zeitschrift von/für berufs- und mittelschülerInnen
AMANDA AMMANN Miss Schweiz und ihr Promihund PHILIPP WEISSENBERGER Zwischen Studium und Spitzensport
CHOR AUF BEWÄHRUNG Hinter den Kulissen der TV-Doku-Soap
01.2008
www.tango-online.ch
JOHANNA NYFFELER Im Iran an der Physik-Olympiade
Alles spricht von der Euro 08. Wir auch. Aber ganz anders:
Das Spielfeld ist nicht eben Schule in Simbabwe
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das fängt ja gut an
an der EURO 08
Charlotte Germann, 19, aus Altdorf, hat die Matura im vergangenen Sommer geschafft und sich dann erst mal für mehrere Wochen in einer SAC-Hütte auf 2300 Metern verschanzt. Jetzt studiert sie in Basel Germanistik und Nordistik. Sie bezeichnet sich als «bewegungsfreudig, produktiv, pflegeleicht, naturlieb und mit schwarzem Humor ausgestattet».
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inhalt
topstory 8 SIMBABWE The wold is not yet flat
reportage
18 PHYSIK-OLYMPIADE Frau, Iran, Physik?
SIMBABWE Die politischen und wirtschaftlichen Aussichten von Simbabwe sind düster. Christian Hombrecht, 20, und Max Mäckler, 20, haben sich in Simbabwe ein eigenes Bild vom Leben und Lernen benachteiligter Kinder und Jugendlicher gemacht.
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26 DOKU-SOAP Chor der gefallenen Engel 44 SCHWANGER Das Ende der Kindheit 54 NEW YORK So viele Menschen, so viel zu tun… 60 HEIMAT Zwischen zwei Welten
report
36 NIEDERTRÄCHTIG Les fleurs du mal
interview
22 EINSTELLUNGSSACHE Studium und Spitzensport ergänzen sich
porträt
16 MISS SCHWEIZ Sunshine – der Promihund
kurzgeschichte
18
32 MORBID Gassenwelt 49 TRAUMWELT Im Regen 64 KAFFEE Das braune Getränk
beratung
50 TSCHAU.CH Mein Ex-Freund liebt mich noch, aber…
umfrage
6 ÜBRIGENS Nur eine Frage…
humor
3 DAS FÄNGT JA GUT AN Walterli an der Euro 08 66 DAS HÖRT JA GUT AUF Schule 2020 34
aufruf
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PHYSIK-OLYMPIADE Frau, Iran, Physik? Passt irgendwie nicht zusammen. Oder doch? Johanna Nyffeler nahm als einzige Westeuropäerin an der Internationalen 38. PhysikOlympiade teil. Und fand es grossartig. Am meisten beeindruckten sie die Freundlichkeit der Iranerinnen und Iraner, die sie als sehr aufgeschlossen, gebildet und neugierig erlebte.
SCHWANGER «‹Ich will dich nicht erschrecken, aber du bist schwanger!› Nadine kann es nicht glauben, will es nicht glauben. Sie starrt auf den Bildschirm. Dieses Ultraschallbild soll ein Baby zeigen? In ihrem Bauch?! Aber...» – Für viele ist «das erste Mal» nicht mehr als eine ernüchternde Erfahrung – bei der 14-jährigen Nadine stellte es das ganze Leben auf den Kopf.
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ciao Alles spricht von Fussball und von der nahenden Euro 08. Wir auch. Aber ganz anders: Denn als den tangoNachwuchsreportern Christian Hambrecht und Max Mäckler im riesigen Flughafenterminal von Johannesburg eine grossflächige Anzeige mit einem überdimensionierten David Beckham auffiel, erinnerten
MISS SCHWEIZ
sie sich sofort die Primary School Mazelands Farm
Miss
Amanda
in Simbabwe, über die sie eine Reportage schrieben.
Ammann als Frauchen zu
Dem Direktor war es wichtig, den beiden 20-Jährigen
haben,
etwas
ein verdorrtes Spielfeld zu zeigen, den Fussballplatz
Besonderes. Jedenfalls hat
der Schule. Die Fläche fiel zur einen Seite hin stark
der Titel das Leben ihres
ab. Der Direktor stellte trocken fest: «Sie sehen, es
Tibet-Terriers Sunshine ziem-
gibt kein ebenes Spielfeld für diese Kinder.» Der Fuss-
lich auf den Kopf gestellt. –
ballplatz der Primary School ist eine traurig-schöne
Miss Schweiz aus der Vierbeiner-
Metapher für die Tatsache, dass das globale Spielfeld
Perspektive. Ein witziges Porträt von
nicht eben ist und die Chancen nicht für alle gleich
Schweiz ist
schon
sind. Die politischen und wirtschaftlichen Aussichten
Michael Hochreutener.
von Simbabwe sind düster. Den Kindern und Jugendlichen in einem von Aids, Korruption und Staatsterror geprägten Land eine Zukunft zu geben, ist ein mühseliges und gefährdetes Unterfangen. Die lesenswerte Reportage über die immens schwierige Arbeit in einem SOS-Kinderdorf haben wir zur Topstory unseres aktuellen Hefts gekürt. Wir freuen uns über alle Einsendungen und Zuschriften, die wir erhalten! tango ist die Zeitschrift, in der Junge für Junge schreiben und Erwachsene – endlich einmal – zu schweigen haben. In tango kannst du die Themen aufgreifen, die dich besonders interessieren und betreffen. Also: Wir brauchen dich. Ob als Geschichtenerzähler/-in, als Fotograf/-in, als Journalist/-in oder als Cartoonist/-in – in tango hat vieles Platz, vorausgesetzt, dein Beitrag ist gut geschrieben und auch für andere Schüler/-innen spannend. Beachte unseren Aufruf zum Mitmachen in der Heftmitte. Wir freuen uns auf deinen Beitrag!
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Markus Isenrich
DOKU-SOAP «Zwei glockenhelle Stimmen steigen im Kellergewölbe des Jugendheims empor und schwellen zu einem vibrierenden Klang an. In der Mitte steht Chorleiter Ben Vatter neben einem klapprigen Klavier.
Moni Rimensberger ge-
Konzentriert dirigiert er, als ziehe er an unsichtbaren Seidenfäden.»
staltete tango. «Es gibt
– Die TV-Doku-Soap «Chor auf Bewährung» brachte Gymnasiastin-
verschiedene
nen der Kanti Zofingen mit Bewohnern des Jugendheims Aarburg
in die ich gerne – wenn
zusammen. Die Reportage von Melissa Müller zeigt, wie es hinter
ich könnte – eintauchen würde. Mich interessieren
den Kulissen zu- und herging.
Hochmittelalter und die Mitte des 19. Jahrhunderts,
Epochen,
um nur zwei davon zu nennen. Letztlich aber bin ich stolz auf meinen Jahrgang.»
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umfrage
Was ist schöner: sich verlieben oder verliebt sein?
Nora Jahn, 18: «Sich verlieben! Ich mag Schmetterlinge im Bauch…»
Kim Schönborn, 17: «Sich verlieben, denn ein Rückzug ist noch möglich»
Hans Meier, 20: «Also… das kommt auf die Frau an.»
Ariana Tufek, 17: «Verliebt sein! Weil man sich in dieser Phase näher kommt, miteinander viel Zeit verbringt und diese auch geniesst »
NENNE DEN PEINLICHSTEN MOMENT DEINES LEBENS!
Manuel Gentsch, 17: «Ich habe mal das WC unter Wasser gesetzt…»
Maja Smuc, 18: «Als ich vor den Augen des schönsten Mannes der Welt in eine Laterne lief…»
Mike Schwarz, 18: «Ich habe einem Typen eine Ohrfeige gegeben, weil er mein Freundin anbaggerte. Erst danach merkte ich, dass er der Falsche war… »
WAS IST DAS ZIEL DER MENSCHHEIT?
Johanna Lechner, 17: «Nicht zu verblöden! »
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Abdurrahman Öztürk, 18: «Wohlstand, Ruhm und ewige Jugend.»
NUR EINE FRAGE! WAS BLEIBT DIR IMMER EIN RÄTSEL?
Marco Walter, 17: «Kornkreisfelder!» Gion-Ursin Vincenz, 18: «Warum Frauen zu zweit aufs WC gehen.»
Jennifer Bossi, 18: «Dass Menschen so ignorant, naiv und unwissend sein können, obwohl sie Augen, Ohren und ein Hirn haben.»
Marc Lenz, 17: «Warum das Wochenende nur zwei Tage dauert…»
Urban Haelg, 17: «Was war zuerst: Das Huhn oder das Ei?»
Manuela Nickfeld, 18: «Lehrer...»
Sebastian Stübinger, 20: «Gibt es Gott?»
Wärst du lieber sympathischer oder intelligenter?
Sabrina Möhn, 17: «Sympathischer. Dann läuft’s besser in der Liebe…» Samuel Galliker, 18: «Soll das heissen, dass ich weder sympathisch noch intelligent bin?!»
Sarah Zoller, 17: «Ich bin doch beides…»
Samuel Rutishauser, 20: «Intelligenter, denn Wissen ist Macht, und Macht ist sexy! » Virginia Alder, 18: «Sympathischer, weil mir gute Freunde wichtiger sind als eine steile Karriere» 7
topstory
The world is not yet flat Die politischen und wirtschaftlichen Aussichten von Simbabwe sind d체ster. Den Kindern in einem von Aids, Korruption und Staatsterror gepr채gten Land eine Zukunft zu geben, ist ein m체hseliges und gef채hrdetes Unterfangen. 8
Christian Hambrecht und Max Mäckler Auf dem Failed-States-Index für 2006 befindet sich Simbabwe an fünfter Stelle, direkt hinter dem Irak. Die geschätzte Arbeitslosenquote liegt bei 75 Prozent, die Inflationsrate beträgt mittlerweile 1185 Prozent – Tendenz steigend. Seit 1998 ist die Wirtschaftskraft des Landes um 40 Prozent geschrumpft, im Jahre 2005 betrug die Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes –6,5 Prozent. Über 40 Prozent der Bevölkerung ist jünger als 15 Jahre. Etwa 8 Prozent dieser sehr jungen Gesamtbevölkerung von 13 Millionen sind Halb- oder Vollwaisenkinder, denn mehr als 20 Prozent der Menschen sind mit HIV infiziert. Aids ist die Todesursache Nummer eins. Das ist Simbabwe in Zahlen. Gerade für Kinder, an denen das Land so reich ist, ist es nicht einfach, zu leben oder zu überleben. Doch dies öffentlich aussprechen? Man schweigt besser, möchte man sich nicht der speziellen Zuneigung des allliebenden Landesvaters, Robert Mugabe, aussetzen. Er hängt gerahmt – nein, er prangt – mit staatsmännisch-saurer Miene im weiten, hell-weissen Terminal des Flughafens Harare. Sein Antlitz ist das Erste, was man sieht, wenn man den Fuss auf simbabwische Erde setzt. Aus der Luft blickt man auf sonnenverbrannte Landschaft – eine stete Nuancierung von Brauntönen, kontrastiert von blitzenden blauen Seen, die aus der Kargheit wie versprengte Farbkleckse hervorstechen. Die afrikanische Sonne versinkt rostig-golden; fahl und staubig fristen die Jacaranda-Bäume zu beiden Seiten der Strassen ihr karges Dasein. Sie warten vergeblich auf Regen. Der Winter ist Trockenperiode. Verdorrte Wiesen wechseln mit kärglichen Bretterbehausungen.
Der Flughafen ist ein Niemandsland, hohle Fassade der Moderne»
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the world is not yet flat
Harare ein riesiges Geisterdorf? Der Verkehr findet an den Strassenrändern statt: Apathische Gestalten schlappen durch den Staub; Kinder spielen in ausgebrannten Autowracks. Leute sitzen auf Reifen im spärlichen Schatten schlanker Gummibäume, lesen vergilbte Zeitungen, stellen handgefertigte traditionelle Waren zur Schau. Wer kauft hier? Das SOS-Kinderdorf in der kleinen Bergbaustadt Bindura, umgeben von weitem Farmland, ist unser eigentlicher Zielort. Es liegt rund zwei Stunden nordöstlich von Harare. Zusammen mit unseren zwei grossen Koffern und sechs unbekannten Erwachsenen, die die seltene Mitfahrgelegenheit nutzen – der öffentliche Verkehr ist mehr oder weniger zum Erliegen gekommen, über eigene Fahrzeuge verfügen die wenigsten – zwängen wir uns auf die Matratze im Laderaum des Pick-ups. Es ist eng, sehr eng.
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Es ist ein langer Weg bis zur Maizelands Primary School, ein zermürbender, quälender, wenn man die kleinen Gestalten mit den wenigen Schulsachen auf dem Rücken sieht. Viele Schüler laufen zehn bis zwölf Kilometer täglich zur Schule – hin und zurück. Nicht alle haben Schuhe. Ihre Eltern, sofern sie noch leben, sind bitterarme Farmarbeiter. Unter einer einsamen Baumgruppe in der kahlen, flachen Weite kommen geduckte Gebäude, von einer niedrigen Mauer umfriedet, in Sicht. Sie sind weiss verputzt, haben blaue Fensterläden und Schrägdächer – entfernt erinnern sie an
Stallungen. Dazwischen ziehen sich säuberlich beschnittene Hecken entlang. Das ist die Primary School. Zunächst empfängt uns Mr. Mafunga, der Direktor der Schule, mit herzlichem Händedruck und bittet in sein Büro im kleinen Administrationsgebäude. Er gibt uns einen Überblick über die Situation seiner Schule: Knapp über tausend Schüler lernen bei 27 Lehrern, also 40–50 Schüler pro Klasse. Es fehlt mindestens ein Klassenraum, deshalb findet immer eine Stunde im Freien statt. An zehn prähistorischen Computern lernen jeweils fünf Kinder das Arbeiten mit dem Rechner. Einen Drucker gibt es nicht, aber ein selbst gemaltes Poster an der Wand erklärt dessen Funktion. Es
Apathische Gestalten schlappen durch den Staub, Kinder spielen in ausgebrannten Autowracks»
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the world is not yet flat Verlag, Redaktion, Anzeigen tango zeitschrift von/für berufs- und mittelschülerInnen Postfach 2133 9001 St. Gallen Telefon 076 513 28 57 Fax 071 310 13 17 redaktion_tango@hotmail.com MitarbeiterInnen dieser Ausgabe Anina Albonico Kathrin Bauer Charlotte Germann Christian Hambrecht Michael Hochreutener Markus Isenrich Delila Kurtovic Viktoria Kvetanova Marie Francine Lagadec Max Mächler Melissa Müller Johanna Nyffeler Livio Marco Stöckli Corinne Sutter Rachel Weinblum Fabian Weinmann Korrektorat
Peter Litscher
Gestaltung
Moni Rimensberger
Bild
Titelseite Kevin Russ photocase.com
S.12–13, S. 32 Peeter Viisimaa istock.com
S.18–21 Rudolf Struzyna photocase.com
S. 50–51 Eva Thöni photocase.com
S. 62–63 photocase.com
Druck
AVD Goldach Sulzstrasse 10 9403 Goldach
Auflage
26‘000 Exemplare (1‘300 Schulklassen)
Abonnement Einzelausgabe: Fr. 5.– Jahresabonnement: Fr. 10.– Erscheinungsweise halbjährlich (15. März / 15. September) Redaktions- und Anzeigenschluss 15. Februar / 15. August
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fehlt ausserdem an Schulbüchern – auch hier teilen sich mehrere Schüler eines –, an Stiften, Papier, einfach an allem. Am schlimmsten aber sind die häufigen Elektrizitätsausfälle, die die Toiletten mit ihren elektrischen Wasserpumpen mehrmals pro Woche für Stunden unbenutzbar machen. Nachdem wir all diese Fakten erfahren haben, erhebt sich Mafunga und betont noch einmal, dass dies die Schule für die Ärmsten der Armen sei. Unter seinen Schülern seien etwa 200 Waisen und viele Kinder in der Gegend kämen gar nicht in die Schule, da sich die Eltern dies nicht leisten könnten. Man führt uns durch die Klassenräume. Sobald wir hereinkommen, springen alle Schüler überstürzt auf – ab und zu fällt ein Stuhl krachend um. Als wir glauben, den Rundgang beendet zu haben, weist Mafunga auf einen schmalen, hohen Eingang mit der Aufschrift «Storage room». Ein einladender Schwenk seiner Hand, wir treten ein und bleiben sofort stehen. Uns bleibt auch nichts anderes übrig: Es ist ein äusserst enger
Raum, an dessen Wänden 40 Kinder in zwei Reihen zusammengezwängt sind. Es ist die erste Klasse. Zwei kleine, hoch gelegene Fenster lassen spärliches Licht herein, elektrische Beleuchtung Fehlanzeige. Im Türrahmen begrüsst uns die Lehrerin, und in der Düsternis am anderen Ende des Raums ist eine Tafel auszumachen. Man fragt sich verblüfft, wie die Lehrerin durch die Menge der eng gedrängten Schüler zur Tafel gelangen soll. Die kalten massiven Steinwände, deren Quaderstruktur sich unter der dünnen Weisstünchung abzeichnet, lassen an eine Gefängniszelle denken. Die Kinderköpfe starren unentwegt in unsere Richtung. Lapidar bemerkt Mafunga, dass ohne SOS-Kinderdorf diese Kinder schon lange keine Schule mehr hätten – denn die staatliche Finanzierung von 10 Millionen ZIM-Dollars pro Jahr reiche gerade, um 100 Kugelschreiber anzuschaffen. Am Abend haben die Jugendlichen
Die staatliche Finanzierung reicht gerade, um 100 Kugelschreiber anzuschaffen»
aus dem Dorf eine kleine Feier vorbereitet. Nach dem Abendessen treffen wir uns vor einem der Jugendhäuser. Die Jugendlichen leben ab 14 Jahren selbständig zusammen. Sie unterhalten ihren eigenen Gemüsegarten und züchten Hühner, die sie an die Mütter der Häuser verkaufen, um so ein kleines Taschengeld zu verdienen. Jetzt sitzen sie gemeinsam um ein Lagerfeuer und rösten Nüsse und Maiskörner. Sie erzählen, dass es in Aerodrome, dem benachbarten Viertel, bereits seit drei Tagen kein Wasser mehr gebe. Einige ihrer Freunde von dort kämen nun herüber, um zu duschen. Auf die Frage, wie denn die anderen Bewohner mit diesem Problem zurechtkämen, zucken sie die Achseln. Wasser- und Stromausfälle sind mittlerweile auch hier im Dorf an der Tagesordnung. Tun kann man dagegen nichts. Die Jugendlichen wollen viel lieber mehr über Europa erfahren, über die kulturellen Unterschiede, die Ausbildungsmöglichkeiten, den Alltag. Bis spät in die Nacht tauschen wir uns aus, während Bobby, das Musiktalent des Dorfes auf dem traditi-
onellen afrikanischen Instrument spielt, der dem Xylophon ähnlichen Marimba. Irgendwann fragt Fideline beiläufig, wie hoch denn die Lebenserwartung bei uns sei. Wir stocken, denn wir wissen, dass es etwa 80 Jahre sind – doch können wir das antworten in einem Land, wo die Menschen durchschnittlich 37 Jahre alt werden? Tags darauf fahren wir durch die Peripherie Binduras. Kleine Häuser und Hütten gleiten vorüber, die Farbe der Wände schon lange verblichen, der Putz abblätternd. In den Vorgärten lagert Müll und Schrott zwischen dürrem, gelbem Gras und länglichen Erdfurchen, in denen nichts wächst. Verrostete, teilweise zertretene Zäune und Gitter trennen die Behausungen. Unser letzter Besuch in Bindura ist zugleich der schwerste. Mit einigen Mitarbeitern des Zentrums fahren wir zum Haus von Archibald und seinen zwei Brüdern. Archibald ist sechzehn Jahre alt, erzählen die Betreuer des Social Centers, wirkt jedoch jünger. Mit 14 schon
ist er Familienoberhaupt geworden und muss sich seither um seine kleinen Brüder kümmern. Sie sind elf und dreizehn Jahre alt. Vor Jahren schon ist ihr Vater an Aids gestorben. Von da an sorgte die Mutter für alles, verdiente Geld und erzog ihre Söhne. Später stellte sich heraus, dass auch sie mit dem Virus infiziert war. In Ermangelung der nötigen Medikamente baute sie körperlich schnell ab und starb 2004. Archibald und seine Brüder waren völlig auf sich gestellt, Grosseltern hatten sie keine mehr. Allerdings gab es noch ein paar entfernte Verwandte, die – wie so oft in solchen Fällen – plötzlich auftauchten und den Jungen einreden wollten, sie selbst seien die neuen rechtmässigen Besitzer des Hauses. Offenbar hatte die Mutter ihren ältesten Sohn noch vor ihrem Tod aber genau darauf vorbereitet. Er wandte sich an das «Social Center», das ihm juristische Beratung und Schutz bot. Neun ähnliche Fälle sind allein in diesem Viertel bekannt. Und im ganzen Land dürften es tausende Kinder sein, die ohne Verwandte vollkommen auf sich gestellt aufwachsen. Auf der Rückreise fällt uns im riesigen Terminal des Flughafens Johannesburg in Südafrika eine grossflächige Anzeige auf. Ein überdimensionierter David Beckham tritt gegen einen Adidas-Ball. Wir erinnern uns an den Direktor der Primary School Maizelands
Irgendwann fragt Fideline beiläufig, wie hoch denn die Lebenserwartung bei uns sei. Wir stocken»
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Croix-Rouge suisse Schweizerisches Rotes Kreuz Croce Rossa Svizzera
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the world is not yet flat Farm, Mafunga. Es war ihm noch wichtig, uns zum Abschluss des Rundgangs ein verdorrtes Stoppelfeld zu zeigen, den Fussballplatz der Schule. Die Fläche fiel zur einen Seite hin stark ab. Mafunga trocken: «You see, there is no level playing field for these kids.» Kannte er den Pulitzer-Preisträger Thomas Friedman, der seinem letzten Bestseller den programmatischen Titel «The World is Flat», «Die Welt ist flach» gab? Das globale Spielfeld ist noch lange nicht eben, die Chancen sind nicht gleich. Und der Fussballplatz der Primary School ist eine traurig-schöne Metapher.
Christian Hambrecht, 20, aus Bamberg, und Max Mäckler, 20, aus Frankfurt, wurden als Preisträger des Schülerzeitungswettbewerbs des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» eingeladen, sich in Simbabwe ein eigenes Bild vom Lernen und Leben benachteiligter Kinder und Jugendlicher in einem der ärmsten Länder der Welt zu machen. Christian bezeichnet sich als «Querdenker und Stadtneurotiker» und interessiert sich fürs «Filmen, Texten und Schauspielern». Max («ich bin weltoffen und liberal») liest gerne und möchte Geschichte studieren.
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portr채t
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Sunshine, der Promihund Miss Schweiz Amanda Ammann als Frauchen zu haben, ist schon etwas Besonderes. Jedenfalls hat der Titel das Leben ihres Tibet-Terriers Sunshine ziemlich auf den Kopf gestellt.
Michael Hochreutener Gymnasium Appenzell Hallo, ich bin Sunshine. Eigentlich bin ich ein ganz normaler Tibet-Terrier. Doch mit Amanda Ammann als Frauchen hab ich alles andere als ein Hundeleben. Denn wer darf sich schon mit Miss Schweiz im Bett kuscheln? Darauf sind natürlich alle Hunde in der Nachbarschaft neidisch. Und ich bin mir sicher, dasselbe gilt auch für gewisse Menschen! Ich bin so glücklich, dass Amanda wieder einmal für eine Weile bei mir ist. Seit ihrer Wahl fehlt sie mir sehr. Und dann beginnt ihr Studium schon bald wieder, und sie geht zurück nach Lausanne in ihre Wohnung, die sie mit ihrem Freund Sebastian teilt. Am Anfang war ich ein bisschen eifersüchtig, aber mittlerweile habe ich mich mit Sebastian angefreundet. Ich bin schon zehn Jahre alt. Und so lange wohne ich auch bei der Familie Ammann. Hier gefällt es mir wunderbar. Schliesslich werde ich so richtig verwöhnt. Amanda meint zwar, ich bekomme nur «grusiges» Essen. Aber soll die doch schwatzen, sie hat ja noch nie davon probiert. Na ja, früher war das Essen nicht immer gut. Als ich dann aber herausfand, dass sie mir immer nur
Katzenfutter gaben, war mir schon klar warum. Also wirklich, wer kommt denn schon auf die Idee, einem Hund Katzenfutter zu geben? Aber mittlerweile werde ich mit richtigem Hundefutter gefüttert. Noch lieber hätte ich natürlich das, was bei der Familie Ammann auf den Tisch kommt. Aber das kriege ich leider nie. Dabei habe ich schon so vieles ausprobiert: Zum Beispiel habe ich furchtbar traurig gejault, so, als ob jemand gestorben wäre. Das hat aber leider nichts geholfen. Deshalb gehorche ich ihnen nur noch dann, wenn ich gerade will. Das heisst, wenn ich etwas zu fressen bekomme. Seit Amanda Miss Schweiz ist, hat sie noch weniger Zeit für mich. Dafür bin ich jetzt ein richtiger Miss-SchweizHund. Amanda hat mir eigentlich versprochen, dass ich mit ihr aufs Titelblatt der Schweizer Illustrierten darf. Übung im Posieren habe ich ja jetzt...
«Früher bekam ich nur Katzenfutter zu fressen»
Michael Hochreutener, 19, aus Gais, entwickelt sich zu unserem fliegenden Reporter. Im Sommer 2006 berichtete er für tango aus der nordisraelischen Stadt Haifa, die von Hisbollah-Raketen getroffen wurde. Michaels obiger Artikel ist hingegen zuerst in der Jugendzeitschrift klugscheisser.ch erschienen. Sein Berufsziel erstaunt uns deshalb nicht: «Wahrscheinlich irgendwas in Richtung Journalismus.»
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reportage
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Frau, Iran, Physik? Frau, Iran, Physik? Passt irgendwie nicht zusammen. Oder doch? Johanna Nyffeler nahm als einzige Westeuropäerin an der 38. Physik-Olympiade teil. Und fand es grossartig.
Während den fünfstündigen Prüfungen...
Johanna Nyffeler Kantonsschule Kreuzlingen Nachdem ich mich bei der nationalen Vorausscheidung für die Internationalen Physik-Olympiade qualifiziert habe, bin ich sehr aufgeregt. Weniger wegen der Physikaufgaben, die mich erwarten, sondern weil ich in ein sehr umstrittenes Land reise: in den Iran. Ich habe viel Negatives über die Politik des iranischen Präsidenten gehört, zudem ist mir etwas mulmig, da ich mich während meines Aufenthalts verschleiern muss. Andererseits bin ich auch neugierig auf die Kultur dieses fernen Landes, denn ich war noch nie ausserhalb Europas – und schon gar nicht in einem Land, dessen Sprache und Schrift ich nicht verstehen kann. Am Flughafen in Teheran wird unser siebenköpfiges Team freundlich begrüsst und in einen Raum für «commercially important persons» gebracht,
Die Teilnehmer/-innen besuchten auch eine Porzellanfabrik 19
frau, iran, physik?
TA N G O - FA C T S
Physik-Olympiade Die Physik-Olympiade findet jedes Jahr in einem anderen Land statt, nächstes Jahr in Vietnam. In der Schweiz werden die fünf Teilnehmer/innen in zwei Ausscheidungsrunden bestimmt. Infos zu der Schweizer Physik-Olympiade gibt’s bei: www.swisspho.ch
Prüfungen Die Prüfungen dauern zweimal fünf Stunden. Es gibt einen theoretischen Teil mit drei Aufgaben, im praktischen Teil mussten 2007 mit Hilfe eines Spektrometers verschiedene Messungen durchgeführt werden. Eine Aufgabe: Betrachten wir einen Kondensator mit parallelen Platten, wie in Abbildung 1 gezeigt. Die Fläche jeder Kondensatorplatte ist A, und der Abstand zwischen den beiden Platten ist d. Der Abstand zwischen den Platten ist sehr klein im Vergleich zu den Abmessungen der Platten. Eine Platte ist durch eine Feder (Federkonstante k) mit einer Wand verbunden. Die andere Platte ist fixiert. Bei einem Plattenabstand d ist die Feder weder gestaucht noch gedehnt. D.h. es wird in diesem Fall keine Kraft auf die Feder ausgeübt. Wir nehmen an, dass die Dielektrizitätskonstante (Permittivität) der Luft zwischen den Platten der Dielektrizitätskonstanten des Vakuums entspricht. Die Kapazität eines solchen Kondensators mit Plattenabstand d beträgt . Wir laden nun die Platten mit +Q and –Q auf und warten bis das System sein mechanisches Gleichgewicht erreicht hat.
1. Berechnen Sie die Kraft FE, die die Platten aufeinander ausüben. 2. Es sei x die Verschiebung der Platte, die mit der Feder verbunden ist. Bestimmen Sie x. 3. Drücken Sie die Spannung V (elektrische Potentialdifferenz) zwischen den Platten des Kondensators in diesem Zustand durch Q, A, d, k aus. 4. Sei C die Kapazität des Kondensators, die als das Verhältnis der Ladung zur Spannung definiert ist. Bestimmen Sie C/C0 als Funktion von Q, A, d, k. 5. Berechnen Sie die in dem System gespeicherte Gesamtenergie U, ausgedrückt durch Q, A, d, k.
Die Lösungen und mehr Informationen gibt es hier: www.ipho2007.ir 20
Brücke in Isfahan
wo wir mit Kuchen, Getränken und iranischem Eis bewirtet werden. Mit dem Bus fahren wir sodann 400 Kilometer durch die Wüste Richtung Süden. Das Ziel unserer Reise ist die Millionenstadt Isfahan, gelegen in einer Oase am Rand des Zagrosgebirges. Hier werden wir von zwei iranischen Betreuern in Empfang genommen, die uns während zehn Tagen begleiten. Die beiden verhandeln für uns auf dem Bazar und schauen, dass wir rechtzeitig an den Prüfungen sind. Besonders zu Beginn macht mir die Hitze sehr zu schaffen. Bei Temperaturen weit über 30 Grad muss ich mich als Frau stets mit langen Ärmeln kleiden und ein Kopftuch tragen. Zudem macht mir das Essen Schwierigkeiten, das hauptsächlich aus Reis, Kebab und Poulet besteht. Doch die Organisatoren geben sich sehr viel Mühe, uns ein erlebnisreiches Pro-
Die Schweizer Delegation
Johanna (rechts) mit Teamguide Zahra
gramm zusammenzustellen. An den prü- zwischen Männern und Frauen sind eifungsfreien Tagen werden die über 300 gentlich nicht erlaubt, und die meisten Jugendlichen in Polizeibegleitung in die jungen Iraner und Iranerinnen scheinen Stadt gefahren, und wir besichtigen ver- diese Weisung zu befolgen. Aber es gibt schiedene Moscheen, den Bazar, einen auch hin und wieder Männer, die mir Blumengarten, ein Forschungszentrum zur Begrüssung die Hand geben. oder eine Porzellanfabrik. An der Olympiade nehmen Am meisten Teilnehmer/-innen «Auch wenn sie beeindruckt mich aus über siebzig aber die FreundLändern teil, und oft in schwarze lichkeit der Iraner. ich lerne JugendliTücher gehüllt sind, Wenn ich aus dem che aus so verschieso erlebe ich die Bus schaue, lädenen Ländern wie cheln mir oft FrauSurinam, Schweiranischen en zu. Auch wenn den, Hongkong, Frauen als sehr sie oft in schwarBrasilien und den aufgeschlossen, ze Tücher gehüllt USA kennen. Wir gebildet und auch sind, so erlebe ich haben noch immer sie als sehr aufgeKontakt zueinansehr neugierig» schlossen, gebildet der, und einige und auch sehr neugierig. Viele Schweizer möchte ich gerne einmal besuchen. Vordenken, die Iranerinnen würden unter- erst aber beginne ich zu studieren. Allerdrückt, doch diesen Eindruck habe ich dings nicht Physik, wie man vermuten überhaupt nicht. könnte, sondern Biomedizin. Denn noch Immer wieder werde ich von den Ira- mehr als für Physik interessiere ich mich nern gefragt, ob ich einen Freund hätte. für Heilpflanzen. Man muss wissen, dass im Iran aussereheliche Beziehungen eigentlich verboten sind, was aber nicht heisst, dass sich alle daran halten... Auch Berührungen
Johanna Nyffeler, 19, aus Kaltenbach, studiert seit letzten Herbst an der Uni Fribourg und strebt eine Laufbahn in der medizinischen Forschung an. Ihre Hobbys: Basteln, Programmieren, Musik machen, Judo und Lesen.
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interview
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«Studium und Spitzensport ergänzen sich» Ist ein Nebeneinander von Leistungssport und Ausbildung überhaupt möglich? – Der Windischer 400-mLäufer Philipp Weissenberger ist seit zwei Jahren Mitglied der Nationalmannschaft und meint: «Ja, definitiv.»
Philipp, in welchem Alter hast du mit der Leichtathletik angefangen? Ich habe erst mit 17 Jahren begonnen, davor habe ich 10 Jahre Fussball gespielt. Welches sind deine persönlichen Bestzeiten über 100, 200 und 400 Meter? Die 100 Meter bin ich in 10,86 Sekunden gelaufen, bei 200 Metern liegt die Bestmarke bei 21,73 Sekunden, und mein Rekord über 400 Meter beträgt 47,32 Sekunden. Worin liegt für dich der Reiz der Sprintdistanzen? Der Vergleich Mann gegen Mann ist faszinierend, wobei die 400 Meter besonders reizvoll sind: Wer zu schnell anläuft, bricht oft ein. Wer sich umgekehrt am Start zu wenig zutraut, kann den Rückstand meist nicht mehr aufholen. Die Rennen 23
studium und spitzensport ergänzen sich
werden oft im Kopf entschieden. Wer über 400 Meter gewinnt, ist meistens kein Überraschungssieger. In vielen anderen Sportarten spielen das Material oder die Bedingungen eine Rolle, im Sprint zählt einzig die persönliche Leistung. Wie oft trainierst du? Ich trainiere vier- bis fünfmal in der Woche, jeweils zwei bis drei Stunden. Im Winter stehen Kraft, Schnellkraft (Hügelund Treppenläufe, Sprünge) und Ausdauer (Intervalltrainings) im Vordergrund. Im Sommer spielen Schnelligkeit (30–100 Meter) und Schnelligkeitsausdauer (100–300 Meter) eine wichtige Rolle. Welches sind bisher deine grössten sportlichen Erfolge? Bei den Schweizer Meisterschaften gewann ich in den vergangenen beiden Jahren jeweils Bronze über 400 Meter. Zudem gewann ich mit der Staffel Gold über 4x 400 Meter und konnte dadurch im Europacup und bei den Militärweltmeisterschaften in Indien teilnehmen. Gab es auch Enttäuschungen? Ja, es gab Rennen, da resultierte eine schlechtere Zeit, als ich mir zum Ziel gesetzt hatte. Aber das motivierte mich nur, noch härter zu trainieren. Meistens bin ich nicht enttäuscht, sondern versuche, die Fehler zu analysieren.
Welche sportlichen Ziele strebst du an? Eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Peking liegt im Moment ausser Reichweite. Ein Einzel- und ein Staffelstart an der EM 2010 in Barcelona scheint ein realistischeres Ziel. Zudem möchte ich natürlich Schweizer Meister über 400 Meter werden. Zu deiner Ausbildung: Du hast eine Lehre als Automatiker und begleitend die Berufsmatura gemacht und nun Elektrotechnik an der Fachhochschule Nordwestschweiz studiert. Lehre, Berufsmatura, Studium, Sport – wie bringst du alles unter einen Hut?
Das ist Einstellungs- und Willenssache und erfordert eine gute Organisation. Das Studium hat Vorrang, rundherum wird das Training geplant. Doch es bleibt auch Freiraum für anderes: Ich klettere und tanze gerne, spiele Fussball oder fahre Snowboard… Übrigens gehe ich auch gerne einmal einen Kaffee trinken oder ins Kino. Also sind Studium und Sport auf hohem Niveau parallel zu schaffen? Ja, definitiv, schliesslich kann ich meine Trainingseinheiten individuell festlegen. In den Teamsportarten, wo viele gemeinsame Trainingseinheiten absolviert werden müssen, ist es sicher schwieriger. Die Doppelbelastung ist für mich eine willkommene Abwechslung, denn ich kann in beiden Bereichen völlig abschalten. Interview: Markus Isenrich
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reportage
ChordergefallenenEngel Singen verbindet. In der TV-Doku-Soap «Chor auf Bewährung» kamen sich Gymnasiastinnen und Bewohner des Jugendheims Aarburg näher.
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«Die Frauen und der Chor gehören zum Heim. Eines Tages gehe ich hier weg und fange neu an.» Luiyi, Kochlehrling
Melissa Müller (Text) Fabian Biasio (Fotos) Zwei glockenhelle Stimmen steigen im Kellergewölbe des Jugendheims empor und schwellen zu einem vibrierenden Klang an. In der Mitte steht Chorleiter Ben Vatter neben einem klapprigen Klavier. Konzentriert dirigiert er, als ziehe er an unsichtbaren Seidenfäden. 22 junge Frauen und Männer wippen zur Melodie. «All for one!», schmettern sie in den Raum – «Alle für einen!» Ihr Gesang ist rein und kraftvoll und fährt durch Mark und Bein. Niemand würde vermuten, dass es sich um einen Chor gefallener Engel handelt. Die neun männlichen 14- bis 19-jährigen Sänger sind sogenannte Problemfälle, die Jugendanwälte, Politiker und Psychologen auf Trab halten. Sie wohnen im kantonalen Jugendheim Aarburg und absolvieren dort eine Lehre oder ein Berufsvorbereitungsjahr. Die Öffentlichkeit hat keinen Zutritt zum
Jugendheim, das in einer Trutzburg untergebracht ist. Die Festung thront auf einem Fels über dem Städtchen Aarburg. Erstmals wirft das Schweizer Fernsehen einen Blick hinter die meterdicken Mauern: mit der Doku-Soap «Chor auf Bewährung», die 13 privilegierte Gymnasiastinnen mit 9 Heimbewohnern aus zerrütteten Verhältnissen zusammenbringt. Zdravko ist einer von ihnen. Er wurde als Baby in ein Heim gebracht. «Die Aarburg ist mein neuntes Heim», sagt der 14-Jährige. Sein Ziel: den Schulabschluss hinter sich bringen. Gymnasiastin Jasmin hat dagegen andere Perspektiven: «Nach der Matura will ich in St. Gallen Jus und Internationale Beziehungen studieren.» Auch Annina will Akademikerin werden – in Recht oder Publizistik. Im Chor singt sie mit, «weil bei uns in Zofingen oft von den ‹bösen Buben der Festung› die Rede ist. Ich will genauer hinschauen.» Vor den Proben machen sich die Jungs fein. «Mit den Frauen gibt es einen geilen Klang», sagt Raffaele, der sich mit einem der Mädchen gut versteht: «Annina will alles über mich wissen. Sie fragt Sachen wie: ‹Häsch e Fründin? Häsch Problem?›» Luiyi sieht die Sache
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chor der gefallenen engel
«Nach dem Singen habe ich immer gute Laune. Das putscht mich auf.» Dardan, 18, Landschaftsgärtnerlehrling
«Endlich mal Frauen, das find ich gut. Ich möchte Kleinkinderzieher lernen oder Behindertenbetreuer.» Harrison, 17, Schnupperlehrling
mit den Frauen nüchterner. «Ich bin ein Typ, der vorausdenkt», sagt der feingliedrige Kochlehrling. «Ich grenze klar ab zwischen dem Heim und dem Leben draussen. Die Frauen und der Chor gehören zum Heim. Eines Tages gehe ich von hier weg und fange neu an.» Sajidan doppelt nach: «Die Frauen gehen nach der Aufführung wieder, und wir bleiben hier», sagt er lakonisch. «Unsere Jugendlichen legen manchmal ein Machogehabe an den Tag. Sie haben ein verzerrtes Frauenbild», sagt Heimleiter Hans Peter Neuenschwander. «Sie müssen lernen, Frauen zu respektieren und sich auch von unseren Sozialpädagoginnen etwas sagen zu lassen.»
Dardan bittet in sein Zimmer. «Nach dem Singen fühle mich aufgeputscht», sagt der sportlich aussehende Albaner. An einer Wand kleben Fotos von einem Säugling. «Das ist der Sohn meines Bruders», sagt der 18-Jährige. «Letzte Woche hatte er seinen ersten Geburtstag.» Ein zärtliches Lächeln breitet sich auf Dardans Gesicht aus. Nicht im Traum käme man auf den Gedanken, dass man mit einem Straftäter plaudert, der, wie die Mehrheit der 48 in der Aarburg wohnhaften Jugendlichen, in seiner Vergangenheit gewalttätig war. «Das ist aber nicht bei allen der Fall», relativiert Heimleiter Hans Peter Neuenschwander und verweist auf das Phänomen der Wohlstandsverwahrlosung: In der Aarburg landen auch Jugendliche aus gut betuchtem Haus die von ihren Eltern nur mit Geld zufriedengestellt wurden. «Auch das sind desolate Zustände, obwohl die Familie den Schein wahrt.» Die Straftaten anderer Heimbewohner sind sehr unterschiedlich: Töfflidiebstahl, Gewalt gegen die Eltern oder in der Freizeit, vereinzelt auch Sexual- oder Tötungsdelikte.
«Hey, das ist das Schönste. Wenn in einem Club alle zu meiner Musik tanzen» Marco, 17, Kochlehrling
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Nesanthan schaut neckisch unter seiner Kapuze hervor. Wenn ich nicht in der Aarburg wär', würde ich in ein Loch fallen», sagt er. Im Chor singt Nesanthan den «Schwan» von Gölä. Der schlanke Tamile zuckt mit den Schultern: «Das Problem ist nur» sagt er, «dass der Schwan weiss ist – und ich bin schwarz.» Dass sieben der neun Chorsänger ausländische Wurzeln haben, ist Zufall: Die Hälfte der Bewohner der Aarburg sind Schweizer. Die meisten Jugendlichen mögen Rap und ahmen die coolen Posen ihrer Vorbilder nach. Im «Chor auf Bewährung» üben sie dagegen Mundartlieder und Schweizer Rocksongs ein. «Das ist für diese Hip-Hop-Fans etwa so weit weg wie eine Sinfonie von Mozart», sagt Chorleiter Ben Vatter. Er windet den Jungs ein Kränzchen: «Sie haben keine Hemmungen, lauthals zu singen.»
Am Anfang hätten sich die Jugendlichen schwer getan bei den Proben. Sie lümmelten gelangweilt auf den Stühlen oder tauchten erst gar nicht auf. Ben Vatter redete ihnen ins Gewissen, bis sie sich aufrappelten. «Die ganze Gruppe verhält sich im Alltag engagierter, seit wir singen», sagt Sozialpädagoge Heinz-Günther Sussdorf. Auch Ramon taut beim Singen auf. Und er hat mit einer Sängerin angebandelt: In der Chorpause sieht man die beiden händchenhaltend. In seinem Zimmer faucht ein Leopard von einem Poster neben Plakaten der Böhsen Onkelz. «Die Böhsen Onkelz singen von Kummer und Schmerz», erklärt Ramon. Später will er als Friedhofsgärtner arbeiten. Marco will DJ werden. «Hey, das ist das Schönste: wenn in einem Club alle zu meiner Musik tanzen.» In der Aarburg absolviert er eine Lehre als Koch – falls es mit der DJ-Karriere nicht klappt. Und Harrison denkt darüber nach, Kleinkind-erzieher zu werden. «Letztes Jahr haben zwölf Jungs ihren Lehrabschluss geschafft», sagt Heimleiter Neuenschwan-
«Die Böhsen Onkelz singen von Kummer und von Schmerz. Das passt zu meiner Situation» Ramon, 19, Zierpflanzengärtner
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chor der gefallenen engel
«Wenn ich nicht in der Aarburg wär', würde ich in ein Loch fallen.» Nesanthan, 17, Malerr
der stolz. «Alle fanden eine Stelle und konnten fürs Erste in die Gesellschaft integriert werden.» Eine Studie über dauerhafte Erfolge der Resozialisierung gibt es nicht. «Es kommt jedoch vor, dass ein Jugendlicher eine Freundin findet, die ihn weiterbringt als alle professionelle Pädagogik», sagt er. «Andere erleben einen Schlüsselmoment, der ihrem Leben ein überraschende Wendung gibt: Ein Gespräch. Ein Buch. Erfolg in der Lehre. Oder eben ein Projekt wie ‹Chor auf Bewährung›. Darauf hoffen wir.» Ende der Singprobe: Die Rockschnulze «Heaven» von Gotthard ist verklungen. Die Jugendlichen stürmen ins Freie. Die Mädchen werden mit dem Auto abgeholt. Die Jungs bleiben hinter verriegelten Türen zurück. Auf dem dunklen Innenhof glühen zwei Zigaretten auf. Es sind Raffaele und Ramon, sie sind aufgewühlt und singen in den Nachthimmel: «Let me find my piece of Heaven…»
«Die Aarburg ist mein neuntes Heim. Mein Ziel: den Schulabschluss hinter mich bringen.» Zdravko, 14, Schüler
Melissa Müller, 29, brach einst die Kanti nach drei Jahren ab, machte verschiedene Praktika und entschied sich für den Journalismus. Im Moment arbeitet sie als Volontärin für die «Schweizer Familie», wo dieser Beitrag zuerst erschien. «Wenn ich an die Mittel- und Berufsschule zurückdenke, dann kommt mir spontan Folgendes in den Sinn: Pickel, Prüfungsstress, Frontalunterricht – zum Glück habe ich das hinter mir.»
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kurzgeschichte
Gassenwelt Er konnte nicht mehr gehen, lag blutend, halb totgetrampelt in der schützenden Gasse und obwohl es Zeit war, hörte er keine Kir– chenglocke. Noch war Zeit. Livio Marc Stöckli Wirtschaftsmittelschule Liestal Im Dienst ohne Waffe. Ein Lachen, mehr ein Schluchzen, drang aus seiner Gasse in die noch dunklere Stadt. Kaum merkbar und ohne Einfluss lagen Geldstücke, Fetzen vom Reichtum Krankhafter und Reicher, um ihn verstreut in alle Himmelsrichtungen, in denen, auch wenn’s nur der Gütige, der Stille und Furchtlose sahen, seit geraumer Zeit die Sonne missfiel, sogar sich selbst. In seinem braunen Mantel beschaute er die grosse Welt und war und blieb froh, dass er ihr nie wirklich anvertraut wurde, auch wenn es ihn fror. Noch Zeit. Marschierende Massen, Paradengang, Einklang ersehnend, immer noch, wo er doch schon längst übertrieben war. Die Gasse vermochte das hypnotisierende Trommeln zu verschlingen in ihrer Einzigartigkeit, die sie prägte und so wundervoll erscheinen liess. Diese Gasse beherbergte ihn wie eine Mutter es zu tun pflegte, schütze ihn vor den Bomben und der Mitteilungswelt, die grob durch die breiten Strassen
«The dwarf with his hands on backwards sat, slumped like a half-filled sack on tiny twisted legs from which sawdust might run, outside the three tiers of churches built in honour of St Francis, brother of the poor, talker with birds, over whom he had the advantage of not being dead yet.» Assisi, Norman MacCaig
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schritt und diese noch breiter pflügte. Er konnte nicht mehr gehen, lag blutend, halb totgetrampelt in der schützenden Gasse und obwohl es Zeit war, hörte er keine Kirchenglocke. Noch war Zeit. Es war jemand in der Nähe, denn die Leute schrien; ein Magier musste es sein, jemand, der einst auf eine Wiese kam und einen Wald hinterliess und nun im Jubel tauchte und seine Schätze zu werten wusste. Zitternde, abgemagerte Hände küssten seit Tagen den Grund des Gassengrabens. Eine Abend-Serenade tänzelte durch seine Gasse und umhüllte ihn mit Schweigen, stützte ihn, schwebte mit ihm über Köpfe von Singenden, und sein Blut befleckte ihre Hemden, deren Weiss grau war. Von weit läutete die Totenglocke. Die Zeit war nicht mehr.
Livio Marc Stöckli, 19, aus Pratteln, liebt es, den Soundtrack seines Lebens zusammenzustellen und auf Bänken die Welt zu betrachten. Berufsziel: «den Regen umzudrehen.» Selbstcharakterisierung: «Kaum kann ich mich vom Winde unterscheiden, der vergesslich die Höhen über der Stadt streichelt. Der Rest wurde verweht.»
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report
Les Fleurs du Mal In ihrer Maturitätsarbeit setzt sich Marie Francine Lagadec künstlerisch mit Gedichten von Charles Baudelaire auseinander. Innovativ verbindet sie verschiedene Gestaltungstechniken so miteinander, dass reale Wirklichkeiten kombiniert mit imaginären Vorstellungen neue poetische Welten ergeben.
Marie Francine Lagadec Kantonsschule Oerlikon Im Französischunterricht behandelten wir einige Gedichte von Charles Baudelaire, die mir – obwohl ich natürlich nicht alle Nuancen verstand – gefielen und mich faszinierten. Das Besondere war, dass wir die Gedichte auch in Zusammenhang mit anderen Künsten betrachteten – beispielsweise mit Musik und (zeitgenössischen) Illustrationen. Ich entdeckte so die Poesie ausserhalb des gewöhnlichen Schulunterrichtes und wusste nun, dass Baudelaires Gedichte ein Teil meiner Maturarbeit sein würden. Da ich jedoch nicht nur die Gedichte analysieren wollte, beschloss ich, sie zu illustrieren. Somit vereinigte ich zwei meiner Leidenschaften und machte mich voller Enthusiasmus an die Arbeit. Um nicht am Aufwand zu scheitern, beschränkte ich mich auf die drei Gedichte «Bénédiction», «L‘invitation au voya36
«Im Gedicht wird die Diskrepanz zwischen dem Schönen, Künstlerischen und Erhabenen und dem Verdorbenen, Niederträchtigen und Dämonischen spürbar»
ge» und «Danse macabre». Dabei ging ich vom französischen Original aus. Für diesen Artikel habe ich das Gedicht «Bénédiction» ausgewählt, da es in der Gedichtsammlung am Anfang steht und es Baudelaires Auffassung von sich als Künstler sowie seine Pflichten zum Thema hat. Im Gedicht ist die Diskrepanz zwischen dem Schönen, Künstlerischen und Erhabenen – also den «fleurs» – und dem Verdorbenen, Niederträchtigen und Dämonischen – dem «mal» – besonders deutlich gezeichnet. Das Gedicht hinterliess bei mir, durch die zahlreichen kräftigen Bilder, die es hervorruft, einen starken und bleibenden Eindruck. Die Illustrationen, die ich dazu anfertigte, sind von Hand überarbeitete Fotografien. Die meisten stammen von einem dreitägigen Aufenthalt in Paris während meiner Sommerferien und halten meine Eindrücke vom «Spleen de Paris» sowie die Hinterlassenschaften Baudelaires fest. Die Überarbeitung machte ich in den meisten Fällen mit Tipp-Ex,
Kugelschreiber und Buntstiften. Die von mir selbst konzipierten Bilder begann ich direkt mit Kugelschreiber oder einem Tuschestift. Des Weiteren verwendete ich auch Bilder von beispielsweise Henri Matisse, die bereits Illustrationen zu den ausgewählten Gedichten sind, und überarbeitete sie so, dass sie meiner Interpretation entsprachen. Ich wollte mich bezüglich der Arbeitstechniken und Materialien nicht auf dünnes Eis begeben, da schon die Aufgabenstellung genügend anspruchsvoll war.
TA N G O - FA C T S
LES FLEURS DU MAL Vor 150 Jahren erschien in Paris der erste Gedichtband von Charles Baudelaire mit dem Titel «Les Fleurs du Mal» («Die Blumen des Bösen»). Das Echo auf den schmalen Band war gewaltig – nur kam es nicht vonseiten der Literaturkritik, sondern von der Staatsanwaltschaft. Baudelaire wurde wegen «Gotteslästerung und Beleidigung der öffentlichen Moral» zur Streichung von sechs Gedichten und zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt. Heute gelten «Die Blumen des Bösen» als ein zentrales Gründungsdokument der literarischen Moderne. «Wer dieses Buch öffnet», schreibt der Schriftsteller Michael Krüger, «sollte alle Hoffnung fahren lassen: Es ist ein Brevier der Negativität, in dem nichts von dem ausgelassen ist, was der Lauf der Welt an Unrat und Verderbnis an die Oberfläche gespült hat».
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les fleurs du mal
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Segen 1
Wenn nach des Himmels mächtigen Gesetzen Der Dichter kommt in diese müde Welt, Schreit seine Mutter auf, und voll Entsetzen Flucht sie dem Gott, den Mitleid selbst befällt.
Doch ich will deinem Hasse nicht erliegen, Ich wälz ihn auf das Werkzeug deines Grolls Und will den missratnen Baum so biegen, Dass keine Frucht entspringt dem faulen Holz.»
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«Warum gebar ich nicht ein Nest voll Schlangen, Statt dieses Spottgebilds verwünschter Art! Verflucht die Nacht, in der mein Bauch empfangen, Da flüchtiger Lust so bittre Strafe ward!
So presst sie geifernd ihren Grimm zusammen, Nichts ahnend von des Himmels Schluss und Rat, Und schürt sich in Gehenna selbst die Flammen Für ihre mütterliche Freveltat.
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Was wähltest du mich aus von allen Frauen, Dem blöden Mann zur ekelvollen Wut, Was werf ich nicht die Missgeburt voll Grauen Gleich einem Liebesbrief in Feuersglut!
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Denn alle, die er liebt, voll Scheu ihn messen; Weil seine Sanftmut ihren Groll entfacht, Versuchen sie ihm Klagen zu erpressen, Erproben sie an ihm der Rohheit Macht.
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Sie mischen eklen Staub in seine Speisen, Beschmutzen jedes Ding, dem er sich naht. Was er berührt, sie heuchelnd von sich weisen, Und schreien «wehe», kreuzt er ihren Pfad.
Indessen zieht ein Engel seine Kreise, Und der Enterbte blüht im Sonnenschein, Und zu Ambrosia wird ihm jede Speise Und jeder Trank zu goldnem Nektarwein. Zum Spiel taugt Wind ihm, Wolken und Gestirne, Berauscht von Liedern zieht er durch sein Reich, Und traurig senkt der Engel seine Stirne, Sieht er ihn sorglos, heitern Vögeln gleich.
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Auf öffentlichem Markt, wie eine Dirne, Höhnt laut sein Weib: «Da mir sein Beten gilt, So will ich auch vom Sockel bis zur Stirne Vergoldet sein gleich einem Götzenbild.
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Berauschen will ich mich an Weihrauch und Essenzen, An Wein und Huldigung mich trinken satt, Und da er göttergleich mich will bekränzen, Werd ich beherrschen ihn an Gottes Statt! Und will die Posse mir nicht mehr gefallen, Pack ich ihn mit der schwachen, starken Hand, Mit meinen Nägeln wie Harpyenkrallen Zerfleisch ich ihn, bis ich sein Herze fand.
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Gleich einem jungen Vogel fühl ichs zittern, Zuckend und rot wirds meiner Hände Raub, Und um mein Lieblingstier damit zu füttern, Werf ich es voll Verachtung in den Staub!» Zum Himmel, zu dem ewigen Strahlensitze Hebt fromm der Dichter seine Hände auf, Und seines lichten Geistes weite Blitze Verhüllen ihm des Volks blindwütigen Häuf: «Dank, dir, o Gott, der uns das Leid liess werden, Das uns erlöst aus tiefer Sündennacht, Das reine Elixier, das schon auf Erden Die Starken deiner Wonnen würdig macht!
Dem Dichter wahrst du deiner Sitze besten Inmitten seliger Legionen Schar, Ich weiss, du lädst ihn zu den ewigen Festen Der Herrlichkeit und Tugend immerdar. Ich weiss, nicht Welt noch Hölle macht zum Hohne Den einzigen Adel, den der Schmerz verleiht. Ich weiss, auf meinem Haupt die Wunderkrone Muss leuchten über Welt und Ewigkeit. Ich weiss, dass Schätze, die versunken schliefen, Dass Gold und Edelstein aus finstrem Schacht, Dass Perlen, die du hebst aus Meerestiefen, Nicht würdig sind für dieser Krone Pracht. Denn sie ward aus dem reinsten Licht gesponnen, Das der Urflamme heiliger Herd besass, Des Menschen Blick, die leuchtendste der Sonnen Erlischt vor ihrem Glanz wie mattes Glas.»
Marie Francine Lagadec, 18, aus Regensdorf, besucht die Kantonsschule Oerlikon. Sie zeichnet leidenschaftlich gerne, tanzt, liest und besucht oft Museen und Theater. «Ich bin charakterstark und scheue vor Anstrengung nicht zurück. Ich entscheide mich meist sehr schnell, bin aufbrausend, launisch, verletzlich und anspruchsvoll», sagt die zukünftige Kunststudentin.
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Der Informationsnachmittag findet statt an der Hochschule für Heilpädagogik, Schaffhauserstrasse 239, 8057 Zürich.
Schaffhauserstrasse 239 Postfach 5850 CH-8050 Zürich Tel 044 317 11 11 - info@hfh.ch www.hfh.ch
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Weitere Informationen und Anmeldung unter www.infotag.unisg.ch Universität St.Gallen (HSG) Dufourstrasse 50, 9000 St.Gallen, Schweiz Tel. +41 (0)71 224 37 02, Fax +41 (0)71 224 28 15 E-Mail: info@unisg.ch
www.unisg.ch
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Das Ende der Kindheit
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Kathrin Bauer Gymnasium Mühldorf am Inn «Ich will dich nicht erschrecken, aber du bist schwanger!» Nadine kann es nicht glauben, will es nicht glauben. Sie starrt auf den Bildschirm. Dieses Ultraschallbild soll ein Baby zeigen? In ihrem Bauch?! Aber... sie ist doch erst 14! Gedanken und Gefühle überfluten sie. Reissen sie mit. Kreisen um das Baby, ihre Eltern und landen schliesslich bei Lex (Name geändert), dem Vater des Babys. Wie sie ihn in Mühldorf kennen lernte. Wie sie sich in ihn verliebte – in den 24-Jährigen mit den vielen Tattoos und Piercings. Wie sie zum ersten Mal bei ihm in der Wohnung war und… wie er ihr Druck machte: «Komm, is’ doch nichts dabei.» Nadine wollte eigentlich nicht mit ihm schlafen. Aber sie musste ihn unbedingt haben, also tat sie es doch. Irgendwann fand sie heraus, dass Lex fremdging, und machte Schluss. Die grosse Liebe war vorbei, nicht aber die Angst: Die Angst, die sie seit jener Nacht verfolgte, die Angst schwanger zu sein. Nadine starrt immer noch auf die weissen Flecken am Monitor. «Soll ich es deiner Mutter sagen, wenn sie zum Putzen kommt oder möchtest du?», fragt Dr. Karsten. Aber Nadine kann es nicht. Sie soll dann halt erst einmal in die Schule gehen und nachher wiederkommen, meint der Arzt. Wie betäubt verlässt sie die
Praxis. Auf dem Weg zur Schule nimmt sie nichts wahr. Niemanden. Als ob es die Menschen um sie herum nicht gäbe. Nur noch sie und dieses Kind in ihrem Bauch. Und Angst... In der Schule vertraut sie sich einigen Freunden an. Verstehen kann sie keiner. «Mit wem?» «Wann?» «Wenn ich schwanger wäre, würde ich es zur Adoption freigeben.» «Ich würde die Treppe solange raufund runterlaufen, bis ich das Kind verliere.» «Ich würde abtreiben.» «Sie haben recht», denkt Nadine, «ich will das Baby nicht. Ich will es nicht. Ich kann das nicht!» Als sie am Nachmittag die Tür zum Arztzimmer öffnet, kauert ihre Mutter auf einem Stuhl und weint. Nadine fühlt sich schlecht, weil ihre Mutter ihr nicht mehr vertrauen kann. Langsam geht Nadine zu ihr und stellt sich hinter sie. «Von wem ist es?» – «Er ist 15, aus Waldkraiburg. Ich kenne ihn schon lang», lügt Nadine. Sie schafft es einfach nicht, ihr die Wahrheit zu erzählen: Dass es der Typ ist, von dem ihr die Mutter immer abgeraten hat. Der Typ mit den vielen Tattoos und Piercings, der fast doppelt so alt ist wie sie. An diesem Tag putzen sie gemeinsam die Praxis. Nadine staubt gerade das Fensterbrett mit den Topfblumen ab, als ihre Mutter meint: «Du, ich werde das Gefühl nicht los, dass du mir nicht die Wahrheit sagst.» – «Das Baby ist von Lex.» In der nächsten Woche geht Nadine nicht in die Schule. Sie verlässt kaum ihr Zimmer und weint. Sie hat Angst. Angst vor dem Baby. Angst, dass es ihr Leben auf den Kopf stellen wird. Noch in derselben Woche geht sie mit ihrer Mutter zum Aldi, wo Lex arbeitet. Nadine legt Süssigkeiten auf das Fliessband. An der Kasse sitzt er: die Haare zurückgegelt,
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das ende der kindheit seine Lederjacke lässig über den Stuhl geworfen, cool wie immer. Wut kommt in Nadine auf. «Warum hast du mir bloss Druck gemacht? Warum? Wegen dir bin ich schwanger. Wegen dir!», brüllt sie ihn an. «Das macht 6.25», lautet seine Antwort. «Und du willst 24 sein, du Feigling», denkt sie und verlässt wortlos den Laden. Nadine weiss, dass es für eine Abtreibung zu spät ist. Eine Woche später sitzt sie wieder in der Schule. «Die Klasse kriegt Zuwachs, Nadine ist schwanger.» Obwohl sie findet, dass ihr Klassenlehrer das gut rübergebracht hat, möchte Nadine einfach aufstehen und abhauen. Nicht die Schwangere sein. Nicht wie ein Tier im Zoo von ihren Mitschülern angegafft werden. Als sie in der Pause ihre Schuhe anziehen will, kommen Mädchen zu ihr, die Nadine nicht leiden können. «Heb mal dein T-Shirt hoch, sieht man schon was?» – «Warum kümmern sich diese Idioten nicht um ihren Dreck?», schiesst es Nadine durch den Kopf. «Warum hilft mir keiner? Warum?» Nadine will reden. Mit jemandem, der sie versteht, versteht, wie sie sich fühlt. So jemanden findet sie bei der Schwangerschaftsberatung. Die Frau dort hört ihr zu, verurteilt sie nicht, sondern unter-
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stützt sie. Dank ihrer Hilfe kann sich Nadine im siebten Monat auf ihr Baby freuen. Sie hat jetzt auch einen Namen für ihr Kind: Nico. Kurz vor der Geburt trifft sie Lex zufällig noch einmal. Er steht an einer Tankstelle, die Hände in den Hosentaschen. Seit er von ihrer Schwangerschaft erfahren hat, versteckt er sich. Nadine ist mit einer Freundin unterwegs. Sie schreit ihn an. Er schaut ihr nicht in die Augen. Nicht einmal auf ihren Bauch. Vier Wochen später wird Nadine ins Krankenhaus gebracht. Vor der Entbindung hat sie sich gewünscht, dass Nico bald kommt. Aber als es so weit ist, geht ihr alles zu schnell. Nach der Geburt registriert sie nicht einmal, wie die Krankenschwester Nico in ein Tuch wickelt und ihr auf den Bauch legt. Es ist 21 Uhr. Sie will nur noch schlafen. Zwei Tage später möchte sie ihn neben sich haben. Noch hat Nadine Angst, ihn auf den Arm zu nehmen. Er wirkt so zerbrechlich. Nico stellt Nadines Leben auf den Kopf. Sie hat keine Freizeit mehr, kann ihre Freunde nicht treffen. Vormittags, wenn ihr Vater babysittet, paukt sie in der Schule, nachmittags muss sie Nico füttern, wickeln und sich um ihn kümmern, abends lernt sie, und oft raubt der Kleine ihr den Schlaf. In der Schule denkt keiner daran, auch ihre Freunde nicht. «Hey Mann, was geht denn mit dir ab, du Loserin!», hört sie oft. Nicht einmal ihre beste Freundin Isabelle, die ihr einst Hilfe versprochen hatte, kann sie verstehen. Sie hört auf einmal auf, Nadine anzurufen. Nach einem Streit
löst sich die Freundschaft ganz. Jetzt ist sie 17, hat ihren Schulabschluss nachgeholt und sucht Arbeit. Nicos Vater ist ihr egal. Den Kleinen mit den rotblonden Locken und den dunkelbraunen Kulleraugen hat er noch nie gesehen. Nadine will ihn ihm auch nicht zeigen. Bis heute hat er keinen Unterhalt bezahlt. Er ist immer wieder umgezogen, um sich davor zu drücken. Doch Nadine ist froh, dass es damals zu spät für eine Abtreibung war. Heute würde sie ihren kleinen Schatz nicht mehr hergeben. Nie! Sie ist stolz auf Nico und das Schönste ist, dass er sie braucht. Sie wünscht sich einen Vater für ihn, der Verantwortung übernimmt und ihr hilft, auf eigenen Beinen zu stehen. Man sieht ihr an, dass sie zehn Jahre «übersprungen» hat. Aber diese Zeit möchte sie jetzt nachholen. So geht sie abends wieder öfter aus oder zu einer Freundin, einfach um zu reden. Sie wünscht sich, dass es keine Vorurteile mehr gegenüber jungen Müttern gibt. Dass es nicht heisst: «Die können sich doch nicht um ein Kind kümmern!» Als ich sie noch frage, ob ich in meiner Reportage ihren Namen ändern soll, sagt sie bestimmt: «Nein. Es ist passiert und ich stehe dazu.»
Kathrin Bauer, 16, aus Neumarkt Sankt Veith, bezeichnet sich als «neugierig, unternehmungslustig, gern unter Leuten» und möchte später einmal Journalistin werden. Sie schreibt bereits heute fleissig Artikel für die Schülerzeitung, liest, reitet und spielt gerne Klavier. Sie würde gerne ein halbes Jahr nach England oder in die USA gehen.
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kurzgeschichte
Im Regen
Er hatte gesagt, sie sei es. Sie sei diejenige, die er an seiner Seite haben wolle. Für immer. Bis August. Dann aber war der Regen gekommen, und alles war anders geworden.
Anina Albonico Kantonsschule Küsnacht Anna stand im Regen. Einfach so. Sie stand da, allein, völlig allein und versuchte die kalten Tropfen zu fühlen. Es war kein Sommergewitter. Das Wasser war eiskalt, als wollte es die Kälte in ihrem Herzen verstärken. Annas Lippen glichen einem Eisblock, doch sie nahm es nicht wahr. Alles, was sie fühlte, war die Kälte. Diese ungewohnte, vernichtende Kälte mitten im Sommer. Ein paar Tage zuvor hatte es die Sonne noch gegeben. Anna wusste das, doch sie konnte sich nicht mehr erinnern. Vergessen waren alle warmen Momente und die feinen Strahlen des Lichts. Sie sah und fühlte nur noch die dunkle Nässe um sich herum. Der Regen half ihr, ihren Körper zu beruhigen. Er fuhr in sie, durchnässte die kleinsten Stellen ihres Daseins und verhinderte das Ausbrechen von Gefühlen, die sie noch nicht zulassen konnte. Aber das Wichtigste war, dass er ihr Herz gefrieren liess. Er hatte gesagt, sie sei es. Sie sei diejenige, die er an seiner Seite haben wolle. Für immer. Bis August. Dann aber war der Regen gekommen, und alles war anders geworden. Anna wusste nicht, was sie hätte besser machen können. Sie hatte ihm alles gegeben. Sie würde ihm auch jetzt noch alles geben, auch wenn es falsch war. Der Regen schaffte es nicht, alles von ihr wegzuwaschen. Sie konnte seine Hände überall auf ihrem Körper spüren. Die Stränge, die sie beide zusammengehalten hatten, schienen stark. Wetterfeste Seile, die, wie es ihr damals schien, jedem noch so wilden Gewitter hätten entgegenwirken können.
Doch es war nie eines gekommen. Der Himmel war stets blau gewesen. Natürlich hatte es ab und zu eine Wetterveränderung gegeben, doch zu mehr als einem leichten Regen war es nie gekommen. Der Himmel war unnatürlich blau und auf keine Gewitter vorbereitet. Einzig der Wind hatte angefangen, leicht und leise an den Blättern der Bäume zu rütteln, war zuerst sanft durch die Hügel geweht und hatte die Seile ins Flattern gebracht. Schliesslich hatte er Wolken aufziehen lassen und die Gefühle davongetragen. Und dann machte sie den entscheidenden Fehler. Er sagte, es täte ihm leid. Ein Blick von ihm, und vergessen waren der Regen, die Schmerzen und die Kälte. Zu verführerisch war die Aussicht gewesen, ihn wieder spüren zu können. Nicht mehr diese endlose Leere in sich dulden zu müssen. Zu sehr hatte sie sich danach gesehnt, nicht mehr allein auf ihre Träume warten zu müssen. Sie versuchte sich erneut einzureden, das sei das Glück. Zu sehr in ihrer Traumwelt verstrickt, wollte sie nicht sehen, was anderen unübersehbar schien. Das Glück blieb nicht lange. Anna sass da und zählte die Tage. In ihrem Kopf herrschte Chaos. Der Sommer am Strand. Das unterkühlte Hotelzimmer. Das leuchtend farbige Riesenrad. Die Rosen. Sie versuchte, einen Grund zu finden und alle Fragen aufzuklären, für die nur er allein die Antwort kannte. Irgendwann würde sie sehen können, dass es einen Sinn hatte. Alles.
Sie hatte ihm alles gegeben. Sie würde ihm auch jetzt noch alles geben, auch wenn es falsch war.
Anina Albonica, 19, aus Erlenbach, hat sich nach der Matura an der Kantonsschule Küsnacht nach Neuseeland aufgemacht und will bald Geschichte und Soziologie studieren. Anina: «Ich kann nicht ohne meine Freunde, TV-Serien, die Farbe Türkis und labellos sein und bin auf der auf der Suche nach einer Aufgabe im Leben.»
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beratung
Mein Ex-Freund liebt mich noch, aber...
Was kann ich tun, um meiner Schwester, die an Ess-Brechsucht leidet, zu helfen? Ab welchem Alter ist es erlaubt, Wasserpfeife zu rauchen? Warum blockt meine Freundin immer ab, wenn ich zärtlich werden möchte? Wie sollen wir ein Gespräch mit unserem Lehrer führen? – Das Beratungsteam von tschau.ch beantwortet deine Fragen.
Wohlsein
MEINE SCHWESTER LEIDET AN BULIMIE
Meine Schwester leidet an Ess-Brechsucht. Bei jeder Mahlzeit schlägt sie sich so richtig den Bauch voll, und sie isst auch laufend nebenbei Süssigkeiten. Danach geht sie immer ins Bad und erbricht. Sie braucht wohl ernsthaft Hilfe, um ihre Essgewohnheiten in den Griff zu bekommen. Wenn ich sie frage, ob es ihr gut gehe, sagt sie immer ja, ab und zu meckert sie über bestimmte Vorfälle in der Schule, aber sonst sagt sie nichts. Sie spricht zwar sehr viel, aber nicht über ihre Emotionen... Ich möchte ihr gerne helfen, aber ich weiss nicht wie, da sie sich ja nicht helfen lassen will. Habt ihr eine Idee, was ich beziehungsweise unsere Familie tun kann, um meiner Schwester zu helfen?
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Es ist verständlich, dass du und deine Eltern euch um eure Schwester Sorgen macht. Viele junge Frauen leiden an Essstörungen, und es ist meistens so, dass sie dies so lange wie möglich vor ihrem Umfeld und auch vor sich selbst verstecken. Daher ist das Gespräch und die Konfrontation von aussen ein wichtiger, oft entscheidender Anstoss für die Betroffenen, sich Hilfe zu holen. Versucht dabei nicht vorwurfsvoll oder wertend zu sein. Du kannst ihr mitteilen, dass ihr euch Sorgen macht. Ihr könnt aber auch versuchen, ihr bei den verschiedensten Gelegenheiten ein positives Feedback zu geben, das nicht im Zusammenhang mit dem Essen steht («Du siehst heute sehr schön aus», «Du hast das super gemacht», etc.). Für mehr Informationen und Tipps zum Thema kannst du ausserdem die Arbeitsgemeinschaft Essstörungen (www.aes.ch) kontaktieren. Viel Mut und Kraft und alles Gute, dein tschau.
Sexualität
WARUM BLOCKT SIE IMMER AB?
Ich bin mit meiner Freundin seit sechs Monaten zusammen, und ich liebe sie wirklich sehr. Wir hatten bisher noch keinen Sex und auch sonst kaum Zärtlichkeiten. Ich bin 20, sie ist ein Jahr jünger. Am Anfang dachte ich, es liege daran, dass sie einfach noch nicht so weit ist. Natürlich versuche ich es immer wieder, zärtlich zu werden, indem ich sie streichle oder so. Wenn ich sie darauf anspreche, sucht sie nach Ausreden… Ich getraue mich schon fast nicht mehr, sie zu berühren, weil ich Angst vor ihrer abweisenden Reaktion habe. Was ist los mit ihr? Was kann ich machen? Kann es sein, dass sie schlechte Erfahrungen machte oder gar vergewaltigt wurde? Wie soll ich mich verhalten?
Beziehungen
Versuche, mit deiner Freundin zu reden und ihr zu sagen, dass du sie liebst, dass du dich danach sehnst, sie zu berühren, mit ihr zu schlafen, und dass du dir Sorgen machst um sie, aber auch um eure Beziehung. Du kannst sie fragen, ob sie eine Erklärung hat für ihr Verhalten und ob sie etwas Schlimmes erlebt hat. Sollte sich dein Verdacht bestätigen, könntest du deiner Freundin Mut machen, sich bei einer Opferberatungsstelle zu melden und sich dort Unterstützung und Hilfe zu holen. Sollte sich dein Verdacht nicht bestätigen, weil nichts dergleichen passiert ist oder sich deine Freundin nicht bewusst daran erinnert oder es auch verdrängt, kannst du sie fragen, wie sie sich denn eure Beziehung weiter vorstellt. Was sie sich wünscht, was sie für Vorstellungen hat und ob sie vor etwas Angst hat. Liebe Grüsse vom tschau
MEIN EX-FREUND LIEBT MICH NOCH, ABER…
Ich war ein Jahr mit meinem Freund zusammen, doch vor zwei Monaten hat er Knall auf Fall Schluss gemacht. Weil er die Schule wechseln müsse und viel Zeit mit Fusball verbringe, habe er keine Zeit mehr für mich! Meine Freundin rief ihn an und fragte ihn, ob er mich noch liebe, was er bejahte, aber dennoch habe er keine Zeit. Ich möchte ihm irgendwie sagen, dass er mir sehr viel bedeutet, und mit ihm vernünftig sprechen, aber ich weiss nicht, wie ich das anstellen soll. Bitte helft mir.
Ich verstehe, dass du deinen Ex-Freund zurückhaben möchtest. In einer Beziehung kommen bei den Partnern manchmal die Gedanken oder die Gefühle auf, dass man für den Partner nicht der Richtige sei, sei dies, weil man zu wenig «gut» ist oder nicht das geben kann, was das Gegenüber scheinbar verdient. Vielleicht hilft es, wenn du ihn bittest, sich mit dir an einem neutralen Ort zu treffen. So kannst du ihm deine Situation und deine Gefühle mitteilen. Vielleicht kannst du ihm auch sagen, dass du nicht verlangst, dass er sich jede freie Sekunde mit dir beschäftigt, und dass du es verstehst, dass er viel Zeit mit Fussball verbringt. Wenn er abblockt, so versuche, mit einer Kollegin oder einem Kollegen über deine Situation zu sprechen. Unternimm etwas, geh fort, ins Kino, lenke dich ab. Alle Menschen entwickeln verschiedene Rituale, um mit negativen Erlebnissen trotzdem auf eine gute Weise abzuschliessen und so das Leben wieder geniessen zu können. Alles Gute, dein tschau
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RZ_Persins_2332_Handballer
29.8.2006
8:34 Uhr
Ich bin Polizist
bei der Stadtpolizei Zürich.
Bleistift oder Laptop? Sie wünschen sich eine pädagogische Ausbildung, die Tradition und Innovation verbindet? An der Pädagogischen Hochschule des Kantons St.Gallen erwartet Sie nicht nur in dieser Beziehung ein bestens ausgewogenes Studium. Weitere Informationen: Pädagogische Hochschule des Kantons St.Gallen, Notkerstrasse 27, 9000 St.Gallen, Telefon 071 243 94 00 oder www.phsg.ch
Pirmin 31, Handballer
LUST, BEI
Polizistin oder Polizist in der grössten Schweizer Stadt zu sein, ist spannend und anspruchsvoll – im Streifenwagen, auf dem Motorrad, auf dem See, in Uniform oder in Zivil. Für diese aussergewöhnliche Aufgabe brauchen Sie Motivation, Besonnenheit und eine gute Ausbildung. Aufgeweckte, kontaktfreudige 20- bis 35-jährige Schweizerinnen und Schweizer mit Berufsabschluss, Matur oder anerkanntem Diplom bilden wir während zwei Jahren bei vollem Lohn zu verantwortungsbewussten, kompetenten Polizistinnen und Polizisten aus. Unsere künftigen Mitarbeitenden sollten körperlich fit und mental belastbar sein.
MITZUMACHEN? MEHR INFOS SEITE 34 UND 35
Tag für Tag an vorderster Front dabei sein. Ein angesehener, vielseitiger und fordernder Beruf! Wenn Sie die Herausforderung annehmen möchten, bestellen Sie die Bewerbungsunterlagen bei der Stadtpolizei Zürich: Personalwerbung Polizeischule, Postfach, 8023 Zürich, Telefon 044 411 92 16/17 oder über www.stadtpolizei.ch
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mein ex-freund liebt mich noch, aber...
Beziehungen
WIE SOLLEN WIR EIN GESPRÄCH MIT UNSEREM LEHRER FÜHREN?
Wir haben ein Problem mit einem Lehrer. Er ist sicher fachlich kompetent, allerdings ist er eine pädagogische Niete. Wie können wir ein Gespräch mit ihm vorbereiten und uns bei der Schulleitung beschweren, sodass wir ernst genommen werden? Eine Person zu kritisieren ist nicht immer einfach, vor allem wenn die Rollen so verteilt sind wie bei Schülern und Lehrern. Grundsätzlich ist wichtig, dass ihr zusammentragt, was mit der Lehrperson nicht gut ist, aber auch das, was sie gut macht. In einem nächsten Schritt könnt ihr eure Wünsche an sie zusammentragen. Beim Gespräch selber ist es wichtig, dass ihr in sogenannten Ich-Botschaften Rückmeldung gebt («Ich fühle mich nicht wohl, wenn Sie...», «Ich kann dem Unterricht nicht folgen, wenn Sie...»). Es ist gut, wenn dies verschiedene Schüler/-innen übernehmen und nicht nur eine Person spricht, damit die Lehrperson merkt, dass es viele unter euch gibt, die Schwierigkeiten mit dem Unterrichtsstil haben. Versucht am Schluss des Gesprächs ganz konkrete Abmachungen zu treffen und schreibt sie gemeinsam auf. Hilfreich ist, wenn ihr den Lehrer vorinformiert, über welche Themen ihr mit ihm sprechen möchtet und in welchem Rahmen, damit er sich vorbereiten kann. Falls das Gespräch und die Abmachungen keine Früchte tragen, solltet ihr zur Schulleitung. Auch hier bittet ihr zuerst um ein Gespräch und bringt dann eure Kritik, euer Lob und eure Wünsche an. Vielleicht gibt es bei euch im Schulhaus einen Schulsozialarbeiter oder einen Schulpsychologen. Falls ja, könnt ihr diese Person fragen, ob sie euch beim Gespräch unterstützt. Liebe Grüsse, dein tschau
Sucht und Drogen
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Auf der Beratungsplattform www.tschau.ch findest du viele Antworten, Informationen und Tipps zu den Themen Beziehungen, Sex, Wohlsein, Lebenswelt, Schule und Job. Wenn du keine Antwort findest, kannst du auf der Website deine persönliche Frage anonym stellen und erhältst innerhalb von drei Tagen eine Antwort. Mit deinem Einverständnis werden einzelne Fragen und Antworten auf tschau.ch veröffentlicht und im tango abgedruckt. tschau.ch wird neu von der Schweizer Kinder- und Jugendförderung Infoklick.ch betrieben und finanziell unterstützt von der Gesundheitsförderung Schweiz, dem Bundesamt für Gesundheit sowie mehreren Kantonen.
AB WELCHEM ALTER IST SHISHA-RAUCHEN ERLAUBT?
Ab welchem Alter ist Shisha-Rauchen eigentlich erlaubt? Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die vorgeben, ab welchem Alter das Rauchen von Tabak (egal, ob in Form von Zigaretten oder Wasserpfeife) erlaubt ist. Es gibt aber gesetzliche Bestimmungen, welche den Kauf bzw. den Verkauf von Tabak einschränken. Diese Bestimmungen sind jedoch von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Im Kanton Zürich beispielsweise wurde das Mindestalter für den Verkauf von Tabakprodukten bei 16 Jahren festgesetzt. Übrigens: Das Wasserpfeifenrauchen ist zwar erst seit Kurzem Gegenstand der Tabakforschung. Doch eindeutig ist, dass die gesundheitsgefährdenden Rauchpartikel und Nikotin keinesfalls im Wasserbad der Pfeife verschwinden. Zählt man die Probleme der Mund- und Zahnhygiene hinzu, so sollte man sich die Teilnahme am genüsslichen Dampfritual besser zweimal überlegen. Liebe Grüsse, dein tschau
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reportage
So viele Menschen, so viel zu tun: NYC Von Brooklyn nach Staten Island, vom Battery Park Manhattans über die 125th Harlems zur Queensbridge. Abstrakt, dieser Ort. Unglaublich, diese Menschen.
Delila Kurtovic, Kantonsschule am Brühl Remember, remember… zwei Wochen New York. Dreizehn Stunden Flug, ein flaues Gefühl in der Magengegend, arger Nikotinentzug. Endlich Ankunft, 12:04 pm. Verschlafen, total überfordert, steigen wir aus, lassen uns unsere Fingerabdrücke nehmen, die Augen durchlasern und nehmen ein Taxi zum Hotel. Schnelle Dusche, umziehen. Here we go!
Time Square 9:00 pm. Ich steige aus dem gelben Taxi, kann es kaum fassen. Wie ein Jahrmarkt, nur viel grösser, riesig. Überall farbige Lichter, Menschenmassen. Unbeschreiblich. Ich halte die Hand meiner besten Freundin. Sie schaut mich an: «Glaubst du das? Daaamn!» Wir staunen und staunen, laufen ein Stück, setzen uns dann auf eine riesige Treppe und reden, beobachten die Leute. Stunden vergehen, und es wird einfach nicht langweilig. Menschen, Hektik, Polizeisirenen, Gerüche, Plakate, Werbung, Styles. Ich weiss gar nicht, worauf ich meine Aufmerksamkeit richten soll.
Central Park
Es wird langsam dunkel, ich gehe ein langes Stück, setze mich dann auf eine Bank. Eichhörnchen, so weit das Auge reicht. Ich bin entzückt. Es wird langsam dunkel. 54
es so einen Club... Schnell, Taxi nehmen, schlafen gehen.
Chinatown / Little Italy Ziemlich viele Obdachlose treiben sich hier herum. Irgendwie unheimlich. Einer spricht mich an, wir reden über das Wetter und die Schweiz. Nach langem Schweigen sagt er: «We’re not dangerous, we’re just humans. Just like you. Don’t go to Switzerland and tell them that there are that many homeless people. We are not homeless, we are free.” Mit diesen Worten verabschiedet er sich, ich bleibe noch eine Weile sitzen.
Clubbing «Copacabana», unser erster Club. Eine einzige Katastrophe. Anstehen, Ausweiskontrolle, Einlass. Ich fühle mich wie am Zoll: Metalldetektoren und Security. Sie kontrollieren die Taschen und nehmen uns die Zigaretten weg. «Will I get them back?», will ich aufgebracht wissen. Keine Antwort. Okay, Eintritt zahlen. Für 18- bis 20-Jährige 25 Dollar Eintritt, ab 21 Jahren 15 Dollar! Der Club sieht edel aus, in der Mitte Tanzfläche, drumherum DJ-Pult und Bar. Wir wollen uns
Man könnte jeden Block in ganz New York nach seinem Geruch erkennen. Chinatown riecht komisch. Naja, Chinatown ist komisch. Alles mit chinesischem Schriftzug, schräge Shops mit undefinierbarem Verkaufsgut, endlose Strassen mit gefälschter Ware. Wir werden oft angesprochen: «Miss, Gucci Bag?»
Stunden vergehen, und es wird einfach nicht langweilig: Menschen, Hektik, Polizeisirenen, Gerüche, Plakate, Werbung, Styles
etwas zu trinken holen. Was?! Keine Getränke an Gäste unter 21. Nicht einmal Wasser… Langsam werde ich sauer, ich will eine rauchen gehen. Und da, der Höhepunkt des Desasters: An der Ausgangstüre steht ein übergrosser Sicherheitsmensch und versucht mir klarzumachen, dass «Gäste» unter 21 nicht mehr hereinkommen, wenn sie einmal draussen waren! Ich bin stinksauer und motze herum. Er sagt, der Staat habe das so verschärft, um den Zigarettenkonsum von «Minderjährigen» zu verhindern. Aufgebracht verlassen wir den Club. Draussen werden wir von einem Transvestiten gefragt, ob wir Girls mögen, da gäbe
Staten Island Ankunft auf Staten Island. Neue Welt. Keine Hochhäuser, keine geraden Strassen, keine Menschen. Sieht alles ziemlich verlassen aus. Mit dem Bus zu einer Bekannten. Begrüssung, Smalltalk bis zum Haus. Der Weg ist sehr steil, die Häuser ziemlich klein. An der Ecke ein kleiner Store, davor ein Jeep, aus dem laute Musik dröhnt. Ein paar Männer stehen da herum und rauchen. Wir gehen ins Haus. Sehr dunkel hier drin. Unaufgeräumt, klein. Sie hat vier Kinder, zwei Jungen, zwei Mädchen. Was mir zuerst auffällt, ist der riesige, extrem moderne Fernseher, der die Hälfte des Raumes ausfüllt. Kika bringt uns «Soda» in Plastikbechern. Der Raum der Jungs besteht nur aus Spiderman-Möbeln, Spi-
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so viele menschen, so viel zu tun, so viel ruhm: nyc
Vor mir steht immer noch der alte, graubärtige Afroamerikaner in seinen zerfetzten Hosen und predigt, übertönt von der lauten Hip-HopMusik
derman-Postern und einem Fernseher. Das Zimmer der Mädchen ist ganz in rosa. Prinzessinnen-Betten, Prinzessinnen-Poster, und nicht zu vergessen: das TVGerät. Auch das Schlafzimmer hat einen riesigen Fernseher und ein riesiges Bett. Die Kinder essen «Jellybread» (Toast mit seltsamem glibberigen Zeug drauf) und fragen uns, ob wir auch welches wollen. Sieht nicht sehr appetitlich aus. Es ist gegen neun. Kika trommelt die Kinder zusammen. Jeder bekommt einen Löffel von irgendwelchem Sirup, die Älteste muss Tabletten schlucken. Vitamine, die Krankenkasse bezahle es. Wofür? Die Kinder hätten zu wenig von diesem, zu wenig von jenem.
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Subway Mit der Subway nach Hause, es ist etwa 7:00 pm. Komisch, aber ich mag die Stimmung in der U-Bahn. Kahle, weisse Wände, Werbung, aufdringlich weisses Licht, überall Verbotstafeln. Die Fahrt ist lärmig, und selten redet jemand. Ich spüre die Anonymität. Niemand kennt irgendjemanden, niemand interessiert sich für irgendjemanden. So viele Menschen, so viel zu tun. Keine Zeit für irgendetwas, keine Zeit für irgendjemanden. Die müden Augen meiden Blickkontakt. Jeder will seine Ruhe nach einem harten Arbeitstag. In der 52th Street steigt ein älterer Afroamerikaner in den Wagen und beginnt, Psalme vorzutragen. Alles auswendig. Kaum jemand hört ihm zu. Er wird immer aggressiver, schreit und verkündet: «You’re all sinners, you will burn in hell!» 45th Street, drei Jugendliche betreten den Wagen, schalten ihren Ghettoblaster ein und beginnen zu breakdancen. In diesem engen Gang, der überall Stangen zum Festhalten hat, break-
dancen sie. Ich bin hin und weg. Vor mir steht immer noch der alte, graubärtige Afroamerikaner in seinen zerfetzten Hosen und predigt, übertönt von der lauten Hip-Hop-Musik. Einer der Breakdancer macht zum Schluss einen Salto. Dann gehen sie mit ihren umgedrehten Mützen und wollen Geld. Sie sammeln ein paar Dollars, bedanken sich und steigen aus, gefolgt vom alten Prediger. Es ist wieder ruhig im Wagen. Eine ganze Weile später steigt ein richtig alter Mann mit einer Gitarre ein. Langes, graues Haar, langer, grauer Bart. Er beginnt zu singen. Kaum zu glauben, doch es klingt wirklich schön: «Guantanamera…» Ich sehe eine wunderschöne junge Frau mit riesigem Afrolook an, die lächelt und mitsingt.
Delila Kurtovic, 18, aus St. Gallen, liest und schreibt gerne. Sie geht oft in den Ausgang, mag es aber auch, einfach nichts tun. Sie bezeichnet sich als «laut, lustig, verrückt, kreativ und stur». – «Berufs- und/oder Studienziel? Keine Ahnung!»
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Zwischen zwei Welten Wenn mir die Frage gestellt wird, beantworten. Fruher hatte ich so ich mir nicht mehr so sicher. Ich s
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wo ich hingehore, kann ich sie nicht fort gesagt: «in die Slowakei», heute bin ehne mich nach einer Heimat.
Viktoria Kvetanova Kantonsschule Frauenfeld Ich sehne mich nach einem Ort, an dem meine Familie ist. Ich sehne mich nach einem Ort, an dem man meinen Namen richtig ausspricht. Ich sehne mich nach einem Ort, an dem alle Ostern gleich feiern wie ich. Ich sehne mich nach meiner Heimat. Ich sehne mich nach der Slowakei. Meine Kindheit, ganze elf Jahre meines Lebens, verbrachte ich dort, in der Hauptstadt, in Bratislava. Und fünf Jahre schon lebe ich in der Schweiz. Eigentlich hätten es nur zwei sein sollen. Inzwischen wurden es dann aber drei, vier, fünf… und das Ende ist noch lange nicht in Sicht. Als mein Vater sagte, dass wir umziehen, habe ich nur genickt und „okay» gesagt, als würde ich es verstehen. Doch das tat ich nicht. Ich war nur ein Kind und verstand die Welt der Erwachsenen samt ihren Problemen nicht. Ich wusste nur, dass meine eigene Welt auf einmal zusammenbrach. Der Gedanke, alles, was ich hatte, zu verlassen, jagte mir schreckliche Angst ein. Ich hatte damals kein Verständnis für die Situation meiner Eltern. Alles, was für mich zählte und was ich wahrnahm, war, dass ich alle meine Freunde verlassen musste. Am schlimmsten war der letzte Schultag. Plötzlich waren alle gegangen, und ich stand ganz alleine da mit meiner
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zwischen zwei welten
Bratislava an der Donau
«Sie redeten wild durcheinander, in einer Sprache, die ich nicht verstand. Niemand setzte sich neben mich.»
Trauer und dem Gefühl von vollkommener Leere. Ich bemühte mich, nicht zu weinen, lächelte stattdessen und tat so, als wäre alles in bester Ordnung. Ich versuchte, mich selbst davon zu überzeugen, wie schnell die Zeit vergehen würde, bis ich zurückkehren würde. Schliesslich würde ich ja bereits in drei Monaten Ferien haben… In der Schweiz kam ich in die fünfte Klasse. Schon vom ersten Tag an fühlte ich mich fremd. Mein Vater begleitete mich dahin, übergab mich dann meinem Klassenlehrer, und schon war er weg. Ich sass allein im Schulzimmer, bis die Schulglocke läutete. Dann kam die Klasse herein. Sie redeten wild durcheinander, in einer Sprache, die mir nichts sagte. Niemand setzte sich neben mich. Erst am nächsten Tag nahm ein Mädchen, das vorher krank gewesen war, diesen Platz ein. Ich habe an diesem Tag nicht viel mit den anderen gesprochen. Ich wusste nicht worüber, und wenn mir etwas einfiel, wusste ich nicht, wie ich es sagen sollte. So richtig eingelebt habe ich mich in diese Klasse nicht. Ich hatte stets das Gefühl, fehl am Platz zu sein. Doch ich muss auch zugeben, dass ich in dieser Zeit ziemlich verschlossen war. Ich hing noch immer an der Slowakei, an meinen alten Freunden. Ich wartete darauf, die zwei Jahre hinter mich zu bringen. Zuhause stapelten sich die Briefe meiner Freun-
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de, in denen sie mir schrieben, wie sehr sie mich vermissten. Ich las sie jeden Tag, und immer liefen mir Tränen die Wangen hinunter. Die Briefe waren die Verbindung zur alten Heimat. In der Schule lief es nicht schlecht, meine Noten waren gut. Doch was mir fehlte, waren Freunde. In der Pause stand ich meistens allein, nur manchmal kamen Mädchen, jünger als ich, und fragten mich aus Mitleid, ob ich mit ihnen spielen möchte. Natürlich empfand ich es als unangenehm, mit Schülerinnen aus tieferen Klassen zu spielen. Oft wurde ich mitten im Unterricht traurig, ging auf die Toilette und weinte. Wenn meine Augen nicht mehr rot waren, kehrte ich zurück. Auch das Turnen war mir eine Qual. Mussten wir Zweierteams bilden, wollte niemand mit mir zusammen sein. Als dann eines der Mädchen übrig blieb und diese Last auf sich nehmen musste, wurde sie von allen gefragt, ob das in Ordnung sei. Sie dachten wahrscheinlich, ich würde es nicht hören. Doch ich hörte es. Und ich verstand. In der 6. Klasse beherrschte ich die Sprache inzwischen so gut, dass die Gespräche einfacher wurden und ich mich als Teil der Klasse zu fühlen
Viktorias Familie und Bekannte in Bratislava
begann. Als mich dann einmal eine Mitschülerin fragte: «Wieso hast du dich eigentlich so verändert?», wusste ich, dass ich es geschafft hatte. In der Sekundarschule dann fand ich richtig gute Freunde, wofür ich sehr dankbar war. Als ich die Klasse verliess, um an eine andere Schule zu gehen, musste ich weinen. Je wohler ich mich in der Schweiz fühlte, desto mehr schien ich mich jedoch meiner eigentlichen Heimat zu entfremden. Die Freunde, die früher so wichtig für mich gewesen waren, entfernten sich immer mehr. In den Ferien bemerkte ich, dass ich die Leute, über die sie redeten, nicht kannte und dass ich die Wörter, die sie benutzen, nicht verstand. Es wurde immer schwieriger, gemeinsame Themen zu finden. Noch immer allerdings sind die Ferien in der Slowakei sehr schön. Bloss wird der Abschied allmählich nüchterner. Was sich früher immer in Begleitung von Tränen abspielte, nehme ich heute problemlos hin. Nur bei meiner Grossmutter fällt es mir schwer. Wenn sie mich umarmt und fragt: „Werde ich dich je wieder sehen?», kann ich die Tränen nicht zurückhalten. „Klar sehen wir uns wieder, in ein paar Monaten sind wir ja wieder da», sage ich ihr zwar. Doch wenn sie am Fenster steht und mir zuwinkt, bis ich aus ihrer Sicht verschwinde, schleicht sich die Frage auch in meinen Kopf ein. Und wenn ich in der Schweiz ankomme und Postkarten von Freunden im Briefkasten finde, denke ich, dass mein Zuhause doch in der Schweiz ist. Ich bin hier glücklich, was will ich mehr? Die Schweiz ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Früher mussten wir jedes Jahr eine Aufenthaltsbewilligung einholen. Jetzt haben wir sie für fünf Jahre. Auch das betrachte ich als Zeichen, dass wir im Moment hierher gehören. Wenn mir die Frage gestellt wird, wo es mir besser gefalle, kann ich sie nicht beantworten. Früher hätte ich sofort gesagt: «in der Slowakei», heute bin ich mir nicht mehr so sicher. Ich weiss, irgendwann wird der Moment kommen, wo ich mich zwischen den zwei Staaten und auch zwischen meiner Familie und meinen Freunden entscheiden muss. So lebe ich zwischen zwei Welten.
«Die Briefe waren die Verbindung zur alten Heimat»
«Ich bin hier glucklich, was will ich mehr?»
Viktoria Kvetanova, 16, aus Bussnang, liebt Sprachen und Sport. Sie bezeichnet sich als «aktiv, offen für Neues, manchmal leider ziemlich zickig». Hobbys: Musik, Freunde, Shopping, Tanzen, Jogging.
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kurzgeschichte
Das braune Getr채nk Gertrud verschwand hinter der Trennwand und kam nach ein paar Minuten mit frisch gebr체htem Kaffee zur체ck, inzwischen stand Peter vor dem Fenster und blickte die Landschaft an. Er nahm seinen Kaffee entgegen und bedankte sich mit einem Kopfnicken bei seiner Gattin.
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Fabian Weinmann Bündner Kantonsschule Ein lauer Frühlingsmorgen in einem Vorort von Zürich, die Tischlein mit einer Glasplatte. Gertrud verschwand schnell hinter Wiesen und kleinen Vorgärten waren mit Frost bedeckt. Die der Trennwand und kam nach ein paar Knospen begannen sich langsam durch die aufgehende Sonne zu öffnen und nach einer Weile bedeckten verschiedene Far- Minuten mit frisch gebrühtem Kaffee zurück, inzwischen stand Peter vor dem ben das eintönige Grün. Herr Sander kuschelte sich tiefer unter die warme Bettde- Fenster und blickte die Landschaft an. cke, die mit einem spiessigen Muster geschmückt war. Ein Er nahm seinen Kaffee entgegen und schriller Ton erklang. Er quälte seinen schweren Körper Rich- bedankte sich mit einem Kopfnicken bei tung Wecker, hob seinen Arm an und schlug auf den Stören- seiner Gattin. Der Kaffeegeruch stieg in seine Nasenhöhle, fried, dieser kippte auf die Nachttischer blickte hinab kante und fiel auf den Laminatboden. «‹Mensch, Peter, in seine rötliche Der Apparat zerbrach in seine kleinsten das ist Kaffee, Tasse, starrte auf Einzelteile. das trinkst du die hellbraune Herr Sander schwang die Decke zur Flüssigkeit, die am Seite, raffte sich auf und sass müde auf jeden Tag zum Tassenrand schon der Bettkante. Er blickte sich um, um zu Frühstück›, eine feine Kruste sehen, ob seine Frau noch schlief, aber bildete, und übersagte sie» sie war nicht mehr im Schlafzimmer. legte sich, ob dieHerr Sander schlenderte ins naheliegende Klo und machte dort seine Routineabläufe. Einige Zeit ses Getränk überhaupt trinkbar sei. Herr später kam er schlaff aus dem Bad heraus, noch immer trug er Sander drehte seinen Kopf Richtung einen weissen Badeanzug, auf dem links auf Brusthöhe seine Gertrud, die gerade einen Artikel fertig gelesen hatte, er blickte sie verwundert Initialen eingenäht waren: «PS» für Peter Sander. Er trat in das Wohnzimmer ein, das durch eine Bambus- an und murmelte: «Was ist denn das für wand von der Küche getrennt war und erblickte seine Frau ein Getränk!?» Seine Frau blickte ihn mit einer Zeitung in den Händen. Sie hielt die Zeitung genau verständnislos an und sagte: «Mensch, auf Augenhöhe. Als er näher trat, wandte sich von der Lektüre Peter, das ist Kaffee, das trinkst du jeden ab, schaute ihn an und sagte: «Hast du gut geschlafen?» Er Tag zum Frühstück.» Herr Sander setzte sich hin und starrantwortete: «Es war ein bisschen kalt diese Nacht, fandest du nicht auch?» Frau Sander erhob sich und sagte: «Ich konnte te aus dem Fenster hinaus. mich ja an dich heranschmiegen.» Er nickte und liess sich in den braunmelierten Sessel fallen, der sich vor einem grossen Wintergartenfenster befand, links daneben ein kniehohes
Fabian Weinmann, 18, aus Davos, besucht in Chur die FMS. Seine Hobbys sind Snow- und Skateboarden, Gitarrespielen und mit Freunden an Konzerte gehen.
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das hört ja gut auf
Schule 2020
Corinne Sutter, 22, hat soeben ihre Ausbildung zur Primarlehrerin beendet. Sie fertigt gerne Karikaturen an, spielt Geige und Klavier, schreibt, tanzt, singt und sagt von sich: «I’m a liveaholic».
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