2. Ausgabe 2010

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magazin für schule und studium

Elena Möschter

02.2010

www.tango-online.ch

baut ein fliegendes Boot

Natalie Hunziker

verteilt Schuhe in Rumänien

Mister Schweiz

Jan Bühlmann

antwortet Max Frisch


Berner Fachhochschule

Erfolg hat eine starke Basis.

27 Bachelor-, 19 Masterstudiengänge und ein breites Weiterbildungsangebot in: Architektur, Holz und Bau, Technik und Informatik, Musik, Gestaltung und Kunst, Oper/Theater, Konservierung und Restaurierung, Literarisches Schreiben, Land- und Forstwirtschaft, Food Science & Management, Soziale Arbeit, Gesundheit, Sport, Wirtschaft und Verwaltung. Voll- und Teilzeit. Besuchen Sie unsere Infoanlässe: bfh.ch/veranstaltungen

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Sie haben ein Ziel. Hier ist der Start.

Bachelor-Studium

28.

Biotechnologie Chemie Lebensmitteltechnologie Umweltingenieurwesen Facility Management

Oktober

nächste Infotagr

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das f채ngt ja gut an

R is i ko

4


Unser Auftaktfoto stammt von Gregor Kalchthaler, 21, der nach der Matura jetzt in Berlin zu studieren beginnt. «Zu sehen ist mein Freund Bodo als Barack Obama, der nachdenklich das bekannte Strategiespiel ‹Risiko› zu spielen scheint. Doch gegen skrupellose Terroristen und Umweltkatastrophen kann auch der mächtigste Mann der Welt wenig ausrichten. Nur Armeen zu verschieben, schafft neue Brandherde und löscht alte nicht richtig. Eine neue Strategie muss her, um die Flagge Amerikas als Inbegriff für Freiheit und Demokratie aufrecht zu erhalten.»

5


inhalt

topstory

VERKUPPELT

8 MISTER SCHWEIZ

Die angehende Lehrerin Simone Moser, 23, hat mit ihrer nepalesischen Freun-

Max Frisch fragt …

report 22 MAGERSÜCHTIG Lebenspartner Magersucht

din Laxmi ein Waisenhausprojekt aufgebaut. Für tango schildert sie, wie Laxmis Bruder Bimal verkuppelt und verheiratet wird. Denn in Nepal wird eine Heirat zumeist von den lieben Verwandten eingefädelt. Braut und Bräutigam kennen sich vor der Hochzeit kaum …

25

«Manchmal wünschte ich mir, du wärst dünner»

28 VERKUPPELT Bimal wird verheiratet

36 FLIEGENDEN Ein Boot, das fliegt

50 REKORDVERDÄCHTIG Better City – Better Life?

reportage

28

16 BESCHENKT Warme Füsse

42 TODKRANK Im neunten Bett stirbt man nicht

46 UNVERSTANDEN Zuhören statt urteilen

ERBEUTET

portrait

«Donnerstag, Abendverkauf. Ich steuere direkt auf den

12 GEFLÜCHTET

H&M zu. Als ich eintrete, erweitern sich meine Pupillen

Ein Kriegskind in Vietnam

und der Puls steigt an. Von Gier getrieben,

kurzgeschichte

durchsuche ich die Wühltische nach redu-

60 GELOGEN Papillon

62 FIEBERNASS Björn

essay 21 ERBEUTET

zierter Ware. Stolz wie eine Löwin schreite

21

ich mit meiner Beute aus dem Laden. Wie gut ich mich fühle! Doch schon meldet sich die Vernunft zurück: ‹Noch ein Pullover? Eigentlich hast du genug davon in deinem Schrank.›» – Schnäppchenjägerin Anne-Catherine Minnig reflektiert in einem witzigen Essay über ihr Kaufverhalten.

Ich habe, also bin ich?

26 IRRITIERT Sehnsucht

service 54 planet tango

foto 4 DAS FÄNGT JA GUT AN Risiko

64 DAS HÖRT JA GUT AUF one and one

34 aufruf 56 impressum

46

UNVERSTANDEN Die Palästinenser fühlen sich unverstanden. Bei allem, was mit ihnen geschehe, hätte längst ein Aufschrei von uns kommen müssen, meinen sie. So schätzen sie, dass junge Menschen wie die die 23-jährige Julia Stadler im palästinensischen Jugendzentrum in Damaskus sind, um ihnen zuzuhören. 6


ciao Es war nicht beabsichtigt, und wir haben es eigentlich erst in der abschliessenden Redaktionskonferenz festgestellt: In dieser Ausgabe kreisen einige Artikel um das Thema «Tod». Veronika Widmann beispielsweise beschreibt ein elfjähriges Mädchen, das plötzlich die

MISTER SCHWEIZ

Diagnose bekommt: Leukämie. Sie erzählt eindrück-

Dass der amtierende «Mister

lich, wie Conny mit der Möglichkeit des Todes umgeht

Schweiz» ein grosser Thea-

– und welche Überlebensstrategien sie sich ausdenkt.

terfan ist, der davon träumt,

Dreissig Prozent beträgt die Überlebenschance, sie

Schauspieler

werden,

zählt also die Betten in der Kinderkrebsstation durch:

wussten wir schon. Dass der

Im neunten Bett liegt sie, und im neunten Bett stirbt

23-Jährige

man nicht. (Seite 42)

zu

leidenschaftlich

gerne Chopin auf dem Klavier

Sandra-Dominique Weder hingegen hat ihre eigene

spielt, lesen wir in jedem zwei-

lebensbedrohende Leidensgeschichte aufgeschrieben,

ten Interview. Also stellten wir

die sie ins Kinderspital und in die Psychiatrie brach-

ihm die wirklich wichtigen Fra-

te: Unter dem Titel «Lebenspartner Magersucht» be-

gen des Lebens: Diejenigen,

schreibt sie, wie sich ihre Gedanken immer wieder um

die einst der Schriftsteller Max

dasselbe drehten: «Ich bin zu dick, das darf ich nicht

Frisch in seinen berühmten

essen – ich esse zu viel, ich habe das Essen nicht ver-

«Fragebogen»

gestellt

hat:

Was fehlt Ihnen zum Glück? Welche Hoffnung haben Sie aufgegeben? Was ertragen Sie nur mit Humor? Die Ant-

8

dient.» (Seite 25) Katharina Minh-Anh Prautsch schliesslich beschreibt, wie ihre Mutter im Vietnamkrieg mehrmals knapp dem Tod entrinnt: «Der Himmel hat sich knallrot gefärbt, durch schwarze Wolken brechen Kampfhelikopter wie

worten zeigen: Jan Bühlmann

Todesengel und bombardieren die feindliche Stel-

ist nicht nur hübsch, er hat

lungen. Ohrenbetäubende Explosionen folgen, die das

auch etwas auf der Platte.

Haus in seinen Grundfesten erzittern lassen. Das Mädchen hustet, Rauch verdunkelt die Sicht, Steinbrocken fliegen durch die Luft.» (Seite 12) Wir sind immer wieder beeindruckt über die vielen in-

FLIEGEND

teressanten Beiträge, die ihr uns sendet. Es sei an die-

Der Widerstand des Wassers macht ein Boot langsamer. Was wäre aber, wenn der Rumpf das Wasser gar nicht berührte? Dies war der Ausgangspunkt der beiden 19-jährigen Wohler Kantonsschüler Elena Möschter und Lucien Lasance, die ein Boot konstruierten, das «fliegen» kann.

ser Stelle deutlich gesagt: tango wird von Jungen für Junge gemacht, wir freuen uns über jede Zusendung und jeden Vorschlag. Auch für die nächste Ausgabe hoffen wir deshalb wieder auf spannende Porträts von Menschen, die etwas bewegen. Auf Fotoreportagen

36

und Projekte, die Schlagzeilen machen. Auf gut geschriebene Kurzgeschichten, Essays, Umfragen, aber auch auf Cartoons und Comics. Schreibt eine Mail an redaktion_tango@hotmail.com. Für jeden abgedruckten Beitrag gibt es ein faires Honorar, beachtet bitte den Aufruf in der Heftmitte. Viel Spass mit tango wünscht Alex Helmer

Moni Rimensberger gestaltete tango. Sie mag die Atmosphäre der stillgelegenen Industriegebiete mit ihren Backsteinhäusern

und

würde sofort in ein altes (!) Loft ziehen. Gerne organisiert sie spontane Ausflüge oder Feste mit Freunden und erfreut sich auch an spontanen Ideen anderer.

7


topstory

Max Frisch fragt

Jan Bühlmann Dass der amtierende «Mister Schweiz» ein grosser Theaterfan ist, der davon träumt, Schauspieler zu werden, wussten wir schon. Dass der 23-Jährige leidenschaftlich gerne Chopin auf dem Klavier spielt, lesen wir in jedem zweiten Interview. Also stellte tango ihm die wirklich wichtigen Fragen des Lebens: Diejenigen, die einst der Schriftsteller Max Frisch in seinen berühmten «Fragebogen» gestellt hat.

Was fehlt Ihnen zum Glück? Nichts. Ich bin glücklich, solange ich mir und meinen Träumen treu bleibe. Was bewundern Sie an Frauen? Die hochempfindlichen Antennen, mit welchen sie sich intuitiv die kleinsten Details merken können – sei-

Was kostet zurzeit ein Pfund Butter? 200 Gramm müssten etwa Fr. 2.60 kosten. Ein Pfund also gewissermassen das doppelte. Alles in Butter? Möchten Sie eine reiche Frau? Wenn ich eine Frau liebe, ist Geld unwichtig. Ich möchte sie sozusagen um jeden Preis haben.

en es Alltäglichkeiten oder längst vergangene Ereignisse, an die sie sich noch erinnern.

Was würden Sie einem Freund nicht verzeihen: a. Doppelzüngigkeit?

Welche Hoffnung haben Sie aufgegeben?

b. dass er Ihnen eine Frau ausspannt?

Keine.

c. dass er Ihrer sicher ist? d. Ironie auch Ihnen gegenüber?

Was erhoffen Sie sich von Reisen?

e. dass er keine Kritik verträgt?

Durch das Kennenlernen anderer Menschen und Kul-

f. dass er Personen, mit denen Sie sich

turen gewinne ich stets wertvolle Erfahrungen – sei es

verfeindet haben, durchaus schätzt und gerne

auf der zwischenmenschlichen Ebene oder einfach nur

mit ihnen verkehrt?

für mich.

g. dass Sie keinen Einfluss auf ihn haben? Doppelzüngigkeit. Denn ein wahrer Freund steht zu

Was ertragen Sie nur mit Humor?

sich und zu mir. Ehrlichkeit ist für mich das oberste Ge-

Das Leben. Ein Leben ohne Humor ist wie ein Lolli-

bot.

pop ohne Zucker – kein Zuckerschlecken. Wenn Sie sich in der Fremde aufhalten und Landleute treffen: befällt Sie dann Heimweh oder gerade TANGO-FACTS Bist du der nächste «Mister Schweiz»? Hast du Ausstrahlung und Persönlichkeit? Kommen dein Humor und deine Spontaneität in der Regel gut an? Hast du eine solide Ausbildung und gute Umgangsformen? Siehst du gut aus? Bist du vielseitig interessiert? Dann melde dich für die nächste Mister-Schweiz-Wahl an. Nähere Infos findest du unter www.misterschweiz.ch

nicht? In diesen Situationen werde ich eher daran erinnert, wie klein doch die Welt ist. Wie viel Heimat brauchen Sie? Die Heimat ist für mich ein unermesslich wertvoller Ort, durch welchen ich mich selbst identifizieren kann. Alle Fragen aus Max Frisch, Tagebuch 1966-1971, Frankfurt a. M., 1971.

8


Foto: Sandro Bross

«Ein Leben ohne Humor ist wie ein Lollipop ohne Zucker.»

9


max frisch fragt …

Max Frisch fragt

Jan Baumann Er sieht nicht nur fast so aus wie der aktuelle «Mister Schweiz», er trägt auch beinahe den gleichen Namen. Der 21-jährige Zürcher Jan Baumann ist ein gefragtes Model im In- und Ausland, hebt aber deswegen nicht ab, wie seine Antworten auf Max Frischs Fragen zeigen.

Wofür sind Sie dankbar?

Halten Sie sich für einen guten Freund?

Ganz besonders bin ich meiner Mutter dankbar für

Für meine engsten Freunde bin ich zu jedem Zeit-

die Geduld, die sie mit mir und mit meinem Bruder hat-

punkt erreichbar, denn das Wohl meiner Freunde liegt

te. Als alleinerziehende Mutter mit zwei anspruchsvol-

mir sehr am Herzen. Zeitlich ist es allerdings in meiner

len Kindern war es für sie überhaupt nicht einfach.

Situation mit vielen Castings im In- und Ausland oft schwierig, alle Freundschaften intensiv zu pflegen.

Was hat Sie am häufigsten verführt: a. Mütterlichkeit? b. dass Sie sich bewundert wähnen? c. Alkohol?

Halten Sie die Dauer einer Freundschaft (Unverbrüchlichkeit) für ein Wertmass der Freundschaft? Nicht unbedingt. Allerdings bestehen viele gute

d. Die Angst, kein Mann zu sein?

Freundschaften seit langer Zeit und «überleben» auch,

e. Schönheit?

wenn sich ein Freund aus irgendwelchen Gründen über

Schönheit ist sicher ein Kriterium, das verlockend

einen längeren Zeitraum nicht meldet. Es ist sicher

ist. Doch gibt es noch wichtigere Eigenschaften, wie

auch möglich, eine gute Freundschaft nach einer länge-

beispielsweise der Charakter einer Person. Dieser spielt

ren Zeit wieder neu zu beleben.

nach dem ersten Zusammentreffen eine viel wichtigere Rolle als Schönheit.

Wenn Sie sich in der Fremde aufhalten und Landsleute treffen: befällt sie dann Heimweh oder dann

Lernen Sie von einer Liebesbeziehung für die nächste?

gerade nicht? In einem fremden Land weit weg von der Heimat auf

Bis vor einem Jahr hatte ich eine feste Beziehung. Für

eigene Landsleute zu treffen, ist ein schönes Gefühl.

die gemachten Erfahrungen bin ich sehr dankbar, denn

Und ja, es kann auch ein bisschen Heimwehstimmung

sie helfen mir, dereinst die richtige Person zu finden.

auslösen.

Was bewundern Sie an Frauen?

Haben Sie schon Auswanderung erwogen?

Mit Frauen kann ich über verschiedenste Themen

Ich habe schon mehrmals daran gedacht, auszuwan-

diskutieren. An meinen besten Kolleginnen beispiels-

dern. Mein Traum ist es, einige Jahre in San Diego oder

weise schätze ich, dass ich mich ihnen immer anver-

Miami zu arbeiten. Im Moment spielen aber die berufli-

trauen kann. Sie sind ehrlich und stehen mir auch in

che Karriere und Weiterbildung eine wichtigere Rolle.

schwierigen Lebenssituationen mit Ratschlägen bei. Wenn Sie jemanden in einer unheilbaren Krankheit wissen: Machen Sie ihm dann Hoffnungen, die Sie selber als Trug erkennen? Es ist es immer falsch, einer Person Hoffnung zu machen. Man sollte in einer solchen Situation realistisch bleiben, Mut zusprechen, aber auch auf den «worst case» vorbereiten. Alle Fragen aus Max Frisch, Tagebuch 1966-1971, Frankfurt a. M., 1971.

10


«Es gibt Wichtigeres als Schönheit.»

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porträt

Ein Kriegskind in Vietnam Der Himmel hat sich knallrot gefärbt, durch schwarze Wolken brechen Kampfhelikopter wie Todesengel und bombardieren die feindlichen Stellungen. „Lan!“ Das Mädchen zuckt beim Klang seines Namens erschrocken zusammen und duckt sich ängstlich. Katharina Minh-Anh Prautsch

S

aigon, 1968: Ein Mädchen, kaum fünf Jahre alt, steht auf dem Flachdach eines

chen kneift die Augen zusammen.

Rest der Familie hinunter in den

Hauses und legt seinen Kopf weit

Ein Mann mit Gewehr huscht von

Keller. Währendessen schimpft sie

in den Nacken. Die neugierigen

Haus zu Haus und versteckt sich

aufgebracht, lässt Lan schliesslich

dunkelbraunen Augen weiten sich

dann in einer dunklen Nische. Ein

los und verpasst ihr eine harte Ohr-

vor Staunen, während ihr das lan-

erstickter Laut entweicht ihrer Keh-

feige. Die Abdrücke der Hand zeich-

ge schwarze Haar, an denen aufge-

le, ein Rebell! Jeeps knattern vorbei.

nen sich deutlich auf der runden

brachte Luftmassen zerren, ins Ge-

Ihr Körper spannt sich, sie beginnt

Kinderwange ab, doch Lans Augen

sicht peitscht.

zu zittern, eine atemlose, hektische

glänzen weiterhin vor Aufregung,

Atmosphäre ergreift das Mädchen.

und sie lauscht auf jedes Geräusch,

Der Himmel hat sich knallrot gefärbt, durch schwarze Wolken bre-

«Lan!» Das Kind zuckt beim Klang

chen Kampfhelikopter wie Todesen-

seines Namens erschrocken zusam-

gel und bombardieren die feindli-

men und duckt

chen Stellungen. Ohrenbetäubende

sich

Explosionen folgen, die das Haus in

Sie riskiert noch

seinen Grundfesten erzittern lassen.

einen

Das Mädchen hustet, Rauch verdun-

Blick nach un-

kelt seine Sicht, Steinbrocken flie-

ten, der Mann ist

gen durch die Luft.

verschwunden,

ängstlich. letzten

das von draussen zu ihr dringt.

Saigon, 1975: Die Nachricht der

Sie schnappt nach Luft, sie will schreien, den Wahnsinn, der um sie tobt, niederstampfen.

Von seinem Platz aus überblickt

wie ein Schatten davongeschlichen.

Niederlage hat sich wie ein Lauf-

es weite Teile der staubigen, fast

Ihre Mutter kommt herangeeilt,

feuer verbreitet. Die Kommunisten

ausgestorbenen Strassen. Das Mäd-

packt sie hastig und zerrt sie zum

marschieren in Saigon ein und fallen wie ein wütender Bienenschwarm über die Stadt her.

TANGO-FACTS Der Vietnamkrieg

Lan wird schwindlig, sie weiss nicht, was sie tun soll, was von ihr erwartet wird. Verwirrt irrt ihr

Der Vietnamkrieg steht als Stellvertreterkrieg im Kontext des Kalten Krieges. Seit 1954 war Vietnam in einen kommunistischen Norden und einen antikommunistischen Süden geteilt, was zunächst als Provisorium gedacht war. Der Süden wurde nur wenige Jahre später Schauplatz eines Bürgerkriegs, den die Vereinigten Staaten als Bedrohung ihrer Interessen interpretierten. Die Sowjetunion und China stellten Nordvietnam militärische Hilfe zur Verfügung. Die USA konnten ihr Ziel – Stabilisierung des Südens – nicht erreichen, und so endete der Krieg mit der Einnahme Saigons 1975 durch nordvietnamesische Truppen. Dies hatte die Wiedervereinigung des Landes zur Folge.

Blick umher, ihre Mutter schreit

Der Vietnamkrieg forderte etwa drei Millionen Todesopfer, davon waren zwei Millionen Zivilpersonen.

sie hinter sich her und treibt sie zur

12

ihr etwas zu, doch sie kann sie nicht verstehen. Sie schnappt nach Luft, sie will schreien, den Wahnsinn, der um sie tobt, niederstampfen. Sie keucht und röchelt nach Hilfe – warum kann sie plötzlich nicht mehr atmen? Eine ältere Schwester reisst Eile an. Sie wird ins Auto gestossen


Lan Nguyen (rechts) zur Zeit des Vietnamkriegs

13


criticalpast.com

ein kriegskind in vietnam

und die Familie braust los. Lans

letzte Fluggerät majestätitsch in die

sagt wird, normale Menschen sind,

Herz rast, sie greift sich an den Hals

Luft. Dutzende zurückgelassener

so wie sie, wie ihr Vater, wie die Süd-

und würgt. Doch niemand nimmt

Menschen brüllen verzweifelt, su-

vietnamesen. Affenartige Wesen ha-

Notiz von ihr, keine Erklärungen,

chen einen Halt, um sich am letzten

ben sie in ihren Träumen verfolgt;

kein Trost.

Helikopter festzuklammern.

bösartige Kreaturen – das waren die

Die Strassen sind gesperrt, der

Der kleine Bruder umschlingt

Kommunisten für sie. Tränen rol-

Vater reisst das Lenkrad herum

Lan und schluchzt leise. Mit dem

len ihre Wangen hinab und werden,

und braust auf einer engen Gasse

Ausdruck eines verwundeten Tiers

ohne eine Spur zu hinterlassen, vom

weiter, von der er sich erhofft, sie

in der Falle dreht sich der Vater

staubigen Boden verschluckt.

ungehindert passieren zu können.

zu ihnen um. Sie müssen umkeh-

Saigon, 1976: Der harte, un-

Hubschrauber kreisen am Himmel,

ren, nach Hause zurück. Die Mut-

ebene Boden drückt sie, egal, wel-

Lans Mutter horcht auf, sieht die

ter wischt sich über die Augen, ihr

che Stellung sie auch einnimmt, er

Helikopter und kreischt aufgeregt.

Mann berührt sie tröstend am Arm,

bohrt sich in ihren Rücken, in ihre

Der Vater gibt Gas. Sie erreichen

sie schenkt ihm ein gequältes Lä-

Hüfte, in ihren Bauch. Er hält sie

das amerikanische Konsulat – der

cheln.

mit Gewalt wach, und dabei ist sie

Abflugplatz der Hubschrauber, wel-

Einige Tage später: Lan steht

doch so müde und erschöpft, kraft-

che zu (Flug-)Häfen aufbrechen, von

allein am Strassenrand und verfolgt

los. Sie kuschelt sich näher an ihre

wo aus die flüchtenden Menschen in

mit erstarrter Miene den prachtvol-

Geschwister, lauscht ihren tiefen

die USA gebracht werden.

14

len Siegesmarsch der Kommunisten.

Atemzügen, hört, wie ihre Mutter

Die Reifen quietschen, als das

Ihre Finger krallen sich in ihr Kleid,

im Schlaf laut aufstöhnt und sich

Auto anhält, und die Familie steigt

und sie beisst sich in die Lippe. Nie

unruhig wälzt. Sie schläft schlecht,

äusserst hastig aus dem Fahrzeug,

hätte sie das gedacht, nicht, dass die

wird von bedrohlichen Träumen

mit der Zuversicht, gerettet zu wer-

Kommunisten, denen so viel Grau-

heimgesucht, seit der Vater, eine Be-

den. Doch schon erhebt sich das

samkeit und Herzlosigkeit nachge-

drohung für das neue Regime, in ein


criticalpast.com

Umerziehungslager deportiert und

packt und ihn, ohne von seinen Pro-

Inhaftierung zurückgekehrt war,

die Familie um ihr letztes Hab und

testen Notiz zu nehmen, hinausge-

gelang es der Familie, aus Vietnam

Gut gebracht wurde. Lan dreht sich

schleppt. Der Lehrer hat sich dann

auszureisen – in die Schweiz. Pro

auf den Rücken und starrt durch ein

mit unbeteiligter Miene zur vor

Kopf durfte die Familie nur fünf

Loch im Dach der kleinen Hütte, die

Angst erstarrten Klasse gewandt

Dollars mitnehmen, trotzdem ge-

seit einiger Zeit ihr neues Heim war,

und sie gewarnt: „Er hat Spottge-

lang es ihnen, sich eine gesicherte

Die Kommunisten fallen wie ein wütender Bienenschwarm in Saigon ein.

dichte über un-

Existenz aufzubauen.

Führer

Bei der Protagonistin dieser Ge-

verfasst und er-

schichte handelt es sich um meine

hält nun seine

Mutter. Würde, Menschlichkeit und

gerechte

Liebe sind Werte, die sie ihren Kin-

seren

Strafe

an den dunklen Nachthimmel. Sie

für seine Undankbarkeit.“ Der Leh-

presst die Augen zu, will nicht mehr

rer forderte die Schüler zum wie-

über die Geschehnisse des heuti-

derholten Mal dazu auf, nach Regie- Katharina Minh-Anh Prautsch, 20, aus Aarau, rungsfeinden Ausschau zu halten, will nun, nach der Matura an der Alten Kantons-

gen Tages grübeln. Sie wird wieder früh aufstehen müssen, um mit der Mutter und ihren Geschwistern auf den Reisfeldern ihr tägliches Brot zu verdienen. Sie muss sich ausruhen.

Doch neue Bilder drängen sich ihr auf, spielen sich hinter ihrem in-

der zu vermitteln versucht.

auch in den Reihen der eigenen schule Aarau, Medizin studieren. „Mein Leben Verwandten, und diese ohne Gnade richtet sich nach dem Motto: ‚Träume nicht dein unverzüglich anzuzeigen. Schliess- Leben, sondern lebe deinen Traum!‘“ lich seien sie einzig und allein „Onkel“ Ho-Chi Minh Treue und bedingungslose Liebe schuldig.

neren Auge ab. Polizisten haben am

Nachtrag: Einige Jahre später,

Morgen ihr Schulzimmer gestürmt,

nachdem der unter Wasser- und

einen ihrer Klassenkameraden ge-

Gelbsucht leidende Vater aus seiner 15


reportage

Warme Füsse Acht Tage nach Rumänien, um armen Kindern Schuhe und Socken zu verteilen? Ich entscheide mich, diese spannende Reise mitzumachen. Was ich erlebe, macht mich nachdenklich.

Natalie Hunziker

A

cht Tage nach Rumäni-

Zunächst messen wir die Schuh-

en, um armen Kindern

grösse aller Kinder bis 13 Jahre und

Schuhe und Socken zu

schreiben diese auf ihre Hände. In

verteilen? Ich entscheide mich, bei

der Zwischenzeit veranstalten wir Spiele, singen Weihnachtslieder und

diesem spannenden Projekt mitzumachen, und bin sehr gespannt,

zu unserem Programm einzuladen.

erzählen Geschichten. Alle hören

was mich erwartet. In einer Gruppe

«Programm pentru copi» bedeutet

sehr aufmerksam zu und singen aus

von rund 20 Personen reisen wir mit

so viel wie «Programm für Kinder».

vollem Herzen mit.

dem Zug innert 24 Stunden in die

Das verstehen alle und nach weni-

Danach wird es hektisch: Na-

rumänische Stadt Sighisoara, wo

gen Minuten hat sich das ganze Dorf

türlich wollen alle Geschenke! Da-

wir wohnen. Danach fahren wir auf

versammelt.

mit wir den Überblick behalten kön-

katastrophalen Strassen in die um-

Die Kinder plappern ohne Pau-

nen, müssen zuerst die Kinder, dann

liegenden Dörfer. Kaum angekom-

se auf uns ein, obwohl wir nichts

die Erwachsenen sich in einer Reihe

men, rennen uns die Kinder schon

verstehen. Als sie erfahren, dass

aufstellen. Wir verteilen Pakete, in

aufgeregt entgegen und gehen mit

es nach dem Programm noch Ge-

denen sich Zahnbürsten, Zahnpas-

uns in kleinen Gruppen von Haus zu

schenke gibt, leuchten ihre Augen

ta, Seife, Notizpapier, Stifte, und

Haus, um die Familien und Kinder

noch mehr.

Spielsachen finden. Zudem bekom-

16


17


Polizistin oder Polizist in der grössten Schweizer Stadt zu sein, ist spannend, vielseitig und anspruchsvoll – sei es im Streifenwagen, auf dem Motorrad, auf dem See, in Uniform oder in Zivil. Für diese aussergewöhnliche Aufgabe brauchen Sie Einsatzbereitschaft, Besonnenheit und eine gute Ausbildung. Aufgeweckte, kontaktfreudige 20- bis 35-jährige Schweizerinnen und Schweizer mit Berufsabschluss, Matur oder anerkanntem Diplom bilden wir während zwei Jahren bei vollem Lohn zu verantwortungsbewussten, kompetenten Polizistinnen und Polizisten aus. Unsere künftigen Mitarbeitenden müssen körperlich fit und mental belastbar sein.

Ich bin Polizist

bei der Stadtpolizei Zürich. Daniel, 27, Handballer

Tag für Tag, rund um die Uhr, an vorderster Front dabei sein! Wenn Sie die Herausforderung annehmen möchten, bestellen Sie die Bewerbungsunterlagen bei der Stadtpolizei Zürich: Telefon 044 411 92 16/17 oder über www.stadtpolizei.ch


warme füsse

men sie selbstge-

Die Kinder spielen auf den Abfallhügeln, auf denen ich auch tote Hunde sehe.

sie

manchmal

schaftstoilette stellt ein kleines, aus

Viele

Holz gebautes Häuschen dar. Der

haben keine ver-

Abfall liegt überall, wo ich hinsehe.

nünftigen

Hosen

Die Kinder spielen auf den Abfallhü-

Schuhe, Süssigkeiten und für jeden

und tragen stattdessen Leggins oder

geln, auf denen ich auch tote Hunde

ein Brot.

kurze Hosen. Oft sehe ich auch Kin-

sehe … Als wir unsere Geschenke

Wer in Not ist, versucht alles:

der, die die zu grossen Stiefel umge-

vorbeibringen, strahlen uns alle an

Mit verschiedenen Tricks versuchen

kehrt anziehen, damit sie nicht ab-

und sind unglaublich dankbar!

Kinder wie auch Eltern an mehr zu

fallen …

strickte

Socken,

Halstücher, Pullover, natürlich die

Strümpfe!

Wir besuchen jeden Tag zwei

kommen. So reiben sich verschie-

Ich sehe auch, dass viele Fami-

Dörfer und kehren am Abend nach-

dene Kinder das Kreuz, das wir auf

lien in extrem kleinen Häusern mit

denklich und mit vielen Eindrücken

ihre Hand gemalt haben, wieder weg

einem einzigen Raum leben. Oft sind

zurück. Was ich in diesen Tagen

und stellen sich nochmals hinten an.

diese Häuser nicht grösser als mein

erlebe, werde ich nie vergessen.

Mütter erklären händeringend, sie

Zimmer, das etwa 12 Quadratmeter

Am meisten beeindruckt mich, wie

hätten noch mehr Kinder zu Hause.

misst! Wir werden von Familien

dankbar und glücklich die Familien,

Es ist verständlich, dass sich die

eingeladen, die bis zu sechs Kinder

die in grosser Not leben, wegen un-

Leute so verhalten, denn was ich

haben. Alle lebten in diesem einen,

serer Hilfe sind.

sehe, erschüttert mich, obwohl ich

engen Raum, in dem es meistens ei-

eigentlich darauf vorbereitet wur-

nen Tisch, zwei Betten, ein Gestell,

de. Ich sehe Kinder, die mit nackten

einen Kochherd und einen Fernse-

Füssen in ihren Finken herumlau-

her gibt, der ständig läuft. Fliessen-

fen bei Temperaturen unter dem

des Wasser gibt es nicht, man muss

Gefrierpunkt. Babys sind in Jacken

Wasser, das sicher nicht sauber ist,

eingewickelt, statt Mützen tragen

am Ziehbrunnen holen. Die Gemein-

Natalie Hunziker, 18, aus Tann, besucht die Fachmittelschule. Sie spielt gerne Basketball und liest viel. Die Reise nach Rumänien hat die christliche Organisation «Metro Ministries» organisiert.

19



essay

Ich habe, also bin ich?

Stolz wie eine Löwin schreite ich mit meiner Beute aus dem Laden. Wie gut ich mich fühle! Doch schon meldet sich die Vernunft zurück: "Noch ein Pullover? Eigentlich hast du genug davon in deinem Schrank." Anne-Catherine Minnig

D

onnerstag,

Abendverkauf.

Ich

steuere direkt auf den H&M zu. Als ich eintrete, erweitern sich meine Pupil-

len und der Puls steigt an. Von Gier getrieben,

Es gibt aber auch Besitztümer, die unersetzbar und einmalig sind, wie Fotos, vererbter Schmuck oder alte Briefe. Mit ihnen verbinden wir frühere Zeiten und Menschen und können in Erinnerungen schwelgen.

durchsuche ich die Wühltische nach redu-

Ich erinnere mich noch gut, wie mein Grossvater

zierter Ware, schnüffle zwischen den Rega-

in die USA reiste, um Verwandte zu besuchen.

len und fasse alles an, was mir ins Auge

Sein Koffer war voll mit Familienalben und

springt. In meinem Eifer bleibe

Dokumenten. Er wollte den Ausgewan-

ich mit der Tasche irgendwo

derten ihren Ursprung und ihre

hängen und ein Kleid

Schweizer

fällt vom Bügel.

Verwandten

zeigen. Als er in

Egal. Als

den USA landete,

war

sein Koffer Schnäppchenjägerin muss ich weiterfahnden. Stolz wie eine Löwin schreite ich mit meiner Beute aus dem Laden. Wie gut ich mich fühle! Doch nach einer gewissen Zeit normalisiert sich mein Puls, und die Vernunft meldet sich zurück: «Noch ein Pullover? Eigentlich hast du genug davon in deinem Schrank.»

Zu glauben, man brauche immer noch mehr Güter, um glücklich zu sein, scheint ein evolutionärer Trieb. Vor Tausenden von Jahren galten Nahrung und Kleidung als notwendiger Besitz, der die Menschen überlebensfähiger machte. Wir heutigen Jäger meinen, Besitz mache uns attraktiver. Also kaufen wir Kleider, Schmuck, iPods und Autos. Doch sind wir nicht letztlich

Die Werbung verspricht uns die Coolness von George Clooney und das Stilbewusstsein von Kate Moss. Beute der Werbung, die dieses Verhalten stimuliert? Sie

abhanden gekom-

men. Noch lange machte

ihm dies zu schaf-

fen. Diese Episode zeigt,

wie sehr man doch

an

hängt, obwohl man

ohne sie genauso gut

manchen

Dingen

leben könnte.

Es wäre wahr

scheinlich besser, die

Menschen

wür

den sich mit weniger

Eigentum

zufrie

dengeben und lernen,

sich an den Kleinig

keiten zu erfreuen, die

das Leben zu bie

ten hat. Mönche geben

beim

in

das Kloster all ihren Be-

sitz ab. Sie wollen

in Armut und Demut

leben. Durch den

Verzicht auf materielle

Dinge können sie

sich auf die wahren Wer-

te

sich den tieferen Fragen

Eintritt

konzentrieren,

des

Lebens

und

dem Glauben widmen.

Vielleicht aber reicht es schon, dem Beispiel von Diogenes zu folgen. Als Alexander der Grosse ihn fragte, was er sich von ihm wünsche, antwortete dieser lakonisch, er solle ihm aus der Sonne stehen.

fordert uns ständig auf, Geld auszugeben, um angeblich die Lebensqualität und unseren Wert in der Gesellschaft zu steigern. Die Werbung verspricht uns die Coolness von George Clooney beim Trinken eines Kaffees, das Stilbewusstsein von Kate Moss beim Kauf einer Handtasche oder mehr Erfolg beim anderen Geschlecht durch ein teures Anti-Pickel-Waschgel.

Anne-Catherine Minnig, 20, aus Zweisimmen, hat soeben die Matura am Gymnasium Hofwil bestanden und möchte nun Geschichte an der Universität Bern studieren. Sie bezeichnet sich als «fröhliches und verträumtes ‹Modi› aus dem Berner Oberland».

21


report

«Manchmal wünschte ich mi Mein Freund merkte nie etwas, er dachte immer noch, ich mache eine einfache Diät. Es kam der Tag, an dem ich mir eingestehen musste, dass ich ein ernsthaftes Problem hatte. Ich war magersüchtig. Mia Wombi*

W

ir waren ein glückliches Paar, wir hatten immer das Gefühl, bei uns sei alles perfekt und wer-

de auch lange so bleiben. Wir stritten uns niemals und ich kam auch mit seinen Eltern sehr gut aus. Ich hatte sogar aufgehört zu rauchen,

Ich musste etwas ändern an mir. Zu-

weil er es wünschte.

erst versuchte ich es mit mehr Sport.

Wir erzählten uns jedes Geheimnis, wir

Aber ich fand die Zeit gar nicht, um

redeten über alles. Und so kam es, dass ich

genug zu machen, dass es für eine Ge-

mich im Spiegel betrachtete und ihn fragte,

wichtsreduktion gereicht hätte. Ich wuss-

ob ich nicht ein bisschen zu runde Hüften hat-

te also, dass ich auch meine Essgewohnhei-

te, denn ich hatte in den Sommerferien etwas

ten ändern musste.

wenig Sport getrieben und zum guten franzö-

Ich wollte möglichst schnell Resulta-

sischen Essen wollte ich einfach nicht nein

te sehen, also liess ich jeden zweiten Tag das

sagen. Er antwortete zuerst überhaupt nicht

Abendessen aus. Ich wog mich immer öfters

und dann mit einem überspielten «Nein». Ich

und schaute mich im Spiegel an. Doch ich sah

fragte ihn nochmals, ob er sicher sei und dann

einfach keine Unterschiede. Ich verweigerte

sagte er endlich: «Ein bisschen vielleicht.» −

meinem Freund, mich auszuziehen, weil ich

«Stört es dich denn?», fragte ich schnell. «Ja,

nicht wollte, dass er mich so sah, dick und auf-

ein wenig. Manchmal wünschte ich mir, du

gedunsen, wie ich mich fand. Damit er nicht

wärst dünner!»

fragte, täuschte ich starke Bauchschmerzen

Ich spürte einen Schmerz in der Brustgegend. Wir hatten uns noch nie kritisiert, vor

Das Abendessen verweigerte ich

allem nicht unser Äusseres. Ich sagte ihm

nun vollends. Mein Vater begann sich um

immer, dass er wunderschön sei, genau mein

mich zu sorgen und forderte mich auf,

Traumtyp. Aber erst jetzt fiel mir auf, dass

zum Arzt zu gehen, mit solchen Dingen

er nie etwas in dieser Form zurückgegeben

sei nicht zu spassen. Natürlich fand

hatte. Wenn ich ihm ein solches Kompliment

ich immer irgendeine Ausrede.

machte, sagte er immer nur: «Wenn du das

22

vor.

Wenn immer ich eine Schale

findest». Ich war mir gewohnt, von ihm nicht

Cornflakes gegessen hatte, be-

viele Komplimente zu bekommen, er war halt

kam ich ein so schlechtes Gefühl,

nicht der Typ dafür. Aber wieso fiel mir erst

dass ich mich sofort auf dem WC

jetzt auf, dass er mich zu dick findet?

übergeben wollte, doch irgend-

Es fiel mir keine Antwort ein, ich wusste

wie gelang mir das nicht. Die

aber ganz genau, dass ich das so nicht wollte.

schlechten Gefühle aber blie-


r, du wärst dünner» TANGO-FACTS Schätzungen gehen davon aus, dass in der Schweiz zwischen 10‘000 und 50‘000 Personen – zu 90 Prozent junge Frauen zwischen 15 und 35 Jahren – von Anorexie (Magersucht), Bulimie (Ess- und Brechsucht) und Esssucht betroffen sind. Die Arbeitsgemeinschaft Essstörungen führt jährlich niederschwellige Beratungen durch, kostenlos und auf Wunsch anonym. Sie bietet Gespräche in Selbsthilfegruppen im Beisein einer Fachperson an. Weitere Infos: www.aes.ch; www.essstoerung.ch

Sicherheit auch Alkohol genommen, wenn ich nicht gewusst hätte, wie viele Kalorien darin enthalten sind.

Durch die Magersucht war ich hässlich geworden. Meine Haut trocknete aus, Wunden, die ich mir selbst zufügte, heilten nur Ich

sehr langsam und vernarbten dann. Aber ich

mich

konnte schauspielern und alles verstecken,

mit einer guten Freun-

was mich verraten hätte. Angeblich war ich

din und bat sie um Zigaret-

ein glücklicher Mensch mit vielen Freunden

ben. traf

ten. Lässig sagte ich: «Weisst

und wenig Zeit.

du, manchmal habe ich einfach

Mein Freund merkte nie etwas, er dachte

Lust auf etwas Ekliges.» Den ei-

immer noch, ich mache eine Diät. Ich wollte

gentlichen Grund hätte ich nicht

ihm endlich gefallen, endlich etwas von ihm

über die Lippen gebracht: Ich suchte

hören, was mich schön für ihn macht. Doch

irgendetwas, was mir den ständigen

es kam nichts. Es kam der Tag, an dem ich

Hunger nahm.

mir ich mir eingestehen musste, dass ich ein

Zusätzlich zum Hungern versuchte

ernsthaftes Problem hatte. Ich war krank.

ich möglichst viel Sport zu treiben – jedoch

Entweder hörte ich jetzt auf zu hungern, oder

ohne grossen Erfolg. Ich hatte überhaupt

ich musste ins Spital eingeliefert werden.

keine Kondition und brach mehrmals zusam-

Doch dann würden alle merken, was mit mir

men. Mein Vater fragte mich immer, ob alles in Ordnung sei. Er wusste ganz genau, dass es nicht so war, doch er wollte nicht bohren. Er

los ist – und das wollte ich in keinem Fall.

Und nun schreibe ich es öffentlich hin, damit jeder weiss, wie schnell es gehen kann.

hatte Angst, dann gar nichts mehr zu erfahren.

*Name von der Redaktion geändert

Ich sah immer noch die Stellen, die mir zu dick schienen. Ich versuchte mich von meinem Freund fernzuhalten, weil ich nicht wollte, dass er mich so sieht. Ich erfand im-

Mia Wombi*, 18, aus Basel, hat soeben die

mer neue Geschichten, wieso ich nicht abma-

Matura bestanden. Mit diesem Text möchte

chen konnte, und vergrub mich irgendwo mit

sie auf das Problem der Magersucht aufmerk-

Zigaretten. Ich hätte mit hundertprozentiger

sam machen und auch anderen helfen.

23


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report

Lebenspartner Magersucht Meine Gedanken drehten sich immer um dasselbe: Ich bin zu dick, das darf ich nicht essen, ich esse zu viel, ich hab das Essen nicht verdient. Sandra-Dominique Weder

M

einen ersten Schritt in

spital eingewiesen. Danach, ich hat-

die Magersucht mach-

te bereits einige Kilos zugelegt, kam

te ich mit 13 Jahren.

ich ins Kinderschutzzentrum, das

Ich fuhr mit meiner Klasse ins Ski-

zum Kinderspital gehört. Wir waren

lager. Die ersten Tage verliefen ganz

rund zehn Patienten, alle mit einer

normal, bis ich wie aus heiterem

Essstörung, die Mehrheit mager-

Himmel

Symptome

süchtig. Die Tage gestalteten sich

verspürte. Ab diesem Zeitpunkt war

grippeartige

mit Therapien und sechsmaligem

mir stets übel und ich begann, kaum

gemeinsamen Essen. Doch meine

mehr etwas zu essen. Mein Gewicht

Gedanken drehten sich immer um

verringerte sich stetig, dazu beglei-

dasselbe: Ich bin zu dick, das darf

tete mich eine tiefe Traurigkeit.

ich nicht essen, ich esse zu viel, ich

Nach sechs Monaten, die Schulfe-

hab das Essen nicht verdient … Ich

rien hatten gerade begonnen, be-

stürzte in eine schwerwiegende Ma-

schlossen meine Eltern, mich auf-

gersucht, sodass ich erst nach einem

grund meines Essverhaltens in die

Jahr das Kinderschutzzentrum ver-

Jugendpsychiatrie einzuweisen.

lassen konnte.

Sonnenhof, so hiess die Klinik,

Einmal wöchentlich musste ich

in die man mich einwies. Doch von

zum Arzt zur Gewichtskontrolle.

der Sonne verspürte ich nichts.

Der Arzt setzte mir eine Gewichts-

Ich weinte oft stundenlang, bekam

limite, die ich nicht unterschreiten

Schicksale zu sehen, die mich heute,

durfte. Da ich mein Gewicht jedoch

acht Jahre später, noch verfolgen.

nicht erreichte, begann ich Wasser

Da

ich

zunächst

nichts essen konnte oder wollte, wurde mir eine Magensonde gelegt, die durch meine Nase in den Magen führte. Ab diesem

Ich begann, Wasser zu trinken, um so eine Gewichtszunahme vorzutäuschen.

Zeitpunkt

zu trinken, um so eine nahme

Gewichtszuvorzutäu-

schen. Einmal hatte ich fast sieben Liter Wasser getrunken, ohne einmal Wasser zu lösen. Es

begann ich, alles Essbare in mich

fühlte sich an, als ob ich platzen

hineinzustopfen, in der Hoffnung,

würde. Ich fühlte mich elend, ich

bald wieder entlassen zu werden.

musste mich stellen. Weinend beich-

Tatsächlich: Nach vier endlosen Wo-

tete ich alles meiner Mutter …

chiatrie verlegt. Nach weiteren vier Monaten landete ich wieder im Spital, wo ich künstlich ernährt wurde und so auch an Gewicht zulegte. Spital, Kliniken – ein Marathonlauf … In dieser Zeit lernte ich auch meinen damaligen Freund kennen, durch den ich wieder essen lernte.

Heute plagen mich zwar immer noch starke psychische Probleme, mein Gewicht habe ich aber unter Kontrolle. Trotzdem: Die Gedanken, zu dick zu sein, werden wahrscheinlich immer ein Teil von mir sein, deshalb eben: «Lebenspartner Magersucht».

chen entschieden sich meine Eltern,

Nun fing alles wieder von vor-

mich wieder zu sich zu nehmen. Die-

ne an: Zuerst lieferte man mich ins

ser Tag war wie Weihnachten und

Kantonsspital ein, wo mir strikte

Geburtstag zusammen.

Bettruhe verordnet wurde. Nicht

Sandra-Dominique Weder, 22, aus Romans-

Doch schon bald ass ich wieder

einmal zur Toilette durfte ich. Nach

horn, liebt es, zu lesen, Klavier zu spielen und

weniger. Also wurde ich ins Kinder-

sieben Wochen wurde ich in die Psy-

zu fotografieren. Und sie mag Tiere.

25


essay

Sehnsucht Nein, ich flüsterte nicht leise seinen Namen mit wässrigen Augen. Nein, ich befahl ihm auch nicht, sofort zu verschwinden. Ich desinfizierte meine Hände und starrte auf sein T-Shirt. Miriam Tinner

I

ch lag im Bett. Ich spürte seinen Kopf in meinem Nacken, seine Nase in meinem Haar Ausgang:

Katastrophal,

überall

und hörte seine Atemzüge. Ich spür-

Gab es denn nicht dieses ver-

te ihn so nah bei mir. Aber er war

dammte Fibrinogen, das innerhalb

verliebte Pärchen. Lesen: In Ord-

nicht wirklich da, er war gar nicht

von Stunden eine Kruste um die

nung, solange es den Menschen im

da. Er hatte mich verlassen. Geblie-

Wunde bildet, die nach einigen Ta-

Buch schlechter ging als mir. Also

ben waren mir meine Gefühle und

gen abfällt und alles wieder wie neu

entschied ich mich fürs Lesen, aber

meine Sehnsucht, die mich verfolg-

ist? Bei mir zumindest nicht. Ich litt

einige Wochen und fünfzig Bücher

ten seit jener Nacht, in der ich um

wohl an der Herz-Bluter-Krankheit.

später konnte ich dieses «Ich-liebe-

halb zwei Uhr nach Hause musste.

Die dazu beitrug, dass ich mir eine

ihn-und-er-liebt-mich,-seit-wir-

In dieser Nacht ging ich bei ihm ins

fiese Entzündung am Herzen geholt

vierzehn-sind,-aber-leider-habe-ich-

Bett, mit dem Gedanken, am Mor-

hatte. Wegen dieses grossen Schnit-

einen-anderen-geheiratet,-doch-am-

gen in seinen Armen aufzuwachen.

tes und dem Herumstochern in die-

Ende-des-Buches-finden-wir-end-

Irrtum. Einsam erwachte ich in

ser Wunde, wenn mich wieder etwas

lich-zusammen»-Getue nicht mehr

meinem Bett.

an ihn erinnerte. Diese Wunde war

ausstehen.

zwar nicht mehr ganz so frisch,

Ich begann in einem Fast-Food-

von ihm und von mir: Wie er zu mir

brannte aber extrem und gab viel

Restaurant zu arbeiten. Perfekt.

zurückkam,

Eiter ab.

Beschäftigung.

Seitdem träumte ich jede Nacht

26

mit

sehnsüchtigem

Meine

Gedanken

Blick in seinen Augen, wie er mich

Trotzdem hatte ich seit der

drehten sich nur um Pommes Fri-

streichelte, immer näherkam … und

Trennung mein Bestes gegeben und

tes, Burgers, Shakes und Rückgeld.

mich schliesslich küsste. Doch jeder

versuchte mich immer wieder aufs

Ich wurde abgelenkt durch all die

Morgen kam mit der brutalen Wahr-

Neue abzulenken. Kino: Schlecht,

verschiedenen Leute: Leute, die

heit. Mein Herz blutete.

warum sass nicht er neben mir?

dick waren und noch dicker werden


wollten. Gestresste Eltern, die fünf

ter Arsch!] − «Mit Speck?» − «Ähm

verschiedene Menüs bestellten und

… gerne.» [Ich hasse dich!] − «Was

sich so erhofften, einige ruhige Mi-

möchtest du trinken?» [Autsch…] −

nuten zu verbringen, während sich

«Cola, bitte.» − «Möchtest du noch

die Kinder den Mund vollstopften.

einen Beutel Ketchup dazu?» – [Lie-

Junge Männer, die mich bestimmt

ich fing nicht zu weinen an. Nein,

be mich! Liebe mich!] − «Nein dan-

supersexy fanden mit meiner tollen

ich rannte nicht weg. Nein, ich

ke. Geht ohne.»

Kappe und dem amerikanischen XS-

wurde nicht hysterisch. – Nein, ich

Ich bereitete alles vor. Mir war

Shirt.

flüsterte nicht leise seinen Namen

schlecht. «Zum hier essen?» [Sag,

Obwohl ich wenig Zeit hatte

mit wässrigen Augen. Nein, ich be-

dass du mit mir sprechen willst!] −

nachzudenken, blieb die Sehnsucht

fahl ihm auch nicht, sofort zu ver-

«Nein, ich muss sofort los.» − Herz-

meine treue Be-

Wollte er mit mir sprechen? Zu mir zurückkommen? Mich küssen?

schwinden.

Ich

stich.

desinfizierte mei-

Ich gab ihm sein Essen. Unse-

ne Hände, starrte

re Hände berührten sich. Er sagte:

auf sein T-Shirt,

«Hoffentlich bis bald.» Er ging. Ich

das wir in unse-

dachte an Jacques Brels «Ne me

ren wunderschö-

quitte pas»: «Moi je t’offrirai des

ihm. Ich dachte an seine Küsse, an

nen gemeinsamen Ferien gekauft

perles de pluie, venues de pays où il

unsere gemeinsame Zeit, aber auch

hatten.

ne pleut pas … Laisse moi devenir

gleiterin. Denn sobald ich eine freie Minute hatte, waren alle meine Gedanken sofort bei

an seine Freunde, die ich nie ausstehen konnte.

«Hallo, was darf es denn sein?»

l’ombre de ton ombre, l’ombre de ta

[Ich liebe dich.] −«Hey… wie geht

main, l’ombre de ton chien … Ne me

Dann kam er. Mir wurde ganz heiss. Ver-

es dir denn?» [Sag, dass du mit mir

quitte pas. Ne me quitte pas. Ne me

sprechen willst!] − «Ganz gut. Was

quitte pas … »

dammt. War er gekommen, weil er

möchtest du bestellen?» − «Schön.

Ich goss mir einen Milchsha-

mich sehen wollte? Wollte er mit

Gerne das Menü mit dem Spezial-

ke ein − in der Hoffnung, meinen

mir sprechen? Zu mir zurückkom-

Angebot.» [Ich würde dir am liebs-

Schmerz und meine Sehnsucht dar-

men? Mich küssen? Oder wollte er

ten ins Gesicht spucken, du ignoran-

in zu ertränken.

mich verletzen? Wollte er sehen, wie ich reagierte? Oder war er einfach in der Nähe, hatte Lust auf Fast Food

Miriam Tinner, 20, aus Richterswil, hat nach der Matura an der Kan-

und hatte nicht daran gedacht, dass

tonsschule Freudenberg nun mit einem Jus-Studium begonnen. Sie be-

ich vielleicht hier sein könnte?

schreibt sich als «sehr lebensfrohe Person, die viel lacht und am liebsten

Er war nun fast bei mir. Nein,

immer und überall tanzen möchte».

27


report

Bimal wird verheiratet Während Bimal sich noch in Selbstzweifeln und kümmerlichem Protestgemurmel übt, ist die Verwandtschaft schon längst in Aktion getreten. Denn in Nepal wird eine Heirat zumeist von den lieben Verwandten eingefädelt. Braut und Bräutigam kennen sich vor der Hochzeit kaum.

Simone Moser

V

or zwei Jahren habe ich begonnen, zusam-

schied vom Junggesellenleben in Nepal aus:

men mit Laxmi, einer jungen Nepalesin, ein

ein passendes Mädchen finden (ca. 5 Wochen),

kleines Waisenhausprojekt aufzubauen. Ich

ein persönliches Treffen mit dem Mädchen

lebe mit «meiner Familie» in einer Kleinstadt in der

und deren Verwandten arrangieren (1 Tag),

Nähe von Kathmandu. Laxmis Bruder Bimal ist knapp

Entwicklung von gegenseitiger Sympathie in

dreissig, hat ein bisschen Buchhaltung studiert, arbeitet

einem Rendezvous (10 Minuten), beide Fami-

hier und dort oder gar nicht, unterstützt selbstlos unser

lien von der jeweiligen Wahl überzeugen (1

Projekt und ... eben: Sein Vater hat beschlossen, dass

Tag), die finanziellen Konditionen unter den

sein Sohn heiraten soll – und zwar so schnell wie mög-

Familien aushandeln (2−4 Tage), die Verlo-

lich. Denn eine Ehefrau muss mithelfen, die Versorgung

bung mit 60 Verwandten und Nachbarn feiern

der Eltern zu sichern.

(1 Tag) und schliesslich die Hochzeit (mehrere

Man muss wissen, dass die Gesellschaft in Nepal

Tage).

in zahlreiche Ethnien unterteilt ist, wie beispielsweise

Während Bimal sich in Selbstzweifeln

Sherpas, Tamang, Chetri oder Newar. Zusätzlich gibt es

und kümmerlichem Protestgemurmel übt,

ein kompliziertes Kastensystem. Im Zentrum steht we-

ist die Verwandtschaft schon längst in Aktion

niger das Individuum als vielmehr die Familie. Obwohl

getreten. Eine geeignete Braut muss gefun-

auch in Nepal der Einzug der Moderne keineswegs zu übersehen ist, halten sich gewisse traditionelle Sitten und Gebräuche hartnäckig. Die Heirat, am besten innerhalb

Immer wieder trudeln Vermittlungspersonen mit Fotos der Kandidatinnen ein.

den werden! Diese Aufgabe beschäftigt alle und bietet unendlichen Gesprächsstoff. Noch spät am Abend klingelt das Telefon, weil irgendwelche Tanten oder Familien-

der eigenen Kaste, ist der Schlüssel dazu, ein vollwerti-

freunde von irgendwelchen Mädchen erfahren

ges Mitglied der Gesellschaft zu werden. Doch wie funk-

haben, so und so alt, mit dieser Ausbildung

tioniert eine von der Familie arrangierte Heirat? Wer

und jenen Familienverhältnissen ...

wählt aus und wie lernt sich ein «Paar» kennen?

die ersten Vermittlungspersonen mit Fo-

Auch wenn Bimal bei der Vorstellung zu heiraten

tos und weiteren Informationen zu den Kan-

eher erschrickt als in Freudentränen auszubrechen,

didatinnen ein. Wir schauen uns die Bilder

bleibt ihm nichts anderes übrig. Und so sieht der Ab-

genau an, rätseln über ihren möglichen Cha-

28


29


bimal wird verheiratet

TANGO-FACTS

rakter, halten die Porträts neben Bimal hin, witzeln und

Simone Moser ist Mitbegründerin des Waisenhauses La Dhoka in Nepal. Und das kam so: 2008 reiste sie nach Nepal. Die Wogen des 12-jährigen Bürgerkrieges hatten sich soweit geglättet, dass ein Aufenthalt möglich war. Bald nach der Ankunft begann Simone in einer Schule mit einem Praktikum. Sie lernte die Nepalesin Laxmi kennen, und es entwickelte sich eine tiefe Freundschaft.

lachen. Die zahllosen Gespräche überfordern meine

Schon bald entstand die Idee, ein kleines, aber feines Waisenhaus zu gründen, das wenigen Kindern ein neues Zuhause und eine Ausbildung bietet. Geträumt, geplant, angepackt, mittendrin. Innerhalb kurzer Zeit fanden Simone und Laxmi eine geeignete Räumlichkeit, liessen von einem Schreiner Betten herstellen, besorgten die nötige Ausrüstung für die Küche, nahmen Kontakt auf mit Angehörigen möglicher Kinder, liessen Schuluniformen nähen, diskutierten die aktuelle und zukünftige Arbeitsteilung … Durch grossen Einsatz entwickelt sich das Kinderprojekt seither in kleinen, aber stetigen Schritten weiter. Mittlerweile haben Simone und Laxmi sieben Kinder bei sich aufgenommen und in der Schweiz den Verein La Dhoka gegründet. Nähere Infos: www.ladhoka.ch

Nepali-Kenntnisse weitgehend, aber Fotos anzuschauen von irgendwelchen Damen irgendwo im Kornfeld und mir vorzustellen, dass diese schon bald Teil der Familie sein könnten – das lasse ich mir natürlich nicht entgehen!

Ich muss zugeben: Eine Braut zu suchen, ist keine einfache Aufgabe. So viele Dinge müssen passen: der Familienhintergrund, die Bildung, das Aussehen, das Al-

Der Vater hat eine andere Kandidatin im Kopf, eine mit reicheren Eltern. ter ... und natürlich muss Bimals Vater zufrieden sein. Die Frage, warum die ganze Familie mitentscheidet, erübrigt sich schnell. Nach der Hochzeit leben schliesslich auch alle mit der neuen Braut zusammen.

Nach einigen Tagen taucht ein weiteres Foto auf: dezentes Lächeln, sanfter Blick, leicht verschränkte Arme. Die Spekulationen über allfällige Charaktereigenschaften schiessen wieder einmal ins Kraut. Ihr Name ist Binitha, 21-jährig, sie hat soeben das College abgeschlossen. Es mag erstaunen, dass ein Mädchen vom Land einen so guten Schulabschluss hat; jedoch dient dieser hauptsächlich zur Verbesserung der Chan-

30


cen auf dem Heiratsmarkt.

Zu unserer Erleichterung zeigt sich auch Bimal recht angetan. Der Vater hingegen lehnt den Vorschlag mit einer fahrigen Handbewegung ab. Er hat eine andere Kandidatin im Kopf, eine mit reicheren Eltern, allerdings ungebildet und wohl kaum Bimals Typ ... Doch wir Frauen haben in Binitha unser zukünftiges Familienmitglied gefunden.

Einige Tage später fahren Laxmi, eine Cousine, Bimal und ich in einen entlegenen Winkel von Kathmandu, wo wir Binita und einige ihrer Familienmitglieder zum ersten Mal treffen. Bimal trägt seine schönsten Kleider und ist sichtlich nervös. Nach dem ersten privaten Kurzgespräch zwischen Binitha und Bimal sitzen die beiden Clans an verschiedenen Tischen und beobachten sich gegenseitig beim Essen. Ich nutzte die Gelegenheit, um Bimal mit Fragen zu löchern. «Worüber habt ihr gesprochen?», will ich wissen. «Ich fragte sie, wie sie heisse und sprach mit ihr über die Schule», antwortet er. Ich schweige und wundere mich einmal mehr, wie sich hier zukünftige Brautleute kennenlernen …

Gerne würde ich selbst mit dem Mädchen sprechen, um sie ein bisschen besser kennen 31


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bimal wird verheiratet

zu lernen. Kaum habe ich diesen Gedanken

eine Gästeliste geschrieben und gekürzt …

laut ausgesprochen, werden Binitha und ich

Nach einer hektischen Woche steigen wir in

an einen separaten Tisch gesetzt. Das allge-

unseren schönsten Kleidern in einen gemiete-

meine Interesse an unserer Unterhaltung

ten Bus und nehmen eine fröhliche dreistün-

wird aber spätestens dann klar, als Binithas

dige Fahrt auf uns.

Bruder ein Handy mit aktivierter Aufnah-

In einer farbigen hinduistischen Zeremo-

mefunktion vor uns auf den Tisch legt … So

nie werden Bimal und Binitha sowie alle Gäste

finde ich mich also in der seltsamen Situation wieder, mit einer wildfremden

Sie haben schüchtern einige Worte gewechselt.

mit einem grossen roten Stirnzeichen (Tika)

gesegnet.

Ein Priester spricht

Nepalesin ein Gespräch über ihr Leben, ihre

die heiligen Worte und die Geschenke wurden

Bildung, ihre Wünsche und ihre Zukunft zu

überreicht – alles dokumentiert von Dutzen-

führen.

den Digitalkameras.

Auch wenn sie äusserst schüchtern ist,

Nun sind Binitha und Bimal, die sich

wohl erdrückt von der erwartungsvollen Auf-

kaum kennen, also verlobt. Doch sie haben

merksamkeit, die auf ihr lastet, hinterlässt

sich angelächelt. Sie haben schüchtern einige

Binita bei mir einen positiven Eindruck. Ich

Worte gewechselt. Bis zur Hochzeit werden

bin entschlossen, dass sie und keine andere

sie getrennt leben und sich kaum je zu Gesicht

Bimals Ehefrau werden soll. Jawohl!

bekommen. Doch zum Glück gibt es Mobilte-

Nach diesem erfolgreichen Treffen ver-

lefone, die die räumliche Distanz überbrücken

handelt ein Mediator mit den beiden Vätern

und es den beiden ermöglichen, schon vor der

und schliesslich, nach zwei weiteren spannen-

Hochzeit, die in vier Monaten stattfindet, über

den Tagen, steht fest: Bimal und Binitha wer-

ihre Zukunftsvorstellungen zu sprechen …

den verheiratet!

Jetzt geht das Vergnügen erst richtig los,

Simone Moser, 24, besucht in Schaffhausen

die Verlobungsfeier wird vorbereitet: Sari und

die Pädagogische Hochschule und hat das

Absatzschuhe werden für die Braut gekauft,

Projekt La Dhoka in Nepal aufgebaut. Simone:

ein Anzug geschneidert, der Goldschmuck

«Ich bin immer aktiv, immer viel beschäftigt,

der Mutter neu eingeschmolzen, unzählige

immer neugierig, immer voller Ideen, oft un-

Mandeln, Kokosnüsse, Datteln und Früchte

terwegs, oft abends am Filmgucken, manch-

als Brautgeschenke arrangiert, ein Make-up-

mal müde, manchmal schlecht gelaunt, ganz

Täschchen, Shampoo und Parfüm gekauft,

selten pünktlich.»

33


tang

aufruf

OTOGRAFIEREN • ZEICHNEN • SCHREIBEN • DICHTEN • INTERVIEWEN • GESTALTEN • EXPERIMENTIEREN • BERICHTEN DU BIST KREATIV schreibst gerne (und gut) • schreibst spannende Reportagen • verfasst originelle Kurzgeschichten • schiesst starke Fotos • zeichnest witzige Cartoons, Comics, Karikaturen • verfasst eine spezielle Matura-, Abschluss- oder Facharbeit • Dann brauchen wir dich als Geschichtenerzähler/-in oder Reporter/-in oder Fotograf/-in oder Cartoonist/-in …

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report

36


Ein Boot, das fliegt

In unserer Maturaarbeit gelingt es, Luciens Leidenschaft fürs Fliegen und meine Passion fürs Segeln zu verbinden: Wir bringen ein Boot zum Fliegen! Elena Möschter

Z

ugegebenermassen ist es

wir, uns Gedanken über die Form

Werte vorkommen, die eigentlich

eine reichlich verrückte

der Tragflügel zu machen. Von einer

für die Aerodynamik ausgelegt sind,

Idee, ein Boot zum Fliegen

T-Form, wie sie bei Einrumpfbooten

müssen wir zunächst eine Testreihe

zu bringen. Dies aber ist genau das

verwendet werden, über eine Z-Form

machen, um zu prüfen, ob die Werte

Ziel, das Lucien und ich mit unse-

kommen wir schliesslich zu einer

auch wirklich für die Hydrodyna-

rer gemeinsamen Maturaarbeit an

simplen Tragfläche, die im 45-Grad-

mik verwendet werden können.

der Kanti Wohlen erreichen wollen.

Winkel unter das Boot führt. Diese

Wir erhalten die einmalige Ge-

Und zwar nicht, indem wir ein neu-

Form hat den Vorteil, dass der Über-

legenheit, den Wasserkanal der ETH

es Boot konstruieren, − wir wollen

gang der verschiedenen Auftriebs-

Zürich zu verwenden. Deshalb ist es

den 250 Kilogramm schweren Ka-

werte gleichmässig geschieht. Diese

nicht nötig, unsere finale Tragflü-

tamaran meines Vaters in die Luft

sind nötig, damit das Boot zu Be-

gelform zu verwenden, da es ja nur

heben. Genau dieses Prinzip wandte

ginn einen hohen Auftrieb erfährt,

um die Richtigkeit der Werte geht

das französische Millionenprojekt

der dann kontinuierlich abnimmt,

und nicht um die Berechnung an

«L‘Hydroptère» an, das mit 115 km/h einen neuen Geschwindigkeitsrekord

für

Segelschiffe aufstellte. Dieser Trimaran (ein Boot mit drei Rümpfen) verwendet

Die Resultate im Wasserkanal zeigen nur geringe Abweichungen zu unseren Berechnungen..

Tragflächen, welche Auftrieb leisten und somit das Boot aus dem Wasser heben. Da nun

sich. Die Resultate zeigen erstaunlicherweise extrem geringe Abweichungen zu unseren Berechnungen, sodass wir uns endlich an die konkrete Umsetzung machen können. Bevor wir jedoch bauen können, müssen wir von einem Ingenieurbü-

sodass man schliesslich nicht ganz

ro 3D-Pläne der Tragflügel anferti-

den Kontakt zum Wasser verliert.

gen lassen. Diese geben wir dann an

nur noch die sogenannten Hy-

Nachdem die Form klar ist, be-

drofoils im Wasser sind und

ginnen die äusserst komplizierten

die grossen Rümpfe über

Berechnungen – ein Fall für Lucien.

Der nächste Schritt verlangt

dem Wasser fliegen, ver-

Schon nach wenigen Wochen haben

handwerkliches Feingefühl und er-

ringert sich der Wasser-

wir eine Form definiert, die genü-

fordert viel Geduld. Über den Holz-

widerstand enorm.

gend Auftrieb für unser Boot liefern

kern haben wir zuerst einige Lagen

soll Da aber in den Berechnungen

Carbon laminiert, um dem Tragflü-

Also

beginnen

eine CNC-Fräse weiter, die uns den Kern unserer Tragflügel fräst.

37


Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät

Naturwissenschaften an der Universität Zürich innovativ, interdisziplinär, zukunftsgerichtet

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12. März 2011 Informationstag für Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrpersonen Universität Zürich, Campus Irchel, Winterthurerstrasse 190, 8057 Zürich Mehr Infos: www.mnf.uzh.ch


gel eine möglichst gute Längsstabi-

schieht es: Unser Boot hebt ab! Wäh-

lität zu geben. Als letzte Schicht fol-

rend einiger Sekunden können wir

gen fünf Lagen Aramitgelege, dabei

vom Beiboot aus deutlich sehen, wie

handelt es sich um ein Gemisch zwi-

sich beide Rümpfe gleichmässig aus

TANGO-FACTS

schen Keflar und Kohlenstoff.

dem Wasser heben – Wahnsinn! Wir

«Schweizer Jugend forscht» sucht Talente

Glücklicherweise ist am Boot bereits eine Befestigungsmöglich-

freuen uns riesig über diesen nicht selbstverständlichen Erfolg.

keit vorhanden. In die sogenann-

Schnell wird uns jedoch klar,

ten Beams, die die beiden Rümpfe

dass es für den Segler unmöglich ist,

verbinden, können wir eine Alumi-

das Boot vollkommen waagerecht

niumstange einführen, auf die wir

zu fliegen. So schleift im Moment

dann die Tragflügel stecken. Damit der Druck möglichst gleichmässig auf dem Rumpf verteilt wird, haben wir ein Negativ des Rumpfausschnitts laminiert und

Die Resultate im Wasserkanal zeigen nur geringe Abweichungen zu unseren Berechnungen.

schliesslich eine Aluminiumstange mit einem «Schuh», der

das Heck im Wasser, während der

exakt auf den Rumpf passt, erhal-

vordere Teil vollkommen auftaucht.

ten. Die Aluminiumstangen kann

Deshalb arbeiten wir nun an einem

man herausziehen, sodass man erst

System, das es ermöglicht, dieses

im Hafen die riesigen Tragflügel an-

Handicap zu beheben, um ungehin-

bringen muss.

dert zu fliegen.

Nachdem wir also die Tragflügel gebaut haben, wird es ernst: Der

zurückschauen, sind wir stolz und

erste Test steht an. Bei bitterkalten

freuen uns über unseren Erfolg.

Temperaturen und einer Wasser-

Vergessen sind die Nachtschichten,

temperatur von 4 Grad wassern wir

während derer wir oftmals bis um

am 6. Dezember das Boot am Urner-

drei Uhr morgens in der Werkstatt

see und laufen zu einer ersten Test-

standen, die kalten Temperaturen

fahrt aus. Testpilot ist mein Vater,

und die Rückschläge. Für uns zählt

da er ein sehr erfahrener Segler ist,

nur, dass man auch eine solch ver-

der das Boot auch in aussergewöhn-

rückte Idee als Maturaarbeit meis-

lichen Situationen ruhig und gelas-

tern kann.

Wenn wir auf unser Projekt

Bist du ein Computerfreak, kennst du die Vogelwelt oder schaust nachts stundenlang durch das Teleskop in den Himmel? Dann hast du, was es braucht, um bei «Schweizer Jugend forscht» dabei zu sein: Talent und Neugier. Das Angebot hat ein Ziel: junge Talente zu fördern, sei es im Bereich der Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften oder Technik. – Beschäftigst du dich in deiner Freizeit mit einem Thema, das du gerne wissenschaftlich untersuchen würdest? Hast du in der Schule oder in der Lehre eine Forschungsarbeit (z. B. Maturaarbeit, selbstständige Vertiefungsarbeit oder Abschlussarbeit) verfasst, die du gerne weiterverfolgen würdest? Dann mach mit am Nationalen Wettbewerb 2011 von Schweizer Jugend forscht! Mitmachen kannst du ab dem 14. Altersjahr bis zum Abschluss der Mittel- oder der Berufsfachschule. Deine Wettbewerbsarbeit muss eine praktische, technische, gestalterische oder wissenschaftliche Fragestellung enthalten sowie eine methodische Bearbeitung derselben. Der innovative Charakter der Arbeit kann dabei in der Idee, der Methodik oder der Ausführung liegen Das Anmeldeformular kann auf der Website www.sjf.ch heruntergeladen werden. Anmeldetermin ist der 15. Oktober 2010.

sen kontrollieren kann.

Leider lassen die Windverhältnisse zu wünschen übrig, von

Elena Möschter, 19, aus Bremgarten, beginnt nun mit einem Veteri-

den versprochenen 3−4 Beaufort ist

während unseres Projekts sehr geholfen hat. Es macht mir Spass, mit

nichts zu spüren. Erstaunlicherwei-

anderen Menschen gemeinsam zu arbeiten und meine Hobbys mit Lei-

se nimmt das Boot trotzdem Fahrt

denschaft zu betreiben.» – Die gemeinsame Maturaarbeit wurde von

auf und als der Windgott sich dann

der Jury von «Schweizer Jugend forscht» mit dem Prädikat «hervor-

entscheidet, uns doch noch die eine

ragend» ausgezeichnet, dazu sicherte sie sich die Teilnahme an einem

oder andere Böe zu gewähren, ge-

Wissenschaftsforum für Jugendliche in London.

närmedizinstudium. «Ich bin ein sehr neugieriger Mensch, was mir

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IS GURnaD ztURühecckk t»


reportage

Im neunten Bett stirbt man nicht Conny Schmidt ist elf, als sie erfährt, dass sie an Leukämie erkrankt ist. Dem Gedanken an den Tod begegnet sie, wie nur ein Kind es kann. Veronika Widmann

D

u musst sofort ins Kran-

chungsgeräte und Monitore. Es sieht

sen darf, sieht sie draussen auf dem

kenhaus. Nimm am bes-

aus wie in den Arztserien, die sich

Gang die anderen Kinder der Stati-

ten ein paar Sachen mit,

Connys Mutter immer anschaut.

on, die alle keine Haare mehr haben.

es kann sein, dass du die Nacht

An der Decke dreht sich ein riesiger

Conny weiss, dass das ein Zeichen

drin bleiben musst.» Es ist der 26.

Ventilator. Er ist so laut, dass es ihr

für Krebs ist, und in diesem Moment

Dezember 1999, die elfjährige Con-

vorkommt, als würde sie mitten auf

ist das für sie eine riesige Erleichte-

ny Schmidt sitzt im Behandlungs-

einem Flughafen stehen. Menschen

rung. Dann hat sie selbst also auch

zimmer ihres Hausarztes. Schon

kommen an ihr Bett und beugen sich

«nur» Krebs und keine schreckliche,

den ganzen Tag lang hat sie Bauch-

über sie: Sie sind dick vermummt,

ansteckende Seuche! Warum hat ihr

schmerzen, sie kann kaum noch

von ihren Gesichtern sieht Conny

das nur keiner früher gesagt? Krebs

aufrecht stehen. Der Arzt hat fest-

nur die Augen, denn alle tragen

kann man doch behandeln, und an-

gestellt, dass ihre Milz um das Drei-

Kittel,

Mundschutz

steckend ist er auch nicht – sie hätte

fache angeschwollen ist und sie viel

und eine Haube auf dem Kopf – so-

sich also keine so grossen Sorgen

zu viele weisse Blutkörperchen hat.

gar ihre Mutter! Wenn sich andere

machen brauchen!

Und jetzt soll sie also ins Kranken-

Menschen nur in Schutzkleidung

haus. Am zweiten Weihnachtsfeier-

eingepackt an ihr Bett trauen, dann

Als nach einer Knochenmarkpunktion endgültig feststeht, dass

tag, wo doch gerade die Ferien be-

muss ihre Krankheit wohl wirklich

sie an Leukämie erkrankt ist, be-

gonnen haben! Und dann auch noch

schlimm und extrem ansteckend

ginnt sofort die Suche nach einem

über Nacht. Wenig später liegt sie in

sein. Wahrscheinlich habe ich nur

Knochenmarkspender. Ihre Eltern

einem Krankenwagen, der mit Blau-

noch ein oder zwei Tage zu leben,

und ihre vier Geschwister lassen

licht in Richtung München rast, zur Kinderpolyklinik. Conny hat keine Ahnung, was mit ihr nicht stimmt, aber sie weiss, dass es ernst ist. In diesem Moment ist sie sicher, dass

Handschuhe,

Wahrscheinlich habe ich nur noch ein oder zwei Tage zu leben.

sich testen, und in ihrem Heimatdorf gibt es einen Spendenaufruf. alle

Doch

Bemühungen

denkt sie sich. «Was ist denn eigent-

bleiben vergeblich und nach drei

Als sie am nächsten Morgen

lich los mit mir?», fragt sie immer

Monaten Suche wird sie in die Hoch-

aufwacht, liegt sie in einem kleinen,

wieder nach. «Das wissen wir noch

risikogruppe

engen Raum, doppelt so hoch wie

nicht sicher, wir müssen die Ergeb-

sieht sich regelmässig die Protokol-

breit, mit kahlen, weissen Wänden.

nisse der Untersuchungen abwar-

le des Therapieverlaufs an, denn sie

Es gibt nur ein winziges Milchglas-

ten», antworten ihr die Ärzte. Als sie

möchte genau wissen, wie es um sie

fenster. Überall stehen Überwa-

das Isolationszimmer kurz verlas-

steht und was gerade in ihrem Kör-

sie sterben muss.

42

eingestuft.

Conny


Foto: Christina Kufer

43


im neunten bett stirbt man nicht per passiert. Auf den Protokollen

viel für sie getan wird, kann sie doch

Magen trifft auf die wunden Stellen

gibt es drei verschiedene Spalten für

nicht sterben!

in Hals und Mund. Als die Monito-

die Risikogruppen. Bis jetzt lag sie

re schliesslich Alarm schlagen und

in der Mitte. Neuerdings liegen ihre

Wie viel kann ein Mensch aushalten? Wann ist die Grenze

Werte im Bereich der rechten Spal-

erreicht? Immer wieder stellt sich

stürmt, bekommt Conny das längst

te, bei der Überlebenschance steht

Conny diese und ähnliche Fragen,

nicht mehr mit – sie ist ohnmächtig.

eine neue Zahl: 30 Prozent.

als ihr Blick auf den Infusionsbeu-

Kurze Zeit später wacht sie

Conny legt sich daraufhin eine

tel fällt, der an einem Ständer neben

wieder auf. Rasch geht es ihr bes-

ganz eigene Theorie zurecht: 30 Pro-

dem Bett hängt. Sie weiss, dass von

ser, nicht nur körperlich, sondern

zent, das bedeutet, dass jeder dritte

ihm aus durch den Schlauch und die

auch psychisch, denn sie hat sich

Patient überleben wird. Conny zählt

Nadel ein Schmerzmittel in ihr Blut

selbst bewiesen, dass etwas wirk-

also die Betten auf der Station durch

fliesst. Sie setzt sich auf und greift

lich Schlimmes einem Menschen

– ihres ist das neunte! Also wird sie

nach dem Schlauch. Das kleine Räd-

eigentlich gar nicht passieren kann.

überleben. Von nun an denkt sie

chen dort dreht sie

nicht einmal mehr daran, dass sie

bis zum Anschlag

sterben könnte, es gibt einfach keine

zurück – jetzt ist

solche Option mehr.

der Schlauch blo-

Und noch etwas anderes gibt

ckiert, die Flüsgelangt

die Krankenschwester ins Zimmer

Connys Kopf fühlt sich an, als wäre ihr Gehirn lose und jemand würde ihn kräftig schütteln.

Wenn die Schmerzen so stark werden, dass man es nicht mehr aushält, dann wird

ihr Kraft und Sicherheit: Ihr ganzes

sigkeit

Dorf hat sich für eine Knochenmark-

nicht mehr in ih-

spende testen lassen. Menschen, zu

ren Körper. Die

denen sie früher nur auf der Strasse

Schmerzen

«Hallo» gesagt hat, denken an sie

den stärker. Erst

und wollen ihr helfen, wieder gesund

fühlt es sich an, als würde jemand

sie fest, muss irgendetwas kommen.

zu werden. Ihre Schule veranstaltet

das Knochenmark aus ihrer Wirbel-

Sie weiss nicht genau was, aber wei-

ein Schulfest, um auf ihren Fall auf-

säule ziehen, dann plötzlich so, als

tergehen wird es auf jeden Fall.

merksam zu machen und Geld zu

wäre zu viel drin und ihre Knochen

Da die Station sehr klein ist und

sammeln. Connys Klasse schreibt

müssten zerspringen. Ihr Hals und

lediglich zwölf Betten umfasst, ken-

ihr jeden Tag einen Brief und mit

ihr Mund, von der Chemotherapie

nen sich Kinder und Eltern gut, die

ihrer besten Freundin telefoniert sie

angegriffen, brennen wie Feuer.

Atmosphäre ist familiär. Das bedeu-

täglich. Ihre Mutter hat ihren Job

Connys Kopf fühlt sich an, als wäre

tet aber auch, dass Conny regelmä-

aufgegeben und lebt jetzt in einem

ihr Gehirn lose und jemand würde

ssig mit dem Tod konfrontiert wird.

Elternwohnheim direkt neben der

ihn kräftig hin und her schütteln.

Sie findet im Krankenhaus einen

Klinik. Wenn von so vielen Seiten so

Sie muss würgen, Säure aus ihrem

sehr guten Freund. Jakob ist acht

wer-

man sowieso ohnmächtig. Sterben tut also nicht weh. Und

nach

dem

Tod, das steht für

Jahre alt und wird kurz nach ihr eingeliefert. Seine Diagnose ist dieselbe wir ihre: akute lymphatische Leukämie, und auch ihre Therapieverläufe sind genau gleich. Doch Jakob bekommt nie denselben Rückhalt zu spüren, wie Conny ihn von ihrer Familie erfährt. Seine Eltern sind geschieden, nur selten erhält er Besuch. Also «adoptiert» Connys Mutter ihn gewissermassen. Wenn es den beiden Kindern so schlecht geht, dass schon aufrechtes Sitzen sie anstrengt, schiebt Connys Mutter die Betten zusammen und stellt die Lehnen hoch, sodass sie gemeinsam «Eile mit Weile» spielen können. Wochen später geht es Jakob zunehmend schlechter. Er wird sterben, sowohl er als auch Conny sind

Conny während ihrer Zeit im Krankenhaus 44


sich dessen bewusst. «Schau, Conny», sagt er zu ihr, «du hast so eine nette Familie, so eine liebe Mama, so einen lieben Papa und so liebe Geschwister. Das habe ich alles nicht. Für dich ist das Leben in deiner Familie schön, mein Leben ist nur anstrengend. Für mich ist das ganz in Ordnung, wenn ich jetzt sterbe.»

Insgesamt neun

verbringt

Monate

im

Conny

Krankenhaus,

während dieser Zeit darf sie immer nur tageweise nach Hause. Ihre Lehrer haben sich dazu bereit erklärt, ihr Einzelunterricht zu geben. «Wenn du einmal zu Hause bist, ruf uns sofort an. Wir kommen dann vorbei und erklären dir alles, was deine Klasse in den letzten Wochen durchgenommen hat», lassen sie ihr ausrichten. Auch als sie im Oktober 2000 aus dem Krankenhaus entlassen wird, darf sie nicht gleich unter Menschen. Ihr Immunsystem ist noch schwach, die Gefahr, sich eine Infektion zu holen, wäre viel zu gross.

Nach drei Monaten zu Hause steht Conny an einem ihrer ersten

«Die Angst, jemanden zu verlieren, ist viel schlimmer als die Angst, selbst zu sterben.»

Schultage vor dem Schulgebäude. «Kann ich dir den Rucksack abneh-

sie richtig Angst. Sie stellt sich vor,

danken an den Tod während ihrer

men?», fragt ein Klassenkamerad

wie es wäre, wenn sie ohne ihren

Krebserkrankung nicht nur deshalb

eifrig. Conny brodelt innerlich. Sie

Vater leben müsste. Sie versucht,

so gut umgehen konnte, weil sie ein

weiss, dass er es lieb meint und ihr

etwas von dem zurückzugeben, was

zuversichtlicher Mensch ist, son-

nur helfen will, aber es stört sie un-

ihr damals geschenkt worden ist.

dern auch, weil sie damals noch so

gemein. Alle betrachten sie als die

Sie will ihm zeigen, dass er wichtig

jung war: «Meine Mutter sagte, ich

«Kranke». Aber sie ist doch wieder

ist und gebraucht wird, dass er jetzt

darf mir jeden Tag eine Bibi-Blocks-

gesund! Sie bekommt die ersten

noch nicht gehen darf. Er soll das-

berg-Kassette wünschen. Darüber,

Schulaufgaben zurück und hat das

selbe Gefühl der Sicherheit und des

welche Kassette ich am nächsten

Gefühl, dass die Lehrer bei ihr ab-

Rückhalts bekommen, das für sie so

Tag möchte, habe ich viel länger

sichtlich Fehler übersehen oder sie

wichtig war. Sie schreibt ihm Brie-

nachgedacht als über den Tod.» Und

besser bewertet haben als die ande-

fe und schickt Videobotschaften ins

noch etwas steht für sie fest: Die

ren.

Krankenhaus. Entgegen den Erwar-

Angst, jemanden zu verlieren, den

tungen wird Connys Vater wieder

man liebt, ist viel schlimmer als die

vollständig gesund.

Angst, selbst zu sterben.

Zwei Jahre nachdem sie wieder gesund ist, macht Conny eine Erfahrung, die sie viel mehr erschüttert

Conny ist jetzt 22 Jahre alt und

als ihre eigene Krankheit: Ihr Va-

studiert Chemie und Biologie. Sie

ter bekommt Krebs. Seine Überle-

ist sich sicher, dass sie mit dem Ge-

benschancen sinken auf unter fünf Prozent. Conny wird bewusst, wie

Veronika Widmann, 19, aus Mühldorf, hat soeben die Matura bestan-

sehr ihre Familie damals gelitten

den. «Ich bin gespannt, was das Leben in den nächsten Jahren bringt

haben muss. Immer war sie wäh-

und wohin es mich verschlägt. Ich bin aufgeschlossen, meistens optimis-

rend

tisch, ehrgeizig, zuverlässig und stelle hohe Ansprüche an mich selbst.

ihrer

Leukämieerkrankung

zuversichtlich, aber jetzt bekommt

Manchmal bin ich etwas ungeduldig und zu schnell gereizt.»

45


reportage

46


Zuhören statt urteilen Die Palästinenser fühlen sich unverstanden. Bei allem, was mit ihnen geschehe, hätte längst ein Aufschrei von uns kommen müssen, meinen sie. So schätzen sie, dass wir hier sind, um ihnen zuzuhören.

Julia Stadler

D

er Auftakt ist stimmungs-

nen Anschlag. Ein Terrorist, wür-

Recht, in das Land zurückzukehren,

voll. Kaum in der syri-

den wir in Europa sagen.

das sie völlig selbstverständlich als

schen Hauptstadt Damas-

Die meisten dieser Menschen

kus angekommen, befinden wir uns

sind in Syrien aufgewachsen, haben

Natürlich wird auch die Frage

in einem Trubel aus jungen tanzen-

Palästina nie gesehen. Und doch

nach Lösungsansätzen gestellt, die

den und singenden Palästinensern,

fühlen sie sich mit dem Land aufs

Frage, wie die Zukunft des umstrit-

die uns begrüssen. Bier und Arak,

Engste verbunden, aus dem ihre

tenen Landes aussehen soll. Sie sind

ein arabischer Anisschnaps, flie-

Grosseltern vor über sechzig Jahren

der Meinung, dass eine Aufteilung

ssen in Mengen. Ein erstes Mal kor-

geflohen

rigieren wir unser Bild der muslimi-

Sie setzen sich

schen Welt.

nicht nur für die

Während zwei Wochen treffen

Menschen

sind.

ein,

wir palästinensische Aktivisten und

die heute in Pa-

sprechen mit Leuten, die uns einfach

lästina leben. Sie

nur aus ihrem Leben berichten. Wir

kämpfen

hören Geschichten vom Alltag in

für sich selbst

den Palästinensergebieten. Von der

und

für

auch ihr

«unser Land» bezeichnen.

Die meisten dieser Menschen sind in Syrien aufgewachsen, haben Palästina nie gesehen

in

zwei

unab-

hängige Staaten höchstens

als

Zwischenlösung taugen Ziel

könne.

müsse

es

sein, einen einzigen Staat zu schaffen. Einen

täglichen Abhängigkeit oder von der Laune junger israelischer Soldaten. Von den Frauen, die ihre Kinder am Checkpoint zur Welt bringen, weil sie dort zu lange aufgehalten werden. Von den Kindern, die trotz Ausgangssperre zur Schule gehen und dabei ihr Leben riskieren. Vom Mann, der gemeinsam mit seinem Bruder jahrelang Geld sparte, um sich ein Auto leisten zu können, das wenige Tage nach dem Kauf von einem israelischen Panzer überrollt wurde. Einmal hin, einmal zurück. Kurz darauf verübte der Mann ei-

47


zuhören statt urteilen

Staat für drei Religionen in einem

zu zucken.

zu reisen. Es war das erste Mal, dass

Religionen gewesen sei. Der Kon-

einem Jahr in Jordanien. Unfrei-

er Syrien verlassen konnte. Norma-

flikt sei ein politischer, kein religi-

willig. Sein Ausweis wurde bei der

lerweise ist dies zu kompliziert, ein

öser. Wir treffen in Damaskus viele

Einreise eingezogen. Warum weiss

Visum schwer zu kriegen. «Welches

Menschen, die dieser Ansicht sind.

keiner so genau. Wann er zurück-

Land will schon jemanden einreisen

Keine Einigkeit herrscht hingegen

kommen kann, auch nicht. Welcher

lassen, den man nirgendwohin zu-

in der Frage, ob ein «Staat für alle»

Staat, welcher Botschafter soll sich

rückschicken kann, wenn er nicht

auch ein Staat für Israelis sein soll.

für ihn einsetzen? Er kann nur war-

freiwillig wieder geht?» Es sind an-

Die Meinungen

ten. Abed hinge-

dere Realitäten, die wir hier kennen

reichen von «Ja,

gen hatte Glück.

lernen.

es gibt Platz für alle» bis zu «Es ist unser Land,

Die Argumente schiessen beidseits ins Nichts

und die Israelis haben kein Recht, dort zu sein.»

Wir besuchen Menschen und Organisationen in den Flüchtlingslagern um Damaskus. Jeder hier hat etwas zu erzählen. Zum Beispiel Saif, der von seiner Kindheit in Nablus berichtet. Davon, wie er sich als kleiner Junge vor die Gewehre israelischer Soldaten gestellt habe, um diese am Schiessen zu hindern. Und wie diese «Spiele» jeweils von seinem besorgten Vater unterbrochen worden seien. Er berichtet von Demonstrationen und von seinem Freund, der plötzlich hinter ihm auf dem Boden gelegen habe, sein Kopf in zwei Hälften gespalten. Saif erzählt das alles, ohne mit der Wimper

48

Hammoudis

heit, für ein paar Tage nach Italien

lebt seit

Land, das immer das Land dreier

Vater

Nach mehreren

Wir verbringen eine gute Zeit

erfolglosen Ver-

mit den Leuten hier. Wir scheinen

suchen

erhielt

dieselbe Sprache zu sprechen, über

er die Gelegen-

dieselben Dinge zu lachen. Und doch


enden unsere Diskussionen Tag für Tag bei denselben Fragen, für die wir nie eine gemeinsame Lösung finden. Die Argumente schies-sen beidseits

TANGO-FACTS

ins Nichts. Ein Beispiel ist die Frage

Palestinian Youth Center «Jafra»

nach dem bewaffneten Widerstand, von dem sich keiner der Palästinenser vollständig distanzieren will. Auch fällt es uns schwer, das extreme Traditions- und Familiendenken nachzuvollziehen, an dem hier so vieles hängt. Die Verständigung ist schwierig, und vieles verwirrt.

Am Ende der zwei Wochen sieht unser Bild der Welt weit weniger klar aus als noch bei der Anreise. Doch gleichzeitig beginnen wir zu verstehen. Nicht alles zu unterstützen zwar, aber nachzuvollziehen, wie die Leute hier denken. «Natür-

Jafra, ein palästinensisches Jugendzentrum in Damaskus, setzt sich für palästinensische Jugendliche in Syrien ein. Es will junge Leute ermuntern, einerseits ihre persönlichen Talente und Interessen zu leben und andererseits ihre Rechte und ihre Verantwortung als palästinensische Flüchtlinge wahrzunehmen. Dies geschieht durch Aktivitäten, die von Englisch- und Computerkursen bis zu einer eigenen Monatszeitung reichen. Jafra organisiert jeden Sommer ein zweiwöchiges Lager für junge Europäer. Thema ist der israelischpalästinensische Konflikt, Inhalt sind Vorträge und Diskussionen, aber auch das Zusammensein und die Begegnung unterschiedlicher Kulturen. Kontakt: jafra.info@yahoo.com

lich sind wir nicht immer gleicher Meinung», meint dazu einer der Pa-

Service Civil International (SCI)

lästinenser, «wir sind ja schliesslich

SCI Schweiz ist eine Non-Profit-Organisation, die sich seit 1920 für gewaltfreie Konfliktlösung, nachhaltige Entwicklung und interkulturellen Austausch einsetzt. Jährlich werden weltweit rund 1000 Freiwilligeneinsätze in gemeinnützigen Projekten organisiert. Die Einsätze sind niederschwellig. Ohne berufliche Qualifikationen können erste Erfahrungen in der internationalen Zusammenarbeit gewonnen werden. Wer Freiwilligenarbeit in einem sozialen, ökologischen oder kulturellen internationalen Projekt leisten möchte, kann sich hier informieren: www.scich.org

aus verschiedenen Kulturen». Wir sind nicht hier, um Palästinenser zu werden. Aber wir sind hier, um Fragen zu stellen und um zu verstehen. Dies allein wird nicht reichen, den Konflikt zu lösen. Doch ist es eine Voraussetzung, um es überhaupt gemeinsam versuchen zu können. Wir sollten zunächst zuhören – und dann erst urteilen.

Julia Stadler, 22, aus Zürich, studiert an der Uni Zürich Geschichte, Arabisch und Indogermanische Sprachwissenschaften «mit dem einzigen Ziel, die Welt, in der ich lebe, ein bisschen besser zu verstehen.» Julia sagt von sich: «Ich bin halt ich und unbelehrbar.»

49


report

Der Schweizer Pavillon an der Weltausstellung in Shanghai 50


Better City – Better Life? Die Weltausstellung ist überall in Shanghai. Sie klebt an Wänden und wird mit Raketen in den Himmel gefeuert. die Schweiz präsentiert sich gut betuchten Chinesen von ihrer Schokoladenseite.

Marlen Keller

S

eit Chinas wirtschaftlicher Öffnung vor dreissig Jahren hat sich vieles im Reich

der Mitte verändert. Der Hunger der

ist für China das wichtigste Ereig-

Bevölkerung und Maos blaue Uni-

nis des Jahres. Das Riesenreich will

formen gehören der Vergangenheit

der eigenen Bevölkerung Stärke de-

an. Der Lebensstandard wächst ste-

monstrieren und sich der Welt von

tig, die Städte sind sicher.

seiner besten Seite präsentieren.

Shanghai, Symbol des aufstrebenden Chinas, platzt aus allen Nähten. Die chinesische Landbevölkerung strömt, angezogen durch grössere

Ver-

dienst- und bessere

Bildungsmög-

lichkeiten, in die

Foto: Katarina Stuebe

15-Millionenstadt.

Heerscharen

von

Wanderarbei-

tern haben Shanghai auf Vorder-

Heerscharen von Wanderarbeitern haben Shanghai für die Weltausstellung auf Vordermann gebracht.

mann Es

gebracht.

wurde

aber

nicht nur in Fassaden

investiert,

sondern auch in die Infrastruktur, hauptsächlich in das erweiterte UBahnnetz.

Eine

Betonhäuser schiessen wie Pilze aus

nachhaltige Entwicklung auch für

dem Boden und überragen sich ge-

die Bevölkerung, die noch nach der

genseitig, man lebt eng gedrängt auf

Weltausstellung von der verbesser-

30 Etagen, für die Natur bleibt kaum

ten Infrastruktur profitieren wird.

mehr Platz.

Auch die Schweiz will sich

Die Weltausstellung unter dem

an der Weltausstellung von ihrer

Motto «Better City − Better Life»

Schokoladenseite zeigen, denn es 51



Foto: Katarina Stuebe

better city – better life

gilt, sich als perfektes Reiseziel für gutbetuchte Chinesen und die langsam entstehende Mittelschicht zu etablieren. Der Schweizer Pavillon brilliert mit dem eindrücklichen Film «The Alps», der weltweit in IMAX-Kinos gezeigt wurde. Doch das eigentliche Highlight ist eine Sesselfahrt auf das Dach des Gebäudes, das mit typischen Schweizer Pflanzen und Kräutern geschmückt ist. Der Pavillon ist geschickt auf ein chinesisches Publikum ausgerichtet, das sich durch das Leben in der Mega-Metropole nach einem ländlichen Paradies sehnt. Trotz einigen Hinweisen auf ökologische Nachhaltigkeit

wird

vorwiegend

das Klischee der Schweiz als natur-

Um den Erfolg der Expo auch

belassenes Alpenland zementiert.

mit Zahlen zu untermauern, strebt

Der Schweizer Pavillon löste schon

die chinesische Regierung einen

im Vorfeld ein enormes Medienecho

Besucherrekord an. Wenn Ende Ok-

aus und gehört zu den beliebtesten

tober nach sechs Monaten die Tore

Marlen Keller, 22, aus Worb, studiert derzeit

Zielen an der Weltausstellung. Diese

der Weltausstellung schliessen, sol-

Mode-Design an der Fachhochschule Nord-

Popularität führt zu diesem riesi-

len siebzig Millionen Menschen das

westschweiz. Sie arbeitete diesen Sommer im

gen Menschenandrang und zuwei-

fünf Quadratkilometer grosse Ge-

Schweizer Pavillon in Shanghai, um ihre Chi-

len zum Ausfall der Sesselbahn, die

lände besucht haben. Dass fast alle

nesischkenntnisse zu verbessern.

dem enormen Ansturm manchmal

Pavillons nur für die Zeit der Welt-

nicht gewachsen ist. So kommt es,

ausstellung gebaut wurden und da-

dass 4000 Chinesen um den Schwei-

nach wieder dem Erdboden gleich-

zer Pavillon stehen, obwohl es beim

gemacht werden, ist Nebensache.

Nachbarpavillon eben so viel zu seh-

Better City – Better Life?

en gäbe. 53


service

planet planet tango tango Tüftler gesucht Kurzhörspiel oder Radiospot, Trickfilm oder Videoclip, Webpage oder Computerspiel, Roboter oder Elektronik-Installation: Witzige Projekte dieser Art sucht der Migros-Kulturprozent-Wettbewerb bugnplay.ch. Möglich ist fast alles, was mit Elektronik und neuen Medien zu tun hat: Man kann zum Beispiel einen kurzen Radiospot über ein erfundenes Produkt einreichen, einen Videoclip der Schülerband, ein selber programmiertes Computerspiel oder einen Roboter, der tanzen oder zeichnen kann – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, und die Projekte dürfen durchaus ein wenig durchgeknallt sein. Schliesslich hat auch ein feuerspeiender Drache (Bild) schon einmal einen Preis gewonnen … Mitmachen können Jugendliche bis 20 Jahre. Zu gewinnen gibt es als Hauptpreis 1000 Franken für das beste Projekt und zahlreiche weitere Preise in verschiedenen Alterskategorien. Wer

Solaranlage für die Jugi

und sein Projekt anmelden. Ende März

St. Moritz ist schön. Aber auch teuer. Vor allem Übernachten im Nobelort

2011 ist Abgabeschluss. Unter www.

ist ein ans Portemonnaie gehendes Unterfangen. Mit einer Ausnahme: Die

bugnplay.ch gibt es alle Informationen

Jugendherberge in St. Moritz. Sie ist günstig und grün. Denn im Solarcamp

und viele Beispiele aus vergangenen

von Greenpeace haben 24 Jugendli-

Jahren.

che aus vier Ländern zwei Solaranlagen unter professioneller Anleitung installiert. 300 Panels liefern so viel Strom, wie sechs Familien verbrauchen. Die Jugi kann bei einer Ausweitung von 220 auf 310 Betten dennoch die Hälfte der Energie einsparen. Das Wichtigste ist aber, dass junge Menschen mit der Zukunftsenergie in handfeste Berührung kommen. Der jüngste Teilnehmer, Lucca, 15, aus Chur war so begeistert, dass er in seinem künftigen Beruf als Hochbauzeichner Solarenergie fördern will. Er hat jetzt erlebt, wie das konkret geht. Willst du auch mitmachen? Dann informiere dich unter: www.jugendsolarprojekt.ch 54

mitmachen will, kann sofort loslegen


Die Erde von oben Der Franzose Yann Arthus-Bertrand ist mit seiner Filmkamera rund um die Welt gereist und hat eine unendliche Menge an spektakulären Luftaufnahmen produziert. Er zeigt die überwältigende natürliche Schönheit unseres Planeten, aber auch die Auswirkungen der menschlichen Zivilisation auf das empfindliche Gleichgewicht der Natur. Vor allem unsere Suche nach verwertbaren Rohstoffen hat immer bedrohlichere Auswirkungen auf Lebensräume und Artenvielfalt. Denn das ist das eigentliche Anliegen des Künstlers: die Menschen auf ihre Verantwortung gegenüber den natürlichen Ressourcen und Lebensräumen aufmerksam zu machen. Und sie darin zu bestärken, durch ihr tägliches Handeln zum Schutz dieser hochgefährdeten Systeme beizutragen. tango verlost 5 DVDs aus der empfehlenswerten Reihe «Die Erde von oben». Schreibe bis zum 30. Oktober eine E-Mail an redaktion_tango@hotmail.com, Stichwort «Die Erde von oben».

55


impressum Verlag, Redaktion, Anzeigen tango magazin für schule und studium Postfach 2133 9001 St. Gallen Telefon 076 513 28 57 Fax 071 310 13 17 redaktion_tango@hotmail.com MitarbeiterInnen dieser Ausgabe Pascal Bracher Jan Maik Baumann Selina-Barbara Gerig Norman Giumelli Nathalie Hunziker Gregor Kalchthaler Marlen Keller Christina Kufer Anne-Catherine Minnig Elena Möschter Simone Moser Katharina Minh-Anh Prautsch Julia Stadler Miriam Tinner Sandra-Dominique Weder Veronika Widmann Andrea Wigger Cornelia Zierhofer

planet tango

«Hello and good morning ...» Mit diesen Worten startet Lindas Wiggers Bericht auf ihrem Blog über ihr Jahr als Au Pair in den USA. Die Zwanzigjährige aus Biberist startete vor einem Jahr in ihr grosses Abenteuer als Au Pair im Herzen des Bundesstaats New Hampshire. Dort hütet sie vier Kinder: die 8-jährige Brigid und die vierjährigen Drillinge Ava, Amelia und Andrew. Uns schreibt sie, wie alles begann: «Mit einem komischen Gefühl im Bauch, total nervös und mit Tausenden von Gedanken in meinem Kopf machte ich mich auf die Reise in die USA. Schon im Flugzeug lernte ich viele andere Au Pairs kennen. So war meine erste grosse Sorge schon bald beseitigt, denn ich hatte innert kürzester Zeit neue liebe Menschen kennen gelernt. In der ‹Au-Pair-Schule› lernte ich dann noch mehr Au Pairs kennen. Alle aus verschiedenen Ländern, alle mit verschiedenen Interessen – und doch hatten wir Gemeinsamkeiten. Wir waren an dieser Schule,

Korrektorat

Peter Litscher

Gestaltung

Moni Rimensberger

nendes Jahr entschieden

Bild

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hatten, und wir waren alle

S.6 duncan walker istock.com

eines: supernervös, aufge-

S.21 dem10 istock.com

regt und neugierig auf un-

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sere Familien …

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und einer Handtasche im

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26‘000 Exemplare

eine ganz dicke Umarmung und ein Freund-

weil wir uns für ein span-

Mit zwei riesigen Koffern

Manchesters

endlich lernte ich meine kennen. Brigid ist acht Jahre alt und gab mir

Abonnement Einzelausgabe: Fr. 5.– Jahresabonnement: Fr. 10.–

schaftsband als Willkommensgeschenk, auch

Erscheinungsweise halbjährlich (15. März / 15. September)

ich sogleich ins Herz.

Redaktions- und Anzeigenschluss 15. Februar / 15. August

unterwegs ist, so fühle ich mich wie in einem

die Drillinge Ava, Amelia und Andrew schloss Ich habe mich unglaublich schnell eingelebt. Wenn man mit dem Auto auf den Highways typischen amerikanischen Film. Die Menschen sind unglaublich hilfsbereit und herzlich und man fühlt sich überall willkommen und jeden Tag erlebt man etwas Neues.» Neugierig, mehr über Lindas Abenteuer in den USA zu lesen und mehr zum Au Pair-Jahr zu erfahren? Infos gibt es beispielsweise hier: www.culturalcare.ch

56


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kurzgeschichte

Papillon Es neckt ihn, kitzelt ihn im Nacken, reizt ihn in der Nase, piekst ihn im Bauch. «Du lügst.» «Ja!», ruft Tom, «ja», und denkt: Das macht es auch nicht besser. Cornelia Zierhofer

S

ie erwischt ihn, als er die

zig», sagt er. − «Dreizehn», sagt sie.

Hosen unten hat. Er zieht

Er lacht. «Ist nicht wahr.» Die Wol-

sie hoch, hastig, wird rot,

ken haben sich verschoben, aufge-

kommt sich dumm und kindisch vor.

löst, neu geformt. Es geht schnell.

Neben Tom sein Kleiderhaufen, an

Alles geht schnell. Nur Tom ist lang-

Tom die roten Badehosen. Die sind

Etwas Besseres fällt ihm nicht ein.

ihm auch keine Hilfe. Ein Handtuch

«Wirklich?» − «Ja.» Er fährt mit dem

Er war schnell. Früher. Schnell.

fehlt.

Daumen unter den Bund der Bade-

Eine Kaulquappe, im Wasser ge-

sam.

Das Mädchen wirkt wie eine

hose, lässt das Gummi auf die Haut

boren, um im Wasser zu leben, um

Puppe, eine Königin aus Elfenbein,

schlagen und stellt sich vor, dass

im Wasser zu sterben, aber nicht,

Marzipan und Porzellan, sitzt auf

sie sich über das Kompliment freut.

um im Wasser zu siegen. Wenn das

der weiss gestrichenen Schaukel.

Grillen zirpen.

doch nur alle begriffen hätten. Der

Es ist die grösste, die Tom je gese-

«Was machst du hier?», fragt

Himmel denkt ans Eindunkeln. Der

hen hat, für Erwachsene gebaut,

sie. − «Das geht dich doch nichts an.»

Zitronenfalter landet auf den Seero-

Schmuckstück in einem wilden,

− «Doch, ich wohne hier.» − «Weiss

sen. Und fliegt wieder weg.

romantischen Garten mit Rosen,

ich», log er. «Also?» − Er schweigt.

«Was machst du hier?», will sie

Mohn, hüfthohen Kräuterwiesen,

Sein Blick wandert zum See, zu den

wissen. − «Das hast du mich schon

Pavillons und angerosteten Garten-

rosa Blüten auf grünen Blättern.

einmal gefragt.» − «Weiss ich. Und?»

tischchen.

Der Schmetterling fliegt weg.

− «Wonach sieht es denn aus?» −

Seerosen

schwimmen

auf dem Weiher. Sie kann nicht älter

«Und du?», fragt Tom. «Wer bist

«Nach Schwimmen.» − «Na also»,

als acht sein, allerhöchstens neun.

du?» − «Elisa», sagte sie und beginnt

sagt er. «Du weisst es ja.» Die Pup-

«Wer bist du?», fragt sie. «Tom.»

zu schaukeln. Der Ast, an dem die

penkönigin schwingt immer höher.

Ein Zitronenfalter flattert her-

Schaukel hängt, knarrt. Toms Blick

Das schneeweisse Sommerkleid flat-

bei, dreht eine unentschlossene

flüchtet zu den Wolken. Es sind de-

tert um ihre Beine, die schwarzen

Runde

um

ihren

Lockenkopf,

setzt

sich auf die Kindernase. Das Mädchen schielt, um ihn bes-

Das Schweigen schaukelt mit, auf Tom zu, von Tom weg, auf Tom zu, von Tom weg.

ren nur zwei, und

Locken fliegen im Wind.

die sind klein, wat-

«Wieso hier?» − «Schwimmen?»

tebauschig und von

− «Ja. Wieso nicht im Schwimm-

der untergehenden

bad?» Tom stellt sich den Bademeis-

Sonne rosa gefärbt.

ter vor. Rotes T-Shirt über ausladen-

Eine

zieht

dem Bierbauch, helle Badehosen.

auf, biegt die höhe-

«Weiss nicht», sagt Tom. «Deshalb

Kinderaugen lachen. Der Schmetter-

ren Blumen der Wiese nieder, flaut

eben. Mag keine Schwimmbäder.»

ling schlägt mit den Flügeln, bleibt

wieder ab.

− «Und was magst du?» − «Wörter.

ser zu sehen. Sie frohlockt leise. Die

aber. Sie sieht Tom fragend an.

«Hübsch siehst du aus», sagt er.

60

Brise

«Wie alt bist du?» − «Könnte ich

Freiheit. Honig. Solche Dinge.» «Was

auch dich fragen.» − «Dreiundzwan-

für Wörter? Alle?» − «Weiss nicht.»


− «Sag mal eins, dass du magst.» − «Schweisssüss.» − «Noch eins.» «Purpurgrün.» − «Weiter», sie lacht. «Regennebelbronze. Honigsommerbrummermilchschaumkuss. Knospenlachen. Zitronenblick. Reicht das?» − «Nein.» Jetzt ist er es, der lacht.

«Wieso hast du kein Handtuch?» − «Handtuch?» − «Du hast

wachsen. Elisa ist in der Dunkelheit

keins.» − «Stimmt.» − «Wieso?»

verschwunden. Tom ist eine Kaul-

− «Vergessen. Brauch ich nicht.

quappe, ein Mäusekind. Das Mäu-

Ist doch egal.» Plötzlich nervt

sekind wird wohl ein andermal ein

sie Tom. Sein Blick wandert

Bad im Weiher nehmen, die Kaul-

zum See. Seerosen. Ein Wasserläufer.

«Vergessen?»,

quappe doch noch ein Frosch wernoch immer hin und her schau-

den. Vielleicht.

fragt sie und legt den Kopf

kelnd. Das Schweigen schaukelt

Tom zieht sich an. «Sag mir end-

schief. «Du lügst.» Er wird

mit, auf Tom zu, von Tom weg, auf

lich, was du hier wolltest», fordert

wütend. «Hau doch ab.»

Tom zu, von Tom weg.

Tom spürt die Blumenwiese an seiner Haut. Es

Es neckt ihn, kitzelt ihn im Na-

Elisa bremst mit den Füssen ab. «Die

cken, reizt ihn in der Nase, piekst

Wahrheit», sagt Tom, «ist nichts für

kitzelt an Bein und Fuss,

ihn im Bauch.

dich.» − «Wieso?» − «Darum. Und

Elisa. Die Schaukel schwingt aus,

Fragt: «Du lügst. Oder?» «Ja!»,

jetzt ist sie sowieso egal.» − «Das ist

Mäuse eine Höhle, stellt er sich vor.

ruft Tom, «ja», und denkt: Das macht

gut. Oder?» − «Denke schon», sagt

Und wenn er sich bewegt, dann brö-

es auch nicht besser.

Tom und lächelt. Er nickt ihr zu,

und unter ihm bauen sich

ckeln Steinchen und lose Erde von

Tom stampft mit dem Fuss auf.

der Decke. Eine stabile Decke, ei-

Arme Mäuschen. Sie sind ihm egal.

Die Wolken haben sich aufgelöst,

gentlich, aber doch viel Druck für

Er ist auch eine Maus, in sein Loch

der Himmel ist eingedunkelt. Es

gedrängt, will raus,

ist Abend geworden, es wird Nacht

sich vor die Katze

werden, Morgen, Mittag, Abend und

werfen, elendig zer-

übermorgen. Die Elfenbeinkönigin

fetzt werden, ster-

sieht Tom nach, ihre Schaukel steht

ben, aber er kann

still. Zurück bleiben die Seerosen

es nicht. Der Zitro-

auf dem Weiher, ein Zitronenfalter

so kleine Tierchen. Tom hasst Druck. Arme

Mäuschen.

Tom will endlich schwimmen, hinter

sich

es brin-

Der Ast, an dem die Schaukel hängt, knarrt. Toms Blick flüchtet zu den Wolken.

gen, alles hinter sich haben. Es soll

nenfalter ist zurückgekehrt. Er setzt

schnell gehen.

sich auf Toms Fuss.

«Ich brauche keine Hilfe», sagt

«Weisst du was?», fragt Elisa.

er. «Und du bist erst dreizehn. Du

«Du bist überhaupt nicht so, wie

kannst mir nicht helfen.» − «Ich bin

ich mir einen Dreiundzwanzigjähri-

nicht dreizehn.» − «Dachte ich mir.»

gen vorstelle.» «Kennst du viele, die

− «Erwachsene denken immer.» −

dreiundzwanzig sind − nicht, oder?»

«Ja?» Es interessiert ihn nicht. «Ja.

− «Nein, aber du benimmst dich wie

Die denken sich zu viel.» − «Kann

mein Bruder. Der ist im Kindergar-

sein. Verschwinde jetzt, Elisa, geh

ten.» − «Ist er das?», sagt Tom. Sie

weg.» − «Nein.» − «Weil ich zuerst

nickt und kichert. Ihm wird kalt.

hier war.» − «Stimmt nicht. Du hast

Die Sonne ist weg. Der Weiher liegt

mich nur nicht gesehen.» − «Ich kann

im Schatten. Ein Licht geht an. Im

nicht mehr!», ruft er. Sie schweigt,

Haus, hinter den Bäumen. Schatten

dreht sich um und geht davon.

und eine Schneise im Blumenmeer.

Cornelia Zierhofer, 16, aus Wettingen, besucht die Kanti: «Ich schreibe gern, denke gern und mag Geschichten in allen Formen. Ob Theater, Kino, Buch, Hörspiel oder Erzählung.» Und sonst? «Joggen, Gitarre spielen, mit Freunden etwas unternehmen.»

61


kurzgeschichte

Bjørn Über uns lag der vertraute Geruch nach Fischen und Tang, das Meer, das sich hier mit dem Duft tausender Blumen mischte und mit dem würzigen Birkenaroma und den Blaubeeren einen Sommerduft ergab, den man schöner nirgends findet. Selina-Barbara Gerig

D

u warst 27. Damals, als wir zusammen durch die Fjorde rannten um zuzusehen,

wie die weissen Gletscher ins eisige Wasser kalbten. Weisst du noch, wie du mir den Arm um die Schulter legtest, um mich vor dem Nordwind zu schützen? Wir sahen zu, wie die Sonne hinter dem Horizont

ner nirgends findet. Wir lagen un-

wanderte, und stundenlang besahen

endlich still nebeneinander im Gras

wir das Schauspiel des Meeres. Der

und schauten der Sonne zu, die hin-

Wind fuhr uns trotz unserer dicken

ter den Baumwipfeln versank. Wir

Mäntel bis tief in die Knochen. Doch

rückten näher zusammen, und du legest mir den Kopf auf die Brust.

du sagtest mir, dir sei nicht kalt, nicht, wenn du bei mir seist. Ich

hoben. Ich sah deine blauen Augen

sagte nichts. Ich wusste, du fühltest,

blitzen, sah dein schelmisches La-

dass es mir gleich erging. Der ewige

chen. Du standest auf und wirbeltest

Wechsel von Licht und Schatten und nur du und ich. Als wir bei einem unserer

weiten

Spaziergänge auf einen

Eisbären

trafen, da stelltest du dich vor mich,

In der Ferne ein Knacken zwischen den Birkenstämmen, wie wenn sich ein Elch den Weg durch das dichte Unterholz bahnte.

Ich war so glücklich.

Deine

*** Stimme

zitterte und

mich im Kreis, bis

wir beide lachend

das Flüstern, fremd und fern, wie

ins

fielen,

ein kühler Windhauch, erstarb.

um uns von der

Ich hielt stumm deine Hand in der

Sonne bescheinen

meinen, die Augen geschlossen. Ich

zu lassen. Uns bei

fühlte die zaghafte Wärme, die sie

den Händen hal-

noch ausstrahlte und klammerte

tend,

lauschten

mich hartnäckig daran fest. Schon

Gras

wir den Geräu-

lange waren wir uns nicht mehr

um mich zu beschützen, und ich

schen des Waldes. Das Summen der

so nahe gewesen. Doch welch ein

schaute dir über die Schultern. Sah

Bienen, Vogelgesang und irgendwo,

Unterschied zum letzten Mal. Ich

durch deine windzerzausten Haare

in der Ferne, ein Knacken zwischen

roch noch den schweren Duft der

dem Bären zu, der friedlich an uns

den Birkenstämmen, wie wenn sich

blutroten Rosen, hörte uns lachen

vorbeitappte.

ein Elch den Weg durch das dichte

und spürte die Wärme deiner Arme,

Im Sommer sassen wir unter den

Unterholz bahnte. Über uns lag der

von damals … Fröstelnd zog ich den

Birken. Ich flocht dir einen Kranz

vertraute Geruch nach Fischen und

Mantel enger um mich. Du wandest

aus Blaubeerzweigen und sang da-

Tang, das Meer, das sich hier mit

dich im Fieber, deine hellen blauen

bei. Dann setzte ich ihn dir auf den

dem Duft tausender Blumen misch-

Augen glänzten. Sanft packte ich

Kopf. Wie das frische Grün und die

te und mit dem würzigen Birken-

dich bei den Schultern und legte

blauen Tupfen der süssen Beeren

aroma und den Blaubeeren einen

deinen Kopf behutsam auf den mit

sich von deinem blonden Haar ab-

Sommerduft ergab, den man schö-

grauen Flächten überzogenen glat-

62


ten Stein zurück. Beruhigend zeich-

Mondlichts, das sich rein im Metall

nete ich mit zarten Berührungen die

des Gewehrlaufs spiegelte, der eini-

vertrauten Linien deines Gesichtes

ge Meter weiter weg unschuldig im

nach, strich sanft die tiefe Falte zwi-

Moos schlummerte. Die Augen fie-

schen den markanten Augenbrauen

len mir zu und ich kuschelte mich

glatt, die sich im Laufe der Zeit im-

neben dich, deckte uns mit meinem

mer tiefer in dein Gesicht gegraben

Mantel zu und schaute mit ver-

hatte und streichelte dir geduldig

schwommenem Blick durch die lich-

Strähne um Strähne deines hellen

ten Baumkronen zu den Sternen. Du

Haars aus der fiebernassen Stirn.

lagst still …

Beinahe unwirklich erschien die Stille unter dem samtblauen Himmel. Die Tränen rannen lautlos aus

meinen

Augenwinkeln

und

versickerten unbeachtet in deinem feuchten Haar. Das Laub unter mir knisterte, als ich mich bewegte. Mein Blick verfing sich im Weiss des

Selina-Barbara Gerig, 18, aus Geuensee, ist ein «riesengrosser Fan von Skispringen» und will nach der Matura ein Studium im technischen Bereich beginnen. Sie bezeichnet sich als «kreativ, ehrgeizig und manchmal etwas zurückhaltend im Umgang mit anderen».

63


das hรถrt ja gut auf

One and

64


one

Pascal Bracher, 29, will nach Abschluss seines Studiums an der Hochschule Luzern als freischaffender Künstler arbeiten. Seine Hobbys: Reisen, Yoga, Natur und Tiere. «I am a dreamer», sagt der 29-Jährige. In seiner Publikation «one and one» thematisiert er die vielschichtige Verbindung zwischen Mensch und Tier.

65



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lang-lebe-anders.ch

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Erst denken, dann drehen.


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