRH Walter Reist Holding AG eine Amortisationszeit von sechs Jahren. Besuch der Mühlenfreunde Eine Delegation der Vereinigung Schweizer Mühlenfreunde weilte kürzlich bei der WRH Walter Reist Holding AG. Die aus der Region Zürich und der Ostschweiz angereisten Besucher liessen sich das Konzept der Steffturbine und deren Funktionsweise in der Theorie und am Modell erklären. Den Abschluss bildete ein Besuch der Pilotinstallation am Pilgersteg in Rüti. Die Anlage ging im Herbst 2011 nach einer nur dreistündigen Montagezeit am Ausfluss

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

Bild 4. Eine Delegation der Vereinigung Schweizer Mühlenfreunde besichtigte die Steffturbine beim Kleinwasserkraftwerk Pilgersteg in Rüti. eines bestehenden Wasserkraftwerks in Betrieb. Seither produziert die als Prototyp konzipierte Steffturbine 3.5 kW im Nonstop-Betrieb. Den Ingenieuren in Hinwil bringt sie, neben den Versuchsergebnissen aus dem Wasserlabor in München, wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Systems. Für die Mühlenfreunde war es ein lohnenswerter Besuch. Einhellig war das Urteil, wonach die Steffturbine dank ihrem hohen Wirkungsgrad, den vielseitigen Einsatzmöglichkeiten und einer vergleichsweise hohen Wirtschaftlichkeit im Markt ihren Platz erobern wird. Infos: WRH Walter Reist Holding AG, Kommunikation, Industriestrasse 1 CH-8340 Hinwil

337


Stellenangebot

Bundesamt für Energie BFE

Das Bundesamt für Energie BFE ist das Kompetenzzentrum für Fragen der Energieversorgung und der Energienutzung im Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK. Zu seinen Aufgaben zählt die Aufsicht über die Sicherheit aller Stauanlagen in der Schweiz. Diese umfasst die Sicherstellung der Sicherheit der grösseren Anlagen und die Unterstützung der Kantone bei der Sicherheitsaufsicht der kleineren Anlagen, wie auch die Entwicklung der Sicherheitskonzepte und die Vorbereitung der notwendigen Umsetzungsunterlagen. Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir Fachpersonen für die drei verschiedenen Aufgabenbereiche:

Fachspezialist/in Stauanlagensicherheit direkte Aufsicht 80 - 100 % Fachspezialist/in Stauanlagensicherheit indirekte Aufsicht 80 - 100 % Fachspezialist/in sicherheitstechnische Grundlagen für Stauanlagen 80 - 100 % Ihre Bewerbung senden Sie bitte vorzugsweise online oder an folgende Adresse: Bundesamt für Energie, Human Resources, Christine Kubin, Postfach, 3003 Bern Online-Bewerbung: www.stelle.admin.ch «direkte Aufsicht»: Stichwort: 13884 «indirekte Aufsicht»: Stichwort: 15916 «sicherheitstechnische Grundlagen»: Stichwort: 13805 Auskunft erteilt gerne Herr Dr. Georges Darbre, Beauftragter für die Sicherheit der Talsperren, Tel. 031 325 54 91, georges.darbre@bfe.admin.ch Weitere interessante Stellenangebote der Bundesverwaltung finden Sie unter www.stelle.admin.ch

Als Fachspezialist/in direkte Aufsicht sind Sie zuständig für die direkte Aufsicht von rund 35 grossen Stauanlagen. Als Fachspezialist/in indirekte Aufsicht nehmen Sie die Oberaufsicht über die Kantone wahr, welche hunderte von kleineren Stauanlagen direkt beaufsichtigen. Als Fachspezialist/in Grundlagen erarbeiten Sie fachtechnische Grundlagen im Bereich der Stauanlagensicherheit. In allen Aufgabenbereichen arbeiten Sie eng mit externen Partnerinnen und Partnern wie kantonalen Behörden, Kraftwerksbetreibern, Hochschulen und Fachorganisationen zusammen. Die Verbreitung von neu gewonnen Erkenntnissen und die Unterstützung der weiteren Teammitglieder in ihren Aufgaben sind Teil aller Funktionen. Für diese vielseitigen und anspruchsvollen Aufgaben suchen wir Fachleute mit einem Masterabschluss als Bau- oder Kulturingenieur/in (ETH oder gleichwertig) und idealerweise Erfahrung im Wasser- oder Talsperrenbau und in Stauanlagensicherheit. Sie denken strukturiert und arbeiten zielgerichtet. Zudem sind Sie flexibel und initiativ. Dank Ihrer ausgeprägten Teamfähigkeit und Ihrem Verhandlungsgeschick in zwei Amtssprachen sowie in Englisch, finden Sie optimale Lösungen im Sinne der Sache und der Beteiligten. Differenzierte Informationen zu den einzelnen Stellen finden Sie unter: www.stelle.admin.ch.

Die nächste Ausgabe von «Wasser Energie Luft» erscheint am Donnerstag, 13. März 2014

Foto: MMi

338

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Abdichtungen

Gewässerpflege "RVBNBSJOF 5FDIOPMPHJFT

IDG-Dichtungstechnik GmbH Heinkelstrasse 1, D-73230 Kirchheim unter Teck Tel. +49 7021 9833-0, Fax +49 7021 9833-33 f.knoefel@idg-gmbh.com, www.idg-gmbh.com Dichtungssysteme für Drehzapfen, Expansion, Kaplanschaufel, Leitschaufellager, Peltondüse, Schiebering, Servomotor.

Ingenieurdienstleistungen

Der Truxor bewältigt auch anspruchsvolle Mäharbeiten mühelos dank seinen «Amphimaster»-Qualitäten!

Aquamarine Technologies AG Altwistrasse 4 CH-8153 Rümlang

Armaturen

Branchen-Adressen

Tel. +41 448178020 info@aquamarine-technologies.ch www.aquamarine-technologies.ch

Gewässervermessung

K. FUHRER Engineering, CH-4900 Langenthal Gaswerkstr. 66C, Tel. +41 (0)62 923 14 84 info@k-fuhrer.ch, www.k-fuhrer.ch Automatisieren und Modernisierung von Kraftwerk- und Energieinfrastrukturen. Beratung, Planung, Realisierung, Steuerungsbau und Inbetriebnahmen

Die Adams Schweiz AG ist Ihr starker Partner für Armaturen in Wasserkraftkraftwerken. Die Adams Schweiz AG ist Ihr starker Partner für

Power aus den Bündner Armaturen in Wasserkraftwerken. Bergen für die Energie Power aus den Bünder Bergen für die Energie der der Zukunft. Zukunft. Beratung, Planung, Lieferung, Montage- und Inbetriebnahmeüberwachung Kaplan

von

und

schlüsselfertigen Francis)

für

den

Kleinwasserkraftwerken gesamten

(Pelton,

elektromechanischen

Bereich, inkl. Leittechnik und Fernwirksysteme. Revitalisierungen, Modernisierungen und Neubau von Trink-, Ober-

Entschlammung

flächen- und Abwasserkraftwerken.

HYDRO care AG HYDRO care AG Werkstrasse 4 Werkstrasse 4 9243 Jonschwil 9243 Jonschwil

T 071 923 21 30 T 071 923 21 30 F 071 21 923 21 31 F 071 923 31 W www.hydro-care.ch W www.hydro-care.ch

"RVBNBSJOF 5FDIOPMPHJFT

Entfernung von grossen und kleinen Schlammmengen: leistungsstark und trotzdem sanft zur Natur

Ihr Unternehmen fehlt in diesem Verzeichnis? Hydrografie

Aquamarine Technologies AG Altwistrasse 4 CH-8153 Rümlang

Tel. +41 448178020 info@aquamarine-technologies.ch www.aquamarine-technologies.ch

Generatoren

Infos unter: SWV «Schweizerischer Wasserwirtschaftsverband»

COLD+HOT engineering AG Industrie Neuhaus Tunnelstrasse 8, CH-8732 Neuhaus SG Tel. +41 (0)55 251 41 31 Fax +41 (0)55 251 41 35 info@cold-hot-engineering.ch www.cold-hot-engineering.ch Generator-, Lageröl-, Transformatoröl- und Luftkühler jeglicher Art. Revision und Massanfertigung nach Zeichnungen oder Muster.

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden

Rütistr. 3a · CH-5401 Baden Tel. 056 222 50 69 manuel.minder@swv.ch

339


Schlammentwässerung

Instrumentierung

"RVBNBSJOF 5FDIOPMPHJFT

Umweltfreundliche und effiziente Schlammentwässerung mit dem bewährten Geotube®-Verfahren

Stump FORATEC AG Madetswilerstrasse 33, CH-8332 Russikon Tel. +41 (0)43 355 62 62 Fax +41 (0)43 355 62 60 info@stump.ch, www.stump.ch Drainagesysteme, Wasserfassungen, Pendel-, Brunnen-, Sondier- und Tiefbohrungen, Geothermie, Geophysik und Messtechnik.

GERBAS GMBH GERÄTEHANDEL/BASALTPRODUKTE Grosststeinstrasse 36, CH-6438 Ibach Tel. +41 (0)41 872 16 91 Fax +41 (0)41 872 16 92 info@gerbas.ch www.gerbas.ch

Korrosionsschutz

Nebenanlagen

-/ 7 -- , 1 -V ØÌâi É >««i LÃV ÕÃÃ À}> i i ÌÕ }i >ÃV i °Ê ÀÀ Ã ÃÃV ÕÌâ

-"* , *,"" Ê , â>Üi}Ê{Ê°Ê Ç{ÎäÊ/ Õà à /°Ê³{£Ê­ä®Ên£ÊÈx£ÊÎ{ÊääÊ°Ê v J à «iÀ >«À v°V ÜÜÜ° à «iÀ >«À v°V

Aquamarine Technologies AG Altwistrasse 4 CH-8153 Rümlang

Tel. +41 448178020 info@aquamarine-technologies.ch www.aquamarine-technologies.ch

Seilbahnen

7 -- , 1 iLBÕ`i Õ ÃÌL>ÕÌi °Ê i Ì i °Ê iÌ ÃÌ> `ÃiÌâÕ } °Ê L` V ÌÕ } °Ê ÃÌ> `ÃiÌâÕ }Ê* Ê Ê > Ì }iÀ ÊÊ Õ}i ÊÕ `Ê iÃV V ÌÕ }i °Ê `i LiÃV V ÌÕ }i

Alte Strasse 28A 3713 Reichenbach i.K.

Tel. +41 (0)33 671 32 48 Fax +41 (0)33 671 22 48 info@cabletrans.com www.cabletrans.com

Ihr Partner für Transportsysteme -"* , *,"" Ê , â>Üi}Ê{Ê°Ê Ç{ÎäÊ/ Õà à /°Ê³{£Ê­ä®Ên£ÊÈx£ÊÎ{ÊääÊ°Ê v J à «iÀ >«À v°V ÜÜÜ° à «iÀ >«À v°V

Schweizerische Fachzeitschrift für Wasserrecht, Wasserbau, Wasserkraftnutzung, Gewässerschutz, Wasserversorgung, Bewässerung und Entwässerung, Seenregulierung, Hochwasserschutz, Binnenschifffahrt, Energiewirtschaft, Lufthygiene. Revue suisse spécialisée traitant de la législation sur l’utilisation des eaux, des constructions hydrauliques, de la mise en valeur des forces hydrauliques, de la protection des eaux, de l’irrigation et du drainage, de la régularisation de lacs, des corrections de cours d’eau et des endiguements de torrents, de la navigation intérieure, de l’économie énergétique et de l’hygiène de l’air. Gegründet 1908. Vor 1976 «Wasser- und Energiewirtschaft», avant 1976 «Cours d’eau et énergie» Redaktion: Roger Pfammatter (Pfa), Direktor des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes Layout, Redaktionssekretariat und Anzeigenberatung: Manuel Minder (mmi) ISSN 0377-905X Verlag und Administration: Schweizerischer Wasserwirtschaftsverband · Rütistrasse 3a · CH-5401 Baden · Tel. 056 222 50 69 · Fax 056 221 10 83 http://www.swv.ch · info@swv.ch · E-Mail: roger.pfammatter@swv.ch · manuel.minder@swv.ch · Postcheckkonto Zürich: 80-32217-0 · «Wasser Energie Luft» · Mehrwertsteuer-Nr.: 351 932 Inseratenverwaltung: Manuel Minder · Schweizerischer Wasserwirtschaftsverband (SWV) Rütistrasse 3a · 5401 Baden · Tel. 056 222 50 69 · Fax 056 221 10 83 · E-mail: manuel.minder@swv.ch Druck: Binkert Buag AG · Baslerstrasse 15 · CH-5080 Laufenburg · Tel. 062 869 74 74 · Fax 062 869 74 80. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem FSCPapier. FSC-Mixed-Credit, Reg.-Nr. SQS-COC-C002005 «Wasser Energie Luft» ist offizielles Organ des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes (SWV) und seiner Gruppen: Associazione Ticinese di Economia delle Acque, Verband Aare-Rheinwerke, Rheinverband und des Schweizerischen Talsperrenkomitees. Die publizierten Beiträge geben die Meinung der jeweiligen Autoren wieder. Diese muss sich nicht mit derjenigen der Redaktion oder der Verbände decken. Jahresabonnement CHF 120.– (zuzüglich 2,5% MWST), für das Ausland CHF 140.–, Erscheinungsweise 4  pro Jahr im März, Juni, September und Dezember Einzelpreis Heft, CHF 30.–, zuzüglich Porto und 2,5% MWST

340

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden


Stahlwasserbau

Reliability beyond tomorrow.

• hydropower • turbines • control systems • service Troyer AG 39049 - Sterzing / Italien Tel. +39 0472 765 195 www.troyer.it

Troyer Suisse AG CH - 8400 Winterthur Fax +39 0472 766 356 www.troyer-suisse.ch

Werkstofftechnik

PAN® Hochleistungsbronzen für Gleitlager, Führungen und Verzahnungen aus speziell verhütteten PAN®- Materialien

PAN®-GF selbstschmierende Gleitlager wartungsfrei - wartungsarm • extreme Verschleißbeständigkeit • lange Lebensdauer • korrosionsbeständig

PAN-Metallgesellschaft WILLY STÄUBLI INGENIEUR AG Grubenstrasse 2, CH-8045 Zürich Tel. +41 (0)43 960 82 22 Fax +41 (0)43 960 82 23 ingenieur@willystaeubli.ch www.staeubliing.com Taucherarbeiten, Stahlbau, Wasserbau.

Wasserbau

7 -- , 1

Taucharbeiten

www.taf-taucharbeiten.ch

>ÃÃÕ }i -Ì>Õ> >}i -Ì i > B i 7>ÃÃiÀÃV ÃÃiÀ °Ê i Ì i °Ê-«À ÌâLiÌ °Ê iÌ ÃÌ> `ÃiÌâÕ } °Ê LÀ>Ã ÃÃV ÕÌâ °Ê L` V ÌÕ }Ê Ì ÊÊ-ÞÃÌi Ê** Á °Ê i ÃÃ V iÀÕ } °Ê iÀ

Südstrasse 21 · 3250 Lyss Telefon +41 32 392 73 20 · Fax +41 32 392 73 21 info@taf-taucharbeiten.ch

-"* , *,"" Ê

«Wasser Energie Luft» – 105. Jahrgang, 2013, Heft 4, CH-5401 Baden°Ê Ç{ÎäÊ/ Õà à , â>Üi}Ê{Ê

/°Ê³{£Ê­ä®Ên£ÊÈx£ÊÎ{ÊääÊ°Ê v J à «iÀ >«À v°V ÜÜÜ° à «iÀ >«À v°V

Seit 1931 Am Oberen Luisenpark 3 D-68165 Mannheim Tel.: + 49 (0) 621 42 303-0 • Fax: + 49 (0) 621 42 303-33 kontakt@pan-metall.com • www.pan-metall.com

SCHWEIZERISCHER VEREIN FÜR SCHWEISSTECHNIK • St. Alban-Rheinweg 222, CH-4052 Basel Tel. +41 (0)61 317 84 84 Fax +41 (0)61 317 84 80 info@svsxass.ch, www.svsxass.ch • Niederlassung Oberhasli Rütisbergstrasse 12, CH-8156 Oberhasli Tel. +41 (0)44 820 40 34/35 Fax +41 (0)44 820 40 36 • Niederlassung Tessin Via alla Moderna 3, CH-6500 Bellinzona Tel. +41 (0)91 730 92 30 Fax +41 (0)91 730 92 31 • Niederlassung Yverdon rue Galilée 15, CH-1400 Yverdon-les-Bains Tel. +41 (0)21 425 77 40/41/42 Fax +41 (0)21 425 77 43

341


Verlässlicher Partner. Seit 1934 planen und realisieren wir Wasserkraftanlagen von der Konzepterstellung bis zur Inbetriebnahme. > KW Walibach (Enbag AG), Grafschaft > KW Tasnan (Coet), Tasnan > KW Russein (Axpo Power AG), Sumvitg > KW Rondchatel (Ciments Vigier SA), Rondchatel > KW Mühlebach (Elektrizitätswerk Ernen-Mühlebach AG), Ernen > KW Lavinuoz (Ouvra Electrica Lavinuoz Lavin SA), Lavin > KW Bachtoly (Eischoll Energie AG), Oberbrunn > KW Utzenstorf (Wasser Plus GmbH), Utzenstorf > KW Tarschlims (Flims Electric AG), Flims > KW Muletg (Flims Electric AG), Flims > KW Wannebode (Blinnenwerk AG), Reckingen > KW Obermatt (Energie Wasser Luzern), Obermatt > KW Flem (Flims Electric AG), Flims > KW Fafleralp (Kleinkraftwerk Fafleralp), Fafleralp > KW Tunnel (Flims Electric AG), Flims > KW Kollbrunn (Elaqua AG), Glattbrugg > KW Ischla (Gemeinde Tarasp), Tarasp

Reliability beyond tomorrow.

Troyer 342 AG Karl v. Etzel Straße 2 39049 Sterzing / Italien

Tel. +39 0472 765 195 Fax +39 0472 766 356 www.troyer.it / info@troyer.it

Troyer Suisse AG +41–(0)52 90 2013, Heft 4, CH-5401 Baden «Wasser EnergieTel. Luft» 105. 56021 Jahrgang, Bahnhofplatz 17 Fax +41 (0)52 56021 00 8400 Winterthur / Schweiz info@troyer-suisse.ch


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.