Newsletter Portfolio 2/19

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und der Fachstelle für Schreiben und Publizieren an der HWZ.

EDITORIAL

Texten für Chatbots: Die Inhalte stehen fest! Liebe Leserinnen und Leser Wie angekündigt, befassen wir uns 2019 mit dem Thema «Texten für Chatbots». Konkret widmet sich der Professional Writing Workshop über den üblichen Lehrstoff hinaus den Grundlagen (1 Tag), auf denen der CAS-Lehrgang Corporate Writer & Chatbot Producer in der Folge aufbaut (2 Tage). Erstens: Drei Herausforderungen Wer Chatbots konfiguriert, steht vor drei Herausforderungen: › Jede Äusserung des Bots muss den Nutzer zu einem «Ja» bewegen und damit den Dialog aufrechterhalten. › Die einzelnen Buttons oder Anweisungen müssen stets nach den psychologischen Vorgaben des UX Writing getextet sein. › Der Dialog muss möglichst rasch zum gewünschten Ende – z.B. einer Kaufhandlung, dem Hinterlassen der Kontaktadresse u.a.m. – führen.

Bild 1: Gut! – Der Chatbots von Allianz Cinema zeichnet sich durch klare Anweisungen aus.

Unsere Lehrgänge bereiten gezielt auf diese drei Herausforderungen vor. Zweitens: Die Instrumente Wir setzen in unseren Lehrgängen auf etablierte Instrumente: › A m Grundlagentag nutzen wir ManyChat – eine einfach zu bedienende Web-Plattform, mit deren Hilfe sich in kurzer Zeit ein Chatbot für den Facebook Messenger programmieren lässt. (→ https://manychat.com/) › In den aufbauenden zwei Tagen stützen wir uns auf Amazon Lex – eine Plattform von Amazon, die unter anderem dem Sprach­assistenten Amazon Alexa zugrundeliegt. (→ https://aws.amazon.com/de/lex/) Drittens: Das Sprachkönnen zählt! Ein Chatbot ist nur dann erfolgreich, wenn sein Schöpfer über sprachliches Können verfügt. Wir sind deshalb überzeugt, dass Chatbots und Künstliche Intelligenz nicht weniger, sondern mehr Schreibkompetenz und daher ausgebildete Schreibprofis benötigen! Herzliche Grüsse Ivo Hajnal und Franco Item

APRIL 2019

Newsletter der Text Akademie


PROFESSIONAL WRITING WORKSHOP

Moral ist in, «Heirat» tabu? – Sprachregelungen stehen verstärkt unter Beobachtung Diskriminiert der Begriff «Heirat» Unverheiratete? Und soll eine gebühren­ finanzierte Fernsehanstalt ihren Mitarbeitenden empfehlen, die private Konkurrenz als «profitwirtschaftliche Sender » zu brandmarken? – Aktuelle Sprachleitbilder greifen auf fragwürdige Weise in den Sprachgebrauch ein. Der Intendant der ARD, Tom Buhrow, schlug Ende Februar in den Medien Alarm. «Wenn nur noch bestimmte Worte benutzt werden sollen, mache ich nicht mehr mit», lies er in den Medien verkünden.1 Stein des Anstosses war ein simples Papier, das seine öffentlich-rechtliche ARD in Auftrag gegeben hatte: das «Framing-Manual». Staatliche Einrichtungen erzielen keine «Einnahmen» Das Manual gibt den Verantwortlichen der ARDFormulierungen zur Hand, die an die moralischen Werte der Leser bzw. Zuhörer appellieren und gedankliche Vorstellungen bzw. ‹Rahmen› (engl. frames) aktivieren. So empfiehlt das Manual, in Diskussionen die privat finanzierte Konkurrenz als «profitorientierte/maximierende Sender» zu brandmarken. Im Gegenzug ist der Begriff «Beitragseinnahmen» für die obligatorischen Gebühren der Bürger zu vermeiden. Denn ‹Einnahmen› erweckt den Eindruck, die öffentlich-rechtlichen Sender seien Unternehmen und schlügen aus den Beiträgen der Bürger Profit – «No Billag» lässt grüssen!

nige Kritiker ein, dass auch die Gegner der ARD in sprachlicher Hinsicht mit Wortschöpfungen wie «Zwangsgebühren» oder «Staatsfunk» nicht gerade zimperlich vorgehen. Ist das Regelwerk also gar ein Instrument sprachlicher Selbstverteidigung? – Da das Manual inzwischen auf dem Web einsehbar ist, können sich Interessierte ihre eigene Meinung bilden …3 Swiss Re in der Sprachfalle? Jüngst ist ein Fall von Sprachregelung in der Schweiz bekannt geworden: Der Versicherer Swiss Re hat einen Sprachleitfaden für den internen Gebrauch eingeführt. Ziel des Regelwerks ist es, sprachliche Diskriminierungen auszuschliessen. So dürften sich Einladungen nicht mehr an «alle Frauen und Männer», sondern «alle Geschlechter» richten. Und das Wort «Heirat» sei zu meiden, sofern nicht klar sei, dass auch gleichgeschlechtliche Ehen gemeint seien.

Bild 2: Auszug aus dem Sprachleitfaden der Swiss Re (Quelle: insideparadeplatz.ch).

Bild 1: Das «Framing Manual» der ARD legt die Sprache fest: Zuseher ‹bezahlen› keine Gebühren, sondern ‹ermöglichen› einen freien Rundfunk.

Sprachmanipulation oder Selbstverteidigung? Inzwischen ist um das Manual der ARD eine intensive Diskussion entbrannt. Die FAZ hält so unverblümt fest: «Wer keinen Rundfunkbeitrag zahlt, ist <demokratiefern>, <wortbrüchig oder auch illoyal> und missachtet den <allgemeinen Willen des Volkes>: Warum die ARD jetzt semantische Gehirnwäsche übt.»2 Im Gegenzug gestehen ei2|3

Die Swiss Re hat für ihre Intiative in den Medien Kritik, aber auch Lob geerntet. Die Meinungen sind also geteilt, doch ebenso machen die Fälle von ARD und Swiss Re klar: Sprache ist in der Lage, Meinungen zu beeinflussen. Und Unternehmen sind immer häufiger bereit, dies zu nutzen. Quellen: 1 https://goo.gl/xoomMs. 2 https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/was-das-framing-manual-der-ard-von-elisabeth-wehling-soll-16047741.html. 3 https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2019/02/framing_gutachten_ard.pdf.


DIGITAL CONTENT: FACEBOOK

Aristoteles und soziale Medien: Rhetorik auf Facebook Soziale Medien sind längst fester Bestandteil unseres Alltags – und werden immer intensiver erforscht. Nun gehen gleich mehrere Studien der Rhetorik erfolgreicher Facebook-Posts auf den Grund. Eines der Hauptwerke des griechischen Philosophen Aristoteles (384-322 v.Chr.) ist das Lehrbuch der Rhetorik. Für Aristoteles ist Rhetorik die Kunst des Überzeugens und beruht auf drei Säulen: Logos (die gekonnte Beweisführung durch den Redner), Ethos (die Haltung und Werte des Redners) sowie Pathos (die emotionale Wucht des Redners). Mehr als zwei Jahrtausende später erfahren Aristoteles' Grundsätze ein erstaunliches Comeback: und zwar in den sozialen Medien. Bereits 2013 hält eine Studie spanischer Autoren zu Facebook fest: «Rhetoric has found new channels and unsuspected dimensions on this social network (in fact on all social networks).»1 Logos

Ethos

Pathos

Ebene

Vernunft

Werte

Emotionen

Mittel

Argumente, Analysen, Daten

Taten, Reputation, Testimonials

Leidenschaft, Geschichten, Humor

Tabelle: Die drei Dimensionen der Rhetorik nach Aristoteles.

Rhetorik im Facebook-Wahlkampf Welche Rolle Rhetorik auf sozialen Medien spielt, haben Forscher anhand des israelischen Wahlkampfs 2013 geprüft. Sie untersuchten, welche rhetorischen Strategien bei konservativen bzw. progressiven Politikern zu mehr Facebook-Likes und -Shares führten. Das Resultat: Konservative Politiker erzeugten mehr Engagement, wenn sie in ihren Posts auf Pathos setzten – während progressive Politiker mit Logos besser abschnitten, wobei dieser Effekt weniger deutlich aufschien.

Bild 1: Konservative Politiker (z.B. Netanyahu) sind mit Pathos erfolgreich, progressive (z.B. Yachimovich) mit Logos (rechte Grafik). (Quelle: Samuel-Azran et al.)

Mehr Leser dank rhetorischen Tricks Nicht nur Politiker, sondern auch Tageszeitungen halten sich an rhetorische Vorgaben, wenn sie ihre Botschaften gezielt ‹verkaufen› müssen. Eine aktuelle Untersuchung zweier norwegischer Tageszeitungen belegt: Formulieren die Redaktionen exklusive Facebook-Posts, um für einen bestimmten Beitrag zu werben, enthalten diese Posts im Gegensatz zu gewöhnlichen ‹Aufhängern› häufig direktive oder expressive Äusserungen: also Fragen, Anweisungen oder emotionale Ausrufe.3 Im Sinne von Aristoteles nutzen die Verlage auf Facebook also gezielt Pathos.

Bild 2: Redaktionen werben für ihre Stories auf Facebook mit Pathos (direktive und expressive Äusserungen), wenn sie spezielle Aufhänger texten (orange Säulen). Quelle: Hågvar 2019.

Fazit: Facebook braucht Pathos Diese (und andere aktuelle) Studien belegen: Der klassische rhetorische Dreiklang Logos – Ethos – Pathos ist in Zeiten des sozialen Web wesentlich, um seine Nutzer anzusprechen. Allerdings zeigt sich, dass gerade auf Facebook Pathos immer dominanter wird. Dies liegt wohl daran, dass die Aufmerksamkeitsspanne von Facebook Nutzern immer geringer wird – und deshalb oft nur künstliche Erregung kurzes Interesse weckt. Das wirft zumindest die Frage auf, ob sich Facebook als Kanal für seriöse Inhalte noch eignet. Quellen: 1 I. Berlanga/ F. García-García/ J.S. Victoria, «Ethos, Pathos and Logos in Facebook. User Networking: New ‹Rhetor› of the 21st Century», Comunicar 41 (2013), 127-135. 2 T. Samuel-Azran et al., «Rhetoric Styles and Political Affiliations During Israel’s 2013 ‹Facebook Elections›», Int J Polit Cult Soc (2018) 31, 15-30. 3 Y.B. Hågvar, «News Media’s Rhetoric on Facebook», Journalism Practice 2019 (online, 20 S.).


DIGITAL CONTENT: TRENDS

Geister sind 2019 im Aufwind!

Pinterest als Inspiration für Schreibprofis

Einmal jährlich veröffentlicht face­ book IQ seinen «Topics&Trends Report»1 Der Report für 2019 bietet überraschende Einsichten.

Synonym-Wörterbücher und Sprach­ ratgeber sind out. Denn auf Pinterest findet sich alles Wissenswerte …

Die Studie von facebook IQ informiert über Themen, die im Vorjahr im sozialen Web beliebt waren und dieses Jahr weiter im Trend liegen.

Pinterest hat sich in den letzten Jahren neben Facebook und Instagram zum ernsthaften ContentKanal gemausert – und bietet für alle Lebenslagen nützliche Listen.

Auf den ersten Blick kurios … Für Marketer ist die Studie durchaus aufschlussreich. So stellt Facebook etwa fest, dass grüne Produkte und Nachhaltigkeit für ein neues Umweltbewusstsein in den Segmenten Beauty, Mode und Reisen stehen. Umgekehrt findet sich in der Studie durchaus Kurioses. So hat sich das Interesse am Thema «Geister» 2018 geich verzehnfacht!

Synonyme, ‹schlaue› Adjektive, emotionale Verben Wie Hundefreunde oder Hobbyköche sind Corporate Writer auf Pinterest bestens bedient. So enthält die Checkliste «125 Adjektive aus der Bildungssprache für klügere Texte» unverzichtbare Anregungen, um beim nächsten Smalltalk oder der nächsten Präsentation noch intelligenter zu wirken.

Bild: Geister sind auf Facebook im Trend. (Quelle: facebook IQ)

Bild: Kluge Adjektive dürfen in keiner Konversation fehlen – und das Verb «sagen» ist entbehrlich. (Quelle: Pinterest)

Dagegen mutet das Wachstum bei Themen wie «Entschlackung» oder «Klettersteig» (jeweils 7,6) beinahe schon bescheiden an.

Und wer in seinem Text dringend Alternativen für das Verb «sagen» sucht, findet rasch Abhilfe. Denn auf Pinterest stehen das kollektive Wissen und die Kreativität von 250 Millionen Nutzern zur Verfügung. So bleibt nur ein Wermutstropfen: Immer mehr Werbetreibende und Unternehmen entdecken Pinterest als Werbeplattform …1

Quelle: 1 https://www.iab.com/wp-content/uploads/2018/12/IAB_2019Topics-and-Trends-Report-from-Facebook-IQ_2018-12-21.pdf.

Quelle: 1 https://www.adzine.de/2019/02/ikea-kampagne-zeigt-alternativewerbemoeglichkeiten-auf-pinterest/

Impressum Stiftung Schweizerische Text Akademie Technopark Zürich Technoparkstrasse 1 8005 Zürich www.textakademie.ch

Fachstelle Schreiben & Publizieren Hochschule für Wirtschaft in Zürich HWZ

ISSN 2297-5764

… auf den zweiten Blick durchaus aufschlussreich So erheiternd manche Kapitel auf den ersten Blick wirken, so sehr beeindruckt die Studie bei näherem Hinsehen. Denn sie analysiert unvoreingenommen Milliarden von Facebook-Unterhaltungen und verwandelt sie in repräsentative Trends. So ergibt sich über unterschiedliche Lebensbereiche hinweg ein Potpurri von Themen, welche die globale Facebook-Gemeinschschaft gegenwärtig beschäftigen. Welcher Trendscout könnte treffsicherer sein?


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