Francesca Bettini und Gyula Molnàr: BIN nicht IM ORKUS

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ISBN 978-3-95749-264-7

W W W.TH EATE R D E R Z E IT.D E

FRANCESCA BETTINI UND GYULA MOLNÁR: BIN NICHT IM ORKUS

Diese Puppen brauchen mehr als Umrisse, man kann sie nicht einrahmen. Sie wollen die Welt in ihrem Maß zurück und Rampenlicht dazu. Sie wollen noch kämpfen, sie wollen große Gefühle, um zu leiden, sich totlachen und Regeln, um sich damit den Arsch abzuputzen … sie wollen, was den Menschen verboten ist. Sie wollen das Unmögliche. Sie wollen immer noch das Theater!

BIN IM ORKUS



Impressum Bin nicht im Orkus Eine kurze Collage aus einem zerschnittenen Textbuch und sechs abgespielten Figuren Idee, Text, Realisierung: Francesca Bettini, Gyula Molnár Herausgeber: Sammlung Puppentheater / Schaustellerei des Münchner Stadtmuseums Fotografie: S. 14 und S. 19: Matteo Rossi S. 37: Olivia Molnár Alle weiteren Fotos: Gunther Adler, Patricia Fliegauf, Ernst Jank (Münchner Stadtmuseum) Restaurierung der Bühnenvorhänge: Anne Jacob (Münchner Stadtmuseum, Grafikrestaurierung) Mitarbeit bei der Gestaltung: Giovanni Keller Lektorat: Erik Zielke Layout: Agnes Wartner © Theater der Zeit, 2019 © bei den Autoren und beim Münchner Stadtmuseum ISBN 978-3-95749-264-7 (Paperback) ISBN 978-3-95749-272-2 (ePDF)


BIN IM ORKUS


VOR WORT

Als wir uns an einem heißen Augusttag 2008 erstmals mit Gyula Molnár trafen, um über die Möglichkeit einer Ausstellung in der Sammlung Puppentheater des Münchner Stadtmuseums zu sprechen, ahnten wir noch nicht, was für eine fruchtbare Beziehung sich aus dieser Begegnung entwickeln sollte. Molnár war bereits seit Mitte der 1990er Jahre mit seinen Inszenierungen Gast auf dem Münchner Figurentheaterfestival gewesen. 2002 hatte er zusammen mit Christian Carrignon, Annette Scheibler und Katharina Wibmer im Depot der Sammlung den verrückten kleinen Film Object Emotions gedreht. Wir hatten Gyula Molnár um dieses Gespräch gebeten mit der noch völlig unklaren Absicht, eine Spur seiner theatralen Denk- und Handlungsweise in einer Ausstellung auf circa 160 Quadratmetern zu präsentieren. In Reaktion hierauf bestand er auf der Notwendigkeit, bei einem nächsten Treffen zusammen mit seiner künstlerischen Weggefährtin Francesca Bettini einen Tag lang im völlig leeren Ausstellungsraum über das Konzept nachdenken zu können. Denn eines wollte Molnár auf keinen Fall: eine rein historische Werkschau mittels Fotografien, die seine Person in den Mittelpunkt gestellt hätte. Mit der Zusage, eine Rauminstallation zu schaffen, verbanden Molnár und Bettini die Bedingung, 2009 mit internationalen Künstlerfreunden an der Ausstellung arbeiten zu können. Die Rauminstallation entwickelte sich parallel zum Theaterstück Kasperls Wurzeln und bildete den Inszenierungsprozess räumlich ab. In der Überschneidung von Theaterproduktion und Raumgestaltung erschufen Molnár und Bettini ein für das Museum neuartiges Ausstellungsformat. 2011 wurde der Endlichkeit einer Ausstellung die Zerstörung der Installation zugunsten der Erstellung eines Films entgegengesetzt. Mit Bin im Orkus. DER FILM entstand eine zweite Spur, die sich als Dokumentation des Projektes bis zu diesem Zeitpunkt verstand. Nach all diesen Aktivitäten erschien es zwingend, die Ausstattung des Theaterstückes Kasperls Wurzeln nach der letzten Aufführung 2017 für die Sammlung Puppentheater zu erwerben. Sinnvollerweise ergänzt durch eine Dokumentation, die den Abschluss des nun dreiteiligen Projektes besiegeln sollte. Hieraus entwickelte sich das mit dieser Publikation vorliegende Format. Ein Comic, der den Übergang aus der theatralen in die museale Welt thematisiert: eine Reflexion über die Vergänglichkeit, über die Augenblickskunst Theater, über das, was für immer dem Vergessen anheimfällt, und über das, was bleibt. Mit dieser erneuten Zusammenarbeit wagen wir die These einer dritten Spur. Soll die Sammlung sich in Zukunft anmaßen, als (Ko-)Produzent der eingehenden Exponate zu agieren? Wir bedanken uns bei Francesca Bettini und Gyula Molnár für die inspirierende Zusammenarbeit und die Freundschaft, die im Lauf der Jahre entstanden ist. Unser Dank geht auch an den Verlag Theater der Zeit, der mit diesem Buch ein in völliger Naivität durchgeführtes Wagnis dokumentiert. Mascha Erbelding und Manfred Wegner

Vorgeschichte Tagebuch aus Matsch Im Jahr 2009 gestalteten Künstler aus Italien, Frankreich, Österreich und Deutschland unter Leitung von Gyula Molnár und Francesca Bettini die Ausstellungsinstallation Bin im Orkus. Ein Tagebuch aus Matsch für die Sammlung Puppentheater / Schaustellerei des Münchner Stadtmuseums. Zum Raumkonzept: » Der Raum ist eine Werkstatt, in der einige Kreaturen das Licht der Welt erblicken und mit ihren ersten Schritten einer möglichen Geschichte entgegengehen. Die Wände sind die Seiten eines Tagebuches, aus denen man die Entwicklung eines Theaterstückes lesen kann.«

Bin im Orkus. Nach Ablauf der Ausstellung von 2009 brachte es die Sammlungsleitung nicht über das Herz, das Tagebuch aus Matsch kaltblütig im Orkus der Münchner Abfallwirtschaft verschwinden zu lassen, und bat Gyula Molnár und Francesca Bettini, die Installation als Material und Kulisse für eine zweite, filmische Spur ihrer theatralen Denk- und Produktionsweise zu nutzen. Bin im Orkus. (Der Film) 2011, ca. 30 Minuten Buch und Regie: Gyula Molnár und Francesca Bettini Kamera: Claudio Coloberti Schnitt: Gyula Molnár und Claudio Coloberti Mitarbeit: Olivia Molnár, Tristan Vogt, Eva Kaufmann, Alexandra Kaufmann

Kasperls Wurzeln (2009) von Molnár & Bettini und Kaufmann & Co. Spiel: Gyula Molnár, Alexandra Kaufmann, Eva Kaufmann Regie: Francesca Bettini Licht: Werner Wallner Produktion im Auftrag von Linz09 in Koproduktion mit FIDENA Bochum Unterstützt durch den Fonds Darstellende Künste und Les Coproducteurs Anonymes. Zum Inhalt des Stückes: Bei der Auflösung der Wohnung seiner verstorbenen Tante entdeckte Gyula Molnár in altes Zeitungspapier eingewickelte Kasperlpuppen. Sie waren verschimmelt und von Motten und Holzwürmern zerfressen, zerfielen in seinen Händen zu Staub. Nur wenige von ihnen konnten gerettet werden. Kasperl war nicht darunter, weder unter den Geretteten noch unter den Zerfallenen. In der Inszenierung Kasperls Wurzeln steigt Molnár hinab in die Unterwelt, wo Kasperl auf der Suche nach der Großmutter verschwunden ist.















GROSSE MONOLOGE HINTER GLAS

Eine Art Schutzmann: »Es ist schön hier zu sein, in diesem lauen und sicheren Limbus, als glücklicher, altgedienter Soldat, nach vielen glorreichen Kriegen, endlich in Ruhe, weg vom Alltagskampf, vom Koffertragen, von Gedächtnislücken auf der Bühne, vom Beklatscht- oder Ausgepfiffenwerden. Ihr glaubt vielleicht, dass dieser Frieden hier in der Vitrine der Tod sei? … Aber nein, hier wohnt das Gedächtnis, hier wohnen in alphabetischer Anordnung alle Erinnerungen des Lebens. Na, nicht eures Lebens, sondern des META-LEBENS von uns Schauspielern, von uns Puppen, da jeder von uns zahlreiche Leben gelebt hat. Tagsüber marschieren die Besucher vor mir vorbei, sie kommen, um mich zu bewundern. Sie starren mich mit großen Augen an, dann zwinkere ich ihnen zu … und sie laufen erschrocken davon. Hahaha …« Herr Ziege: »In meinem Leben habe ich oft den großen Ruhm gekostet, bis eine traurige Zeit kam, in der ich lange an einem verbogenen Nagel in einer dunklen und verlassenen Hütte hing. Ich lag auch in einem Schuhkarton versteckt unter dem Bett oder in einer Plastiktüte im Gefrierschrank und am Ende in Zeitungspapier eingewickelt unter der Badewanne, in Gesellschaft von Holzwürmern und Kakerlaken. Dort hörte ich tagelang dem Fluss des Lebens zu: dem Gurgeln des Wassers in den Rohren, dem Rülpsen der Spüle und den Fürzen der Nachbarn! Inzwischen lernte ich zu warten, ich wurde ein Meister der Geduld. Als der Großvater Molnár starb, und später auch die Tante, schien alles verloren, aber der Kleine Molnár kam, um mich zu befreien, und ich konnte wieder glänzen. Was mache ich jetzt in dieser Ampulle? Ihr habt mich wie ein aus der Mode gekommenes Idol hier reingesteckt, weil ihr nicht den Mut habt, mich auf den Müll zu werfen, weil ihr Angst vor Reue, Angst vor Erinnerungen habt. Ihr, die eines Tages an meinen Lippen hingt und meine Tanzbewegungen bewundertet, ihr habt meine Schönheit vergessen. Jetzt bleibe ich hier in Formalin versunken und überdauere geduldig, ich bleibe hier im Hinterraum eures Gedächtnisses und ernähre mich von den Träumen, die ihr vergessen habt ...« Krokodil: »Nach dem ersten Jahr in dieser Flasche sagte ich mir: – Wer mich befreit, dem werde ich Erfolg schenken! Gemeinsam werden wir die Welt zum Lachen und Weinen bringen, wir werden reich und berühmt. – Aber es verging viel Zeit und niemand kam, um mich zu befreien, also sagte ich mir: – Demjenigen, der mich hier rauszieht, gebe ich mein Kostüm, mein wunderschönes grünes Kostüm, meine Zähne, meine Klauen, meinen Bauch voller Worte … – Ich dachte, auch wenn ich nackt bleibe, kann ich bestimmt in andere Rollen schlüpfen und mir ein neues, würdevolles Leben ermöglichen …

Aber zu viel Zeit ist vergangen, diese Ampulle ist gefüllt mit den Dämpfen meiner Wut, ich ersticke, ich vermisse den Atem! ... Ich werde jeden töten, der es wagt, mich zu befreien! Ich werde Feuer speien und ihn zu Asche niederbrennen, oder ich werde seinen Kopf abbeißen, ihn kauen, in kleinen Stücken ausspucken und seine Knochen zertrampeln; oder ich werde ihn mit Gift oder Schwert töten, wie es Shakespeare gelehrt hat, ... oder ich werde seinen Kopf mit einem Stock zertrümmern, einfach nach Kaspers Rezept!« Wolf: »Oh, ich Armer ... was ist das für ein Leben ohne Erinnerung an eine wahre Liebe, es war alles nur Täuschung, niemand hat mich je geliebt, weder als Mann noch als Frau. Was bin ich jetzt? Ein Hauch von borstigem Fell, das mit schriller Stimme jammert und mit Bedauern und Groll altert … Ich Armer, ich Armer, wir Armen. Traurig ist die Rolle des Wolfes, niemand liebt mich, niemand will mich vor dem brennenden Kamin auf den Knien, obwohl ich gut schnurren kann, hört ihr: rronn rronn rronn rronn. Ich Armer, ich Armer, wer bin ich? Ein Stück borstiger Pelz bin ich, ein Stück nasser Bodenteppich, ein eingelegtes, erbärmliches Plüschtier mit gebrochenem Herzen ... Ich Armer, ich Armer, wir Armen!« Tod: »He! … Jemand da?! … Wo seid ihr? … Immer die gleiche Geschichte, egal, ob es darum geht, zum Lachen oder zum Weinen zu bringen: Wenn ich da bin, sind sie woanders, wenn sie da sind, fehle ich. Oh, niemand kann wissen, wie einsam der Tod sich fühlt. Hier reingepresst könnte ich mich zu einem tödlichen, grünen Getränk destillieren ... genau, ein grüner Tropfen sein. Ja, ich möchte grün sein, mich mit dieser harmlosen Farbe zwischen dem Laub der Bäume verstecken, dann auf den Nacken des ersten, der vorbeikommt, springen, mich dort wie ein Tick oder ein grausamer Gedanke festklammern und ihn unbemerkt begleiten, um eine Weile in Gesellschaft zu bleiben.« Kleiner Molnár: »Ich bin eine eingelegte Gurke. Vom Mensch zum Homunkulus reduziert, wälze ich mich in dieser lauwarmen, mit Nostalgie gewürzten Brühe. … Ich weiß jedoch, dass eines Tages jemand, der hier vorbeikommt, sagen wird: – Oh, schau, wie er meinem Onkel Oscar ähnelt! – … oder: – … Was für eine interessante Physiognomie, so voll von Charakter … ich schreibe über ihn eine Geschichte … besser eine Komödie. – Und dann geht alles wieder los: die Lichter, der Bühnenstaub, das Atmen der Zuschauer, im Dunkel der Saal, das Lachen, der Applaus … auch wenn ich nicht mehr da sein werde.«



DRAMATIS PERSONAE

Frau Wolf. Lupus lupus, weiblich. Ihre Pfoten wurden von Motten zerfressen, aber sie hat ihren schönen Schwanz bewahren können und ihre harmonische Stimme, womit sie einige Verse von R. M. Rilke ergreifend rezitieren kann.

Tod. 45 Zentimeter große, in Zeitungspapier gekleidete Figur aus Papiermaché mit dünnen weißen Beinen und mit einem ausgeprägten philosophischen Anstrich, die sich, unter der Last von großen Zweifeln an der Nützlichkeit der Rolle, die sie von ihren Vorfahren geerbt hat, nach dem Sinn des Lebens fragt, leidet, quengelt und sich in ihrer Einsamkeit suhlt.

Herr Ziege. Männlich, ehrgeizig, mit etwas Wut und Neigung zum Selbstmitleid und Opferrollen. Er ist eine der ältesten Puppen von Molnárs Großvater, die Molnár selbst unter der Badewanne seiner Tante gefunden hat.

Der kleine Molnár. Er trägt auch das Gewicht seines Stammbaumes und die Verantwortung für die Komödie Kasperls Wurzeln. Er wird zur Puppe, um den unauffindbaren Kasperl zu ersetzen, aber er kann sich nicht einmal die erste Zeile seines Textes merken: er sagt: Tri tru trullullù! anstatt Tri tra trallallà! und verwirrt damit den roten Faden der Dramaturgie.

Weitere Figuren, die im Buch erwähnt werden: Das Krokodil. Weiblich. In der Rolle einer Nymphe, virtuose Schwimmerin im Fluss Lethe. Sie glaubt, sie wurde schwanger, weil sie eine Fliege verschluckt hatte.

Die Fliege. Angeblich männlich. Er ist verantwortlich für die Scheinschwangerschaft des Krokodils und auch dafür, dass er damals den Wahnsinn der Tante von Molnár erregt hat. Nachdem er sich bei der Ausstellung Tagebuch aus Matsch, in der Komödie Kasperls Wurzeln und im Film Bin im Orkus eingeschlichen hatte, taucht er nun auch in unserer Collage auf. Unverschämt. Sündenbock. Tragische Figur, die die Schuld für alles auf sich nimmt und, nebenbei, das Theater erfindet.

Eine Art Schutzmann. Er befand sich 1917 in den Schützengräben von Trebisonda. Er gab keinen Schuss ab, aber er kämpft gut mit seiner Bratpfanne. Ein unsicherer Feigling, vielleicht ein Deserteur.

Großvater des kleinen Molnár. Schauspieler und Puppenspieler, dessen Stammbaum auf die Zeit der Neandertaler zurückgeht. Die Tante des kleinen Molnár. Eine umstrittene Puppenspielerin, der wir den verheerenden Zustand der Puppen von Großvater verdanken, die fünfzig Jahre lang in Zeitungen eingewickelt unter der Badewanne vergessen wurden. Kasperl. Unauffindbar.


Anmerkungen Die Puppen des Spektakels Kasperls Wurzeln wurden aus Papiermaché gemacht, außer dem »kleinen Molnár«, der ein Holzkopf ist. »Um Papiermaché zu machen, braucht man vor allem Papier, zerfetztes Zeitungspapier ist dafür am besten geeignet. Drei Tage muss das Papier im Wasser liegen. Die Buchstaben lösen sich auf, die Tinte verschwindet, aber die Worte bleiben. Es geschieht in der Tat, dass aus den Puppen, sobald diese fertig sind, überraschende Nachrichten herauspurzeln, aus denen sie geknetet wurden.« Für die Collagen des vorliegenden Buches wurden die Silhouetten der Figuren aus alten stillgelegten Textbüchern des Molnár-Repertoires ausgeschnitten. Der Fluss Lethe besteht aus den abwechslungsreichen, schönen Handschriften der Briefe von vielen Theaterkollegen. Einige von ihnen haben wir im Laufe der Zeit aus den Augen verloren, mit anderen tauschen wir immer noch E-Mails aus, die wir in dem Speicher unseres Computers aufbewahren. Abbildungsnachweis Vorsatz: Bühnenvorhang zur drehbaren Handpuppenbühne zu Kasperls Wurzeln (Detail). Seite 3. Ausstellung Bin im Orkus. Ein Tagebuch aus Matsch (22.10.2009 bis 30.5.2010). Seite 22/23. Im Hintergrund Bühnenvorhang zur drehbaren Handpuppenbühne zu Kasperls Wurzeln (Detail). Seite 34/35. Handpuppen aus Kasperls Wurzeln Nachsatz: Bühnenvorhang zur drehbaren Handpuppenbühne zu Kasperls Wurzeln (Detail). Bühne, Figuren und Requisiten von Kasperls Wurzeln sind seit 2017 im Besitz des Münchner Stadtmuseums. Referenzen Seite 12. Ausschnitt aus dem Gedicht Der Tod wird kommen und deine Augen haben von Cesare Pavese (1908–1950), frei übersetzt von Gyula Molnár. Seite 24. πάντα ῥεῖ ein 25 Jahrhunderte alter philosophischer Gedanke. Grob übersetzt: »Auch das geht vorbei!« Seite 24/25. Asphodeliengrund. Ort aus der griechischen Mythologie. In der Unterwelt, neben dem Tartaros, befand sich der Asphodeliengrund. Dort wuchsen die Asphodelen als mythische Blumen. Und dort hausten auch die meisten Toten als Schatten, die sich erst nach langer Zeit verflüchtigten. Seite 24/25. Lethe. Der Fluss des Vergessens in der Unterwelt der griechischen Mythologie. Seite 28/29. Die Figuren in den Flaschen. Hommage an den italienischen Stilllebenmaler Giorgio Morandi (1880–1964), mit geblasenen Glasvasen aus den zwanziger Jahren.

Dank an Manfred Wegner und Mascha Erbelding für ihr unermüdliches Vertrauen in uns, ihre überraschenden und mutigen Ideen, die uns in ein zehnjähriges künstlerisches Abenteuer verwickelt haben, und uns mit aufmerksamem Blick und kreativen Vorschlägen während der Gestaltung dieses Buches begleitet haben. an unsere Kolleginnen Alexandra Kaufmann und Eva Kaufmann, die uns bei der Übersetzung der Texte oft zur Seite standen und die damals, bei der Schöpfung der Komödie Kasperls Wurzeln, Quellengeschichte unseres Comics, die Worte und Gesten des Wolfes, der Ziege, des Todes, des Schutzmanns und des Krokodils erfanden.



Molnár und Bettini haben in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten eine ganz eigene Theatersprache entwickelt. Sie sind vor allem Spurenleger und Spurenleser. Sie hören den Menschen und den Dingen zu, geben ihren Geschichten Raum, schaffen Verbindungen zwischen Subjekt- und Objektwelt, zwischen Einzelschicksal und Geschichte, lassen aber dabei stets Raum für Leerstellen. Diese Leerstellen beteiligen den Besucher an der Spurensuche, geben ihm Raum für eigene Gedanken, Assoziationen und Interpretationen. Sie sind zugleich Zeichen für etwas, das vergangen ist, und für etwas, das sein könnte. Sie geben Raum für Erinnerung und für Utopie. Aus der Rede von Katja Spiess zur Eröffnung der Ausstellung Bin im Orkus im Münchner Stadtmuseum, 2009


ISBN 978-3-95749-264-7

W W W.TH EATE R D E R Z E IT.D E

FRANCESCA BETTINI UND GYULA MOLNÁR: BIN NICHT IM ORKUS

Diese Puppen brauchen mehr als Umrisse, man kann sie nicht einrahmen. Sie wollen die Welt in ihrem Maß zurück und Rampenlicht dazu. Sie wollen noch kämpfen, sie wollen große Gefühle, um zu leiden, sich totlachen und Regeln, um sich damit den Arsch abzuputzen … sie wollen, was den Menschen verboten ist. Sie wollen das Unmögliche. Sie wollen immer noch das Theater!

BIN IM ORKUS


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