AKTIV in den ALPEN | Frühlingsausgabe 2020 | Leseprobe

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OUTDOOR UND FREIZEIT VOM ALLGÄU BIS NACH SÜDTIROL FRÜHL I N GSAU SGA BE 2 0 2 0

E-BIKE FLU CH U N D S EGE N

SICHERHEIT? BERGR E T TU N G UND M E D I Z I NI S C H E V ERSO RGU N G A M BE RG

VOM KRONPLATZ ZUM KÖNIG E IN E ZE I TR E I SE DU RC H S Ü DT I RO L

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EDITORIAL

GRÜNES NEUES JAHR Keine Frage: Der verantwortungsvolle Umgang mit dem Berg ist wichtiger denn je. Doch was, wenn etwas passiert? Eine regelrechte Überlebensmaschinerie wird dann in Gang gesetzt. Die Rettungskette! Grenzübergreifend, teils sogar nur ehrenamtlich, ist sie ein hochkomplexes Unterfangen – und durchaus noch ausbaufähig. In einem dreiteiligen Themenspezial berichten wir über unser Verhalten am Berg, welch Problemen Retter und Ärzte gegenüberstehen und wie das Zentrum für Gebirgsmedizin versucht, die Rettungskette Stück für Stück zu perfektionieren. Die vermeintliche Sicherheit am Berg? Auch eher eine Grauzone!

Der Frühling ist da! In Teilen der Alpen aufgrund von zu warmen Temperaturen oder einer selten geringen Niederschlagsmenge. Auf der ISPO in München grünt es unter dem Motto »be responsible«. Wohin man auch sieht: bewachsene Dekowände, Auszeichnungen für besonders nachhaltig produziertes Equipment. Schön zu sehen, wie das Interesse am Thema weiter wächst. Umweltfreundliche Elektromotoren stellen dabei schon lange ganze Industriezweige auf den Kopf. Nicht nur auf der Straße, nein, auch am Berg. Trend sind die E-Bikes schon lange nicht mehr: voll integriert, fester Bestandteil des Bergsports sind sie geworden. Des einen Freud, des anderen Leid. In dieser Frühlingsausgabe berichten wir daher ausgiebig über das Für und Wider der Elektroesel. Auch mit dem Rad, jedoch ohne Motor, erzählen wir vom Biken in Osttirol. Das MTB-Thema wird dabei übrigens von Fotograf KirstenJ. Sörries untermalt. Ihn und seine Werke stellen wir euch in der Rubrik »Hinter der Linse« genauer vor.

Ja, unsere Bergwelt ist weder heil noch schwarzweiß, immer gibt es ein Pro und ein Contra, ein Für und Wider. Und ich finde, das ist auch gut so. Denn vom Auf und Ab, von Höhen und Tiefen und wie man damit umgeht, sollten doch gerade wir Bergsportler ein Lied singen können. Das hält uns wach. Lässt uns genauer hinsehen! Bleibt zu hoffen, dass der grüne Trend nicht Trend bleibt. Auf der nächsten ISPO könnte, was heute noch Motto ist, Selbstverständlichkeit werden. Denn die Szene ist im Wandel und das nicht erst, seit Radfahren hip ist.

Mancherorts liegt es aber durchaus noch, das weiße Gold. Skifahrer mussten nördlich des Hauptkammes lange genug darauf warten. Weiter südlich zehrten die Skigebiete noch im Hochwinter von den Mengen, die im November fielen. Wie in Südtirol zum Beispiel, von wo wir eine Geschichte mitbringen, die von damals und heute erzählt, von Einsamkeit und Massentourismus. Und von Tourenklassikern, die heute unmöglich sind, weil der schwindende Permafrost den Fels bröckeln lässt. Wieder ein Zwiespalt, wieder ein Kompromiss in der umkämpften Bergwelt.

Stay active! Benni Sauer Chefredakteur

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Die neue Kollektion ist eingetroffen!


VO M KRONPLATZ ZUM KÖNIG Südtirol damals und heute. Eine Welt voller Zwiespälte, zwischen Massentourismus und Einsamkeit.

SEITE 84 – 92

BIKE-PARADIES OST TIROL Eine ganze Hand voll guter Gründe, den Bike-Saisonstart in Osttirol zu verbringen.

SEITE 40 – 46

E-BIKE: FLUCH UND SEGEN Das E-Bike spaltet die Geister der Bergfreunde. Zu Recht?

SEITE 2 2 – 36

DAS IST CAMPING Außerhalb der eigenen vier Wände, frei und ungebunden: Das – aber auch noch viel mehr –ist Camping!

SEITE 94 – 105

SICHERHEIT ? Bergrettung und medizinische Versorgung in den Bergen.

SEITE 106 – 119


KA LE ND ER 20 20

A iA -K A L E N D E R 2de0r! 2 0 Sic he re dir de ine n Ou tdo or-

Ka len

SE IT E 14 4 – 14 5

HINTER DER LINSE Völlig zu Unrecht ein Nischengenre der Fotografie: Kirsten-Julians Trailfotos der Extraklasse!

SEITE 12 – 20

AiA-TEAMAUSFLUG: CANYONING Eine Tour in den Berg hinein, durch Stromschnellen und Wasserfälle.

SEITE 130 – 133

IM REICH DER ZIRBE Zwischen Himmel und Erde, inmitten der Wolken der Pitztaler Alpen: Das Familienparadies von Pitzi und Gratsch.

SEITE 126 – 129

I N H A LT E

FRÜHLINGSAUSGABE 2020

IMPRESSUM AiA Media OHG | Bahnhofstraße 8 | 87435 Kempten Tel.: 0831 540219-0 | Fax: 0831 540219-99 info@AKTIVindenALPEN.com | www.AKTIVindenALPEN.com

Mitarbeiter/Photographen: Kirsten-J. Sörries, Susa Schreiner, Johannes Geyer, Tom Specht, Bene Höflinger, Nick Hill, Storyteller Labs, Vittorio Messini, Franz Gerdl, Bergwacht Allgäu, Annika Hartmann, Stefan Kothner, Alphafoto, Elisabeth Hewson, Anne Hofmann

Geschäftsführender Gesellschafter:

Titelseite:

Südtirol © Kirsten-Julian Sörries

Abo-Verwaltung:

Agnes Heinle | verwaltung@AKTIVindenALPEN.com

Bankverbindung:

IBAN: DE69 7335 0000 0515 1199 64 | BIC: BYLADEM1ALG

Jahresabo: (4 Ausgaben)

Deutschland: 19,60 € (inkl. 7 % MwSt.) Österreich/Luxemburg: 22,00 € (inkl. 7 % MwSt.) Südtirol (Italien): 26,00 € (inkl. 7 % MwSt.) Schweiz: 26,00 CHF (inkl. 7 % MwSt.)

Thomas Sonnenmoser

Bernd Götz Matthias Albrecht Lukas Raedler

Redaktion/Vertrieb: Tel.: -12 bg@AKTIVindenALPEN.com Tel.: -19 ma@AKTIVindenALPEN.com Tel.: -22 lr@AKTIVindenALPEN.com

Benni Sauer

Tel.: -22

Chefredakteur: bs@AKTIVindenALPEN.com

Redakteure: Susa Schreiner, Marcel Reiser info@AKTIVindenALPEN.com Layout:

Martin Hehle

mh@AKTIVindenALPEN.com

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung. Der Verlag übernimmt keine Haftung für unaufgefordert eingesandte Manuskripte, daher besteht auch kein Anspruch auf Ausfallhornorar. Mit den Autorenhonoraren gehen die Verwertungs-, Nutzungs- und Vervielfältigungsrechte an den Verlag über, insbesondere auch für elektronische Medien (Internet, Datenbanken, CD-ROM).


OUTDOOR-HISTORY

1980 wurde ALPINA aus der Taufe gehoben. Als neue Marke sollte ALPINA mit neuen Konzepten und Ideen weitere Vertriebskanäle eröffnen und die Marktposition eines etablierten Unternehmens stärken. Die Marke entsprang dabei der Firma uvex, die schon früh Schutzbrillen für Sportler und Arbeiter entwarf. Schon 1936 beispielsweise, stattete Phillip M. Winter, der spätere uvex-Gründer, verschiedene Sportler der Olympiade in Berlin mit Schutzbrillen aus

trendigen Ski- und Sportbrillen. Das erste eigene Produkt von ALPINA war die Turbo Skibrille. Die erste Kollektion umfasste dabei sieben Skibrillen und drei Sportbrillen. 1985 dann die Einführung der Alpina Ski & Surf Shieldbrille (späteres Modell SWING), die meistverkaufte Sportbrille der Welt. ALPINA feilte stetig weiter an innovativen und technischen Details, um die Ausrüstung zuverlässig weiterzuentwickeln. An-

fang der 90er Jahre kamen Rad- und vor allen Dingen Skihelme mit ins Programm und ALPINA wurde zur Ganzjahresmarke. Auch setzte ALPINA weiter auf Sicherheitsausrüstung für Sportler. Neben Helmen und Brillen schützen heute auch Protektoren vor Verletzungen der Wirbelsäule. Sie sind leicht, elastisch, atmungsaktiv und komfortabel zu tragen: Kompromissloser Schutz! ALPINA hat bis heute eine breite Produkt-

Das Unternehmen startete dabei klein, anfangs nur mit acht Mitarbeitern, wovon drei Handelsvertreter waren. Ziel von ALPINA war es von Anfang an, Technologien mit aktueller Mode zu verbinden und eine neue Kategorie von Sportprodukten zu kreieren. Zuerst lag der Fokus auf

ALPINA MILESTONES 1981

1983

TURBO Goggle kommt auf den Markt

Die "SWING" wird präsentiert und avanciert zur meistverkauften Sportbrille der 80er

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OUTDOOR-HISTORY

palette aufgestellt. Skihelme in unterschiedlichen Farbstyles, ultraleichte Enduro-Bikehelme mit einem Maximum an Sicherheit, Kinderhelme mit coolen StarWars-Motiven sowie Ski- und Snowboardbrillen mit QHM-Technologie. Bei Letzterer wurden die beiden Alpina-Top-Technologien Quattroflex und Hicon kombiniert, um eine neue Sicht im Schnee zu ermöglichen. Intelligentes Schutzequipment, das

Unfälle verhindert, Gefahren minimiert und somit das Risiko senkt. Aber auch bei Alltagsgegenständen wird an die kleinsten Details gedacht. Lässige City-Radhelme, stabil konstruiert und trotzdem federleicht, die sich flexibel an alle Kopfformen anpassen lassen. Sonnenbrillen, vom Highend-Modell mit Panoramagläsern und photochromatischen Eigenschaften, die sich also den Lichtverhältnissen anpas-

sen, bis hin zu wahren Klassikern, wie der Gletscherbrille, die sogar noch mit einem seitlichen Wind- und Blendschutz aus echtem Leder punktet: Die Palette ist breit gefächert! Mittlerweile ist ALPINA stolze vierzig Jahre alt, wobei das Unternehmen in den vergangenen Jahren ein Re-Branding vollzog. Die Marke und ihre Produkte sollen inspi-

1987

1987

1993

Die Lifestyle-Ikone M1 wird erstmalig verkauft

Market-Share 40% (in Deutschland)

ALPINA erfindet die Quattroflex-Technologie – die erste Kontrastverstärkung in Brillen

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AKTIV in den ALPEN


OUTDOOR-HISTORY

rieren und ALPINA zu den eigenen Wurzeln zurückzukehren - der neue Claim: „made to inspire.“ Das Wiederaufleben der ALPINA-DNA schafft also ein klares Profil und eine Fokussierung auf die eigenen Stärken. Die Entwicklung, die Kommunikation und der Schutz sollen dabei kompromisslos sein, die finalen Produkte auch mal polarisieren. Vor allen Dingen sollen sie aber begeistern und inspirieren. „made to inspire.“ richtet sich an Rad- und Skifahrer, möchte sie dazu inspirieren, Abenteuer zu erleben,

bei denen sie ihre Persönlichkeit zum Ausdruck bringen können. ALPINA kümmert sich dabei um den notwendigen Schutz und einen zeitgemäßen Style, sodass sich der Fahrer keine Gedanken um seine Sicherheit machen muss und seine Aktivität, den Moment, voll genießen kann. Egal, in welchem Umfeld er sich bewegt. Für die Zukunft arbeitet ALPINA daran, den ökologischen Fußabdruck zu optimieren und Lösungen für nachhaltige Sicherheitsprodukte zu schaffen. Bestes Beispiel dafür ist der PROLAN Protektor, der zur

ISPO 2020 vorgestellt wird. Auf lange Sicht möchte ALPINA auch möglichst nachhaltig und innovativ produzieren, wobei die maximale Schutzfunktion und die Bedürfnisse des Nutzers dabei immer im Vordergrund stehen. ALPINA sieht seinen gesellschaftlichen Auftrag also noch nicht als erfüllt an: Helme und andere Produkte zum persönlichen Schutz sollten zu selbstverständlichen Lifestyle- und Alltagsgegenständen werden. Dafür arbeitet ALPINA tagtäglich an Equipment, das nicht stört, sondern inspiriert - und schützt! Text: Benni Sauer

DE / UVP* €

1996

2004

2020

Entwicklung und Launch der ersten Größenverstellung bei Helmen (Run-System)

Marktführer in Deutschland

ALPINA feiert 40. jähriges Jubiläum mit dem Launch der 5W1NG.

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HINTER DER LINSE

Oli Dorn springt in den Sonnenaufgang über dem Ötztal. NIKON D850, 24 mm f1.4 ISO 250, 1/8000 sec, f2.2, Brennweite 24 mm

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HINTER DER LINSE

HINTER DER LINSE

K I RSTE N -JU L IA N SÖRRI E S Gestochen scharf, geradezu wie eingefroren. Die beiden dick bestollten Räder hinterlassen eine Staubwolke, fast kann ich das Rattern des Bikes hören. Ein sehr gelungenes Foto, denke ich mir. Da war wohl jemand zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ein klassischer Once-in-a-lifetime-shot? Aber der Fotograf, der dieses Foto schoss, scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, ständig zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Ein Mountainbike-Hammer-Bild folgt dem nächsten. Aus Once-in-a-lifetime wird twice-in-a-lifetime und so weiter. Wie geht das?

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AKTIV in den ALPEN


HINTER DER LINSE

Daniel Schäfer spielt mit dem Bike vor den Bergen des Grödner Jochs. NIKON D850, 50 mm f1.4 ISO 160, 1/4.000 sec, f2.2, Brennweite 50 mm

Abendsonne, Meer und ein guter Fahrer, gar nicht so leicht alles auf ein Bild zu kriegen. FUJIFILM X-H1, XF16-55 mm F2.8 R LM WR ISO 640, 1/1.000 sec, f5.6, Brennweite 17 mm

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HINTER DER LINSE

La Palma Sonnenaufgang: Bei Kirstens Bildern lohnt es sich lange hinzuschauen. Mit jeder Sekunde entdeckt man ein Detail mehr. NIKON D810, 14-24 mm f/2.8 ISO 500, 1/800 sec, f7.1, Brennweite 14 mm

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AKTIV in den ALPEN


HINTER DER LINSE

Blaue Stunde im Winter in Berchtesgarden. FUJIFILM X-T2, XF 90 mm F2 R LM WR ISO 800, 1/1.250 sec, f2.8, Brennweite 90 mm

Südfrankreich im November, die tiefe Sonne und der harte Lichtstrahl machen das Bild besonders. Fahrerin Michelle Quint.

Blaue Stunde im Winter auf La Palma. Im Hintergrund die Salineras von Faro.

FUJIFILM X-T2, XF10-24 mm F4 R OIS ISO 2.500, 1/1.000 sec, f4, Brennweite 10 mm

NIKON D850, 85 mm f/1.4 ISO 6.400, 1/4.000 sec, f1.6, Brennweite 85 mm

Antike Wege eignen sich hervorragend für Mountainbike Bilder. Hier mit Philipp Foltz FUJIFILM X-T2, XF16-55 mm F2.8 R LM WR ISO 1.600, 1/1.000 sec, f4, Brennweite 16 mm

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HINTER DER LINSE

Ein Kletterfelsen im Vinschgau, fĂźr Kirsten der ideale Spot um ein neues Ebike einzufangen. NIKON D750, 24-70 mm f/2.8 ISO 500, 1/1.000 sec, f5.6, Brennweite 42 mm

Steffi Marth posed im Sonnenuntergang der Kanaren. FUJIFILM X-T2, XF16-55 mm F2.8 R LM WR ISO 400, 1/640 sec, f3.5, Brennweite 16 mm

Einer meiner liebsten Fotospots, Latsch. Mit Philipp Walder und Julia Hoffmann NIKON D750, 24-70 mm f/2.8 ISO 800, 1/1.000 sec, f5.6, Brennweite 24 mm

Downhill Legende Ben Reid vor dem Matterhorn. NIKON D850, 14-24 mm f/2.8 ISO 800, 1/4.000 sec, f4, Brennweite 14 mm

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AKTIV in den ALPEN


HINTER DER LINSE ich selbst ein sehr geübter Fahrer und kann dadurch auch schwierige Trails trotz schwerem Fotorucksack fahren. Dann habe ich für mich auch ein fixes Vorgehen. Zuerst suche ich einen guten Hintergrund. Er ist ein elementarer, nicht zu unterschätzender Faktor für einen guten Bildaufbau. Erst dann kümmre ich mich um die Fahrsituation und das Hauptmotiv, das sich zwischen Hintergrund und Vordergrund befinden wird. So kann das Auge eine Relation zwischen den unterschiedlichen Ebenen schaffen. Dann kommt erst die Feinarbeit. Schärfe, Belichtung, Bildaufbau, Kameraposition und Objektivwahl. Oft vermesse ich den Spot auch mit dem Smartphone. So kann ich beispielsweise genau berechnen, wann die Sonne im Hintergrund auf- oder untergeht. Das Hauptmotiv ist in deinem Fall wohl meistens ein Biker? Mehr von Kirsten im Internet unter: www.kirsten-soerries.de | www.instagram.com/kirstensoerries Der junge Mann hinter den Bildern ist ein wahrer Perfektionist. Ein Spezialist, der das was er macht, bis ins Detail beherrscht. Wir haben Kirsten gefragt, wie er zum Fotografieren kam, was ihn an der Trailfotografie so reizt, wie sein Arbeitsalltag aussieht und noch vieles mehr. Spannende Antworten einer interessanten Persönlichkeit. Hallo Kirsten! Stell dich doch bitte unseren Lesern kurz vor. Mein Name ist Kirsten-Julian Sörries und ich bin 37 Jahre alt. Ursprünglich komme ich aus dem Schwarzwald, aber ich lebe nun schon seit vielen Jahren in München. Dort arbeite ich als Geschäftsführer eines Publishing-Unternehmens. Seit dem zehnten Lebensjahr sitze ich fest im Sattel und bis vor einigen Jahren fuhr ich auch regelmäßig Downhill-Rennen. Mittlerweile ist zum Mountainbiken auch die Leidenschaft des Fotografierens gekommen. Wie kam es dazu? Ich bin ein sehr visueller Mensch. Bilder haben auf mich schon immer eine besondere Faszination ausgeübt. Aber erst 2014, als ich als Fahrtechniklehrer nach La Palma reiste, entdeckte ich mein Talent. Ich hatte meine DSLR gerade erst neu gekauft, aber Bike-Profi Daniel Schäfer nahm mich einfach trotzdem mit zu einem tollen Spot auf der Kanareninsel. Die Sache entwickelte

sich dann in Südtirol weiter und so fand eines meiner Bilder in Windeseile den Weg auf die Titelseite eines der größten BikeMagazine. Ich war total baff! Das klingt nach einer steilen Karriere! Heute bist du als eingefleischter Profi unterwegs und hast berühmte Fahrer vor der Linse. Ich selbst bezeichne mich nicht als Profi. Ich bin ein Spezialist in meinem Bereich, beherrsche aber nur einen Bruchteil der Fotografie. Ich habe vieles ganz einfach ausprobiert, mir das allermeiste selbst beigebracht und dann immer weiter perfektioniert. Bis heute bin ich aber tatsächlich äußerst effektiv und produktiv geworden. Das liegt einerseits an meiner akribischen Vorbereitung, andrerseits an der Erfahrung und Routine. Oft habe ich schon nach ein oder zwei Versuchen das Foto geschossen, das ich mir zuvor innerlich vorgestellt habe. Noch ein wichtiger Punkt ist, dass ein Profi von seiner Arbeit leben muss. Ich mache das nur nebenberuflich und ich glaube, dass sich meine Art des Fotografierens verändern würde, wäre es mein täglicher Job. Wie sehen denn die Vorbereitungen aus, von denen du gesprochen hast? Ich scoute im Vorfeld sehr viel und habe dadurch beim eigentlichen Shooting viele Reserven, um auf die Bedingungen und Fotofahrer eingehen zu können. Dann bin

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Richtig. Die Person auf dem Rad muss vieles mitbringen. Schwere Trails sollen leicht und ansprechend wirken. Da spielt die Körpersprache eine große Rolle. Auch die Emotionen schwingen mit, auch wenn das Fahrmanöver dem Fahrer viel abverlangt. Darauf legen meine Kunden großen Wert. Ich arbeite nur mit Fotofahrern zusammen, die ich gut kenne, mit denen die Chemie stimmt. Fotoshootings sind eine Teamwork Geschichte. Wir entwickeln gemeinsam Ideen und jeder kann sich einbringen. Das klappt ganz gut, denn ich kann mir mittlerweile glücklicherweise aussuchen, mit wem ich zusammenarbeite! Wie siehst du die Zukunft der Fotografie und insbesondere die, der klassischen Print Medien in den nächsten Jahren? Ich denke, es wird ein sehr starker Wandel kommen. Zwar fotografieren wir alle digital, aber das bedeutet noch lange nicht, dass wir digitale Geschäftsmodelle haben. Die digitale Transformation des Fotobusiness ist gerade erst am Anfang. Print Veröffentlichungen und besonders Cover sind für mich lange der Maßstab für den Erfolg meiner Projekte gewesen. Und es flasht mich auch heute immer noch, am Kiosk mein eigenes Cover in der Hand zu halten. Aber es wandelt sich eben. Bisher hieß es „Print First“. Bilder sollten exklusiv im Print erscheinen und dort zum ersten Mal veröffentlicht sein, so die Ansage der Magazine. Bei vielen Firmen wurde erst der Katalog gedruckt und dann die Online Kampagne geschaltet.


HINTER DER LINSE Ja, das ist der übliche Ablauf. Du willst das ändern? 2019 habe ich bereits begonnen, dies zu ändern. Ich veröffentliche nun die Bilder in meinen eigenen Kanälen beziehungsweise in den Kanälen der Fotofahrer. Auch reiche ich diese dann trotzdem noch den Magazinen ein, aber sie erscheinen eben zuerst online. Berufskollegen haben darüber etwas die Nase gerümpft, weil ich ja quasi die Bilder umsonst bei Instagram und Co. zeige. Instagram ist aber ein Vertriebskanal für mich geworden. Bildredakteure und Firmen kommen so auf mich zu und wollen genau das Bild aus dem Post haben oder beauftragen mich, weil sie mich beispielsweise über das Hashtag #3Zinnen gefunden haben. Es wird meiner Meinung nach immer Print geben. Aber ich denke, in Zukunft wird ein Fotograf selbst zu einer Marke werden und die Monetarisierung der Arbeit findet über Social Media und Kooperationen mit den Kanälen von Herstellern und Medien statt. Du hast einen oft kommentierten Beitrag zur Darstellung von Frauen in Bike Magazinen auf LinkedIn und Instagram gepostet. Was hat es damit auf sich? Bei der Planung für ein Kunden-Shooting ist mir aufgefallen, dass der Kunde sehr zurückhaltend war, was das Thema Mann und Frau auf einem Bild anging. Er wollte einen Mann und viel Action kommunizieren. Ich fand es dagegen besser, die Bikes in Zweier-Situationen zu zeigen. Mountainbiken ist für mich ein soziales Thema. Man ist mit Freunden oder als Paar unterwegs und nicht als einsamer Wolf in der Wildnis. Als ich mit der Fotografie angefangen habe, gab es tatsächlich noch Aussagen in der Branche wie „Eine Frau auf einem Cover verkauft nicht so gut.“ Diese verkrusteten Themen haben sich zum Glück gelöst und ich glaube mein zweites Cover war genau ein solches mit Julia Hoffmann auf dem Ride Magazin. Und diese Ausgabe hat sich im Übrigen sehr gut verkauft. Schaut man heute aber Kataloge und Magazine durch, so stellt man fest, dass es in der Bildsprache sehr stark männlich geprägt ist. Bei einem Enduro Test siehst du auf den Bildern kaum eine Frau. Auf Covern ist mir aufgefallen, dass Frauen häufig dem Mann hinterherfahren. Die Branche ist beim Thema Diversity einfach nicht sensibilisiert. Es gibt zum Beispiel einen Rennradtrikot-Hersteller, der bei Models scheinbar nur auf große Oberweite und tiefen Ausschnitt setzt. Die

Nur im Frühjahr geht die Sonne genau in diesem Winkel am Gardasee unter. Red Bull Fahrer Tom Öhler liefert die perfekte Action dazu. NIKON D850, 14-24 mm f/2.8 ISO 1.000, 1/4.000 sec, f5, Brennweite 14 mm

Frau sitzt in der Bildsprache dann irgendwie auf dem Oberrohr. Ein Fahrbild habe ich von dem Hersteller noch nie gesehen. Das sind Stereotypen, die ich einfach nicht unterstützen will. Ein Mann mit Prinzipien! Hat sich seitdem etwas in der Branche getan? Leider findet man diese Aspekte in kaum einem Briefing der Marketingabteilungen oder der Magazine. Daher habe ich mich entschlossen, bei meinen Bildern darauf zu achten und zeitgleich auch das Thema in den sozialen Medien zu pushen. Ich habe dann das Hashtag #Catahead geprägt und mich sehr darüber gefreut, als zum Beispiel das Mountainbike Magazin sehr viele Bilder von mir verwendet hat, bei denen die Frau an erster Position fährt und eben nicht wie ein Anhängsel des Mannes dargestellt wird. Das Feedback ist sehr gut gewesen und bei vielen Kunden habe ich damit das Thema auch auf die Agenda gebracht. Verlieren deiner Meinung nach Bilder durch Social Media nicht an Wert? Ich denke nein, im Gegenteil. Die Bilder werden immer wertvoller. Firmen und Bikeprofis können deutlich einfacher und direkter ihre Kunden und Fans erreichen als je zuvor. Botschaften können viral werden und ich habe sogar noch die Möglichkeit, über Kommentare Feedback zu bekommen. Leider ist aber die Wertigkeit für die Radindustrie noch das komplette Gegenteil. Fast jede Woche bekomme ich eine Anfrage, ob ich ihnen nicht ein Bild umsonst für die Social Media Nutzung geben könne. Es sei ja „nur für Social Media“ und dann kommen die witzigsten Begründun-

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AKTIV in den ALPEN

gen. Ich würde dadurch ja mehr Follower bekommen, oder das Bild sei ja schon gemacht worden und koste daher nichts mehr. Es ist echt beschämend was da manchmal kommt, gerade wenn diese Anfragen von sehr großen Herstellern mit ausreichend Budget kommen. Manche Firmen sind nicht einmal dazu bereit, 50 Euro für die Social Media Nutzung eines Bildes zu bezahlen. Der Gegenwert eines jeden Social Media Beitrages liegt weit über lächerlichen 50 Euro und der durch die Firma investierten Arbeitszeit! Ist das aber nicht ein Problem, das erst durch die sozialen Medien richtig in Fahrt kam? Ja, häufig wird beispielsweise versucht, über die gesponserten Fahrer „kostengünstig“ an Bilder für Social Media zu kommen, indem man diese verpflichtet, 20 Bilder pro Jahr zu liefern und in jedem Post den Hersteller zu verlinken. In diesem Aspekt stimmt die Aussage mit dem Wertverlust leider. Die Bilder oder vielmehr die Beiträge, die man mit ihnen erstellen kann, sind wertvoller denn je, werden aber noch nicht als Teil der Wertschöpfungskette für ein Unternehmen gesehen. Gesponserte Fahrer sollten nicht Bilder liefern müssen. Man sollte für sie Budgets bereitstellen, damit sie Content produzieren können. Um dem entgegenzuwirken, habe ich meine Geschäftspraxis hier angepasst: So werden nur noch Hersteller und Regionen in meinen oder den Beiträgen der Fotofahrer verlinkt oder erwähnt, wenn diese uns bei der Erstellung der Bilder beteiligt waren oder uns unterstützt haben. Auch wenn Firmen einen Repost von Bildern machen, spreche ich diese nun darauf an. Das wirkt vielleicht drastisch, aber es steckt viel Arbeit und


HINTER DER LINSE

Sieht aus wie eine Kulisse aus einem Fantasyfilm ist aber in den Dolomiten: "Fotografieren bringt mich zu den unglaublichsten Orten" NIKON D850, 24 mm f/1.4 ISO 1.000, 1/4.000 sec, f6.3, Brennweite 24 mm

Equipment in Bildern und ich gehe ja auch nicht zu einem Bremsenhersteller und nehme etwas aus dem Regal und erwarte, nichts dafür bezahlen zu müssen. Das klingt vernünftig. Die Wertschöpfung von Bildmaterial in der heutigen Zeit, ist ein heiß diskutiertes Thema! Zum Glück gibt es aber auch da wieder Lichtblicke! So habe ich für 2020 mit allen Firmen, mit denen ich zusammenarbeite, diese Problematik thematisiert und nun überwiegend Kooperationen mit Ihnen geschlossen. Bei diesem Modell gibt es nicht mehr das klassische Katalogshooting, sondern ein Hersteller beauftragt mich im Vorfeld für ein ganzes Jahr Bilder zu produzieren. Ich habe vollkommen freie Hand und kann produzieren, wann und was ich möchte. Dieses Vertrauen der Firmen freut mich sehr und alle gewinnen dabei. Die Firma und die Fahrer erhalten fortlaufend Bilder für die Social Media Nutzung und ich kann ohne Zeitdruck die perfekten Bilder machen. Ich denke, die ganze Industrie ist hier angehalten, sich mit den Sportlern und den Medienerzeugern zusammen zu setzen und neue Modelle zu entwickeln, die einen Fair Use ermöglichen. Da spricht jetzt der Online Marketing Experte aus dir! Was würdest du konkret den BikeMagazinen empfehlen? Eigentlich müssten die Magazine in einer blendenden Situation sein. Was das On-

linethema angeht, können sie doch den vorhandenen Content aus Ihren Archiven mehrfach verwerten und „republishen“. In der Praxis sieht man das wenig. Social Media dient nur als Zubringer für das Heft oder zum Verkauf eines Einzelartikels über die Website. Social Video und YouTube haben meiner Meinung nach alle Bike-Magazine komplett verschlafen. Und bei Instagram ist es fast genauso. Die Magazine machen beim Thema Produktvorstellung, Test und Technik einen sehr seriösen Job, aber sie befeuern damit eher die Industrie und deren Interessen. Gerade im Bereich E-Bike scheint es nur um die neuesten Innovationen zu gehen. Das Thema „Biken als Lebensgefühl“ findet im Heft und auf den Instagram-Kanälen fast nicht statt. Mein Tipp an die Magazine wäre also, die Biker und das Erlebnis des Mountainbikens in den Fokus zu stellen und eine ContentMarketing-Strategie zu fahren, wie sie Online-First und die Vorteile von Print kombinieren können. Denn eines steht fest: Qualitätsjournalismus und Online sind keine Gegensätze. Zehn kurze Fragen: Gehst du überhaupt noch ohne Rad in die Berge? Ja, im Sommer zum Wandern oder Bouldern und im Winter gerne auf Skitour. Fängst du lieber das Morgenlicht oder den Sonnenuntergang ein? Von der Logistik ist Abendlicht besser und in den Do-

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lomiten zum Beispiel hat man am Morgen häufiger Wolken als am Abend. Dein schönster Fotospot? Wolkenstein und die Dolomiten. Mit welcher Kamera arbeitest du momentan am häufigsten? Mit einer D850. 45 Megapixel und die Dynamic Range sind einfach ein Traum. Deine Lieblingsbrennweite? 24mm und 50mm. Beides bei Blende 1.4 Gibt es für dich ein Lieblingsbild in deinem Portfolio? Siehe oben. :-) Deine drei wichtigsten Ausrüstungsgegenstände, abgesehen von der Kamera? Lichtstativ mit 2m Höhe, guter Fotorucksack von Evoc und Objektive mit großen Blenden. Mountainbiken bedeutet für dich ___ und ___? Zeit draußen zu haben und an Orte zu kommen wo ich sonst nicht wäre. Und Südtirol? ___ Zweite Heimat, viele Freunde und das Land mit den besten Knödeln. Gibt es ein Wunschprojekt? Ich würde gerne einmal ein Nachtshooting in den Vulkangebieten auf La Palma machen, bei denen der schwarze Sand in hunderten von Farben beleuchtet wird.


Die komplette Ausgabe erhalten Sie am Kiosk oder über unseren Abo-Service! www.AKTIVindenALPEN.com


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