w w w. r a u s m a g a z i n . d e
Wild & einsam Färöer in zwei Tagen
Weich & ausdauernd Werkspionage bei Yeti in Sachsen
Eisig & hochgebirgig Simone Moro im Karakorum-Gebirge
Überzeugt & überzeugend Thomas D naturnah im Gespräch
Unabhängig & frei Schnauze Crossgolf leicht gemacht
Adrenalinreich & ganz einfach Klettern für jeden im Hochseilgarten
Entspannt & spannend Kopenhagen per Fahrrad
2€ Einführungspreis AUSGABE 01 | 2011 | D 2 € | A 2 € | Benelux/E/I 3 € | CH 6 SFR
herein
fahrer Bruno Hoffman foto © rutgerpauw.com/Red Bull
S
esam öffne dich – ich will wieder raus! Als hät-
rieren und reise ein Stück mit. Wir zeigen dir, warum luftgetrockneter Schafschinken in
te jemand den Hebel umgelegt oder der We-
dem abgelegensten Färöer-Dorf besonders gut schmeckt. Was es heißt, leiden zu wollen,
cker geklingelt: Der Winterschlaf ist endgültig
um den Traum einer Gipfelbesteigung im Karakorum-Gebirge zu leben. Und wie faszinie-
vorbei, ich bin hellwach. Und wie aus dem Nichts spüre
rende und katastrophale Naturerlebnisse das Leben von Thomas D bestimmen. Du willst
ich eine überdimensionale Lust, das Leben da draußen
selbst aktiv werden? Absolut nachahmenswert und ganz einfach kannst du beim Crossgolf
mit allen Sinnen aufzusaugen. Die Sonnenwärme auf der
im Stadtpark oder in den Bäumen von Naturhochseilgärten den Frühling leben. Dazu gibt
Haut spüren, frische Frühlingsluft einatmen. Der Duft der
es auf unseren Fashionseiten eine inspirierend-frische Brise für deinen Kleiderschrank.
Natur. Farbenspiele, saftige Erdbeeren. Und vor allem: Be-
wegungsdrang! Geht es dir auch so? Das tägliche kleine
Wenn du nach dieser Tour tief durchatmest und deinen eigenen Traum in die Hand nimmst,
Abenteuer liegt direkt vor deiner Haustür. Und größere
haben wir unser Frühlingsziel erreicht. Also raus ins Freie! bh@terraoceanisverlag.de
Ausflüge ein Stück weiter weg. Lass dich von uns inspi-
Benjamin Hellwig
David Lama foto © Rainer Eder/Red Bull Photofiles
übersicht
50 NACHGEFRAGT THOMAS D
inhalt
Thomas D macht Musik. Klar. Hat aber auch einiges zu sagen. Und hinter sich. Ob Hochzeitsbaum oder Tsunamierlebnis: eine Betrachtung der Natur in all ihren Facetten. RAUS! im Interview mit Thomas D.
03 HALLO FRÜHLING
57 GRÜNE GRÜNDE SCHUHWERK Dominikanische Republik, pauschal? Nein, nachhaltig.
Willkommen bei RAUS!
58 ANZIEHEND Frühlingsstimmung! Höchste Zeit für einen Tapetenwechsel im Kleider-
Draußen passiert es. Wir schauen raus in die Welt. Und hören denen zu, die
schrank. Das Neueste vom Neuen. Mach dich bereit! Und dann raus!
es für uns eingefangen haben. Andächtig. Erstaunt. Träumerisch.
72 FAIRWAYFREI GOLFEN LEICHT GEMACHT
14 PICKNICK IM FREILAND
Ob Crossgolf oder Urban Golf. Die Variante des Sports mit Schläger
Häppchenweise anregende Appetizer für deinen Ausflug.
und Ball kann jeder. Wir zeigen, was du brauchst. Und lassen alte
Hasen erzählen.
18 LAND OF MAYBE IM INSELPARADIES FÄRÖER
Luftgetrockneten Schafschinken in einem einsamen Dorf musst du dir erst ein-
80 pedaliéros KOPENHAGEN IM FAHRTWIND
mal verdienen. Die Inseln im Nordatlantik sind wild, abgelegen und skurril.
Die Hauptstadt Dänemarks mit dem Rad erkunden. Eine besondere
Und auch einen Zwei-Tage-Trip wert.
Perspektive in einer besonderen Stadt. Leichtfüßiger geht es nicht.
28 LEIDENSFÄHIG SIMONE MORO Manche mögen‘s kalt. Eiskalt. Der Extrembergsteiger Simone Moro liebt Expe-
89 EIGENLEISTUNG FOTOWETTBEWERB Kamera raus und ab auf Motivsuche. Es gibt was zu gewinnen!
ditionen vor dem Frühjahr. Und die 8000er. Im Karakorum-Gebirge war noch einer frei. Wir wollen wissen, wie es lief. Eine Erstbesteigung im Winter.
90 AFFENÄHNLICH KLETTERN IN WÄLDERN
Von Baum zu Baum im Hochseilgarten unterwegs. Das Sprießen der
38 AUF SPURENSUCHE YETI
ersten Knospen aus unmittelbarer Nähe beobachten. Frische Brise und
Dass Daune nicht feucht werden darf, weiß jeder stolze Besitzer eines guten
Weitsicht. Überwindung. Adrenalin!
Schlafsacks. Welcher Nässe die Firma Yeti in Sachsen ausgesetzt war und wie
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es dem Unternehmen nach einer deftigen Krise geht, finden wir beim Herum-
96 UND NUN RAUS!
schnüffeln in Görlitz heraus. Eine Werkspionage, made in Germany.
Ausblick und Impressum
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covershot © Desré Pickers/Red Bull
08 GALERIE ATEMPAUSE
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Aufbruch! Einige von uns gehen in die Berge, einige laufen an einem Fluss entlang, einige stehen auf einem Hügel. Es gibt viele Orte, um ein wenig bei dir selbst zu sein, um der lärmenden Welt zu entkommen. Gib dir selbst eine Chance!
Stefan Schlumpf
Horace Axtell, Ältester der Nez-Percé-Indianer
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er Schweizer Mammut-Athlet Remo Sommer klettert Evilution V12 im weltbekannten Boulder-
gebiet Bishop/Kalifornien. Mithilfe einer FishEye-Optik konnte ich die charakteristische Eierform der „Buttermilks“-Boulder stärker hervorheben. Um dem oft fotografierten Objekt eine neue Perspektive zu verleihen, wählte ich meinen Standort so, dass die dahinter stehenden Boulder verdeckt blieben und ich dafür die schneebedeckten Berge sowie das Wolkenspiel am Himmel einfangen konnte.
foto © Stefan Schlumpf www.stefanschlumpf.ch | Nikon D3, 1/250‘‘, Blende 10
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Ricky Adam
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ake art not war! Diese gigantischen Betongebilde sind sogenannte Sound Mirror, eine
frühe Form des Radars. Es gab einige davon entlang der Küste Großbritanniens. Mit ihnen wollte man feindliche Luftangriffe während des Zweiten Weltkrieges aufspüren, sie wurden aber schnell überflüssig, als das Radar erfunden wurde. Was du nicht sehen kannst, ist eine Wasserfläche, die das Teil umgibt. In der Nacht vor dem Shot befestigte Owain ein Seil über das Wasser bis hinauf, nur um am nächsten Morgen festzustellen, dass jemand es entfernt hatte. Wir waren allerdings einen weiten Weg hierhergekommen. Und Owain war fest entschlossen, das nicht auf sich beruhen zu lassen. Also zog er sich die Hose aus und watete mit seinem Bike über dem Kopf und Hose und Schuhen im Rucksack durch eisiges Wasser. Das war mitten im Winter – verdammt, war das kalt!
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foto © Ricky Adam/Red Bull Illume, Top 50 Finalist | Nikon FM2
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Yassine Ouhilal
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er kalifornische Profi-Surfer Austin Smith Ford aus Santa Cruz kam mit mir und einigen anderen Sur
fern auf eine Erkundungsmission auf die Färöerinseln. Bis dato hatte nach unseren Recherchen noch kein Surfer die Wellen rund um die Inseln in Angriff genommen. Wir
hatten großartige vier Wochen auf den 18 Inseln und entdeckten sensationelle Surfspots wie diesen! Austin schnappte sich hier als Erster eine Welle – und wie es der Brauch verlangt, durfte er dem Spot einen Namen geben: „Austins Point“.
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foto © Yassine Ouhilal/www.yassineouhilal.com | Canon EOS 1-D MKII-N, Blende 5.6
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frischeluft Viva Bikes Julliet Was gibt es Schöneres, als bei Sonnenschein mit einem Fahrrad ins Grüne zu fah ren? Der dänische Bikehersteller hat mit dem Modell Julliet ein zeitlos-elegantes Damenrad entwickelt, welches alle Blicke auf sich zieht. Viele kleine Details, so auch der mit dem Viva-Logo veredelte Kettenkasten, unterstreichen den stilvollen Gesamteindruck. Bei dem schönen Fahrrad lassen wir das Auto lieber stehen und fahren nur noch mit dem Fahrrad durch die Gegend. Das Viva-Bike ist in vielen Farbvariationen ab 849 Euro erhältlich. www.vivabikes.com
Friese & Franke Kieler Kiste Ein Grillabend im Grünen oder am Strand bedarf einiger Vorbereitungszeit. Und eh man sich versieht, hat man vor lauter Organisationsstress den Sonnenuntergang verpasst. Die Kieler Kis te hingegen erspart uns viel Zeit und bietet alles, was man für das Grillvergnügen benötigt. Ein Edelstahl-Klappgrill mit Glutwanne, Windschutz und Grillzange ist ebenso integriert wie eine Brotschale, Steakbesteck, Servietten, Glasteller und EdelstahlAusziehbecher. Besonders praktisch: Die hochwertige, aus Bambusholz hergestellte Transportkiste lässt sich problemlos in zwei Tabletts verwandeln. Dank der Funktionalität und des intelligenten Designs steht die Kieler Kiste auf unserer Wunschliste ganz weit oben! Empfohlener Verkaufspreis 275 Euro (für zwei Personen), 295 Euro (für vier Personen). Weitere Informationen unter www.kielerkiste.de
önes Ein sch te ler Kis der Kie RAUS!Modell n e all unter ir w n n der verlose hme a r Teilna u Z ! te eine Lesern uns bit sende an g n u s o -M E ail Verl er eine d o e rt g.de Postka isverla aocean rr te @ eff raus m Betr mit de “. te is K „Kieler
Oakley Voyage Sunshirt Für alle Surfer hat Oakley ein schnell trocknendes Shirt entworfen, das sie auch abseits der Riesenwellen gut aussehen lässt. Das locker sitzende Oakley Voyage Sunshirt trocknet viermal schneller als Baumwolle und lässt sich dank der flachen Nähte angenehm auf der Haut tragen. Das stylishe Shirt entwickelt sich zu einem absoluten Herzensbrecher für alle Wassersportler. Empfohlener Verkaufspreis 40 Euro. www.oakley.com
Adelheid Glücksbringer-Clogs Zeig mir deine Schuhe und ich sag dir, wer du bist. Dank der Holzclogs von Adelheid sind wir absolute Glücksbringer. Die schönen Clogs zaubern mit ihrem frechen Karomuster mehr Farbe in unser Leben. Und für alle, die nicht genug Holzclogs haben können, gibt es das Modell auch in einer gestreiften Variante. Die Adelheid-Clogs sind ein Must-have für alle Trendsetter! Empfohlener Verkaufspreis 69,95 Euro. Weitere schöne Modelle findet man unter www.zalando.de
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frische luft
Lundhags Este Jacket Schön warm verpackt bei jeder Wetterlage ist man mit dem Este Jacket von Lundhags. Ob bei einem Stadtbummel oder in der Natur: In der schlicht schwarzen Funktionsjacke sieht man ganz nebenbei auch noch unverschämt gut aus. Die Herrenjacke mit abnehmbarer Kapuze wurde aus 35 Prozent Bio-Baumwolle hergestellt. Da freuen sich „Mann“ und Natur gleichermaßen. Erhältlich in den Farben Grün und Schwarz. Empfohlener Verkaufspreis 180 Euro. www.lundhags.se
Petzl TIKKA XP2 CORE Ein Wochenendausflug im Grünen macht erst richtig Spaß, wenn man die Nacht nicht komplett im Dunkeln verbringen muss. Eine leistungsstarke Stirnlampe kann der Retter in der Not sein. Die mit Lithium-Ionen-Polymer-Akku ausgestattete Stirnlampe TIKKA XP² CORE von Petzl ist für den intensiven Gebrauch geeignet. Zwei Leuchtmittel und eine Weitwinkellinse mit einem Öffnungs-/Schließsystem, bei der man zwischen einem fokussierten Lichtkegel für Fernsicht und einem Streulichtkegel für die Beleuchtung im Nahbereich wählen kann, machen die Nacht zum Tag. Empfohlener Verkaufspreis 99,95 Euro. www.petzl.com
Maloja Mellow Immer hübsch eingepackt ist man mit dem Maloja-Schlafsack Mellow. Der 1.390 Gramm leichte Mumienschlafsack ist für einen Temperaturbereich von minus sechs Grad bis plus 27 Grad Celsius geeignet und auf Touren im Wald, in den Bergen oder am Meer ein treuer Begleiter. Bei dem stylishen Alpenprint sind Bambi-Träume garantiert. Größen: 225 x 80 x 55 Zentimeter. Empfohlener Verkaufspreis 129 Euro. www.maloja.de
Massunda Armband mit EFX Technologie Viele Helden des Sports und des Showbusiness tragen die bunten Armbänder bereits. Ausgestattet mit der EFX-Technologie sollen die Armbänder einen natürlichen Energiefluss gewährleisten. Und stylish sind sie allemal: Die Lifestyle-Armbänder aus Silikon, Neopren oder Frottee sind wasserfest und eignen sich optimal für den Gebrauch im Alltag und beim Sport. Einmal getragen, möchte man so ein schickes Armband nicht mehr aus der Hand geben! Empfohlener Verkaufspreis ab 35 Euro. www.efxgermany.de
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landofmaybe „Kanska“ heiSSt es hier immer wieder und an fast jeder Ecke. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Die Färinger haben es aufgegeben, sich auf etwas festnageln
E i n ma l G á sa d a l u r undzurück
zu lassen. Zu oft hat ihnen wohl das raue Klima ein Vorhaben durcheinandergewirbelt. Nicht weniger als 280 Regentage im Jahr sind zu überstehen. Dazu nimmst du eine ordentliche Portion bedeckten Himmel, einige Tagesstunden Nebel und hin und wieder mal Starkwind. Als die Fähre mich und meinen Reisepartner Jan auf dem Seeweg nach Island in der beschaulichen Haupt- und Hafenstadt Tórshavn rauswürfelt – regnet es. Wir warten nur einen Augenblick, der Entdeckungsdrang ist gröSSer. Nur zwei Tage bleiben für ein Stimmungsbild Färöer, ehe die Fähre uns wieder aufsammeln wird.
text Benjamin Hellwig fotos © www.visitfaroeislands.com & © Benjamin Hellwig
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foto © www.visitfaroeislands.com
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ausflug
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Der erste Wagen hält an. Wäre in den nächsten Stunden ein weiterer vorbeigekommen? Wahrscheinlicher ist es hier wohl, einem Schaf zu begegnen.
Ein paar Häuser im Gras. Gásadalur, der Nabel der Welt.
foto © Benjamin Hellwig
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er Inselarchipel liegt inmitten der Einsamkeit
der Ladefläche des klapprigen Pickups. Hinterm Steu-
des Nordatlantiks. Gute 400 Kilometer sind
er sitzt ein kleiner älterer Mann, es riecht nach Fisch.
es bis Island, bis zur norwegischen Küste ist
Sein Gesicht ist vom Wetter gezeichnet, voller Falten.
es noch ein Stück weiter. Nur die Shetlandinseln nord-
Ob man den kleinen Ort heute problemlos erreichen
östlich von Schottland liegen gleich um die Ecke: schlap-
kann, frage ich. „Kanska“, kommt als kurze, knappe
pe 300 Kilometer. Die Isolation ist vielen hier Anlass
Antwort. Sein nachdenklicher Blick durch die Scheibe
genug, die Dinge gemütlich angehen zu lassen, lesen
gen Himmel unterstreicht diese tiefgründige Unterhal-
wir im Reiseführer. Alle 18 Inseln Färöers in drei Tagen
tung. Da ist es wieder, das Vielleicht der Färinger. Et-
zu erkunden, klingt dagegen alles andere als entspannt.
was später lässt er weitere gewichtige Worte folgen.
Wir stecken das Buch in den Rucksack und versuchen
„Schützende Kleidung ist mehr wert als Schmuck.“
von Beginn an, die färöische Atmosphäre aufzusaugen.
Können wir so stehen lassen.
Ein winziges, abgelegenes Dorf am westlichen Ende
Lächelnd lässt uns der Mann am Ende einer Schotter-
der Insel Vágar hat es uns angetan. Zumindest reizt
straße raus und zeigt hinüber zu einer hügeligen, satt-
erst einmal der Anblick auf der Landkarte: ein Dorf,
grünen Schafweide. Der Weg nach Gásadalur. Gerade-
zu dem keinerlei Straßen führen. Interesse geweckt!
zu winzig erscheint das Dorf auf unserer Wanderkarte,
Rucksack auf und Daumen raus. Wir haben gleich
abgeschirmt von Bergen und einer steilen, felsigen Küs
Glück. Der erste Wagen hält an. Wäre in den nächsten
te. Der Postbote marschiere einige Male in der Woche
Stunden ein weiterer vorbeigekommen? Wahrschein-
hinüber, ruft uns der Pickup-Fahrer in gebrochenem
licher ist es hier wohl, einem Schaf zu begegnen. Wir
Englisch noch zu. Wenn das Wetter es zulässt, versteht
springen auf die Rückbank, die Rucksäcke landen auf
sich. Dann knattert er davon.
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foto © www.visitfaroeislands.com
foto © Benjamin Hellwig
foto © Benjamin Hellwig
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Cliff-diving mit Ruhepuls. Papageientaucher am Lieblingsspot.
Scheiben von luftgetrocknetem Schafschinken vervollständigen ein Abendbrot, das wohl nur in einem Moment wie diesem eine gesamte Atmosphäre im Mund vereint. Ein Blick zum Himmel macht uns Mut. Es ist nur grau und windig. Aber trocken. Welch ein Frühlingstag! Wir stiefeln los, immer dem kleinen Pfad bergauf folgend. Doch in dem hohen Gras verlieren wir bald die Übersicht: Wanderpfad oder Schafweg? Nebel kommt auf und die Weggabelungen werden mehr. Unser Bauchgefühl und ein Blick auf den Kompass helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Als wir am höchsten Punkt des Berges angekommen sind, verzieht sich der Dunst. Sagenhaft ist der Blick in das weite Tal von Gásadalur. In der Ferne erkennen wir schon die Siedlung, vor der Küste die Insel Mykines. Wir wagen uns an den Abstieg. Auf Geröll geht es hinunter bis zu den wenigen mit Gras bedeckten foto © www.visitfaroeislands.com
Häuschen. Kaum am Fuße des Berges angekommen, werden wir begrüßt. Eine Handvoll Hunde rennt uns
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foto © www.visitfaroeislands.com
bellend entgegen. Wir können noch nicht gleich aus-
Atmosphäre im Mund vereint. Es schmeckt fantastisch
machen, ob sie uns als gefährliche Eindringlinge se-
und ungewöhnlich zugleich. Doch noch immer haben
hen oder sich einfach nur riesig über unseren Besuch
wir kaum ein Wort mit unserer Gastgeberin gewech-
freuen. Stoisch gehen wir weiter, sie dulden uns. Kein
selt. Die liebenswürdige alte Frau gibt uns – so deuten
Mensch ist zu sehen. In der Mitte des Dorfes klop-
wir jedenfalls ihr Färöisch – vehement zu verstehen,
fen wir an die abgegriffene rote Holztür des schein-
dass das alles so seine Richtigkeit habe. Das Brot und
bar ältesten Hauses. Mit verdutztem Blick öffnet uns
der Schinken und der warme Ofen und das Ausruhen.
eine alte Frau. Dann aber weicht ihr überraschter Ge-
Wir kommen an.
sichtsausdruck einem freundlichen Lächeln. Als klopften
täglich zwei mit schweren Rucksäcken ausgerüstete
Als wir uns dann satt, platt und zufrieden nach einem
junge Typen bei ihr, werden wir dann wie selbstver-
Platz für unser Zelt erkundigen wollen, kommen wie-
ständlich hereingebeten. Fasziniert und überwältigt von
der Verständigungsschwierigkeiten auf. Auch als ihr
der Stimmung in der kleinen Küche, bringen wir zu-
Mann durch die Eingangstür stapft und mit einem
nächst kein Wort heraus. Die Bäuerin scheint das nicht
verwunderten Blick die Küche betritt, bleiben Fragen
zu stören. Sie stellt sofort einen verbeulten Teekessel
offen. Schließlich greift er zum Telefon, wählt, spricht
auf den Bollerofen und schneidet dicke Brotscheiben
ein paar Takte und reicht uns den Hörer. Am anderen
von einem riesigen Laib. Scheiben von luftgetrockne-
Ende der Leitung fungiert nun die Tochter der bei-
tem Schafschinken vervollständigen ein Abendbrot, das
den als Übersetzerin im fernen Tórshavn. Social net-
wohl nur in einem Moment wie diesem eine gesamte
work, Variante oldschool. Von ihr erfahren wir auch,
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ausflug
ausflug
auf welcher Weide wir unseren Schlafplatz aufsuchen
neue Möglichkeiten: Dávurs Tochter erzählt von einem
können. „Ull er Føroya gull“, sagt sie noch zum Ab-
Hubschrauber-Shuttle. Zu Versorgungszwecken fliege die
schied: Die Schafswolle ist das Gold der Färöer. Dazu er-
Regierung einmal in der Woche die abgelegensten Orte
klärt sie, dass jeder einzelne Grashalm auf den flächen-
der Färöer an. Bürgerservice im 21. Jahrhundert. Dávur
armen Inseln sehr kostbar sei, denn er bedeute wichtiges
will nicht wegfliegen, erwartet aber einige Kisten Le-
Futter für die rund 70.000 Schafe des Inselstaates.
bensmittel. Uns beschert das Glück einen 20-Minuten-
Rundflug zu Taxipreisen, subventioniert vom Staat. Später
Mit diesem Warnhinweis im Sinn schleichen wir behut-
erfahren wir, dass es der Postbote bald einfacher haben
sam und fast auf Zehenspitzen über das Weidegras. In
wird. Heute verbindet ein Tunnel Gásadalur mit der Zivi-
der Dämmerung kriechen wir im Schutz des Zeltes in un-
lisation. Der Hubschrauber fliegt nicht mehr, der Nostal-
sere Schlafsäcke. Am nächsten Morgen rüttelt Dávur, der
giefaktor ist weg. Schade. Abschied aus Gásadalur.
Bauer, an den Abspannleinen. Es ist noch früh, als wir
in die Küche stolpern. Wieder zischt der Teekessel, wie-
Wir heben ab, überfliegen nach einer Schleife über
der übersetzt die Tochter am Hörer. Ein kurzes Frühstück.
Mykines noch einmal die grasbedeckten Häuser und
Brot und Schinken. Die Gefahr einer gegen Mittag auf-
erreichen rechtzeitig die Zivilisation des Fährhafens
kommenden Regenfront mit starkem Wind durchkreuzt
Tórshavn. Die angekündigte Regenfront hat sich einen
unseren Plan, den Weg vom Vortag zurückzuwandern.
anderen Weg gesucht. Nach Niederschlag sieht es an
Da hilft auch kein Kanska, die Fähre nach Island wartet
diesem Tag nicht mehr aus. Aber wie war das noch?
nicht. Doch die plötzlichen Änderungen eröffnen auch
„Kanska!“ Lassen wir uns überraschen.
Gruppenbild mit Dame. Wer mäht eigentlich das Dach?
foto © Benjamin Hellwig Tórshavn, Hauptstadt der Färöer mit rund 20.000 Einwohnern.
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Am anderen Ende der Leitung fungiert nun die Tochter der beiden als Übersetzerin im fernen Tórshavn. Social network, Variante oldschool.
foto © Benjamin Hellwig
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advertorial
ausflug
foto © Benjamin Hellwig
Facts Färöer Inseln
Sport Eigentlich ist Rudern Nationalsport. Aber auch die
Lage Isoliert im Nordatlantik. Oder mittendrin: zwischen
Fußballer hatten Aufmerksamkeit. Beim EM-Qualifikations-
Schottland, den Shetlandinseln, Norwegen, den Orkneyinseln
spiel 1990 schlugen die Inselkicker Österreich mit 1:0. Eine
und Island. Bist du angekommen, sind es nie mehr als fünf
Sensation! „Du bist Österreicher? Wir lieben dich!“, heißt
Kilometer bis zur Küste.
es noch heute. Alle anderen Ergebnisse hatten nicht diese
bedeutende Tiefe.
Geschichte Irische Mönche waren im 7. Jahrhundert die
Ersten. 300 Jahre später kamen einige Wikinger und blie-
Küche
ben auf den Inseln, andere reisten nach Island weiter. Die
•Fisch Täglich auf dem Tisch. Getrocknet, gebraten, ge-
Seekranken konnten nicht mehr, sagen die Isländer. Die Fä-
kocht, als Suppe, Frikadelle oder Kuchen.
ringer halten dagegen. Ihre Version: Die Feiglinge flohen vor dem langen Arm des norwegischen Königs.
•Schaf Voll verwertet. Den Kopf gekocht. Die Hoden oder
Innereien zur Suppe. Das Blut zur Wurst. Das Fleisch wird
Wetter Feucht und windig. Mild im Winter und kühl im
auch gegessen.
Sommer. Aber auch gern mal vier Jahreszeiten an einem Tag. Selten passt „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur
•Papageientaucher Bevorzugt mit Mehlteig und Rosinen
schlechte Kleidung“ so gut wie hier.
gefüllt. In gut sortierten Geschäften erhältlich. Oder einfach
in der Natur bestaunen.
Verkehr Gutes Straßennetz. Schafe sind überall! Und stehen gern im Weg. Also Vorsicht. Manch ein Bauer umwi-
•Hotdog Dänisches Exportgut, unbedingt mit Rotkohl statt
ckelt gar die Schafsbeine mit Reflektorstreifen. Die Haupt-
Röstzwiebeln. Na gut.
stadt Tórshavn hat die einzigen drei Ampeln auf den Inseln. Und das Busfahren ist hier gratis.
www.visitfaroeislands.com
• becks.de | facebook.com/BecksGold •
A l l es ka n n a u c h a n d e r s RAUS aus dem Alltag! Einfach mal quer denken und
verwandeln: mit Foto- und Videoanimationen und na-
aus einer anderen Perspektive auf die Dinge schauen.
türlich Musik der Fantastischen Vier. Für 500 Auser-
Seit Beginn ihrer Karriere gehen die Fantastischen Vier
wählte. Am 30. Mai 2011. Sei dabei!
immer wieder frische Wege. Und erfinden sich ständig neu. Wie bei dem Live-Auftritt in einer Natursteinhöhle
Und so geht’s: Nimm dir die neue „Beck’s Gold“-Fla-
oder einem 3D-Konzert. Die Band überholt sich selbst
sche und fotografiere sie an einem alltäglichen Ort.
rechts und links, überrascht, begeistert und sucht neue
Lade das Bild anschließend einfach auf becks.de hoch.
Herausforderungen.
Jedes ausgewählte Foto wird Teil der Inszenierung im Museum. Und mit zwei Tickets belohnt. Auf die kre-
Der Alltag hält immer wieder neue Abenteuer für dich bereit.
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Doch es muss ja nicht gleich der riesige Umbruch
ativsten fünf Einsendungen warten außerdem jeweils
sein. Auch die kleinen Dinge des Alltags kannst du
zwei Meet & Greets mit den Fantastischen Vier.
abenteuerlich und ungewöhnlich gestalten. Mit dem Skateboard zum Einkaufen, das Sonntagsfrühstück im
Mehr der Rätselfreund? Ganz unabhängig vom Foto-
Stadtpark, auf Rollerblades zur Uni. Der Alltag hält
wettbewerb hast du exklusiv bei RAUS! die Möglich-
immer wieder neue Abenteuer für dich bereit. Warum
keit, an die begehrten Tickets zu kommen. Wir verlo-
also nicht mal ein Museum umgestalten? Zusammen
sen 3 x 2 Eintrittskarten für das Event in Düsseldorf.
mit den Fantastischen Vier kannst du bei den Beck’s
Mit welchem Song gelang den Fantastischen Vier der
Gold Fresh Experiences das K21 Ständehaus in Düs-
Durchbruch? Antworte uns bis zum 15. Mai 2011 an
seldorf für eine einzige Nacht in etwas völlig Neues
raus@terraoceanisverlag.de, Stichwort „Beck’s Gold“.
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expedition
e b e Li e r ä Wa s w ? n e d i e L ohne
Für dich ist der Winter dazu da, dich auf den Frühling zu freuen? Bei Kälte, Eis und Schnee sehnst du dich nach Liegewiese und T-ShirtWetter? Dann hast du nicht viel mit Simone Moro gemeinsam. Und stehst damit sicherlich nicht allein da. Der italienische Extrembergsteiger liebt winterliche Herausforderungen von der bedingungslosen Sorte. Und konnte gerade eindrucksvoll zeigen, wohin ihn diese Liebe geführt hat: auf den Gipfel des Gasherbrum II. Simone ist zusammen mit dem Kasachen Denis Urubko und Cory Richards aus Kanada die erste Winterbesteigung eines Achttausenders im Karakorum-Gebirge gelungen. RAUS! schaut noch einmal zurück auf die ver gangenen kalten Wochen der drei im Norden des Himalaja-Gebirges. Eine beeindruckende Ge schichte, die du dir am besten in der Frühlingssonne bei zwei, drei Kugeln Eis antust.
Mit
Simone
Moro
im
K a r ak o r u m - G e b i r ge
expedition
Kaiserwetter. Simone Moro im gigantischen Eisschrank.
wig amin hell text benj on ks ic is er Fotos © Kr
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Lohnender Aussichtspunkt mit Gänsehautpotenzial.
expedition
expedition
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ine Winterexpedition auf einen Achttausender bedeutet Kälte.
Der Gasherbrum II befindet sich in der pakistanischen Provinz Gilgit-
Wahrscheinlich ist es, dass die wärmste gemessene Tempera-
Baltistan in der Nähe der chinesischen Grenze. Er ist mit 8035 Metern
tur minus 17 Grad Celsius nicht übersteigt – die kälteste kann
auf Platz 13 der höchsten Berge der Erde und der dritthöchste Gipfel
sogar unter minus 50 Grad Celsius liegen. Egal ob du einschläfst oder
des Gasherbrum-Massivs im Karakorum. Nach der Erstbesteigung durch
aufwachst, etwas isst, dich wäschst oder pinkeln musst – alles unterliegt
die Österreicher Fritz Moravec, Josef Larch und Hans Willenpart im Juli
diesen frostigen Temperaturen. Du kannst nicht einfach die Stopptaste
1956 gibt es nur wenige weitere Expeditionen, die den Gipfel erreichen.
drücken und sagen: „Ich wärme mich mal eben kurz auf und springe
Keine davon findet im Winter statt. Die fünf im Winter noch unbestie-
dann wieder zurück in diesen Eisschrank da draußen.“ Und im Grunde
genen Achttausender liegen alle im Karakorum und bleiben trotz 16
gibt es nur einen warmen Ort auf solch einer Tour: deinen Schlafsack.
Versuchen seit 1987 immer noch unbezwungen. Für den Gipfelaufstieg
von Simone, Denis und Cory sind die Tage zwischen Ende Januar und
Im Anschluss an den Weihnachtsbraten 2010 reisen Simone, Denis und
Anfang Februar 2011 entscheidend. Und diese enden beinahe fatal.
Cory nach Zentralasien, um den Gipfel des Gasherbrum II zum ersten Mal im Winter zu erobern. Auf die Hilfe von Trägern sowie zusätzlichen Sauerstoff verzichten sie. Simone leitet die Expedition. Und bringt die nötige Erfahrung mit. Die sammelte er auf erfolgreichen Winterbesteigungen an Cerro Mirador, Marble Wall, Shishapangma und seiner his torischen Winterexpedition zum 8.481 Meter hohen Makalu im Jahr
Du kannst nicht einfach die Stopptaste drücken und sagen: „Ich wärme mich mal eben kurz auf und springe dann wieder zurück in diesen Eisschrank da drauSSen.“
2009. Insgesamt schöpft er bei kniffligen Entscheidungen aus seinem Wissen aus 43 weltweiten Expeditionen, darunter zehn im Winter. Sonntag, 30. Januar 2011. Die Anspannung im Basislager steigt, das Extremsituationen, vier Wochen lang. Keine Frage, da muss das Zu-
Wetterfenster geht auf. Die Vorhersagen für den Aufstieg und die Er-
sammenspiel des Teams stimmen. Und das erfordert auch in außer-
richtung eines provisorischen Stützpunktes sind günstig: Für Dienstag ist
gewöhnlichen Momenten das richtige Verhalten. Verlässlich, aufrichtig
Sonne angekündigt. Klarer Himmel für Mittwochmorgen, im Laufe des
und selbstlos. Erkennen, was dein Teammitglied braucht. Bei Planung,
Nachmittags zunehmende Bewölkung. Die Aussichten für den Moment
Vorbereitung, dem Aufstieg zum Gipfel und dem sicheren Weg herun-
des Abstiegs zum Basiscamp klingen allerdings alarmierend: Das Team
ter. Simone und Denis kennen sich, sind seit vielen Jahren gemeinsame
muss mit Schneefällen rechnen. Ihr Ziel ist es, am Mittwoch auf dem
Kletterpartner. Der erfahrene Bergsteiger Cory komplettiert das Team,
Gipfel zu stehen. Sie verlassen das Basislager auf 5100 Meter und ver-
dokumentiert digital die entscheidenden Momente und beleuchtet die
bringen planmäßig eine Nacht in Camp 1. Am Montag erreichen Simone,
Expedition somit aus besonderer Perspektive.
Denis und Cory wohlbehalten das vorher aufgebaute Camp 2 auf 6500 Meter. Trotz anhaltend eisiger Temperaturen von minus 46 Grad Celsius
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Um bereits zwei Wochen nach dem Aufbruch das 5.100 Meter hoch
und Vorhersagen von Bewölkung nutzen sie dieses erste sich öffnende
gelegene Basislager zu erreichen, unterstützt das Militär die Anreise des
Wetterfenster. Die Winde bleiben jedoch unheimlich stark, was dem
Teams mit einem Hubschrauber. Einheimische Träger stehen im Winter
Team allerdings auch hilft, da der Schnee der letzten Tage abgeblasen
nicht zur Verfügung. Ein erfolgreicher Gipfelversuch im Alpinstil ist den
wird. „Ich denke, dass ich spuren muss, bevor wir den Grat erreichen –
Athleten aus dem „The North Face®“-Team nur dann möglich, wenn
aber in knietiefem Schnee, nicht in hüfttiefem wie in den vergangenen
sich ihnen zwischen Ende Januar und März 2011 ein günstiges Wetter-
Tagen“, berichtet Simone und überdenkt das Zeitmanagement: „Wir wer-
fenster bietet. Ist das Wetter ungünstig – schwere Schneestürme, Winde
den dadurch ziemlich schnell sein. Vielleicht gehen wir direkt von Camp 2
und extreme Kälte –, zwingt es Simone, Denis und Cory in ihre Zelte.
weiter zum Gipfel.“ Ein Kraftakt, der ihnen etwa zwölf Stunden Aus-
Womöglich wochenlang. Ein Geduld forderndes Ausharren, bis passende
dauer abverlangen würde. Möglich im Sommer, aber neben dem Wet-
Bedingungen einen Gipfelversuch zulassen.
ter bedroht im Winter ein weiterer Aspekt den Erfolg der Expedition.
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expedition
Cory Richards
expedition
Foto © the north face
Der Mangel an Tageslicht zwingt Simone dazu, umzudenken. Er ver-
Minuten. Da wir aber wegen des Schnees spuren mussten, verbrachten
wirft die Idee: „Die Tage sind sehr kurz, die Sonne geht früh unter. Ich
wir eine Menge Zeit dort. Ein Serac, ein Turm aus Gletschereis, fiel he-
denke, die beste Taktik ist: aufsteigen, Camp 3 aufbauen und von dort
rab und der ganze Schnee, den der Wind angesammelt hatte, kam in
gegen Mitternacht zum Gipfel aufbrechen.“
Form einer Lawine herunter“, beschreibt Simone die extreme Situation.
Dienstag, 1. Februar 2011. Es geht los. In den Morgenstunden klettern
Unter Schock schildert Cory den Vorfall: „Wir gingen unterhalb Gas-
sie bis auf eine Höhe von 6900 Meter und errichten Camp 3. Sie ruhen
herbrum V, als eine massive Lawine uns drei erwischte. Sie riss uns un-
sich einige Stunden aus und brechen um drei Uhr morgens zur fina-
gefähr 150 Meter weit mit. Wir landeten alle obenauf. Denis und ich
len Gipfeletappe auf. 100 Höhenmeter pro Stunde ist ihre Geschwin-
waren größtenteils begraben, doch unsere Gesichter schauten heraus.
digkeitsprognose. Somit könnten sie den Gipfel am Mittwoch gegen 13
Alles ist heute schiefgelaufen. Wir sind alle froh und glücklich, und ich
Uhr erreichen. Nach der Wettervorhersage beträgt die Temperatur am
denke auch sehr dankbar, noch am Leben zu sein.“
„Das, was heute passiert ist, hätte an jedem stürmischen Tag im Winter passieren können, wenn du müde bist und nicht die Dinge machst, die du für gewöhnlich machst.“
Simone kann sich selbst befreien: „Als die Lawine anhielt, merkte ich, dass ich fast aus dem Schnee war. Ich habe mich sofort vom Seil losgemacht und sah Corys orangefarbenen Anzug. Ich grub ihn mit
Gipfel des Gasherbrum II dann circa minus 23 Grad. In seiner letzten
meinen Händen aus und begann dann, Denis auszubuddeln.“ Doch nur
SMS vor dem Aufstieg berichtet Simone Moro: „Wir sind ein bisschen
kurze 20 Minuten später gelangen die drei in eine weitere bedrohliche
müde, aber es geht uns gut.“ Sie schaffen den historischen Schritt je-
Situation. Bei einer Sichtweite von gerade mal einem Meter fällt Cory in
doch schneller als gedacht. Um 11.28 Uhr Ortszeit sind sie am Ziel!
eine Gletscherspalte. Mithilfe einer Seilklemme können die Bergsteiger
Ein großartiger Moment, für den allerdings wenig Zeit zum Genießen
den Kanadier aus dem Eis befreien.
bleibt. Der Abstieg ins Basislager muss schnell erfolgen. Das Wetter kann jeden Moment umschlagen.
Simones Stimmung nach dem Abstieg ins Basislager ist nach den unglaublichen Anstrengungen matt und erschlagen. Aber er ist dankbar
4. Februar 2011. „Das, was heute passiert ist, hätte an jedem stür-
und zeigt Respekt vor seinen Teammitgliedern und der Natur. „Wir ha-
mischen Tag im Winter passieren können, wenn du müde bist und nicht
ben acht Stunden von Camp 1 zum Basislager benötigt – normaler-
die Dinge machst, die du für gewöhnlich machst.“ Was Simone rückbli-
weise braucht man dafür drei Stunden. Und wir haben als Team zu-
ckend zum Abstieg erzählt, hat dramatische Züge. Und es sind unvor-
sammengearbeitet. Aber nach sechs Tagen auf dem Berg waren unsere
hersehbare Ereignisse, die diese bedrohliche Situation auslösen. „Es ist
Energiereserven erschöpft. Solange du nicht zurück im Basislager bist,
nicht so, dass wir zu viele Risiken eingegangen wären, die Bedingungen
ist es nicht vorbei. Heute war das Glück auf unserer Seite. In meinem
waren einfach schlecht“, erinnert sich Simone. „Die gefährliche Zone un-
Rucksack trug ich eine große Tüte mit Müll zurück – vielleicht wusste
terhalb Gasherbrum V zu überqueren, dauert normalerweise 15 bis 20
der Berg das zu schätzen und wir standen in seiner Gunst.“
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local support.
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expedition
expedition
Simone, herzlichen Glückwünsch an dich,
sacht werden? Wie gehst du mit ihnen um?
Denis Urubko und Cory Richards zu eurer
Das Problem ist nicht, dass du auch mal einen kalten
Erstbesteigung des Gasherbrum II im Win-
oder windigen Tag erwischen kannst – die komplette
ter! Wie fühlt es sich an, die dritte Erstbe-
Expedition fand unter diesen widrigen Bedingungen
steigung eines Achttausenders im Winter
statt. Es ist wichtig, dass du sehr viel Motivation mit-
gemeistert zu haben? Und mit wem stehst
bringst. Und die Fähigkeit besitzt, viel Leid zu ertragen.
du jetzt auf dem Treppchen? Danke! Es gibt
Das sind wahrscheinlich meine größten Stärken. Ich bin
nur drei Leute, die bisher drei Achttausender im Win-
immer froh und positiv, auch wenn die Bedingungen
ter bezwungen haben. Das sind neben mir noch die
unmenschlich sind. Seit ich ein Kind bin, bereitet es mir
beiden Polen Kukuczka und Wielicki. Aber wenn wir
Vergnügen, mehr auszuhalten als andere.
in Betracht ziehen, dass meine Expeditionen alle nach
dem 21. Dezember begonnen haben, dann bin ich der
Wie habt ihr euch gegen die ungeheure
Einzige. Jedenfalls sind das nur Statistiken und es er-
Kälte geschützt? Nur durch Erfahrung, Energie,
füllt mich mit Stolz, das Podium mit zwei großartigen
Optimismus und Leiden. Allerdings ist die Kälte nur eine
polnischen Kletterern teilen zu dürfen. Ich bin glück-
der Schwierigkeiten. Geringe Sichtweite, tiefer Schnee
lich, aufgeregt und voller Enthusiasmus und Hoffnung
und der Wind waren unsere drei größten Hindernisse.
für die Zukunft.
Das Wetterfenster, das Karl Gabl aus Inns-
Du hast deinem Ruf als Winterspezialist
bruck euch vorausgesagt hatte, war eng.
wieder einmal alle Ehre gemacht. Nach
Ihr wusstet, dass ihr sehr schnell sein muss
dem Shishapangma 2005 und dem Makalu
tet. Seid ihr deswegen gröSSere Risiken ein-
2009 warst du jetzt gemeinsam mit Denis
gegangen als sonst? 36 Stunden schönes Wetter,
und Cory im Karakorum erfolgreich. Wie
das hat uns Charly vorhergesagt. Ich glaube und ver-
schwer ist euch der Aufstieg gefallen?
traue ihm blind. Und ich wusste, dass er recht hat. Ich
Nach den Angaben der letzten fehlgeschlagenen Expedi-
habe meine Trümpfe richtig ausgespielt und die Strate-
tion, die eine Winterbesteigung im Karakorum versucht
gie verfolgt, dieses Wetterfenster für unseren Erfolg zu
hatte, wäre es praktisch unmöglich gewesen. Ich habe
nutzen. Das Risiko war beabsichtigt und bemessen.
elf Winterexpeditionen hinter mir und wusste, dass
nichts unmöglich ist. Ich wusste aber auch, dass 25
Vor der Expedition hast du gesagt, dass
Jahre voller Fehlschläge unsere Chancen nicht unbedingt
dich die Verantwortung als zweifacher
erhöhen würden. Doch ich habe versucht, in Sachen Lo-
Vater am Berg unter Umständen auch brem
gistik, Taktik und Aufwand mein Bestes zu geben. Und
sen könnte. Hast du das ausblenden kön-
es hat zu einem historischen Erfolg geführt.
nen? Ich halte meine Expeditionen kürzer und schnel-
ler. Damit versuche ich die Zeit, die ich den Gefahren
Was sind die gröSSten Probleme, die durch
ausgesetzt bin, auf ein Minimum zu reduzieren. Auf
diese extremen Temperaturen verur
diese Art werde ich weitermachen.
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Lass den Tag kommen. Erste Sonnenstrahlen bei minus 43 Grad.
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expedition
Simone beim Warm-up.
expedition
Foto © Simon moro
Was ging dir am Gipfel durch den Kopf?
Wieso kommst du im Winter immer wieder in den Himalaja und den Karakorum zu-
zuspielen, wie wir es getan haben. Ich war auch sehr
rück? Weil es dort noch ein richtiges Abenteuer ist.
stolz darauf, der einzige Mann zu sein, der drei Gipfel
Es ist niemand anderes hier, es gibt keine Möglichkeiten,
von über 8.000 Meter im Winter erklommen hat. Das ist
den Aufwand mit einem anderen Team zu teilen. Man
Geschichte und Geschichte kann man weder verstecken
hat nur eine ganz geringe Erfolgschance und extreme
noch rückgängig machen. Ich bin der polnischen Tradi-
Witterungsbedingungen. Im Winter zu klettern, ist wie
tion gefolgt – die Polen haben die Winterbesteigungen
die Olympischen Spiele zu gewinnen. Dasselbe Vorhaben
in großen Höhen ins Leben gerufen und sieben der 14
im Sommer dagegen fühlt sich an wie ein unbedeu-
Gipfel von über 8.000 Meter erklommen. Ich habe diese
tendes Match. Außer für diejenigen, die neue Routen
Zahl nun auf zehn erhöht und es bleiben nur noch vier
gehen oder etwas anderes als das Übliche machen.
Achttausender unbestiegen.
Was ist der Grund dafür, dass es bislang
Was war der kritischste Moment auf die-
nur Winterbesteigungen von Achttausen-
ser Expedition? Auf jeden Fall der Abstieg. Die
dern im Himalaja gibt, aber noch keine im
Sichtweite war schon seit drei Tagen fürchterlich. Wir
Karakorum? Ganz ehrlich, die Winterexpeditionen im
konnten nur wenige Meter weit sehen. Zudem war der
Karakorum haben 1986 angefangen und ungefähr alle
Wind so kalt und stürmisch, dass es unmöglich war,
zwei bis drei Jahre kehrte eine zurück. Aber aufgrund
die Orientierung zu behalten. Vor allem die Lawine, die
der anhaltenden Fehlschläge sprach niemand über diese
uns am 4. Februar erwischt hat. Eine riesige Lawine, die
Versuche. Im Himalaja waren die Expeditionen einfach
normalerweise jeden unter sich begräbt, hat uns wie
erfolgreicher, deswegen wollten viele Bergsteiger auch
durch ein Wunder am Leben und unversehrt gelassen.
lieber darüber reden.
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Alpinist oder Kletterer. Ich mache gern Verschiedenes,
haben bereits gefeiert, als wir mit einem breiten Grinsen
sonst laufe ich Gefahr, dass es mir eines Tages langweilig
wieder im Basislager ankamen. Einen Tag später haben
wird. Also versuche ich, ein hohes Level in verschiedenen
wir im Basislager der G1-Winterexpedition gefeiert, sie
Disziplinen der vertikalen Welt beizubehalten. Außerdem
hatten uns eingeladen. Dann haben wir noch mit Major
hilft es mir dabei, die höchsten Gipfel der Erde zu errei-
Anjum von der pakistanischen Armee zu Abend geges-
chen. Ich liebe es, mein Leben zu genießen und meine
sen. Auch die Tage danach, als wir Islamabad erreicht
Familie ist mit Abstand der schönste Teil meines Lebens.
hatten, haben wir es uns gut gehen lassen.
Kalymnos ist perfekt, um die beiden zu vereinen.
Du verbringst deinen Sommer oft auf der
Hast du Pläne, mehr Erstbegehungen von
griechischen Insel Kalymnos. Wie passt das
Achttausendern zu machen? Aber sicher! Ich
mit dem Klettern der höchsten Berge der
werde mal sehen, welcher Achttausender nächsten Win-
Erde im Winter zusammen? Ich bin nicht nur ein
ter „frei“ ist.
„Seit ich ein Kind bin, bereitet es mir Vergnügen, mehr auszuhalten als andere.“
Foto © Damiano Levati
Dass wir mutig waren und schlau, unsere Karten so aus-
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Wie und wann feiert ihr euren Erfolg? Wir
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auf spurensuche
auf spurensuche
Ein
Tag
bei
den
Yetis
in
S a c h se n
„Yeti steht das Wasser bis zum Hals“, schallt es im August 2010 durch die Outdoorszene. Ein verheerendes NeiSSe-Hochwasser bringt das sächsische Unternehmen an den Rand des wirtschaftlichen Ertrinkens. Kamen die Rettungswesten rechtzeitig? RAUS! schaut nach, wie es der Firma heute geht. Und wie Yeti arbeitet. Vor und nach dem Wasserschaden. Eine Werkspionage.
text Benjamin Hellwig Fotos © g.u.hauth © yeti & © Benjamin Hellwig
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fast
ganz gans
foto © g.u.hauth foto © Benjamin Hellwig
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foto © yeti
i
In enger Zusammenarbeit mit seinem Zulieferer kann er mittlerweile für über 90 Prozent seiner in Deutschland, Polen und im ukrainischen Raum gewonnenen Daunenware felsenfest behaupten, die Herkunft zu kennen.
ch sitze hinterm Steuer meines Autos. Der Him-
das ist transparent. Mit dem Ethical Code hat Yeti als
mel ist wolkenlos – wie bestellt zum heutigen
erste Outdoorfirma ein Kodierungssystem entwickelt,
Frühlingsanfang. Mein Tagesziel: Görlitz. Östlicher
das den Weg vom Ei über die Aufzucht bis hin zum
geht es nicht in Deutschland, die polnische Grenze
fertigen Daunenprodukt offenlegt. „800RP1PWKG955“
liegt gleich um die Ecke. Doch irgendwie kommt mir
heißt es zum Beispiel auf den ersten Blick etwas ver-
beim Gedanken an „Yeti“ gerade eher Reinhold Mess-
wirrend. Dahinter verbergen sich Informationen über
ner südlich der Republik in den Sinn. Die Legenden-
Bauschkraft, Region, Agrarbetrieb, Tiergattung sowie
bildung um das haarige, bärähnliche Wesen aus dem
über das Mischungsverhältnis von Daunen zu Federn.
Himalaja ist für mich unweigerlich mit Erzählungen des
Die europäischen Standards dieser Höfe helfen zu-
Südtiroler Bergsteigers verbunden. Das hat erst einmal
dem, die Produktionsbedingungen für Tier und Mensch
nicht so viel mit Gänsedaune zu tun, denke ich mir auf
zu überblicken. Allbekanntes Vokabular ist zwar auch
dem Weg zum Werk des sächsischen Outdoorherstel-
hier anzutreffen – „artgerecht und freilaufend leben
lers und spule die restlichen Kilometer auf der A4 ab.
die Tiere, gezüchtet zur Fleischgewinnung“. Doch Kays
Begeisterung und Überzeugung für dieses ganzheitliche
Expeditionsbekleidung, Schlafsäcke, Mäntel, Jacken und
Produktionskonzept ist allgegenwärtig. Und fast schon
Westen der Yeti GmbH haben dagegen einen Bezug zur
nebenbei bekommt er hierdurch erstklassige Ware auf
Gans. Und zur Ente. Die Tiere sind Lieferanten für das
den Arbeitstisch. Sein Motto: „Wenn es einer Ente gut
Herzstück aller verarbeiteten Materialien des Unterneh-
geht, wird sie auch gute Daunen entwickeln.“
mens: Daune. Im toten Zustand des Federviehs gewon-
nen. Glücklicherweise. Vom Lebendrupf distanziert sich
Die Daune selbst, bei Yeti werbewirksam „Crystal Down“
Yeti vehement. Vor dem schmucklosen Werksgebäude in
genannt, offenbart bei näherer Betrachtung Faszinie-
einem Görlitzer Gewerbepark treffe ich Kay Steinbach,
rendes. Was Brust und Bauch von Gans und Ente so
den Managing Director. Und schon im Treppenhaus des
warmhält, ist gleichzeitig sehr filigran. Strahlenför-
neuen Firmensitzes geht es um das Essenzielle: „Ich
mig wachsen aus einem kaum erkennbaren Kern viele
will ausschließen, dass für unsere Produkte Tieren Leid
weiche Filamente. Diese aus der Hornsubstanz Keratin
zugefügt wird!“, sagt Kay. Ein klares Statement, hinter
bestehenden Fasern haben wiederum Tausende Veräs-
dem mühevolle Kleinarbeit steckt. Um diese Gewissheit
telungen, an denen unzählige Widerhaken sitzen. Ein
zu gewährleisten, muss er die Betriebe kennen, die
Gebilde der Natur mit einzigartigem Wärmehaltevermö-
nach der Schlachtung die Daunen gewinnen. In enger
gen. Und das hat der Hersteller aus Sachsen für sich
Zusammenarbeit mit seinem Zulieferer kann er mittler-
entdeckt. Treffen sich dann in einem Schlafsack meh-
weile für über 90 Prozent seiner in Deutschland, Polen
rere dieser Kunstwerke, entstehen auf natürliche Wei-
und im ukrainischen Raum gewonnenen Daunenwa-
se Luftkammern, die alles künstlich Hergestellte in den
re felsenfest behaupten, die Herkunft zu kennen. Und
Schatten stellen. Und vor Kälte schützen.
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Filigranes Kunstwerk.
foto © g.u.hauth
auf spurensuche
auf spurensuche
Warm will es auch Bernd Exner mit seiner Familie ha-
Doch Marketing ist noch Neuland: „Wenn jemand et-
ben. Für seine Touren in der damaligen DDR ist Funk-
was brauchte, dann kam er einfach im Werk vorbei.“
tionsware allerdings gleich Mangelware. Mit Isolation
Mund-zu-Mund-Propaganda in vollendeter Form.
beschäftigt sich die Textilindustrie noch nicht großartig.
Doch der Bedarf ist da. Für Expeditionen im Kaukasus
Zur Jahrtausendwende beginnt ein neuer Abschnitt für
melden Privilegierte ihr Interesse an. Exner wird erfinde-
das Unternehmen. Die Familie Exner verkauft den größ-
risch. Er verwendet einheimische Daunen und Gewebe
ten Anteil an Carl Breiding & Sohn, europaweit füh-
und schneidert die erste robuste und funktionale Beklei-
rend in Sachen Bettwaren. Einziger Verbindungspunkt:
dung. 1983 gründet er im ostdeutschen Borgsdorf bei
Daune. Der Bezug zum Thema Outdoor ist gleich null.
Berlin einen kleinen privaten Betrieb. Der sozialistische
Ein Tochterunternehmen der Firma sitzt damals in Gör
Staat toleriert das Konzept, da sie im kleinen Stil und
litz und bedingt den Umzug Yetis nach Sachsen. Be-
von zu Hause aus arbeiten. „Mehr Mitarbeiter und sie
reits fünf Jahre später schlägt jedoch die erste Krise
hätten VEB Schlafsackherstellung geheißen“, sagt Kay
zu. Der Breiding-Konzern gerät in finanzielle Schieflage
rückblickend zu der Zeit vor seiner Yeti-Zeit. Er sitzt
und meldet schließlich auch für die Schlafsackmacher
hinter einem langen, breiten Schreibtisch. Das Büro
Konkurs an. „Die Produktion war ja unter Breiding
ist noch notdürftig eingerichtet, der Internetzugang
komplett nach China ausgelagert. Da folgten dann
macht Probleme. Die Kaffeemaschine läuft schon. „Mit
Lieferschwierigkeiten und die Qualität der Ware ging
der Grenzöffnung hielten dann auch technische Neue-
in den Keller“, schildert Kay den Tiefpunkt. Der Däne
rungen vor allem in der Materialwahl bei Yeti Einzug.“
Erik Møller von Nordisk Freizeit übernimmt 2005 und
Daunenfee Ingrid Melzer befüllt wieder. Premiere nach der Krise.
In den Startlöchern.
foto © Benjamin Hellwig
foto © Benjamin Hellwig
löst Yeti als Investor heraus. Heute hält das dänische
hat. Er spricht von Etappenzielen: „Erst einmal wollten
Unternehmen 90 Prozent der Besitzanteile. Eine Verän-
wir wieder auf Augenhöhe mit der Konkurrenz sein.
derung, die den Outdoorbezug der Marke wieder zu-
Dafür wurden alle Produkte gründlich inspiziert und
rechtrückt. Und professionelle Strukturen einbringt.
auf den aktuellen Stand in Sachen Design und Technik gebracht.“ Herausgekommen ist ein überarbeitetes Sor-
2006 tritt Kay in das Unternehmen ein. Er ist Dresdner,
timent rund um das Schlafsack-Modell VIB (Very Impor-
spricht die Sprache und lebt die Mentalität der Men-
tant Bag, 2008). Kay setzt zudem die Funktionalität wie-
schen hier. Und ist sich den großen Anforderungen
der in den Mittelpunkt: „Ein Produkt ist zunächst einmal
bewusst: „Der Weg zurück an den Markt war brutal
dazu da, zu funktionieren. Danach darf es dann auch
schwer. Aber für mich war es eine riesige Herausforde-
ruhig so angenehm wie möglich sein“, sagt der 39-Jäh-
rung, das Unternehmen wieder zurückzubringen. Aller-
rige. Wichtige Produktionsprozesse holt er zurück nach
dings lag die Stimmung natürlich im Keller, das Telefon
Deutschland. Die Hochzeit des Schlafsacks ist von nun
klingelte nur einmal in der Woche.“ Ich will wissen, wie
an wieder in Görlitz: befüllen, Kammern zunähen, Dau-
er das Schiff wieder in das richtige Fahrwasser gelenkt
ne verteilen, sauber machen, etikettieren – versandfertig.
„Ein Produkt ist zunächst einmal dazu da, zu funktionieren. Danach darf es dann auch ruhig so angenehm wie möglich sein.“
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auf spurensuche
auf spurensuche
alle fotos © yeti
2009 folgt sein nächster Etappenschritt. Er hat große
zu haben, weicht urplötzlich purer Existenzangst. „Al-
Ziele: „Mein Anspruch war es dann, ein Nonplusultra-
les unterhalb der Schreibtischhöhe war kaputt. Wände,
Produkt zu schaffen: Alles, was es bisher gab, wollte
Elektrik, Computer, Nähmaschinen, Schlafsäcke.“ Selbst
ich toppen. Unsere Parole: Wir bauen den leichtesten
mit Winterware gefüllte Lagerregale reißt das Wasser zu
Schlafsack der Welt! Erik Møller entdeckte in Japan ein
Boden. „Einen ursprünglich fünf Kilogramm schweren
ultraleichtes, aber robustes Gewebe, das wir ‚next to
Daunensack zogen wir mit mehreren Helfern aus dem
nothing‘ nannten“, sagt Kay. Befreundete Händler ge-
Chaos. Der wog jetzt 50 Kilo!“ Ich frage vorsichtig nach
ben wichtige Hinweise aus der Praxis: nicht zu schul-
einer Hochwasserschutzversicherung. „Kannst du auf-
terschmal, praktikabel im Einstieg. Die Passion-Serie ist
grund der Lage an der Neiße nicht abschließen“, sagt
geboren. Mit der besten Daune, die es auf dem Markt
Kay knapp mit einem Schulterzucken.
gibt: 900 Kubikzoll Bauschkraft, 97 Prozent Daune und drei Prozent Feder. Gewicht? Federleichte 265 Gramm
Doch Yeti bäumt sich auf. Ein unbeschreiblicher Zusam-
(Passion 1, Größe M).
menhalt auf allen wichtigen Ebenen ist für Kay rückblickend die Basis für das Überleben in dieser Situation:
In extremen Situationen das Überleben sichern – dafür
„Die Branche war unglaublich optimistisch, viele haben
stehen einige der Produkte von Yeti. Nach den Grenz
an uns geglaubt. Auch der Zuspruch der Händler war
erfahrungen am eigenen Leib durch ein gravierendes
riesig. Dazu war der Einsatz unseres Teams unglaublich.
Hochwasser müssen sie auf einmal diese Qualitäten auf
Die haben einfach von zu Hause aus gearbeitet und ihre
Unternehmensebene unter Beweis stellen. Am 8. Au-
privaten Telefone und Computer genutzt.“ E-Mails von
gust 2010 ist die Neiße nicht wiederzuerkennen. Der
den Menschen, die die Yeti-Produkte tragen und einset-
Bruch des Witka-Staudamms in der polnischen Ober-
zen, motivieren die acht Mitarbeiter zusätzlich. „Nicht zu-
lausitz spült zusätzlich zu hohen Pegelständen enorme
letzt haben wir natürlich auch von Nordisk den nötigen
Wassermassen in ufernahe Gebiete der Görlitzer Altstadt.
Rückhalt gespürt.“ Um frische Ware ausliefern zu können,
Auch die denkmalgeschützte Manufaktur am ehemaligen
verlagert Kay die Produktion erst einmal, unter anderem
Standort direkt an der Neiße ist betroffen. Bis zu zwei
an ein Unternehmen in Bayern. Doch auch der alte La-
Meter hoch steht das Wasser hier. Der Stolz, Lager, Pro-
gerbestand ist teilweise noch zu gebrauchen. Aufwendig
duktion, Vertrieb und Service unter einem Dach vereint
reinigen Mitarbeiter und Helfer die hochwertige Ware.
Der Stolz, Lager, Produktion, Vertrieb und Service unter einem Dach vereint zu haben, weicht urplötzlich purer Exis tenzangst. „Alles unterhalb der Schreibtischhöhe war kaputt. Wände, Elektrik, Computer, Nähmaschinen, Schlafsäcke.“
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auf spurensuche
„Flutverkäufe“ auf einem Stand von Globetrotter in Dresden sowie im Nordisk-Lager in Quickborn bringen lebenswichtige Erlöse auf dieser finanziellen Durststrecke. Eine „Flutzeitung“ bringt Kunden, Anwohner und Freunde auf den neuesten Stand der Hochwasserschäden. Hier im Gewerbepark ist die Neiße weit weg. Eine Hochwasserversicherung wäre möglich, ist aber unnötig. Seltsames Versicherungssystem, denke ich mir. Wir gehen in die zukünftige Produktionshalle des neuen Standorts und treffen Ingrid Melzer. Sie ist seit fast zehn Jahren im Unternehmen und so etwas wie die Daunenfee bei Yeti. „Manchmal kommen hier Daunen an und ich merke, dass damit etwas nicht stimmt. Da schick ich schon mal eine ganze Lieferung wieder zurück!“, beschreibt sie ihr Fingerspitzengefühl. Ich greife in die randgefüllte Holzkiste und frage, wie ich Gänsedaune von Entendaune unterscheiden kann. „Geht eigentlich nicht“, sagt die 62-Jährige. Sie grinst schelmisch. „Aber eventuell rieche ich auch das heraus.“ Wer, wenn nicht sie, unternimmt just in diesem Moment die ersten Arbeitsschritte an neuer Wirkungsstätte. Die dänische Befüllungsmaschine hat sie nach der Flut selbst aufwendig gereinigt und dafür satte 14 Tage investiert. Und auch wenn heute noch nicht alles glatt läuft: Der erste wieder in Görlitz befüllte Schlafsack läutet eine neue Ära ein. Yeti hat sich wieder freigeschwommen. Ich puste mir einige Daunen aus der Nase und mache mich auf die Rückreise. foto © Benjamin Hellwig
Kay Steinbach, unkonventionell im Daunenbad. foto © Benjamin Hellwig
Auszeichnungen Passion 1: Winner Red Dot Design Award 2009, Designpreis Deutschland 2010, Silber Purity Jacket: iF Product design award 2010, Gold Ambition Jacket: Winner Red Dot Design Award 2011
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whiskey-freunde
advertorial
Bushmills eine Destillerie geht auf Reisen.
Colum Egan ist immer wieder für eine Überraschung gut. Der Master Distiller der Old Bushmills Distillery verschenkte 2009 seinen heiSSgeliebten Oldtimer und verloste 2010 seinen Job in der Whiskey-Brennerei in Nordirland. In diesem Jahr übertrifft er sich selbst und schickt die Destillerie auf eine Reise. Ziel des Ausflugs? Das Heimatland der Gewinner eines auSSergewöhnlichen globalen Wettbewerbs.
„Wir suchen nach echten Freunden, die das Leben lieben und einen verruchten Sinn für Humor haben, genauso wie wir.“
a
benteuerlustige Whiskeyfreunde können sich bei
Zum ersten Mal ist auch Deutschland dabei. „Wir suchen
Und Colum hat sich für das drei Tage lange Finale im
„Make it 2 Bushmills“ Colums Herausforderun
nach echten Freunden, die das Leben lieben und einen
„Bushcamp“ außergewöhnliche Wettkämpfe wie Strand
gen stellen. Aus elf Nationen bekommen ein
verruchten Sinn für Humor haben, genauso wie wir“,
golfen oder Tandem-Radrennen ausgedacht.
Gewinner und seine Begleitperson zunächst die Mög-
beschreibt Colum das Anforderungsprofil. Nach einem
lichkeit, 14 Tage lang hinter die Kulissen der Bushmills-
Vorentscheid stehen ausgewählte Freundespaare nun
Mehr als 100.000 Whiskey-Enthusiasten besuchen jähr
Destillerie in Nordirland zu blicken. Sie arbeiten an der
in der engeren Auswahl und müssen sich von Anfang
lich Irlands älteste Whiskey-Schmiede an der spek-
Seite von Colum, um die 400 Jahren alte Kunst der
Mai bis Ende Juni auf facebook.com/bushmills1608
takulären Küste Nordirlands. Millionen Fans gibt es
Whiskey-Herstellung in der Bushmills-Region zu erler-
um Stimmen bemühen. Können die deutschen Bush-
weltweit. „Wir denken, es ist Zeit, sie einmal zu besu-
nen. Und erhalten sogar die Chance, ihren ganz ei-
mills-Freunde den Vorjahres-Champion Bulgarien in die
chen. ‚Make it 2 Bushmills‘ ist eine große Chance für
genen Bushmills Blend zu kreieren. Luxus-Penthouse,
Schranken weisen und zeigen, dass der wahre Spirit
Whiskey-Freunde aus der ganzen Welt, um das Herz
5.000 Pfund Taschengeld und die Faszination Nordir-
der Freundschaft aus Deutschland kommt? Vote mit
der Brennerei zu erkunden und ein Stück der Destil-
lands sind inklusive. Nach den zwei Wochen packt Co-
und entscheide, wer Deutschland vertreten darf!
lerie mit nach Hause zu nehmen“, sagt Colum Egan.
lum das Beste ein, was seine „Old Bushmills“-DestilleDie beiden Freunde aus Deutschland mit den meisten
die globalen Gewinner bekannt gegeben werden. Das
auf die Reise. Das Ziel ist der Heimatort der Gewinner
Stimmen reisen mit den Gewinnerteams der zehn an-
ist das Spannende daran! Aber es wird auf jeden Fall
– hier erwartet das siegreiche Team eine Riesenparty
deren Länder im August an die Küste Nordirlands.
eine ganz besondere Nacht, egal wo wir landen!“
für Freunde und Familie. Und Colum ist sich sicher: „Wie man eine gute Party schmeißt, das wissen wir!“
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„Wir wissen nicht, wo die Party stattfinden wird, bis
rie zu bieten hat, und geht mit dem Gewinnerteam
Trink verantwortungsvoll. www.initiative-genusskultur.de
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nachgefragt
nachgefragt
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Pack‘ deine
Raus mit Thomas D
Sachen!
text benjamin hellwig
Ich höre Thomas D – und muss gleich an
Fotos © Boris Breuer
„Rückenwind“ denken. Die verrückte Idee, die der schwäbische Musiker 1997 durchzieht, ging wohl bestimmt jedem von uns mal durch den Kopf. Einfach mal raus! Er tut es, verkauft die komplette Einrichtung seiner Stuttgarter Wohnung und reist mit seinem Wohnmobil für ein Jahr quer durch Deutschland. Und lässt dabei Altes hinter sich. Gelernt hat er „was Anständiges“, jobbt nach der Friseurlehre bei der elterlichen Tankstelle und als Hausmeister. Mit der Hip-Hop-Formation „Die Fantastischen Vier“ feiert er 1989 seine musikalische Auferstehung. Plattenvertrag, Tourneen, Fernsehauftritte. Das Ding kommt ins Rollen.
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Schau genau hin. Die Zeit ist kostbar!
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nachgefragt
d
nachgefragt
as spätere Album „Solo“ mit der Single „Rü-
Hast du denn trotz dieser Vielfalt auch
einer ganzen Kette von Wahnsinn. Das Leid der Tiere,
ckenwind“ folgt dieser inspirierenden Deutsch
einen Lieblingsplatz in der Natur? Ich habe
die CO2-Belastung, die Vergiftung der Lebensmittel durch
landreise und ist Beginn eines neuen Ab-
hier auf der Wiese vor meiner Haustür einen einsamen
Medikamente. Und das verbunden mit dem Welthunger
schnitts. 1999 gründet er mit Freunden eine Kommune
Baum. Unter ihm haben meine Frau und ich geheira-
und der Wasserknappheit, der wir ja kräftig entgegen-
in der Natur der ländlichen Vulkaneifel und tauft das Pro-
tet. Man spricht ja nicht nur gut von einsamen Bäu-
steuern. Da ist es einfach verrückt, Fleisch zu essen. Ich
jekt „Moderne Anstalt Rigoroser Spakker“ (MARS). Auch
men, aber das ist bestimmt einer der guten. An ihm
fahre ein Hybridauto. Ich könnte aber auch 17 Sport-
aus diesem „Leben und Arbeiten mit Gleichgesinnten“ he-
können wir auch gut die Jahreszeit ablesen.
raus entstehen Projekte musikalischer Vielfalt. Wie wichtig
wagen in der Garage haben und hätte immer noch eine bessere CO2-Bilanz als jemand, der Fleisch isst.
ist ihm die Natur als Lebensmittelpunkt und der tägliche
Thema Nachhaltigkeit, was regt dich auf?
Fleischverzicht ist ein bedeutsamer Schritt, der aber
Umgang mit ihr heute? Fragen wir doch mal nach!
Bis zum heutigen Tag unseres Gesprächs war mir klar,
eigentlich nicht beinhaltet, etwas zu tun, sondern et-
und ich fand es auch äußerst offensichtlich, wie das
was nicht zu tun! Es gibt wenig Möglichkeiten, durch
Hallo Thomas – heute schon drauSSen ge-
gute Gewissen oder die Nachhaltigkeit einen Schritt
Auslassen von Dingen einen Unterschied zu machen.
wesen? Ja, tatsächlich. Ich hatte heute einen der weni-
zurückmacht, wenn es um das Finanzielle geht. Unse-
Außerdem haben wir hier eine Solaranlage und heizen
gen Momente, bei denen ich ganz allein unterwegs war
re Kanzlerin hatte die Verlängerung der Laufzeiten der
mit Pellets. Erst einmal musst du da natürlich investie-
– sogar ohne meinen Hund. Hier in der Eifel ist gerade
Atomkraftwerke beschlossen. Meiner Meinung nach ging
ren, aber das rechnet sich. Doch auch bei den kleinen
absolutes Ausnahmewetter. Ein guter Start in den Tag!
es nicht darum, dass sich das Thema Atomkraft verbes-
Beträgen des Alltags wie beim Kauf von Lebensmitteln
sert hatte oder sich nicht mehr so gefährdend zeigte.
und Bekleidung kannst du was machen: weniger Fer-
Der Frühling ist da! Was treibt dich im All-
Es ging nur darum, möglichst viel Geld herauszuholen.
tigprodukte, mehr Biolebensmittel. Das Internet bietet
tag raus? Für mich ist das Rausgehen natürlich zum
Sobald einmal die Kosten bezahlt sind, ist so ein Brü-
Möglichkeiten, sich über deren Herkunft und Zusam-
einen mit dem Hundespaziergang verbunden. Zum an-
ter eine Gelddruckmaschine. Und dann machen die
mensetzung zu informieren. Denn: Wir werden weiter-
deren gehe ich, seit ich Kinder habe, auch wieder ver-
Betreiber ihre Geschäfte mit der Bundesregierung, die
hin Essen und Kleidung kaufen. Und da können wir
mehrt raus, denn ich will ja, dass die beiden Gefallen
Steuer wird erhöht und die Dinger werden noch eine
mit unserer Kaufentscheidung doch auf leichte Weise
daran finden. Meistens führt das aber dazu, dass sie
Weile laufen gelassen. Das Abschalten von Atomkraft-
einen Unterschied machen.
sich dann beschweren und fragen, wann wir wieder reingehen. Und ich selbst werde zum vollen Outdoor
„Natur heiSSt für mich wirklich, zu mir selbst zu kommen, durchzuatmen und vor allem diese unbezahlbare, unverschämte Perfektion zu beobachten.“
experten, obwohl ich ja eigentlich nur versuche, meinen Kindern die Vorzüge frischer Luft näherzubringen. Welchen Bezug hast du zur Natur? Ich bin schon ein sehr naturverbundener Mensch. In der Na-
werken weckt Hoffnung. Aber muss erst die Katastro-
Ich habe vor Kurzem gehört, ohne die Be-
tur kann ich auftanken, das ist für mich ein Platz der
phe kommen, damit die Bedrohung wieder erkennbar
kleidungsindustrie in Asien würden wir in
Kraft und der Erdung. Ich wohne ja nicht umsonst
ist? Atomkraft war bereits vor Japan keine gute Idee.
Europa alle nackt rumlaufen. Wie stehst
weit draußen, bezeichne mich selbst gern als Land-
Umweltbewusst sein, solange es mich kein Geld kos
du zu „Made in China“? Im Zuge der globalen
ei. Ich vermisse die Stadt nicht und suche dort auch
tet? Umweltbewusstsein vergessen, wenn es dafür Koh-
Erwärmung können wir ja eh bald nackt rumlaufen,
nichts, was ich hier nicht finden könnte. Natürlich bin
le gibt? Das ist ein Verhalten, das ich nicht akzep-
da fallen dann alle unsere Grenzen und Hemmungen
ich auch mal in der Stadt. Das ist für mich eine ganz
tieren kann. Solche Kompromisse richten sich einfach
(lacht). Ich habe eigentlich nichts gegen weltweiten
andere Art von Inspiration. Aber Natur heißt für mich
gegen uns alle. Nachhaltigkeit fängt im ganz Kleinen
Handel. Wichtig ist nur, dass wir entsprechende Ar-
wirklich, zu mir selbst zu kommen, durchzuatmen und
an. Und es kann auch niemand von sich weisen und
beits- und Umweltbedingungen in diesen Fabriken
vor allem diese unbezahlbare, unverschämte Perfektion
sagen, ich habe nicht die Möglichkeit oder Fähigkeit,
haben. Allerdings gibt es da oftmals verheerende Zu-
zu beobachten. Die einfache Erkenntnis, dass alles da
etwas für die Welt zu tun. Das ist eine Ausrede, die
stände. Wenn das Zeug da einfach in Flüsse geleitet
draußen sich nicht wiederholt. Dass jedes Blatt, jeder
mich nervt und aufregt.
wird und weder Arbeiter noch Umwelt vor Färbemit-
Grashalm individuell verschieden ist. Und du guckst
teln und Chemikalien geschützt werden. Da machen
raus und denkst dir, die Natur in ihrer Vielfalt ist ein-
Was tust du selbst, um in deinem Alltag
wir natürlich mit, indem wir diese Produkte kaufen.
deutig etwas Göttliches, etwas Heiliges. Und das mache
nachhaltig zu sein? Das beste Beispiel ist mein
Andere Länder sind da schon weiter, da ist es cool,
ich mir immer wieder bewusst.
Verzicht auf Fleischkonsum. Fleisch zu essen gehört zu
ökologische Kleidung zu tragen.
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raus-magazin 1 | 2011
Einer der guten einsamen Bäume.
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nachgefragt
nachgefragt
Hier ist dann immer noch der riesige Sportartikelhersteller angesagt. Und das selbstverständlich aufgrund einer lang anhaltenden, sehr kostenintensiven Werbung. Kleinere Firmen haben natürlich nicht so viel Marketingpower, um sich darzustellen. Und genau da sind dann wieder wir als Konsument gefragt! Gut aussehen tut das doch mittlerweile alles. Wir müssen nicht mehr in der ÖkoSandale und im selbst gestrickten Pullover rumlaufen. Mittlerweile gibt es auch bei uns kleinere Firmen, die darauf achten, wie sie die Kleidung herstellen. Das Zeug ist dann auch noch cool. Ich selbst habe beispielsweise eine Kooperation mit Pyua. Ich habe mich erst einmal über
„Ich fahre ein Hybridauto. Ich könnte aber auch 17 Sportwagen in der Garage haben und hätte immer noch eine bessere CO2-Bilanz als jemand, der Fleisch isst.“
die Firma informiert und gesehen, dass die das wirklich
Pyua hat ja vor Kurzem auch den Eco Responsibility Award gewon-
gut und gewissenhaft machen. Wir haben dann eine
nen. Wie wichtig sind für dich Auszeichnungen, sei es in der Musik
Kooperation begonnen und jetzt designe ich ein paar
oder bei Pyua? Ich habe ja schon früh gesagt: „Gib uns kein Gold, denn das ist nur
T-Shirts und Sweatshirts, die entweder aus recyceltem
Glimmer.“ Und mein nächster Satz war dann schnell: „Doch gib uns auch kein Silber,
Plastik oder vollständig aus Biobaumwolle bestehen. Die
denn das fänden wir noch schlimmer.“ Ich bin dann schon lieber Erster als Zweiter,
produzieren zwar nicht in Deutschland, sondern in Portu-
und trotzdem geht es nicht darum, die Preise zu häufen oder Auszeichnungen zu er-
gal, aber irgendwie muss man sich dem Markt ein Stück
halten. Aber es hilft, noch etwas hinterherzuschieben. Ein Preis, wie Pyua ihn bekom-
weit anpassen. Sonst bist du bei einem Produkt, das so
men hat, zeigt auch, dass Menschen es würdigen, wenn eine Firma sich so einsetzt.
viel kostet, dass es dann keiner mehr kauft.
Sie gehen einen konsequenten Weg und sagen: „Ja, das ist unsere Linie“ – fertig. Und Erfolg und Misserfolg stehen dann vielleicht an zweiter Stelle. Natürlich muss eine Fir-
Bei deiner Pyua-Kollektion liegt neben an-
ma Umsatz machen. Du musst deine Mitarbeiter bezahlen, du musst deine Arbeitsstelle
deren Motiven der Schwerpunkt auf dem
erhalten, aber es richtet sich nicht nur nach dem Geld, die Philosphie steht an erster
Fingerabdruck, Bäumen und Gorillas. Was
Stelle. Vielleicht ist das ein Anreiz für andere, ihr Konzept noch einmal zu überdenken.
steckt für dich hinter diesen Begriffen und
In der Plattenindustrie ist es schön und wir freuen uns sehr über Preise. Aber es ist
warum habt ihr sie als Motive gewählt?
nicht das, was mich motiviert.
Der Fingerabdruck steht symbolisch für das, was wir hinterlassen auf dieser Erde. Denn eines ist klar: Seit es den
1999 hast du die „MARS“-Kommune mit dem angestrebten Ziel einer
Menschen gibt, hat sich die Erde stark verändert. Aber
„friedlichen, spirituell orientierten, künstlerisch spontanen und ve-
wir alle haben die Möglichkeit zu bestimmen, in welche
getarisch gesunden Lebensweise“ gegründet: Wie aktuell ist das Pro-
Richtung wir diese Welt täglich verändern. Die Geschichte,
jekt heute noch? Die Kommune hat sich gewandelt, es ist sehr viel ruhiger und
die wir schreiben, ist wie unser Fingerabdruck. Wir waren
entspannter geworden. Was einmal eine Freak-Hippie-WG war, ist heute zu einer sehr
da, das lässt sich nicht verheimlichen. Aber was haben wir
familiären Station und vielleicht auch zu einem Ruhepol geworden. Es ist wesentlich
daraus gemacht? Diese Frage kann sich nur jeder selbst
weniger los als damals. Mittlerweile wohnen nur noch sechs Leute hier, zwei davon
stellen und beantworten, ganz individuell. Der Baum ist
sind meine Kinder. Die Familie nimmt also schon vier Plätze ein. Zudem wohnen dem-
meine Lieblingspflanze. Bäume sind ein Symbol, so wie
nach nur noch zwei andere hier. Die wilden Zeiten sind vorbei.
die Haare auf der Haut des Planeten. Und wir dazwischen
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Künstlerisch und nachhaltig. Designed by Thomas D.
wie irgendwelche Läuse. Ein Baum kann sehr groß wer-
Und was sind deine wichtigsten Erkenntnisse aus über einem Jahr-
den und doch steht er immer verwurzelt an einer Stelle
zehnt Kommune auf dem Lande? Es steht und fällt mit der Küche! Das ist, glau-
und strahlt eine unglaubliche Ruhe aus. Eine wahnsinnig
be ich, meine Haupterkenntnis. Wenn sich in der Küche nicht alle an Ordnung und
schöne Pflanze, die uns atmen lässt. Der Gorilla ist das
Sauberkeit halten, hast du das Chaos. Gerade bei so vielen Leuten. Ich glaube, ich hatte
stärkste Tier im Urwald. Also denken viele, er sei wie ein
zehn Jahre lang immer ein volles Waschbecken. Obwohl ich direkt am Anfang fett mit
Löwe ein Fleischfresser. Aber er ernährt sich komplett ve-
Edding auf den Boden vor der Spüle geschrieben habe: „Lass mich frei!“ Man könnte
gan. Er isst keine anderen Tiere, auch keine Tierleichen,
jetzt auch sagen, es hat nicht funktioniert. Aber mit Scheitern hat das Ende nichts zu
nur frische Blätter, Obst und Nüsse. Man würde so einem
tun. „MARS“ hat mal mehr und mal weniger funktioniert. Insgesamt betrachtet war es
Veganer jetzt spontan nicht zutrauen, dass er der absolu-
eine sehr schöne Zeit, die ich nicht missen möchte. Irgendwann musste ich sozusagen
te Chef ist. Er ist, was seine Ernährung angeht, das fried-
die Verantwortung übernehmen und sagen, die Ära ist jetzt beendet. Und spätestens
lichste Tier – und gleichzeitig ist er der Chef.
mit der Familie beginnt eine neue Ära.
raus-magazin 1 | 2011
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nachgefragt
nachhaltig
Eifelpower. Erholungsraum in der Natur.
Woran arbeitest du aktuell? Mich hat die
mer wieder beschrieben werden kann. Eigentlich hatte
Musik meines Kollegen Alex Breuer inspiriert. Er hat an
ich meine eigenen Erlebnisse in Thailand gut bewältigt
einem Soloalbum gearbeitet. Und daraufhin kam ich
und bin froh, dass meine Familie und ich das überlebt
auf die Idee, mein zehn Jahre altes Solowerk „Lektion
haben. Dafür war die Situation sehr unwahrscheinlich.
in Demut“ noch einmal neu aufzunehmen. Komplett
Und wenn ich mir die Bilder aus Japan vor Augen rufe,
mit neuer Musik, aber die gleichen Texte. „Lektion in
wird mir nur noch einmal mehr klar, wie ein Stoff wie
Demut 11.0“ habe ich das Werk genannt. Mit einer
Wasser, der ja eigentlich Lebensspender ist, zum abso-
Musik, die im Jetzt spielt. Die elektronischer ist, wär-
luten Vernichter wird. Da muss der Mensch vor der Na-
mer ist, mehr in den Arm nimmt. Die Geschichten auf
tur ganz weit zurückstecken. Was entscheidet über Le-
text benjamin hellwig
der Platte sind wie ein Comic in Hörform. Superhelden
ben und Tod? Glück oder Bestimmung? In meinem Fall,
fotos © KEEN
und Superbösewichte, die um die letzten Seelen dieser
2004, bin ich mir eigentlich sicher, dass es nichts mit
Welt kämpfen, und die Welt steht am Rand, ist emotional bankrott und sieht einfach nicht gut aus. Das Komische ist, dass jetzt, zehn Jahre später, dieses Szenario aktueller denn je ist. Und dass jetzt viele Leute, die das Original nicht kennen oder zu jung waren, die
„Du musst deine Mitarbeiter bezahlen, du musst deine Arbeitsstelle erhalten, aber es richtet sich nicht nur nach dem Geld, die Philosphie steht an erster Stelle.“
Möglichkeit haben, sich mit dem Thema noch mal auseinanderzusetzten.
keenongreen Mi t a lt e n M a s c h i n e n a u f n e u e n W e g e n
Der Schuhhersteller Keen aus Portland/Oregon, setzt
Pro verkauftes Paar Schuhe aus diesen Linien entrichtet
mit dem Projekt HybridLife Hope neue Maßstäbe beim
Keen fünf US-Dollar zinsfrei an Kiva. Die gemeinnüt-
Thema nachhaltige Produktion. Getreu dem Motto „mit
zige Mikrofinanz-Organisation unterstützt hilfsbedürftige
kleinen Schritten große Wirkung erzielen“ kommen die
Menschen auf der ganzen Welt bei der Umsetzung ihrer
Schuhe der Santiago-Linie so umweltfreundlich und na-
Geschäftsideen. Bis zu eine Million US-Dollar will Keen
türlich wie möglich daher. Im Zentrum der Produktion
in den kommenden Jahren bereitstellen.
Glück zu tun hatte. Das war mehr. Ich hatte da durch-
steht dabei das Werk in Santiago in der Dominikanischen
aus das Gefühl, dass meine Zeit noch nicht gekommen
Republik. Lokale Arbeitskräfte bedienen hier reaktivierte
Info Kiva
Im März hat der Tsunami in Japan eine
war. Innerhalb dieses ganzen Wahnsinns war der Mo-
Vulkanisierpressen aus den 1950er- und 1960er-Jahren.
Kiva ist eine gemeinnützige Mikrofinanz-Organisation mit Sitz
verheerende Zerstörung angerichtet. Du
ment durchaus spirituell. Eine Nahtoderfahrung wie die
Der Clou dieser alten Maschinen? Heißvulkanisation. Mit-
in San Francisco. Seit 2005 vergibt das Unternehmen über
selbst hast 2004 bei der Tsunami-Katastro-
se hat mir umso mehr bestätigt, dass das Leben einer
tels Druck und Hitze verbinden sich Naturkautschuk und
seine Website Mikrokredite an Kleinbetriebe auf der ganzen
phe in Thailand mit deiner Frau und eurem
Richtung oder einem Sinn folgt. Und wenn ich die aus
handgenähter Schaft, Sohle und Vorderkappe nehmen
Welt. Ziel ist es, Projekte anzuschieben, Menschen mitei-
Kind dem Tod ins Auge gesehen. Wie kannst
Erdbeben und Tsunami resultierende atomare Bedrohung
Form an. Umweltbelastende Klebstoffe kommen somit
nander zu vernetzen und somit die Armut zu lindern. Bis
du solch ein Erlebnis aufarbeiten? Es ist im-
sehe, weckt das in mir das Gefühl, dass die Zeit sehr
nicht zum Einsatz. Etwas Strom ist für das Erhitzen der
heute haben bereits über 520.000 Menschen die Darlehen
mer schwer zu sagen, inwieweit man etwas wirklich
kostbar ist. Und jeder Tag, den wir verschwenden, ist
Formen notwendig – ab Herbst soll er möglichst kom-
in Anspruch nehmen können. Dabei wurden über 200 Milli-
verarbeitet hat. Mit Sicherheit taucht das Thema nicht
wirklich ein verlorener Tag. Weil keiner von uns weiß,
plett aus Solarenergiequellen bezogen werden. Darüber
explizit auf oder unter. Ein Gefühl ist etwas, das im-
wie lange es noch geht.
hinaus hat das Projekt auch einen sozialen Charakter.
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onen US-Dollar eingesetzt. Und das Prinzip funktioniert: Die Rückzahlquote liegt bei nahzu 99 Prozent. www.kiva.org
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anziehend
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fotos © marco knopp, lichtundfeder.de
frühlingsgefühle
anziehend
Der Staub wird von den Sonnenbrillen geklopft und die Natur bekommt endlich wieder ein buntes Gewand. Die Winterbekleidung gehört ab sofort in den Keller, denn jetzt ist er da: der Frühling! Und mit ihm kommen viele coole Klamotten für die ersten warmen Tage. Also: RAUS! in die Sonne!
Simon mit Zimtstern
Chrischi mit Zimtstern Technical Rain
Technical Rain Jacket
Jacket Crux 199,95 Euro, Zimtstern
Apus Allover 179,95 Euro
T-Shirt Chainstar 29,95 Euro & Zimt-
& Zimtstern Hercules Twill
stern Jeans Jerk 64,95 Euro. Schuhe
Bike Shorts 99,95 Euro.
Shimano SH-AM51 164,95 Euro.
59
Anne mit Tatonka Luis anziehend
anziehend
Langarmhemd Shirt 85 Euro, Tatonka Altona Fleecejacke 70 Euro, Tatonka Moron Hose 80 Euro & Teva Forge Pro Event 140 Euro.
Rucksack Tatonka Zefir 30 100 Euro.
Chrischi mit Tatonka Duar-
Rucksack
Anne mit Tatonka Avila Soft足
Chrischi mit Tatonka Marti
te Jacke 180 Euro, Tatonka
Tatonka
shell-Jacke 130 Euro, Tatonka
Kurzarmbluse 75 Euro, Tatonka
Moron Hose 90 Euro &
Karema 18
Moron Hose 80 Euro & Schuhe
Moron Hose 90 Euro & Schuhe
Teva Forge Pro 120 Euro.
85 Euro.
Teva Forge Pro Event 140 Euro.
Teva Forge Pro 120 Euro.
Anne mit Columbia Psych to Hike Dress 69,95 Euro & Sorel Tivoli Rugged Schuhen 129,95 Euro.
60
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Schmuck Dolly Martin Little Rock 11,90 Euro.
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anziehend
anziehend
Simon mit Vaude Shimo Shirt 35 Euro, Vaude Rukan Shorts II 60 Euro & Schuhe Vaude Ruma Ceplex ab 100 Euro.
Chrischi mit Oakley Blend Jacket 250 Euro, Oakley Mag Short 100 Euro & Sonnenbrille Oakley Holbrook ab 119 Euro. Bike Globe Roll.
Simon mit Oakley Voyage Sunshirt 40 Euro, Oakley Faster Boardshort 70 Euro.
Rucksack Vaude Kumba 20 ab 65 Euro.
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anziehend
anziehend
Anne mit Chiemsee Damen-
Simon mit Chiemsee Hooded
bluse Megan 69,95 Euro,
Sweat Shirt Bushnell 59,95
Chiemsee Shorts Amber
Euro & Chiemsee Surfshorts
64,95 Euro & Sansibar
Jesup 69,95 Euro.
Ballerinas 39,95 Euro.
Chrischi mit Chiemsee Hemd
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Chrischi mit Pyua Surrounding Zip Hoodie
Chrischi mit Pyua Flying T-Shirt -
Dunnellon 69,95 Euro & Hose
- designed by Thomas D 89,90 Euro.
designed by Thomas D 34,90 Euro.
Chiemsee Cortez 79,95 Euro.
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anziehend
anziehend Anne mit O´Neill Volta Tee 39,95 Euro, O´Neill Lake Winnipeg Walkshorts 59,95 Euro & Sansibar Ballerinas 39,95
Simon mit Bleed Bloody
Euro. Tasche O‘Neill Waterfall Large
Tree Zip Hoody 59,90 Euro,
Shopper Bag 27,95 Euro. Armband Dolly Martin Little Rock 11,90 Euro.
Bleed K.O. Shirt 24,90 Euro Simon mit O´Neill Virtue Shirt
& Hose Chiemsee Cortez
59,95 Euro, O´Neill Casual Friday
79,95 Euro.
Night Pant 69,95 Euro. Schuhe Reef Stanley ca. 50 Euro.
Unte r all en R Lese AUS rn v !erlos beid en s en w chön i r (Hoo d ie en B dy u leed nd T -Out eine -Shir fits Post t). S kart ende raus e od u @te ns er E rrao -Mai cean l a n isve mit rlag dem .de Betr „Ver eff losu ng B leed “.
Anne mit Bleed Bone Check Hoody 59,90 Euro, Bleed Bloody Pineapple Shirt 24,90
Anne mit O´Neill Overall
Euro & Chiemsee
River Dress 79,95 Euro &
Women´s
Shorts Phylis 59,95 Euro.
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O´Neill Strawbag 45,95 Euro.
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Anne mit Eider Kara II Jacket anziehend
99,90 Euro, Lafuma LD Peak
anziehend
Shs Shirt 45 Euro, Eider Matra Pants 59,90 Euro & Lafuma LD Moon Race Schuhen 130 Euro.
Simon mit Eider Shankar Jacket
Anne mit kasoto von
249,90 Euro, Millet Late Session
adidas eyewear 89 Euro.
Pant 89,90 Euro & Lafuma Speedtrail Schuhen 100 Euro.
Chrischi mit retego II von adidas eyewear 145 Euro.
68
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Rucksack Millet 59,90 Euro.
Chrischi mit The North
Anne mit The North
Face Verto Jacket 120
Face Verto Jacket 120
Euro, The North Face
Euro, The North Face
Paramount Peak Cargo
Levada Shorts 100
Short 59 Euro & The
Euro
North Face Back To
Face Back To Berkeley
Berkeley 68 Boot 130
Boot 120 Euro.
Euro. Sonnenbrille evil
Sonnenbrille kasoto
eye von adidas eye-
von adidas eyewear
wear 149 Euro.
89 Euro.
& The North
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anziehend
anziehend
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70
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g n u r s e y s a i n w a r b a r F U s e Die d
querbeet
Wenn du bei Crossgolf zuerst an geländetaugliche Mittelklassewagen denkst, soll-
text benjamin hellwig
test du dich in diesem Frühjahr mal in der einen oder anderen Kiesgrube umschauen. Oder in der stadtnahen Natur. Nicht nach Autos, versteht sich. Hinter dem Begriff versteckt sich ein wahres Lebensgefühl. Mit kleinem Ball und Eisen 7. Kein Caddie, kein Handicap, kein Putting Green. Nur du und deine Mitspieler. Crossgolf spielst du einfach drauSSen. Regeln? Safety first, mehr erst mal nicht.
d
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raus-magazin 1 | 2011
Wasserhindernis mit Bravour gelöst.
Foto crossgolf.de
ie Reduzierung auf das Wesentliche ist es,
Paris, Miami, San Francisco und Shanghai kennzeichnen
was diese Funsportvariante des oftmals bie-
eine Lebenseinstellung, die über das Schlagen von Bällen
der angehauchten und elitären Golfsports
hinausgeht. „Viele Leute haben sich sogar unser Logo
ausmacht. Einfach Spaß! Und das schon länger, als du
tätowieren lassen.“ Die Philosophie der Natural Born
glauben magst. Nach Abwechslung suchend, bugsierten
Golfers? Rock‘n‘Hole: „Das ‚urban Golfen‘, wie es bei
schottische Schäfer mit ihrem Hirtenstab Kieselsteine in
uns heißt, leben viele von uns. Wir haben fast alle im-
kleine Löcher. Oder waren es Schafköttel? Jedenfalls ist
mer einen Golfschläger und ein paar Softballs dabei, um
das schon über 700 Jahre her! Crossgolf in seiner Ur-
bei Gelegenheit schnell ein paar Bälle durch die Botanik
form, behauptet so manch ein Enthusiast. Spaß hatte
zu spielen“, sagt Torsten.
sicher auch Astronaut Alan Shepard vor rund 40 Jah-
ren. Sein einhändig geschlagener Golfball donnerte im
Ebenfalls Anfang der 1990er ist der Kieler Roland Steg-
vierten Versuch durch den luftleeren Raum des Mondes.
mann auf ähnlichen Pfaden unterwegs. Mit einigen Golf-
Über mehrere Hundert Meter weit. Respekt. Eingesam-
schlägern und -bällen im Kofferraum steuert er mit Freun-
melt hat er ihn nicht wieder.
den spontan das nächste Industriegebiet an, um ein paar
Bälle zu schlagen. Der Beginn einer Leidenschaft. „Wir
1992 nennt ein Hamburger das Kind dann mal beim
hatten mehr und mehr Spaß an der Sache und suchten
Namen. Torsten Schilling beginnt seine Interpretation
uns immer neue Locations“, sagt Roland rückblickend.
vom Golf in den Fluren eines Hotels. Und betitelt die
Ursprünglich im klassischen Golfsport und einem elitären
wachsende Interessengemeinschaft bald mit „Natural
Club zu Hause, wendet er sich damals der urbanen und
Born Golfers“. Heute hat Torsten den Sport für sich als
freien Natur zu. Und wie vielen anderen geht es ihm
Geschäftsfeld entdeckt. Professionell organisierte Events,
beim Crossgolfen um die Unabhängigkeit und Zwanglosig-
ein eigenes Modelabel und Sympathisanten in Warschau,
keit. „Das spießige Clubverhalten war schon sehr nervig“,
Foto © Natural Born Golfers
raus-magazin 1 | 2011
73
Bauchfrei zum Hole in One.
querbeet
SpaSS hatte sicher auch Astronaut Alan Shepard vor rund 40 Jahren. Sein einhändig geschlagener Golfball donnerte im vierten Versuch durch den luftleeren Raum des Mondes.
Foto © crossgolf.de
Foto © crossgolf.de
74
raus-magazin 1 | 2011
sagt Roland zu seiner Zeit vor Crossgolf. Dass er das Thema in Deutsch-
Die Verlustquote mag anfangs oder auch später im an-
land bekannt macht, liegt für ihn auch am Hunger der Presse in den
spruchsvolleren Terrain hoch sein. Recycelte Bälle sind da
frühen 1990er-Jahren. „Die Medien fanden das Thema cool, weil es mal
kostengünstiger zu haben und schonen den Geldbeutel.
etwas anderes war. Eine neue Sportart, ein bisschen trendy, ein biss-
Vorsicht allerdings, das sind meist echte Golfbälle mit
chen revolutionär. Einfach mal weg vom ‚das ist nur was für extrem
Durchschlagskraft. Bei beabsichtigtem Abschlag ins Was-
reiche Menschen‘ – da waren die ganz heiß drauf.“ Roland beendet
ser wählst du der Natur zuliebe solche, die sich rück-
sein Studium und macht sein Hobby zum Beruf. Er gründet die Firma
standslos im Wasser auflösen. Und wenn du in den
„x-wayz“ und veranstaltet Betriebsausflüge und Incentives rund um das
späten Tagesstunden oder auch in der Nacht noch ein-
Thema Crossgolf. Und auch wenn seine berufliche Entwicklung heute
mal ein paar Bälle schlagen willst, besorgst du dir am
neuen Wegen folgt, spielt er noch immer – und organisiert für größere
besten die Knicklichtvariante „Almost NT“. Eine sinnvolle
Firmen hin und wieder das eine oder andere Event.
Ergänzung, und damit bist du dann auch komplett aus-
gestattet: eine kleine, leichte Abschlagmatte.
Was Anfang der 1990er gelingt, ist heute ein Kinderspiel. Der Einstieg
ins Crossgolfen ist denkbar leicht. Alles, was du brauchst, lässt sich
Crossgolf-Locations gibt es wie Sand am Meer. Und
ohne großes Geld und mit wenig Aufwand besorgen. Ein gebrauchter
Golfclub-Benimmregeln im Stile von „Im Sandhindernis
Schläger genügt da erstmal völlig. Empfehlenswert ist ein Eisen 6 bis
müssen alle Unebenheiten und Fußspuren mit der dafür
8, viele schwören auf das flexible Multitalent mit der eingravierten 7.
vorgesehenen Bunkerharke eingeebnet werden“ kennt die
Der Cross-Charakter des Geländes erfordert allerdings robustes Material.
urbane Variante nicht. Gespielt wird einfach da, wo Platz
Günstigere Schläger mit Graphit-Schaft sind da weniger geeignet, Stahl
ist. Neben Steinbruch und Landschaftspark bieten auch
ist die bessere Wahl. Inzwischen gibt es eigens für das Crossgolfen an-
brachliegende Industrieflächen, weitläufige Baustellen,
gefertigte Schläger, die auf die Angabe des Lofts (Neigungsfläche der
Güterbahnhof, Strand oder Hafengelände das Ambiente
Schlagfläche) verzichten. „Eisen“ steht da schlicht. Und entspricht etwa
für den perfekten Durchschwung. Ziel der Spielrunde –
einem 7er. Auch hier: Reduzierung auf das Wesentliche.
worauf du Lust hast und was der Spot hergibt: Müllei-
mer, Gullydeckel, Baggerschaufeln, Ölfässer, Autowracks,
Bei der Wahl des richtigen Balls gibt es viele Möglichkeiten. Weich und
Baumstümpfe, Holzpfosten oder Fabriktore. Geschlagen
leicht und daher aus Schaumstoff oder Gummi kommt dem Aspekt „Safety
wird abwechselnd und wer weniger Schläge braucht, ge-
first“ am nächsten. Zwar lassen sie nur kürzere Schlagweiten zu, haben
winnt die Runde. Aber selbst das Zählen ist vielen Cross-
dabei aber wahre Flugeigenschaften. Es gibt sie in verschiedenen Farben
golfern unwichtig. Einfacher geht es nicht. Also nimm
und von unterschiedlichen Herstellern, unter anderem von „almostgolf“.
dir einen Schläger und dann raus!
Foto © crossgolf.de
querbeet
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Spielvarianten Ob du dich nun mit anderen messen willst oder einfach nur ein paar Bälle durch die Luft jagst: Der Fantasie beim Crossgolfen sind keine Grenzen gesetzt. Hier eine kleine Auswahl an Spielvarianten, die du selbst variieren oder erweitern kannst. Wichtig bleibt: Sicherheit geht vor! Klassisch Noch dicht dran an der Golfplatzversion, visierst du beim klassischen Crossgolf richtige Löcher an. Die buddelst du dir entweder selbst oder nimmst solche, die dir die Location schenkt. Mülleimer, Gullydeckel, Hasenbau – wer weniger Schläge benötigt, gewinnt die Run-
Über den Dächern deiner Stadt.
querbeet
Sandbunker. Nee, Flakturmbunker mit Nutzungsänderung.
querbeet
de. Wenn dir das Zählen wichtig ist. Geräuschvoll Treffen statt Einlochen. Nah dran an der klassischen Spielweise legst du bei dieser Variante Wert auf Ziele mit Klangpotenzial. Alles, was den Erfolg hörbar macht, kommt für deinen letzten Schlag infrage. Vorschläge? Metalltor, Betonpfeiler, Baumstamm. Nah dran Such dir ein markantes Ziel (Zaunpfahl, Laterne, Baumstamm), zieh einen oder mehrere Kreise drum und schlag ein paar Bälle. Distanz: nah bis mittel. Wer die meisten Bälle im Kreis oder nahe am Ziel hat, gewinnt. Weit weg Die urbane Driving Range hat viele Gesichter. Die Höhe des Abschlagsortes verändert dabei entscheidend die Flugeigenschaften des Balls. Ob vom rostigen Waggon in den brachliegenden Güterbahnhof oder vom Kiesgrubenhügel in den Baggersee: Weit schlagen kann befreiend wirken. Bei unerreichbaren Gewässerlandungen besser wasserlösliche Bälle verwenden. Home sweet home Warum nicht den Weg nach Hause spielerisch gestalten? Abwechselnd schlagen, die Position des weitesten und zielnächsten Balls ist für alle Abschlagsort für den jeweils nächsten Schlag. Da steckt Wettbewerb und Vorwärtsdrang drin. Und zu Hause angeFoto © Natural Born Golfers
kommen haben alle gewonnen.
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Foto © Natural Born Golfers
Sechs Facts von alten Hasen zum Einstieg ins Crossgolfen
mal Crossgolf-Strecke und das Ziel lag dann meist dicht am Tresen. Warum
Crossgolf-Schöpfer Roland Stegmann
Crossgolf und nicht Golf? Oder doch beides? Mittlerweile beides. Inzwi-
Mein erster Abschlag: Das war in einem Industriegebiet. Wir schlugen die
schen gibt es viele entspannte Golfclubs, die ich auch für bezahlbar halte. Da
Bälle in eine zerfallene Bauruine: Ziel war es, in die halb eingeschlagenen Fens
kannst du dich mehr auf das Golfen an sich konzentrieren und nicht so sehr
ter zu treffen. Mein wichtigstes Equipment: Mein 7er-Eisen. Mein Tech-
auf deine Umgebung achten. Wobei ich das Crossgolfen für spannender halte.
niktipp beim Abschlag: Vor dem Abschlag nur auf den Ball gucken. Auch
nach dem Abschlag noch kurz den Abschlagpunkt anvisieren. Erst dann dem
Urban-Golf-Legende Torsten Schilling, Natural Born Golfers
Ball hinterherschauen! Meine sensationellste Location: In Berlin vom fah-
Mein erster Abschlag: 1992 auf einem Hotelflur in England. Mein wichtigstes
renden Schiff auf ein kleines Ziel auf einer Insel. Mein abgefahrenstes Ziel:
Equipment: Ich habe circa 300 Golfschläger (alle geschenkt bekommen), nehme
Nach Turnieren ging es oft in die Kneipe. Der Weg dahin war dann noch
aber immer nur einen mit: meinen „divnick“-Teleskopschläger mit Winkelverstellung.
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querbeet
querbeet
Foto © crossgolf.de
Foto © Natural Born Golfers
Mein Techniktipp beim Abschlag: Locker bleiben und versuchen, cool auszusehen. Meine sensationellste Location: Abschlag von einem Balkon im 56.
Crossgolf-Locations
Stockwerk in New York in den Hudson River. Mein abgefahrenstes Ziel: Eine
Hamburg Elbsüdseite: Driving Range Elbe deluxe. Durch den Elbtunnel
alte Cessna. Der Flieger war abgestürzt und wir haben ihn mit auf Tour durch
und dann ins Ödland nach Osten. Volksparkwiese: Entspannte Grünan-
Deutschland genommen. Hingucker! Warum Crossgolf und nicht Golf? Oder
lage. Ziele: Mülleimer, Bänke, Hasenbauten. Fischmarkt: Montag-Freitag,
doch beides? Ich habe seit 1992 etwa drei Mal auf dem Golfplatz gespielt und
da sonst eben Fischmarkt. Geniale Kulisse und Aussicht.
das reicht mir. Ich kann mit dem „normalen Golfen“ und der Attitude darum nichts anfangen. Das ist und bleibt mir total fremd. Außerdem verlernen auf
München Olympiapark: Schöne Flanke des Olympiabergs, gemähtes
dem Golfplatz selbst Akademiker die Addition und schummeln sich durchs Spiel.
Gras, sensationelle Aussicht. Fröttmaning, Allianz Arena: Wasserhin-
dernisse, Hügel, hohes Gras. Bei Dornach: Drei Kiesgruben, grober Kies,
Crossgolf-Portal-Gründer Klaus Simianer
daher besser Abschlagmatte mitnehmen.
Mein erster Abschlag: Auf einem Golfplatz! Meine Freundin hat mir eine Trainerstunde auf einem bekannten und elitären Golfclub geschenkt. Meine Jeans
Berlin Teufelsberg Grunewald: Areal der alten US-Abhöranlage, kurze
wurde gleich argwöhnisch betrachtet. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich
Bahnen möglich, spektakulär! Flugfeld Tempelhof: Weitläufig, gut, um
den Sport an sich cool finde. Im Internet bin ich dann auf das Thema Cross-
den Driver mal zu schwingen. Niederschöneweide/Treptow: Altes Brau-
golf gestoßen und habe mir gleich eine kleine Ausrüstung gekauft. Mein wich-
ereigelände, von drinnen nach draußen und von draußen nach drinnen.
tigstes Equipment: Auf jeden Fall ein Almost-Golfball, die wiegen nur 13,5
Gramm und können im Prinzip nichts zerstören! Und dann mein 8er-Eisen.
Erweitertes Ruhrgebiet Krefeld-Linn: Altes Bahngelände mit Gü-
Mein Techniktipp beim Abschlag: Es geht nicht darum, die perfekte Technik
terwaggons. Detmold: Stillgelegter Militärflughafen am Nordring (K90),
zu haben, einfach der Devise „probieren und Spaß haben“ folgen. YouTube ist
Wellblechhütten, Hügel, Gräben. Duisburg Nord: Zwischen Hochofen
auch eine gute Möglichkeit, um sich ein paar Ideen zu holen. Meine sensatio-
und Gießerei, im Landschaftspark.
Foto © crossgolf.de
nellste Location: Für einen Event hatten wir ein Hilton Hotel auf Mallorca zum Crossgolfplatz umgebaut. Außerdem sind mir die Abschläge in der Arena auf
Shops, Foren, Communitys, Incentives, Infos
Schalke und im Stadion am Betzenberg in Kaiserslautern in guter Erinnerung.
www.holzundeisen.de | Spezielles Crossgolf-Equipment, Location-Finder
Mein abgefahrenstes Ziel: Bei Turnieren haben wir einen Ford Cougar Cabrio
Foto © Natural Born Golfers
Baujahr 1969, in den wir hineingespielt haben. Warum Crossgolf und nicht
www.facebook.com/naturalborngolfers | Alles rund um die
Golf? Oder doch beides? Inzwischen spiele ich auch mal auf dem Golfplatz.
Natural Born Golfers
Hatte mit einem Freund gewettet, es in einem Jahr zu schaffen, die Platzreife
www.crossgolf.de | Umfassendes Crossgolf-Portal
zu machen und mit dem Handicap unter 20,0 zu kommen. Jetzt bin ich bei
www.x-wayz.de | Agentur für Crossgolf-Incentives
19,3 und habe eine Kiste Bier gewonnen.
Foto © crossgolf.de Foto © Natural Born Golfers
Golfclub-Benimmregeln im Stile von „Im Sandhindernis müssen alle Unebenheiten und FuSSspuren mit der dafür vorgesehenen Bunkerharke eingeebnet werden“ kennt die urbane Variante nicht.
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Foto © crossgolf.de
medcyklen Kopenhagen mit dem Rad
K ø b e n h av n
pedaliéros
Als Anfang September 1819 ein hagerer Junge aus armen Verhältnissen im Alter von 14 Jahren nach Kopenhagen reist, erfüllt er sich einen Traum. Seit Jahren fasziniert ihn die dänische Hauptstadt und nun hat er es endlich geschafft. Hans Christian Andersen ist auf der Ostseeinsel Fünen aufgewachsen, doch fortan bestimmt die Hauptstadt Dätext Marc Maschmann
nemarks sein Schicksal. Die Stadt inspiriert und erzieht ihn – er wird zum berühmtesten
fotos © Marco knopp
Dichter und Schriftsteller Dänemarks und zum Aushängeschild Kopenhagens.
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pedaliéros
pedaliéros
Die dänische Metropole gilt als eine der fahrradfahrerfreundlichsten der Welt. Speziell angelegte, farbige Radwege, separate Radfahrerampeln und eine ganze Flotte an städtischen Leihfahrrädern unterstreichen diesen Anspruch.
d
as historische Zentrum Kopenhagens sieht
schäfte und Cafés entlang der Strøget und ihren zahl-
heute noch immer fast so aus wie zu An-
reichen Seitenstraßen fordern dich immer wieder auf,
dersens Zeiten. Nur bevölkern jetzt Massen
anzuhalten und die Atmosphäre aufzusaugen. Bereits
von Fahrrädern die Stadt. Das war damals noch nicht
auf den ersten hundert Metern kannst du historische
so. Andersen erlebt die Draisine in den Gassen seiner
Bausubstanz bestaunen, unter anderem die alte Univer-
neuen Heimat nur sehr selten – Karl Drais erfindet die
sität, das Domhuset und zahlreiche Kirchen.
einspurige Laufmaschine erst 1817. Erreichst du das Ende der Shoppingmeile, geht es weiter Inzwischen ist das Fahrrad nicht mehr aus dem Stadt-
Richtung Norden in den Park Rosenborg Have. An son-
bild Kopenhagens wegzudenken. Es ist das ideale Fort-
nigen Tagen tummeln sich hier die Kopenhagener auf den
bewegungsmittel für die Kopenhagener, um zur Arbeit
Grünflächen des im Renaissance-Stil angelegten Parks.
zu kommen und Erledigungen zu machen. Schneller
Und Touristen bestaunen das ehemalige Lustschlösschen
als Bus und Auto ist es allemal. Und für dich das per-
des dänischen Königs Christian IV., die Rosenborg. Heute
fekte Gefährt, um diese beeindruckende Stadt zu er-
wird die Rosenborg als Museum genutzt. Wachwechsel
kunden. Die dänische Metropole gilt als eine der fahr-
und Kronjuwelen sind inklusive.
radfahrerfreundlichsten der Welt. Speziell angelegte, farbige Radwege, separate Radfahrerampeln und eine
Von dem Park sind es nur ein paar Pedalumdrehungen
ganze Flotte an städtischen Leihfahrrädern unterstrei-
bis zur dänischen Nationalgalerie, dem Statens Museum
chen diesen Anspruch.
for Kunst. Oft stehen bereits vor dem Gebäude Installationen internationaler Künstler, ein „Drive-in“ in Sachen
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Also nichts wie raus – ein Fahrradparadies voller Se-
Bildung sozusagen. Wenn du allerdings den ausgiebigen
henswürdigkeiten wartet auf dich! Vom Rathausplatz
kulturellen Genuss suchst, solltest du natürlich hinein-
folgst du dem Strom der Spaziergänger durch die längs
gehen – im Inneren wartet die Königliche Malerei- und
te Fußgängerzone der Welt, die Strøget. Unzählige Ge-
Skulpturensammlung.
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pedaliéros
pedaliéros
Auf dem Schlossplatz, im Hintergrund die Amalienborg.
Weiter in Richtung Osten. Nach wenigen Minuten gelangst du ans
Eriksens Nachfahren an einem geheimen Ort auf. Und so sitzt ihre
zügig angelegten Platz hast du auch einen guten Blick auf
Wasser. Die Kopenhagener Hafenpromenade, die Langelinie, bietet ein
Platzhalterin weiterhin jeden Tag auf dem Felsen an der Langelinie und
die Marmorkirken. Sie ist mit ihrer Kuppel an den Petersdom
fantastisches Panorama. Und ist das Zuhause der berühmtesten Bürge-
wartet sehnsüchtig auf ihren Prinzen.
in Rom angelehnt und verstärkt somit dein Gefühl, dich in-
rin der Hauptstadt, der Lille Havfrue. Die kleine Meerjungfrau aus dem
mitten eines architektonischen Allerleis Europas zu befinden.
gleichnamigen Märchen von Hans Christian Andersen ist DAS Wahrzei-
Ab in den Süden. Das Wasser liegt zu deiner Linken. Nach kurzer Zeit
chen Kopenhagens. Aufgrund dieser Berühmtheit muss sie sich jedoch
rollst du auf den Schlossplatz vor der Amalienborg. Hier residiert die
einiges gefallen lassen. Unsittliche Berührungen sind dabei noch das
dänische Königin, wenn sie in der Hauptstadt weilt. Und hier bewei-
geringste Übel. Schon mehrmals verschandelten Widersacher das arme
sen die Dänen, dass auch sie das majestätische Einmaleins im Schlaf be-
Ding mit bunten Farben oder köpften sie gar. Doch keine Angst, be-
herrschen. Denn betrachtest du die Architektur der vier Paläste und die
das andere. Auf was auch immer du gerade Hunger hast, in
reits seit 1913 räkelt sich an der Hafenpromenade lediglich eine Ko-
Schlosswachen in Gardeuniform samt Fellmütze davor, wähnst du dich
einem der bunten Giebelhäuser findest du die passende Stär-
pie der von Edvard Eriksen erschaffenen Figur. Das Original bewahren
nicht in Skandinavien, sondern eher im United Kingdom. Von dem groß-
kung. Oder davor, wenn das Wetter passt.
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Oft stehen bereits vor dem Gebäude Installationen internationaler Künstler, ein „Drive-in“ in Sachen Bildung sozusagen.
Weiter geht es zum nächsten Postkartenmotiv Kopenhagens: dem Nyhavn. Auf beiden Seiten dieses kleinen Hafenarms reiht sich neben den obligatorischen Segelbooten ein Restaurant an
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pedaliéros
pedaliéros
Alte Universität. Christiania: Reclaim your Viertel.
Kopenhagen konnte sich einen Großteil seiner historischen Bausubstanz
Fahrradroute Kopenhagen
bewahren, da Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg selten blieben.
01 Rathausplatz
Doch es gibt auch mehrere eindrucksvolle Beispiele moderner Architektur. Besonders die Neue Kopenhagener Oper oder der sogenannte „Schwarze Diamant“, die Kongelige Bibliotek, sind eine Vorbeifahrt und mehrere Blicke wert. Die Dänische Königliche Bibliothek ist die größte und bedeutendste Bibliothek ganz Skandinaviens. Sie beheimatet nahe-
02 Strøget
Kein Besuch der dänischen Hauptstadt ist vollständig, ohne Christiania, die „Stadt in der Stadt“, besucht zu haben.
03 Domhuset 04 Universität 05 Park und Schloss Rosenborg 06 Statens Museum for Kunst 07 Lille Havfrue
zu alle Werke, die in Dänemark seit dem 17. Jahrhundert veröffentlicht
08 Amalienborg
wurden. Mitte der 1970er-Jahre musste die Bibliothek einen der größ-
09 Nyhavn
ten Buchdiebstähle aller Zeiten verkraften. Über 3000 historische Bücher
10 Kongelige Bibliotek 11 Christiania
mit einem Wert von fast 40 Millionen Euro wurden gestohlen, darunter
12 Neue Oper
Werke von Martin Luther und Originale von Immanuel Kant. Erst 2003 wurde der Fall aufgeklärt. Und der Dieb hatte ein Heimspiel: Frede
Nach einem Rechtsstreit hat Christiania im Februar sein
Møller-Kristensen war Angestellter der Orient-Abteilung der Bibliothek.
Selbstbestimmungsrecht endgültig verloren. Ob es zu einer Eingliederung als Kopenhagener Stadtteil kommen
Kein Besuch der dänischen Hauptstadt ist vollständig, ohne Christia-
7
wird, ist noch offen.
nia, die „Stadt in der Stadt“, besucht zu haben. Durchquerst du den Eingang Christianias, begibst du dich auf eine Zeitreise in die 1970er-
Packst du in Christiania deine Kamera aus, weisen um-
Jahre. Vor allem im Sommer haftet dem Freistaat der Charme einer
sichtige – oder vielleicht eher besorgte – Bürger nach-
Hippie-Kommune an: Viel Grün, kunterbunte Häuser, Cafés, Straßen-
drücklich darauf hin, dass Fotografieren hier nicht er-
händler und ein reichhaltiges Kulturangebot locken viele Besucher an.
wünscht ist. Über 30 Jahre unterband der Staat Konsum
Christiania gilt als autonomes Gebiet im Stadtteil Christianshavn. Aus-
und Handel von „weichen Drogen“ wie Marihuana und
steiger, Hippies, Anarchisten und alle Formen von Lebenskünstlern grün-
Haschisch hier nur ansatzweise. Seit im Jahre 2004 die
deten hier 1971 eine alternative Wohnsiedlung und schufen ihre eigene
rechtsliberale Regierung mehr Druck ausübte, findet der
Verwaltung inklusiver kreierter Währung. Nach einigen – mitunter auch
Handel mit den umstrittenen Substanzen nur noch im
gewaltsamen – Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den
Verborgenen statt. Ein Umstand, der die empfindlichen
Bewohnern galt Christiania zwischenzeitlich als „soziales Experiment“.
Reaktionen der Christiania-Anwohner ein wenig erklärt,
Jahrelang duldet die Stadtverwaltung den Ort mehr oder weniger.
wenn du den Auslöser betätigst.
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eigenleistung
pedaliéros
LASSBILDERSPRECHEN! F otowettbewerb Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte. Und doch sind es oftmals die Geschichten hinter einem Foto, die den Blick darauf erst so richtig abrunden. Ob beschwerliche Perspektivsuche, faszinierende Begeg1. Preis
nung oder skurriler Nebenschauplatz: RAUS! sucht dein sensationellstes
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schönsten und faszinierendsten Metropolen Europas be-
enden. Kopenhagen ist perfekt für eine Entdeckungstour
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dein eigenes Rad mitzubringen, bist du bei den fahr-
tem Druck und Motiven der Künstlerin Frida Torgeby.
radverliebten Dänen genau richtig. An verschiedenen Stellen in der Stadt gibt es für ein geringes Pfand leihweise ein offizielles Citybike. Per Einkaufswagen-Prinzip wirfst du einfach eine 20-Kronen-Münze ein und schon kannst du Kopenhagen von seiner besten Seite erfah-
3.
ren. Nämlich auf zwei Rädern. Informationen zu Kopenhagen
www.visitcopenhagen.com Bereits 1932 stellte der Schuhmacher Jonas Lundhag in Kopenhagen Citybike www.bycyklen.dk
einer kleinen Schuhmacherwerkstatt mitten in der Wild-
Organisierte Fahrradtouren www.citysafari.dk www.bikecopenhagenwithmike.dk
für Qualität und Funktion war genauso ausgeprägt wie
Verzeichnis Fahrradhändler und -werkstätten www.danskecykelhandlere.dk
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Keine Berührungsängste. Meerjungfrau zum Anfassen.
nis Jämtlands Schuhe und Wanderstiefel her. Sein Gefühl
seine Liebe zur Natur. Seitdem sind Wissen und Traditi-
4.
onen von einer Generation zur nächsten überliefert worden. Und heute findet sich das spezielle Lundhags-Gefühl in allen Produkten wieder.
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Buche und Eiche als Alternative zu Fels und Gebirge? Mal eben in den Wald am Stadtrand, statt aufwendig in die Bergwelt zu düsen? Hoch hinaus und sportlich reizvoll, dazu oftmals inmitten einer grandiosen Kulisse, bieten Hochseilgärten Kletteratmosphäre für Spontanentschlossene.
b
etrachten wir es mal rational und aus Sicht
me. Wie zum Beispiel Jan Sell. Der Kieler ist in dieser
der Evolution: Eigentlich ist der Mensch
Hochseilgarten-Saison nah dran an den ersten Früh-
nicht dafür geschaffen, in den Bäumen he-
jahrsknospen. „Es fasziniert mich, an meine Grenzen zu
rumzuklettern. Es ist für uns ganz einfach energiespa-
kommen und dann ein Stück darüber hinauszugehen.
render, unten zu bleiben. Affen wiederum sind wie ge-
Das Gefühl danach ist sensationell“, sagt der 21-Jäh-
macht dafür – Ästhetik zwischen den Ästen. Allerdings
rige. In den Bäumen am Falckensteiner Strand im Nor-
trainieren sie schon eine Weile. Vor rund 65 Millionen
den seiner Heimatstadt macht Jan vor zwei Jahren er-
Jahren treibt es die Vorfahren heutiger Primaten vom
ste Erfahrungen mit Karabiner und Klettergurt. Anfangs
Boden in die Bäume. Und das erstmal aus nüchternen
ist er zwar noch etwas wackelig auf den Beinen, aber
Beweggründen: Sie dehnen das Höhenniveau ihrer
angstfrei. Heute kann er es voll genießen. „Das ist Frei-
Speisekammer aus und vergrößern somit Vielfalt und
heit! Wenn ich oben bin, kann ich alle anderen Dinge
Verfügbarkeit an Insekten und Früchten. Das Leben
einfach mal ausblenden und den Kopf freibekommen.“
zwischen den Astgabeln gibt ihnen zudem Sicherheit
vor Feinden am Boden. Was könnte uns Menschen
Krass, das sind nur fünf Meter? Nicht jeder fühlt sich
wohl einen Anreiz geben?
nach dem Aufstieg über schwankende Strickleitern auf
fotos © www.highspirits-kiel.de
hoch hinaus
wiedieaffen
text Benjamin Hellwig
hoch hinaus
der ersten Plattform glücklich und frei. Und so sind die
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Die emotionale Sichtweise liefert die Antwort: Adre-
Momente zwischen den Bäumen für manche auch ein
nalin. Und für das auslösende Moment muss es nicht
Selbsterfahrungstrip. Viele Menschen wissen vor einem
die alpine Felswand sein. Das Klettererlebnis in Natur
Besuch im Kletterwald noch nicht, dass ihr Gefühl am
hochseilgärten lockt immer mehr Menschen in die Bäu-
Boden nicht dem weiter oben entspricht. Höhenangst.
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Plattform mit Meerblick.
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hoch hinaus
hoch hinaus
Freiheit. Leichtigkeit. Unerschrocken.
„Überwindbar“, sagt Hochseilgarten-Sicherheitstrainer
Und was jetzt? Erst einmal die dicke Eiche umarmen?
Willy Krause. „Das ist eine Urangst des Menschen –
Warum nicht. Wem mulmig zumute ist, unternimmt
wir sind nun mal nicht dafür vorgesehen, in der Höhe
fast alles, um Vertrauen und Ruhe in die Sache zu be-
frei herumzuspazieren. Unser Überlebensinstinkt ist der
kommen. Trainer Willy betrachtet seine Arbeit auch als
Auslöser.“ Willy weiß, warum es zu Schwierigkeiten
Hilfe zur Selbsthilfe. Er lenkt ab, zieht die Aufmerksam-
kommen kann: „Viele unterschätzen die Höhe ganz ein-
keit auf sich. Er redet auf beruhigende Weise und guckt
fach, wenn sie unten stehen. Sie sind dann überrascht,
ihnen in die Augen. „Ich gehe selbst ein paar Schritte
wie hoch es sich anfühlt, sobald sie oben sind. Und
auf dem Element, an dem sie steckengeblieben sind.
ihre Unsicherheit wird noch größer, wenn sie den ers
So sehen sie, dass es nicht so schwierig ist, wie sie
ten Fuß auf ein wackeliges Element setzen.“ Nicht je-
es gerade empfinden. Wir starten dann gemeinsam und
der ruft nach Hilfe. Mich interessiert, wie er die ängst-
kommen langsam vorwärts, bis ich mich nach und nach
lichen Kandidaten erkennt. „Ich muss beobachten und
herausziehe. Viele klettern dann eigenständig weiter.“
präsent sein und jeden individuell betrachten. Manche reden mehr, manche weniger als normal. Einige werden blass, andere rot. Auch die Bewegungen sind sehr viel langsamer und vorsichtiger“, sagt der 34-Jährige.
„Das ist Freiheit! Wenn ich oben bin, kann ich alle anderen D inge einfach mal ausblenden und den Kopf frei bekommen.“
Das Leben zwischen den Astgabeln gibt ihnen zudem Sicherheit vor Feinden am Boden. Was könnte uns Menschen wohl einen Anreiz geben?
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hoch hinaus
Die unmittelbare Meeresnähe der Plattformen in den Bäumen ist es, die Kletterer Jan begeistert. Und wiederkommen lässt.
Sicher bist du immer. Doch selbst wenn du dir vom Kopf her sagst, diese dünnen Bandschlingen sind deine Sicherung und halten tonnenweise Belastung aus, sagt dir dein Bauch vielleicht trotzdem: „Ich fühle mich nicht gut.“ Wer jetzt den Mut hat, sich in den Gurt zu hängen, spürt das Material und überzeugt den Bauch! Und kann die Aussicht genießen. Die unmittelbare Meeresnähe der Plattformen in den Bäumen ist es, die Kletterer Jan begeistert. Und wiederkommen lässt. „Die Location ist wichtig. Hier bist du beispielsweise direkt am Meer, hast den Strand unmittelbar vor dem Kletterwald. Du bist mitten in der Natur und kannst anschließend grillen oder dich in den Sand legen. Mein Tipp an andere? Lass dich einfach darauf ein und die Dinge auf dich zukommen. Die Betreuung ist super. Und es gibt in meinen Augen keinen Menschen, der es nicht versuchen könnte.“ Auswahl gibt es genug. In Deutschland stehen mittlerweile über 500 Klettergärten, viele davon mitten in der Natur. Alles, was du brauchst, ist festes Schuhwerk. Und vielleicht ein wenig Überwindung. Andere Dinge ausblenden und den Kopf freibekommen.
Nord
Direkt am Falckensteiner Strand im Norden von Kiel: www.highspirits-kiel.de
Im Volksdorfer Wald in Hamburg: www.kletterwald-hamburg.com
Ost
Citynah in Berlin-Charlottenburg: www.waldhochseilgarten-jungfernheide.de
Mitten im Potsdamer Wald: www.abenteuerpark.de
Süd
Im Garmischer Nadelgehölz mit Zugspitzpanorama: www.kletterwald-gap.de
Direkt am Chiemsee im alten Baumbestand: www.kletterwald-prien.de
West
Waldklettergärten in Oberhausen, Duisburg und Dortmund: www.tree2tree.de
Kletterbare Laubbäume in der Parklandschaft des Münsterlandes: www.kletterwald-ibbenbueren.de Weitere Informationen und Adressen: www.hochseilgarten-kletterwald.de
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und nun raus!
und nun raus!
o
b Radfahren, Laufen oder Inlineskaten – Bewegung tut gut. Was sich Daniel Ilabaca im indischen Mumbai einfallen lässt, regt aller-
dings auf den ersten Blick zum Nachdenken an. Wie
kommt der gute Mann in diese Position? Und vor allem – wie kommt er da wieder gesund raus? Parkour ist faszinierend athletisch. Eine Kunst der Bewegung, die auf feinen Techniken beruht. Wenn du beim Zuschauen den Mund nicht mehr zubekommst, hat Fotograf Rutger Pauw alles richtig gemacht. Und landet mit dem festgehaltenen Moment unter den Top 50 beim Red Bull Illume Contest.
Foto © Rutger Pauw Red Bull Illume Top 50 Finalists
Athlet Daniel Ilabaca Location Mumbai, Indien
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KONZEPTION
Jan Weisner (Inh.), Matthias Falk, Jonas Bronnert
brianbojsen
ANZEIGENLEITUNG
Eliane Lehmann
e.lehmann@terraoceanisverlag.de
Phone +49 431 9909658
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Janine Nicolai, Mark Maschmann,
AUSGABE
Simon Schumacher, Chrischi Schulze,
Ann-Christine Sell
LEKTORAT
Kirsa Stoltenburg, Vera Kannegießer
MODESTRECKE/ORGA
photographien
Janine Nicolai
FOTOGRAFEN
Marco Knopp, Rutger Pauw, Rainer Eder,
Kris Erickson, Damiano Levati, Simone Moro,
G.U. Hauth, Yeti, Keen, Boris Breuer,
Desré Pickers, Stefan Schlumpf, Crispin Cannon,
Yassine Ouhilal, Benjamin Hellwig, Ricky Adam,
Natural Born Golfers, visitfaroeislands.com,
highspirits-kiel.de, crossgolf.de, Kevin Skusa
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Im Terra Oceanis Verlag erscheinen folgende Titel:
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fragt man die menschen auf sylt, wieso sie die insel so lieben, antworten die meisten: ich liebe den strand, das wetter, die natur und das meer. und ich gebe ihnen vollkommen recht, doch das wirklich besondere an sylt sind die menschen. brian bojsen