SoSe15_Niemeier_Marktluecke

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M arktl端ck e Revitalisierung des Johannisquartiers in Berlin

von Sebastian Neimeier betreut von Prof. Blumfeld-Hanada im August 2015





I n h a lt s v e r z e i c h n i s

I. Einleitung 11 Berliner Sand 11 Tacheles 12 Marktlücke 14 Aufbau 15 II. Die kulturelle Relevanz von Handel und Märkten 17 Austauschen und Verhandeln als Ausdruck menschlichen Wesens 17 Handelsprinzipien und Typologien 19 Antike 20 Mittelalter 22 Passagenwerke 24 Bautypus Markthalle 25 ... zum Junkspace und zurück? 30 III. Berliner Markthallen Vom Wochenmarkt zur Markthalle Das Markthallenprojekt Berliner Markthallen ab 1950

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IV. Zeitgenössiche Markthallen Markthalle IX Berlin, Raumlabor Markthalle Aarau, Miller Maranta Wakefield Market Hall, Adjaye Associates Santa Caterina Mercat, EMBT Metropol Parasol, Jürgen Mayer H. Torghallen Katrineholm, JAJA Architects Barcélo Centre Madrid, Nieto Sobejano Markthal Rotterdam, MVRDV

51 53 55 57 59 61 62 63 65 7



I n h a lt s v e r z e i c h n i s

V. Verortung des Johannisquartiers Historische Entwicklung Kriegszerstörung und Neubau von 1940 bis 2014 Das Johannisquartier in Berlin

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VI. Tacheles 115 Die Friedrichstraßenpassagen 115 Vom Haus der Technik bis zum Teilabriss 122 Besetzung des Tacheles 124 Aufblühen und Mythenbildung 125 Städtebauliche Entwicklung ab 1993 127 Untergang 129 XII. Studien zum Entwurf

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XIII. Entwurf für das Johannisquartier 143 Städtebaulicher Entwurf für das Johannisquartier 149 Lageplan 150 Wohnriegel 152 Marktlücke Tacheles 195 Markthalle 196 Marktstände 214 Fazit 223 Abbildungsverzeichnis 227 Quellenverzeichnis 233 9



I . Ei n l e i t u n g Berliner Sand Berlin – die ewige Baustelle. Dies ist der Eindruck der bei Bewohnern1 und Besuchern gleichermaßen erweckt wird. Dieser Bauboom der letzten Jahre hatte aber nicht nur den Wandel Berlins zur Hauptstadt und den anschließenden Wandel zur kulturellen Metropole Deutschlands als Ursprung - in Berlin konnte einfach viel schneller gebaut werden, da weite Teile der Stadt gar nicht erst abgerissen werden mussten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Beseitigen der Trümmerhaufen lagen weite Teile Berlins brach, Baulücken dominierten das Stadtbild Berlins. Neben Brandwänden wuchsen wilde Landschaften, erdig und sandig, und schafften weite Räume - bereit, erkundet und angeeignet zu werden. Dieses wüste Niemandsland – von Wim Wenders 1987 in „Der Himmel über Berlin“ perfekt in Szene gesetzt – prägte aber nicht nur die Stadtlandschaft sondern vor allem auch das Selbstverständnis, die Identität Berlins: Das Unfertige, das Freie, das Spontane, das Kreative, das Halblegale, das Raue – „arm aber sexy“: all dies begründet sich im Berlin der Nachkriegszeit und schreibt sich bis heute im Image der Stadt fort. Umso verwunderlicher scheint es, dass Berlin zwar für alles ein Denkmal hat, nur nicht für seine eigenen, modernen Wurzeln. Stattdessen wird vielmehr versucht, dieses Bild Berlins aus dem kulturellen Baugedächtnis zu löschen: Baulücken werden geschlossen, der Palast der Republik abgerissen und an gleicher Stelle ein schwacher Versuch gebaut, die Kaiserzeit wiederzubeleben. Selbstverständlich ist die Entwicklung innerstädtischer Brachflächen und das Schließen von Baulücken sinnvoll, notwendig und aufgrund der Bevölkerungs- und Gewerbeansiedlung unvermeidbar. Dies soll hier gar nicht bestritten werden – im Gegenteil. Allerdings ist es gleichermaßen bedauerlich, dass das, was das heutige Berlin so viel mehr ausmacht als ein Schloss, ohne Reflektion negiert und zerstört wird und die Alternative häufig in klassischer „Inverstorenarchitektur“ endet. Der Berliner Sand, als Verkörperung der unzähligen Brachflächen, ist der Initialim-

1 Sofern keine neutrale Form benutzt wird, wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet. Das generische Maskulinum gilt hier daher gleichwohl für alle Geschlechter.

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puls für die vorliegende Arbeit. Es wird untersucht, inwiefern es möglich ist, eine der letzten zentralen Brachflächen in Berlin zu entwickeln und dabei doch die Erinnerung an die Lücken und Brachen respektvoll aufrecht zur erhalten.

Abb. 1-1 Szene aus „Der Himmel über Berlin“. Wenders (1987)

Das Wechselspiel zwischen Investor und Öffentlichkeit, zwischen kommerzieller und spontaner Nutzung, zwischen der Dichte der Stadt und der Weite der Leere – zu diesen Themen soll diese Arbeit einen Diskussionsbeitrag leisten. Einen Diskussionsbeitrag an einem Ort, der politisch und sozial stark aufgeladen ist. Ein Ort, der immer wieder für Diskussionen gesorgt hat und trotzdem voraussichtlich ohne jegliche Diskussion oder Wettbewerb in den nächsten Jahren endgültig von einem amerikanischen Investor bebaut wird: dem Johannisquartier, besser bekannt als das Tacheles. Tacheles Ursprünglich 1909 als Einkaufspassage unter dem Namen Friedrichstraßenpassage errichtet, erlebte das Tacheles zahlreiche Um- und Weiternutzungen. Vom Zweiten Weltkrieg in weiten Teilen verschont, wurde 1980 trotzdem ein Großteil inklusive dem spektakulärem Kuppelbau gesprengt und abgerissen. Der heute noch stehende Teil, das Tacheles, sollte eigentlich 1990 ebenfalls abgerissen werden. Am 13. Februar 1990 – kurz vor der Sprengung - besetzte eine Künstlerinitiative mit dem Namen Tacheles das Gebäude um die Sprengung zu verhindern. Nach einigen Verhandlungen gelang es ihnen auch, den Abbruch zu stoppen. In den fol12


genden Jahren entwickelte sich hier eine belebte und bekannte alternative Künstlerszene, die sogar noch nach dem Verkauf des Areals 1998 für weitere zehn Jahre geduldet und gefördert wurde. Das Tacheles erreichte eine Kultstatus, zunächst bei den Berlinern, zunehmend auch bei Touristen. Nachdem der ursprüngliche Mietvertrag ausgelaufen war, spielten sich in der Folge umstrittene Szenen ab, die darin gipfelten, dass der Hauptzugang vom Verwalter mit einer drei Meter hohen Mauer versperrt wurde und das Gebäude später von einer privaten Sicherheitsfirma geräumt wurde.

Abb. 1-2 Das „Tacheles“-Gebäude im Mai 2015

Dieser faszinierende Ort im Zentrum Berlins mit seiner bewegten Geschichte – sowohl architektonisch als auch sozial – bietet die letzte größere unbebaute Fläche mitten im Berliner Zentrum. Die Bedeutung des Tacheles, die einzigartige Lage als Eröffnung der Oranienburger Straße und des Galerienviertels und die hervorragenden Verbindungen machen das Areal nicht nur für einen architektonischen Entwurf im Studium interessant – vielmehr lockte das Quartier Investoren aus der ganzen Welt und der Wert des Grundstückes hat sich in den vergangenen 20 Jahren fast verfünffacht: 1998 für umgerechnet EUR 40 Mio. an die Fundus Gruppe verkauft (vgl. Wikipedia 2015, Kunsthaus Tacheles), übernahm die New Yorker Vermögensverwaltung Perella Weinberg das Grundstück im Herbst 2014 für ca. EUR 150 Mio (vgl. Fahmy 2014). 13


Dieser extrem gestiegene Grundstückswert hatte und hat aber auch Folgen für die Entwicklungsplanung des Geländes. Den zukünftigen Planern – nach aktuellen Nachrichten (vgl. Zeit 2015) wohl das Schweizer Büro Herzog & de Meuron - bleibt wenig Spielraum, wenn sie gewinnbringend arbeiten wollen. Kritik wird berechtigterweise an den Vergabemodalitäten geübt, wurde ein Wettbewerb gar nicht erst in Betracht gezogen. Dieser Vorgang ist für private Bauherren rechtlich gesehen zwar legal, allerdings an einer so prominenten und bedeutsamen Stelle stark zu hinterfragen. An diesem Punkt setzt diese Arbeit an, einen anderen Blickwinkel, einen anderen Umgang mit so wichtigen Grundstücken zu erforschen und zu evaluieren, unabhängig von der gegenwärtigen Marktsituation.

Marktlücke Als Nutzungskatalysator für das Gebiet beschäftigt sich diese Arbeit mit Märkten, genauer Markthallen. In den letzten Jahren lässt sich ein zunehmendes architektonisches und auch politisches Interesse an Markthallen erkennen. Sowohl die soziale und kulturelle Bedeutsamkeit von Märkten als auch neue architektonische Lösungen wie die Markthal in Rotterdam von MVRDV scheinen diesen Trend zu befördern. Für das gewählte Areal scheint eine Markthalle zudem den sozialen Genius Loci zu treffen - die Verbindung von Konsum (Friedrichstraßenpassage), Kunst (Tacheles) und dem Markt als Zentrum sozialen (Ver-)Handelns. Ebenso zeigt sich ein momentaner Trend zurück zu Erzeugerwaren (s. z. B. ökologisch erzeugte Lebensmittel, aber auch Kleidung, Werkzeug etc.), der wiederum einem vermeintlichen Berliner DIY-Lebensstil entspricht. Die Arbeit versucht, zwei stark kulturell aufgeladene Räume - Markthalle und Tacheles - zu verbinden und aus der Synergie Potentiale für Berliner Stadtentwicklung zu generieren. Historisch hat Berlin eine - wenn auch zwischenzeitlich fast verlorengegangene Kultur der Markthallen und Märkte. Es fehlt zur Zeit allerdings noch eine große, anziehende Markthalle im Zentrum, die nicht nur die tägliche Versorgung mit Waren übernimmt, sondern auch als kulturelles und soziales Zentrum hervorsticht. Diese Arbeit nutzt den Ausgangspunkt Markthalle als Impulsgeber für das gesamte Quartier, als Vermittler und Verhandler der unterschiedlichen Interessen und als Anziehungspunkt sowohl für Anwohner als auch für Touristen. 14


Aufbau Eine Eingrenzung des Untersuchungsfeldes Markt ist schwierig. Zu weitreichend ist die baugeschichtliche und kulturelle Entwicklung. Der Übergang zum Einkaufen in Form von Einzelhandel, Warenhäuser, Passagen und Shoppingcenter ist kaum zu definieren. Von daher wird im ersten Teil auch dieser Teil - wenn auch nur angrenzend- behandelt. Im Folgenden beschäftigt sich diese Arbeit also nicht nur mit Märkten und Markthallen, sondern eher allgemein mit Handel und Handelsräumen. Der Fokus liegt aber dabei auf der Entwicklung der Märkte und Markthallen. Zunächst werden kurz eine historische Entwicklung aufgezeigt und die soziale und kulturelle Funktion und Bedeutung vom Handel und Märkten hergeleitet. Im Anschluss wird die Berliner Markthallenhistorie aufgezeigt. Neben der geschichtlichen Entwicklung und der architektonischen und städtebaulichen Bedeutung wird auch das bis heute existierende Bild von Markthallen aufgezeigt. Die wiedererstarkende Bedeutsamkeit von Markthallen lässt sich auch an der Anzahl der neuerrichteten und in Wettbewerbsarbeiten vorgeschlagenen Markthallen erkennen. In einem nächsten Schritt werden daher einige exemplarische zeitgenössische Entwürfe von Markthallen betrachtet. In einem nächsten Themenblock wird das Areal betrachtet. Neben der historischen Entwicklung bis 1907 ist besonders die Entwicklung im 20. Jahrhundert interessant, die sowohl mit der Friedrichstraßenpassage die bedeutsamste bauliche Auswirkung hatte, als auch letztendlich zum Kunsthaus Tacheles geführt hat. Ein kleiner Ausblick auf die Planungen für das Quartier seit 2000 soll die aktuellen Entwicklungen und Schwierigkeiten verdeutlichen. Im letzten Teil wird ein städtebaulicher und architektonischer Entwurf entwickelt und beschrieben und anschließend in einem Fazit diskutiert.

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II. Die kulturelle Relevanz von Handel u n d M ä rk t e n …vom Tausch zum Junkspace und wieder zurück

Austauschen und Verhandeln als Ausdruck menschlichen Wesens Das Tauschen und damit das Handeln sind Grundzüge menschlichen Wesens. Wenn auch heute nicht mehr eindeutig nachvollziehbar, so kann man sicherlich davon ausgehen, dass der Homo Sapiens von jeher Güter und Dienstleistungen ausgetauscht hat - sei es aus Gründen der Warenknappheit, unterschiedlicher Fähigkeiten der Beteiligten oder auch um das einfache aber bis heute universelle Verlangen nach etwas zu befriedigen. Lokaler Handel in der Ur- und Frühgeschichte kann nicht ausreichend belegt werden kann, da nur der Handel mit äußerst langlebigen Waren nachgewiesen werden kann. Da Güter des täglichen Bedarfs meist aber vergänglich sind oder verbraucht werden, betrachtet man in dieser Epoche nur den Fernhandel. Zudem sagt die Verbreitung von Produkten meist nichts über „Art und Weise ihres Transports“ (ebd.) aus, es müssen also Produkte betrachtet werden, die an der Fundstelle nicht natürlich vorkommen. Erstaunlicherweise existiert dieser Fernhandel aber nachweisbar schon sehr lange. Die Feuersteinstraßen sind ein früher Beleg für Handel über große Distanzen schon in der Jungsteinzeit. Tausch und Handel ist daher immer mit irgendeiner Form sozialen Auseinandersetzens verbunden. Selbst heutzutage, wo ein einfacher Klick am Computer ausreicht um einen Austausch zu tätigen, gilt dies, nur nicht mehr unmittelbar. Ein Medium übernimmt die Vermittlung zwischen den Beteiligten und beschleunigt den Auseinandersetzungprozess, in dem Angebote aufbereitet, die Verhandlung (meist nur noch durch Zustimmung des Käufers) geführt und die anschließenden notwendigen Daten für die Transaktion automatisch abgewickelt werden. Diese Inter- und Transaktionen bilden einen wichtigen Aspekt des menschlichen Wesens und sind entscheidend für die erfolgreiche Verbreitung und Entwicklung des Homo Sapiens, wie sich auch am Vergleich zu den ausgestorbenen Neandertalern erkennen lässt, von denen man keine Spuren für die Verwendung überregionaler Gegenstände gefunden hat (vgl. Wikipedia 2015d.). Austauschen und Verhandeln sind von daher elementar für die Weiterentwicklung von Personen und ganzen Gesellschaften: gerade der Fernhandel brachte und bringt auch heute noch neue Impulse und Anregungen. Er verbreitet und schafft Kultur. 17


Kulturelle Bedeutsamkeit des Handel(n)s Handel bedingt Austausch, schafft Weiterentwicklung, schafft Kultur - so könnte man, wenn auch stark vereinfacht und abstrahiert, die optimistische Grundhaltung dieses Kapitels umschreiben. Auch wenn es wie eine Wahlparole einer der Wirtschaft nahestehenden Partei klingt, so soll dies nicht als kapitalistisches oder konsumistisches Manifest gelesen werden, eher im Gegenteil. Kultur folgt nicht aus Handel: das Verhandeln ist die entscheidende Komponente. Der ökonomische Aspekt ist dabei nebensächlich, kann bei beidseitiger Zufriedenheit mit dem Verhandlungsergebnis aber weiteren Austausch befördern. Für das Verhandeln sind daher - sofern keine Ungleichheit im relativen Machtverhältnis besteht - zwei Fähigkeiten von Belang: die Fähigkeit zur Einigung, zu einem Kompromiss und die Kommunikationsfähigkeit. Beide bedingen sich sicherlich gegenseitig, die Kommunikation wird die Einigung vereinfachen, gleichzeitig wird ein an einem Kompromiss Interessierter auch größeres Interesse an der Kommunikation haben. Beide Fähigkeiten schaffen neben dem ökonomischen auch den sozialen Austausch. Beim Tauschhandel wurden immer auch Neuigkeiten ausgetauscht, besondere Fähigkeiten wurden abgeschaut, Wissen erlernt und gesammelt. Diese flossen dann wiederum ins eigene Leben ein und bereicherten es. Besonders die antiken Handelsstraßen wie die Bernstein-, die Weihrauch- oder auch die Seidenstraße zeugen von der gegenseitigen kulturellen Beeinflussung und Weiterentwicklung. Um miteinander kommunizieren zu können wurde nach der anfänglich auf Gesten ausgerichteten Kommunikation zunehmend auf Drittsprachen zurückgegriffen, die beide beherrschen konnten. Dies konnten einerseits Sprachen mit überregionaler Bedeutung sein, andererseits wurden Behelfssprachen entwickelt, „die ausschließlich dem Handelsgebrauch dienten und über keine Muttersprachler verfügten“ (Wikipedia 2015d). Bekannte Beispiele für diese sog. Pidginsprachen sind das Russenorsk und die Lingua Franca, deren Bezeichnung sogar zum generischen Oberbegriff für Misch- und auch Sekundärsprachen (vgl. ebd.). Bis heute hat sich diese Kommunikationsart erhalten, gilt heute Englisch doch als Lingua Franca auf der gesamten Welt. Handel war und ist also ein großer Katalysator kultureller Entwicklung. Die Bedeutsamkeit kann sich auch daran festmachen, dass der Codex Hammurabi - immerhin eines der ältesten Schriftstücke der Welt - einen Großteil für Eigentum, Handel und Handelsregeln verwendet (vgl. ebd.). Händler und später Kaufleute schufen technologische Entwicklungen und lernten und lehrten Lesen, Schreiben und Rechnen. Bis heute dominieren Handel und Konsum weite Teile der Kultur, die kapitalistische 18


Weltanschauung hat sich allen Varianten gegenüber durchgesetzt und Konsum gilt „als letzte Form des öffentlichen Lebens“ (Leong 2001).

Handelsprinzipien und Typologie n Grundsätzlich lässt sich Handel in das Bring-, Hol- und das Treffprinzip unterteilen. Entweder bringt der Verkäufer die Ware dem Käufer, oder der Käufer holt sie sich beim Verkäufer ab oder man trifft sich an einem dritten Ort. Daraus resultieren zwei Typen für Handel: der stationäre und der ambulanten Handel. Der ambulante - also nicht ortsfeste Handel - ist dabei der ältere der beiden Typen. Der Händler reist dabei zum oder in die Nähe des Kunden. Die oben erwähnten Fernhändler aus der Steinzeit, Reisende wie Marco Polo oder auch die heutigen Markthändler gehören dazu. Besonders vor „Erscheinen der Massenmedien und schnellen Reisemethoden hatten Markthändler und Hausierer oft auch eine wichtige gesellschaftliche Funktion, indem sie ihren Kunden Neuigkeiten aus fernen Gegenden oder gar dem Ausland erzählen konnten“ (Wikipedia 2015d). Im Gegensatz dazu kommt der Kunde beim stationären Handel zum Verkäufer, bringt meist selbst auch Neuigkeiten mit, die wiederum vom Verkauf an andere Käufer weitergeleitet werden. Diese Form des Handelns hat sich erst mit der zunehmenden Professionalisierung durchgesetzt, ist heutzutage aber die dominierende Variante. Chung et. al. sehen in dem jungsteinzeitlichen Großdorf Catalhöyük (7000 v. Chr.) den Beginn der Lagerung von Waren für den Handel und erklären die Stadt Lydia zur Erfinderin des Verkaufsgeschäftes im 7. Jahrhundert v. Chr. (vgl. Chung et. al. 2001, S. 30). Gleichzeitig kann man nur begrenzt sagen, dass der stationäre Handel die Folge des ambulanten Handels ist. Beide Entwicklungen laufen parallel bis heute.

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Antike Wenn auch nur wenig bekannt ist über die vorgeschichtliche und antike Entwicklung von Märkten, scheint aus dem zufälligen, spontanen Tauschhandel irgendwann eine Institution entstanden zu sein. Man traf sich irgendwann nicht mehr zufällig, sondern an verabredeten (wahrscheinlich außerhalb liegenden, neutralen) Orten in unregelmäßigen und regelmäßigen Intervallen. Wahrscheinlich traf man sich damals schon zu besonderen oder kultisch bedingten Zeitpunkten, was dann auch die erste Verbindung zwischen Handel und Entertainment bedeuten würde. Dies ist, wie gesagt, aufgrund der mangelnden Erkenntnislage spekulativ, aber naheliegend.

Abb. 2-3 Marktszene auf einem Grabrelief in TT57, Theben (Dollinger 2001)

Irgendwann ist aufgrund des stärker werdenden Handels die Notwendigkeit für eine dauerhafte Einrichtung entstanden. Schon um 1400 v. Chr. ist auf Grabreliefs in Theben eine stationäre Marktsituation dargestellt. Auf den Bildern im Grab von Khaemat, eines Aufsehers für die Getreidekammern unter Amenhotep III., ist zu sehen wie Händler mit Schiffen an einem Hafen ankommen und ihre Waren ausladen. Im Folgenden sind Frauen und Männer abgebildet, die unter Marktständen (!) sitzen, Waren anbieten und abwiegen (vgl. Pino 2005, S. 95ff.). Dies ist wohl die früheste bekannte Abbildung eines stationären Marktes, lange vor der griechischen Agora um 400 v. Chr. Die ersten Einzelhandelsläden kann man bis ins 7. Jahrhundert v. Christus in Lydia, Griechenland nachvollziehen, zeitgleich wurde dort die ersten Münzen im Mittelmeerraum als intermediäre Währung herausgegeben (vgl. Wikipedia 2015e). In den frühen Hochkulturen Chinas soll es einige Jahrhundert v. Chr. auch schon erste Ladenketten gegeben haben (vgl. Chung et. al. 2001, S. 30). Im 4. Jahrhundert v. Chr. umfasste die griechische Agora erstmals in Europa einen festen Raum für einen Marktplatz. Die vorherigen Dorfplätze lagen wie die Marktor20


te zuvor noch außerhalb des Zentrums. Erst der Zusammenschluss mehrerer Dörfer und die einhergehende Urbanisierung machten den zentralen Platz notwendig. Bezeichnenderweise war die Agora nicht nur Marktplatz, sondern auch Fest- und Versammlungsort für kultische Feste sowie Ort für Gerichtsversammlungen (vgl. Wikipedia 2015f). Die zentrale gesellschaftliche Bedeutung spiegelt sich hier zum ersten Mal räumlich wider: im Stadtzentrum, mitten im gesellschaftlichen und politischem Leben, verbunden mit religiösem Entertainment. Handel wurde zum Spektakel.

Abb. 2-4 Archetypischer Aufbau Basilika (Peddington 2015)

Das Prinzip der Agora wurde in Rom in Form der Foren übernommen. Mit der Entwicklung der Basilika wurde zudem das Prinzip Markthalle in die Baugeschichte eingeführt. Schon die ersten Basiliken (unter anderem die 184 v. Chr. errichtete Basilica Porcia) wiesen dabei erneut die Verknüpfung von Handel (Markt, Kaufleute und Bankiers) und Politik (Verwaltung und Gericht) auf. Zudem ist ihr architektonischer Aufbau nicht nur Vorbild für die christlichen Kirchen, die 3- oder 5-Schiffigkeit, das Licht von oben und die arkadienartigen Säulengänge fanden sich auch in den späteren Markthallen des 19. Jahrhunderts wieder. 110 n. Chr. entstanden die Trajansmärkte, bei denen viele Archäologen davon ausgehen, dass es sich um die erste „Shopping-Mall“ der Geschichte handeln könnte.

Abb. 2-5 Trajansmarkt (Photobucket 2015)

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Mittelalter Im frühen Mittelalter fanden die Märkte nun stark institutionalisiert in Form von Messen statt. Die erste belegte Messe wurde am 9. Oktober 634/635 in Saint-Denis bei Paris gehalten (vgl. Wikipedia 2015g). Zunächst an hohen kirchlichen Feiertage ausgerichtet, fanden die Messen periodisch statt und waren nicht nur Orte des Handelns, sondern auch anderer festlicher Aktivitäten. Bis heute halten sich Messen als Form internationalen Warentausches und sind Ursprung der Jahr- und der Weihnachtsmärkte. Besonders relevant für das gesellschaftliche Leben wird nun auch die juristische Bedeutung des Marktplatzes und des Marktrechts. Das Recht, einen Markt abzuhalten galt als erste Stufe zur Stadtentwicklung. Gleichzeitig sicherte der Fürst oder König mit dem Marktrecht die Wahrung des Marktfriedens für die Zeit des Marktes mit eigens eingesetzter Gerichtsbarkeit: Die Märkte sorgten damals schon für so viel Aufsehen und Trubel, dass eigene Richter eingesetzt werden mußten (vgl. ebd.). Die Marktplätze wurden der zentrale Ort in der Stadt, die teuersten Immobilien und das Rathaus rahmten ihn ein. Auf ihm wurden neben Handels- und Vergnügungsveranstaltungen auch Strafen vollzogen, vom Pranger bis zur Hinrichtung.

Abb. 2-6 Marktplatz Lübeck (Bonacci et. al. 2015)

In Zentralasien entwickelten sich zu ähnlicher Zeit an den Fernhandelsstraßen die Karawansereien, Versorgungsstützpunkte für die Händler. Meist innerhalb einer Kamel-Tagesreichweite erbaut boten die befestigten und beschützten Stationen neben einer Herberge auch religiöse Einrichtungen, ärztliche Versorgung, Unterhaltung in Tee- und Kaffeestuben und vor allem Warenlager und Handelsmöglichkeiten. Die Anlagen waren um einen zentralen großen Innenhof gelegen, gerahmt von arkadiengesäumten Gebäuden. 22


Abb. 2-7 Abbildung einer Karawanserai aus dem frühen 19. Jahrhundert (Brockhaus 2014)

In den Städten des Nahen und Mittleren Ostens entwickelten sich im späteren Mittelalter die Straßenmärkte, die Basare weiter. Im Gegensatz zum europäischen Markt, wo Händler sich möglichst weit weg von anderen Händlern mit ähnlichem Sortiment aufstellten, waren und sind die Basare bis heute branchensortiert. Groß-, Fern- und Einzelhandel sind in diesen Geschäfts- und Finanzzentren bis heute stark verflochten. Bemerkenswert ist schon die frühe räumliche Trennung zwischen Wohnen und Arbeiten. Damit sollte einerseits Diebstahl verhindert werden, andererseits sollten so ein Brandüberschlag von den Wohnungen vermieden werden, die zu dieser Zeit häufiger Feuer fingen (vgl. Kibjakova 2011). Schon 1455 wurde in Istanbul mit dem Großen Basar der Archetyp für heutige Shoppingcenter entwickelt und er wird bis heute ununterbrochen als Marktanlage genutzt. Seit Beginn ist der Markt überdacht, umfasst heute eine Grundfläche von ca. 31.000 Quadratmetern und beinhaltet etwa 4.000 Shops (vgl. Becker 2012).

Abb. 2-8 Kapalı Çarsı - Grosser Basar in Istanbul Lageplan und Innenansicht heute (Wikipedia 2015i)

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Passagenwerke Aufgrund der wachsenden Bevölkerung stieg auch der Handel in dieser Zeit kontinuierlich an. In Europa wurden daher immer größere Märkte, Kauf- und Warenhäuser nötig. Einkaufen wurde zum Erlebnis für den Adel und reiche Bürger, zur „Bühne der Selbstinszenierung der bürgerlichen Moderne, als sinnliches Ereignis und als Raum der Erzeugung neuer Verhaltensformen und Mentalitäten“ (Lehnert 2008). Den nötigen Erlebnisraum dafür schuf 1786 der Vorläufer der späteren Arkaden, die Galeries de Bois. Architektonisch ein temporärer Holzbau, waren sie durch die römischen Foren und Basiliken und die arabischen Souks inspiriert. Ein Prototyp für alle folgenden Arkaden, Einkaufscenter und Shopping Malls - exotisch, aufregend, „the place to be seen“ (Willsher 2015). Aristokraten, Intellektuelle, Studenten und alle, die zur Pariser Beau Monde gehörten und gehören wollten, kamen tagsüber in die Galerien, Cafés, Buchläden und Restaurants (vgl. ebd.). Das reine Flanieren wurde zum Erlebnis. Shopping wurde zum Zentrum des öffentlichen Lebens (vgl. Kimpel 1982, S. 346). Abends wandelte sich die Szene allerdings: Aus allen Teile Paris’ strömten die Prostituierten aller Stände herbei, „eine so beträchtliche Menge, daß man wie bei einer Prozession oder beim Maskenball im Schritt gehen mußte“ (de Balzac 1977, S. 253).

Abb. 2-9 Galeries de Bois (Willsher 2015)

Der Erfolg des Erlebnisraumes Shopping fing damit aber erst an. Bis 1850 entwickelten sich über 150 überdachte Passagen für die Flaneure der Neuzeit. Und in Paris endete es nicht. Bald fanden sich Nachahmer in ganz Europa und darüber hinaus, von der Burlington Arcade in London bis zur Queen’s Arcade in Melbourne. Sie dominierten bis ins 20. Jahrhundert das Bild vom Einkaufen. Auch die ehemaligen Friedrichstraßenpassage war eine Reaktion auf diesen Trend. 24


Bautypus Markthalle

Zeitgleich entwickelte sich der Bautypus Markthalle, der schon vor der französischen Revolution als eigenständiger Bautypus betrachtet wurde. Zwar waren unter anderem in städten wie Florenz Marktanlagen in Form von loggien schon seit dem 16. Jahrhundert zu finden (vgl. Mende 2008, s. 19), das bis heute andauernde Bild von Markthallen entwickelte sich aber erst (jetzt,) zu Beginn des 19. Jahrhunderts. immer größere nachfrage und neuere hygienebestimmungen machten die überdachten Märkte unumgänglich. Jean nicolas louis durand schuf hierzu um 1800 das ‚ideale’ vorbild. in seinem Werk ‚Recueil et parallèle des édifices de tout genre, anciens et modernes“ sammelte er alle bis dahin bekannte Bautypologien und widmete Märkten, Basaren und Markthallen einen eigenen abschnitt. auf Basis dieser analyse entwickelte er mit einer Reminiszenz an die römischen Foren einen rationellen, idealtypischen entwurf für eine Markthalle, die alle weiteren beeinflussen sollte (vgl. ebd., s. 14). schon zwischen 1810-1816 wurden vier Pariser Markthallen errichtet, die - wenn auch an Basiliken angelehnt und mit schmiedeeisernen dachstühlen versehen nicht so bedeutsam waren wie die zeitgleiche entwicklung in england. (vgl. ebd. s. 10f.). schon 1822 eröffnete der st. John’s Market in liverpool die gattung des neuen Bautypus Markthalle, bis heute eine der größten strukturen dieser art. anfang der 1830er Jahre folgten der new hungerford Market und der Covent garden Market von Charles Fowler. das klassische Bild mit gusseisernern stützen, natürlichen oberlichtern, haupt- und seitenschiffen war geboren.

abb. 2-10 st. Johns Market (nMl 2014) abb. 2-11 hungerford Market (Flickr 2015)

diese englischen Markthallen beeinflussten wiederum stark den Bau der les halles in Paris von Baltard. die rasante expansions Paris zu Beginn des 19. Jahrhunderts machte nicht nur die anlage der breiten Boulevards (haussmann Plan) notwendig, sondern auch eine großangelegte versorgung der Bevölkerung. der bereits seit 25


dem 12. Jahrhundert existierende Marktplatz und die darauf befindlichen Hallen wichen dem Haussmann Plan und nach den Plänen von Victor Baltard erschufen die Pariser die legendären Pariser Markthallen, die bis heute häufig als „Höhepunkt der Markthallenarchitektur“ (ebd. S. 10) angesehen werden. Vierzehn - von Paxtons Glaspalast und den englischen Markthallen inspirierte - riesige Pavillons aus Eisen und Glas verbanden Passage und Halle, Arkaden und Basilika. Der internationale Handel brachte Produktüberfluss aus der ganzen Welt, der Konsum als Selbstzweck war geboren. Das Flanieren durch die Markthallen und das Erleben dieser anderen Welt war auf dem Höhepunkt angekommen. So wie die Pariser Arkaden Vorbild für die Friedrichstraßenpassage waren, so waren die großen europäischen Markthallen Vorbild für das Berliner Markthallenprojekt. Europaweit folgten ähnliche Projekte.

Abb. 2-12 Les Halles Paris (Wikimedia 2015a)

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Abb. 2-13 Covent Garden, London (Wikimedia 2015b)

Abb. 2-14 Leadenhall Market, London (Wikimedia 2015b)

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Abb. 2-15 GroĂ&#x;e Markthalle, Budapest (Wikimedia 2015b)

Abb. 2-16 Markthalle Breslau (Wikimedia 2015b)

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Abb. 2-17 Mercado Central de Valencia (Wikimedia 2015b)

Abb. 2-18 Borough Market (eig. Abbildung)

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... zum Junkspace und zurück? Erst im 20. Jahrhundert konnte diese Vorherrschaft gebrochen werden. Das Bild des lustvollen Flanierens wich dem der hektischen Moderne. Alles wurde effizienter, schneller. Große Kaufhäuser erschufen ein neues Einkaufserlebnis und verkauften alles an einem Ort. Der mühselige Weg zu den und durch die Markthallen wich der Sortimentsdurchmischung. 1930 folgte der erste Supermarkt King Kullen in Queens, New York: ein modernes, effizientes Einkaufserlebnis mit Selbstbedienung und einer zentralen Kasse. Das Verhandeln, der Austausch wurden auf ein unpersönliches Minimum reduziert. Kurz zuvor wurde 1922 mit dem Country Club Plaza in Kansas City zudem das Ende der Passagen eingeleitet, die Shopping Mall war geboren. Dass die einzige Konstante die Veränderung ist, bemerkte schon Heraklit (540-480 v. Chr.), im Handel zeigt sie sich aber besonders deutlich. Supermärkte, große Kaufhäuser und Shopping Malls dominieren seitdem unser Handels- und Stadtbild. Das Flanieren wurde zum Schaufensterbummel, der konsumgesellschaftliche Versammlungsort wurde der Food Court. Überfluß und Wachstum - seit jeher angestrebte Ziele das Handel(n)s - wurden zum Fetisch, zur „Akkumulation der Zeichen des Glücks“ (Baudrillard 2014, S. 48). Dies ist sicherlich nicht nur Trend des 20. Jahrhundert, sind doch gerade die Markthallen und Passagen aus dem 19. Jahrhundert Verbildlichung dieses Gedankens. Allerdings ist die Größenordnung eine völlig andere, der Konsum dient nur sich selbst, der soziale Austausch ist nicht mehr relevant: Der Mensch wurde nicht mehr bedingt und umgeben vom Sozialen, sondern durch die Anhäufung von Objekten (vgl. ebd.). Dezentrale Supermärkte und außerhalb liegende Shopping Malls ließen die zentralen Markplätze als leere Postkartenmotive zurück, sie wurden zur letzten Form des öffentlichen Lebens (vgl. Chung et. al. 2001). Endlose Welten, nur ermöglicht durch Klimaanlagen, Rolltreppen und Gipskarton (vgl. Koolhaas in Chung et. al., S. 408), schufen die neue Form des Handelsraumes, den Junkspace (vgl. ebd.): eine unbedeutende Masse an Räumen, austauschbar und wandelbar. Sie inszenieren aber das Einkaufserlebnis noch stärker als ihre Vorgänger: eine künstliche wundersame Welt, „13% Roman, 8% Bauhaus, 7% Disney (neck and neck), 3% Art Nouveau, followed closely by Mayan“ (ebd., S. 409). Addition statt Komposition (vgl. ebd.), Expansion und Veränderung sind die Maximen. In den letzten Jahren ist allerdings wieder der Rückzug der Einkaufszentren in die Innenstädte zu beobachten. Man versucht, die großen Einkaufszentren miteinzubinden, den junkspace weniger junk werden zu lassen. Da die Konnotation mit Shopping Malls in Europa zudem eher negativ besetzt ist, verweisen die Namen der Einkaufszentren lieber auf die historisch beliebteren Vorbild: Galleries Lafayette, 30


Potsdamer Platz Arkaden, Lilien Carré, Forum Duisburg, Aquis Plaza. Ob sie sich dadurch dem Junkspace entziehen bleibt fraglich. Es gibt zur Zeit aber auch wieder eine gewisse Gegenbewegung. Das Vertrauen in den Konsumkapitalismus wurde durch unzählige Skandale erschüttert, der Fortschritt in Nahrungs- und Produktproduktion wird kritisch hinterfragt. Dies hat eine Renaissance für Märkte und Markthallen zur Folge. Als Sinnbild für eine vorkonsumistische vermeintlich bessere Zeit dienend, strömen unzählige Besucher und Touristen in die alten europäischen Markthallen und Märkte werden wieder soziales, kulturelles und kulinarisches Zentrum. Regionale, ökologisch erzeugte Lebensmittel und Produkte aus kleinen Manufakturen gelten als Garant für eine authentischere, bessere Welt, die moderne Bourgeoisie zelebriert die Einfachheit: der Hamburger, die Currywurst, die Erbsensuppe. Sie feiern sich selbst als bodenständige Besucher, als Teil der „einfachen“, „normalen“ Gesellschaft, die allerdings kaum noch auf dem Markt anzutreffen ist, nur hinter den Theken. Das romantische Bedürfnis nach Exotischem und Neuem macht aber auch hier nicht halt, aus dem profanen Burger wird ein veganer Bioavocadoburger mit Rucolasenfsauce, die Currywurst funktioniert nur mit geheimer Currymischung direkt vom Djemaa el Fna und fair gehandelt, die Erbsensuppe basiert auf einem über Generationen hinweg überliefertem Rezept und wurde jetzt mit Ingwer verfeinert. Konsumkritik, Konsumverzicht und wenn, dann nur bewusster Konsum sind Trend - aber auch Teil des Konsumsystems, sie sind die „neuen prämierten Konsumgüter“ (Köhler 2015). Dieser sarkastische Kommentar soll hier aber nicht nur abwertend zu verstehen sein. Der Trend zu weniger und bewussterem Konsum ist durchweg als positiv anzusehen, die Lust an neuen Kreationen und Welten ist das, was kulturelle Entwicklung ermöglicht. Mit Vorsicht ist aber ein gewisser inhärenter Dogmatismus zu betrachten. Ebenso ist das zugrunde liegende romantisierende fiktive Bild von Märkten und Markthallen, das zugleich immer ein historisierendes Moment hat, stark zu hinterfragen. Es besteht aber die Hoffnung, dass dieses geliehene und verfremdete Bild nur mangels eigener, neuer Bilder von Märkten und Markthallen besteht. Wenn auch weiterhin das Bild der Markthallen des 19. Jahrhunderts vorrangig in unseren Köpfen mitschwingt, so sollte die heutige Architektur doch in der Lage sein, eine eigene Bühne, eine neue Welt, zu bauen.

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III. Berliner Markthallen Geschichte, Entwicklung, Verfall und Wiederaufkommen

Vom Wochenmarkt zur Markthalle Die eigentliche Geschichte der historischen Berliner Markthallen beginnt in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Zuvor wurde die Versorgung der Stadtbevölkerung durch Wochenmärkte und fahrende Händler übernommen. Bis ins 16. Jahrhundert hinein gab es in Berlin nur drei Wochenmärkte: der Alte Markt am Mühlendamm (später Molkenmarkt), der Neue Markt an der Marienkirche und der Markt an der Petrikirche in Cölln (vgl. Knoll 1994, S. 9). Daneben gab es nur einige Jahrmärkte, die meist zu kirchlichen Feiertagen stattfanden. Als die Friedrichstadt durch Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) erweitert wurde, kam zu diesen Wochenmärkten noch ein vierter hinzu, der Gendarmenmarkt. Dieser entwickelte sich immer weiter, bis er zum Ende des 19. Jahrhunderts mit 1400 Ständen der größte Wochenmarkt Berlins war.

Abb. 3-19 Molkenmarkt 1785 (Rosenberg 1785)

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Die Märkte waren aber nicht nur Orte für den Handel, sie waren Orte des sozialen Austausches von Nachrichten und Neuigkeiten. Dazu kam, dass am Molken- und am Neuen Markt gerichtliche Todesurteile am Galgen vollstreckt wurden - bis 1656 wurden auch betrügerische Händler erhängt (vgl. ebd.). Die Wochenmärkte waren so Zentrum des öffentlichen Lebens. Anfang des 19. Jahrhunderts nahm die Berliner Bevölkerung rasant zu, innerhalb von 50 Jahren verdreifachte sie sich. Einerseits erhöhten sich durch medizinische Fortschritte und besserer Hygiene die Lebenserwartungen, andererseits brachte die industrielle Revolution immer mehr Arbeitssuchende in die Stadt. Um die Versorgung sicherzustellen und den unkontrollierten Handel zu unterbinden wurden bis 1870 über 10 weitere Wochenmärkte mit insgesamt über 10.000 Ständen eröffnet. Angefangen mit dem zentralen gemischten Wochenmarkt auf dem Dönhoffplatz, über den Ochsenmarkt, der später in den Alexanderplatz umbenannt wurde bis hin zu den Vorstädten wie dem Oranienplatz - die Nachfrage stieg fortlaufend an. Die Zahl der Markttage wurde zudem kontinuierlich erhöht bis hin zu sechs Tagen in der Woche. Dies hatte Auswirkungen auf die hygienischen Zustände auf den Plätzen, besonders wenn die Stände mittags wieder abgebaut waren. Feste Einrichtungen waren außer für Fleischwaren nicht erlaubt und meist wurden die Waren direkt von Karren, Körben und Decken verkauft (vgl. ebd.).

Abb. 3-20 Markt auf dem Alexanderplatz 1889 (Schwartz 1889)

Die schlechten hygienischen Zustände und die immer unzureichendere Lebensmittelversorgung gipfelten im Jahr 1847. Nach zwei schlechten Erntejahren hatten 34


Händler die Preise für Grundnahrungsmittel spekulative erhöht (vgl. Wikipedia 2014), was wiederum zu Ausschreitungen und dem sog. „Berliner Kartoffelkrieg“ (ebd.) führte. Diese Unruhen konnten nur durch einen Einsatz des Militärs beendet werden und verdeutlichten die „Notwendigkeit einer kommunal geregelten und beaufsichtigten Lebensmittelversorgung“ deutlich (Knoll 1994, S. 15). So kam der Wunsch nach einer Markthalle zum ersten Mal auf. Nach der gescheiterten Revolution von 1848 wurden diese Pläne aber wieder fallengelassen und erst 1862, als die Preise durch Zwischenhändler, sog. Hökerern, wieder hochgetrieben wurden, wurde die Markthallenfrage wieder in der Politik diskutiert. Da man keine eigene Erfahrungen mit Markthallen hatte, einer damals immer noch neuen Typologie, wurden Stadtrat und Baumeister auf Erkundungsreise durch Europa geschickt (vgl. ebd., S.16). Die Ergebnisse der Reise überzeugte die Berliner Stadtverordnetenversammlung aber noch nicht, zu ungewiss erschien ihr die Errichtungs- und Betriebskostenfrage. Man wolle aber private Investoren unterstützen, dass Vorhaben umzusetzen (ebd.).

Abb. 3-21 Ehemalige Markthalle am Schiffbauer Damm, Schnittperspektive (Wikipedia 2015b

Die „Berliner Immobilien-Aktien-Gesellschaft“ erhielt in Folge den Zuschlag für Berlins erste Markthalle zwischen dem Schiffbauerdamm, der Karlsstraße, der Friedrichstraße und der Panke. Der Bau aus Gusseisen und Glas wurde am 1. Oktober 1867 eröffnet und am Anfang erfüllten sich die Erwartungen der Betreiber: Die Berliner kamen in Scharen, um sich den an den Pariser Markthallen „Les Halles Centrales“ orientierten Bau anzuschauen. Allerdings war der Standort suboptimal und die Standbetreiber beklagten die zu hohen Standmieten, so dass Publikum und Anbieter nach sehr kurzer Zeit ausblieben und die Markthalle schon sieben Monate später wieder geschlossen werden musste (vgl. Wikipedia 2015b). Der Markthallenbau wurde im folgenden Jahrhundert immer wieder umgenutzt - als Waffenlager, als Zirkus, als Schauspielhaus und als ursprünglicher Friedrichstadtpalast - bis er 1982 abgerissen wurde. 35


Vier Jahre später, Berlin war mittlerweile Hauptstadt des Deutschen Reiches, gab es den erneuten Versuch eines privaten Investors, Markthallen zu errichten. Die Verhandlungen mit der Stadt liefen über vier Jahre, am Ende wurde aber keine Baugenehmigung erteilt, da der zuständige Beamte und das preußische Innenministerium sich einer privat betriebenen Markthalle entgegenstellten. Da die Bevölkerungszahl sich unweigerlich der ersten Million näherte, wurde ab 1875 eine ständige Kommission vom Magistrat eingerichtet, die nun endgültig ein kommunales Markthallenprojekt evaluieren und vorbereiten sollte.

Das Markthallenprojekt Die hygienischen Zustände, das logistische Chaos und die immer weiter steigenden Preise der Wochenmärkte machten das Berliner Markthallenprojekt nun unumgänglich. So erstellte die Berliner Stadtverordnetenversammlung 1881 den Beschluss, „einen generellen Plan behufs der Errichtung von Markthallen für die ganze Stadt aufzustellen“ (Magistrat Berlin 1914, S. 128). Dabei entschloss sich die Stadt nunmehr, die Betreibung der Markthallen selbst zu übernehmen und keinem privaten Investoren zu überlassen. Nur dadurch sei die dauerhaft günstige und ausreichende Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten (vgl. ebd.). Dazu kam die - heute nicht mehr ganz verbreitete - Ansicht, dass die Stadt die Errichtung der Markthallen günstiger leisten könnte als private Bauherren. Nach zwei weiteren Jahren der Planung wurde 1883 die Baugenehmigung für die erste Markthalle erteilt: die Zentralmarkthalle am Alexanderplatz. Aufgrund der Erfahrungen mit den Wochenmärkten wurde der Logistik eine besondere Rolle zugedacht. Mit einem eigenen Gleisanschluss sollte der Markt beliefert werden, um den an den um die Wochenmärkte entstandenen Verkehrszusammenbruch zu vermeiden. Dies war allein deshalb besonders, da die Eisenbahn erst ein Jahr zuvor zum ersten Mal durch Berlin fuhr, vorher endete die Gleisstrecke vor der Berliner Stadtmauer. Neben der Zentralmarkthalle sollten bis 1893 in verschiedenen Stadtteilen 13 weitere kleinere Markthallen errichtet werden. Die architektonische Gesamtleitung lag bei Stadtbauart Hermann Blankenstein, während die örtlichen Bauleitungen jeweils wechselten.

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Abb. 3-22 Zentralmarkthalle am Alexanderplatz 1896 (Wikipedia 2015c)

In einem ersten Bauabschnitt von 1883 bis 1886 wurden die Markthallen I bis IV errichtet. Die Markthalle I, der Zentralmarkt, war mit Abstand die bedeutendste Halle. Rund 16.000 qm Verkaufsfläche und Stände für über 1300 Händler erwarteten die Berliner an der Stelle des heutigen Berlin-Carré. Schon bei der Planung war offensichtlich, dass dieser Platz nicht ausreichen würde. Zunächst wurden weitere Räumlichkeiten unter den Viaduktbögen der Stadtbahn angemietet, zehn Jahre später wurde auf nordwestlicher Seite ein Erweiterungsbau mit weiteren 13.000 qm und 750 Ständen eröffnet (vgl. Wikipedia 2015c). Logistisch war die Halle bahnbrechend. Die Züge versorgten schon lange vor dem morgendlichen Verkehr die Halle mit Waren, im Untergeschoss halfen Eiskeller bei der Lagerung. Die unglaubliche Auswahl an Produkten und die überraschend günstigen Preise machten diese Halle schnell zu einem großen Erfolg (vgl. Knoll 1994, S.29f.). Die Struktur der Markhalle erinnerte an eine dreischiffige Basilika mit einem stützenfreien, erhöhten Mittelteil. Getragen wurde das Bauwerk durch Stahlbinder auf gusseisernen Stützen. Belichtung und Belüftung wurde durch große Fensterflächen an den Kopfseiten und im oberen Bereich der Seitenschiffe erlangt. 37


Abb. 3-23 Innenansicht Zentralmarkthalle um 1890 (Wikipedia 2015c)

Das bunte und laute Markttreiben konnte von einer Empore entlang der Seitenschiffe betrachtet werden, eine Gaststätte bot Anbietern und Konsumenten dagegen Raum zum Ausruhen. Dabei war der Andrang schon am Anfang so groß, dass die ursprüngliche gesetzliche Regelung, dass Märkte und Markthallen nur an zwei Wochentagen geöffnet haben durften, schnell überarbeitet wurde. Am selben Tag wie die Zentralmarkthalle eröffneten auch die Markthallen II, III und IV. Im gleichen Zuge wurden sechs Wochenmärkte geschlossen, um Konkurrenzsituationen zu verhindern und die Lebensmittelversorgung in den Markthallen zu bündeln. Die kleineren der Markthallen versorgten dabei die einzelnen Stadtteile mit Lebensmitteln. Die Planer versuchten die Markthallen möglichst nah an den Marktplätzen zu positionieren. Da hier die Bodenpreise aber meist besonders hoch waren, wichen sie auf häufig auf ungünstigere Standorte aus. Voraussetzung sollte aber die gute Verkehrsanbindung und die an mindestens zwei Straßen angrenzende Lage bleiben (vgl. Knoll 1994, S. 31). Aufgrund der finanziellen Beschränkung wurden die meisten der Markthallen auf den günstigeren Hinterhofgrundstücken gebaut. An den an die Straßen angrenzenden Teilen wurden Geschäfts- und Wohnhäuser errichtet, die die Errichtung der Markthalle teilfinanzierten (vgl. ebd.). Damit sparte man zudem an aufwendigen Fassaden für diese Markthallen, eine einladende Straßenfassade brauchten die Markthallen dementsprechend nicht. Um dennoch Kunden anzulocken, wurden die Tordurchfahrten in den Vorderhäusern aufwändiger gestaltet, passagenähnlich wurden in den Durchgängen kleinere Ge38


schäfte und die Marktverwaltung angesiedelt. Die dunkle Lage im Hinterhof sollte aber innerhalb der Hallen nicht spürbar sein und so befanden sich meist verglaste Sheddächer direkt über den Marktständen, die von den Betreibern selbst geöffnet werden konnten.

Abb. 3-24 Grundriss der Markthalle IV von etwa 1886 (Wikipedia 2015b)

Von 1886 bis 1888 wurden in einem zweiten Bauabschnitt vier weitere Kleinmarkthallen errichtet. Im Gegensatz zu den meisten kleineren Markthallen konnte die Markthalle V freistehend auf dem Magdeburger Platz errichtet werden, da dass Grundstück bereits in städtische Hand lag. Dementsprechend wurde auf die Gestaltung der Fassaden besonders viel Wert gelegt, Knoll schwärmt hier gar von eine „Markthallenbasilika“ (Knoll 1994, S. 36). Flankenstein erschuf mit der Markthalle V einen „Markthallen-Typus, der die Umgebung des Magdeburger Platzes wie auch die Bauaufgabe ‚Markthalle’ in Berlin insgesamt prägte“ (Wikipedia 2015b). Die Bedeutung der Halle wird auch in der blumenreichen Beschreibung Walter Benjamins deutlich, der dieser Markthalle eine eigene Sequenz widmete:

„Hatte man den Vorraum mit den schweren, in kräftigen Spiralen schwingenden Türen hinter sich gelassen, heftete sich der erste Blick auf Fliesen, die von Fischwasser oder Spülwasser schlüpfrig waren und auf denen man leicht auf Karotten ausgleiten konnte oder auf Lattichblättern. Hinter Drahtverschlägen, jeder behaftet mit einer Nummer, thronten die schwerbeweglichen Weiber, Priesterinnen der käuflichen Ceres, Marktweiber aller Feld- und Baumfrüchte, aller eßbaren Vögel, Fische und Säuger, Kupplerinnen, unantastbare strickwollene Kolosse, welche von Stand zu Stand miteinander, sei es mit einem Blitzen der großen Knöpfe, sei es mit einem Klatschen auf ihre Schürze, sei es mit busenschwellendem Seufzen verkehrten. Brodelte, quoll und schwoll es nicht unterm Saum ihrer Röcke, war nicht dies der wahrhaft fruchtbare Boden?“ (Benjamin 1991, S. 9) 39


Im Gegensatz zu anderen Markthallen konnte sich die Markthalle V daher auch gegenüber der Konkurrenz der zunehmenden Lebensmittelläden, in den Notzeiten während und nach dem Ersten Weltkrieg und auch während der Wirtschaftskrise behaupten. Erst im Zweiten Weltkrieg wurde die Halle zerstört (vgl. Wikipedia 2015b).

Abb. 3-25 Markthalle V Seitenfassade (Wikipedia 2015b)

Eine weitere Besonderheit wies die Markthalle VII auf. Aufgrund ihrer besonderen Lage in Kreuzberg mit zwei direkt an die Ecke Buckower Straße und Luisenufer grenzenden Fassade wurde ein besonderer Grundriss erforderlich. Erschlossen wurde die Halle von der Straßenkreuzung her und eine Mittelgang diente diagonal als Durchfahrt zur Dresdner Straße. Von diesem Mittelgang ordneten sich die Seitengänge im Grätenmuster an. Die Markthalle wurde so zu einer neuen öffentlichen Wegeverbindung.

Abb. 3-26 Markthalle VII Grundriss (Wikipedia 2015b)

Diese ersten acht Markthallen hatten zu dieser Zeit so großen Erfolg, dass die Stadtverwaltung sogar noch sechs weitere Hallen genehmigte, die bis 1893 fertig gestellt wurden. Die in dem dritten Bauabschnitt erstellten Markthallen IX, X (Arminiushalle) und XI sind neben der Markthalle XI die einzigen, die auch heute noch existieren und ihrer Funktion als Markt- und Einkaufshalle immer noch bzw. wieder dienen. Die heute immer noch bekannteste ist zur Zeit wohl noch die Arminius40


halle, da sie bis heute den Markthallencharakter gehalten und gepflegt hat. Dabei wurde das Angebot an das zeitgenössische Publikum angepasst und bietet nun neben dem Markt auch Cafés und eine Brauerei.

Abb. 3-27 Markthalle X, Arminiusmarkthalle Innenansicht heute (Wikipedia 2015b)

Die Markthalle XI, die Marheinike Halle wurde wie die Arminiusmarkthalle nach der Teilzerstörung im Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut. Im Gegensatz zur Arminiusmarkthalle wurde die Sanierung mit modernen Formen wiederaufgebaut, so dass sowohl Ästhetik als auch Bausubstanz nicht mehr denkmalwürdig waren. Heute ist in der Halle immer noch ein Markt nebst Kleinstädten angesiedelt. Hinzu kommt die Integration des Mühlenhaupt Museums mit wechselnden Ausstellungen. Wie alle verbliebenen Markthallen wird auch die Marheinike Halle privat betrieben. Die Betreiber geben an, die Halle hätte zwischen 5000 und 7000 Besuchern täglich (vgl. Wikipedia 2015b).

Abb. 3-28 Markthalle XI Innenansicht heute (Wikipedia 2015b)

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Die Markthalle IX, auch Eisenbahnmarkthalle genannt, in Berlin Kreuzberg trotzte wie die anderen verbliebenen Markthallen allen widrigen ökonomischen Umständen und blieb bis heute erhalten. Besonders ist aber die Entwicklung der letzten Jahre: Während der 1990er Jahre übernahmen große Lebensmitteldiscounter immer größere Flächen und verdrängten so die kleineren Händler. Es war sogar geplant, die Halle an einen Großinvestor zu verkaufen, der die Halle abreißen und ein neues Einkaufszentrum errichten wollte. 2009 gründete sich die Initiative „Projektgruppe Markthalle IX“, um den Verkauf zu verhindern (vgl. Wikipedia 2015b). Zur Unterstützung sammelten sie Unterschriften und entwickelten mit dem Architekten ein Sanierungskonzept. Trotz eines um 1,1 Mio. Euro niedrigeren Angebotes als das des Investors, verkaufte die Berliner Großmarkt GmbH 2012 schließlich die Markthalle an die Projektgruppe. In der Folge entwickelte diese zusammen mit den Architekten Raumlabor in mehreren Workshops ein langfristiges, behutsames Konzept. Dieses sieht vor, den Markt langsam wieder in der Halle anzusiedeln, nach und nach die Verträge mit den Discountern auslaufen zu lassen und die Halle zu einem kulturellem Zentrum zu entwickeln. Neben den Markttagen bietet die Halle IX mittlerweile auch einen Street-Food Tag an und beherbergt drei kulinarische Produktionsbetriebe. Ein Konzept, welches offenbar den Geist der Zeit trifft, wie die Besucherzahlen der Veranstaltungen zeigen.

Abb. 3-29 Markthalle IX Street Food Thursday (Bühn 2014)

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In weniger als zwanzig Jahren wurde die Einkaufslandschaft Berlins durch die Errichtung dieser vierzehn Markthallen komplett verändert. Schon bald „kam man nicht mehr nur zum Kaufen, sondern auch, um mit den Händlern oder Nachbarn ein Schwätzchen zu halten, um in angenehmen Ambiente über Gott und die Welt zu parlieren“ (Knoll 1994, S. 51). Gerade auch die längeren Öffnungszeiten - die


Märkte schlossen ja schon mittags - führten dazu, dass sich die Markthallen schnell auch zu sozialen Zentren entwickelten. Neben der den regionalen Produkten erzeugten Hallenarchitektur und „exotische“ Produkte aus Übersee zudem ein mondänes, modernes Bild. Diese kurze Hochzeit der Markthallen prägt bis heute - neben den ähnlichen Markthallen anderer europäischer Großstädte - das gängige, ein wenig romantische Markbild. In dieser Zeit liegt sicherlich der Grund der Konnotation von Markthallen mit einer besonderen, anderen Welt - farbenfroh, exotisch, umtriebig. Dieser Anstrom auf die Markthallen hatte zur Folge, dass die Zentralmarkthalle aus allen Nähten platzte und die umliegenden Straßen von den Fuhrwerken der Markthändler und Weiterverkäufer ganztägig blockiert waren. In einem ersten Schritt wurde daher der Fleischgroßmarkt aus der Innenstadt ausquartiert. Da dies aber bei weitem nicht reichte, begann man mit der Planung eines neuen, dezentraleren Großmarktes. Zur Ausführung kam es aber nie, da der Erste Weltkrieg alle Pläne zerstörte (vgl. Knoll 1994, S68ff.) Nach einigen Jahren dieser Markteuphorie kam es aber doch zur Konkurrenz: neue Lebensmittelgeschäfte und Kaufhäuser waren zwar etwas teuerer, boten aber dafür einen sehr persönlichen und höflichen Kontakt im Gegensatz zu den doch immer noch etwas schroffen Marktpersonal. Besonders die oberen sozialen Schichten fanden sich immer weniger in den Markthallen wieder und bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurden die ersten vier Markthallen wieder geschlossen. Dabei entschied auch vor allem der Standort über Erfolg der Markthallen. Während das Zentrum immer mehr zu einem reinen Geschäftsviertel wurde, wanderte die Bevölkerung und damit die Kunden immer weiter an die Randgebiete des Zentrums (vgl. ebd. S.71). Verkäufe und Umnutzungen - so auch der Markthalle III in das Ballhaus „Clou“ - waren die Folge. Dramatischer wurde die Lage mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Das Warenangebot schwand ebenso wie die Kundschaft, und in den Hallen wurden Volksküchen eingerichtet. Nach dem ersten Weltkrieg erlebten die Märkte Anfang der 1920er Jahre wieder einen kurzen Aufschwung. Selbst die Wirtschaftskrise überstanden sie weitgehend mit Mühe, so dass bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges noch neun Markthallen geöffnet hatten.

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Abb. 3-30 Eingang zur „Keller“-Markthalle am Marheinekeplatz 1947 (Marheineke Markthalle 2015)

Berliner Markthallen ab 1950 In den Jahren des Krieges fielen sechs weitere Markthallen der Zerstörung weitestgehend zum Opfer. Nur die Arminiushalle, die Markthalle IX und die Markthalle VI waren noch einigermaßen gut erhalten und konnten als erste wieder öffnen. In den folgenden Jahren konnten sie trotz mangelnder Kundschaft überleben, bis sie mit der Teilung Deutschlands ein erneutes Hindernis zu überwinden hatten. Einerseits wurden von einem auf den anderen Tag die Zentralmarkthalle und die Markthallen VI und VIII dem Verwaltungsbereich Ost-Berlin zugeschlagen. Andererseits hatten die übriggebliebene Markthallen in West Berlin aufgrund der Wirtschaftsblockade Probleme, überhaupt an Waren zu kommen. Erst nach dem Ende der Blockade konnten sich die Westberliner Märkte erholen. Dagegen wurden die Markthallen in Ostberlin zunehmend zu Lebensmittelverteilstellen umfunktioniert. Ende der sechziger Jahre setzte man in Ostberlin zunehmend auf Erneuerung anstatt Sanierung (vgl. Knoll 1994, S. 84). Die nahezu komplett zerstörte Stadt wurde von Grund auf neugestaltet. Auch die Zentralmarkthalle am Alexanderplatz fiel der neuen ‚sozialistischen’ Stadtplanung zum Opfer. Hallen, die saniert wurden, verloren ihren Hallencharakter durch niedrigere Räume und mangelnder natürlicher Belichtung (ebd. S. 85). Trotz des mangelnden architektonischen Charakters zog die Markthalle VI weiterhin ein großes Publikum an, gab es hier doch eine vergleichs44


weise vielfältige Produktauswahl, die in der Umgebung immer weiter zurückging. In Westberlin hingegen wurde die Versorgungslücke der durch den Weltkrieg zerstörten Markthallen durch zwei neu eröffnete Hallen geschlossen, dem „Kaufhaus für Jedermann“ und der Brunnenmarkthalle am Gesundbrunnen. Trotz des Protestes der ansässigen Markthändler setzte die Stadt immer mehr auf die Entwicklung von dezentralen Großmärkten und Großhandelszentren. Die Blumenhändler der Lindenhalle fanden ab 1965 ein neues Zuhause am Rande von Westberlin. Gleichzeitig begann die Planung für den Großmarkt Beusselstraße für Obst und Gemüse. Zwei Jahre später folgte an gleicher Stelle der Fleischgroßmarkt. Der Einzug der Supermärkte machte den verbliebenen Märkten und Einzelhandelsgeschäften zunehmend das Leben schwer. Diese Einkaufsform erschien nun zeitgemäßer und zudem konnten die Waren hier billiger angeboten werden. In Folge mussten die Markthallen auch Supermärkte und Drogerien aufnehmen, um die Hallen überhaupt zu halten (vgl. Knoll 1994, S.86). Alle Markthallen und Großmärkte wurde 1970 in Form der landeseigenen Berliner Großmarkt GmbH privatisiert, die fast alle Markthallen bis heute hält. Dabei wurden die Markthallen an die Handelsgenossenschaften weitervermietet, Marktstände waren nicht mehr Teil der gesamten Halle, sondern kleine Einzelhandelsflächen, selbständig durch die Inhaber betrieben. Eine Verwaltungsgenossenschaft vertritt bis heute die Interessen der Händler, „entscheidet über neue Standinhaber und somit über das Angebot in den Markthallen“ (Knoll 1994, S. 87).

Abb. 3-31 Luftbild Berliner Großmarkt heute BGM (2015)

Die einst elementaren Orte von großer gesellschaftlicher Bedeutung litten immer mehr unter Bedeutungsverlust, der gesellschaftliche Wandel hatte die vermeint45


lich rückständigen Markthallen überholt. Die Großmarkthallen sind weitestgehend von der Öffentlichkeit getrennt, sozialer Austausch im Supermarkt geschieht eher selten. Heute stehen nur noch vier der ursprünglichen Markthallen. Diese erfreuen sich aber wie beschrieben einer Wiedergeburt. Märkte und Markthalle sind wieder en vogue. Angepasst an eine neue Kundschaft reicht die Art der Märkte dabei vom klassischen Wochenmarkt zu spezialisierten Luxus-Biomärkten mit regionalen Erzeugnissen, von lokalen Street Food Märkten wie in der Neuen Heimat in Friedrichshain bis zu wiederum exotisch anmutenden Markthallen wie dem Don Xuan Center. Diese Renaissance der Markthallen lässt sich aber nicht nur in Berlin beobachten. In nahezu allen europäischen Großstädten erlangen Märkte und Markthallen enorme Zuwächse bei Anwohnern und Touristen gleichermaßen. Dieser Trend ist folglich auch im Bereich der Architektur zu beobachten. Immer mehr Projekte zu diesem Thema werden erdacht und realisiert. Ein kurzer Überblick über einige dieser spannenden Projekte soll daher auf den folgenden Seiten erfolgen.

Abb. 3-32 Impression aus dem Don Xuan Center (Buch 2014)

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Abb. 3-33 Standorte der historischen Markthallen

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Abb. 3-34 Standorte der noch erhaltenen Markthallen

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Abb. 3-35 Berliner M채rkte

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I V. Z e i t g e n ö s s i c h e M a r k t h a l l e n Exepmlarische Referenzen für aktuelle Markthallenentwürfe

Die architektonische Konnotation mit Markthallen ist - wie bereits erörtert - stark geprägt von historischen, meist aus dem 19. Jahrhundert stammenden Markthallen. Diese erinnern sicherlich einerseits an eine Wunderwelt à la Paxtons Glaspalast - dessen Bedeutung für kommerzielle Architektur ungebrochen erscheint wie z.B. im Harvard Design School guide to shopping gut aufbereitet (vgl. Wyman 2001) - und schaffen so eine räumliche Anziehungskraft. Andererseits erzeugen sie ein romantisiertes Bild, dass einhergeht mit den unterschwelligem Versprechen von regionalen landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Waren, die von Hand in hoher Qualität hergestellt werden. Wenn auch nicht ausgesprochen, so klingt immer auch ein Stück eine „früher war alles besser“-Mentalität mit - der Wunsch nach einer vermeintlich einst existierenden Welt, wie sie von Zeitschriften wie „Landliebe“, Bio-Supermärkten oder auch der Warenkette „Manufactum“ propagiert wird: „Es gibt sie noch die guten Dinge“ (Slogan Manufactum). So befriedigen Märkte und besonders auch Markthallen neben einer reinen Versorgung ein wiedererwachtes Bedürfnis nach Authentizität und einem (imaginären) simplen, back-to-the-roots Lebensstil. Dies ist aber sicherlich nicht der einzige Beweggrund für diesen Trend. Zwar spielen die Anbieter gerne mit diesem Bild, da es ihren geschäftlichen Interessen dient, allerdings ist diese Entwicklung bei den Käufern auch stark anderen Gründen geschuldet. Das Vertrauen in das Warenangebot und deren Herstellung ist durch Lebensmittelskandale und das zunehmende Bewusstsein über die Produktionsbedingungen in sogenannten Billiglohnländern wie Indien, Bangladesh oder China stark beschädigt worden - was nicht nur die genannte Frage nach Authentizität begründet, sondern auch den als positiv zu sehenden Trend nach bewussterem und sozialerem Konsum. Konsum, der sich von dem Konsum in international einheitlichen Shopping Malls mit einheitlichen Marken, Läden und Waren abgrenzt zu einer Art Post-Konsum. Neben dem wünschenswerten ökologisch und sozial verträglicherem Handeln, folgt daraus aber auch eine weiterer möglicher positiver Effekt: Regionale Erzeuger und Marken schaffen wieder ein regionaleres Stadtbild mit einer eigenen Identität. Berlin ist halt nicht New York, Paris, London oder auch Münster. Nach einer Entwicklung zu nahezu gleichgeschalteten Innenstädten und Stadtfassaden, wenn man so will eine andere Interpretation des „Internationalen Stils“, könnte dieser Trend zur Folge haben, das Städte wieder ein eigenes Gesicht bekommen, der Genius Loci wird - wenn man so will - weiterentwickelt. 51


Es ist offensichtlich, dass diese Entwicklung weder umfassend noch überall noch kurzfristig entstehen wird - dass muss und soll es auch gar nicht. Macht doch gerade Mischung aus „mondänen“ Eigenschaften und lokalen Besonderheiten das Wesen einer Großstadt aus. Aus architektonischer Sicht bieten sich so aber Potentiale, neue Konzepte und Räume zu entwickeln, auf den Ort zugeschnitten, ohne auf die oben angeführten romantisierenden Bilder angewiesen zu sein. Die Aufgabe der Architektur besteht hier in der Schaffung neuer Orte und Markthallen, die sowohl die kommerziellen und sozialen Funktionen erfüllen, als auch eine eigene, zeitgenössische Sprache sprechen. Dass dies ein sowohl interessantes Thema als auch ein Thema mit steigender Nachfrage ist, zeigen die zahlreichen und extrem unterschiedlichen internationalen Markthallenentwürfe der letzten Jahre. Im Folgenden werden einige exemplarische Beispiele für Markthallenprojekte der letzten Jahre aufgeführt. Der Fokus liegt dabei auf Referenzen in Europa, so dass andere spannende Projekte wie z.B. der Marktkomplex in Koudougou von Séchaud und Jequier oder Rafael Mones Beirut Souks hier nicht betrachtet werden. Dabei reicht die Bandbreite von Interventionen in bestehenden Hallen (s. Raumlabor) über kleinere offenere Hallen als Städtebaulicher Impuls (s. Miller Maranta) bis hin zu hybriden Großstrukturen (z.B. MVRDV). Gemein ist allen Projekten das Bewusstsein über die städtebauliche Funktion und vor allem die soziale Funktion von Märkten. Bei den größeren Projekten erscheint die hybride Nutzungsmischung als besonders interessant, spiegelt sie einerseits die Notwendigkeit hybrider Strukturen im städtischen Kontext wider und andererseits zeigt sie das akumulative Potential des Hybriden, von dem auch der später entwickelte Entwurf profitieren soll.

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Markthalle IX Berlin, Raumlabor

Abb. 4-36 Markthalle IX, Visualisierung (Raumlabor 2011)

Anders als die nachfolgenden Projekte sticht dies Projekt sowohl durch die Lage Berlin - hervor, als auch dadurch, das hier keine neue Halle gebaut wurde. Vielmehr wird eine schon bestehende historische Markthalle ihrem ursprünglichen Zweck zurückgeführt, in zeitgenössischer Interpretation. Dies führt dazu, dass Raumlabor sich besonders mit dem eigentlichen Element der Markthalle auseinandersetzt, den Markständen. Während andere Projekte (s. Markhalle Aarau) dieses Element außen vor lassen und die Stände nicht als Teil der architektonischen Bühne betrachten, entwickelt Raumlabor hier ein Konzept, welches sowohl die ökonomischen Zwänge des Projektes berücksichtigt, als auch das Wesen eines spontanen, DIY-bezogenen Berlins verkörpert. Die Stände sind einfach und robust gebaut, modular und erweiterbar. Ein simples System, dass „Raum für Aneignung und Unvorhergesehenes bietet und zudem den unterschiedlichsten Anforderungen gerecht wird, wie der historischen Umgebung, ökonomischer Dichte und gestalterischer Vielfalt“ (Raumlabor 2011). Sie betrachten den Markt als Stadt in der Stadt, allerdings ohne zu viele Regeln aufzustellen, die die eigenständige Entwicklung einschränken würden. Daher ziehen sie ihre Inspiration unter anderem aus dem Manila Housing Projekt von Steven Holl (ebd.), eine frühe Studie Holls die ein Rahmenwerk für freie Aneignung einer „squatter community“ (Greenfield 2010) schafft. Eine Struktur also, die die nachfolgende Kontrolle bewusst negiert und ein freies Wachsen ermöglicht.

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abb. 4-37 Markthalle IX, stadt in der stadt (raumlabor 2011)

neben diesem grundstein für die „Marktstadt“ entwickelt Raumlabor noch drei besondere stände, die - zusammengenommen - das stadt- bzw. Marktzentrum bilden: das „Café“ als markanter hochpunkt oder auch Campanile, die „schauküche“ als soziales Zentrum und die „Bäckereitribüne“ als veranstaltungs- und diskussionsort.

abb. 4-38 Markthalle IX, café, schauküche und Bäckereitribüne (raumlabor 2011)

die herangehensweise, auch die Marktstände als eigenes Projekt aufzugreifen und die intensive auseinandersetzung der kulturellen und sozialen Bedeutung von Märkten machen die Markthalle iX zum einem spannenden entwurf und verdeutlichen die Potenziale zeitgenössischer Märkte.

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Markthalle aarau, Miller Maranta

abb. 4-39 Markthalle aarau (Walti 2002)

der entwurf von Miller Maranta für die Markthalle am Färbeplatz in aarau zeigt die zeitgenössischen gestaltungsmöglichkeiten für Markthallen, hier in Form eines schweizer Minimalismus. die halle besetzt den straßenraum und definiert und gliedert diesen so neu und erschafft andererseits einen kleinen Platz und gibt dem vorher als hinterhof bezeichneten grundstück eine neue identität (vgl. hollenstein 2005). sensibel, zurückhaltend und respektvoll prägt das gebäude das stadtbild und erinnert zugleich an die mittelalterlichen Korn- und Zeughäuser der stadt. Während sich Miller Maranta an der stelle gerne einen massiven Baukörper gewünscht hätten, wurde von der stadt eine temporäre lösung gewünscht, so dass die struktur in holzbauweise realisiert wurde.

abb. 4-40 Markthalle aarau, setzung in der stadt (hollenstein 2005)

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Die Halle ist thermisch nicht getrennt von Aussenraum. Die engstehenden Lamellen erzeugen die gewünschten Raumkanten nach außen und innen, ermöglichen gleichzeitig aber eine Transparenz, die die Verschmelzung von außen und innen noch stärker ermöglicht. Anders als die meisten anderen Entwürfe, sieht dieses Projekt keine statische, dauerhafte Marktstruktur vor, da die Halle hauptsächlich nur für einen Wochenmarkt als Ort dient. Diese seltene Nutzung führt auch zu Unzufriedenheit mit dem Projekt (vgl. Keller 2012). Ohne Nutzung in über 60 Prozent des Jahres erscheint die Markthalle den Aarauern als fremde und kühle Skulptur, ohne die Innenstadt zu beleben (ebd.).

Abb. 4-41 Markthalle Aarau, Innenansicht (Arkiiv 2013)

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Wakefield Market Hall, Adjaye Associates

Abb. 4-42 Wakefield Market Hall, Straßenansicht (Adjaye 2008)

Die Wakefield Market Hall ist ein frühes Projekt von David Adjaye von 2008. Leider ist vorgesehen, dass diese Markthalle schon bald wieder einem Kino- und Shoppingcenter weichen soll, da sie sich in den vergangenen Jahren als (ökonomisches) Verlustgeschäft für die Stadt herausstellte (vgl. Dezeen 2014). Das Konzept sah den Markt als Eingangstor für die Innenstadt Wakefields vor. Unter einem freien Dach, welches zugleich die mit dem Bus ankommenden Stadtbesucher vor der Witterung schützt, gruppieren sich drei Hallen und rahmen so den Eingang zur Stadt. Ein Café im Obergeschoss sollte den Ort zusätzlich beleben. Die unterschiedlichen Proportionen und Materialien der Hallen erzeugen auf diesem kleinen Raum eine spannende Choreographie und zeigen die subtilen aber hochwertigen Möglichkeiten mit einem rein funktional andeutenden Raum umzugehen.

Abb. 4-43 Wakefield Market, Grundriss (Archdaily 2012)

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Sowohl die Wakefield Market Hall als auch die Markthalle Aarau von Miller Maranta zeigen, wie wichtig es ist, dass Märkte belebt werden, damit sie langfristig funktionieren. Dies ist sicherlich nicht immer zu garantieren und auch das anschließende Kapitel über die Berliner Markthallen zeigt, dass es nicht immer ausreicht nur den Raum zur Verfügung zu stellen, damit ein Markt funktioniert. Vor diesem Hintergrund erscheint die Studie von Raumlabor wichtige Fragen zu beantworten, wie eine offene, anpassungsfähige Struktur in Kombination mit besonderen Impulsen die soziale Interaktion und Nutzung fördern kann. Lage und Nachfrage sind selbstverständlich immer ein großer Faktor für den Erfolg einer jeden Markthalle, eine Aktivierung kann aber zudem durch Nutzungsagglomeration begünstigt werden, wie die Projekte der Markthal in Rotterdam oder das Barcélo Centre in Madrid zeigen.

Abb. 4-44 Wakefield Market, Grundriss (Varnell421, 2010)

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Santa Caterina Mercat, EMBT

Abb. 4-45 Santa Caterina Mercat, Vogelperspektive (Miralles / Tagliabue 2009)

Die Lösung von EMBT für den Santa Caterina Mercat zeigt eine starke Haltung in Bezug auf Bestand und städtebauliche Probleme. Von der Verwaltung wurde ursprünglich der Komplettabriss der alten Markthalle gefordert. EMBT sahen in der komplexen städtebaulichen Situation mitten im historischen Zentrum der Stadt aber einerseits ein Potenzial, andererseits erachten sie es als Fehler, ohne Reflektion Gebäude abzureißen und neue zu errichten. Ihres Erachtens nach zeichnet sich eine langlebige Stadt mehr durch immer wechselnde Nutzung der gleichen Gebäude aus (vgl. Miralles / Tagliabue 2009)- ein respektvoller Umgang gegenüber den alten, teilweise seit Jahrhunderten existierenden Gebäuden in der Stadt. Für EMBT liegt das Spannende gerade in der Überlagerung der palimpsestischen Bauschichten. Und so erhalten sie weite Teile der historischen Fassade und überspannen diese und die neuen Strukturen mit einem markanten Dach, welches, auffällig gefärbt, nicht nur die Aufmerksamkeit der Passanten erregt, sondern den Bewohnern der umliegenden dichten Bebauung auch etwas gibt. Durch die Komplexität der verschiedenen Schichten und die bewusst forcierte weitere Komplexität der neuen Struktur wirkt diese Halle „lauter“ als die zuvor besprochenen Bauten. Gleichzeitig schafft sie aber spannende Räume und wurde zu einem großen Erfolg, der auch zu einer touristischen Attraktion geworden ist.

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Planta baja / Ground floor plan

Planta altillo / Mezzanine floor plan

Secciรณn transversal T2 / Cross section T2

Secciรณn longitudinal L1 / Longitudinal section L1

Abb. 4-46 Santa Caterina Mercat, Grundriss (Miralles / Tagliabue 2009)

Alzado a la Avenida de Francesc Cambรณ / Avenida de Francesc Cambรณ elevation

Abb. 4-47 Santa Caterina Mercat, Straร enansicht (Miralles / Tagliabue 2009)

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Metropol Parasol, Jürgen Mayer H.

Abb. 4-48 Metropol Parasol, Luftaufnahme (Meyer H. 2011)

Noch wesentlich lauter als der Markt von EMBT steht diese Skulptur von Jürgen Mayer H. im Herzen von Sevilla. Das Luftbild zeigt sowohl die enormen Ausmaße als auch die fremdartige Besonderheit dieses „Holzpilzes“. Der Markt tritt bei dieser Erscheinung in den Hintergrund und wird auf den meisten Fotos erst gar nicht gezeigt. Aufgabe war es, den vorhandenen öffentlichen Raum extrem aufzuwerten, was offensichtlich gelungen ist: Man muss nicht die Architektursprache von Jürgen Mayer H. vertreten, aber man muss eingestehen, dass diese Struktur eine enorme Anziehungskraft auf Bevölkerung und Touristen auswirkt. In diesem Fall wirkt nicht der Markt als Katalysator sonder eher umgekehrt. Ein anderer Lösungsansatz also, der aufgrund seiner Bekanntheit nicht unerwähnt bleiben darf.

Abb. 4-49 Metropol Parasol, Explosionszeichnung (Solaripedia 2012)

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Torghallen Katrineholm, JAJA Architects

Abb. 4-50 Torghallen, Visualisierung ( JaJa 2014)

Wieder etwas ruhiger geht es bei diesem Wettbewerbsentwurf von JaJa Architekt zu. Bei einem Ideenwettbewerb für einen städtischen Platz in Katrineholm erlangten sie den zweiten Rang und waren Favorit der Fachjury. Das Konzept ist relativ einfach: Ein Riegel begrenzt und definiert den städtischen Platz. Das Erdgeschoss bleibt öffentlich und offen und verbindet so zwei städtische Plätze, die Marktnutzung ermöglicht eine zusätzliche Belebung beider Plätze. Über dem Markt befinden sich sozialgeförderte Wohnungen, die auf der einen Seite durch einen halb öffentlichen Laubengang erschlossen werden1.

Abb. 4-51 Torghallen, Konzeptdiagramm ( JaJa 2014)

Das gesamte Gebäude ist als Referenz an die nordische Bauweise als Holzbau geplant. Die auskragenden Arkaden ziehen den Besucher in den Markt hinein. Das hybride Konzept aus Wohnungen und Markt findet sich im größeren Maßstab bei der Markthal in Rotterdam wieder und ist eine naheliegende Verbindung.

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1 Dieses Projekt wurde mir erst bekannt, als mein eigener Entwurf schon weit fortgeschritten war. Allerdings ist mir eine Ähnlichkeit bei dem Erschliessungssystem aufgefallen, die ich daher hier erwähnen möchte.


Barcélo Centre Madrid, nieto sobejano

abb. 4-52 Barcélo centre Madrid, straßenansicht (Baunetz 2015)

das Barcélo Centre bietet den hybridesten ansatz der hier vorgestellten Projekte. in einem dicht bebauten stadtviertel von Madrid vereint der entwurf mehrere Baukörper mit unterschiedlichsten nutzungen wie einem sportpavillon, einer Bibliothek, einer schule, einem Parkhaus und einem Markt. der Komplex wird so zu einem urbanen Zentrum, welches dauerhaft durch verschiedenste nutzer belebt wird. die architektursprache bleibt dabei identisch, was den Zentrumscharaker unterstreicht. das Zentrum steht direkt neben einem zuvor von sobejano in ähnlicher Formsprache errichteten temporäreren Markt.

abb. 4-53 Barcélo centre Madrid, lageplan und temporärer Markt (Baunetz 2015)

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die reduzierte Form- und Materialsprache unterstützen hingegen die Besonderheit des gebäudes und zeigen erneut, dass zeitgenössische entwürfe faszinierende Markträume bieten können. es gelingt „ein fein abgestufter öffentlicher Raum, der neben dem bereits erwähnten Platz eine interne straße und – auf dem dach des Markts – eine terrasse mit ausblick auf Madrid umfasst. trotz seiner stattlichen ausmaße integriert sich das ensemble somit vorbildlich in die kleinteilige struktur des viertels“ (Baunetz 2015).

abb. 4-54 Barcélo centre Madrid, Perspektive Durchgang (Baunetz 2015)

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Markthal Rotterdam, MVRDV

Abb. 4-55 Markthal Rotterdam, Luftaufnahme (Designboom 2014)

Das wohl bekannteste und am meisten publizierte Markthallenprojekt der letzten Jahre ist die Markthal in Rotterdam von MVRDV. Aufgrund Gesetzesänderungen durften bestimmte Produkte in den Niederlanden nicht mehr unter freiem Himmel verkauft werden. Daraus resultierte für eine Stadt wie Rotterdam der Wunsch nach Ersatz in Form einer Markthalle. Entsprechend der Architektursprache des Büros bietet die Markthal keine subtile, stille Geste wie die Projekte von Miller Maranta und Adjaye. Ein riesiger Bogen längs über das gesamte Baufeld. In der Mitte eine große Markthalle, flankiert von zwei riesigen Glaswänden und umgeben von Wohnungen, deren Zimmer sich nicht nur nach außen hin orientieren, sondern bewusst an dem Treiben in der Halle teilhaben wollen.

Abb. 4-56 Markthal Rotterdam, Schnitt (Designboom 201

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Abb. 4-57 Markthal Rotterdam, Grundriss E00 (Designboom 2014)

Gastronomische Einrichtungen, weitere Gewerbe, ein Supermarkt und eineTiefgarage ergänzen den Markt zu einem Zentrum. MVRDV erkennt die Bedeutung des Marktes als Bühne öffentlichen Lebens und inszeniert dies gewohnt groß. Die Katalysatorfunktion des Marktes für die Wohnungen ist hier sicherlich wichtiger als die Belebung des Marktes durch die Wohnungen. Allerdings zeigt sich auch hier der Gewinn, den beide Bereiche durch den jeweils anderen erhalten. Die mediale Aufmerksamkeit, die der Markthal zu Teil wird, zeigt die gesellschaftliche Bedeutsamkeit des Themas und wird voraussichtlich ähnliche Projekte zur Folge haben.

Abb. 4-58 Markthal Rotterdam, Innenansicht (Designboom 2014)

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Gebäudeform und die etwas kitschig wirkende Deckenbemalung der Rotterdamer Künstler Roskam und Loenen führen zu offensichtlicher Kritik: „Im Querschnitt bildet die Bauform ein unausgegorenes Hufeisen, einen Tunnel, der nirgends hinführt, eine überdimensionierte Jahrmarktsbude mit Wohnungen auf dem Buckel. Eine neue Typologie, wie die Architekten das Projekt anpreisen? Davor bewahre man uns“ (Schneider 2015, S. 48). Aus konzeptioneller Sicht ebenso zu hinterfragen ist die funktional notwendige Geschlossenheit des Marktes, der ja eigentlich als öffentlicher Raum begriffen werden soll. Die Markthal ist aber trotz der Kritik bisher ein großer Erfolg, so sind alle Wohnungen verkauft und vermietet. Sabine Schneider vom Baumeister Magazin erkennt, dass „die hohen Besucherzahlen beweisen, dass das Konzept funktioniert - sogar die Fahrkartenverkäuferin am Bahnhof [habe sie] unaufgefordert darauf aufmerksam gemacht“ (ebd.).

Diese exemplarischen Beispiele - nur eine kleine Auswahl der vielen entworfenen und realisierte Markthallenprojekte der letzten Jahre - zeigen, wie spannend und verschieden der Umgang mit diesem Thema sein kann. Sowohl architektonisch als auch städtebaulich können interessante und zeitgenössische Impulse gesetzt werden. Märkte als öffentlicher Raum haben immer auch einen soziologischen Aspekt in sich, wie gerade die letzten Projekte zeigen. Neben den kleineren Interventionen setzen diese Projekte sich besonders mit dem sozialen Phänomen des Marktes auseinander und zeigen auf, welche gegenseitige Befruchtung durch eine hybride Programmatik möglich ist. Hybride Strukturen, so könnte man argumentieren, sind auch der Dichte der Stadt geschuldet. Begrenzter Raum erfordert programmatische Überlagerung und fördert so die Interaktion dieser Programme, die im Idealfall sich gegenseitig bedingen und befruchten. Das von Koolhaas propagierte Schisma (vgl. Koolhaas 1997) spiegelt sich im Hybriden wider und reißt im Idealfall die trennenden Geschossdecken nieder, so dass die Welten verschmelzen. Für einen Entwurf einer Markthalle in Berlin ist es unabdingbar, sich auch mit der Geschichte der historischen Berliner Markthallen auseinandersetzen, die das Stadtbild bis heute prägen. Im folgenden Kapitel soll daher die Bedeutsamkeit dieser historischen Vorbilder aufgezeigt werden.

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V. V e r o rt u n g d e s J o h a n n i s q ua rt i e r s Historische Entwicklung des Quartiers bis zur Gegenwart

Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der Entwicklung des Stadtgrundrisses bezogen auf das Johannisquartier. Es wird gezeigt, wie früh das Flurstück schone seine prägnante Form bekommen und bis heute behalten hat. Zudem ist sehr gut zu sehen, wie sehr sich Berlin und auch das Flurstück selbst verdichtet haben. Erst mit der Kriegszerstörung durch den Zweiten Weltkrieg bekam Berlin wieder Freiund Gestaltungsraum. Interessant ist auch gerade die Entwicklung ab 1945 zu sehen, die erneute zunehmende Verdichtung rings herum um das Johannisquartier. Historische Entwicklung Urkundlich erwähnt wurde Berlin das erste Mal 1244. Schon früh hatte Berlin eine Spitzenstellung inne, 1280 fand der märkische Landtag bereits hier statt (vgl. Wikipedia 2015j). Noch war das Johannisquartier weit davon entfernt, bebaut zu werden.

Abb. 5-59 Berlin und Cölln 1415, In: Historischer Atlas von Berlin 1415-1800, veröffentlicht 1835 (ZLB 2011)

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Im 17. Jahrhundert ist das heutige Johannisquartier Acker- und Weideland. Erst der Verkauf kurfürstlicher Äcker an Bauwillige und die Gewährung zahlreicher Vergünstigungen führt zur Errichtung der Berliner Vorstadt. Die sogenannte Neustadt - später auch Dorotheenstadt - wird durch ein rechtwinkliges Straßennetzwerk geprägt. Die zweitwichtigste Straße war die „Große Querstraße“. Kurfürst Friedrich III. berief eine Kommission zum Ausbau des neuen Stadtteils und per kurfürstlicher Order beschied er, die Querstraße umzubenennen und zwar mit den Worten: „Was heißt hier Querstraße? Ein anständiger Name muss es sein – der meinige.“ (vgl. Wikipedia 2015j). So entstand schon früh die Friedrichstraße.

Friedrichstr. Abb. 5-60 Berlin 1688, In: Historischer Atlas von Berlin 1415-1800, veröffentlicht 1835 (ZLB 2011)

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Die heutige Oranienburger Straße existiert als „Spandauer Heerweg“ schon seit dem 13. Jahrhundert. Erst 1824 wurde der Heerweg in „Oranienburger Straße“ umbenannt. Auf der abgebildeten Karte erkennt man gut, dass der nördliche Stadtzugang Berlins gewandert ist. Daraus resultierte die neue Achse der Oranienburger Straße. Mit der Verlängerung bzw. nördlichen Erweiterung ist so schon Anfang des 18. Jahrhundert die dreieckige Form des heutigen Johannisquartiers ( ) gegeben. Auch die Erweiterung der heutigen Kalkscheunestraße, die zukünftige Helga-Hahnemann-Straße, ist hier schon zu erkennen.

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Friedrichst Abb. 5-61 Berlin 1720, In: Historischer Atlas von Berlin 1415-1800, veröffentlicht 1835 (ZLB 2011)

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Auf diesem (nicht genordeten) Plan aus dem Jahr 1753 wird schon erste Bebauung ersichtlich. Die Bebauung orientiert sich noch nicht an der Oranienburger Straße, sondern an Friedrich- und Kirchhoffstraße, der heutigen Johannisstraße. Weiter südlich ist hier die Kalkscheune zu sehen. Der Kartenausschnitt ist dabei für das bessere Verständnis gedreht.

Abb. 5-63 Ausschnitt Plan de la Ville de Berlin 1753 (ZLB 2011)

Abb. 5-62 Plan de la Ville de Berlin 1753 (ZLB 2011)

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Auf der westlichen Seite ist die Friedrichstraße schon fast durchgängig bebaut, das Johannisquartier zeigt hingegen noch lockere Bebauung. Auffallend ist die neu hinzugekommene Kaserne, die an das Areal im Süden angrenzt.

Abb. 5-65 Ausschnitt Neuer geometrischer Plan, 1772 (ZLB 2011)

Abb. 5-64 Neuer geometrischer Plan, 1772 (ZLB 2011)

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1809 weicht die lockere, eher landwirtschaftlichere Bebauung schon der ersten städtischen Blockrandbebauung. Die nördliche Erweiterung der Kalkscheunenstraße durch das Areal fällt zugunsten eines größeren Blockes weg.

Abb. 5-66 Ausschnitt Grundriss von Berlin und seinen naechsten Umgebungen 1809 (ZLB 2011)

Abb. 5-67 Grundriss von Berlin und seinen naechsten Umgebungen 1809 (ZLB 2011)

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Der enorme Bevölkerungszuwachs Berlins im 19. Jahrhundert zeigt sich schon hier 1846. Das Gebiet um das Johannisquartier ist endgültig von städtischer Bebauung umgeben, der Blockrand ist weitestgehend geschlossen. Sogar Nachverdichtung und Hinterhofbebauung sind schon in Ansätzen zu erkennen.

Abb. 5-69 Ausschnitt Grundriss von Berlin, 1846 (ZLB 2011)

Abb. 5-68 Grundriss von Berlin, 1846 (ZLB 2011)

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Hobrecht-Plan Aufgrund der starken Bevölkerungszunahme und rasant ansteigender Industrialisierung Berlins war es nötig geworden, sowohl die hygienischen als auch die infrastrukturellen Verhältnisse anzupassen. Die Hobrecht-Kommission sollte nach Haussmanschem Vorbild breite Boulevards und eine Reihe an Radial- und Ausfallstraßen beinhalten. Dazu kam Raum für Eisenbahnen und Bahnhöfe. Ebenso sollte die Kanalisation stark erweitert werden. Im Gegensatz zu Paris sollten für die Planung aber keine historischen Stadtviertel zerstört werden. Da der Hobrecht-Plan aber keine weiteren Regeln hinsichtlich der Bebauung beinhaltete, führte er zu einer sehr dichten Bebauung und den berüchtigten Mietskasernen, dem Berliner Block. Obwohl diese heute als herausragende Bauform Berlins gelten und allgemein sehr beliebt sind, ist Hobrecht Zeit seines Lebens dafür kritisiert worden: zu eng, zu dunkel die Bebauung, zu ungesund für die Menschen. Dabei hatte Hobrecht eigentlich hehre Absichten, wollte er doch die soziale Vermischung der Bewohner fördern: „In der Mietskaserne gehen die Kinder aus den Kellerwohnungen in die Freischule über denselben Hausflur wie diejenigen des Rats oder Kaufmanns, auf dem Wege nach dem Gymnasium“ (Wikipedia 2014b).

Abb. 5-70 Hobrecht-Plan von 1862(ZLB 2011)

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Der Blockrand ist 1882 geschlossen. In den nächsten Jahrzehnten wird das Areal zum Berliner Block verdichtet werden. Auch die Friedrichstraßenpassage wird Teil des Areals. Auf den folgenden Seiten wird ein Überblick über die „endgültige“ Blockbebauung von 1940, die anschließende Zerstörung Berlins und die baulichen Veränderungen des Stadtgrundrisses von 1940 bis 2014 gegeben. Abb. 5-72 Ausschnitt Situationsplan von 1888 (ZLB 2011)

Abb. 5-71 Situationsplan von 1888 (ZLB 2011)

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Kriegszerstรถrung und Neubau von 1940 bis 2014

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Abb. 5-73 Berlin um 1940. Schwarzplan der Innenstadt (Stadt Berlin 2011)

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Abb. 5-74 Kriegszerstรถrung. Auf der Grundlage des Schwarzplans 1940 (Stadt Berlin 2011)

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Abb. 5-75 Neue Geb채ude 1940 bis 1953. Auf der Grundlage des Schwarzplans 1953 (Stadt Berlin 2011)

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Abb. 5-76 Berlin um 1953. Schwarzplan der Innenstadt (Stadt Berlin 2011)

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Abb. 5-77 Abriss 1953 bis 1989. Auf der Grundlage des Schwarzplans 1953 (Stadt Berlin 2011)

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Abb. 5-78 Neue Geb채ude 1953 bis 1989. Auf der Grundlage des Schwarzplans 1989 (Stadt Berlin 2011)

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Abb. 5-79 Berlin um 1989. Schwarzplan der Innenstadt (Stadt Berlin 2011)

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Abb. 5-80 Abriss 1989 bis 2001. Auf der Grundlage des Schwarzplans 1989 (Stadt Berlin 2011)

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Abb. 5-81 Neue Geb채ude 1989 bis 2001. Auf der Grundlage des Schwarzplans 2001 (Stadt Berlin 2011)

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Abb. 5-82 Berlin um 2001. Schwarzplan der Innenstadt (Stadt Berlin 2011)

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Abb. 5-83 Kriegszerstรถrung und Abriss bis 2001. Auf der Grundlage des Schwarzplans 1940 (Stadt Berlin 2011)

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Abb. 5-84 Neue Geb채ude 1945 bis 2001. Auf der Grundlage des Schwarzplans 2001 (Stadt Berlin 2011)

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Abb. 5-85 Berlin um 2014. Schwarzplan der Innenstadt (Stadt Berlin 2011)

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abb. 5-86 luftbild vom Johannisquartier 1928 (google earth)

abb. 5-87 luftbild Berlin 1943 (google earth )

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abb. 5-88 luftbild Berlin M채rz 1945 (google earth )

abb. 5-89 luftbild Berlin 1953 (google earth )

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abb. 5-90 luftbild Berlin 2002 (google earth )

abb. 5-91 luftbild Berlin 2005 (google earth )

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abb. 5-92 luftbild Berlin 2014 (google earth )

abb. 5-93 schr채gluftbild des Johannisquartier 2015 (Bing Maps)

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Das Johannisquartier in Berlin

Abb. 5-94 Berlin Mitte

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Abb. 5-95 Lage des Johannisquartiers in Berlin

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Abb. 5-96 Das Tacheles in Berlin Mitte

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abb. 5-97 schwarzplan Johannisquartier | M 1:20.000

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abb. 5-98 Der g端ltige Bebauungsplan I-42 von 2001 (stadt Berlin 2011)

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V I . Ta c h e l e s Von der Passage zur Hausbesetzung

Die Friedrichstraßenpassagen Die Geschichte des heutigen Tacheles und Grundstein für die Entwurfsplanung im späteren Teil dieser Arbeit beginnt mit der Friedrichstraßenpassage. Obwohl die ursprüngliche Nutzung als Einkaufspassage keine zehn Jahre andauerte, so ist die architektonische und städtebauliche Wirkung ebenso wie die Bedeutung für das kulturelle Baugedächtnis des Stadtteils bis heute prägend. Das Gebäude der Friedrichstraßenpassage wurde von 1907 bis 1908 errichtet, Architekt was der kaiserliche Baurat Franz Ahren (vgl. Wikipedia 2015a). Die Kosten für die Errichtung in heutiger, inflationsbereinigter Währung betrugen ca. 40 Mio. Euro. Als zweitgrößte Einkaufspassage Berlins geplant, verband sie die Friedrichstraße diagonal mit der Oranienburger Straße.

Abb. 6-99 Ansicht in der Friedrichstraße (ZfBw 1909a)

Eine Gemeinschaft aus mehreren Einzelhändlern tat sich zu einer Aktiengemeinschaft zusammen, um mit dem neuen, gemeinsamen Standort einen Marktvorteil zu erlangen. Dabei sollten die einzelnen Läden nicht strikt voneinander getrennt sein, sondern ineinanderfließen mit einer zentralen Kassenstelle (vgl. Wikipedia 115


2015a). Das Konzept ging aber nicht auf. Schon ein halbes Jahr nach Eröffnung meldete die Aktiengesellschaft Konkurs an und die Friedrichstraßenpassage wurde vom Kaufhauskonzert Wertheim übernommen. Doch auch dieser konnte die Passage nur bis 1914 halten. Bereits vor Beginn des Ersten Weltkrieg wurde das Gebäude zwangsversteigert. Die Gründe für das Scheitern sind nicht überliefert. Die schiere Größe der Passage wird sicherlich ein Hauptgrund gewesen sein, da eine Einkaufspassage dieser Größe sicherlich im heutigen Berlin zu betreiben wäre, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts war Berlin allerdings noch wesentlich kleiner, die Kaufkraft geringer. Architektonisch kann sie der frühen Moderne zugeordnet werden, allerdings mit zahlreichen klassischen und gotischen Elementen (vgl. ebd.). Ein durchgängiges Glasdach schützte vor Witterung und belichtete gleichzeitig die Passage. Die Fassaden im entstehenden Innenraum waren aber als Stadtfassade ausgebildet, um den Passagencharakter zu generieren. Herausragend war die große Kuppel im Wendepunkt der Passage - eine der ersten aus Stahlbeton.

Abb. 6-100 Kuppelraum der Friedrichstraßenpassage (ZfBw 1909a)

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Insgesamt orientierte sich die Gestaltung an ähnliche Gebäude in anderen europäischen Großstädten. Die fünfstöckigen, vom Innenraum zum Außenraum umgedrehte Fassaden wurde ergänzt durch eine venezianisch anmutende Verbindungsbrücke und Stadtmöbel, Laternen und Pflanzen - das beliebte Bild des besonderen, anderen Einkaufsraumes war erreicht.

Abb. 6-101 Die Passage in der Friedrichstraßenpassage (BAW 1909)

Das gesamte Gebäude war unterkellert, mit zahlreichen Lagerräumen und einem eigenen U-Bahnanschluss. Die Unterkellerung und deren späteren Erweiterung um einen großen Tresorraum sind bis heute größtenteils eingestürzt, verschüttet und geflutet. Die Grundrisse und Schnitte lassen erahnen, welches räumliche Erlebnis die Passage gewesen sein müssen. 117


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Abb. 6-110 Grundrisse der FriedrichstraĂ&#x;enpassagen (BAW 1909)

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Abb. 6-111 Schnitte und Ansicht FriedrichstraĂ&#x;enpassage (RfBw 1909)

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Abb. 6-112 Impressionen aus der Friedrichstra0enpassage (BAW 1909)

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Vom Haus der Technik bis zum Teilabriss Über die Nutzung zwischen 1914 und 1924 ist heute nichts mehr bekannt. Im Jahr 1924 gab es dann einige Umbauten. Einerseits wurde der schon erwähnte Tresorraum eingerichtet, andererseits - viel gravierender - wurde die Deckenhöhe der Passage auf die Höhe der Ladengeschäfte herabgesetzt, wodurch der ursprüngliche Passagencharakter verloren ging. Drei Jahre später nutzte die AEG als Hauptmieter ca. 10.500 qm des nun als „Haus der Technik“ bekannten Gebäudes, nachdem ihr eigentliches Schau- und Verkaufsgebäude bei einem Brand zerstört worden war (vgl. Wikipedia 2015a). In diesen Räumen fand Ende der 30er Jahre die weltweit erste Fernsehübertragung statt. Mit der Machübernahme der Nationalsozialisten wurde das Haus zunehmend von NSDAP-Mitgliedern genutzt. Zunächst zog die Deutsche Arbeitsfront ein, während des Zweiten Weltkrieges auch das Zentralbodenamt der SS. In der Folge funktionierten sie Teile des Gebäudes zu einem Kriegsgefangenenlager um. Während der „Schlacht um Berlin“ wurde von den Nationalsozialisten der Tiefkeller geflutet und er steht, wie oben bereits bemerkt, bis heute unter Wasser (vgl. ebd.). Die Schäden durch dein Krieg waren stark, ein großer Teil blieb jedoch relativ gut erhalten.

Abb. 6-102 Kriegsschäden am Haus der Technik (Fischer 1980)

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Nach dem Krieg wurde das Gebäude 1948 - nun innerhalb der östlichen Zone Berlins liegend - vom Freien Deutschen Gewerkschaftsbund übernommen. Im Laufe der nächsten Jahre wurde das Gebäude aber weder saniert noch restauriert, so dass es eine Ruine blieb. Verschiedene Handelsbetriebe und das Deutsche Reisebüro nutzten die provisorisch wiederhergestellten Passagentrakte. Weitere Nutzer waren unter anderem eine Artistenschule, die Fachschule für Außenwirtschaft, die Rundfunkfirma RFT, ein Kino und auch die Nationale Volksarmee (vgl. Wikipedia 2015a) - hybride Nutzungsmischung par excellence… Das Kino zog wegen des schlechte Bauzustandes an die Seite an der Oranienburg Straße und veränderte Fassadenteile, Räume und Decken. Dies Änderungen blieben bis heute bestehen, zu Zeiten des Tacheles wurde das Kino wiederbelebt.

Abb. 6-103 Die Fassade des noch bestehenden Tacheles-Teils (eigene Abbildung)

Die fehlende Sanierung nach dem Krieg hatte in Kombination mit der intensiven Nutzung zur Folge, dass das Haus der Technik auf Grundlage zweier Statikgutachten Ende der 1970er Jahre abgerissen werden sollte. 1980 begann der erste Teil des Abrisses, auch der weitgehend erhaltene Kuppelbau wurde gesprengt. Die zweite Rückbauphase, die den heute noch stehenden Teil betraf, sollte 1990 beginnen, doch dazu sollte es nicht kommen.

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Besetzung des Tacheles Tacheles reden (umgangssprachlich: unverhüllt, ohne falsche Rücksichtnahme seine Meinung sagen, ganz offen die Sachlage darstellen; ursprünglich  = Zweckmäßiges reden; zur Sache kommen) (Duden 2015)

Kurz vor der geplanten Sprengung Anfang 1990 wurde das Gebäude von der Künstlerinitiative Tacheles besetzt. Diese hatte sich den bis heute mit dem Gebäude verbundenen Namen als Reaktion auf die beschränkte freie Meinungsäußerung in der DDR gegeben. Durch Verhandlungen mit der zuständigen Baudirektion und unter Berufung auf den Denkmalschutz versuchte die Initiative den Abriss zu verhindern. Zunächst schien das Vorhaben zu scheitern, der Abriss sollte im April wie geplant umgesetzt werden. Erst ein Dringlichkeitsantrag erreichte einen vorzeitigen Stopp. Im Anschluss ließ die Initiative ein Baugutachten erstellen, welches schließlich dazu führte, dass das Tacheles 1992 unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Abb. 6-104 Flohmarkt am Tacheles in den 1990ern Shoey (2012)

Schon seit Beginn der Hausbesetzung hatte die Künstlerinitiative immer mit Widerstand zu kämpfen. Kurz nach dem Einzug wurde das Gebäude von Neonazigruppen überfallen (vgl. Tacheles 2011, S.1), zwei Jahre später führte ein Brand dazu, dass die Künstler in Notzelten im Hof leben mussten (ebd., S.2). Im Laufe der Zeit wurden die Initiative und damit das Gebäude mit der Berliner Verwaltung und 124


potentiellen Investoren konfrontiert. Die Stadtverwaltung hatte ein zwiegespaltenes Verhältnis zum Tacheles. Einerseits sah sie die zunehmende kulturelle Bedeutung und wollten diese fördern, bei Gesprächen mit Investoren saß die Initiative häufig mit am Tisch. Andererseits wurde immer wieder überlegt, die Künstlerszene in anderen Stadtteilen unterzubringen, nicht mitten auf dem letzten „Filetstück“ Berlins (vgl. u.a. RBB 2014). Kürzungen des städtischen Kulturförderungsetats machte das Leben für das Tacheles dabei nicht einfacher.

Abb. 6-105 Innenansicht Tacheles (wikipedia 2015a)

Aufblühen und Mythenbildung Das Tacheles blühte zu dieser Zeit aber trotz aller Widrigkeiten auf. In einem anderen Maße als die Friedrichstraßenpassage erzeugten die Künstler ihre eigene ‚andere Welt‘. Eine alternative Kunst- und Kulturwelt neben den Galerien des anschließenden Viertels - eine vielseitige Welt mit Ateliers, Ausstellungen, einem Club, einem Café und einem Kino. Die Trennung zwischen privat und öffentlich verschwammen hier genauso wie die Trennung zwischen Innen und Außen (vgl. Rad 1996). Das Tacheles und der Skulpturengarten, private Wohnungen der Künstler, Ateliers und Ausstellungsfläche gingen nahtlos ineinander über, es war „ein Ort der ungelösten Widersprüche“ (Sandig 1995, S. 85). Die kommerzielle Zone der Friedrichstraße floss in die kulturelle Sphäre der Oranienburg Straße (vgl. Stewart 2002, S.59). Die - wenn auch völlig anders geartete - Verwandtschaft zu den ursprünglichen Passagen wurde auch den dort arbeitenden Künstlern bewusst: 125


„Eigentlich wurde Tacheles als Passage gebaut, ist immer eine geblieben und ist immer als Passage gescheitert. Die jüdischen Kaufleute sind Pleite gegangen, AEG hatte ein Kaufhaus hier - und die sind auch rausgeflogen. Jetzt sind wir drin, und es ist nichts anderes als ein Warenhaus, ein Produktions- und Warenhaus. Man kann hier versuchen, was man will. Es ist nichts anderes als ‘ne Passage, ist als das gebaut, immer nur zum Ausprobieren.“ (Berg, 1992)

Das Tacheles wurde aber genau aufgrund dieser Mischung zum kulturellen Magneten in Berlin und darüber hinaus. Vom alternativen Insidertreff avancierte das Tacheles schon früh auch zur touristischen Attraktion. Schnell wurde das Tacheles Bestandteil eines jeden Reiseführers über Berlin und die Touristenströme, die hier das „wahre“ Berlin der Wende erleben wollten, brachen über das Tacheles hinein. Schon 1994 bemerkte der Vorsitzende der Initiative, Jochen Sandig, dass dem Tacheles drohe, „sein eigenes Abziehbild“ zu werden und „im Sog der Touristenströme weggespült“ zu werden (Sandig 1995, S. 87).

Abb. 6-106 Skulpturengarten (Shoey 2012)

Dieser enorme Besucherandrang führte aber auch dazu, dass die Bedeutung für das Tacheles immer weiter zunahm. Es wurde zum Denkmal eben jenes Nachkriegsberlins, welches nach und nach aus dem Baugedächtnis gelöscht wurde und wird, und dabei die Stadt doch so sehr geprägt hat. Das Tacheles - entsprechend sicherlich auch ideologisch überhöht wahrgenommen - wurde so zu einem „Ort, der für die Identität Berlins von kaum zu überschätzender Bedeutung ist. Dieser Ort ist genauso wenig ohne Makel wie die deutsche Geschichte selbst, er zeigt wie kein anderer Teil Berlins die Wunden und Narben einer mehr als hundertjährigen 126


Stadterneuerung“ (Bodenschatz 1995, S. 184). Die Kunst wurde fast zur dekorativen Nebensache, das Gebäude zur Kulisse einer Idee von Berlin: „Das bloße Haus, bar jeden Programmes, steht als Zeichen für die Identität des Nachwende-Berlins, für eine Zeit, als der Aufbruch alles war und die Hoffnung, mit Experimenten auf ungewohnten Feldern zur Metropole zu werden, sogar Landespolitiker teilten“ (Wahjudi 1999, S. 213).

Städtebauliche Entwicklung ab 1993 Die Entwicklung hin zu einem kulturellen Mythos konnten auch die Politik und die Investoren nicht mehr ignorieren und so brachte der Einfluss der Tacheles Initiative auch einen der ersten potentiellen Investoren zu Fall - die Schwedische Skanska Gruppe hatte sich einen Entwicklungsplan von Josef Kleihues erstellen lassen (vgl. Bauwelt 1993), der aber der Künstlerinitiative und den verbundenen Gruppierungen nicht gefiel (vgl. Stewart 2002, S. 60). Der Plan wurde abgewiesen und im Berliner Rat festgelegt, dass die kulturelle Nutzung des Tacheles in der langfristigen Stadtplanung festgeschrieben wurde. Ab 1993 verhandelte die Tachelesinitiative mit der Kölner Fundusgruppe, einem möglichen Investor, der auch das Adlon Hotel wiederaufleben lassen hatte. Man wurde sich einig, das Tacheles sollte nach Erwerb für die nächsten zehn Jahre zu einem symbolischen Mietpreis von einer Mark pro Quadratmeter bei den Künstlern bleiben. Der Investor war sich einerseits der heiklen politischen Lage bewusst, andererseits konnte er die Entwicklung des Areals langsam angehen lassen, da der Wert des Grundstückes in der Zukunft nur steigen konnte. Für (nach heutiger Währung) rund EUR 40 Mio. war das Grundstück bereits zum Erwerbszeitpunkt relativ günstig, wie der heutige Verkaufspreis zeigt. Der Fundus Fonds zeigte sich nach langen Verhandlungen zudem bereit, das Tachelesgebäude für DM 6,5 Mio. zu sanieren. Gleichzeitig ließ sie Ende der 1990er Jahre einen internationalen architektonischen und städtebaulichen Wettbewerb ausschreiben. In diesem setzten sich das Studio Daniel Liebeskind und Rob Krier durch. Liebeskind, der zuvor schon das Jüdische Museum in Berlin geplant hatte, entwickelte für das Tacheles-Areal ein Labyrinth aus Gebäuden und Wegen unter dem Motto „Jazz“, bei dem - zur Erleichterung der Künstler - das Tacheles freistehend und unangerührt gelassen wurde. Krier hingegen plante eine Shopping Arkade und ein großes, dem Adlon ähnliches Hotel (vgl. ebd., S.61). Trotz oder gerade wegen der großen Diskussion um das Tacheles-Areal, die der Wettbewerb auslöste, wurde keiner der beiden Gewinner beauftragt. Stattdessen beauftragte die Fundus Gruppe die amerikanischen Vertreter des 127


New Urbanism, Duany, Plater-Zyberk & Company. Anscheinend befürchtete man, „dass eine Libeskind-versus-Kriel-Debatte den mittlerweile verdrängten Architekturstreit der 90er Jahre neu entfachen und ausgerechnet im Minenfeld Tacheles zur Explosion bringen könnte“ (Berliner Morgenpost 2000).

Abb. 6-107 Das Johannisquartier nach Vorstellung von Duany (DPZ 2006)

Der New Urbanism sieht in der städtebaulichen Planung der Moderne die Gründe für fehlende Urbanität und sucht die Lösung im Nostalgischen. Dabei rennt er einer fiktiven Idee einer nie existierenden Vergangenheit hinterher und sieht besonders die 1920er Jahre in New York und Chicago als beste, wenn nicht sogar einzige Lösung für Urbanismus an. Dass diese Vorstellung aber eine rein fiktive ist, lässt sich ironischerweise an einem realisierten Projekt Duanys erkennen: Sein Projekt „Seaside“ bei Miami wurde berühmt als Filmkulisse für den Film „Truman Show“ (vgl. Stewart, S.62). Und so setzten sich Duany und seine Partner in ihrem Masterplan daran, eine Mischung aus Berlin und New York zu erzeugen, inklusive einer Art Flat Iron Building.

128


Abb. 6-108 Johannisquartier und „Flat Iron Building“ (DPZ 2006)

Das romantisierte Bild, das von den von Setbacks geprägten historisierenden Fassaden im „amerikanischen Zuckerbäckerstil“ mit „üppigen Fensterverzierungen, Erkern und Türmchen“ (Veihelmann 2000) erzeugt wurde stieß aber nicht nur auf Widerstand. Die Illusion funktionierte und viele Berliner, aber auch zum Teil Fachkundige ließen sich von dieser Vision hinreißen - ein urbanes Disneyland auf über 90.000 Quadratmetern. Der Plan wurde schließlich bis zur Bebauungsplanreife entwickelt und gilt bis heute als gültiger B-Plan für das Areal. Der deutsche Kontaktarchitekt schwärmte von der „bemerkenswerten Architektur“ und den öffentlichen Plätzen, die „die Qualitäten traditioneller städtischer Räume wieder belebt“ (Phillips 2005). Untergang Zur Realisierung dieses Entwurfes veranschlagte die Fundus Gruppe 400 Mio. Euro, es fanden sich aber nicht genügend Investoren. So wurde zwar 2001 der Bebauungsplan verabschiedet, das Vorhaben aber nie realisiert. Die nächsten Jahre waren entsprechend vom Untergang des Tacheles geprägt, mit zum Teil dramatischen Szenen. 2008 lief der ursprüngliche Mietvertrag zwischen Fundus Gruppe und der Initiative Tacheles aus. Man konnte sich aber nicht auf einen Nachfolgevertrag einigen, da die Fundus Gruppe nunmehr nicht nur einen symbolischen Mietpreis erzielen wollte. Im Gegenteil: es wurde eine Nutzungsentschädigung von 108.000 Euro gefordert, die der Verein nicht aufbringen konnte. Ende 2009 meldete der Tacheles e.V. daher Insolvenz an. Da die Projektentwicklung nach über zehn Jahren immer noch nicht anlief und sie durch die Wirtschaftskrise hohe Millionenbeträge abschreiben musste, strebte 129


die HSH Nordbank als Gläubiger der Grundpfandrechte des Areals die Zwangsversteigerung an. Im Grundbuch war die Schulden auf dem Areal mittlerweile auf 75 Mio, Euro angehäuft worden. Die Versteigerung wurde zwar kurzfristig abgesagt, die Bank verfügte aber über einen gültigen Räumungstitel (vgl. Wikipedia 2015a). Nur einen Tag nach der eigentlichen Zwangsversteigerung verließen die gastronomischen Einrichtungen und das Kino gegen eine Zahlung von EUR 1 Mio. das Tacheles. Zurück blieben die 80 Künstler in den oberen Etagen. Eine Woche später ließ der Zwangsverwalter im Haupteingang und Durchgang zum Hof eine 3 Meter hohe Mauer errichten, um die Werkstätten vom Hof zu trennen (vgl. ebd.).

Abb. 6-109 Die „neue Berliner Mauer“ im Eingang zum Tacheleshof (Spiegel Online 2011)

Ein halbes Jahr später kam es zum nächsten Eklat: am 8. Dezember 2011 drangen 30 Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma in die oberen Geschosse des Tacheles ein und beförderten die Anwesenden vom Gelände - zum Teil ohne die Gelegenheit, ihr künstlerisches Eigentum mitzunehmen. Am 22. März 2012 wurde das Tacheles nach einem Räumungsversuch des Gerichtsvollziehers auch für Besucher gesperrt. Obwohl das Landgericht in der Folge die Räumung für rechtswidrig erachtete und die Künstler nun auch ihre Werke wieder abholen konnte, fand am 4. September 2012 die endgültige Räumung des Tacheles statt. Seit dem wird das Tacheles Areal von einem hohen Bauzaun umgeben und dauerhaft von einer Sicherheitsfirma bewacht. Die Bedeutung und der Mythos des Tacheles konnte hier ein letztes Mal beobachten werden, als die Räumung mit einem Aufschrei durch die internationale Presse von New York bis London ging (vgl. Jones 2012). Einige der Künstler sind in andere Stadtteile verzogen, einige andere hoffen weiterhin auf eine Zukunft im Tacheles und verbreitet den „Tacheles-Spirit“ (Art Pro Tacheles 2012) über ein mobiles Atelier Projekt mit wechselnden Standorten. 130


Im September 2014 veräußerte die Fundus Gruppe das Tacheles an die New Yorker Vermögensverwaltung Perella Weinberg. Durch den Erlös von 150 Mio. Euro sollen die Verbindlichkeiten gegenüber der HSH Nordbank und anderen Gläubigern getilgt werden. Kaum ein halbes Jahr später, während diese Thesis schon weit fortgeschritten war, wurde im August 2015 bekannt, dass Perella Weinberg schon die nächste Planung in die Wege geleitet hat. Ohne Wettbewerb, auf Basis des bestehenden Bebauungsplans sollen die Schweizer Architekten von Herzog & de Meuron in naher Zukunft das Tacheles entwickeln. Für das Tacheles Gebäude, welches denkmalschutzgerecht saniert werden soll, ist zudem eine kulturelle Nutzung vorgesehen (vgl. Zeit 2015). Vielleicht mit Hinblick auf die langwierige und schwierige Entwicklung scheint der Investor nun keine Zeit mehr verlieren zu wollen, seine Renditevorstellungen zu verwirklichen. Eine weitere lange Diskussion wird durch die Direktbeauftragung einer Architekturautorität vermieden, der ‚Stararchitekt‘ „wird von Investoren gezielt eingesetzt, um Bebauungsregeln auszuweiten, den Denkmalschutz zurückzudrängen, noch mehr Nutzung auf die Grundstücke zu stapeln sowie maximal hohe Preise zu erzielen“ (Bernau 2015). Herzog & de Meuron haben immer wieder bewiesen, dass sie in der Lage sind herausragende Architektur auch mit einem starken Ortsbezug zu erschaffen. Von daher ist das Büro sicherlich eine gute Wahl. Dazu kommt, dass die Schweizer, auch was die bauliche und materielle Qualität betrifft, relativ kompromisslos agieren, so dass an dieser Stelle kein profaner WDVS-Bau zu erwarten ist. Und trotzdem: auch wenn es einige architektonische Auseinandersetzungen mit dem Areal gab, ein weiterer Wettbewerb sollte die einzige Lösung sein. Der letzte liegt ja nun fast zwanzig Jahre zurück, Architektursprache und Wahrnehmung des Areals haben sich seitdem verändert. Ein Grundstück mit einer solch aufgeladenen Bedeutung könnte eine weitere Diskussion vertragen - es braucht sie sogar. An dieser Stelle würde ein offener Ideenwettbewerb nicht nur eine nötige mögliche Unterstützung in der Bevölkerung fördern, die Ergebnisse könnten die Diskussion um den Umgang mit unseren Städten neu beflügeln und stark bereichern. Einen kleinen Beitrag zum Tachelesdiskurs soll der hier entwickelte Entwurf leisten. Da ein solch komplexes Gebiet nicht nur eine Idee, eine Haltung und einen Entwurf verträgt, freue ich mich daher darauf, auch die folgende Entwicklung durch Herzog & de Meuron zu verfolgen.

131



XII. stuDIen zuM ent WurF Herleitung und Evaluation alternativer Entwurfkonzepte

in der vorbereitung für den entwurf wurden verschiedene diagrammatische ansätze zur Positionierung der Markthalle und dem städtebaulichen grundkonzept verfolgt. auf den folgenden seiten werden einige - möglichst verschiedene - studien vorgestellt und knapp evaluiert. innerhalb des Prozesses bildet sich schließlich eine finale variante heraus, die dann in den folgenden Kapiteln weiter ausgearbeitet wird.

?

abb. 7-113 tacheles areal

die Fläche des areals beträgt (inkl. tacheles) 21.600qm. um die vorhandene Baulücke zu inszenieren wurde hier zunächst das gesamte areal gefüllt. Für eine reine Marktnutzung ist die Fläche sicherlich zu groß. das Füllen der lücke erscheint aber sympathisch und konzeptionell richtig.

abb. 7-114 studie „Füllung“

Abb.: Markthalle Variante 1 "Überbau" Fläche: 21,600 qm

133


hier wird die Frage nach der historischen Friedrichstraßenpassage aufgeworfen. das füllende Moment bleibt erhalten, die größe scheint passend für einen Markt in Berlin. auch die integration des tacheles spricht für diese Position. Zudem kann so respektvoll an die geschichte des areals erinnert werden.

abb. 7-115 studie „historisch“

Abb.: Markthalle Variante 2 "Historisch" Fläche: 7.400 qm

als konträre gegenstudie der „oranienburger Riegel“. die studie schließt einfach die lücke zur oranienburger str. mit einem langen Riegel, der Markt würde sich im erdgeschoss befinden, darüber Wohn- und arbeitsflächen. Für Berlin zu klein, könnte das Konzept an anderer stelle funktionieren (vgl. JaJa). die weitere städtebauliche Konfiguration bleibt hier allerdings aussen vor.

abb. 7-116 studie „oranienburger riegel“

Abb.: Markthalle Variante 3 "Oranienburger Riegel" Fläche: 2.800 qm

134


die Markthalle als verbindenes Moment quer durch das areal. sowohl lage als auch Form scheinen unpassend. Zudem ist die südliche anbindung für die Bedeutung dieser nebenstraße zu gewichtig.

abb. 7-117 studie „querpassage“

Abb.: Markthalle Variante 4 "Passage" Fläche: 4.700 qm

die verbindung der historischen variante und der „querpassage“. der abschluss wirkt weiter wie ein Fremdkörper und lässt im - nicht weiterverfolgten - städtebaulichen entwurf eher keine hohe aufenthaltsqualität erwarten.

abb. 7-118 studie „historisch + querverbindung“

Abb.: Markthalle Variante 5 "Historisch + Passage" Fläche: 12.300 qm

135


die verlängerung der Passagen. diese studie erscheint auf ihre radikale Weise interessant. allerdings ist die generierte Fläche zu groß für eine Markthalle und der verbleibende Raum zu gering für einen angemessenen städtebaulichen entwurf.

abb. 7-119 studie „verlängerung“

der „Marktteppich“: die Füllung des gesamten areals würde die Frage nach der Belichtung aufwerfen. dies führte zu dieser von sanaa inspirierten studie. eine hybride Mischung mit Markt, die sich über das areal stülpt, ähnlich dem Rolex learning Center, könnte ein interessanter entwurfsbeitrag sein, wird hier aber nicht nicht weiter verfolgt.

Abb.: Markthalle Variante 6 "Streifen" Fläche: 13.700 qm

abb. 7-120 studie „Marktteppcih“

136


die studie „Blöcke“ teilt die Füllung in drei Bebauungsfelder. durch transformation und drehung entsteht die durchwegung und eine zentrale Platzsituation. sie bietet respektvollen abstand zu Markthalle. dieser ansatz wird später weiterverfolgt und weiterentwickelt.

abb. 7-121 studie „Blöcke“

als gegenentwurf zu den Blöcken, wurde sich hier ein clusterähnliches ensemble aus lockerer Punktbebauung vorgestellt. die setzung der Punktgebäude ist aber noch zu ungenau, um das mögliche Potential zu erahnen. die gebührende dichte wird aber so eher nicht erreicht.

Abb.: "Erdfelder"

abb. 7-122 studie „cluster“

137


noch einmal wird die verlängerung der Passage verfolgt. die Markthalle bleibt auf der historischen Position, wird aber durch eine Blockbebauung weitergeführt. auf der gegenseite wird direkt an die bestehenden Brandwände ein Riegel angefügt.

abb. 7-123 studie „verlängerung + Block“

Abb.: Markthalle Variante 6 "Streifen" Fläche: 13.700 qm

die Position der Markthalle auf der Fläche der Friedrichstrassenpassagen hat sich behauptet. in der Folge wird mit dem thema Blockbebauung experimentiert. Bei dieser - noch sehr unklaren - struktur wird eine anschließende durchwegung durch das areal gefördert.

abb. 7-124 studie „zwei Blöcke zur oranienburger str.“ Abb.: Markthalle Variante 6 "Streifen" Fläche: 13.700 qm

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Bei dieser studie wurde die gegenbewegung veranschaulicht. neben der weiterhin unklaren setzung der Blöcke scheint auch der Freiraum noch zu groß.

abb. 7-125 studie „zwei Blöcke in die andere richtung“ Abb.: Markthalle Variante 6 "Streifen" Fläche: 13.700 qm

um den Freiraum angemessener zu gestalten wird eine zusätzliche struktur hinzugefügt. neben den beiden Miniblöcken in der Mitte schließt die neue struktur an der Bestand in art des Berliner Blockes an.

abb. 7-126 studie „zwei Blöcke + Berliner Blockschließung“ Abb.: Markthalle Variante 6 "Streifen" Fläche: 13.700 qm

139


da der vorhergehende versuch, den Berliner Block halbgar wiederzubeleben, sehr viel Fläche für eine sehr ungenaue struktur verschlingt, wird hier versucht, den Bestandsblock durch eine geradlinigere, abstraktere Form zu schließen. die Perforation des areals bildet sich langsam heraus, größe und setzung der gebäude sind aber noch fraglich.

abb. 7-127 studie „zwei Bläcke + aufweitender riegel“ Abb.: Markthalle Variante 6 "Streifen" Fläche: 13.700 qm

um den innenliegenden Blöcken mehr Fläche zu bieten, schmiegt sich der Riegel nun ganz nah an den Bestand an. so wird eine gegengeste zum respektvollen abstand zur Markthalle geschaffen. setzung und Form der inneren Blöcke bieten aber noch keine besondere städtebauliche qualität.

abb. 7-128 studie „zwei Blöcke + enganliegender riegel“ Abb.: Markthalle Variante 6 "Streifen" Fläche: 13.700 qm

140


der anschmiegende Riegel und die setzung der Markhalle sind nun festgelegt. durch transformation und setzung der inneren Blöcke wird nun versucht, eine möglichst urbane dichte zu schaffen und dabei eine hohe Freiraumqualität zu generieren.

abb. 7-129 studie „zweite Platzbildung“

Abb.: Markthalle Variante 6 "Streifen" Fläche: 13.700 qm

die finale version nimmt gestalt an. die inneren Blöcke orientieren sich hauptsächlich an den straßenfluchten. durch das versetzen der Blöcke zueinander wird ein an Camillo sitte erinnernder urbaner Raum gefasst und gibt gleichzeitig den Blick auf den jeweils anderen Block frei. eine transformation des südlichen Blockes schafft zudem eine deutlichere gewichtung des zukünftigen Marktplatzes. abb. 7-130 Finale städtebauliche Konfiguration

Abb.: Markthalle Variante 6 "Streifen" Fläche: 13.700 qm

141



X I I I. E n t w u r f f ü r da s J o h a n n i s q ua rtier Überblick,Vision und Daten

Der Entwurf schlägt für das Johannisquartier ein hybrides Nutzungskonzept mit einer Markthalle als Zentrum vor. Durch die Anordnung kultureller, gewerblicher und wohnlicher Nutzung im direkten Umfeld wird eine gegenseitige Befruchtung geschaffen, das Johannisquartier wird so zum zentralen städtebaulichen Auftakt für das Scheunenviertel. Für einen politisch, kulturell und historisch so aufgeladenen Ort wie dem Areal um das Tacheles spielt die öffentliche Nutzung eine besondere Rolle. Die Markthalle füllt und öffnet zugleich die klaffende Baulücke an der Friedrichstraße. Sie greift die historische Durchwegung der Friedrichstraßenpassage zur Oranienburger Straße auf und inszeniert so die Baulücke als öffentlichen Raum für den Markt. Ein heller, leicht sandiger Beton gießt sich skulptural zwischen die angrenzenden Gebäude und rahmt auf abstrakte Weise das lebendige und bunte Markttreiben. Neben der so entstehenden Inszenierung der Baulücke greift der Entwurf auch die bestehende Brachfläche auf. Die Weite, das Leere, das Sandige dieser für Berlin so markanten Flächen wird nicht einfach bebaut, sie wird in das Obergeschoss gehoben, wo sie als öffentlicher Hof weiter existiert. Die freiraumplanerische Intervention kehrt so die vermeintliche Nichtästhetik der Brachflächen zum Skulpturgarten des Tacheles um. In dieser anderen Welt, über der Markthalle, schaffen halböffentliche Nutzungen wie Galerien, Ateliers und andere Arbeitsräume der Kreativwirtschaft neue Räume für das Künstlerquartier und lassen so das Tacheles wieder aufleben. Das Tacheles selbst ist dabei der Kopfbau für Markt und Skulpturenpark. Der große Torbogen an der Oranienburger Strasse wird wie bei der Friedrichstraßenpassage nördlicher Eingang und Abschluss des Marktes, gleichzeitig ermöglicht die vertikale Zirkulation durch das Kulturzentrum und die Galerie die Nutzung des Skulpturenparks. Ein Hostel in den obersten zwei Geschossen bietet den heute noch zahlreichen Touristen die Möglichkeit, am Mythos Tacheles teilzuhaben. Inszenierend wirkt auch der respektvolle Abstand zu den Brandwänden des Tacheles und des Johannishofs. Anstatt einfach direkt anzubauen dienen die Wände so weiterhin als Leinwand und Werbeschild für die Künstler und erinnern an die Zeit vor dem Entwurf. Das Johannisquartier selbst besteht aus zwei Blockbebauungen und einem blockschließenden Riegel. Der Riegel vollzieht die gegensätzliche Gestik zur Markthalle: Er setzt sich direkt an die Brandwände der weiterführenden Bebauung und unterstreicht so die Bedeutung des Tacheles. Die beiden an den Straßenfluchten orien143


tierten Blöcke generieren durch setzung und transformation die Perforation und durchwegung des quartiers und bilden zwei kleine städtische Plätze. in den unteren beiden geschossen und den enden sind gewerbe- und Büroflächen vorgesehen. die Bogenform wird hier von den ehemaligen Friedrichstrassenpassagen aufgegriffen und zeitgenössisch interpretiert fortgeführt, die nutzung wird so nach außen hin ablesbar gemacht. die so eingerahmte Wohnnutzung bietet eine subtile Reminiszenz an die Plattenbauten der nachkriegszeit. Formal wesentlich reduzierter und rationaler gruppieren sich hier verschiedene Wohnungstypen um die innenhöfe, erschlossen über einen laubengang. allerdings ermöglicht die ausgestaltung der erschließungszone nicht nur einen besonderen und großzügigen kommunikativen Raum. die langen, nahezu skulpturalen treppenläufe bestimmen das Fassadenbild zur stadt, die erschließung wird so zur öffentlichen Bühne der Bewohner und Besucher. Jedes der gebäude verfügt über eine öffentliche treppe zu den innenhöfen, durch die verbindung der höfe untereinander wird so eine spannende szenographische Zirkulation durch das gesamte quartier ermöglicht, die - wenn auch ganz anders geartet - an die höfe der Berliner Blöcke erinnert. die thematische Komplexität der arbeit, bedingt durch den ort, die historie und die verschiedenen Programmen wird durch die entwicklung dieser gemeinsamen Form- und architektursprache zusammengehalten und heruntergebrochen. es entsteht ein neues Johannisquartier mit hohem anziehungs- und aufenthaltspotential und einer eigenen identität. eine identität die nicht aufgestülpt erscheint, sondern sich wie natürlich aus dem Charakter und der geschichte dieses einzigartigen ortes heraus- und weiterbildet.

abb. 8-131 schematische visualisierung Johannisquartier von der oranienburger straße

144


Abb. 8-132 Die „Brachfläche“ auf der Markthalle

145


abb. 8-133 schwarzplan Johannisquartier | M 1:20.000

größe des areals: gFZ gRZ BgF total: BgF neubau: BgF Markt: BgF gewerbe | Büro: BgF Wohnnutzung: tacheles anzahl Wohneinheiten total: typ a: typ B: typ C: 146


abb. 8-134 Isometrie des Johannisquartiers

21.6000 qm 3,0 0,75 65.000 qm 58.000 qm 4.370 qm 30.870 qm 22.740 qm 7020 qm 126 71 29 26 147



städtebaulicher entwurf für das Johannisquartier

das städtebauliche Konzept entwickelt sich aus den vorher beschriebenen entwurfsstudien. es geht dabei konzeptionell von der Füllung der gesamten Brachfläche aus. in einem zweiten schritt unterteilt der entwurf das areal in die Markthalle und den städtebaulichen entwurf für das Johannisquartier. Zur besonderen herausstellung der Markthalle und des tacheles baut der entwurf nicht direkt an die Brandwände an, sondern lässt sie freistehend als aushängeschild und leinwand für die Künstler. eine gezielte durchwegung perforiert das areal und unterteilt es in drei volumina: zwei Blöcke und einem Riegel. der Riegel schmiegt sich an die vorhandene Bebaung an und macht so eine gegensätzliche geste zum umgang mit den gegenüberliegenden Brandwänden. die beiden Blöcke sitzen leicht versetzt zueinander. in Kombination mit einer leichten transformation bilden sie zwei kleinere Plätze aus und betonen gleichzeitig die Büro- und gewerbeflanken der gebäude. in einem letzten schritt wird aus den Baublöcken eine Blockbebauung. die innenliegenden höfe sind dabei untereinander verbunden und schaffen so eine spannende durchwegung auf einer höheren ebene.

Füllung

Aufteilung

Abständsfläche

des Areals

in Markt und städtebaulichem Teil

zu Brandwänden und Markt

Durchwegung

Shaping

Hofausbildung

für neue Verbindungen

für Platzausbildung und Betonung der Bürogebäude

abb. 9-135 Diagrammatische entwicklung städtebau

149


Lageplan Übergreifendes Konzept ist die gewerbliche Nutzung des Erdgeschosses und des 1. Obergeschosses. An den Rändern der Bauvolumina setzt sich sowohl deren architektonische Form als auch die Nutzung bis in die oberste Etage in Form von kleineren Büroeinheiten fort. Diese Struktur bietet so einen Rahmen für die dazwischenliegende Wohnbebauung. Wohnungen und Büros teilen sich die Erschließung und bilden ihre Adresse an den prominenten Stirnseiten der Bürogebäude. Neben dieser privaten Erschließung erfolgte auch eine öffentliche Durchwegung. Über eine lange Treppe gelangt man zu den öffentlichen Wohnhöfen. Diese sind untereinander und mit dem Tacheles verbunden und bilden eine spannende Szenographie durch das Areal. Über die Wohnhöfe gelangt man auch in den halböffentlichen aussenliegenden Erschließungs- und Kommunikationsraum. Die langen Treppenläufe ermöglichen nicht nur die vertikale Zirkulation, sie eröffnen Blickbezüge und fördern die Kommunikation unter den Bewohnern und mit den Besuchern.

Abb. 9-136 Lageplan Johannisquartier | M 1:1000

150


5

Hoste

l

5

10

25

10

25


Wohnriegel Eine Bebauung des Johannishofquartiers hat immer auch die Fragen nach der Belichtung zur Folge. Einerseits bietet sich ein Anschließen an die existierende Brandwandsituation an, andererseits erfahren viele Wohnungen so nur einseitige Belichtung. Die entwickelte Wohnstruktur nutzt eine offene Erschließungszone geschickt dazu, den Abstand zu den Brandwänden auf dem Dach des Marktes und an der östlichen Grundstücksgrenze zu vergrößern, und so den Wohnungen mehr Tageslicht zuzuführen. Die beiden inneren Blöcke haben an dieser Stelle keine Belichtungsproblematik, daher kehrt sich die Struktur hier um. So dient sie einerseits dem Schallschutz zur Oranienburger Straße und bietet andererseits eine interessante und belebte Fassadenansicht. Die Erschließungszone gliedert sich in drei Bereiche auf. Direkt vor den Wohnungen befindet sich meist ein Luftraum, um die nötige Privatsphäre zu schaffen. Zusätzlich bietet der Wohnriegel hier einen privaten Vorgarten. Der mittlere Bereich ist der eigentliche Erschließungsgang. Von diesem gelangt man über Stege zu den Wohnungen. Die Vorgärten laden zu einem kurzen Gespräch ein, die Lufträume und die langen Treppenläufe ermöglichen zudem die Kommunikation mit anderen Geschossen. Der dritte Bereich umfasst die langen Treppenläufe und damit einen Durchblick über vier Etagen. Das Leben in dieser Zone bildet sich in den öffentlichen Raum ab und schafft so ein belebtes Fassadenbild, das neugierig macht. Für die Wohnbebauung wurde drei grundsätzliche Basis-Typen entwickelt. Ein kleines Appartment für Singles oder junge Paare, eine große Wohnung für Paare und Paare mit Nachwuchs und ein Maisonette-Typus mit einer Galerie. Alle Wohnungen verfügen auf beiden Seiten über einen Freisitz. Zum Laubengang ist dieser vom Charakter wesentlich kommunikativer und öffentlicher, während die Loggia zum Hof introvertiert gestaltet ist.

152


Büroflächen und gemeinsames treppenhaus

erschließungsgang

„vorgarten“

Zugang zur Wohnung

treppenlauf

1

5

10

abb. 9-137 Der Wohnriegel | M 1:500

153


abb. 9-138 Wohnungstyp c | Maisonette, untere ebene

abb. 9-139 Wohnungstyp c | Maisonette, obere ebene

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abb. 9-140 Wohnungstyp a | single

abb. 9-141 Wohnungstyp B | Double

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„oranienburger Block“

e00

abb. 9-142 Isometrie und ansicht „oranienburger Block“ abb. 9-143 „oranienburger Block“, e00 | M 1:500

156


1

5

10

157


„Oranienburger Block“

E01

Abb. 9-144 „Oranienburger Block“, E01 | M 1:500

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1

5

10

159


„Oranienburger Block“

E02

Abb. 9-145 „Oranienburger Block“, E02 | M 1:500

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1

5

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„Oranienburger Block“

E03

Abb. 9-146 „Oranienburger Block“, E03 | M 1:500

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1

5

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„Oranienburger Block“

E04

Abb. 9-147 „Oranienburger Block“, E04 | M 1:500

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1

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„Oranienburger Block“

E05

Abb. 9-148 „Oranienburger Block“, E05 | M 1:500

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1

5

10

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„Johannisblock“

e00

abb. 9-149 Isometrie und ansicht „Johannisblock“ abb. 9-150 „Johannisblock“, e00 | M 1:500

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1

5

10

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„Johannisblock“

E01

Abb. 9-151 „Johannisblock“, E01 | M 1:500

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1

5

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„Johannisblock“

E02

Abb. 9-152 „Johannisblock“, E02 | M 1:500

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1

5

10

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„Johannisblock“

E03

Abb. 9-153 „Johannisblock“, E03 | M 1:500

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1

5

10

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„Johannisblock“

E04

Abb. 9-154 „Johannisblock“, E04 | M 1:500

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1

5

10

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„Johannisblock“

E05

Abb. 9-155 „Johannisblock“, E05 | M 1:500

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„Brandriegel“

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abb. 9-156 Isometrie und ansicht „Brandriegel“ abb. 9-157 „Brandriegel“, e00 | M 1:500

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„Brandriegel“

E01

Abb. 9-158 „Brandriegel“, E01 | M 1:500

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„Brandriegel“

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Abb. 9-159 „Brandriegel“, E02 | M 1:500

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„Brandriegel“

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Abb. 9-160 „Brandriegel“, E03 | M 1:500

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„Brandriegel“

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Abb. 9-161 „Brandriegel“, E04 | M 1:500

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„Brandriegel“

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Abb. 9-162 „Brandriegel“, E05 | M 1:500

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abb. 9-163 schnittperspektive Wohngeb채ude

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abb. 9-164 visualisierung Johannisquartier von der oranienburger strasse

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Marktlücke tacheles

das grundlegende architektonische Konzept der Marktlücke ist auf den ersten Blick simpel gehalten: die vorhandene Baulücke wird in einem ersten schritt komplett ausgefüllt. dadurch wirkt die Baulücke wie eine abstrakte Betonskulptur. um die Brachfläche und den skulpturenhof des tacheles zu erhalten und trotzdem nicht auf eine Bebauung verzichten zu müssen, wird die vorhandene Brachfläche in einem zweiten schritt angehoben auf das dach der Markthalle. es entsteht eine „andere“ Welt auf der neuen ebene. in einem dritten schritt wird die Bühne des Marktreibens eingerahmt. die seitlichen Bereiche stärken die Markthalle dabei durch ein ergänzendes angebot aus designshops, Manufakturen und besonderen lebensmittelläden. die gegenseitige Befruchtung von quartier, Markthalle und tacheles ist so das Ziel des entwurfs, um einen gelungenen städtebaulichen auftakt zum scheunenviertel zu bilden.

Leere

Füllung

die bestehende Baulücke

der gesamten Baulücke mit Beton

Schisma

Bühnenrahmen

Anheben des Brachfläche zur "anderen Welt"

Stationäre Nutzungen rahmen die öffentliche Bühne

abb. 10-108 Diagrammatisches entwurfkonzept der Markthalle

195


Markthalle der entwurf besetzt dreist den gebäudeabdruck der ehemalige Friedrichstraßenpassage. so spielt er mit und erinnert gleichzeitig an die Bedeutung dieser einkaufspassage. durch die setzung aktiviert er das tacheles als hauptzugang von der oranienburger straße zur Markthalle und zum skulpturpark auf dem dach. das spiel mit der erinnerung an die Passage endet damit aber nicht: die bogenförmigen arkaden generieren zwar ihre Formsprache aus dem Kräftefluß des freitragenden dachtragwerks, sind aber zugleich ein verweis an die historische Bausubstanz und die „idee“ von Passagen. Über der Friedrichstraßenpassage thronte in ihrem Zentrum eine gigantische gläserne Kuppel. die Markthalle übernimmt auch diese geste und transformiert sie zu einer großen Öffnung im dach. dadurch verwischt die grenze zwischen innenraum und außenraum, die halle ist nicht mehr nur Markthalle sondern auch Marktplatz. Über der Markthalle entsteht die schon angesprochene „andere Welt“ gemäß dem Koolhaas´schen schisma. diese andere Welt wird von Künstlern und Kreativen bevölkert, die nun ihren eigenen abgeschirmten ort bekommen. das tacheles bekommt dadurch wieder eine zentrale Rolle für das gesamte quartier. abb. 10-109 Isometrie „Marktlücke“ abb. 10-110 „Marktlücke“, e00 | M 1:500

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„Marktlücke“

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abb. 10-111 „Marktlücke“, e01 | M 1:500

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„Marktlücke“

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abb. 10-112 „Marktlücke“, e02 | M 1:500

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„Marktlücke“

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abb. 10-113 „Marktlücke“, e03 | M 1:500

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„Marktlücke“

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abb. 10-114 „Marktlücke“, e04 | M 1:500

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„Marktlücke“

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abb. 10-115 „Marktlücke“, e05 | M 1:500

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Perspektivschnitt und ansicht des Johannisquartiers von der oranienburger straĂ&#x;e

abb. 10-116 Perspektivschnitt Johannisquartier abb. 10-117 ansicht des Johannisquartiers von der oranienburger straĂ&#x;e

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Perspektivschnitt und ansicht Marktl端cke vom Johannisquartier

abb. 10-118 Perspektivschnitt Marktl端cke und tacheles abb. 10-119 ansicht der Markthalle vom Johannisquartier

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abb. 10-120 ansicht von der FriedrichstraĂ&#x;e

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Abb. 10-121 Visualisierung Marktplatz

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abb. 10-122 Die Marktstadt

Marktstände Für ein schlüssiges gesamtkonzept wird die Markthalle mit einer vielzahl an Marktständen bestückt. die verschiedenen größen und arten verdichten sich zu einem kleinen stadtbild und erschaffen so ein Zentrum im Zentrum. dabei sind die Marktstände so flexibel ausgerichtet, dass sie ohne Probleme bewegt und angepasst werden können. der Markt kann so schrumpfen und wachsen, eine neue Marktstadt kann jederzeit entstehen.

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abb. 10-123 evolution des Marktstandmoduls

die Marktstände bestehen aus erweiterbaren Modulen in holzbauweise. der auf- und umbau des Marktes gestaltet sich daher einfach, neue Marktwelten sind jederzeit gestaltbar. neben den klassischen Marktständen werden auch kleine ambulante händler und hökerer gefördert, die mit ihren Bauch- und Fahrradläden das Markttreiben lebendig machen.

abb. 10-124 explosionszeichnung Marktstandmodul

die nächste stufe ist der kleinste Marktsandtyp Xs. dieser beinhaltet dabei trotz seiner geringen größe alle Merkmale des Marktes: Jeder stand erhält ein eigenes „schaufenster“ duch einen breiten Rahmen. der obere Bereich des Rahmens dient zugleich als Werbetafel, auf dem

abb. 10-125 zusätzliche ambulante Marktstände (Beispiel)

215


standname, logo oder auch die sperisekarte gut sichtbar angebracht werden können.

abb. 10-126 Marktstand typ Xs

da das Markttreiben immer auch ein theatralisches Moment inne hat, wird jedem Marktverkäufer seine eigene kleine Bühne gegeben: die stände sind etwas erhöht, was den höhenunterschied zwischen Marktverkäufer und Käufer aufgreift, andererseits die begehbaren stände auber auch räumlich fasst. hat ein Xs Markstanderfolg oder es wird mehr Platz benötigt werden einfach ein weiterer holzrahmen und die aussteifung hinzugefügt. so entsteht der Marktstandtyp s, der schon einen eigenen kleinen verkaufsraum bildet.

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abb. 10-127 Marktstand typ s


abb. 10-128 Marktstand typ M

in der Folge entwickeln sich immer größere stände. die marktüblichen standardgrößen sind dabei die typen M und l. einen ersten sondertypus bildet dabei der typ M mit aufgang. durch die vertikale erschließung können die Besucher die zweite ebene des Marktes betreten. hier können sie die frisch gekauften Produkte verzehren oder einfach das Markttreiben beobachten. von dieser zweiten ebene führen weitere stege auch zu den seitenschiffen der Markthalle mit den zahlreichen shops.

abb. 10-129 Marktstand typ l

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abb. 10-130 Marktstand typ M + aufgang

der standtyp Xl ist der größte stand der regulären typen. hier ist der Marktstand nicht nur nach vorne gerichteter verkaufsstand, er ist ein eigener kleiner laden, den die Besucher auch betreten können. er eignet sich daher acuh besonders für Bekleidungsstände.

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abb. 10-131 Marktstand typ Xl


abb. 10-132 sondertyp campanile

die letzte Kategorie der Marktstände bieten die sondertypen „Campanile“ und „tribüne“. die tribüne übernimmt die haupterschliessungsfunktion für das erste geschoss und bietet zu gleich sitzplätze für die Marktbestauner. der Campanile dient als städtebaulicher hochpunkt in der kleinen Marktstadt. er markiert ein- und ausgänge und denn zentralen versammlungsplatz. abb. 10-133 sondertyp tribüne

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abb. 10-134 vogelperspektive Marktstadt

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Abb. 10-135 Innenansicht Markthalle

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Fa z i t Die Beschäftigung mit dem Thema zeigt, welch bedeutende kulturwissenschaftliche und architektonische Bedeutung Markt- und Handelsräume für unsere Städte bis heute haben. Es ist interessant zu sehen, wie gerade das 19. Jahrhundert unser heutiges Denken und unsere Architekturkonnotation geprägt haben. Namen und Gestaltung zahlloser Einkaufszentren belegen dies. Neben der architektonischen Relevanz ist aber auch die soziale Funktion von Märkten und Markthallen für die vorliegende Entwurfsstudie entscheidend. Der Markt als Urbild des (sozialen und kulturellen) Verhandelns wird hier geschickt eingebettet in ein Quartier, welches sich in den letzten Jahrzehnten eben genau durch Diskutieren und Verhandeln ausgezeichnet hat. Der Markt wirkt hier Katalysator und lädt ein, weiter zu diskutieren, zu verhandeln. Die Dichte der Stadt erfordert verschiedenste Programme auf engstem Raum und erzeugt erst so städtisches Leben: Die daraus resultierenden Konflikte aber besonders auch die Synergien schaffen so einen belebten und interessanten städtischen Raum. Der vorliegende Entwurf untersucht und evaluiert implizit die Potentiale hybrider Durchmischung. Er verfolgt dabei nicht den Ansatz, durch möglichst unterschiedliche oder konträre Nutzungen programmatische Dichte zu schaffen. Dieser Ansatzpunkt wäre sicherlich auch interessant, eine zusätzliche Überprüfung würde aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Der vorliegende Entwurf versucht hingegen, subtiler vorzugehen: Er greift den programmatischen genius loci auf und ergänzt ihn an sinnvoller Stelle. Der Charakter des Ortes wird so gleichsam bewahrt und weiterentwickelt. Ebenso äußert sich die Architektursprache. Elemente wie die Bogenform der Friedrichstrassenpassagen werden bewusst aufgegriffen als Symbol für öffentliche und gewerbliche Nutzung. So spielt der Entwurf zwar mit der architektonischen Konnotation von Markthallen und Passagen, transformiert die Form aber in eine sinnvolle und zeitgenössische Variante. Die Wohnbereiche hingegen grenzen sich durch Sprache und Form ab, wirken profaner und rationaler. Eine feine unterschwellige Erinnerung an die ostdeutsche Plattenbaugeschichte ist beabsichtigt, zugleich findet aber auch hier eine weitreichende architektonische Transformation statt. Sowohl die untersuchten Beispiele für Markthallen der letzten Jahre als auch die vorliegende Studie zeigen, dass es möglich ist, zeitgenössische Markthallen zu entwickeln. Ohne die historischen Vorbilder imitieren zu müssen, werden so spannende und reizvolle Markträume gebildet. In Anbetracht der wohl steigenden Nachfrage nach Markthallen wird es zu diesem Thema in der nahen Zukunft wohl noch zahl223


reiche interessante und unterschiedliche Entwurfsansätze geben. Diese Arbeit leistet daher einen kleinen Beitrag zu dieser architektonischen Diskussion. Sie zeigt auf, dass Markträume nicht nur funktionale Räume sein dürfen, sondern auch soziale und kulturelle. Zu stark ist die Bedeutung der historischen Hallen, zu wichtig die soziale und kulturelle Funktion als dass schnell errichtete, rein funktionale Hallen kommerziell und stadträumlich erfolgversprechend sein können. Neben der allgemeineren Untersuchung von Potentialen zeitgenössischer Markthallen, beschäftigt sich diese Arbeit speziell mit dem Johannisquartier und dem Tacheles in Berlin. Gerade auch in Bezug auf die aktuellen Entwicklungen zeigt die Arbeit die Wichtigkeit der Diskussion bei so relevanten städtischen Quartieren. Wie spannend, wie varianten- und ideenreich ein städtebaulicher Ideenwettbewerb für das Johannisquartier gewesen wäre, mag man sich nur vorstellen. Die vorliegende Entwurfsstudie zeigt aber, dass verschiedene Ansätze denkbar, machbar und diskussionwürdig wären. Es soll hier nicht die zukünftige - noch nicht einsehbare Planung von Herog & de Meuron kritisiert werden - eine Direktbeauftragung, egal welchen Büros, für die Entwicklung ganzer Quartiere an solch aufgeladenen Orten aber schon. Es bleibt zu hoffen, dass das schweizer Büro eine gute Lösung findet nicht nur für den Investor…

Zum Abschluß möchte ich mich an dieser Stelle bei den betreuenden Professoren Prof. Blumfeld-Hanada und Prof. Schultz-Granberg für die angenehme und immer hilfreiche Betreuung bedanken. Ausserdem geht mein Dank an die entsprechenden Personen für das Verständnis und die Unterstützung. Sebastian Neimeier 224


Abb. 11-193 Ein letzter Blick auf die Brachfl채cher hinter dem Tacheles (Mai 2015)

225



Abbi l d u n g s v e r z e i c h n i s

Abb. 1-1 Szene aus „Der Himmel über Berlin“. Wenders (1987) Abb. 1-2 Das „Tacheles“-Gebäude im Mai 2015 Abb. 2-3 Marktszene auf einem Grabrelief in TT57, Theben (Dollinger 2001) Abb. 2-4 Archetypischer Aufbau Basilika (Peddington 2015) Abb. 2-5 Trajansmarkt (Photobucket 2015) Abb. 2-6 Marktplatz Lübeck (Bonacci et. al. 2015) Abb. 2-7 Abbildung einer Karawanserai aus dem frühen 19. Jahrhundert (Brockhaus 2014) Abb. 2-8 Kapalı Çarsı - Grosser Basar in Istanbul Lageplan und Innenansicht heute (Wikipedia 2015i) Abb. 2-9 Galeries de Bois (Willsher 2015) Abb. 2-10 St. Johns Market (NML 2014) Abb. 2-11 Hungerford Market (Flickr 2015) Abb. 2-12 Les Halles Paris (Wikimedia 2015a) Abb. 2-13 Covent Garden, London (Wikimedia 2015b) Abb. 2-14 Leadenhall Market, London (Wikimedia 2015b) Abb. 2-15 Große Markthalle, Budapest (Wikimedia 2015b) Abb. 2-16 Markthalle Breslau (Wikimedia 2015b) Abb. 2-17 Mercado Central de Valencia (Wikimedia 2015b) Abb. 2-18 Borough Market (eig. Abbildung) Abb. 3-19 Molkenmarkt 1785 (Rosenberg 1785) Abb. 3-20 Markt auf dem Alexanderplatz 1889 (Schwartz 1889) Abb. 3-21 Ehemalige Markthalle am Schiffbauer Damm, Schnittperspektive (Wikipedia 2015b Abb. 3-22 Zentralmarkthalle am Alexanderplatz 1896 (Wikipedia 2015c) Abb. 3-23 Innenansicht Zentralmarkthalle um 1890 (Wikipedia 2015c) Abb. 3-24 Grundriss der Markthalle IV von etwa 1886 (Wikipedia 2015b) Abb. 3-25 Markthalle V Seitenfassade (Wikipedia 2015b) Abb. 3-26 Markthalle VII Grundriss (Wikipedia 2015b) Abb. 3-27 Markthalle X, Arminiusmarkthalle Innenansicht (Wikipedia 2015b) Abb. 3-28 Markthalle XI Innenansicht heute (Wikipedia 2015b) Abb. 3-29 Markthalle IX Street Food Thursday (Bühn 2014) Abb. 3-30 Eingang zur „Keller“-Markthalle am Marheinekeplatz 1947 (Marheineke Markthalle 2015) Abb. 3-31 Luftbild Berliner Großmarkt heute BGM (2015) Abb. 3-32 Impression aus dem Don Xuan Center (Buch 2014)

12 13 20 21 21 22 23 23 24 25 25 26 27 27 28 28 29 29 33 34 35 37 38 39 40 40 41 41 42 44 45 46 227


Abb. 3-33 Standorte der historischen Markthallen Abb. 3-34 Standorte der noch erhaltenen Markthallen Abb. 3-35 Berliner Märkte Abb. 4-36 Markthalle IX, Visualisierung (Raumlabor 2011) Abb. 4-37 Markthalle IX, Stadt in der Stadt (Raumlabor 2011) Abb. 4-38 Markthalle IX, Café, Schauküche und Bäckereitribüne (Raumlabor 2011) Abb. 4-39 Markthalle Aarau (Walti 2002) Abb. 4-40 Markthalle Aarau, Setzung in der Stadt (Hollenstein 2005) Abb. 4-41 Markthalle Aarau, Innenansicht (Arkiiv 2013) Abb. 4-42 Wakefield Market Hall, Straßenansicht (Adjaye 2008) Abb. 4-43 Wakefield Market, Grundriss (Archdaily 2012) Abb. 4-44 Wakefield Market, Grundriss (Varnell421, 2010) Abb. 4-45 Santa Caterina Mercat, Vogelperspektive (Miralles / Tagliabue 2009) Abb. 4-46 Santa Caterina Mercat, Grundriss (Miralles / Tagliabue 2009) Abb. 4-47 Santa Caterina Mercat, Straßenansicht (Miralles / Tagliabue 2009) Abb. 4-48 Metropol Parasol, Luftaufnahme (Meyer H. 2011) Abb. 4-49 Metropol Parasol, Explosionszeichnung (Solaripedia 2012) Abb. 4-50 Torghallen, Visualisierung (JaJa 2014) Abb. 4-51 Torghallen, Konzeptdiagramm (JaJa 2014) Abb. 4-52 Barcélo Centre Madrid, Straßenansicht (Baunetz 2015) Abb. 4-53 Barcélo Centre Madrid, Lageplan und temporärer Markt (Baunetz 2015) Abb. 4-54 Barcélo Centre Madrid, Perspektive Durchgang (Baunetz 2015) Abb. 4-55 Markthal Rotterdam, Luftaufnahme (Designboom 2014) Abb. 4-56 Markthal Rotterdam, Schnitt (Designboom 201 Abb. 4-57 Markthal Rotterdam, Grundriss E00 (Designboom 2014) Abb. 4-58 Markthal Rotterdam, Innenansicht (Designboom 2014) Abb. 5-59 Berlin und Cölln 1415, In: Historischer Atlas von Berlin 1415-1800, veröffentlicht 1835 (ZLB 2011) Abb. 5-60 Berlin 1688, In: Historischer Atlas von Berlin 1415-1800, veröffentlicht 1835 (ZLB 2011) Abb. 5-61 Berlin 1720, In: Historischer Atlas von Berlin 1415-1800, veröffentlicht 1835 (ZLB 2011) Abb. 5-62 Plan de la Ville de Berlin 1753 (ZLB 2011) Abb. 5-63 Ausschnitt Plan de la Ville de Berlin 1753 (ZLB 2011) Abb. 5-65 Ausschnitt Neuer geometrischer Plan, 1772 (ZLB 2011) Abb. 5-64 Neuer geometrischer Plan, 1772 (ZLB 2011) Abb. 5-67 Grundriss von Berlin und seinen naechsten Umgebungen 1809 (ZLB 2011) Abb. 5-66 Ausschnitt Grundriss von Berlin und seinen naechsten 228

47 48 49 53 54 54 55 55 56 57 57 58 59 60 60 61 61 62 62 63 63 64 65 65 66 66 69 70 71 72 72 73 73 74


Umgebungen 1809 (ZLB 2011) Abb. 5-69 Ausschnitt Grundriss von Berlin, 1846 (ZLB 2011) Abb. 5-68 Grundriss von Berlin, 1846 (ZLB 2011) Abb. 5-70 Hobrecht-Plan von 1862(ZLB 2011) Abb. 5-72 Ausschnitt Situationsplan von 1888 (ZLB 2011) Abb. 5-71 Situationsplan von 1888 (ZLB 2011) Abb. 5-73 Berlin um 1940. Schwarzplan der Innenstadt (Stadt Berlin 2011) Abb. 5-74 Kriegszerstörung. Auf der Grundlage des Schwarzplans 1940 (Stadt Berlin 2011) Abb. 5-75 Neue Gebäude 1940 bis 1953. Auf der Grundlage des Schwarzplans 1953 (Stadt Berlin 2011) Abb. 5-76 Berlin um 1953. Schwarzplan der Innenstadt (Stadt Berlin 2011) Abb. 5-77 Abriss 1953 bis 1989. Auf der Grundlage des Schwarzplans 1953 (Stadt Berlin 2011) Abb. 5-78 Neue Gebäude 1953 bis 1989. Auf der Grundlage des Schwarzplans 1989 (Stadt Berlin 2011) Abb. 5-79 Berlin um 1989. Schwarzplan der Innenstadt (Stadt Berlin 2011) Abb. 5-80 Abriss 1989 bis 2001. Auf der Grundlage des Schwarzplans 1989 (Stadt Berlin 2011) Abb. 5-81 Neue Gebäude 1989 bis 2001. Auf der Grundlage des Schwarzplans 2001 (Stadt Berlin 2011) Abb. 5-82 Berlin um 2001. Schwarzplan der Innenstadt (Stadt Berlin 2011) Abb. 5-83 Kriegszerstörung und Abriss bis 2001. Auf der Grundlage des Schwarzplans 1940 (Stadt Berlin 2011) Abb. 5-84 Neue Gebäude 1945 bis 2001. Auf der Grundlage des Schwarzplans 2001 (Stadt Berlin 2011) Abb. 5-85 Berlin um 2014. Schwarzplan der Innenstadt (Stadt Berlin 2011) Abb. 5-86 Luftbild vom Johannisquartier 1928 (Google Earth) Abb. 5-87 Luftbild Berlin 1943 (Google Earth ) Abb. 5-88 Luftbild Berlin März 1945 (Google Earth ) Abb. 5-89 Luftbild Berlin 1953 (Google Earth ) Abb. 5-90 Luftbild Berlin 2002 (Google Earth ) Abb. 5-91 Luftbild Berlin 2005 (Google Earth ) Abb. 5-92 Luftbild Berlin 2014 (Google Earth ) Abb. 5-93 Schrägluftbild des Johannisquartier 2015 (Bing Maps) Abb. 5-94 Berlin Mitte Abb. 5-95 Lage des Johannisquartiers in Berlin Abb. 5-96 Das Tacheles in Berlin Mitte Abb. 5-97 Schwarzplan Johannisquartier | M 1:20.000 Abb. 5-98 Der gültige Bebauungsplan I-42 von 2001 (Stadt Berlin 2011) Abb. 6-99 Ansicht in der Friedrichstraße (ZfBw 1909a)

74 75 75 76 77 77 79 81 83 85 87 89 91 93 95 97 99 101 103 104 104 105 105 106 106 107 107 108 109 110 111 113 115 229


Abb. 6-100 Kuppelraum der Friedrichstraßenpassage (ZfBw 1909a) 116 Abb. 6-101 Die Passage in der Friedrichstraßenpassage (BAW 1909) 117 Abb. 6-110 Grundrisse der Friedrichstraßenpassagen (BAW 1909) 119 Abb. 6-111 Schnitte und Ansicht Friedrichstraßenpassage (RfBw 1909) 120 Abb. 6-112 Impressionen aus der Friedrichstra0enpassage (BAW 1909) 121 Abb. 6-102 Kriegsschäden am Haus der Technik (Fischer 1980) 122 Abb. 6-103 Die Fassade des bestehenden Tacheles-Teils (eigene Abbildung) 123 Abb. 6-104 Flohmarkt am Tacheles in den 1990ern Shoey (2012) 124 Abb. 6-105 Innenansicht Tacheles (wikipedia 2015a) 125 Abb. 6-106 Skulpturengarten (Shoey 2012) 126 Abb. 6-107 Das Johannisquartier nach Vorstellung von Duany (DPZ 2006) 128 Abb. 6-108 Johannisquartier und „Flat Iron Building“ (DPZ 2006) 129 Abb. 6-109 Die „neue Berliner Mauer“ im Eingang zum Tacheleshof (Spiegel Online 2011) 130 Abb. 7-113 Tacheles Areal 133 Abb. 7-114 Studie „Füllung“ 133 Abb. 7-115 Studie „Historisch“ 134 Abb. 7-116 Studie „Oranienburger Riegel“ 134 Abb. 7-117 Studie „Querpassage“ 135 Abb. 7-118 Studie „Historisch + Querverbindung“ 135 Abb. 7-119 Studie „Verlängerung“ 136 Abb. 7-120 Studie „Marktteppcih“ 136 Abb. 7-121 Studie „Blöcke“ 137 Abb. 7-122 Studie „Cluster“ 137 Abb. 7-123 Studie „Verlängerung + Block“ 138 Abb. 7-124 Studie „Zwei Blöcke zur Oranienburger Str.“ 138 Abb. 7-125 Studie „Zwei Blöcke in die andere Richtung“ 139 Abb. 7-126 Studie „Zwei Blöcke + Berliner Blockschließung“ 139 Abb. 7-127 Studie „Zwei Bläcke + aufweitender Riegel“ 140 Abb. 7-128 Studie „Zwei Blöcke + enganliegender Riegel“ 140 Abb. 7-129 Studie „Zweite Platzbildung“ 141 Abb. 7-130 Finale städtebauliche Konfiguration 141 Abb. 8-131 Schematische Visualisierung Johannisquartier von der Oranienburger Straße 144 Abb. 8-132 Die „Brachfläche“ auf der Markthalle 145 Abb. 8-133 Schwarzplan Johannisquartier | M 1:20.000 146 Abb. 8-134 Isometrie des Johannisquartiers 147 Abb. 9-135 Diagrammatische Entwicklung Städtebau 149 Abb. 9-136 Lageplan Johannisquartier | M 1:1000 150 Abb. 9-137 Der Wohnriegel | M 1:500 153 Abb. 9-138 Wohnungstyp C | Maisonette, untere Ebene 154 230


Abb. 9-139 Wohnungstyp C | Maisonette, obere Ebene Abb. 9-140 Wohnungstyp A | Single Abb. 9-141 Wohnungstyp B | Double Abb. 9-142 Isometrie und Ansicht „Oranienburger Block“ Abb. 9-143 „Oranienburger Block“, E00 | M 1:500 Abb. 9-144 „Oranienburger Block“, E01 | M 1:500 Abb. 9-145 „Oranienburger Block“, E02 | M 1:500 Abb. 9-146 „Oranienburger Block“, E03 | M 1:500 Abb. 9-147 „Oranienburger Block“, E04 | M 1:500 Abb. 9-148 „Oranienburger Block“, E05 | M 1:500 Abb. 9-149 Isometrie und Ansicht „Johannisblock“ Abb. 9-150 „Johannisblock“, E00 | M 1:500 Abb. 9-151 „Johannisblock“, E01 | M 1:500 Abb. 9-152 „Johannisblock“, E02 | M 1:500 Abb. 9-153 „Johannisblock“, E03 | M 1:500 Abb. 9-154 „Johannisblock“, E04 | M 1:500 Abb. 9-155 „Johannisblock“, E05 | M 1:500 Abb. 9-156 Isometrie und Ansicht „Brandriegel“ Abb. 9-157 „Brandriegel“, E00 | M 1:500 Abb. 9-158 „Brandriegel“, E01 | M 1:500 Abb. 9-159 „Brandriegel“, E02 | M 1:500 Abb. 9-160 „Brandriegel“, E03 | M 1:500 Abb. 9-161 „Brandriegel“, E04 | M 1:500 Abb. 9-162 „Brandriegel“, E05 | M 1:500 Abb. 9-163 Schnittperspektive Wohngebäude Abb. 9-164 Visualisierung Johannisquartier von der Oranienburger Strasse Abb. 8-108 Diagrammatisches Entwurfkonzept der Markthalle Abb. 8-109 Isometrie „Marktlücke“ Abb. 8-110 „Marktlücke“, E00 | M 1:500 Abb. 8-111 „Marktlücke“, E01 | M 1:500 Abb. 8-112 „Marktlücke“, E02 | M 1:500 Abb. 8-113 „Marktlücke“, E03 | M 1:500 Abb. 8-114 „Marktlücke“, E04 | M 1:500 Abb. 8-115 „Marktlücke“, E05 | M 1:500 Abb. 8-116 Perspektivschnitt Johannisquartier Abb. 8-117 Ansicht des Johannisquartiers von der Oranienburger Straße Abb. 8-118 Perspektivschnitt Marktlücke und Tacheles Abb. 8-119 Ansicht der Markthalle vom Johannisquartier Abb. 8-120 Ansicht von der Friedrichstraße Abb. 8-121 Visualisierung Marktplatz Abb. 8-122 Die Marktstadt

154 155 155 156 156 158 160 162 164 166 168 168 170 172 174 176 178 180 180 182 184 186 188 190 192 193 195 196 196 198 200 202 204 206 208 208 210 210 212 213 214 231


Abb. 8-123 Evolution des Marktstandmoduls 215 Abb. 8-125 Zus채tzliche ambulante Marktst채nde (Beispiel) 215 Abb. 8-124 Explosionszeichnung Marktstandmodul 215 Abb. 8-126 Marktstand Typ XS 216 Abb. 8-127 Marktstand Typ S 216 Abb. 8-128 Marktstand Typ M 217 Abb. 8-129 Marktstand Typ L 217 Abb. 8-130 Marktstand Typ M + Aufgang 218 Abb. 8-131 Marktstand Typ XL 218 Abb. 8-132 Sondertyp Campanile 219 Abb. 8-133 Sondertyp Trib체ne 219 Abb. 8-134 Vogelperspektive Marktstadt 220 Abb. 8-135 Innenansicht Markthalle 221 Abb. 11-193 Ein letzter Blick auf die Brachfl채cher hinter dem Tacheles (Mai 2015) 225

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