Tectum Leseprobe, Holger Langlotz, Praktikum erfolgreich!

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Holger Langlotz

Praktikum erfolgreich! Von der ersten Idee Ăźber die richtige Bewerbung bis zum wertvollen Arbeitszeugnis und darĂźber hinaus

Tectum


Holger Langlotz Praktikum erfolgreich! Von der ersten Idee über die richtige Bewerbung bis zum wertvollen Arbeitszeugnis und darüber hinaus Tectum Verlag Marburg, 2016 ISBN 978-3-8288-3739-3 Lektorat: Volker Manz Coverabbildung: suze / photocase.de Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ®

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Inhalt Vorwort 11 1. Bedeutung und Nutzen von Praktika

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2. Der richtige Zeitpunkt für das erste Praktikum

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3. Auswahlstrategie definieren und Praktika konsistent aufeinander abstimmen

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4. Praktikumsstellen finden

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4.1 Ausgeschriebene Praktika

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4.2 Initiativbewerbung

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4.3 Kontakte zu Unternehmensvertretern

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Exkurs: Der Bewerbungsflyer

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5. Geeignete Praktikumsstellen auswählen

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6. Die erfolgreiche Bewerbung

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6.1 Der Bewerbungsprozess im Überblick

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6.2 Anforderungen ermitteln und Eignung prüfen

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6.3 Bewerbungsunterlagen erstellen

85

6.3.1 Lebenslauf

88


Exkurs: Das Bewerbungsfoto

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6.3.2 Anschreiben

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6.3.3 Zeugnisse und ähnliche Dokumente

123

Exkurs: Die persönliche (Bewerbungs‑)Website

126

6.4 Einladung zum persönlichen Gespräch

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6.5 Das Bewerbungsgespräch

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6.5.1 Vorbereitung und Anreise

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6.5.2 Begrüßung und Vorstellung der Unternehmensvertreter 142 6.5.3 Persönlichkeit des Bewerbers

145

6.5.4 Fachfragen und Fallstudien

165

6.5.5 Diskussion der Praktikumsstelle

175

6.5.6 Diskussion offener Fragen des Bewerbers und Verabschiedung

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6.6 Vertragsangebot 7. Das Praktikum erfolgreich gestalten – für sich und das Unternehmen

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7.1 Vorbereitung

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7.2 Aufbau persönlicher Beziehungen

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7.3 Zusammenarbeit mit den Kollegen

193

7.4 Inhaltliche Qualität der Arbeit

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7.5 Teilnahme an Meetings

212

7.6 Maximierung des persönlichen Lerneffekts

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8. Zeugnis

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9. Langfristig vom Praktikum profitieren

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10. Ergänzungen zum Praktikum

237

11. Besonderheiten von Auslandspraktika

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1.

Bedeutung und Nutzen von Praktika

Praktika sind – neben den akademischen Leistungen, der Auslandserfahrung und dem gesellschaftlichen Engagement – in der Regel ein wesentliches Auswahlkriterium bei der Bewerbung um attraktive Arbeitsplätze nach dem Studium. Je nach Studiengang und angestrebter Tätigkeit wird häufig vorausgesetzt, dass der Kandidat während seines Studiums nicht nur ein, sondern mehrere Praktika absolviert hat. Eine häufig genannte Untergrenze sind drei Praktika, wobei die jeweilige Dauer im Allgemeinen drei Monate nicht unterschreiten sollte. Dementsprechend ist es heutzutage für Studenten fast aller Fachrichtungen gang und gäbe, während ihres Studiums mindestens ein, in der Regel jedoch mehrere Praktika zu absolvieren. Waren Praktika bis vor einigen Jahren noch ein Differenzierungsmerkmal im Lebenslauf, sind sie heute eine unverzichtbare Bedingung, werden wie selbstverständlich erwartet und sind damit schlicht erforderlich auf dem Weg ins Berufsleben. Umso mehr stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen Praktika einen echten Mehrwert für den Studenten stiften und zur Differenzierung von der Masse beitragen können.


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Entscheidend ist hierfür weniger, die Anzahl der Praktika oder deren Dauer zu maximieren. Vielmehr geht es insbesondere um die Qualität der einzelnen Praktika. Diese ergibt sich primär aus den im Praktikum übernommenen Tätigkeiten, also aus den Anforderungen und dem Schwierigkeitsgrad sowie der übernommenen Verantwortung und Selbstständigkeit bei der Bearbeitung der Aufgaben. Darüber hinaus kann die Qualitätswahrnehmung eines Praktikums zusätzlich durch das Ansehen des Unternehmens, bei dem es absolviert wurde, und den Standort – insbesondere wenn es sich um ein Auslandspraktikum handelt – beeinflusst werden. Mindestens ebenso wichtig ist, dass die absolvierten Praktika zur Persönlichkeit des jeweiligen Studenten und zur Ausrichtung seines Studiums passen. Es gilt somit, sich zunächst selbst zu fragen: Wer bin ich? Was ist mir wichtig? Welche Ziele möchte ich erreichen? Denn nur, wenn Praktika zum jeweiligen Individuum passen, können sie einen echten Beitrag zur persönlichen Weiterentwicklung und zur Erreichung individueller Zielen leisten. Schließlich hat auch die Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt letzten Endes viel mit Identität und Selbstbewusstsein zu tun. Aus diesen Überlegungen ergibt sich idealerweise fast wie von selbst, dass die Tätigkeiten und damit die in den Praktika gesammelten Erfahrungen im Einzelnen sowie in ihrer Gesamtheit zum Jobprofil der Stelle passen sollten, die beim Einstieg in das Berufsleben angestrebt wird. Praktika, die sozusagen wie ein roter Faden zu der zu besetzenden Position führen, sind ein echtes Differenzierungsmerkmal gegenüber Mitbewerbern. Bleibt noch die Frage zu klären, weshalb Unternehmen bei der Besetzung offener Stellen so viel Wert auf Praktika legen. Die Antwort ist simpel: Viele für das Berufsleben wesentliche Kennt-


1. Bedeutung und Nutzen von Praktika

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nisse und Erfahrungen lassen sich schlicht und einfach nur durch Praxiserfahrung »on the job« – während des Studiums also fast ausschließlich im Rahmen von Praktika – erwerben. Allgemein gesprochen dreht es sich dabei im Wesentlichen um die Erweiterung des eigenen Erfahrungshorizonts durch praktische Einblicke in das allgemeine Berufsleben, konkrete Tätigkeiten und ein Unternehmen, die sich nur durch die aktive Mitarbeit in einem beziehungsweise dem jeweiligen Unternehmen erlangen lassen, während sie Außenstehenden verwehrt bleiben. Entsprechend lohnt es sich für jeden Studenten, sich frühzeitig mit dem Thema Praktikum zu befassen. Ausgehend von dieser allgemeinen, noch sehr vagen Schilderung des Nutzens von Praktika lassen sich zahlreiche potenzielle Vorteile für Studenten konkret benennen, die im Folgenden detailliert dargestellt werden.

Abbildung 1: Nutzen und Ziele von Praktika


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Kennenlernen allgemeiner Gepflogenheiten in der Geschäftswelt Ein Teil der Intention eines Praktikums sollte immer darin bestehen, durch die temporäre Mitarbeit in einem Unternehmen allgemeine Gepflogenheiten und Umgangsformen in der Geschäftswelt kennenzulernen. Hierunter fallen insbesondere die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten, Kollegen und Kunden. Dabei lassen sich eine Sensibilität und situative Anpassungsfähigkeit entwickeln, die einem das künftige Agieren in der Berufswelt erleichtern. Beispielsweise erscheint es sinnvoll, sich bereits während des Studiums im Rahmen von Praktika mit Arbeits- und Entscheidungsprozessen sowie Hierarchieebenen in Unternehmen vertraut zu machen: Welche Funktionen, Gremien und Hierarchien gibt es? Welche Gremien beziehungsweise welche Personen treffen welche Entscheidungen? Wie läuft die formelle und informelle Kommunikation innerhalb eines Unternehmens sowie mit externen Partnern, beispielsweise Kunden und Lieferanten, ab? Derartige praktische Kenntnisse erleichtern den späteren Jobeinstieg deutlich, da sie die Attraktivität eines Kandidaten für rekrutierende Unternehmen immens steigern.

Ergänzung theoretischen Studienwissens Studieninhalte beziehungsweise das im Rahmen eines Studiums vermittelte Wissen sind in der Regel überwiegend theoretischer Natur und nicht selten nur eingeschränkt praxisorientiert. Daher ist es zur Vorbereitung auf den späteren Berufseinstieg sinnvoll, das im Studium erlernte theoretische Wissen durch praktische Erfahrungen in Unternehmen zu ergänzen.


1. Bedeutung und Nutzen von Praktika

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Ein Praktikum bietet zum einen die Möglichkeit, theoretisch erlerntes, fachspezifisches Wissen praktisch anzuwenden beziehungsweise dessen Anwendung in der Praxis zu erleben, was unausweichlich eine Festigung und Erweiterung des fachspezifischen Wissens mit sich bringt. Zum anderen werden in der Praxis die oft komplexen Zusammenhänge zwischen Themen deutlich, die im Studium in separaten Fächern isoliert vermittelt werden. Auf diese Weise führen praktische Erfahrungen zu einem besseren Verständnis der gesamten Materie – Theorie und Praxis ergänzen sich.

Abgleich von Tätigkeitsprofilen mit den eigenen Interessen, Präferenzen und Jobvorstellungen Ist die Arbeit an einem Thema, das in der Theorie des Studiums oder bei der Lektüre der Presse interessant erscheint, in der Praxis ebenso spannend? Durch die Mitarbeit im jeweiligen Fachbereich eines Unternehmens kann diese Frage bestmöglich beantwortet werden. Während eines Praktikums lässt sich somit am besten feststellen, ob die jeweilige Thematik, die Arbeitsinhalte und die Aufgaben eines Fachbereichs beziehungsweise einer Abteilung den eigenen Vorstellungen von einer langfristig interessanten und erfüllenden Tätigkeit entsprechen. Zwar liegt es in der Natur der Sache, dass die Arbeitsinhalte eines Praktikanten aufgrund des weniger fundierten Wissens und der geringeren Erfahrung im jeweiligen Aufgabenbereich in der Regel zumindest teilweise von denen der fest angestellten Kollegen abweichen. Dennoch lässt sich anhand der selbst abgearbeiteten Aufgaben und der über die Tätigkeit der fest angestellten Kollegen gesammelten Eindrücke sehr gut herausfinden, ob die jeweilige Tätigkeit auch langfristig den eigenen Erwartungen und Vorlieben entspricht.


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Unternehmen als potenziellen Arbeitgeber kennenlernen Im Rahmen eines Praktikums lernt man ein Unternehmen mit seiner spezifischen Kultur im Arbeitsalltag kennen. Konkret erlebt man zum Beispiel die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachbereichen und über Hierarchiegrenzen hinweg, gewinnt Einblicke in die Personalentwicklung sowie die typischen Karrierewege und lernt die Prozesse der Entscheidungsfindung kennen. Dabei wird man automatisch feststellen, ob man sich im jeweiligen Umfeld wohlfühlt und sich das Arbeiten in diesem Kontext dauerhaft vorstellen kann, das heißt, ob eine Festanstellung gegebenenfalls infrage käme. Abgesehen von der pauschalen Beantwortung dieser Fragestellung lassen sich, wenn man einzelne Aspekte des Arbeitsumfelds und der Unternehmenskultur auf ihre Kompatibilität mit den eigenen Präferenzen hin überprüft, Rückschlüsse darauf ziehen, welche Aspekte beziehungsweise Ausprägungen allgemein zur eigenen Persönlichkeit passen. Im Bewerbungsprozess für andere Praktika oder Festanstellungen können diese Kriterien geschickt abgefragt und zur Entscheidungsfindung genutzt werden, was das Risiko, einen Arbeitsplatz anzunehmen, in dem man sich dann nicht wohlfühlt, deutlich reduziert. Darüber hinaus lassen sich zumindest einige Aspekte der Unternehmenskultur mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Unternehmen ähnlichen Typs verallgemeinern. Start-ups werden beispielsweise stärker von Unternehmergeist und einer umsetzungsorientierten, hemdsärmeligen Mentalität geprägt sein als Großkonzerne, für die eine stärkere Orientierung an Hierarchien und Prozessen typisch erscheint. Entsprechend lässt sich durch Praktika auch herausfinden, welcher Unternehmenstyp den eigenen Vorlieben am ehesten entspricht – insbesondere, wenn im


1. Bedeutung und Nutzen von Praktika

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Laufe des Studiums Praktika bei verschiedenen Unternehmen absolviert werden.

Knüpfen von Kontakten und Aufbau eines Netzwerks Ein Praktikum bietet die Chance, ein Unternehmen und dessen Mitarbeiter kennenzulernen. Zudem ergeben sich je nach Praktikum auch Kontakte außerhalb des Unternehmens. Beispielsweise lassen sich auf Messen, Kongressen oder Schulungen, die im Rahmen eines Praktikums besucht werden, Kontakte zu Mitarbeitern anderer Unternehmen der gleichen und verwandter Branchen knüpfen oder Kontakte zu Menschen herstellen, die im gleichen oder in verwandten Tätigkeitsfeldern arbeiten. Ebenso kann es im Rahmen der täglichen Arbeit im Praktikum je nach Tätigkeitsfeld gegebenenfalls zur Interaktion mit Kunden, Lieferanten, Kooperationspartnern oder Kapitalgebern kommen. Die so gewonnenen Kontakte sind unter Umständen eine wertvolle Ressource für den weiteren Karriereweg. Zum einen lässt sich eventuell ein Mentor gewinnen, der bei der allgemeinen Karriereplanung, der Auswahl künftiger Praktika und der ersten Festanstellung, bei der Wahl von Studienschwerpunkten oder bei Abschlussarbeiten beratend zur Seite steht. Oft finden solche Mentoring-Beziehungen rein informell aufgrund der während eines Praktikums aufgebauten persönlichen Beziehung statt. Manche Unternehmen bieten jedoch auch entsprechende organisierte Mentoring-Programme, etwa im Rahmen eines Talent-Pools (siehe unten), wobei grundsätzlich beide Formate den gleichen Nutzen bringen können. Darüber hinaus lassen sich Kontakte, die in einem Praktikum geknüpft worden sind, später gegebenenfalls bei der Jobsuche vorteilhaft einsetzen. Denn ein Fürsprecher im Unternehmen, der eine Bewerbung unterstützt, oder ein ehemaliger Kollege,


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der von einer noch nicht offiziell ausgeschriebenen Stelle erzählt, auf die man sich womöglich exklusiv bewerben kann, können sprichwörtlich Gold wert sein. Nicht zu unterschätzen sind auch die möglichen Vorteile eines eigenen Branchennetzwerks, auf das man bereits beim Jobeinstieg zurückgreifen kann. Ein solches Netzwerk lässt sich bei Bedarf beispielsweise zur schnellen und unbürokratischen Klärung fachlicher Fragen oder zum Erfahrungsaustausch und BestPractice-Sharing nutzen.

Aufnahme in Talent-Pools und erleichterter Zugang zu offenen Stellen Gute Praktikanten können gefragte künftige Mitarbeiter sein. Nicht nur, dass das Unternehmen ehemalige Praktikanten bereits über einen längeren Zeitraum im Arbeitsalltag beobachten und so die Qualität von deren Arbeit testen konnte. Auch lässt sich während des Praktikums bereits feststellen, wie der Praktikant gegebenenfalls mit Konflikt- und Stresssituationen umgeht und ob er zur Unternehmenskultur passt. Darüber hinaus kennt ein ehemaliger Praktikant die internen Abläufe im Unternehmen und im Idealfall auch die Arbeitsabläufe der betreffenden Abteilung bereits, was die Einarbeitungszeit verkürzt. Daher sprechen Unternehmen beziehungsweise die jeweiligen Vorgesetzten aus dem Praktikum ehemalige Praktikanten, die während des Praktikums mit fachlicher Leistung und Teamfähigkeit überzeugen konnten, oft aktiv an, wenn sie offene Stellen zu besetzen haben. In seltenen Fällen kann es nach einem Praktikum sogar zu einem verbindlichen Angebot für eine Festanstellung nach dem erfolgreich absolvierten Studium kommen.


1. Bedeutung und Nutzen von Praktika

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Zum Zweck der Praktikantenbindung nehmen einige Unternehmen gute Praktikanten in sogenannte Praktikantenbindungsprogramme, häufig auch als Talent-Pools bezeichnet, auf. Diese dienen Unternehmen als Rahmen, um mit vielversprechenden ehemaligen Praktikanten in Kontakt zu bleiben und zu gegebener Zeit unter ihnen potenzielle Mitarbeiter anzuwerben. Entsprechend werden Talent-Pool-Mitglieder oft direkt angesprochen, wenn eine passende offene Stelle zu besetzen ist. Solche Praktikantenbindungsprogramme sind überwiegend eine Art Stipendienprogramm mit ausschließlich ideellen Förderangeboten. Die Förderung kann beispielsweise in einem strukturierten Mentoring-Programm oder in praxisrelevanten Seminaren, häufig im Bereich der Soft Skills, bestehen. Typische Themenfelder für solche Schulungen sind etwa Präsentationskompetenz, Projektmanagement und Zeitmanagement.

Sammlung von Erfahrung in Bewerbungsprozessen Unabhängig von Kontakten, der Mitgliedschaft in Talent-Pools oder der bevorzugten Ansprache bei der Besetzung offener Stellen wird früher oder später, von wenigen Ausnahmen abgesehen, so gut wie jeder Student einen Bewerbungsprozess für eine Festanstellung durchlaufen müssen. Und wie immer gilt auch hier: Übung macht den Meister. Wer also bereits über Vorerfahrung verfügt, hat sicherlich einen Vorteil gegenüber unerfahreneren Konkurrenten. Entsprechend bietet die Bewerbung auf ein Praktikum die wertvolle Gelegenheit, sich mit den üblichen Gepflogenheiten in Bewerbungsprozessen vertraut zu machen. Denn Bewerbungsprozesse für Praktika und die zugehörigen Bewerbungsgespräche unterscheiden sich in ihrer grundsätzlichen Struktur häufig nur unwesentlich von Fällen, in denen es um eine Festanstellung geht.


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Allerdings ist der Auswahlprozess für eine Festanstellung in der Regel umfangreicher und die Auswahlmaßstäbe sind strenger. Insbesondere das Auftreten im Bewerbungsgespräch, das unerfahrenen Bewerbern häufig Probleme bereitet, lässt sich im Zuge der Praktikumsbewerbung hervorragend trainieren. Wer im Rahmen seiner Praktikumsbewerbungen bereits das eine oder andere Jobinterview absolviert hat, ist somit klar im Vorteil. Er kennt die üblichen Abläufe und Standardfragen, weiß, wie in welcher Situation zu reagieren ist, und tritt seinem Gesprächspartner wohl sicherer und gelassener – und damit überzeugender – gegenüber.

Erwerben praktischer Zusatzqualifikationen Praktika, die inhaltlich außerhalb des Themenschwerpunkts des eigenen Studienfachs angesiedelt sind, bieten eine wenig genutzte Gelegenheit, die eigene Qualifikation in fachfremden Bereichen zu ergänzen. Beispielsweise sind Mediziner mit betriebswirtschaftlichen Kenntnissen gefragte Fachkräfte im Bereich Gesundheitsmanagement. Mediziner, die sich für eine derartige Tätigkeit interessieren, könnten daher während des Studiums etwa ein Praktikum in der kaufmännischen Verwaltung, beispielsweise in der Controlling-Abteilung eines Krankenhausbetreibers, absolvieren, um sich entsprechende Praxiserfahrung anzueignen. Umgekehrt könnten Studenten der Betriebswirtschaftslehre, die sich für das Gesundheitsmanagement interessieren, ein Praktikum in einer operativen Tätigkeit in diesem Bereich, zum Beispiel als Pflegekraft in einem Krankenhaus, in Erwägung ziehen. Um später aus solchen Blicken über den Tellerrand einen entscheidenden Nutzen ziehen zu können, sollten derartige Praktika jedoch sehr gut auf das angestrebte Tätigkeitsfeld abgestimmt sein.


1. Bedeutung und Nutzen von Praktika

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Diese Auflistung möglicher Ziele beziehungsweise Nutzen von Praktika mag sich noch fortsetzen lassen, gibt in dieser Form aber einen guten Überblick über die wesentlichen relevanten Aspekte. Der Vollständigkeit halber seien nachfolgend noch zwei weitere Stichworte genannt, die immer wieder als Argumente für Praktika ins Feld geführt werden. Jedoch sind sie eher als Beiwerk oder Konsequenz von Praktika anzusehen und sollten bei der Entscheidung für ein Praktikum nicht im Zentrum der Überlegungen stehen.

Geld verdienen Die monetäre Entlohnung sollte bei der Entscheidung für einen Praktikumsplatz nicht die Hauptrolle spielen, stellt in der Praxis jedoch für viele Studenten ein wesentliches Auswahlkriterium dar. Deutlich entscheidender für die Qualität eines Praktikumsplatzes ist der zu erwartende Erfahrungszuwachs beziehungsweise das Lernpotenzial, das die Stelle verspricht. Teilweise ist es auch so, dass Stellen, in denen die Praktikanten einen großen Teil der Arbeitszeit mit dem Abarbeiten von Routineaufgaben verbringen, etwas besser bezahlt sind als solche, bei denen mehr Raum bleibt, den erfahrenen Kollegen über die Schulter zu schauen, und somit eher das Lernen im Vordergrund steht. Leider ist dieser Zusammenhang keineswegs allgemeingültig, sodass jede Praktikumsstelle, was ihr Potenzial und die Angemessenheit der Vergütung betrifft, individuell eingeschätzt werden muss. Dies vorweggeschickt, bleibt trotzdem festzustellen, dass Geld insbesondere für Studenten stets ein knappes Gut ist. Und wer als Praktikant etwas für ein Unternehmen tut, der darf auch eine angemessene Gegenleistung erwarten. Die Bandbreite der Praktikumsvergütungen ist recht groß und liegt je nach Studienfach und ‑fortschritt, Tätigkeit und Branche zwischen circa 300


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und 2.500 Euro im Monat, wobei dreistellige Euro-Beträge deutlich überwiegen. Zu beachten ist, dass in Deutschland auch für Praktikanten die Mindestlohnregularien gelten, was die Praktikumsvergütung in vielen Fällen deutlich aufgewertet hat. Ausgenommen hiervon sind jedoch Pflichtpraktika, Praktika mit einer Dauer von bis zu drei Monaten sowie Personen unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Da an dieser Stelle keine Rechtsberatung geleistet werden kann und soll, sei für weiterführende Informationen auf das Mindestlohngesetz in der jeweils gültigen Fassung verwiesen. Es wird deutlich, dass sich mit einem entsprechenden Ferienjob in vielen Fällen wohl mehr verdienen lässt als mit einem Praktikum – jedenfalls dann, wenn die Mindestlohnregularien nicht greifen. Demgegenüber steht, dass ein Praktikum für die spätere Karriere in der Regel sicherlich deutlich förderlicher ist und sich in der Zukunft, sprich beim Jobeinstieg, entsprechend auch in Euro und Cent niederschlagen sollte.

»Lebenslauftuning« Teilweise ist zu hören, dass Praktika nach ihrer (vermeintlichen) »Werbewirksamkeit« im Lebenslauf ausgesucht werden. Im Vordergrund stehen dann die Strahlkraft der Unternehmensmarke sowie eine möglichst klangvolle oder gerade im Trend liegende Stellen- beziehungsweise Tätigkeitsbezeichnung. Selbstverständlich können solche Kriterien mit der tatsächlichen Qualität eines Praktikums korrelieren, müssen dies jedoch nicht zwangsläufig. Entsprechend sind nicht eine Marke oder dergleichen, sondern insbesondere die Möglichkeiten zur Erweiterung des eigenen Erfahrungshorizonts zur Bewertung eines Praktikumsplatzes heranzuziehen. Denn letztlich sind es die gesammelten praktischen Erfahrungen, die einem künftig im Job und auch in einem


1. Bedeutung und Nutzen von Praktika

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Bewerbungsprozess weiterhelfen. Spätestens wenn es um die Beantwortung tätigkeitsbezogener Fragen im Bewerbungsgespräch geht, hilft kein klangvoller Unternehmensname, sondern ausschließlich das angesammelte Erfahrungswissen. Darüber hinaus können angesehene Unternehmen selbstverständlich als Referenz dienen. Dies gilt insbesondere für Tätigkeitsbereiche, in denen das jeweilige Unternehmen wenigstens innerhalb seiner Branche als führend gilt und Maßstäbe setzt (vergleiche Kapitel 5). Zuletzt sei darauf hingewiesen, dass nicht jede Praktikumsstelle dazu geeignet sein wird, alle genannten potenziellen Nutzen eines Praktikums gleichermaßen zu realisieren. Entsprechend ist es ratsam, möglichst frühzeitig, das heißt vor der Suche nach einer Praktikumsstelle, konkrete Ziele eines Praktikums anhand seiner persönlichen Situation gegeneinander abzuwägen und daraus die wesentliche Zielsetzung, die mit dem jeweiligen Praktikum verfolgt werden soll, abzuleiten. Denn nur wenn frühzeitig Klarheit über die jeweilige konkrete Zielsetzung besteht, lässt sich diese vor, während und nach dem Praktikum aktiv verfolgen und so der größtmögliche Nutzen realisieren. Trotz aller genannten Vorzüge von Praktika sei an dieser Stelle aber auch klar gesagt, dass es keineswegs notwendig erscheint, in allen Semesterferien Praktika zu absolvieren. Zum einen muss die vorlesungsfreie Zeit eventuell zum Schreiben von Seminararbeiten oder zur Vorbereitung von Klausuren am Ende der Semesterferien genutzt werden. Zum anderen ist von Zeit zu Zeit auch Raum für Erholung angebracht. In diesem Zusammenhang sollte nicht vergessen werden, dass in längeren (!), das heißt mehrmonatigen Auslandsaufenthalten erworbene Sprachkenntnisse und interkulturelle Erfahrungen in exotischen Ländern durchaus wichtige und bei Unternehmen gern gesehene Soft Skills dar-


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stellen. Dementsprechend sollten die Freiräume, die einem das Studium lässt, sinnvoll genutzt werden.

Bedeutung und Nutzen von Praktika

MERKBOX • Nutzen beziehungsweise Ziele eines Praktikums: %% Kennenlernen allgemeiner Gepflogenheiten in der Geschäftswelt %% Ergänzung theoretischen Studienwissens %% Abgleich von Tätigkeitsprofilen mit den eigenen Inte­ressen, Präferenzen und Jobvorstellungen %% Unternehmen als potenziellen Arbeitgeber kennenlernen %% Knüpfen von Kontakten und Aufbau eines Netzwerks %% Aufnahme in Talent-Pools und erleichterter Zugang zu offenen Stellen %% Sammlung von Erfahrung in Bewerbungsprozessen %% Erwerben praktischer Zusatzqualifikationen • Nicht jede Praktikumsstelle wird alle diese Punkte gleichermaßen erfüllen. Daher ist es wichtig, sich die eigenen Ziele klarzumachen und zu priorisieren, um eine Praktikumsstelle suchen zu können, die die persönlichen Kriterien bestmöglich erfüllt.


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5.

Geeignete Praktikumsstellen auswählen

Grundsätzlich muss ein Praktikum, wie in Kapitel 1 beschrieben, dem Praktikanten die Gelegenheit bieten, seine Fähigkeiten und Kenntnisse in der Form auszubauen, dass er seine Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt steigert. Darüber hinaus sollte es ihm ermöglichen, ein fundiertes Bild über das jeweilige Unternehmen sowie die Tätigkeiten und Arbeitsabläufe der Abteilung zu erhalten, um so bei der späteren Jobwahl ein qualifizierteres Urteil treffen zu können. Um den maximalen Nutzen aus Praktika zu ziehen, ist es daher wichtig, dass der künftige Praktikant sich zunächst da­ rüber klar wird, was er lernen beziehungsweise im Rahmen des jeweiligen Praktikums konkret erreichen möchte und wie sich das Praktikum in den Kontext aus Studium und anderen Praktika einordnen soll (siehe Kapitel 3). Anschließend gilt es, anhand der Stellenausschreibung sowie im weiteren Bewerbungsprozess aus dem breiten Angebot an Praktikumsplätzen (vergleiche Kapitel 4) die geeignetsten herauszufiltern. Es geht also darum, diejenigen Praktikumsangebote zu identifizieren, die es ermöglichen, die angestrebten Ziele zu erreichen. Dies kann anhand verschiedener Faktoren geschehen, die im Folgenden als Selektionskriterien zusammengefasst sind.


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Langlotz: Praktikum erfolgreich!

Handelt es sich bei dem angestrebten Praktikum um ein – beispielsweise in der jeweiligen Studienordnung vorgeschriebenes – Pflichtpraktikum, so ist darüber hinaus zu beachten, dass die Auswahlmöglichkeiten in der Regel durch externe Vorgaben limitiert sind: Um als Prüfungsleistung anerkannt zu werden, muss eine Praktikumsstelle für gewöhnlich bestimmte Vorgaben erfüllen. Dies kann sowohl Einschränkungen in den möglichen (Schwerpunkt‑)Tätigkeiten als auch Einschränkungen bei der Auswahl des Unternehmens mit sich bringen, beispielsweise was dessen Branchenzugehörigkeit, Umsatzvolumen, Mitarbeiterzahl, Rechtsform oder Standort betrifft. Es empfiehlt sich daher, diese Regelungen im Vorfeld genau abzuklären und zu respektieren. Im Rahmen der verbleibenden Freiheitsgrade sollte bei der Auswahl eines Pflichtpraktikums dann jedoch nach den gleichen Kriterien verfahren werden, die bei der Auswahl eines freiwilligen Praktikums Anwendung finden. Wird die Entscheidung, ein Praktikum zu absolvieren, rein aus Eigenmotivation getroffen, handelt es sich also um ein freiwilliges Praktikum, existieren praktisch keine Einschränkungen für die Auswahl der Praktikumsstelle. Allerdings ist zu beobachten, dass seit der Einführung des Mindestlohns bei freiwilligen Praktika in Deutschland zahlreiche Unternehmen die günstigeren Pflichtpraktikanten bevorzugen, was die Auswahl an Praktikumsplätzen für freiwillige Praktika einschränkt. Im Folgenden werden konkrete Selektionskriterien zur Praktikumswahl detailliert dargestellt. Auf die Besonderheiten bei der Wahl eines Auslandspraktikums wird darüber hinaus in Kapitel 11 eingegangen.


5. Geeignete Praktikumsstellen auswählen

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Abbildung 6: Selektionskriterien zur Praktikumswahl

Tätigkeit und Aufgabenschwerpunkte Das wohl wichtigste Selektionskriterium ist der Inhalt des Praktikums, der sich in Fachthemen und konkreten Aufgaben niederschlägt. Letztlich werden die Tätigkeiten während des Praktikums großen Einfluss darauf haben, welche Erfahrungen im Praktikum gesammelt werden können. Entsprechend ist zu prüfen, ob eine Praktikumsstelle inhaltlich grundsätzlich mit den persönlichen Interessenschwerpunkten übereinstimmt. Dabei geht es sowohl um das Spektrum als auch um die Art der Arbeitsinhalte. Es empfiehlt sich daher, bereits im Vorfeld der Entscheidung für ein Praktikum in Erfahrung zu bringen, welche Tätigkeiten hauptsächlich Inhalt des Praktikums sein werden, und die Entscheidung für ein Praktikum daran zu orientieren. Zunächst ist zwischen Praktika zu unterscheiden, bei denen es in erster Linie um das Abarbeiten von Routinetätigkeiten geht, und solchen, die sich im Wesentlichen um das Bearbeiten eines Sonderprojekts drehen, das beispielsweise die Prozesse einer Abteilung weiterentwickeln oder Zusatzinformationen generieren


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Langlotz: Praktikum erfolgreich!

soll, um künftig die Arbeitsqualität der Abteilung zu steigern. Selbstverständlich gibt es zwischen diesen beiden Polen ein Kontinuum, sodass nicht unbedingt eine Entscheidung für das eine oder andere Extrem erfolgen muss. Beide Versionen haben Vor- und Nachteile. Handelt es sich bei Routinetätigkeiten um solche, die mit der Arbeit der festen Mitarbeiter stark verwoben sind und eine enge Zusammenarbeit mit diesen erfordern, kann dies hervorragende Einblicke in die wesentlichen Arbeitsprozesse und Aufgaben der Abteilung mit sich bringen. Andererseits besteht die Gefahr, dass die Lernkurve im Praktikum schnell abflacht, insbesondere wenn es sich um eher einfache und für die Mitarbeiter lästige Pflichtaufgaben handelt, die schlicht auf eine günstigere Arbeitskraft verlagert werden sollen. Sonderprojekte haben häufig den Vorteil, eine anspruchsvolle Aufgabenstellung mit sich zu bringen, die durch eine detaillierte Beschäftigung mit dem Thema einen entsprechenden Lerneffekt ermöglicht. Umgekehrt besteht das Risiko, vom Alltagsbetrieb abgekoppelt zu agieren und damit wenig über die tägliche Arbeit in der jeweiligen Abteilung zu erfahren. Ein weiteres Unterscheidungskriterium ist der Umfang der Aufgaben. Decken die Aufgaben inhaltlich ein breites Spektrum ab, wird dies nicht in allen Bereichen eine Beschäftigung mit den Details der Materie erlauben. Beschränkt sich die Tätigkeit umgekehrt im Wesentlichen auf ein relativ eng gefasstes Thema, wird sich der Praktikant sehr detailliert mit dieser Materie beschäftigen und ein vertiefendes Expertenwissen aufbauen. Auch hier gibt es kein grundsätzliches Besser oder Schlechter. Anhand der jeweiligen Ziele ist es jedoch sinnvoll, sich klarzumachen, ob eine eher generalistische Expertise oder eine Spezialisierung angestrebt wird. Es sei darauf hingewiesen, dass der


5. Geeignete Praktikumsstellen auswählen

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Spezialisierungsgrad einzelner Abteilungen in der Regel mit zunehmender Unternehmensgröße steigt. Neben den konkreten Aufgabenstellungen im Praktikum sollte außerdem darauf geachtet werden, dass der Praktikant während seiner Zeit im Unternehmen nicht ausschließlich mit dem Abarbeiten seiner Aufgaben beschäftigt ist. Es sollte immer ausreichend Raum bleiben, um sich von den fest angestellten Mitarbeitern ihre Tätigkeiten sowohl mit Blick auf die Prozesse als auch auf die Inhalte und die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und das benötigte Fachwissen erklären zu lassen. Dabei sollte auch ein gewisses Zeitpensum dafür eingeplant sein, den Kollegen bei ihrer täglichen Arbeit über die Schulter zu schauen und sich hierbei die Arbeitsinhalte erklären zu lassen. Ebenso ist die Teilnahme an verschiedenen Meetings interessant, auch wenn diese nicht unbedingt für die Erfüllung der Aufgaben notwendig sind.

Einbindung ins Team Ein ebenfalls äußerst wichtiges Entscheidungskriterium bei der Auswahl eines Praktikumsplatzes ist die zu erwartende Einbindung ins Team. Relevant ist hier einerseits die zu erwartende Verfügbarkeit von Vorgesetzten und Kollegen für die Belange des Praktikanten. Hierunter ist sowohl die zeitnahe und ausführliche Klärung auftretender Fragen zu verstehen, um eine effiziente Bearbeitung der Aufgaben zu ermöglichen, als auch die Bereitschaft, sich darüber hinaus Zeit zu nehmen, um dem Praktikanten einen umfassenden Einblick in ihren Arbeitsalltag und die Thematiken, mit denen sie sich inhaltlich beschäftigen, zu geben. Dies lässt sich am besten im persönlichen Gespräch mit dem fachlichen Vorgesetzten eruieren, wobei sowohl Art und Umfang der in Aussicht gestellten Zusammenarbeit als auch die


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räumliche Integration des Praktikantenarbeitsplatzes relevante Aspekte darstellen. Andererseits geht es darum, ob der Aufbau einer Beziehung auf der zwischenmenschlichen Ebene wahrscheinlich erscheint. Ist dies nicht gegeben, kann der Arbeitsalltag trotz inhaltlich interessanter Aufgaben sehr belastend werden und dem Erreichen der angestrebten Ziele entgegenstehen. Hierbei geht es nicht unbedingt darum, Freundschaften aufzubauen. Aber nicht jeder Mensch kommt gleichermaßen mit dem Führungsstil jedes Vorgesetzten zurecht. Bestehen diesbezüglich vor dem Praktikum ernste Sorgen, sollte man den entsprechenden Praktikumsplatz vielleicht besser nicht in Erwägung ziehen.

Unternehmen Hat der Student schon eine Vorstellung darüber, welches Unternehmen für ihn künftig ein bevorzugter Arbeitgeber sein wird, so empfiehlt es sich, dieses Unternehmen bereits im Rahmen eines Praktikums kennenzulernen. So kann zum einen überprüft werden, ob das eigene Bild des Unternehmens der Realität entspricht, zum anderen ist es möglich, während des Praktikums dort – bildlich gesprochen – seine Visitenkarte zu hinterlegen. Es sei jedoch angemerkt, dass es sich durchaus lohnen kann, sich bei der Suche nach einem geeigneten Praktikumsplatz nicht nur auf sein Traumunternehmen zu beschränken, sondern auch über den Tellerrand zu schauen. Durch das Kennenlernen von Unternehmen, die man nicht unbedingt auf der Rechnung hatte, lässt sich gegebenenfalls der eigene Horizont erweitern und feststellen, ob andere Unternehmen nicht ebenfalls ein attraktiver Arbeitgeber sein könnten. Nicht selten ist zu beobachten, dass Studenten Praktika bei besonders großen, bekannten Unternehmen bevorzugen, da sie


5. Geeignete Praktikumsstellen auswählen

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davon ausgehen, dass der Name eines angesehenen Unternehmens bei künftigen Bewerbungen eher als Referenz dienen kann als der unbekannter Unternehmen. Dieser Aspekt sollte jedoch eine eher untergeordnete Rolle spielen und nur bei ansonsten gleichwertigen Praktika den Ausschlag geben, da die Inhalte und die Ausgestaltung des Praktikums, wie oben beschrieben, das wohl wichtigste Selektionskriterium darstellen. Davon abgesehen kann die Unternehmensgröße durchaus ein relevantes Auswahlkriterium sein. Denn zumindest einige Aspekte der Unternehmenskultur lassen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Unternehmen ähnlichen Typs verallgemeinern. Beispielsweise könnte ein Ziel eines Praktikums darin bestehen, die Hierarchien und Entscheidungsprozesse in größeren Konzernen kennenzulernen. Hierzu bedarf es sicherlich eines Unternehmens mit einer gewissen Mindestgröße und entsprechend typischen Organisationsstrukturen. Doch ist zur Erreichung dieses Ziels nicht unbedingt die maximale Größe – anhand welcher Indikatoren auch immer diese gemessen werden soll – erforderlich. Denn im Allgemeinen weisen Unternehmen, die eine gewisse Größe überschreiten, zumeist derart professionelle Strukturen und Prozess auf, dass sie dem Praktikanten hier wertvolle und vergleichbare Einblicke ermöglichen. Als Faustregel kann ein Umsatz oberhalb der Milliarde-Euro-Grenze sowie einige Tausend Mitarbeiter gelten. Wenn das Interesse Start-ups, Kleinbetrieben oder mittelständischen Unternehmen gilt, können ähnliche Überlegungen hinsichtlich typischer Merkmale angestellt werden. Unabhängig von ihrer Größe stehen Unternehmen zudem immer für bestimmte Kernkompetenzen – Fähigkeiten also, die andere Unternehmen nicht in dieser Ausprägung besitzen und die ein Differenzierungsmerkmal beziehungsweise einen individuellen Erfolgsfaktor im Wettbewerb darstellen. Entsprechend


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kann etwa ein Praktikum in der Produktionsplanung eines Unternehmens, das in der jeweiligen Branche hinsichtlich der Produktionseffizienz als führend anerkannt ist, möglicherweise lehrreicher sein als ein Praktikum bei einem insgesamt vergleichbaren Unternehmen, dessen Stärken jedoch in anderen Bereichen liegen. Sind die Stärken eines Unternehmens extern bekannt, können solche Referenzen in künftigen Bewerbungen durchaus als Pluspunkt wahrgenommen werden, da sie darauf schließen lassen, dass sich der Praktikant mit den Prämissen und Abläufen des betreffenden Unternehmens in diesem Bereich vertraut machen und sich damit ein gewisses Spezialwissen aneignen konnte. Interessant ist außerdem, dass die überall im Rampenlicht stehenden großen beziehungsweise bekannten Unternehmen in der Regel einer deutlich größeren Flut an Praktikumsbewerbungen ausgesetzt sind als solche aus der zweiten Reihe. Durch die große Auswahl an Bewerbern für eine Praktikumsstelle können sie alle Praktikantenstellen problemlos mit Studenten besetzen, die ihren Anforderungen entsprechen, ohne auf individuelle Wünsche eingehen zu müssen. Demgegenüber müssen kleinere, etwas unbekanntere Unternehmen eher um gute Praktikanten kämpfen. Entsprechend sind sie durchaus bereit, gewisse Zugeständnisse zu machen, um einen hervorragenden Praktikanten ins Haus zu holen. Sie sind teilweise deutlich flexibler, wenn es darum geht, Wünsche des Praktikanten hinsichtlich der Praktikumsdauer zu berücksichtigen oder gewisse Abstriche bei den geforderten Vorerfahrungen zu machen. Teilweise sind auch die Anforderungen an die akademischen Leistungen etwas geringer. Somit kann ein kleineres beziehungsweise unbekannteres Unternehmen gerade für das oder die ersten Praktika interessant sein.


5. Geeignete Praktikumsstellen auswählen

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Praktikumsdauer Unternehmen bevorzugen im Allgemeinen eine möglichst lange Praktikumsdauer, oftmals sechs Monate, da gut eingearbeitete Praktikanten häufig motivierte, verlässliche und im Verhältnis zu ihrem Qualifikationsniveau gleichzeitig günstige Arbeitskräfte darstellen. Demgegenüber verfügen Studenten nur über ein limitiertes, durch die Semesterferien vorgegebenes Zeitbudget, sofern nicht ein Praxissemester ins Studium eingeplant ist. Bei der Planung eines Praktikums stellt sich daher die Frage, wie diese gegensätzlichen Interessen in Einklang gebracht werden können. Dabei bleibt es meist dem Studenten überlassen, einen Weg zu finden, die ihm für das Praktikum zur Verfügung stehende Zeit auf mindestens drei Monate auszudehnen – kürzere Praktika werden kaum angeboten. Eine Möglichkeit besteht darin, die ersten Semesterwochen zugunsten eines Praktikums zu schwänzen und den verpassten Stoff später in Eigenregie nachzuholen, sofern nicht universitäre Veranstaltungen mit Anwesenheitspflicht diese Option von vornherein ausschließen. Zum anderen kann in Betracht gezogen werden, ein Urlaubssemester einzulegen, um ein oder zwei Praktika zu absolvieren. Eine weitere Alternative stellt ein Gap Year zwischen einem Bachelor- und einem Masterstudium dar. Doch welche Praktikumsdauer erscheint aus Sicht des Studenten angemessen, um die angestrebten Erfahrungen zu sammeln, ohne unnötig Zeit zu verschwenden? Allgemeingültig lässt sich diese Frage selbstverständlich nicht beantworten, da besondere äußere Faktoren oder Praktikumsinhalte im Einzelfall sehr lange oder kurze Praktikumsdauern rechtfertigen können. Erfahrungsgemäß ist jedoch eine Dauer von mindestens zweieinhalb bis drei Monaten eine sinnvolle Untergrenze. Schließlich dauert es immer einige Zeit, bis sich der Praktikant in ein Unterneh-


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Langlotz: Praktikum erfolgreich!

men eingefunden, sich in seine Tätigkeiten eingearbeitet und mit den Aufgaben und Arbeitsinhalten der fest angestellten Kollegen vertraut gemacht hat. Der angestrebte Lerneffekt wird sich bei Praktika, die unter zweieinhalb bis drei Monaten dauern, daher meist nicht realisieren lassen. Umgekehrt flacht die Lernkurve während eines Praktikums nach einiger Zeit naturgemäß ab, da sich meist gewisse Tätigkeiten im Laufe der Zeit wiederholen, durch die Teilnahme an Meetings und das »Über-die-Schulter-Schauen« bei Kollegen ein solides Verständnis für die Tätigkeit der Abteilung und den Kontext der Arbeitsinhalte gewonnen ist, Kontakte geknüpft wurden und so weiter. Entsprechend bringen Praktika, die länger als vier Monate dauern, oftmals keinen signifikanten Mehrwert für den Praktikanten. Dies kann natürlich nur als Faustregel dienen. Im Einzelfall können auch längere Praktika für den Studenten einen echten Mehrwert bieten, insbesondere wenn das Aufgabenbeziehungsweise Themengebiet komplex und vielseitig ist oder durch eine längere Praktikumsdauer die Möglichkeit besteht, unterschiedliche Projektphasen mitzuerleben.


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5. Geeignete Praktikumsstellen auswählen

• Während bei einem freiwilligen Praktikum keinerlei Restriktionen bestehen, sind bei Pflichtpraktika die Vorgaben zur Anerkennung im Rahmen des Studiengangs bei der Auswahl zu beachten. • Unabhängig davon sollte ein Praktikum gewählt werden, das dazu geeignet ist, die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse auszubauen, und es ermöglicht, sich ein fundiertes Bild über das Unternehmen im Allgemeinen sowie die Tätigkeiten und Arbeitsabläufe der jeweiligen Abteilung im Besonderen zu machen. • Wesentliche Selektionskriterien für die Auswahl eines Praktikums können insbesondere die konkreten Tätigkeiten und Aufgabenschwerpunkte sowie die zu erwartende Einbindung des Praktikanten ins Team, das Unternehmen sowie die Praktikumsdauer sein.

Kriterien der Auswahl

MERKBOX



Der Autor steht als erfahrener Manager für Fachvorträge und als Key-Note Speaker zur Verfügung. Holger Langlotz ist für die Deutsche Lufthansa AG im Bereich Konzernstrategie tätig, hat darüber hinaus einen Lehrauftrag an der Universität Mannheim und hält regelmäßig Fachvorträge an diversen Hochschulen sowie im Rahmen von Konferenzen. Er ist ausgewiesener Experte im Bereich Unternehmensstrategie mit langjähriger Erfahrung unter anderem in den Themenfeldern: • Strategie- und Geschäftsmodellentwicklung • Portfolio- und Beteiligungsmanagement • Mergers and Acquisitions • Wertorientierte Unternehmensführung • Effizienzoptimierung und Restrukturierung Seine Expertise erlangte Holger Langlotz durch Tätigkeiten bei internationalen Großkonzernen und Banken sowie in der Unternehmensberatung im In- und Ausland. Dabei erstreckt sich sein Erfahrungshorizont auf die Luftfahrt- und Reisebranche sowie die Sektoren Energie, Maschinenbau, Nahrungsmittel, Handel und Dienstleistungen. Selbstverständlich kann der Autor auch für Veranstaltungen und Vorträge rund um die Themen Praktikum, Berufseinstieg und Career-Development von Young-Professionals gebucht werden.

Weitere Informationen und Kontaktdaten finden Sie unter: www.holgerlanglotz.de



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