Kultur erben. Generationenwechsel im Theater der Dinge

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DOUBLE Magazin für Puppen-, Figuren- und Objekttheater

Ausgabe 2/2020 ::: Nr. 42 ::: 17. Jahrgang ::: PREIS: 6 €

k u lt u r e r b e n Generationenwechsel im Theater der Dinge

Theater der Zeit




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INHALTSVERZEICHNIS

E D I T O R I A L

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THEMA

Kultur erben. Generationenwechsel im Theater der Dinge

Meike Wagner

Der Vatermord fällt aus! Einige Gedanken zu den Übergängen zwischen Generationen

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Eric Bass, Shoshana Bass, Agnès Limbos, Hans-Jochen Menzel, Anna Menzel

Sich im Spiel begegnen Zur künstlerischen Zusammenarbeit von Eltern und Kindern

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Katy Deville, Jean-Pierre Larroche, Neville Tranter, Ilsebyll Beutel-Spöri

Ästhetische Diffusion Wie kann es gelingen, Puppenspiel und Objekttheater als Wissen und Kunst weiterzugeben?

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Florian Rzepkowski, Kora Tscherning, Caroline Gutheil

Zwischen Sternenflug und Basisarbeit Junge Figurentheaterleiter*innen sprechen über den Generationenwechsel in Osnabrück, Meiningen und Berlin

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Annika Gloystein

Wenn das Alter keine Rolle spielt Theater Kuckucksheim und Theater Salz+Pfeffer als Mehrgenerationeninstitutionen

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Sammeln, bereitstellen, wachsen lassen Wissenstransfer über Generationen im Museum, Manfred Wegner und Meike Wagner im Gespräch

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Die Erschütterung des Normalen Ein Gespräch mit Ute Kahmann, Anne-Kathrin Klatt und Stephan Wunsch über freie Figurentheaterkunst in Zeiten von Corona

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„Doomed by hope“ Künstler*innen Statements von vier Kontinenten

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Tom Mustroph

Gemischte Realitäten Über neue Formen der Ko-Präsenz von Theater und Digitalität

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Christina Röfer

Von pluralen Zuständen Digitalstrategien im Figurentheater

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Dialog mit Apparat „The Temple“ im Westflügel Leipzig

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Neue Räume aus der Leere Zwei digitale Ensembleproduktionen der Hochschulen in Stuttgart und Berlin

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Durst Internationale Theaterfestivals zur Corona-Zeit

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POLITIK

Yael Rasooly, Javier Swedzky, Maria Tri Sulistyani, Marielise Aad, Mark Down, Andrico Goosen

REFLEXION

INSZENIERUNG Franziska Reif next generation Sascha Krieger FESTIVAL Tim Sandweg

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INHALTSVERZEICHNIS

AUSSTELLUNG Sarah Heppekausen

Museum als Verführung „Puppets 4.0 – ein imaginäres Museum“ am dfp in Bochum

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Silvia Brendenal

Ohne Vorwarnung Objekte aus 35 Jahren Theater von Agnès Limbos

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Jacqueline Surer

Neue Formen der Animation Über den ersten Schweizer Masterstudiengang für Figurentheater

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Ende einer Ära Franziska Burger im Gespräch mit dem scheidenden Leiter des Fabrikpalasts Hansueli Trüb

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SCHWEIZER FENSTER

E N G L I S H S U M M A R I E S

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NOTIZEN / FESTIVALKALENDER

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I M P R E S S U M

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Titel: Cie. Gare Centrale; Agnès Limbos und Samy Caffonette bei Proben zur Inszenierung „Conversation avec un jeune homme“. Foto: Alice Piemme

Content double 42/2020 – T H E M E Inheriting culture – The generation change in theatre of things Meike Wagner Patricide is ruled out. Some thoughts on the transitions between generations // Eric Bass, Shoshana Bass, Agnès Limbos, Anna Menzel, Hans-Jochen Menzel Meeting each other in play. Artistic collaboration between parents and children // Katy Deville, Jean-Pierre Larroche, Neville Tranter, Ilsebyll Beutel-Spöri Aesthetic diffusion. How do we succeed in passing on puppetry and object theatre as knowledge and art? // Florian Rzepkowski, Kora Tscherning, Caroline Gutheil Between stellar flight and basic work. Young puppet theatre directors talk about the generation change in Osnabrück, Meiningen and Berlin // Annika Gloystein When age does not matter. Theatre Kuckucksheim and Theater Salz+Pfeffer as multi-generational institutions // Manfred Wegner talks with Meike Wagner Collect, make available, enrich. Transferring knowledge over generations in a museum

POLIT ICS Ute Kahmann, Anne-Kathrin Klatt and Stephan

Wunsch talk with Katja Spiess and Tim Sandweg Shattering the normal. A conversation on fringe puppet theatre art in times of Corona // Yael Rasooly, Javier Swedzky, Maria Tri Sulistyani, Marielise Aad, Mark Down, Andrico Goosen "Doomed by hope". Artists statements from four continents REFL ECTI O N S Tom Mustroph Mixed realities. On new forms of co-presence between theatre and digitisation // Christina Röfer On plural situations. Digital strategies in puppet theatre S T AG I N G Franziska Reif A dialogue with apparatus. "The Temple" in the Westflügel Leipzig NE XT G E NERATION Sascha Krieger New spaces from the void. Two digital ensemble productions from the universities in Stuttgart and Berlin FE ST IVALS Tim Sandweg Thirst. International theatre festivals during the Corona period E XHIBIT IONS Sarah Heppekausen The museum as a seduction. "Puppets 4.0 – an imaginary museum" at the dfp in Bochum // Silvia Brendenal Without warning. Objects from 35 years of theatre by Agnès Limbos SW ISS WINDOW Jacqueline Surer New forms of animation. The first Swiss Master's programme in Figure Theatre // Hansueli Trüb talks with Franziska Burger The end of an era. A conversation with the outgoing director of the "Fabrikpalast" E NG LISH SU M M ARIE S

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EDITORIAL

Kultur erben Generationenwechsel im Theater der Dinge Was bleibt, wenn nach Jahren künstlerischer und kuratorischer Tätigkeit eine Laufbahn langsam in die Schlusskurve biegt? Was kommt, wenn eine junge Generation an Schaltstellen der Szene das Ruder in die Hand nimmt? Double hat sich umgeschaut, wie Übergänge zwischen Generationen im Puppen-, Figuren- und Objekttheater gestaltet werden, und präsentiert im Thementeil ein vielstimmiges Spektrum von Übergaben, Übernahmen und Diffusionen.    Meike Wagner macht sich Gedanken zu den Übergängen zwischen Generationen im künstlerischen Feld und sieht eher gemeinschaftliche Entwicklung statt Konfrontation. Eric Bass und Shoshana Bass, Agnès Limbos, Hans-Jochen Menzel und Anna Menzel reflektieren die künstlerische Zusammenarbeit zwischen Eltern und Kindern, bei der das Verhältnis der Generationen auf der Bühne immer mitschwingt. Katy Deville, Jean-Pierre Larroche, Neville Tranter und Ilsebyll Beutel-Spöri haben als erfahrene Künstler*innen jeweils eigene Wege gefunden, mit jungen Künstler*innen in Austausch zu kommen: als Mentor*in, Partner*in, Lehrer*in und Übergeber*in. Florian Rzepkowski, Kora Tscherning und Caroline Gutheil sind in den letzten Jahren als Theaterleitung gestartet und sprechen über den Gegensatz von Beharrungstendenz und Neuerungswunsch. Annika Gloystein berichtet über das Theater Kuckucksheim und das Theater Salz+Pfeffer als Mehrgenerationeninstitutionen, die produktive Lösungen für die Zusammenarbeit gefunden haben. Schließlich spricht Manfred Wegner im Interview mit Meike Wagner über die Möglichkeiten des Transfers und der Weiterentwicklung von puppenhistorischem Wissen über Generationen hinweg.    Der zweite Heftteil ist, genauso wie die darstellenden Künste insgesamt, geprägt durch die COVID-19-Pandemie und fragt, was die ökonomischen und ästhetischen Auswirkungen auf das Puppen-, Figuren- und Objekttheater sind. Neben Perspektiven auf die Situation in Deutschland, wo die neue Spielzeit unter Auflagen wieder starten konnte, sowie einer Reflexion über die Situation von internationalen Festivals versammelt diese Ausgabe Stimmen zur Lage in Israel, im Libanon, in Indonesien, Südafrika, Großbritannien und Argentinien. Künstlerischen Strategien im virtuellen Raum, mit digitalen Dingen und Themen der digitalen Transformation widmen sich Tom Mustroph und Christina Röfer, die Digitalstrategien im Figurentheater anhand des Sonderförderprogramms „Konfiguration“ und Formen von virtueller Ko-Präsenz vorstellen. Schließlich schauen die Autor*innen dieser Ausgabe auf neue Inszenierungen und Ausstellungen – on- und offline, virtuell und ganz haptisch.    Ab dieser Ausgabe gehören die letzten Seiten von double unseren Kolleg*innen aus der Schweiz. Damit hoffen wir, die Lücke, die die Einstellung der Theaterzeitschrift „figura“ gerissen hat, zumindest etwas füllen zu können.    Eine anregende Lektüre wünschen Katja Spiess, Meike Wagner und Tim Sandweg

Inhe r it ing cult ur e The generation change in theatre of things What remains when, after years of artistic and curatorial activity, a career slowly rounds the final bend? What happens when a young generation takes over the baton at the change-over point? "Double" has examined how transitions between generations in puppet, figure and object theatre are shaped, and the result is a polyphonic spectrum of handovers, takeovers and diffusions in the “theme” section.    After a few introductory thoughts on transitions between artistic generations where the author's diagnosis is joint development rather than confrontation, she hands over the word to artists from different generations. They talk about the cooperation between parents and children; about methods of staying in contact with the following generation as a mentor, partner or teacher; about a new director's conflict between keeping things as they are and wanting to make a fresh start,; about productive solutions in multigenerational theatres, and the opportunities for transferring historical knowledge of puppetry from one generation to the next.

Studiensammlung Puppentheater des Münchner Stadtmuseums, 2008. Foto: Münchner Stadtmuseum

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THEMA

der vatermord fällt aus! Einige Gedanken zu den Übergängen zwischen Generationen Meike Wagner macht sich Gedanken zum künstlerischen Generationenwechsel. Allerorten wird davon geredet, ob und wie es weitergeht im Puppen-, Figuren- und Objekttheater, wenn die Alten älter werden und die Jungen nicht so viel Lust zeigen, ihr eigenes Ding an die Gepflogenheiten des institutionellen Übergangs anzupassen. Gibt es ein Nachwuchsproblem? Oder kann man sich eher beruhigt zurücklehnen, weil die Übergänge so geräuschlos als kooperative Weiterentwicklung vor sich gehen? Von M e i ke Wa gne r /// Der unternehmerische Mittelstand in Deutschland hat ein massives Nachwuchsproblem.1 Bis 2022 werden 500.000 Nachfolger*innen für Betriebe gesucht, das Management des Generationenwechsels wird zur schwierigen Herausforderung. Vor allem Klein- und Kleinstbetriebe sehen oft keine Alternative zur Stilllegung des Unternehmens, obgleich die Inhaber*innen oft bis ins hohe Alter tätig bleiben und dem Übergang so eine lange Perspektive erlauben würden. Und – je näher die Übergangssituation kommt, desto mehr nimmt die Bereitschaft zur Investition ab, zu unsicher sind die Aussichten auf eine geregelte Nachfolge.    Ist es das, was auch auf die Puppen-, Figuren- und Objekttheaterszene, die ja überwiegend in Klein- oder Solobetrieben organisiert ist, in den nächsten Jahren zukommt? Künstler*innen, die verzweifelt nach jugendlichen Retter*innen Ausschau halten, während sie sich mit einer gut gereiften Ästhetik einbunkern, aus Angst noch kurz vor Schluss einen Fehler zu begehen und womöglich das Alterswerk zu verspielen?    Was passiert da eigentlich, in dieser Grauzone genannt „Generationenwechsel“? Letztlich geht es für die einen darum, in der Gegenwart die Zukunft der eigenen Vergangenheit zu bestimmen, und für die anderen darum, ihre (womöglich kurze) Vergangenheit für eine Zukunft in die Waagschale zu werfen. Wie werden Zukünftige auf meine Künstler*innen-Biographie schauen? Wie kann ich aus meiner bisherigen Lebens- und Erfahrungsbasis eine Zukunft gestalten?    In früheren Zeiten war der „Vatermord“ das probate Mittel, um einer nächsten Künstler*innen-Generation Geltung zu verschaffen: Junge Künstler*innen drängten mit der Mission ins Feld, zunächst einmal die Theaterkunst der Alten zu überschreiben und provokativ für nichtig zu erklären. Man führte erst einmal einen ästhetischen Feldzug gegen die Tradition, den Salon oder die persönliche künstlerische Handschrift der großen alten Männer (vor allem des Regietheaters). Es ging hier schließlich um alles: Für meine Sichtbarkeit muss ich dich unsichtbar machen! Doch diese radikale Geste des Abschlusses und Abschusses scheint heute nicht mehr opportun. Wir operieren in Netzwerken, lassen neue Impulse unauffällig einsickern und erklären die generationelle Diversität im Team zum Ideal. Ist das jetzt wishful thinking? Oder gelebte Realität des Übergangs im Puppen-, Figuren- und Objekttheater?    Wie kann in der Kunst überhaupt von Ende und Anfang die Rede sein? Wenn der 88-jährige Gerhard Richter verkündet, die Kirchenfenster von Tholey seien sein letztes Werk, dann erscheint die Sache einfach: Seine Schaffensperiode ist ab sofort Geschichte. Dem stehen im Figurentheater mehrere Dinge entgegen. Zum einen ist es eine „lebende“ Kunst, d.h. ohne Aufführung kein Werk. Richter kann sich beruhigt zurücklehnen, seine Kunst bleibt, er wird als Künstler in seinen Werken immer sichtbar bleiben. Auch der Kunstmarkt verwertet seine Objekte weiter und wahrscheinlich wird nach der Verkündung Richters Werk in der Marktlogik der Verknappung nochmals einen Preisaufschlag erhalten. Was aber bleibt den Puppenspieler*innen, wenn die Stücke abgespielt sind, die Puppen und Objekte maximal eine museale Zukunft haben? Die Künstler*innen stehen in der Gefahr zu verschwinden, wenn nicht durch eigene Anstrengung oder äußeren Ruhm das kulturelle Gedächtnis eine Luke offenhält.   Zum anderen agiert Richter aus der Position des freien Künstlers heraus, der problemlos seine Werke an andere Institutionen abgibt. Die Figuren- und Puppentheaterszene dagegen ist ungemein vielfältig organisiert mit allen Facetten und Graden an institutioneller Anbindung. Das reicht von freien Solist*innen über kleinere Familienunternehmen mit eigener Bühne bis hin zur Festanstellung im öffentlich geförderten Theaterbetrieb. Und – Theaterspiel ist ein kollektiver Prozess. Selbst wenn am Ende ein*e Solokünstler*in auf der Bühne steht, so sind immer viele am Entstehungsprozess der Kunst beteiligt: Puppengestalter*innen, Objektdesigner*innen, Regisseur*innen, Bühnentechniker*innen und, und, und. Wenn also eine Person beschließt, es gut sein zu lassen mit der Kunst, dann hat das immer auch Konsequenzen für viele. Man mag hier einwenden, dass auch Richter auf seine im Hintergrund agierenden Werkstätten angewiesen war. Darauf möchte man antworten, dass dies dem Format seiner Kunst und seines Erfolgs geschuldet ist, im Theater handelt es sich aber um die essentielle Grundlage des Schaffens: Ohne Kollektiv kein Theater.

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Das heißt aber auch, dass die Übergänge schon immer da sind, nämlich im gemeinsamen Schaffen – zwischen Künstler*innen, zwischen Jung und Alt, zwischen ästhetischen Positionen. Und die müssen immer wieder neu erprobt, zugelassen und ausgehandelt werden. Es wäre jetzt etwas vorschnell zu behaupten, das Theater, und zumal das Puppen-, Figuren- und Objekttheater, sei das ideale „Trainingscamp“, um auf den spezifischen Übergang des Generationenwechsels vorzubereiten. Denn immer sind Personen daran beteiligt, die sich emotional, intellektuell und mit all ihrer individuellen künstlerischen Energie daran beteiligen. Aber diese Gegensätze, vielleicht auch Sprengsätze, sorgen dafür, dass der Übergang immer spannend ist und im vermeintlichen Gelingen oder Scheitern ein enormes produktives Potential freigesetzt wird. Der Vatermord fällt aus, der Wechsel der Generationen wird im künstlerischen Raum ausagiert: als Lehrer*in/Schüler*in-Modell, als gepflegt transitorische Schwebephase oder als „Schlüsselübergabe“. 1 Siehe die Forschungsstudie der KfW-Bank: https://www.kfw.de/KfW-Konzern/KfW-Research/Nachfolge-im-deutschen-Mittelstand.html

Einfach hinübergehen, 2020. Foto: Privat

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sich im spiel begegnen Zur künstlerischen Zusammenarbeit von Eltern und Kindern Drei Künstler*innen haben wir gefragt, ob sie bereit sind, die Essenz der Zusammenarbeit mit ihren Kindern in einen kurzen Text oder Dialog zu fassen – und alle waren bereit dazu. In allen drei – auf Bitten von double sehr knapp gefassten – Beiträgen stellen sich ähnliche Fragen: Was macht es mit Kindern, die buchstäblich in der Welt des Theaters aufwachsen, eng verbunden mit der Profession der Eltern oder eines Elternteils? Wo liegen die Chancen (für beide Generationen), was macht Angst, wann braucht es Humor?

das objekt schafft verbindung Vo n E ri c Bass und Shoshana Bass Eric Bass, Puppenspieler und Regisseur

Eric Bass: Welche Spuren von mir hast du in meinen Theaterpuppen gefunden?

aus den USA, gründete vor etwa 40 Jahren das Sandglass Theater. Mit seiner Frau Ines und anderen hat er viele erfolgreiche Inszenierungen kreiert und ein ganzes Ensemble aufgebaut, das im Netzwerk der amerikanischen Theatermacher eine auch ästhetisch prägende Rolle spielt. Eric Bass‘ frühe Inszenierung „Autumn Portraits“ wurde und wird weltweit gefeiert. Inzwischen hat seine Tochter Shoshana Bass die Puppen und deren Geschichten übernommen und in der eigenen Inszenierung „When I Put on Your Glove“ neu kontextualisiert. Sie ist nun auch Co-Direktorin von Sandglass. Eric und

Shoshana Bass: Nicht nur Spuren. Diese Figuren sind von dir durchdrungen. Sie sind an deinen Handabdruck angepasst. Für mich tragen diese Puppen Teile deiner Seele, Geschichten aus deinem Leben und die Hingabe, die du in dein Handwerk investierst. Dabei habe ich festgestellt, dass ich die Puppen als Wegweiser betrachte, wenn ich sie spiele, weil sie die Praxis vieler Jahre in sich tragen, obwohl sie jetzt einen neuen Atem haben. Es liegt also an mir, ihnen durch ihre Geschichten zu folgen und sie zu unterstützen, indem ich ihnen zuhöre und ihnen vertraue. Wenn ich ohne dich mit den Figuren auf Tournee gehe, bist du immer noch ganz bei mir. Und das ist eine starke Unterstützung und eine große Freude. Eric: Wie hast du dir die Figuren UND ihre Geschichten zu eigen gemacht?

Shoshana Bass reflektieren die Übergabe in

Shoshana: Du hast mir den String Player, Maya, Mon und Zedyl in wir diesen kleinen Reflexionsreigen eröffnen. einer sehr herausfordernden Zeit meines Lebens geschenkt. Jede ihrer Geschichten sprach auf tiefgründige Weise von der körperlichen und geistigen Identitätskrise, die ich durchmachte. Um den String Player spielen zu können, musste ich mich mit dem hartnäckigen Teil von mir selbst auseinandersetzen, der keine Hilfe annehmen wollte, hohe Erwartungen an mich stellte und meine eigene Unverwüstlichkeit annahm. Um Maya zu spielen, musste ich in der Geschichte meiner Familie und der Gewalt, die Teil der Welt ist, graben. Um Mon zu spielen, musste ich meine eigene Identitätskrise verstehen und den Verlust von Teilen meiner selbst akzeptieren, die ich für selbstverständlich gehalten hatte. Zedyl zu spielen war das Schwerste von allem, denn ich musste meine eigene Sterblichkeit akzeptieren … und deine. Ich glaube nicht, dass ich die Puppen als meine betrachte, aber ich betrachte sie auch nicht als geliehen. Vielmehr sind sie bereitwillige Kollaborateur*innen und ich vertraue ihnen in „When I Put on Your Glove“ die Teilhabe an meiner Geschichte an.    Und du, haben die Stücke, seit sie in meinen Händen sind, eine neue Bedeutung für dich bekommen? einem Dialog, mit dessen gekürzter Fassung

Eric Bass, Autumn Portraits, Zedyl. Foto: Sandglass

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Eric: Die „Autumn Portraits“ wurden oft als mein Erkennungs-Stück bezeichnet. Sie sind ein Produkt dessen, was ich war, als ich sie schuf, aber sie behielten auch dann noch Teile von mir, als ich mich weiterentwickelte und älter wurde. Als ich sie dir übergab, haben wir eine Abmachung getroffen: Ich gab dir die Puppen und die Texte, in denen sie lebten, aber nicht die Inszenierung, in der sie auftraten. Das ermöglichte ihnen, eine neue Rolle zu spielen, auch wenn ihre Geschichten gleich blieben. Es ist auch eine sehr starke Verbindung zwischen uns als Tochter und Vater entstanden, durch die Kunst und durch das Material der Kunst. Das erinnert mich an Stephen Dedalus in James Joyces Ulysses. Er nimmt in einem Antiquariat ein Buch in die Hand und fragt sich, wessen Augen diese Seiten vor ihm gelesen haben. Das Objekt selbst schafft eine Verbindung, ebenso wie der Inhalt, den das Objekt enthält und ausdrückt. Und so haben diese Stücke für mich eine neue Bedeutung, aber sie sind für mich auch zu einem Tor geworden, durch das ich in meine Vergangenheit und in deine Zukunft blicken kann. Sie tun das, was Theaterpuppen am besten können, sie verwandeln sich selbst und verwandeln uns. – www.sandglasstheater.org

im leben und auf der bühne Ag n è s Li mb os zur Zusammenar b ei t mi t i h re n S öh n e n S amy Caf f onnet t e und Joachi m Caf f onnet t e Mama! im Leben. Agnès! auf der Bühne und bei den Proben. So nennen mich meine beiden Kinder. Von frühester Kindheit an in meine Welt eingetaucht, war ihr Leben eng mit meinem künstlerischen Leben verbunden. Manchmal begleiteten sie mich auf Tourneen, nahmen an Proben teil, verbrachten Zeit in meinem Atelier, und beide schlugen einen künstlerischen Weg ein. Wir haben sie nicht zu diesem Leben des Aufbruchs und der Rückkehr, der Ängste und der Zweifel gedrängt, aber sehr wohl zu einem Leben voller Freude – an der Begegnung und am Austausch. Es ist deine Schuld, hat Samy zu mir gesagt! Seit er fünf Jahre alt ist, will Samy fliegen. Also schlage ich ihm vor zu tanzen und er beginnt mit klassischen, zeitgenössischen Tanzkursen … Mit 16 Jahren war er Student an der Königlichen Ballettschule in Antwerpen, die er bereits seit seinem zwölften Lebensjahr besuchte. Jeden Sonntag brachte ich ihn zurück ins Internat, wo er bis Samstag blieb – für eine anspruchsvolle Ausbildung, der er sich sieben Jahre lang intensiv gewidmet hat. Während dieser intimen Reisen von unserem Haus nach Antwerpen haben wir gesunAgnès Limbos, die „Grande Dame“ des gen, Musik gehört, der Stille gelauscht oder sogar geredet: Objekttheaters und Gründerin der ComEr: Was ist das Thema deines neuen Stücks? pagnie Gare Centrale, ist Schöpferin so Ich: Der alternde Körper. ikonografischer Arbeiten wie „Troubles“ Er: Dann brauchst du einen jungen Körper, der mit dir tanzt. Ich kann dieser junge oder „Petites fables“, sie versteht sich Tänzer sein. nicht als Puppenspielerin, sondern als Ich: Okay, abgemacht! Schauspielerin, die Objekten den Atem So begann 2011 das Abenteuer „Conversation avec un jeune homme“. leiht. Limbos gewährt einen lakonischTaylor Lecoq, ein weiterer junger Tänzer, gesellte sich bald zu uns als alternative Bepoetischen Einblick in das Entstehen der setzung für die Aufführungen. künstlerischen Zusammenarbeit mit Mit der Tänzerin und Choreografin Lise Vachon erforschten wir die Beziehung zwiihren Söhnen, dem Tänzer Samy Caffonschen den Körpern eines jungen Tänzers und einer alternden Dame. Die Idee war, unsere Körper miteinander reden zu lassen. Ich war in großer Unbeweglichkeit erstarrt, immer am Tisch, während der junge Mann sich vom klassischen zum zeitgenössiShoshana Bass, When I Put On Your Glove. Foto: Sandglass

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nette und dem Musiker und Komponis-

ten Joachim Caffonnette.


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schen Tanz bewegte. Diese Konfrontation erlaubte es mir schließlich, den Tisch zu verlassen und in den ganzen Raum gesaugt zu werden – eine Einladung zum Tanz. Und so kamen wir dann zum Pas de deux! Bei seiner klassischen Klavierausbildung, die er mit sechs Jahren begann, stellte Joachim immer wieder fest, dass jede Note ganz viele Noten enthält! Er wurde Pianist und Komponist. Zuerst Klassik. Dann Jazz am Brüsseler Musikkonservatorium. Ich liebe seine Kompositionen und seinen Blick auf unsere Welt. So beschlossen wir, gemeinsam an zwei kurzen Inszenierungen zu arbeiten: „Quo Vadis" und „Baby Macbeth", bei denen Joachim mich live begleitet, den Szenen Rhythmus gibt, die Atmosphäre bestimmt. Seine Präsenz, sein Blick, seine Fragen haben uns geholfen, unsere künstlerische Vision zu stärken. Er war an der gesamten Entwicklung der Kurzformen beteiligt. – www.garecentrale.be

„... so richtig ausrasten“ Au s e i n e m Di a log z wi sc h e n Anna Menzel und Hans-Jochen Menzel Anna Menzel: Was war Puppenspiel für dich, als du 25 Jahre alt warst? Hans-Jochen Menzel: Freude am Spiel und besser wissen, wie es geht und Zorn – und ein Ausweg aus meiner abiturlosen Zukunft nach dem Rausschmiss aus der EOS (Erweiterte Oberschule, Anm. d. Red.). Anna: Was war dein schönstes Erlebnis auf der Bühne? Jochen: Das Schönste waren und sind eigentlich die Proben, das Zusammenspiel, die Impros. Wenn man forscht, wenn aus Gedanken und Visionen und Improvisationen Stücke entstehen, die es noch nie gab, die so auch nie aus der Literatur entstanden wären. Anna: Was waren deine Ängste als Freiberufler? Hattest du überhaupt welche? Jochen: Oh ja, große Angst! Nur wenige lebten so in der DDR 1984, das war die Ausnahme, und überhaupt sehr schwierig diesen Status zu erlangen. Als es dann ganz gut lief, hatte ich immer noch Existenzangst, aber man gewöhnte sich dran und konnte besser damit umgehen. Und das Gegengewicht war immer dieses bisschen Mehr an Freiheit, was ich dadurch haben konnte. Ich fühlte mich privilegiert, ich war freier als die meisten anderen in der DDR – fand ich.    Bin ich für dich eigentlich, beruflich gesehen, eine Belastung, weil ich so bekannt bin unter den Puppen? Anna: Nein, nie. Ich habe das als Privileg empfunden. Viele Leute durch dich kennengelernt. Allerdings hatte ich anfangs Bedenken, was die Erwartungen von anderen betrifft, wenn sie meinen Namen hören. Ich habe manchmal gelogen, wenn jemand fragte, ob wir verwandt sind. Die Fußstapfen waren mir zu groß. Ich wollte selber rausfinden, wer ich in diesem Beruf bin und sein will. Konnte mich von diesen Bedenken aber relativ schnell befreien.

Cie. Gare Centrale, Joachim Caffonette in „Quo Vadis“. Foto: Alice Piemme

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Jochen: Kannst du heute wirklich frei arbeiten, dich entfalten, wenn wir beide zusammen spielen/improvisieren? Anna: Es ist nicht so leicht. Weil ich dir eigentlich immer zugucken will, manchmal nicht fassen kann, wo du das alles herholst. Da komm‘ ich, bei dem Versuch mitzuhalten, ganz schön ins Schwitzen. Anders ist es allerdings, wenn du Regie führst. Da fühle ich mich frei. Weil du so geduldig bist. Ich finde, da hilft uns auch unser gemeinsamer Humor, der verbindet und macht viele Dinge leichter. Da habe ich auch nie Angst was „falsch“ zu machen. Und ich weiß: Ich kann dir erstmal alles anbieten. Ohne Druck. Jochen: Meine Art, meine Intentionen sind Dir also nicht zu „oldschool“, zu alt? Anna: Nein. Meistens nicht. In manchen Dingen verstehe ich dich nicht – das ist dann wohl eher der Kind-Eltern/Generationsbeziehung geschuldet. Da geraten wir ja auch manchmal aneinander. Über unseren speziellen Humor kommen wir aber schließlich doch immer wieder zusammen.

Hans-Jochen Menzel, Puppenspieler, Regisseur und Hochschullehrer, Mitgründer des renommierten Theater Handgemenge, zeitweise Leiter des Studiengangs Zeitgenössische Puppenspielkunst an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Mit seiner Tochter Anna Menzel, Puppenspielerin und Absolventin eben jenes Studiengangs, tauscht er sich über den Einfluss der familiären Konstellation auf ihre künstlerische Arbeit aus.

Jochen: Würdest Du mal Regie bei mir führen und hättest Du dazu eine Idee, was ich unbedingt spielen müsste? Anna: Du musst auf jeden Fall ein Konzert spielen. Ohne Singen und den ganzen Kram, nur mit Gitarre, wie Slash. So richtig abrocken! Ich würde auch gerne mal sehen, wie du auf der Bühne richtig ausrastest, ohne Zurückhaltung. Auf jeden Fall was Extremes. Irgendwas, was du noch nie gemacht hast. Jochen: Ha, ausrasten ist immer gut, spielen ist ausrasten, vergessen und verzeihen und verwandeln! www.lovefuckers.com – www.kasperunser.com Zusammengestellt und übersetzt von Anke Meyer

Gebr. Menzel & Söhne/Schaubude Berlin, Kasper unser. Foto: Kai Wido Meyer

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ästhetische diffusion Wie kann es gelingen, Puppenspiel und Objekttheater als Wissen und Kunst weiterzugeben? Double hat erfahrene Künstler*innen gefragt, wie es gelingen kann, Puppenspiel- und Objekttheaterkunst an eine nächste Generation weiterzugeben. Die Antworten sind vielfältig, widersprüchlich, imaginär und konkret. Genauso, wie sich der Generationenwechsel im Feld eben gestaltet. Katy Deville vom Théâtre de Cuisine sieht sich im Prozess der Übertragung an die nächste künstlerische Generation als „anwesende Partnerin“. An der Seite zu stehen, nicht davor oder dahinter, das ist die Art von Präsenz, die sie über all die Jahre versucht hat zu entwickeln. Jean-Pierre Larroche von Les Ateliers du Spectacle sagt, eine Übertragung passiert einfach so im kollektiven Tun zwischen älteren und jüngeren Puppenspieler*innen - ohne Plan und ohne Vorgaben. Warum sollten wir uns also dafür interessieren? Neville Tranter berichtet von seinen ersten Erfahrungen mit Puppenspiel und von seiner Verantwortung und seiner Freude, sein Puppenspiel-Wissen als Lehrer an die nächste Generation weiterzugeben. Und Ilsebyll Beutel-Spöri vom kleinen spectaculum erzählt vom Ende des Spielbetriebs und der pragmatischen Übergabe ihrer Puppen an jüngere Kolleg*innen. Die machen etwas ganz Eigenes daraus.

für eine übertragung müssen wir eine gross e leidenschaft teilen Von Kat y D ev i lle „Übertragen“/„Übermitteln“: von einer Person an die andere weitergeben. Ja, aber wie? Katy Deville gründete 1979 zusammen Was steht dabei auf dem Spiel? Zu Beginn zwei Künstler*innen: eine junge Person und mit Christian Carrignon das Théâtre eine erfahrene. Ein erster Austausch ermöglicht uns, diesen einzigartigen Raum zwischen de Cuisine, das mit seinen internatiouns zu bestimmen, zu erschaffen; den Raum des Kommens und des Gehens, den Monal gefeierten Stücken das Genre des tor unserer Zusammenarbeit. Für eine Übertragung müssen wir eine große Leidenschaft Objekttheaters miterschuf. Oft in kleiteilen. Eine Übertragung ist eine komplexe und subtile Mischung aus Lernen, Zuhören, nen Theaterräumen, um einen Tisch Aneignung und Autonomie. Ein Dialog, der sich aus dem Verlauf der Zeit speist. herum platziert, werden Objekte aus    Gemeinsam mit Hélène Fontelle, Verwaltung, und Corinne Nobileau, Kommunikatiihren Alltagsfunktionen gelöst und mit on und Ausbildung, haben wir am Théâtre de Cuisine in den letzten Jahren verschiedene neuen Bedeutungen und theatralen Formen der Unterstützung von jungen Künstler*innen entwickelt: etwa eine Ausbildung Aktionen aufgeladen. hin zu einer Objekttheater-Sprache, die künstlerische oder organisatorische Begleitung von Produktionen, künstlerische Residenzen und die Verknüpfung mit einem professionellen Netzwerk.    Dadurch, dass wir vom Kultusministerium gefördert werden, können wir auch am Förderprogramm „Compagnonnage“ teilnehmen, bei dem es um ein Mentoring zwischen Theatergruppen geht. Diese Förderung hat es etwa erlaubt, Clément Montagnier (Cie Tac Tac) für 18 Monate bei seiner Professionalisierung zu begleiten.    Oft werden von uns künstlerische Debuts, erste Produktionen, individuelle Projekte begleitet. Je nach Bedarf und Arbeitstempo der Künstler*innen bieten wir eine Infrastruktur in verschiedenen Geschwindigkeiten an. Wenn man die Rolle des Théâtre de Cuisine hier definieren müsste, dann läge sie wohl darin, einen Rahmen und Kompetenzen anzubieten, damit diese jungen Projekte realisiert werden und sich weiter entfalten können.    In den Workshops, die ich gebe, lerne ich junge Künstler*innen kennen. Ich muss angerührt werden, erfasst, bewegt von der Arbeit eines Künstlers, einer Künstlerin, um ihm*ihr eine Residenz anzubieten. Dann entscheiden wir gemeinsam, wie eine Begleitung aussehen kann, die den Bedürfnissen und dem Projekt entspricht.    Als ich in der Puppenszene angefangen habe, wurde ich als Lehrling betrachtet. Aber die Beziehung war die gleiche: Egal, ob es Lehrling/Meister*in oder junge Künstler*in/erfahrene Künstler*in ist, das Vertrauen und der Respekt sind die Basis. Ich habe sehr viel von Philippe und Mary Genty gelernt: den Anspruch, die tägliche Arbeit, die Improvisation, die Anpassung an alle Situationen.

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Meine Erfahrungen mit Christian Carrignon, Mitbegründer des Théâtre de Cuisine, der schon sehr früh die Notwendigkeit gesehen hat, seine Kenntnisse und seine Theoretisierungsversuche des Objekttheaters zu vermitteln, haben mir dann ermöglicht, viel zu beobachten und Informationen zu speichern. Auf seine Anfrage hin bin ich zu den Workshops dazugekommen und ins Ensemble eingetreten. Wir haben die pädagogischen und künstlerischen Konzepte strukturiert und erweitert. Beobachten und Praktizieren ist für mich eine untrennbare Einheit.    Eine eigene künstlerische Sprache zu entwickeln, ist eine sehr persönliche Sache. Es gibt da eine Grenze und die muss man sich von Beginn an bewusstmachen. Jeder muss einen Schritt machen, sein Territorium öffnen und die Begegnung mit dem anderen stützen. Ich meine, das Wichtigste ist es, die Grammatik des Objekttheaters zu praktizieren, um es zu einer persönlichen Sache zu machen und es in seine vorhergehenden Erfahrungen zu integrieren. Aber das passiert nicht innerhalb eines Tages.    Eine Balance zu finden zwischen Vorgaben und Freiheiten, ist nicht einfach. Das Objekttheater hat den enormen Vorteil, verschiedene Theaterstile zu mischen, und die jungen Künstler*innen erlernen und erproben die Codes unseres Objekttheaters mit Hilfe von Improvisationen. Dabei entwickelt sich ein direktes Verständnis für das, was funktioniert und was nicht.    Während der Residenzen besteht meine Arbeit zunächst darin, Fragen zu stellen über den Sinn der Objekte, ihre Beziehung zum*r Spieler*in, um dann die Intentionen des Spiels zu vertiefen. Ich gebe den jungen Künstler*innen nicht irgendeine Freiheit; sie haben sie schon seit unseren Workshops. Das Ziel der Workshops ist es, eine Autonomie sowohl in der Handschrift als auch in der Interpretation zu erwerben. Dann ist diese Freiheit schon im Probenprozess vorhanden und dort greift noch die Intuition ein. Das Wichtigste ist, dass der*die Künstler*in mit Ernsthaftigkeit arbeitet, ohne jemanden zu imitieren, und dass er*sie möglichst nah an den eigenen Vorstellungen bleibt.    Vor 40 Jahren ist das Objekttheater entstanden. Wir waren da isoliert von anderen, mit unseren Ideen waren wir das Fremde. Wir waren die hässlichen Entlein. Diese Situation hat uns herausgefordert, über unsere Kunst nachzudenken. Im Verlauf der Theaterproduktionen ist eine Sprache entstanden, sie ist aus den Reflexionen, dem Austausch, dem Laboratorium entsprungen. Von da kommt die Lust zu teilen. Heute sind wir im Besitz eines geschliffenen pädagogischen Protokolls, das dennoch ständig in Verwandlung ist. Die Workshops, die wir seit 10 Jahren anbieten, entwickeln sich und werden von der Zusammensetzung der Gruppen bereichert. Die Teilnehmer*innen bringen ganz verschiedene Horizonte mit.    Die Übertragung und Verbreitung unserer künstlerischen Techniken sind nicht nur ein Mittel, unsere künstlerische Sprache zu pflegen, sondern auch, unsere Praxis zu hinterfragen. In den Workshops sehen wir überraschend Neues mit den Objekten entstehen. In den Laboratorien dechiffrieren wir wieder und wieder das Mysterium der Objekte.    Und nun, über die Zeit und durch die Zunahme an Objekttheater-Projekten, haben wir den Status der „Alten“ erreicht. Und das steht uns gut. – www.theatredecuisine.com

im beständigen teilen transformieren sich meine werkzeuge Von Jean-Pi er r e Lar r oche Übermitteln, meine Erfahrung mit jungen Künstler*innen teilen - ich gebe zu: Ich habe mich nie wirklich gefragt, wie das geht. Es passiert einfach von ganz allein, wenn ich das so sagen darf. Wenn ich mit jungen Leuten arbeite – etwas, das mir mit zunehmendem Alter natürlich immer häufiger passiert –, dann denke ich im Hinblick auf unsere Beziehung nur an die gemeinsame Realisierung und das gemeinsame Experiment.    Um das, was ich gerade gesagt habe, zu widerlegen, könnte die Geschichte meiner Companie dagegen schon als eine Geschichte der Übertragung verstanden werden. Vor etwa 10 Jahren hat sich ein Künstler*innenkollektiv unter dem Namen n+1 konstituiert.

Théâtre de Cuisine, Conversation avec nos ancêtres. Foto: Eric Massua

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Alle waren sehr viel jünger als ich und hatten schon mehrere Jahre an meiner Seite gearbeitet. Ihre Produktionen und meine sind heute ganz verschieden, während sie sich dann doch auf viele Arten und Weisen ähneln. Ihre Projekte stellen heute den Großteil unserer künstlerischen Arbeit dar. Diese Geschichte hat sich ohne vorhergehenden Plan entwickelt, durch kleine Schritte im gemeinsamen Tun und mit gemeinsamen Mitteln.    Handelte es sich hier um eine Übertragung, eine Übermittlung? Ich glaube nicht. In Wirklichkeit frage ich mich, ob mich Übertragung als solche überhaupt interessiert (außerhalb mechanischer Übertragungen, für die ich eine besondere Vorliebe habe).    Ich bin im Moment Professor an einer Kunsthochschule in Paris und ich frage mich, ob es nicht weniger Jean-Pierre Larroche um Übertragung als vielbegründete 1988 das mehr nur darum geht, für Künstlerkollektiv Les die Entfaltung von ProAteliers du Spectacle. Mit jekten und Experimenten einem Schwerpunkt auf möglichst lebendige BeSzenographie, Objekte dingungen zu schaffen und Maschinen sind seine (diese Bedingungen sind künstlerischen Projekte Rahmensetzungen, krestilprägend für Objekt- und ative Dispositive, SpielMaterialperformances, die regeln, technische Mittel Text, Sound, kinetische und Materialien). Die heuObjekte und erzählerische tige Zeit ist nicht mehr die Mittel verbinden. der großen Meister*innen in Malerei und Musik, die ihre Kunst an ihre Schüler*innen und Studenten*innen weitergaben; die Übertragung von Techniken oder Experimenten ist heute dauerhaft, vielgestaltig und sie vermittelt sich über zahlreiche Kanäle.    Das Theater (meines ganz sicher) ist eine kollektive Angelegenheit, ein stetiger Austausch von Mitteln. Man könnte sagen, es sei der perfekte Ort des Zirkulierens. Ich teile also den Werkzeugkasten, ja!, und in diesem beständigen Teilen transformieren sich meine Werkzeuge (es sind Werkzeuge der Produktion und Herstellung, materielle Konstruktionswerkzeuge, genauso wie Text und Ausdruck); wenn ich sie nicht teile, dann rosten sie und kapseln sich ein. Es ist mehr ein „Gemeinmachen“ als eine Übergabe – bei der Übergabe gibt es eine bestimmte Richtung: vom alten Geber zum jungen Meister zum Schüler. Ich bevorzuge das „Gemeinmachen“, das in alle Richtungen geht.    Nebenbei muss noch gesagt werden, dass das „Gemeinmachen“ mehr denn je notwendig ist. Es muss mehr denn je vergemeinschaftet werden (genauso wie man Waschmaschinen und Gemüsegärten vergemeinschaftet) und das Theater in seiner kooperativen Form gedacht werden. Dies ist, in meinen Augen, die wirklich wichtige Frage. Und sie ist keineswegs neu. Die Theatergeschichte in Frankreich etwa zeugt seit den 1950er Jahren davon mit allen Arten von Interventionen, Rückstößen und neuen Formen der kollektiven Produktion.    Also, um mit der Übermittlung abzuschließen: Ich bevorzuge es, meine Mittel zu benutzen und in der gemeinsamen Arbeit auch zu verlieren, anstatt sie in der Rolle eines „guten Familienvaters“ als Kulturgut und Erbe zu übergeben.    Was ich denke, wenn ich höre: „Das erinnert an den Stil von…“? Der Stil, so sagt Gilles Deleuze, ist das, was in der Sprache eine fremde Sprache kreuzt und den Sprachgebrauch an eine Art musikalische Grenze heranträgt. Mein Theater hat viel mehr von einer Montage als von einer Sprache. Es ist eine Ansammlung von Prozessen, die, wenn sie sich wiederholen, eine Art von „Farbe“ oder „Tonalität“ erzeugen. Aber ich hüte mich vor der Reproduktion von Gewusstem, das nimmt leicht die Haltung von Tics oder Verfahrensregeln an, das wird schnell zu einem kleinen persönlichen Akademismus. Ich wünschte mir, selbst wenn es mir schmeichelte, dass man nicht sagen könnte, „das erinnert an seinen Stil“. exemple de transmission mécanique : le système bielle-manivelle. Zeichnung von Jean-Pierre Larroche

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Bisweilen sind die Alten müde sind die Jungen ungeduldig sterben die Alten kommen die Jungen zum Vorschein tauchen die Alten unter sind die Jungen schön intelligent und lebendig und dumm sind die Alten hässlich und Philosophen sind die Jungen schlau

die Alten auch haben die Alten viel Erfahrung nützliche und unnütze hinter sich wollen die Jungen den Platz der Alten einnehmen den sie ihnen nicht überlassen wollen kauen die Alten den Jungen die Ohren ab mit ihrem ranzigen Wissen machen sich die Jungen Illusionen die Alten auch was sollen wir mit all diesen Gegebenheiten machen?

www.ateliers-du-spectacle.org

dann ist meine arbeit getan Von N ev i lle Tr ant er Ich kam mit zwanzig Jahren während meiner Schauspielausbildung mit dem Puppentheater in Berührung. Mein Schauspiellehrer Robert Gist hatte Bill und Barbara Turnbell eingeladen ihr traditionelles Puppenspiel zu zeigen. Es war für mich und meine Kommiliton*innen die erste Begegnung mit Puppentheater. Die Entdeckung dieser Theaterwelt weckte in mir den Wunsch, selbst Puppenspieler zu werden. Ich ging bei den Turnbulls in die Lehre und beendete innerhalb von zwei Jahren meine Ausbildung als Schauspieler und als Puppenspieler. Erst Jahre später verstand ich, wie großartig meine Lehrer*innen gewesen waren: Sie hatten mir nicht nur ihr Wissen vermittelt, sie hatten mich auch angeregt und ermutigt, weiter die Möglichkeiten zu erforschen, als Schauspieler mit Puppen zu arbeiten. Was ich von meinen Lehrer*innen gelernt habe, setze ich immer noch in meiner Arbeit ein. Auch habe ich entdeckt, dass ich selber lehren und mein Wissen über Puppenspiel an andere weitergeben kann – und das mache ich mit großer Freude: Ich lerne selbst eine Menge dazu, wenn ich junge Schauspieler*innen und Puppenspieler*innen unterrichte.

Workshop mit Neville Tranter. Foto: Stuffed Puppet Theatre

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Seit 1978 mit seinem Stuffed Puppet

Die Weitergabe von Wissen an eine jüngere Generation ist für die Weiterentwicklung des professionellen Puppenspiels unentbehrlich. Deshalb fühle ich eine Verantwortung, das, was ich gelernt habe, zu vermitteln. Eines der wichtigsten Dinge, die ich in Worksässig, ist der australische Künstler shops weitergeben kann, ist Spieltechnik. Sie ist zwingend notwendig, um eine Puppe Neville Tranter international bekannt oder ein Objekt zu animieren. Und sie schafft Verständnis dafür, wie eine einzige Bewegeworden durch sein virtuoses gung der Puppe oder des Objektes beim Publikum eine tiefe Wirkung hinterlassen kann. Solo-Puppenspiel. In seinen Stücken In meinen Workshops nutze ich nur eine einzige Klappmaulpuppe: Zeno. Diese Puppe spielt er mit einer großen Anzahl von kann alle Charaktere spielen, die man darstellen möchte – vom Baby bis zum Diktator. Klappmaul-Figuren, und verkörpert Alle Teilnehmer*innen arbeiten ausschließlich mit dieser Puppe, machen verschiedene auch immer selbst eine der dramatiÜbungen, entwickeln dramatische Szenen. Es ist wichtig, dass die Teilnehmer*innen verschen Figuren. stehen, was vom Publikum aus gesehen funktioniert und was nicht, wie sie die Technik einsetzen können, um ihre Geschichte auf der Bühne zu erzählen. Das Spiel mit Puppen und/oder Objekten ist eine sehr physische Form des Theaters und daher technischer Natur. Ein Puppenspieler wechselt während der Aufführung ständig von der technischen zur emotionalen Ebene. Diese mentale Hin- und Her-Bewegung ist der Motor für alle rhythmischen Bewegungen der Puppe, die, kombiniert mit Momenten der Stille, die Geschichte erzählen. Ein gutes Puppenspiel findet genau die richtige Menge an Bewegung und lässt das Publikum in seiner eigenen Fantasie das Bild vervollständigen.    Wenn ich eine Regie übernehme, dann ist mir wichtig, die jungen Puppenspieler*innen darin zu unterstützen, ihre Geschichte mit Puppen oder Objekten möglichst dicht zu erzählen. Das heißt für mich, offen für die verwendete Physis und Körpersprache der Puppen oder Objekte zu sein und zu verstehen, wie sie auf das Publikum wirken.    Ob Regie oder Unterricht: Wenn junge Puppenspieler*innen ihre eigenen Performances so umsetzen können, dass das Publikum bewegt ist, bin ich zufrieden. Dann ist meine Arbeit getan. – www.stuffedpuppet.nl Theatre in den Niederlanden an-

Die puppen in anderen händen Vo n I lseb y ll Beut el-Spör i Beim 40-jährigen Jubiläum meiner Bühne kleines spectaculum im Jahr 2013 listete ich auf, dass in der vergangenen Zeit 25 Produktionen entstanden waren, daneben Szenenprogramme, theaterpädagogische Projekte, Gemeinschaftsinszenierungen, Mitarbeit an Filmen, Regieaufträge, außerdem Vorstandsarbeit in Puppenspielvereinen. Die Zeit war schnell verflogen von der Gründung 1973 bis dahin!    Für mich als Freiberuflerin gab es auch mit Beginn der Altersrente keinen Grund aufzuhören: Ich spielte noch immer gerne und ich erhielt gute Resonanz. 2014 beschloss ich dann aber doch, dass „Des Kaisers neue Kleider“ meine letzte Neuinszenierung gewesen sei. So sehr ich die Auftritte liebte, umso mehr „stresste“ mich das Drumherum: die Fahrten und Staus auf der Autobahn, die Gepäckschlepperei, Unzulänglichkeiten der Aufführungsräume und Feilscherei um Honorare. Gerne habe ich die Stücke mit Partner oder Partnerin gespielt, aber oft war ich als Solospielerin unterwegs.    Ich machte mir Gedanken, wie und wann ich aufhören will. Nachfolger*innen für die Bühne gab es nicht. Unsere Kinder hatten sich für andere Berufe entschieden; vielleicht waren wir auch ein abschreckendes Beispiel durch die Unsicherheit im freien Beruf: Vater Bühnenbildner, Mutter Puppenspielerin, beide viel unterwegs und ständig mit dem Theater befasst.    2016 schrieb ich dann an meine Auftraggeber und teilte ihnen mit, dass das kommende Jahr meine letzte Spielzeit sein werde. Ende 2017 habe ich mich dann aus dem aktiven Puppenspielerleben verabschiedet. Den Anstoß, Stücke aus unserem Repertoire zum Weiterspielen anzubieten, gab Silke Technau Ilsebyll Beutel–Spöri war von 1973 bis vom Kobalt Theater. Ob ich mir vorstellen könnte die Frau Holle-Figuren von Mechtild 2017 mit ihrem mobilen Theater kleines Nienaber nach Lübeck zu geben. Aber ja! – Was kann es Besseres geben, als dass tolle spectaculum vor allem im Stuttgarter Puppen weiter auf der Bühne agieren. Danach habe ich den Kolleg*innen vom Verband Raum aktiv. Den Schwerpunkt ihres deutscher Puppentheater sieben Produktionen mit Figuren, Bühne, Bühnenbild, TextRepertoires bildeten Stücke für Kinder: buch, Musik und Probenvideo im Gesamtpaket angeboten. Zunächst bot ich auch an, die Märchen, Kinderbuchadaptionen und Regie für die Neu-Inszenierungen zu übernehmen. Diesen Satz habe ich gestrichen, als eigene Texte. In ihren Inszenierungen mir klar wurde, dass ich selbst immer unsere Inszenierung im Kopf haben würde. Es sollte doch etwas Neues entstehen!    Und es entstand bei den verschiedenen Bühnen, zu denen unsere Inszenierungen gingen, etwas Eigenes. Anke Scholz vom Artisjok Theater spielt im Winter „Es klopft

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setzte sie vor allem Stab- und Handfi-

guren ein – immer wieder auch kombiniert mit Live-Musik.


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bei Wanja in der Nacht“. Maren Kaun hat eine kürzere Fassung vom „dicken, fetten Pfannkuchen“ erstellt. „Riesling und Zwerglinde“ hat durch das Spiel mit zwei Akteur*innen, Eleen und Markus Dorner, an Tempo gewonnen, und „Des Kaisers neue Kleider“, Theater Fithe, Heinrich Zwissler, ist durch Spiel mit zwei Personen erweitert und auf eine Vor- und Hinterbühne gesetzt worden. Ich habe mir die neuen Inszenierungen „meiner alten Stücke“ angeschaut und konnte mich an allen Aufführungen erfreuen.    Der Versuch „Die dumme Augustine“ bei Studierenden oder Berufsanfänger*innen zu etablieren klappte dann allerdings nicht. Es gab andere Erwartungen, die Handpuppe passte nicht auf die Hand oder die Spielleiste hatte nicht die Spielergröße und die Anpassung wäre bei einer Drehbühne schwierig gewesen. Dieses Stück (Ausstattung: Antje und Jürgen Hohmuth) ist nun in der Puppentheatersammlung in Dresden. Zwei unserer frühen Stücke mit vielen Marionetten (Ausstattung: Kurt Spöri) sind in Bad Kreuznach im PuK; auch Figuren von Peter Röders aus meinem ersten und zweiten Kinderstück sind dort untergebracht.    2018 kamen noch Anfragen wegen einer Vorstellung. Aber als ich den ehemaligen Kulturpartner*innen sagte, dass diese Stücke nun von anderen Bühnen gespielt werden, waren sie zufrieden. Und ich bin es auch. – www.kleines-spectaculum.de Zusammengestellt und übersetzt von Katja Spiess, Meike Wagner und Tim Sandweg oben: kleines spectaculum, Der dicke, fette Pfannkuchen. Foto: Theater unten: Maren Kaun, Vom dicken, fetten Pfannkuchen. Foto: Christian Kleiner

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Zwischen sternenflug und basisarbeit Junge Figurentheaterleiter*innen sprechen über den Generationenwechsel in Osnabrück, Meiningen und Berlin Wie ist es für eine junge Generation von Figurentheaterleiter*innen, in etablierte Institutionen zu kommen und mit dem Gegensatz von traditionellen Beharrungstendenzen und einem unbedingten Veränderungsdiktat konfrontiert zu werden? „Bitte nichts verändern!“, „Bitte alles sofort erneuern!“, so lautet nicht selten der paradoxe Auftrag für eine neue Leitung. Florian Rzepkowski (Figurentheater Osnabrück), Kora Tscherning (Meininger Staatstheater) und Caroline Gutheil (Figurentheater Grashüpfer Berlin) berichten von vorgestellten Möglichkeiten und realen Gegebenheiten.

eine grundsteinlegung Vo n Flor i an R zepkowski Ich glaube, dass der Leitungswechsel 2018 am Figurentheater Osnabrück kein Generationenwechsel war. Er war eine Grundsteinlegung. Und diese ist eine ständige Gratwanderung zwischen Wahrung des Geschaffenen nach Innen und Außen sowie dem Bedürfnis nach neuen künstlerischen Wegen und Ergebnissen.    In Osnabrück haben vor 30 Jahren verschiedene freie Figurenspielgruppen in Eigenregie einen Theaterraum erschaffen und seitdem das kulturelle Leben dieser Stadt mitgestaltet. 2018 entstand aus personeller Notwendigkeit, aber auch aus der Frage nach der Zukunftsperspektive heraus, der Wunsch nach einer Veränderung auf Leitungsebene. Ein Kraftakt, der nicht einfach war. Er erforderte gleichzeitig Reflexion und den Blick in die Ferne. Mit Beginn der Leitungsübernahme durch mich war es mir daher ein Bedürfnis, mit dem verbliebenen künstlerischen Personal in einen Dialog zu treten, inwiefern Selbstverständnis und Identität des Theaters kongruent zu meinem Anspruch an Theater und den Arbeitsplatz angelegt werden können. Das funktionierte manchmal wunderbar, manchmal aber Florian Rzepkowski wechselte 2018 auch überhaupt nicht. Und das war und vom Theater Rampe, Stuttgart, in die ist zum Teil ein harter und anstrengenLeitung des Figurentheaters Osnader Prozess für alle Beteiligten. Speziell brück. Das Figurentheater Osnabrück in Fragen der künstlerischen Ausrichtung des Hauses oder auch der Kunstform des ist eine als Verein organisierte SpielFigurentheaters war dieser nicht immer stätte für verschiedene Mitgliedsbühorganisch. Gerade hier ist der Begriff nen und Gastspiele. „Generation“ durchaus ein trennscharfer. Nicht alle wollten diesen Weg mitgehen – zum kompletten Bild gehört daher auch, dass manche das Theater verließen. Dass aber auf die Grundsteinlegung etwas folgen muss, darüber sind sich die meisten einig.    Es braucht neue, junge und professionelle Künstler*innen, die dieses Haus bespielen und Narrative weiterspinnen. Wenn unser Theater für sich selbst postuliert „Volkstheater“ zu sein, dann braucht es eine Determination dieses Begriffs für die Gegenwart. Wenn die Außenwahrnehmung des Theaters vor allem über Puppen funktioniert, dann braucht es mehr Abstraktionen dieser Mittel. Dafür ist es wichtig, dass diese neuen Künstler*innen hier vor Ort leben, agieren und die Gegebenheiten wahrnehmen.    Ein Generationenwechsel hat ferner nur in der Gesamtheit eine Chance. Einen Arbeitsplatz neu zu besetzen ist zu kurz gedacht. Es braucht weitere Personen im festen Leitungsteam, um kreative Prozesse voranzutreiben, Dialoge mit Kooperationspartner*innen Florian Rzepkowski vor dem Figurentheater Osnabrück. Foto: Olivia Petzokat

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oder dem Publikum aufrechtzuerhalten, aber auch um Reibung zu schaffen. (Und auch, dass mit mir die Belegschaft des Theaters nicht gerade als „divers“ zu bezeichnen ist, muss in Zukunft erörtert werden, um relevante gesellschaftliche Diskussionen zu führen.) Ohnehin halte ich nichts von Theatern, die von einzelnen Personen oder Ereignissen geprägt werden. Ich wünsche mir nicht, dass es ein Ende einer Ära oder einen Beginn einer neuen Zeitrechnung gibt. Ich wünsche mir ein ständiges Hinterfragen der eigenen Positionen und Ideen und daher ein Theater im Fluss. Dann stellt sich die Frage nach dem Generationenwechsel auch zukünftig nicht mehr so vehement.– www.figurentheater-osnabrueck.de

vom finden des anfangs Von Kor a Tscher ni ng Von mittelständischen Unternehmen hört man häufig, dass sie ihren Betrieb aufgeben müssen, wenn der Generationenwechsel naht. Staatliche Theaterbetriebe scheinen diesbezüglich robusterer Natur. Ob Schwangerschaft, Schlaganfall oder Renteneintritt: Der Vorhang geht hoch. Dennoch bietet der Generationenwechsel im Theater ebenso wie in anderen Betrieben die Chance zur Weiterentwicklung.    Als neue Puppentheaterdirektorin, die gerade ebenso viele Jahre zählt, wie meine Vorgängerin Leitungsjahre gefüllt hat, möchte ich diese Chance nutzen. Das Ziel steht mir klar vor Augen: Ich möchte, dass reichlich Luft für kreative Prozesse zur Verfügung ist und Raum zum Denken entsteht, um abseits von Aufgabenerfüllung den künstlerischen Blick auf die Gesellschaft zu ermöglichen. Ich verstehe es deshalb als meine Aufgabe, für die Spieler und Gäste des Puppentheaters Freiräume in den laufenden Betrieb einzupflegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die 6,5 Mitarbeiter des Puppentheaters in den Komplex des Meininger Staatstheaters mit rund 300 Mitarbeitern einfügen müssen. Es handelt sich um eine über lange Zeit gewachsene Struktur, in der jede Veränderung zum Knirschen im Räderwerk führen kann. Die Herausforderung besteht deshalb darin, sensibel zu sondieren, welche Strukturen zwingend erhalten werden müssen und an welchen Stellschrauben dennoch gedreht werden kann, um die Qualität zu steigern und Innovationen zu erlauben. Eventuell wird dieser Anspruch mit dem Produktionsalltag kollidieren. Doch an diesem Punkt kann der Trumpf des Leitungswechsels ausgespielt werden: Dass jemand mit frischer Kraft und unbeeindruckt von den „Ja, aber...“-Sätzen nach Möglichkeiten sucht und mit allen Beteiligten die Veränderungsspielräume aushandelt. Wenn dies gelingt, besteht die Chance, dass meine Erwartung an die Institution Theater, attraktives Puppentheater am Puls der Zeit zu ermöglichen, erfüllt wird.    Doch an welcher Ecke kann ich dieses Projekt des Freimachens sinnvoll beginnen? Vielleicht, indem ich und meine Puppentheater-Kollegen intern mehr Klarheit suchen. Deshalb leiten wir die Spielzeit mit Teamtagen ein, um eine Kommunikationsstruktur zu erarbeiten, die es allen Mitarbeitern ermöglicht, mitzudenken, eine Meinung zu haben und mich zu kritisieren – weil ich der Überzeugung bin, dass Entscheidungen ihr Potenzial nur dann ausschöpfen, wenn der Sachverstand aller    Kora Tscherning übernahm Betroffenen zu Rate gezo2020 die Leitung des Meininger gen wird. Zur Findung eiPuppentheaters, das 1986 als Sparnes gemeinsamen Leitbildes te des Meininger Staatstheaters wird auch ein Festivalbegegründet wurde. Sie ist Absolvensuch beitragen, von dem ich mir neben neuen Impulsen tin des Stuttgarter Figurentheaterfruchtbare Diskussionen zu Studiengangs, Mitbegründerin des Ästhetik, Spielweise etc. erFigurenKombinats und leitete die hoffe. Außerdem wird es Figurentheatersparte der Landeseinen großen Herbstputz bühnen Sachsen. geben, weil für mich vor der Veränderung das Aufgeräumtsein steht. In den Räumen lauern Plakate, alte Requisiten, Inszenierungsfotos, Akten. Natürlich sollen möglichst viele Zeugnisse der erfolgreichen Leitungsjahre meiner Vorgängerin Maria Zoppeck archiviert werden. Wir werden deshalb ein Archiv und einen Fundus anlegen, damit wir die Möglichkeit behalten, zurückzublicken, wenn uns die Zukunft schwindelig macht.    Ich bin mir sicher, dass dieser Generationenwechsel kein Abbruch ist, sondern ein Weiter, eine Möglichkeit, ein Flug zu den Sternen. Und wenn wir selbst für diese Reise entflammen, wird es uns auch gelingen, unser Publikum mitzureißen. – www.meininger-staatstheater.de Kora Tscherning. Foto: Cindy Tamme

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„das haben wir immer schon so gemacht!“ Vo n Car oli ne Gut hei l „Das haben wir schon immer so gemacht!“ Diesen Satz habe ich während meines ersten Jahres als neue Künstlerische Leiterin des Figurentheaters Grashüpfer sehr häufig gehört. Der Wunsch nach Veränderung traf auf das Bedürfnis, die alten Strukturen zu bewahren. Ursprünglich aus einer Amateurpuppenspielgruppe entstanden, entwickelte sich über drei Jahrzehnte ein Gastspielhaus für Puppen-, Figuren- und Objekttheater in Berlin. Maßgeblich für diese Entwicklung war Sigrid Schubert – Puppenspielerin, künstlerische Leiterin, Pressereferentin und Förderantragsschreiberin in Personalunion. Bis 2001 leitete sie das Theater mal als ABM-Projekt, danach als Rentnerin im Ehrenamt. Darauf angesprochen, dass sie doch gar nicht mehr arbeiten müsse, antwortete sie stets: „Der eine hat ein Boot, der andere einen Garten und ich habe das Theater.“    Mit 76 Jahren war es Zeit für eine Übergabe. Die Frage nach der Nachfolge war zuerst einmal eine finanzielle. Das Theater bekam seit 2014 Fördergelder für eine Backoffice-Stelle, für die ebenfalls notwendige Theaterleitung reichten diese Mittel aber nicht. Als 2017 das Figurentheater in die Spielstättenförderung der Kultursenatsverwaltung Berlin aufgenommen wurde, war die finanzielle Voraussetzung für einen Generationenwechsel gegeben.    Der erste Anlauf scheiterte. Zu unterschiedlich waren die Vorstellungen über die Zukunft. Die Suche begann also von vorne. Caroline Gutheil war DramaAm 16. September 2017 trat ich meine Stelle an. Die Anfangszeit hatte wenig mit Kunst und turgin und Projektleiterin an viel mit Verwaltung zu tun. Das künstlerische Programm stand bereits bis Mitte 2018. Für den Stadttheatern, u.a. in MagdeÜbergang trafen sich Sigrid Schubert und ich wöchentlich um einzelne Themen zu besprechen. burg und Konstanz sowie in Ich habe diese Zeit als sehr fordernd in Erinnerung, Motivation traf auf Überforderung. Gleich in der freien Szene, und baute meiner ersten Woche hatten Jugendliche ein nicht zu übersehendes Graffiti an die Außenwand das Landesbüro für Darsteldes Theaters gesprüht. Plötzlich war ich dafür verantwortlich. Was ist jetzt zu tun? Wie gehe ich lende Künste in Sachsen mit mit Mitarbeiter*innen um, die fast doppelt so alt sind wie ich selbst? Ich habe in dieser ersten auf. 2017 übernahm sie die Zeit gelernt, dass ich nicht alles wissen kann und muss. Meine berufliche Erfahrung als DramaLeitung des Figurentheaters turgin am Stadttheater und Projektleiterin in der freien Szene kamen mir hier zugute. Je besser Grashüpfer in Berlin. ich das Haus und seine Strukturen kannte, desto einfacher fiel es mir, mich in wichtigen Fragen zu positionieren.    Das erste eigenverantwortliche Figurentheaterfestival „Frischer Wind“ im Jahr 2018 brachte mir die Anerkennung bei Mitarbeiter*innen, Fördermittelgeber und Publikum. Künstlerisch waren Sigrid und ich uns immer einig. Konfliktreich hingegen war die völlig entgegengesetzte Auffassung von Ästhetik im Theaterraum. Sigrid, deren Einstieg in die Theaterarbeit als Figurengestalterin in der DDR begann, hatte das Theater voller Puppen gehängt. Diese „Krambude“ war nicht mein Stil. Jetzt ist die Puppenschar bei Sigrid zu Hause.    Nach drei Jahren hier am Haus kann ich sagen, die Übernahme hat geklappt. Der Generationenwechsel ist vollzogen, obwohl oder gerade weil er nicht nur eine Übernahme war. – www.theater-treptower-park.de Zusammengestellt von Katja Spiess, Meike Wagner und Tim Sandweg Caroline Gutheil und Sigrid Schubert bei der Schlüsselübergabe. Foto: Figurentheater Grashüpfer

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wenn das alter keine rolle spielt Theater Kuckucksheim und Theater Salz+Pfeffer als Mehrgenerationeninstitutionen Seit drei Jahrzehnten sind das Theater Kuckucksheim im fränkischen Heppstädt bei Erlangen und das Theater Salz+Pfeffer in Nürnberg als inhaber*innengeführte Figurentheater mit eigener Spielstätte fest in der Region verwurzelt sowie mit ihren Produktionen (inter)national unterwegs. Hier werden die Programme generationenübergreifend produziert. Ein Einblick in ihre derzeitige Arbeit.

Theater als Familienbetrieb Vo n A nnika G lo y s t ein /// Dieses Jahr feiert das Theater Kuckucksheim sein 30-jähriges Bestehen. Der geplante Festakt im Juni musste aus bekannten Gründen entfallen; Gelegenheit zum Feiern gibt es dennoch: Stefan Kügel wird im Herbst der Kulturpreis der Stadt Erlangen verliehen. Er ist die Personifizierung dieses Theaters. 20 Jahre lang war er dessen Hauptakteur und stand in der Regel solo als Puppenspieler, Schauspieler und Sänger auf der Bühne. Die gemeinsamen Kinder mit Maria Seeberger wurden in das Theaterleben hineingeboren und so wundert es nicht, dass es auch sie zum Künstlerischen zieht. Der älteste Sohn, Benjamin Seeberger, war fünf Jahre alt, als sein Vater 1990 das Theater gründete. Seit 2010 steht er mit auf der Bühne, seit 2016 auch Sohn Nando Seeberger. Ihnen ist eine hohe Affinität sich auszuprobieren in die Wiege gelegt worden, wobei Stefan Kügel wichtig ist zu betonen, dass er nie forciert hat, dass das Theater zum Familienbetrieb wird. Es hat sich glücklicherweise so ergeben und kam als Impuls der jungen Generation. Vier Produktionen sind es nun, bei denen die drei zusammenspielen, zuletzt „Glopf an die Himmelsdür – Ein fränkischer Western“. Beide Söhne haben jeweils ein Solostück für Kinder, daher gibt es nur zwei Produktionen, bei denen Stefan Kügel nicht auf der Besetzungsliste steht. „Was ist denn, wenn ich mal nicht kann“, fragt er sich und ist froh, dass mit der neuesten Produktion die Konzentration auf seine Person etwas aufgebrochen wird: Derzeit arbeiten die beiden Seebergers an ihrem ersten gemeinsamen Stück für Jugendliche und Erwachsene, ohne ihren Vater. Eigentlich für Mai geplant, feiert „GALAXiA – Eine Reise durch Raum und Zeit“ am 20. November im Z-Bau in Nürnberg Premiere. Regie führt Sophie Averkamp, der Text stammt von Helena Herb, Alumna bzw. Studentin an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Dort studiert auch Bruder Frederik Seeberger und übernimmt bei dieser Produktion die Kamera. Die Science-Fiction-Komödie, die Schauspiel und Puppenspiel mit musikalischen und filmischen Elementen verbindet, wird eine Weltraumexpedition durch unbekannte Galaxien. Damit wagt sich das Theater Kuckucksheim in Sphären außerhalb ihres bisherigen (spielerischen) Orbits hinaus. „Wir sprechen Hochdeutsch“, erklärt Benjamin schmunzelnd, da ihr Publikum sonst an fränkische Mundart gewöhnt ist. Und Stefan Kügel? Er ist stolz, dass seine Söhne etwas Eigenes auf die Beine stellen, und findet es spannend, dass auch künstlerisch neue Wege eingeschlagen werden. Dabei versichert er, dass er jederzeit mit Rat und Tat seinen Kindern zur Seite steht, aber ohne sich aufzudrängen. Die jüngere Generation muss schließlich ihre eigenen Erfahrungen machen. Theater Kuckucksheim, Glopf an die Himmelsdür – Ein fränkischer Western. Foto: Frederik Seeberger

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Auch die anderen beiden Söhne Lukas und Joshua haben bereits an Produktionen mitgewirkt. Momentan konzentrieren sie sich auf ihre ausgebildeten Berufe, eine Rückkehr auf die Bühne ist aber nicht ausgeschlossen. Larissa, die Jüngste, geht noch zur Schule. Laut ihrem Vater hat sie schon früh den Wunsch geäußert Schauspielerin zu werden. Mal sehen, ob die Familie irgendwann um einen weiblichen Part auf der Bühne bereichert wird.

„Richtig verjüngt“ Ähnlich lange wie das Theater Kuckucksheim gibt es das Theater Salz+Pfeffer. Die Gründung erfolgt 1986 durch Wally Schmidt und Paul Schmidt – damals noch als reines Tourneetheater. Gemeinsam mit Tristans Kompagnons (heute Thalias Kompagnons) wird 1997 die eigene feste Spielstätte „Theater der Puppen im KaLi“ am Plärrer bezogen. Seit 2008 leiten die Schmidts allein die Geschicke des Hauses. Schon immer arbeiten sie bewusst ohne Hausregisseur, stattdessen stets mit verschiedenen Künstler*innen auf und hinter der Bühne zusammen, natürlich auch mit der jüngeren Generation. Bei den Produktionen stehen meist die beiden auf der Bühne. Nicht nur als Duo zu arbeiten, ist eben auch eine Geldfrage.    „Seit 2015 sind wir richtig verjüngt, wir haben ein Durchschnittsalter von 35 Jahren“, stellt Wally Schmidt mit Blick auf ihr Team stolz fest. Eine Entwicklung, die die beiden sehr erfreut. Der jüngste Neuzugang ist Anfang 20 und unterstützt das Team seit der aktuellen Produktion „Jekyll+Hyde: Face me!“ technisch. Seit nun drei Jahren werden sie regelmäßig von Marie Kropf, einer der beiden Theaterpädagoginnen, spielerisch ergänzt. Es gibt allerdings nur eine Inszenierung, bei der keiner der Theaterleitenden am Spiel beteiligt ist. Momentan sind sie zu siebt am Haus, fünf von ihnen leben ausschließlich vom Theater. Dabei schätzen die Schmidts die verschiedenen Backgrounds und Einflüsse, die ihre Mitarbeiter*innen mitbringen. Nora Vogt, Künstlerisches Betriebsbüro sowie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, ist beispielsweise nach ihrem Praktikum und diversen anderen Theaterstationen wieder ans Haus zurückgekehrt.    Ein künstlerisches Testament, das wäre nichts für die beiden Leiter*innen. Ihr Ziel ist, dass immer etwas Neues entsteht. Irgendwann dann eben ohne sie. „Ich freue mich, wenn wir hier einen Boden gelegt haben, auf dem jemand anderes aufbauen kann. Aber was der dann darauf baut, das überlasse dem- oder derjenigen gern selbst", so Paul Schmidt.    Doch der Blick in so weite Zukunft tritt erstmal hinter den Beginn der neuen Spielzeit zurück. Im Oktober geht es los; der Spielplan ist für die nächsten zwei Monate gedruckt. Weitere Zusatztermine und der Dezemberplan warten in der Schublade auf einen flexiblen Einsatz. Das Theater Kuckucksheim startet im September, allerdings in der Fortuna Kulturfabrik in Höchstadt, da das eigene Haus unter den Hygienevorschriften nicht genug Platz bietet. Den Spielplan bis Februar gibt es erstmals nur online. Fest steht: Für beide Figurentheater gibt es keine Alternative zum Spielen! – www.kuckucksheim.de www.salzundpfeffer-theater.de Theater Salz+Pfeffer, Jekyll+Hyde: Face me! Foto: Karin Stöhr

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sammeln, bereitstellen, wachsen lassen Wissenstransfer über Generationen im Museum Wenn man Manfred Wegner, Leiter der Puppentheater-Sammlung im Münchner Stadtmuseum, fragt, wie es möglich sein soll, sein umfassendes puppentheaterhistorisches Wissen nach seinem Abgang 2021 weiterzugeben und zu erhalten, dann spricht er von „eine Flaschenpost deponieren“, „zur freien Verfügung stellen“ und von „eine Möglichkeit eröffnen“. Die double-Redakteurin Meike Wagner führte mit ihm ein Gespräch über seine Rollen als Wissens-Speicher, Wissens-Ermöglicher, gezielt Sammelnder und fortgeschrittener Dilettant. d o u bl e: Das Thema „Generationenwechsel“ betrifft natürlich auch die Weitergabe von Wissen. Mit dir und deiner Person verbinde ich einen Wissensschatz. Wie kann man dieses Wissen sichern und weitergeben, wenn du nicht mehr da bist? Du hast in einem früheren Gespräch das Stichwort der „Flaschenpost“ eingebracht. Mir gefällt die Idee, dass ein Wissen irgendwo strandet, jemand den Korken öffnet und sich inspirieren lässt. Aber es gibt natürlich auch die Strategie der ‚Schulbildung mit Sendungsbewusstsein’ als Gegen M a n f r ed Weg n e r (lacht) Das ist natürlich die Frage: Inwieweit mache ich eine eigene Performance, oder inwieweit diene ich dem Wissenstransfer, ohne mich selbst ins Spiel zu bringen. Vielleicht stecken Aspekte von beidem im Wissenstransfer? Einmal zurück auf den Anfang unserer Beziehung: Ich habe Mitte der 90er Jahre als junge Studentin hier ein Praktikum gemacht und irgendwann erwähnt, dass ich überlege, eine Abschlussarbeit zur Handspring Puppet Company zu schreiben. Einen Tag später lag auf meinem Tisch ein hoher Stapel von Dokumenten. Du hast bei mir sozusagen die „Flaschenpost“ deponiert. Ich hatte aber auch sofort das Gefühl: „Jetzt habe ich eine Verantwortung.“ Du hast mir ein Mandat gegeben, eine Aufgabe. Ja, aber das ist ja das, was mir zur Verfügung steht. Ich sitze auf dem Material, auf einem umrissenen, in sich doch begrenzten Material. Wenn es abgerufen wird, dann fühle ich mich aufgefordert, aus dem Pool das Mögliche herauszufiltern. Es geht darum, das, was ich von deinem Anliegen verstehe, mit meinem Wissen abzugleichen und es möglichst anzufüttern. Aber nicht, um dich zu dirigieren, sondern, um dir eine Auswahl zur Verfügung zu stellen. Ich habe ja auch gar keine Verantwortung dafür und gar kein Interesse daran, was du auswählst und in welche Richtung du es dann für dich nutzt. Damit erreichst Du eine größtmögliche Diversität. Das interessiert mich auch: Was macht jemand daraus und habe ich das Anliegen überhaupt verstanden? Was kommt dabei heraus? Ich sehe das auch als eine Bereicherung meines Horizonts, wenn jemand mit einem erheblichen Altersunterschied aufs Material schaut und Studiensammlung Puppentheater des Münchner Stadtmuseums, 2008. Foto: Münchner Stadtmuseum

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ich das damit vergleiche, wie ich darauf schaue. Man muss immer in seiner Praxis darauf achten, dass andere Fragestellungen kommen, die in der eigenen Routine oder im eigenen Umgang noch gar keine Rolle gespielt haben. So, wie du das beschreibst, gehört ja auch ein gewisses Vertrauen dazu, dass da jemand ist, dem ich zutraue, dem Material mit dem gleichen Respekt und mit der gleichen Ambition, mit Interesse und Neugierde entgegenzutreten. Was, wenn das nicht eintritt? Dann zuckt man mit den Achseln … Meistens spürt man das aber schon bei der Anfrage oder beim ersten Gespräch. Es hängt auch immer von der Intention ab: Es gibt berechtigte unterschiedliche Levels von Interesse. Auch das muss ich bedienen.    Es ist das Elend der Museen, dass bei ziemlich begrenzter Bearbeitungskapazität nicht alles von uns bearbeitet werden kann. Vieles wartet auf eine Wiedererweckung von außen. Und wenn jemand mit einer Anfrage kommt, dann ist bei mir immer gleich die Antenne da: „Hey, kann ich da was einspeisen, was passt?“ – ohne, dass ich das selbst vorzensiere oder in der ganzen Breite wahrgenommen habe, sondern nur vermute, dass es vielleicht auf die Person, auf die Anfrage passen könnte. Es gibt hervorragende, überraschende Ergebnisse, die ganz und gar nicht in meinem Horizont lagen, aber als Bereicherung durch die Beratung und durch das Gespräch herausgekommen sind.

S c h u b l a d e a u f, S c h u b l a d e z u . . . Ich erlebe immer wieder in der engen Zusammenarbeit mit älteren Kollegen aus der Wissenschaft, dass sie just am Ende ihrer Berufslaufbahn so etwas wie eine totale „Souveränität ihres Wissens“ entwickeln. Wie hast du dir deine „Wissens-Souveränität“ erarbeitet? Hast du am Anfang jede Schublade aufgezogen und dir alles angeschaut? Naja, im Museum ist man ja nicht nur Buchmensch, sondern man hat hier tausende von Objekten als Korrektiv der reinen intellektuellen Auseinandersetzung. Die möchten als Artefakte erst einmal wahrgenommen sein. Es ist mein Beitrag, dieses Wissen als primäres Angebot zu erschließen und zur Verfügung zu stellen.    Also ja, man muss im besten Falle alles einmal in die Hand nehmen und befragen: „Wo kommst du her, was willst du hier, was ist dein Beitrag und was hat sich der gedacht, der es mal angenommen hat, oder der, der es hier eingeliefert hat, oder der, der es nur am Rande aufgelesen und als puppenspielrelevant hinterlassen hat?“    Wir hatten um 2000 die Riesenchance wegen Renovierung aus diesen Räumlichkeiten ausziehen zu müssen. Das war genial, wirklich Stück für Stück in die Hand zu nehmen und zu sagen: „Bleibst du oder gehst du, kommst du mit und wenn ja, in welche Ordnung?“ Das war eine tolle Zeit, da bin ich auf viel Altbekanntes gestoßen, aber auch auf Niegesehenes, was dann zum Schluss in eine neue Ausstellung und in eine neue Ablage überführt werden konnte. Und so kann ich seitdem auch von mir nie beachtetes Material einfach mal zur Verfügung stellen, anbieten, ohne dass ich es selbst schon durchdrungen habe. Das alles ist so umfassend – Objekte, Text-, Foto-, Dokument-Archiv. Wenn ich jetzt an den Übergang denke und an deine mögliche Nachfolge, dann müssen wir uns jetzt wohl darauf einstellen, dass der*diejenige erst einmal 10 Jahre im Magazin verbringt und die Dinge in die Hand nehmen muss, bevor tatsächlich Wissen wieder zugänglich gemacht werden kann. Handbuch zum künstlerischen Puppenspiel 1900–1945 und Chronik des Münchner Marionettentheaters 1858–1933, 2020. Foto: Privat

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Ja und nein. Ich habe versucht, unter den Kollegen*innen mehr Kompetenz aufzubauen und sie auch autonom wirken zu lassen in der Erschließung der Bestände, so dass es hier zwei Mitarbeiter*innen gibt, die durch ihre Recherche eigene Schwerpunkte entwickeln und sie dann auch dokumentieren und im Computer deponieren. Dadurch wird sich eine Nachfolge nicht mehr nur mit „Deckel auf, Deckel zu“, „Schublade auf, Schublade zu“ beschäftigen müssen, sondern mit dem Durchklicken eingegebener Bestände. Das ist etwas, was mich sehr beruhigt. Wirst Du der Sammlung in Zukunft verbunden bleiben? Für Nachfragen stehe ich jederzeit zur Verfügung. Aber ich mische mich nicht mehr ein, was die Präferenzen betrifft. Ich habe genug Spuren hinterlassen, die deutlichsten in den Publikationen. Wir haben allein in den letzten Jahren zwei starke Publikationen – das Buch zum Münchner Marionettentheater und das Handbuch zum künstlerischen Puppenspiel – rausgehauen, an denen schon die Mitarbeiter*innen beteiligt waren. Dadurch kennen sie sich aus und können bestimmte Sachgebiete sofort bedienen.

Dokumentieren und bewahren – der Sammlung ein Profil geben Der Generationenwechsel findet ja auch noch an einer ganz anderen Ecke im Museum statt: In dem Moment, wenn die Puppenspieler*innen an den Generationenwechsel denken und euch kontaktieren, oder umgekehrt, wenn abzusehen ist, dass eine Ära zu Ende geht. Es hat insgesamt sehr nachgelassen, dass aktiv jemand kommt und sagt, dass es jemandem wichtig wäre, hier in der Sammlung mit dem Lebenswerk präsent zu sein.    Ich habe nicht immer die besten Erfahrungen gemacht mit denen, die sich selbst gemeldet haben. Ich bin eher den Weg gegangen, gezielt Fundi einzuwerben – entweder durch Ankäufe oder durch Schenkungen –, aus dem Kalkül heraus, dass ich mich nach Schwerpunkten, nach Sammelgebieten, die hier stark sind oder unberechtigterweise unterrepräsentiert, richten muss. Um der Sammlung ein Profil zu geben, habe ich auf manches Gute verzichtet. Und ich nehme davon trotzdem Kenntnis durch Kataloge anderer Sammlungen oder Publikationen, ohne dass ich es selber hier aufbewahren muss. Die Räumlichkeiten sind begrenzt. Als Sammlungsleiter bewegst du dich immer auch ein Stück weit in der Zukunft. Ich stelle mir vor, dass du, wenn du ein Objekt angeboten bekommst oder einfach nur in einem Stück siehst, sofort überlegst, was dieses Objekt für eine mögliche „historische“ Zukunft bedeutet. Ja. Aber ich glaube, ich habe nie sofort zugegriffen, sondern gedacht, das kann noch eine Weile reifen. Aber du hast es dann im Blick behalten … Ja und es ist sehr beglückend, wenn man schon in seiner eigenen Gegenwart auf etwas stößt, wo man denkt, ja verdammt, das ist was. Und es wird immer besser – ob eine bestimmte Produktion oder eine bestimmte ästhetische Richtung – und die behält man im Auge.    Aber es gibt auch genau das Gegenteil: Dass man sehr viel später erst zuschlägt, dass es schon bei den Vorgängern die klare Meinung gab, das gehört hier her. Und diese Klarheit ist auch nach 50 Jahren in keiner Weise gewichen. Umso lieber nimmt man es dann beim Schopf und geht aktiv drauf zu und sagt: „Hey, du gehörst hierher.“ Ausstellung „Konzentrationskapelle der ungläubigen Puppenspieler mit Wartezimmer für Nimmerleinstag“. Das Bread & Puppet Theater zu Gast in München, 2011. Foto: Münchner Stadtmuseum

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Das hört sich an, als hättest Du konkrete Beispiele vor Augen. Ja, zwei Neuerwerbungen, die ich hinterlasse, weil ich im richtigen Moment auf die Personen zugegangen bin. Einmal der Bestand der Klappe. Mechanisches Theater Göttingen und andererseits die Bread and Puppet-Erwerbung. Die fußte auf einer Zusammenarbeit im Rahmen einer Ausstellung, die ich von Peter Schumann wollte. Für die Bread and Puppet-Ausstellung hat er genaue Bedingungen gestellt, die ich alle erfüllen konnte. Und das war die Vorbereitung für den Ankauf. Der hat deshalb geklappt, weil wir da schon im Gespräch waren. Anders wäre das gar nicht gelaufen    Bei der Klappe war es ein jahrelanges behutsames Aufbauen einer Option, die sich irgendwann eingelöst hat – mit dem sicheren Wissen von beiden Seiten, dass dieses Material hier hochgeschätzt und bestens gerahmt ist von anderen Beständen, die genau dieses Zeitfenster mitumschließen.    Das sind Glücksmomente, wo man mit den Personen ein unglaublich gutes Level findet und gleichzeitig die Sammlungsbestände garantieren, dass diverse, in deren Zeitraum entstandene Vorgänge hier wieder zusammenfinden. Aber hier laufen oft auch Dinge ein, wo man selbst nicht weiß, ob und warum man die aufnimmt oder aufnehmen soll.

Die Exponate der Zukunft selbst produzieren Wo man auch ein bisschen aus einer Intuition heraus handeln muss. Ja. Aber selbst da, wo man den Ball bewusst über die rote Linie getragen hat, ist man hinterher doch nicht ganz sicher und hofft, dass es vielleicht innerhalb der Sammlungsstrategie einen Anstoß gibt, nicht nur nach der Puppe zu schauen, sondern nach der Idee dahinter, die dieser Sammlung vielleicht auch neue Horizonte eröffnet. Bis hin zu der Frage: Müssen wir die Exponate der Zukunft selber produzieren in Zusammenarbeit mit den Künstlern*innen. Du meinst euer spezifisches Ausstellungskonzept, bei dem Künstler*innen als „Curator in Residence“ ihre eigene Ausstellung mit neuen Objekten erschaffen? Ja. Wir müssen zukünftige Exponate auch selber produzieren, um aus dem Kreislauf des „Es war einmal“ – „Hier bin ich“ – „Und jetzt pflegt mich mal“ zu entkommen. Damit haben wir nicht die schlechtesten Erfahrungen gemacht. Hast Du Dir schon Gedanken gemacht, welche neuen, anderen Kommunikationswege es für Dich persönlich möglich machen könnten, dein individuelles Wissen weiter zu teilen? Ich bin bekennender Dilettant im fortgeschrittenen Stadium. Und als solcher vergnüge ich mich nicht nur hier, sondern auch privat mit Themen, die ich nach meinem Bedürfnis zu Feldern sortiere, auf denen ich weiterarbeite. Aber das hat zum Teil gar nichts mehr mit Puppenspiel zu tun. Ich versuche, das im Dialog mit anderen Leuten weiter zu entwickeln. Gute Gespräche sind hier Zufallstreffer und vielleicht auch die einzige Möglichkeit, mich selbst in der Gegenwart zu orientieren, indem ich noch Fragen habe und Spaß daran, mich auch von außen weiter anregen zu lassen. Nach all den Jahren habe ich damit immer gute Erfahrungen gemacht. Ich war nie nur der Gebende, ich war auch immer der Nehmende. Und ich glaube, das hört nicht auf. – www.muenchner-stadtmuseum.de/sammlungen/puppentheater-/-schaustellerei Ausstellung „Halt!“, Die Klappe. Mechanisches Theater Göttingen, 2010. Foto: Münchner Stadtmuseum

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die erschütterung des normalen Ein Gespräch über freie Figurentheaterkunst in Zeiten von Corona Seit dem Lockdown haben sich die Arbeitsbedingungen von freien Puppenspieler*innen stark verändert. Einerseits wirtschaftlich durch den Ausfall von Vorstellungen und das Auflegen von verschiedensten Hilfsprogrammen, andererseits ästhetisch durch die Suche nach Formen und Formaten, die auf die Krise reagieren. Die double-Redakteur*innen Katja Spiess und Tim Sandweg sprachen mit den Figurentheaterschaffenden Ute Kahmann (Berlin), Anne-Kathrin Klatt (Baden-Württemberg) und Stephan Wunsch (NRW) über die Rolle des Figurentheaters, den Wert von Stipendien und lebensrelevante Kultur. d o u bl e: Wir haben den Eindruck, dass die aktuelle Situation die Betriebsstruktur der freien Puppentheater, die vornehmlich als Einzelunternehmer*innen organisiert sind und meistens mit einer Mischkalkulation aus Fördermitteln und Vorstellungseinnahmen arbeiten, auf besondere Weise trifft. S t ep ha n Wun sc h : Ich glaube, dass die Situation sehr spezifisch ist: Wie werden meine Produktionen gefördert? Das kann von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich sein. Wie stark finanziere ich mich aus Aufführungen? Wer sind meine Auftraggeber*innen? Sind das öffentliche Auftraggeber*innen, die mir ein Ausfallhonorar zahlen? U t e K a hma n n : Drei Viertel meiner Einnahmen generiere ich aus Vorstellungen, ein Viertel aus kommunalenoder Bundesmittelförderungen. Ich wollte ein ruhiges Jahr machen, ohne Produktion, nur spielen. Dann hagelte es Absagen. Schließlich meldete sich das Figurentheater Lübeck: „Wir können dir keine Ausfallgage zahlen, aber du kannst produzieren.“ Ich habe einen Stadtspaziergang entwickelt, ich erzähle an ausgewählten Orten Märchen und Sagen. Wir als Solist*innen können allein mit unseren Figuren losgehen – das ist ein großes Plus. A n n e - Ka t hri n K la t t : Wir haben das Programm „Kultur Sommer 2020“ gefunden und ein Format entwickelt: das „Innenhofspektakel Tübingen“. Mit elf freien Künstler*innen spielen wir in Innenhöfen für Leute, die da wohnen und von ihren Terrassen oder Balkonen zuschauen. Wir haben Zielgruppen erreicht, die ich seit den 30 Jahren meiner Tätigkeit nicht im Theater gesehen und auch nicht ins Theater bekommen habe. Wir waren in bürgerlichen Innenhöfen, aber auch vor der Kinderklinik. Gestern hatte ich zwei Aufführungen in einer Unterkunft für geflüchtete Frauen, die Gewalt erlebt haben. Das sind Erfahrungen, die mich in meiner künstlerischen Positionierung sehr bereichert haben. Ich finde es spannend darüber nachdenken: Wie können wir mit dem Metier Figurentheater in die Zukunft gehen? Wie wollen wir uns positionieren? Was war gesellschaftlich schon immer schwierig, was kommt jetzt raus, dass es schwierig war? UK: Die Erfahrung, die du in Tübingen gemacht hast, habe ich auch in Lübeck gemacht: Dieses direkte Spiel, das gemeinsame Tanzen oder Singen – das berührt unser Publikum. Ich glaube, es gibt eine große Sehnsucht nach einer gemeinsamen Reflexion – gerade in der jetzigen Zeit. AK: Ja, ich war auch sehr überrascht, wie stark das Publikum reagiert. Ich habe gemerkt, dass auch für andere Kultur lebensrelevant ist. Mich hat das sehr motiviert, mir viel mehr Gedanken über das Publikum, über Menschen, die wir nicht erreichen, zu machen. 1. Tübinger Innenhof Spektakel/Anne-Kathrin Klatt & Andreas Laufer: Maybe This Time. Foto: Ellen Kilger

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Das hört sich danach an, dass diese besondere Situation der geschlossenen Theater, die Unterbrechung dessen, was man sonst macht, neue Gedanken freigesetzt hat. Provokant gefragt: Brauchte es die Pandemie, damit wir uns wieder für unser Publikum interessieren? SW: Ich würde schon sagen, dass die Erschütterung des Normalen dazu führt, dass man das Normale wieder in seiner Bedeutung sieht. Gestern habe ich zwei Aufführungen gespielt. Für die Veranstalter*innen war das die erste Veranstaltung seit einem halben Jahr, die waren richtig bewegt, haben ihr Publikum mit Nachdruck begrüßt, haben sich hinterher bei mir bedankt. Das hätte es so vorher nicht gegeben. Ich glaube, wir haben uns so sehr an die Verfügbarkeit gewöhnt, dass so eine Erschütterung dazu beiträgt, diesen „normalen“ Zustand wieder wertzuschätzen. AK: Ich habe das Publikum in den letzten Jahren oft als Kund*innen erlebt, als Leute, die Theater auch noch mitnehmen als Teil ihrer Freizeitgestaltung. Die Lücke, die sich durch den Lockdown ergeben hat, war aber viel größer: Man merkt, dass Theater ein Kern unserer Existenz ist. UK: Ich bin manchmal am Überlegen, welche Aufgaben wir als darstellende Künstler*innen jetzt haben. Sind wir verpflichtet, in unseren Theaterstücken eine Orientierung zu geben? Wie wichtig ist ein Perspektivwechsel? Sollten wir wertebasiert inszenieren? Oder ist es ausreichend, einfach mal ein verspinnertes Stück zu produzieren? AK: Ich versuche mich immer darauf zu besinnen, dass die Kunst die Kunst bleibt. Die Versäumnisse unserer Gesellschaft aufzuarbeiten als Künstler*in – das sehe ich nicht so. SW: Ich meine auch, dass wir unsere Aufgabe nicht darin sehen müssen, aktuelle Probleme in unseren Stücken explizit zu thematisieren. Es geht eher darum, dadurch, was man tut und wie man es tut, ein Gegenmodell aufrecht zu erhalten. Das knüpft vielleicht an die Frage nach Produktionsbedingungen an: Die Stipendien, die es gerade gibt, das ist eine gute Sache, weil sie nicht ergebnisorientiert sind. Man bekommt Geld auf den Tisch gelegt und gesagt: Jetzt mach mal was. Ich kann forschen, lesen, zeichnen, skizzieren – daraus kann eine Performance werden, aber auch eine Ausstellung, vielleicht etwas Gedrucktes, vielleicht etwas auf Youtube. Ich kann mich jetzt mehr mit dem Sammeln beschäftigen. Wenn das Schule machen würde, wäre mir das sehr recht. AK: Ich glaube, Stipendien sind gerade in dieser Zeit wichtig. Es besteht ja die Gefahr, dass jetzt unglaublich viel produziert wird. Alle ziehen sich in ihre Probenräume zurück und produzieren Stücke für eine Zeit „nach“ Corona. Ich möchte das mal in Frage stellen: Gibt es die überhaupt? Ist das überhaupt der richtige Gedanke: vor und nach Corona? Das ist ein Wandel. Stipendien bringen die Möglichkeit, herauszufinden, wie man sich künstlerisch verändern kann: Welche Formate wollen wir entwickeln? Wie kommen wir an das Publikum heran, wenn man die Blackbox nicht mehr hat? Figurentheater Ute Kahmann: Mit der kleinen Maus durch Lübeck. Foto: Guido Kollmeier

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Einerseits ist es bemerkenswert, wie flexibel die freiberuflichen Theaterschaffenden mit der Situation umgehen, andererseits besteht die Gefahr, dass gerade Figurentheater zur perfekten Krisenkunst wird: Das sind die, die draußen auf dem Hof spielen. Wie kriegt man es hin, diese neuen Räume zu erschließen, gleichzeitig aber die Professionalisierung des Figurentheaters nicht aufs Spiel zu setzen? SW: Ja, diesen Sommer gab es überall den Willen zu improvisieren – wenn man nichts sieht, wenn das Licht nicht gut ist, das ist jetzt egal, Hauptsache, es findet statt. Aber das kann natürlich auf Dauer kein Konzept sein. Ich glaube, die Flexibilität der Figurentheatermacher*innen muss in der Formatoffenheit liegen. Wir haben so viele Werkzeuge an der Hand, dass wir – auch professionell und eben nicht nur improvisiert – für verschiedene Situationen produzieren können. UK: Es ist aber auch die Frage, welches Format für eine*n Künstler*in, für ein Publikum sinnvoll ist, wie man Konzentration herstellen kann. Das erscheint mir immer noch in einem geschützten Raum am besten zu funktionieren – der muss natürlich nicht unbedingt ein Dach haben. Ich bin jedoch nicht gewillt, ständig neue Open Air-Formate zu entwickeln, nur damit die Kunst irgendwie läuft. Was wären neben einer Verstetigung der Stipendien Fördermöglichkeiten, die auf Langfristigkeit angelegt sind und auch einer Krisensituation, wie wir sie derzeit haben, standhalten würden? SW: Ich habe die Stipendien als ungewohnten Vertrauensvorschuss empfunden. Sonst muss man alles dreimal begründen und jede Briefmarke abrechnen; erst dann bekommt man vielleicht einen kleinen Zuschuss. Hier ist es umgekehrt: Man bekommt das Vertrauen, dass man das Geld schon richtig nutzen wird. Diese Umkehr der Beweislast bei öffentlicher Förderung habe ich als sehr wohltuend empfunden und es würde mich freuen, wenn etwas von diesem Denken bestehen bliebe. AK: Ich bin für eine Grundsicherung für professionelle freie Künstler*innen. UK: Ja klar, wäre ich sofort dabei. SW: Was die Grundsicherung angeht, finde ich, dass wir keine gesellschaftliche Sonderrolle haben sollten. Das hat mich teilweise schon bei der Debatte im März und April gestört: Es geht um Solo-Selbstständigkeit. Ob man mit einem Würstchenwagen selbständig ist oder als Künstler*in, ist an dieser Stelle eigentlich egal. Deswegen würde ich die Frage nach der Grundsicherung auf gesamtgesellschaftlicher Ebene diskutieren wollen. AK: Ich würde gerne euch noch gerne fragen, was eure Wünsche oder Perspektiven sind. UK: Ich wünsche mir einen großen Probenraum, den es in Berlin kaum gibt, damit man auch mit einem größeren Team den Sicherheitsabstand einhalten kann. Einfach, um Dinge in einem großen geschützten Raum ausprobieren zu können. Und ich plane mit einer Kollegin ein Projekt, bei dem wir Kolleg*innen nach ihren künstlerischen Zugriffen fragen werden mit dem Ziel, unsere Kunstform im theaterwissenschaftlichen Kontext zu etablieren. Es werden in Umfragen meistens Zahlen abgefragt, aber nicht, wie wir uns Themen greifen, Zugänge finden, mit dem Publikum interagieren. Und vielleicht dürfen wir ja auch mal spielen – für mehr als 30 Leute. www.figurentheater-ute-kahmann.de - www.figurentheater-klatt.de - www.rosenfisch.de Stephan Wunsch beim Skizzieren. Foto: Vera Wunsch

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„doomed by hope“ Künstler*innen-Statements von vier Kontinenten Als wir uns mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die künstlerische Praxis und Lebenswirklichkeit von Künstler*innen beschäftigten, hatten wir zunächst die deutsche Realität im Blick. Schnell merkten wir aber, dass uns dieser Blick angesichts einer Bedrohung globalen Ausmaßes zu eng ist. Wir baten Künstler*innen aus verschiedenen Ländern und Kontinenten, zu denen wir engere berufliche Kontakte haben, um eine kurze Beschreibung der Situation in ihrem Heimatland, wohl wissend, dass dies kein repräsentatives und schon gar kein vollständiges Bild ergeben würde. Wir danken allen Kolleg*innen, die unserer Anfrage nachgekommen sind und Einblicke in ihre Arbeits- und Lebensrealität ermöglichen.

ISRAEL Ya e l R a s o o ly, Figurenspielerin und Sängerin Wie die globale Pandemie meine Arbeit und mein Leben beeinflusst hat? Nun, in jeder nur erdenkbaren Hinsicht. Mehr als ein Jahrzehnt haben sich mein Leben und meine künstlerische Karriere um internationale Gastspiele und kreative Zusammenarbeit mit Künstler*innen aus der ganzen Welt gedreht – ein Leben in ständiger Bewegung und im Austausch. All das ist zum Stillstand gekommen. Als Covid in Europa ankam, war ich gerade auf Tournee in Norditalien und wir mussten wortwörtlich fliehen und nach Tel Aviv zurückkehren – unerwartet nach vielen Jahren. Sechs Monate sind nun vergangen und wie so viele von uns ringe ich darum, Wege zu finden, um aktiv zu bleiben, während ich dabei zusehe, wie jahrelange Planungen, Tourneen, Residenzen, Workshops und Premieren still verschwinden. Bereits in Vor-Covid-Zeiten war die Unterstützung für die Künste in Israel nicht vergleichbar mit dem, was man beispielsweise in Deutschland kennt. Der gegenwärtige Status jedoch treibt dies ins Extreme.    Künstler*innen, Techniker*innen und alle, die im Bereich der Bühnenkünste arbeiten, wurden sofort als „nicht systemrelevant“ klassifiziert. Sie waren die ersten, die ihre Arbeit verloren, und während die meisten Lebensbereiche wieder hochgefahren wurden, blieben die Theater leer, in unbezahltem Urlaub, vernachlässigt und im Ungewissen. Während ich diese Worte schreibe, ist Israel dabei, in einen zweiten Lockdown zu gehen, und es gibt gute Gründe zu befürchten, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Worte veröffentlicht werden, die Situation noch schlimmer geworden sein wird. Alarmierender als der Virus ist die politische Situation hier, die Politiken von Korruption, Hass und Spaltung, Lügen und Gewalt. Wir sind gerade in der 14. Woche der Demonstrationen: Zehntausende, die nach einem Wandel, Gerechtigkeit und – ein seltenes Gut in diesen Tagen – nach Hoffnung verlangen.    Jemand hat mich in den letzten Tagen halb im Scherz gefragt: „Und, bedauerst Du JETZT, nicht Medizin studiert zu haben?“ Meine Antwort ist: Nein! Die Entscheidung für ein Leben im Kunstbereich mit all seinen Herausforderungen war die beste und gerade bezweifle ich sogar, dass es überhaupt eine Entscheidung war. Speziell in diesen Zeiten stelle ich fest, wie meine Hochachtung und Bewunderung für unseren Beruf wachsen. Mit dem Überleben zu kämpfen ist nichts Neues, genauso wenig wie das Unmögliche zu tun. Es ist das, was Kunst uns immer abfordert – uns neu zu erfinden. –

argentinien J a v ie r Sw e d z k y, Puppenspieler und Objekttheaterkünstler Unsere wirtschaftliche Lage ist sehr schwierig. Vorstellungen, Premieren, Tourneen und Festivals wurden abgesagt. Wir Theaterschaffenden arbeiten selbständig, Zuschüsse und staatliche Stipendien ersetzen niemals ein volles Monatsgehalt. Als Dozent leite ich das Fachgebiet Figurentheater im Rahmen eines Diplomstudiengangs an einer staatlichen Universität. Unser gesamtes akademisches Angebot wurde auf digitale Lehre umgestellt, um so allen Studierenden die Teilnahme zu ermöglichen. Viele von ihnen nehmen mit dem Mobiltelefon teil und haben keine stabile Internetverbindung. Wir orientieren unsere Arbeit am Möglichen und nutzen das Potenzial von Puppen, Objekten und Bildern. Auch im Aufbaustudiengang Objekttheater, in dem ich unterrichte, haben wir die Inhalte an die Lage angepasst. Als Kunstschaffender bin ich mit Künstler*innen verbunden, die in der Interaktivität im Netz ihren Ausdruck finden, die neue Kommunikationsformen entwickeln und die erproben, wie Puppen und Objekte hier ihre Orte finden können.

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indonesien M a r ia T r i Sulis t y a n i, Mitbegründerin und Co-Leiterin des Papermoon Puppet Theatre Wir haben mit unserem Team diskutiert, was wir als Künstler*innen in dieser Krise tun können um zu helfen, und beschlossen, dass positive Energie der beste Weg ist, um das Immunsystem des Publikums zu stärken. Zunächst haben wir eine Reihe von Gesprächen mit 18 Puppenspieler*innen aus 13 Ländern live auf unserem Instagram-Account geführt. Danach haben wir beschlossen, mit Online-Arbeiten zu experimentieren und entwickelten „STORY TAILOR: In Your Pocket“. Die Zuschauer*innen gaben uns Themenvorschläge. Wir haben drei Themen verbunden und dem Publikum per Whatsapp performative Aufnahmen geschickt. Auch haben wir ein digitales Labor eingerichtet und die Ergebnisse live gestreamt – wir haben gemerkt, dass viele Künstler*innen einen Weg suchen, um ihre Kreativität wieder live ausleben zu können. Eine Plattform ist eine Möglichkeit, dies zu unterstützen. Schließlich haben wir eine neue Produktion entwickelt – „A Bucket of Beetles“. Hier arbeiteten wir mit Patjarmerah zusammen, einer virtuellen Plattform für Alphabetisierung. Wir erreichten auf diesem Weg ein breites Publikum, das sich das Stück von Zuhause aus ansah. – www.papermoonpuppet.com Papermoon Puppet Theatre, In this Time. Screenshot: Theater

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libanon M a r ie lis e A a d , Schauspielerin, Puppenspielerin, Klinikclown, Djembe-Spielerin und Geschäftsführerin des vom Collectif Kahraba geleiteten Hammana Artist House Korruption. Revolution. Finanzkrise. Corona. Finanzkrise. Corona. Bombardierung. Explosion in Beirut. Corona. Finanzkrise. Corona. Was für eine herrliche Chronik.    Dennoch: „Wir sind zur Hoffnung verdammt“ („Doomed by hope“), wie es der syrische Dramatiker Saadallah Wannous so treffend formuliert hat.    Wenn man 36 Jahre lang ein Land wie den Libanon überlebt hat, erscheint Corona wie ein kleines Detail. Und doch ist es ein erneuter Vorwand, kreativ zu sein, ein erneuter Vorwand, in einem zersplitterten Land Wege zu finden sich zu treffen, einen anderen Plan B, C, D & E zu entwerfen.    Aber lange habe ich mich nicht mehr so nutzlos gefühlt wie im Moment. Was ist ein Kunstwerk, das sich nicht entfalten darf? Was ist ein*e Künstler*in, der*die imaginative Welten nicht teilen kann?    Glücklicherweise bin ich nicht allein. Wenn man in einem und für ein Kollektiv arbeitet, wird man ständig daran erinnert, dass in Zeiten, die Wandel brauchen, es an uns liegt, diesen einzuleiten und in die Richtung zu lenken, aus der lebenswerte Gesellschaften entstehen.    Nach einer ersten Zeit des Schocks war eine Pause vonnöten. Die Zeit des Lockdowns war alles andere als unproduktiv. Wir nahmen die Chance wahr, uns mit verschiedenen Partner*innen, Mitarbeiter*innen und Expert*innen auszutauschen, um Wege zu finden, kreativ zu sein, neu zu erfinden und das Engagement vieler zu stärken. Um gemeinsam verantwortungsvolle Standards zu entwickeln, aus denen sich die Kultur unseres Landes speist. – www. hah-lb.org

grossbritannien M a r k Do w n , Puppenspieler und Künstlerischer Leiter des Blind Summit Theatre Es ist eine verwirrende Erfahrung. „Die Nachtigall“, unsere erste „kubistische Puppentheater-Produktion“, die auf der Hauptbühne des Royal Opera House und im Cardiff Millennium Centre hätte stattfinden sollen, mussten wir absagen. Das war sehr enttäuschend, da es unserer Arbeit einen wichtigen Schub gegeben hätte, an Spielorten dieser Größenordnung gesehen zu werden. Auf der anderen Seite können wir „Madame Butterfly“ in der Wiener Staatsoper wiederaufnehmen – ganz ohne „Social Distancing“, dafür mit regelmäßiger Testung.    Mit Blick in die Zukunft bin ich sehr zwiegespalten. Ich spüre, dass das Theater gerettet werden muss, und doch komme ich nicht umhin festzustellen, dass ich vom Zustand des Theaters vor dem Lockdown ziemlich entmutigt war. Die Bedrohung durch Covid-19 betrifft natürlich das 3-Personen-Puppenspiel, auf dem die Arbeit von Blind Summit basiert, vor allem aber ist sie eine der dramatischsten, globalsten Ereignisse meines Lebens und erfordert ein neues künstlerisches Ziel. Die Herausforderung wird sein, zu entscheiden, worin dies besteht und wie man sich ihm nähern kann. – www.blindsummit.com

südafrika A n d r ic o G o o s e n , Puppenspieler, Schauspieler, Regisseur, Autor und Produzent Zwar hat sich meine Art zu arbeiten während der Pandemie geändert, aber meine Inhalte sind nicht sehr verschieden von denen, die ich vor der Pandemie behandelt habe. Ich denke nicht, dass es schon der richtige Zeitpunkt ist, um die Pandemie in unserer Arbeit zu thematisieren. Unsere Aufgabe als Geschichtenerzähler*innen besteht darin, eine Art Eskapismus zu schaffen, und gerade jetzt müssen wir diesem immensen Trauma entfliehen, das die Pandemie verursacht hat.    Im Moment werden Probleme wie geschlechterbasierte Gewalt, Armut, Rassismus, Korruption und Ungleichheit in meinem Land durch die Pandemie noch verschärft. Ich erzähle über Menschen am Rande der Gesellschaft: Geschichten von vergessenen, übersehenen Menschen.    Kürzlich habe ich zu meinem Partner gesagt, dass wir die „nostalgische Generation“ sind. Diejenigen, die Geschichten entwickeln, in denen sich die Charaktere in einer zeitlosen Ära befinden. Es ist so, als wären wir noch nicht bereit, uns der bevorstehenden technischen Revolution zu stellen, weil wir in unserer Vergangenheit noch so viel zu bewältigen haben. Zusammengestellt und übersetzt von Katja Spiess und Tim Sandweg. Übersetzung Statement Javier Swedzky: keiki communication, Berlin

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gemischte realitäten Über neue Formen der Ko-Präsenz von Theater und Digitalität Online proben, online spielen, online gucken - dies waren die Beschäftigungen vieler Theatermacher*innen während der Zeit des Lockdowns. Die Welt schien auf die Größe eines Fensters geschrumpft. Das archaische Schau- und Betrachtungsgerät Guckkasten wirkte im Vergleich dazu lebendiger, vielfältiger, ja menschengemäßer. Vo n Tom Mu st r o p h /// Der Rückzug in die eigenen vier Wände führte immerhin zu einem globalen Digitalisierungsschub. Wurde im Februar 2020 die Videokonferenz-App Zoom noch 2,35 Millionen Mal allein vom App Store heruntergeladen, so wurde sie im europäischen Lockdownmonat März 20,3 Millionen und im April 35,95 Millionen Mal (Quelle: Statista.com) auf individuellen Endgeräten installiert. Insgesamt stieg die Nutzungsdauer digitaler Kommunikationsmedien in Deutschland im März und April um etwa ein Drittel an, vor allem bezogen auf Messagingdienste wie WhatsApp und Facebook, Video- und Audiostreaming sowie Gaming. Überdurchschnittlich erhöht war die Nutzung bei den 16-23-Jährigen (etwa 60%); die zuvor schon digital sehr aktiven „digital natives" legten also noch einmal kräftig zu. Das erlaubt dann auch die Schlussfolgerung: Wollen die tradierten Künste die nachwachsenden Generationen nicht als potenzielles Publikum verlieren, muss ihnen der Transformationsprozess in digital erweiterte Spielwelten gelingen.

Roboter und Künstliche Intelligenzen Dem Puppen-, Figuren- und Objekttheater kann dabei sogar eine Vorreiterrolle erwachsen. Das Animieren von unbelebten Objekten, das Seele-Einhauchen in Dinge, das Personalisieren und Individualisieren von Materialen stellt bereits sein Hauptgeschäft dar. Die Parallele von Puppe und Roboter liegt dabei auf der Hand. In „Robot Dreams" der Stuttgarter Gruppe Meinhardt & Krauss trafen 2019 bereits drei Tänzer*innen auf den Roboterkopf ToMoMi und interagierten mit ihm. Im Folgeprojekt „Eliza - uncanny love" nahm ToMoMi nicht nur eine neue Identität an, wurde als Eliza also zum mehrfach besetzten artifiziellen Spielerkollegen, sondern erhielt auch - in Form einer Cyborg-Hybride mit dem Tänzer Ludger Lamers - Körper und Gliedmaßen.

Meinhardt & Krauss, ELIZA uncanny love. Foto: Michael Krauss

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REFLEXION

Im Zusammenspiel von Mensch und Roboter lassen sich die „alten" Fragestellungen des Figurentheaters - Wer bewegt hier wen? Wer ist Animator*in? Wer triggert Handlungen? - neu stellen und auch die Machtverhältnisse zwischen Mensch und Maschine ausloten.    Neuartige Möglichkeiten können dabei durch den Einbau von Sensortechnik entstehen. Roboter und Künstliche Intelligenzen könnten über Lichtsensoren, akustische Sensoren, Messungen von Luftdruck oder Blutdruck, chemische Analysen, Ausschläge von Geigerzählern oder durch direkte Aufnahme elektrischer Impulse selbständig agieren und so in neue Interaktionsmodi mit artifiziellen und „natürlichen“ Mitspieler*innen sowie mit dem Publikum geraten.

G e t e i lt e Z e i t u n d n e u e F o r m e n der Leiblichkeit Digitale Technologien erlauben aber auch eine komplette Veränderung des Raumes. Eine Strategie dabei besteht im Nutzen von VR-Technologien. Die Berliner Gruppe CyberRäuber lud während des Lockdowns in selbst gestaltete VR-Räume auf der Plattform VRChat ein. Dort konnte man nicht nur einem Tänzeravatar zusehen, der die per Motion Track-Verfahren aufgezeichneten Bewegungen des Bühnentänzers Ronni Maciel als Vokabular aufnahm, erweiterte und multiplizierte. Man war auch selbst mit einem eigenen Avatar in der Welt zugegen. Man konnte Räume abschreiten, Blickrichtungen ändern, mit entsprechenden Tools sogar fliegen oder die Performance aufzeichnen und dies als Stream einfließen lassen.    Der überraschendste Reiz bei diesem „CyberBallet" lag dann aber gar nicht so sehr in der sich abzeichnenden Fülle der Möglichkeiten, sondern in der Praxis des kollektiven Versammelns, in einer neuen Form von Ko-Präsenz. Denn die anderen Besucher*innen waren ebenfalls als Avatare anwesend, in selbstgewählter digitaler Körperlichkeit, aber mit ihren leiblichen Stimmen. Hier lässt sich eine Verschiebung von Gemeinsamkeiten konstatieren. Statt des Raumes, der lediglich digital konstruiert ist und in den man sich von verschiedenen physischen Orten aus einloggt, wird die Zeit geteilt. Man ist zur gleichen Zeit präsent und tauscht sich über das aus je unterschiedlichen Perspektiven Erlebte in Echtzeit aus. Die Eigenbewegung als Avatar kreiert dabei neue Formen von Leiblichkeit, wenn der eigene Avatar etwa mit einem anderen „kollidiert" oder beide sich auch nur nähern oder die Gliedmaßen sich berühren.    Das Phänomen der geteilten Zeit machte auch den Reiz eines anderen, im Lockdown entwickelten Subgenre aus: den Messenger-Performances. Die freie Gruppe vorschlag:hammer versammelte in ihrer Produktion „Twin Speaks" etwa 200 Teilnehmer*innen allabendlich auf der Messengerplattform Telegram. Die konnten dort die Aufklärung eines Mordfalls in einem Großdorf am Rhein verfolgen - und sich in den Pausen auch über den Ermittlungsstand austauschen. Bühne des digitalen Spiels waren die Audio-, Video- und Textnachrichten auf Telegram.    Ebenfalls der Plattform Telegram bedienten sich bei ihrer neuen Produktion „Lockdown" die Gametheater-Macher*innen der Gruppe Machina eX. Hier wurde noch mehr Wert auf Interaktion gelegt. Mitspieler*innen waren in Kleingruppen organisiert, die das Verschwinden einer WG-Mitbewohnerin aufklären sollten.

Hybride Räume und Shared Spaces Nicht notwendigerweise müssen derartige Produktionen komplett auf die Smartphone-Oberfläche verlagert werden. Denkbar sind auch Hybride: Ein Publikum, das vor Ort im Theater sitzt, dort über seine Smartphones aber neue Rezeptions- und Interaktionskanäle zur Verfügung gestellt bekommt. Solcherart hybride Räume erzeugte das Figurentheater Salz+Pfeffer bei „Jekyll + Hyde: Face me!". Das vor Ort anwesende Publikum konnte über seine Smartphones in die Inszenierung eingreifen, Narrationsstränge bestimmen und auch nachvollziehen, welchen Einfluss das eigene Abstimmungsverhalten via Smartphone auf das Bühnengeschehen hatte. Theoretisch seien, so Paul Schmidt vom Theater Salz+Pfeffer, auch Erweiterungen über das Theatergebäude hinaus denkbar. Auch in diesem Falle würde die gemeinsam geteilte Zeit das konstituierende Element des Theatererlebnisses sein - und Ko-Präsenzen über den eigentlichen Theaterraum hinaus ermöglicht werden. CyberRäuber, Cyberballet. Foto: CyberRäuber

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Eine weitere Spielform sind browserbasierte Performances. Beim Multiplayer-Theater-Game „Hyphe" von Onlinetheater.Live loggten sich die Teilnehmer*innen in einem Zeitfenster von ca. einer Stunde vor dem eigentlichen Aufführungsbeginn auf der Website ein. Nach einem digitalen Countdown tauchte man in ein rhizomatisches Beziehungsgeflecht ein. Eine Karte machte alle zu diesem Zeitpunkt ebenfalls eingeloggten Mitspieler*innen als Punkte sichtbar. Verbindungen zwischen ihnen ließen sich über Linien nachvollziehen, die Qualität der Verbindungen war an der Stärke der Linien erkennbar. Selbst konnte man über direktes Ansprechen via Textbotschaft oder über das System vermittelt in Kontakt zu den anderen treten. Dabei entspann sich ein Spiel des Erkundens, wieviel Informationen die einzelnen Dialogpartner*innen preiszugeben gewillt waren.    Interessant war bei „Hyphe" vor allem, auf welche Art und Weise Beziehungen hergestellt und Atmosphären für Begegnungen geschaffen wurden. Das Projekt spielte mit dem Phänomen von Nähe, die sich online nach dem Abchecken einzelner Sympathieparameter zuweilen direkter und intensiver herstellen lässt als offline. Der Kommunikationskanal Textnachricht ist einerseits sehr eingeschränkt, er lässt der Vorstellungskraft allerdings auch großen Raum bei der imaginären Gestaltung der Dialogpartner*innen. Dies kann man auch als Hinweis darauf werten, dass zu große Detailfülle und zu konkrete Gestaltung eher zum Abwenden aus Langeweile führen können, während die konstruktiven Anteile im Rezeptionsprozess gerade im Kontakt mit digitalen Medien den Reiz ausmachen. Die geteilte Zeit in "Hyphe" jedenfalls wies eine besondere Qualität auf, eine größere Intensität, die erotisch aufgeladen war.

Ent-Täuschung und Konstruktion Einen Rücktransfer der erotischen Spannung aus Onlinedatingchats gelang dem strukturell komplementär angelegten analogen Rauminstallationsprojekt „#mysharedspace“ der Puppenspielerin, Puppenbauerin und bildenden Künstlerin Larissa Jenne an der Schaubude Berlin. Jenne lud in eine Wohnung ein, die von ihrer eigentlichen Bewohnerin verlassen war, die aber zahlreiche Erinnerungsspuren enthielt. Dies konnten Objekte wie Möbel, Geschirr oder Lebensmittel sein. Es traten aber auch zahlreiche Wesen auf, als Handpuppen und als Großfigur. Gemeinsam mit Audio- und Videoinstallationen erzeugten diese Figuren und Objekte einen Raum, der selbst wie ein Organismus wirkte, mit Nähe und Distanz, mit dem Erkunden von erotischen Fantasien und dem sich Verschließen davor zu spielen. In die sich einstellenden Intimitäten mischte sich aber auch die Frage nach der digitalen Reproduzierbarkeit eben dieser Atmosphären. Die strukturelle Wiederholbarkeit von Begegnungen im Digitalen, die Ent-Täuschung, die daraus entstehen kann, vielleicht aber auch die Erleichterung, die genau das Wissen darum, dass anderen ähnliches passieren kann, produziert, bergen Potenzial für weitere Entwicklungen.    Das kann auch vom anderen Ende her gedacht werden. Digitale Technologien können trainiert werden, Räume und Universen zu erzeugen, die analog möglich wären, dabei aber komplett artifiziell sind. Mithilfe sogenannter GANs, kompetetiver neuronaler Netze, lassen sich fotorealistische Darstellungen nicht vorhandener Objekte, Personen oder Landschaften herstellen. Mit einer GAN zum Erzeugen von Landschaften und Gebäuden arbeitet auch Fabian Raith, Student an der Hochschule „Ernst Busch", im Rahmen seiner Masterarbeit. In „Baseballschlägerjahre" greift er auf Narrative rechter Gewalt beim Aufwachsen in Ostdeutschland zurück. Die Handlungsorte dieses für Tablet und Smartphone entwickelten Spiels „errechnen" eben diese neuronalen Netzwerke aus Bildarchiven typischer ostdeutscher Landschaften. Raith parallelisiert damit den Konstruktionsprozess der Narrative über Ostdeutschland mit der Konstruktion der Spielorte durch künstliche Intelligenzen.    Die Beispiele zeigen, auf welche verschiedenen Weisen Objekte digital erzeugt, mit digitalen gespielt und digitale Praktiken mit analogen in ein Spannungsverhältnis gebracht werden können, um zeitgenössische Spielformen zu entwickeln, die über alte Guckkästen und neuere Flachbildschirme hinausgehen. Ensemble #mysharedspace, #mysharedspace. Foto: Larissa Jenne

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von pluralen zuständen Digitalstrategien im Figurentheater In den vergangenen Jahren, so die Ausgangsbeobachtung, die der inhaltlichen Ausrichtung des speziell für Künstler*innen des Figurentheaters aufgelegten Sonderprogramms KONFIGURATION des Fonds Darstellende Künste zugrunde liegt, rückten die Zusammenhänge zwischen den Phänomenen der Digitalisierung und den künstlerischen Praktiken des Figuren- und Objekttheaters verstärkt in den Fokus. Beide können eine Stellvertreterschaft des Menschen erzeugen, die sich in Robotern, Avataren, Drohnen, Virtual bzw. Augmented Reality, um nur einige Beispiele zu nennen, ebenso ausdrückt wie im animierten Theaterobjekt. Projektleiterin Christina Röfer gibt beispielhafte Einblicke in einige geförderte Vorhaben und beobachtet verschiedene künstlerische Strategien zum Umgang mit dem Digitalen. Vo n Ch ris t ina R ö fer /// Digitalisierung (von lat. digitus, Finger und engl. digit, Ziffer) meint in der ursprünglichen Bedeutung zunächst einmal die „Umwandlung von analogen Werten in digitale Formate“ sowie deren Verarbeitung und Speicherung. Wir haben es also im Grunde mit einer Art Übersetzungsleistung zu tun, in deren Rahmen eine analog vorliegende Information, oft über mehrere Stufen, in ein numerisches, digitales Signal umgewandelt und eine Simulation der Ausgangsdaten erschaffen wird, die unsere Sinne wiederum über diese Umwandlung hinwegtäuscht.1 Die technische Infrastruktur, den Code, könnte man als Hintergrundebene des Digitalen beschreiben. Vordergründig für unseren Blick sichtbar manifestiert sich die Übersetzungsleistung u. a. in Geräten wie Smartphones, Computern oder Anwendungen wie Google und Facebook sowie unserer alltäglichen Handhabung derselben.2 Die Verwendung digitaler Technik, insbesondere in der Kommunikation, geht dann wiederum mit der Beschreibung eines umfassenden gesellschaftlichen Wandels einher, der sich über diverse Bereiche unseres Alltags erstreckt und für den die Bezeichnung Digitalisierung inzwischen weitaus häufiger Verwendung findet als für ihre ursprüngliche Bedeutung.    Beide Stränge lassen sich auch im zeitgenössischen Puppen-, Figuren- und Objekttheater wiederfinden. So kommt nicht nur digitale Technik auf der Ebene der Spielmaterialien zum Einsatz, sondern auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Diskursen, die die Position des Menschen in einer digitalisierten Umwelt verhandeln, ist verstärkt zu beobachten. El Cuco Projekt, SCREA!MING MATTER. Foto: Julia Franken

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Digitales auf der Bühne Auch in den geförderten Vorhaben des Programms kristallisierten sich unterschiedliche Strategien zur Erforschung der Operationsund Wirkungsweisen digitaler Mittel und deren Nutzbarmachung für die Erzählwelten des Theaters heraus – und das mitunter sogar im buchstäblichen Sinne.    So forschte Yvonne Dicketmüller zusammen mit der Medienkünstlerin Anna Blumenkranz zu „E-Textiles im Figurentheater“, um diese für den Bau von interaktiven Figuren und Kostümen anwendbar zu machen. Indem sie zum Beispiel textile Flächen mit leitenden Garnen bestickten, die durch Aktivierung eines vorgelagerten Schaltkreises erhitzt werden und die dadurch ihre Farbe oder Form ändern, oder indem sie Kristalle auf LEDs züchteten und diese von innen heraus leuchten ließen, fanden sie ungewöhnliche Wege der Animation.    Die schrittweise Übertragung von analogen Objekten und Szenarien in eine virtuelle Realität im Rahmen des Gamedesigns erforschte das Fundus Theater in ihrem vornehmlich an Kinder gerichteten Workshop „Spielewelten“, in dem diese als Spieleexpert*innen mit Alltagsgegenständen und Spielzeugfiguren in kleinen Sandkästen eigene Welten erschaffen und diese bespielen konnten. Mit einer 360 Grad-Kamera wurden diese abgefilmt und live auf eine Leinwand übertragen, bevor die Kinder ihre Kreationen dann mittels einer VR-Brille als virtuelle Welt durchlaufen konnten. Auch das Kollektiv Anna Kpok experimentierte im internen Forschungslabor „Multi Layered-Theatre“ zu Strategien der Einbindung von digitalen Realitätsebenen in Live-Game-Theatresettings. Als Vorrecherche zu ihrer neuen interaktiven Produktion „Shell Game – Lost in Paranoialand“ beschäftigten sie sich mit der technischen und dramaturgischen Einbindung von Objekten mittels Augmented Reality – einer Technik, bei der der Blick auf die analoge Umwelt um einzelne virtuelle Elemente erweitert, also durch zusätzliche Informationen ergänzt wird.    Andere Vorhaben rückten über die Beschäftigung mit der Technik diese als Spiegel bzw. Gegenstück des Menschen ins Zentrum. Vor dem Hintergrund des Pygmalion-Mythos aus den Ovid’schen „Metamorphosen“ befragen Meinhardt & Krauss in „ELIZA – Uncanny Love“ die Faszination des Menschen für die Erschaffung eines künstlichen Gegenübers und lassen den Performer Ludger Lamers einen aus elektrischen Körperteilen bestehenden übergroßen Roboter erbauen, mit dem er dann in einen tänzerischen Dialog tritt, der Fragen von Natürlichkeit und Künstlichkeit ebenso aufwirft wie solche nach Machtverhältnissen in der Beziehung zwischen Mensch und Maschine. In „Noboy lives here (ODO)“ von Chris Ziegler/movingimages wird wiederum in Anlehnung an den gleichnamigen Shapeshifter aus Star Trek ein Bühnenroboter aus kinetischen Lichtobjekten entworfen, der mit den Besucher*innen der Installation als körperlose Stimme in Kontakt tritt. Dabei macht ODO sich ein Bild von seiner Umgebung, lernt aus den via Smartphone geführten Chat-Konversationen und reagiert mit Bewegung der Lichtobjekte auf die physische Präsenz der menschlichen Interaktionspartner*innen.

Digitalisierung im gesellschaftlichen Diskurs Die gesellschaftliche Verhandlung des digitalen Wandels wurde ebenfalls auf vielfältige Art im Programm thematisiert. So wie etwa beim Holzwurm Theater, in dessen Produktion „Amy, Tarik und das HerzEmoji“ das Phänomen des Cybermobbing in der Schule aufgriffen und die Dynamiken und Wirkungsweisen desselben mittels Holzpuppen sowie digital projizierten Chatverläufen und Einspielern kurzer animierter Filmsequenzen nachvollzogen werden.    Die scheinzeitmenschen (Valeska Klug und Birk-André Hildebrand) verknüpfen zeitliche und räumliche Ebenen einer digital verYvonne Dicketmüller, E-Textiles im Figurenbau. Foto: Yvonne Dicketmüller

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netzten Kommunikation mit dem Internetphänomen des „Unboxing“, bei dem sich Personen dabei filmen, wie sie ein bestelltes Produkt aus seiner Verpackung nehmen und testen, während sie den Vorgang kommentieren. In „12 acts of unboxing“ wird das Publikum eingeladen, unterschiedliche Gegenstände, die verschiedenen Orten der Stadt entstammen, auszupacken und diese spielerisch zu untersuchen. Werden sie mit bestimmten Sensoren in Kontakt gebracht, lösen diese wiederum Reaktionen im Raum aus und ändern so etwa die Lichtstimmung oder aktivieren eine Nebelmaschine. Zugleich senden sie jedoch auch Impulse aus, die nicht unmittelbar wahrgenommen werden, sondern an den Ursprungsorten der Gegenstände eine Reaktion in Gang bringen. Diese offenbart sich einem zufälligen Publikum, das wiederum den Auslöser der künstlerischen Ereignisse nicht sieht bzw. kennt. So findet das Kollektiv Bilder und Übersetzungen für die digitale Vernetzung und die potenzielle Gleichzeitigkeit des Digitalen, während sie zugleich die abstrakten Prozesse der Datenverarbeitung konkret erfahrbar machen.    Auch das deutsch-chilenische El Cuco Projekt (Sonia Franken und Gonzalo Barahona) setzt im reduzierten Setting eines Warteraums auf die Erfahrung der Zuschauer*innen. Während die Mischwesen mit menschlichem Körper und hyperrealistischen Echsenköpfen im Verlauf von „SCREA!MING MATTER“ immer mehr verfremden, sich zunächst aufrecht, dann reptilienartig lauernd und ruckartig über die Bühne bewegen, wird die beiläufige Dauerbeschallung aus Werbung, Serien und Nachrichten, die auf der Leinwand im Hintergrund zu sehen ist, immer konkreter und zeigt schließlich Ausschnitte von den aktuellen Protesten der Demokratiebewegungen in Chile und Hongkong. Im Spiel mit Kontrasten arbeiten El Cuco Projekt dabei Mechanismen des Digitalen heraus, etwa wenn sich die Performer*innen jeweils entweder im eindeutigen Zustand der Bewegung oder des Stillstands befinden (1 oder 0), diesen jedoch direkt wieder verwischen, indem sie z. B. gleichzeitig Mensch und Tier verkörpern. Die zugleich gegenwartsbezogene, wie aus der Zeit gefallene Dystopie benutzt das Bild des robusten Urzeit-Reptils, um den modernen Menschen und seine Hybris spielerisch zu hinterfragen. Worauf warten wir denn eigentlich? Warum tun wir nichts? Welche Verantwortung tragen wir als Teil der vernetzten Weltgemeinschaft? Und was bedeutet körperliche Anwesenheit in Zeiten digitaler (Protest)Kultur? „SCREAM!NG MATTER“ erzählt von einer komplexen Gesellschaft in pluralen Zuständen und macht nicht nur eindrucksvoll deutlich, dass Vergangenheit und Zukunft immer auch Teil der Gegenwart sind, sondern auch, dass sich analoge und digitale Welt längst nicht mehr voneinander trennen lassen.

Z w i s c h e n d e n W e lt e n In der von über 20 Künstler*innen entworfenen Großinstallation „The Temple“ (siehe auch S. 39) konnten die einzeln in den Leipziger Westflügel eingelassenen Besucher*innen schließlich in komplexe Sphären zwischen analoger und digitaler Welt eintauchen. Statt einer einheitlichen, kohärenten Erzählung versammelte diese „begehbare Zukunftsvision“ vielmehr Bilder, Emotionen, Bruchstücke und vielschichtige, zum Teil zutiefst widersprüchliche Perspektiven – und ließ damit die Strategien und Wirkungsweisen des Digitalen im Kern erfahrbar werden. Die im Sonderprogramm KONFIGURATION geförderten Vorhaben wurden maßgeblich zwischen August 2019 und September 2020 umgesetzt. Weitere Informationen unter www.fonds-daku.de/sonderprogramm-konfiguration/ 1 Vgl. Schanze, Helmut (2002): „Digitalisierung“, in ders. (Hg): Metzler Lexikon Medientheorie/Medienwissenschaft, J.B. Metzler Verlag Stuttgart, S. 64f. 2 Vgl. Vašek, Thomas: „Die Realität des Möglichen“, in Hohe Luft kompakt: Total digital! Total menschlich? (Sonderheft 2/2018), S. 7f.

Chris Ziegler, No Body lives here (ODO). Foto: Yvonne Mohr

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INSZENIERUNG

dialog mit apparat „The Temple“ im Westflügel Leipzig Vo n Fra nz i sk a R e if /// „Ich bin eine Königin!“ So verkündet es in glamouröser Pose, mit strahlendem Lächeln und erhobenem Kinn das eigene Spiegelbild. Dass es dazu gekommen ist, liegt an den Anweisungen von Burlesque-Größe Mama Ulita. Zwar spricht Mama Ulita aus einem Laptop vor dem Boudoir-Spiegel. Dennoch hat das Ganze den Charakter eines Live-Erlebnisses, und es entspinnt sich ein zartes Band zwischen Bühnenkünstlerin und Theatergänger*in.    Anfang Juli bespielte der Leipziger Westflügel mit der begehbaren Installation „The Temple“ sein charmantes altes Gemäuer, und zwar inklusive Keller und Garten. Der von mehr als 20 Künstler*innen gestaltete Parcours war bereits vor der Pandemie geplant; die Besucher*innen gehen von Objekt zu Objekt, und es entstehen individuelle Interaktionen zwischen Mensch und Maschine. Oder auch zwischen Mensch und Mensch. Die Grenzen sind nicht immer eindeutig. Manche Stationen sind einfach nur verspielt oder schön anzuschauen, andere von gedanklicher Tiefe durchdrungen. Im Ergebnis steht ein vielgestaltiges und vielstimmiges Bühnenwerk. Auch die Grenzen der Bühne sind nicht eindeutig zu ziehen, etwa wenn man sich von einem Automaten namens Mr. Famoulus (Eva Maria Schneider & Alexander Lorenz) mit „Du machst das schon“ auf die Schulter klopfen lässt. Oder das „Zeitfenster“, das uns heute dabei filmt, wie wir Vergangenheit sein werden und dies den Nachfolgenden in verwackelter Optik wiedergibt (Benjamin Hohnheiser). Wie gut verstehen andere die ihnen hinterlassenen Botschaften („The Screen“, Tim Josefski), was genau will die „Speculative AI“ (Birk Schmithüsen), bei der zwei Systeme per Klang und Licht kommunizieren? Überhaupt, verstehen: Wo ist der Startknopf? Gibt es noch andere Knöpfe? Was passiert, wenn man die Lautstärke aufdreht? Und ist das Ergebnis im dritten Durchgang ein anderes?    Die Theatergänger*innen sind Teil des Geschehens. Deshalb ist es sicher ganz passend, wenn der Westflügel von einer „begehbaren Vision“ spricht. Das Herz des Tempels (Li Kemme) nimmt per SMS Kontakt mit uns auf, braucht aber, um sich zu entfalten, unser mechanisches Zutun. Der Mensch und sein Pulsschlag werden digital, das Digitale wird menschlich, und zwischendurch ist doch wieder alles analog: Im bekannten nervig-spritzigen Ton begrüßt Influencerin Dana Ersing mit „Hallo, ihr Lieben“ und packt hinter Plexiglas eine Kiste aus, deren Inhalt sie – versprochen – vor dem Öffnen selbst nicht kannte. Ein weißer Schokobon gefällt ihr nicht so gut, eine Banane schon eher – schreibt’s mir in die Kommentare.    Der ganze Westflügel ist ein Gewimmel aus Nischen der Betrachtung. Die Besucher absolvieren die Sinnsuche in Kleingruppen, geben sich Spieltrieb und Spannung mit Abstand hin. Die Erlebnisqualität erwächst aus der Integration (fast) aller Sinne, Nähe entsteht, obwohl sie gar nicht vorhanden sein kann. So weist diese Mischung aus Installation und Theatralem auf neue Perspektiven hin und entwickelt Gedanken dazu, was das Erleben von Theater eigentlich ausmacht.    Bekehrt wurde in diesem „Temple“ wohl niemand. Aber Erleuchtungen, die gab es wohl – und viel Gelegenheit, die eigene Lust am Experimentieren auszuleben. – www.westfluegel.de Li Kemme, HEART. Installation im Rahmen von „The Temple”. Foto: Dana Ersing

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NEXT GENERATION

NEUE RÄUME AUS DER LEERE Zwei digitale Ensembleproduktionen der Hochschulen in Stuttgart und Berlin

Von Sa sc h a K ri e ge r /// „Stell dir vor, du bist ein leerer Theaterraum“: Mit diesen Worten beginnt „Kein Sextett“, die diesjährige Ensemblearbeit des Studiengangs Figurentheater an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart, entstanden in Koproduktion mit dem Studiengang Jazz & Pop. „Die Brutalität der Abwesenheit“, wie es weiter heißt, sie brach unerwartet über die Theater-, die Kunst-, die Kulturszene herein, verursacht von einem Virus, das die Bühnen zu Brachen werden und die Stimmen der Künstler*innen verstummen ließ. Das Theater als Ort der Begegnung wurde zur Leerstelle. Das Ensembleprojekt stand urplötzlich vor dem Aus – oder der Alternative, ins „Exil“ zu gehen, in einen fremden, virtuellen Raum, wo die Co-Präsenz von Spielenden und Zusehenden zusammenschnurrt auf die Zweidimensionalität eines Videofensters.    Die Stuttgarter*innen entschieden sich für letztere – wie auch der Studiengang Zeitgenössische Puppenspielkunst der HfS Ernst Busch Berlin. Was beide Projekte eint, ist das Bewusstsein der Ausnahmesituation, die ständige Reflexion des Fehlenden, die Konstruktion der Projektion um das Abwesende, die Akzeptanz des Paradoxons, gleichzeitig Notlösung sein zu müssen und sich selbst behauptender künstlerischer Ausdruck. Es sind Arbeiten, die das Scheitern in sich tragen und es zum zentralen Bestandteil künstlerischer Auseinandersetzung machen.    Dabei gehen sie sehr unterschiedliche Wege. „Kein Sextett“ wollte von Beginn an Gattungsgrenzen einreißen im Aufeinanderprallen von Jazz und Figurentheater. Fast trotzig verbleibt die Arbeit im ihr einst zugedachten Raum, „besetzt“ das Theater, füllt seine Leere und macht sie erst dadurch spürbar. Groteske Figuren ziehen Realitätsreste durch den funktions-, ja sinnlos gewordenen Raum. Ihre „Körper“ sind Haare, Einkaufsbeutel, Tücher, deren Inhalte – Menschen, Waren, Einrichtungsgegenstände – so abwesend sind wie die Grundpfeiler der Kunstform, deren Erinnerungsfetzen sie darstellen.    Der Lebensrest ist der Rhythmus, sind die Melodiefragmente einer Musik, der ebenfalls die Welt abhandengekommen ist. Die sich zurückgezogen hat auf Balkone, in Treppenhäuser, ins Schwarz-Weiß der Erinnerung. Beide – Theater und Musik – brauchen das Gegenüber, das ihnen Leben und Sinn einhaucht. So treten die Figuren und die Musik in einen Dialog und pumpen zugleich Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart/Studiengang Figurentheater, Kein Sextett. Foto: Nadja Weber

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NEXT GENERATION

Leben in die sie erzeugenden und handhabenden Spieler*innen. Sie treiben sich an und reiben sich aneinander, treten in Konfrontation, finden im Gegenüber eine Möglichkeit weiterzumachen, wo ihr eigentlicher Dialogpartner, das Publikum, fehlt. Die Abwesenheit bleibt Realität. Immer. Und so sind die fünf Episoden flüchtige Illusionen von Präsenz, die im Verschwinden enden. Figuren entschweben, verlassen den Raum, die Instrumente verstummen, jeder Neuanfang weiß um sein Ende. So wird die Leerstelle zur eigentlichen Protagonistin. Einer, die sich weigert, sich selbst zu akzeptieren. Der Theaterraum bleibt leer und doch lebendig. Ein Wartezustand in 50 Minuten. Berührend, grotesk, humorvoll und voller Schmerz.    Ganz anders „Walden – Live from the Woods“. Das Projekt der Berliner Studierenden, basierend auf dem Buch, in dem der amerikanische Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau über sein Leben als temporärer Aussteiger schreibt, war als begehbare Installation mit mehreren Stationen geplant. Auf den virtuellen Raum zurückgeworfen, entschied sich das Ensemble für einen radikalen Bruch. Wo die Stuttgarter*innen im Theaterraum verblieben, ließ sich das Busch-Projekt ganz auf seinen neuen Ort ein: das Internet. Aus der theatralen Installation wurde ein Videoblog, erzählt und erzählend von einem fiktionalen Thoreau.   Genregrenzen gelten hier nichts: Reales Spiel, Film, Animation, Figurentheater, wirkliche und virtuelle Räume, unterschiedlichste Spiel- und Darstellungsformen purzeln in- und durcheinander. Thoreau selbst ist mal Puppe, mal an allerlei reale Räume transportiertes Bild, seine Dialogpartner*innen von Schauspieler*innen dargestellte Fantasiefiguren. Die Handlung entfaltet sich in Filmszenen, Videokonferenzen oder Handy-Chats. Thoreaus Reflexion über Mensch, Leben und Natur mutiert zum aberwitzigen Märchentrip, in dem Feen in Video-Fenstern gefangen gehalten und aus diesen befreit werden, die Wirklichkeit in eine „Natur“ einbricht, die in jeder Hinsicht von absurder Irrealität ist, so abwesend wie der Bühnenraum, in dem das Projekt einst hätte stattfinden sollen.    „Live from the Woods“ antwortet auf die Leere mit Überfülle, mit zuweilen albernen Assoziationsketten, eklektisch zitathafter Ästhetik, die von YouTube bis Monty Python, von Soap Opera bis zu Cartoons reicht, ein ständiges Zuviel, das sich in jedem Moment selbst in die Beine grätscht. Die Geschichte des Rückzugs in die Natur verwandelt sich in ihr Gegenteil: die überfordernde Reizüberflutung der Internetrealität. Damit entspricht sie einer Zeit, in welcher das Zurückgeworfensein ins Private, die maximale Reduktion, in die Überfülle des virtuellen Raums führte, die Isolation nicht selten in die Überforderung kippte. Thoreaus Tagebuch kann da nichts anderes sein als seine eigene Parodie, seine Überhöhung ins spielerisch Absurde. „Walden – Live from the Woods“ ist Dokument und Ausdruck einer Sinnsuche, ein Versuch, für das Überfordernde, das Unsichere eine Ästhetik zu finden, die das Ungewisse thematisiert und ihm zugleich nicht zu entkommen vermag. Ein Dialog mit dem Unbekannten, der individuellen wie der kollektiven Verunsicherung.    Beide Arbeiten sind Produkte ihres spezifischen Moments und denken diesen weiter. In neue Realitäten, unbekannte, noch zu erkundende. Realitäten, die ihre Kunstform in Frage stellen, neu zu denken suchen, in fremde Räume transponieren. Und die dabei sehr unterschiedliche Wege finden, von denen sie nicht wissen, wohin sie führen. Aus dem Scheitern schöpfen sie neues Leben und aus der Leere entsteht ein neuer Raum. „Zurück bleibt ein Gefühl der Leere“, heißt es in „Kein Sextett“. Beiden Arbeiten gelingt es, dieses Gefühl zu verkörpern – aber als Anwesenheit, als Tür in etwas Neues. – www.hmdk-stuttgart.de – www.fitz-stuttgart.de/ programm/inszenierungen/kein-sextett/ – www.livefromthewoods.com Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“/Abteilung Zeitgenössische Puppenspielkunst, Walden – Live from the Woods. Filmstill: Roscha A. Säidow

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DURST Internationale Theaterfestivals zur Corona-Zeit Insbesondere der internationale Tourneebetrieb ist von den Auswirkungen der Corona-Pandemie nachhaltig betroffen. Double-Redakteur Tim Sandweg, selbst Festivalleiter, vereint in seinem Artikel persönliche Gedanken und Eindrücke, Unsicherheiten und Fragen aus sechs Monaten Planungsarbeit im Zeichen von COVID-19.

Im Lockdown Von Ti m S a nd we g /// Es gab entspanntere Jahre im Dasein als Festivalleiter. Man fährt durch die Gegend, schaut sich Vorstellungen an, spricht mit Künstler*innen, denkt selbst über eine Konzeption nach und erstellt ein Programm. Damit war ich auch Mitte März beschäftigt. Eigentlich wollte ich nach Strasbourg zum Festival „Les Giboulées“ und zum Figurentheaterfestival Aarau. Es kam dann anders. Erst wurde die Region Grand Est zum Risikogebiet, dann gingen die Theater in den Lockdown, dann wurden die Grenzen geschlossen. Festivals wurden der Reihe nach abgesagt, in den Herbst oder gleich ins nächste Jahr verschoben, darunter die FIDENA in Bochum, Blickwechsel in Magdeburg, die Figura in Baden, Scènes Ouvertes in Paris.    Gleichzeitig regte sich so etwas wie Widerstand von Festivals, die alternative Formen suchten, um trotz des Lockdowns und der Reiseverbote stattzufinden. Eines der ersten war „Hauptsache frei“, der Showcase der freien Szene in Hamburg, der bereits Ende März digital veranstaltet wurde. Hier wurden statt der Vorstellungen kurzfristig Gespräche mit den eingeladenen Künstler*innen, ZoomPerformances und Videos gezeigt. Weitere Festivals folgten und verlegten ihr Programm in den digitalen Raum: Das Theatertreffen in Berlin streamte eingeladene Inszenierungen und begleitete diese mit Diskussionen um Virtualität und Theater. Die Wiener Festwochen luden die eingeladenen Künstler*innen zu digitalen Gesten in Form von Texten, Videos oder Fotografien ein. Das Impulse Theater Festival verlegte seine Akademie ins Internet und zeigte Arbeiten, die ohnehin im Netz stattfanden oder die sinnvoll in eine Streaming-Version überführt werden konnten.    Das war im Einzelfall sicherlich nicht immer ideal – auch ich habe keine abgefilmte Vorstellung bis zum Ende durchgehalten –, gleichzeitig war es aber der Versuch, eine Öffentlichkeit für die Künste, die derzeit nicht stattfinden können, für Positionen aus Ländern, aus die man auf unbestimmte Zeit nicht einreisen kann, zu schaffen. Vermutlich hing in vielen Fällen auch einfach die Auszahlung von Fördermitteln und Honoraren davon ab, dass irgendetwas stattfand.    Im Figurentheaterbereich gab es nur wenige Beispiele, wo Festivals in der Zeit des Lockdowns auf digitale Formen umgestiegen wären. Die FIDENA schaffte mit dem Online-Contest um den besten Puppenspiel-Lovesong-Videoclip ein Ersatzformat, ansonsten blieb es aber relativ still. Ich fragte mich, woran das liegt: Waren es künstlerische Entscheidungen? Lässt sich die Kunst des Puppenspiels schlechter in ein digitales Format übersetzen? Oder hängt dies auch mit der Struktur der Festivals zusammen? Während die großen Performing Arts Festivals über eigene Teams verfügen, selbst produzieren und jährlich stattfinden, sind die Figurentheaterfestivals in den meisten Fällen an Häuser oder Strukturen angedockt, sind mehrheitlich einladende Festivals und werden biennal veranstaltet.

Aufkeimen Ich sitze in einem Sturm auf der großen Bühne des Staatstheaters Braunschweig. Tosende Wellen rollen mir entgegen, ohrenbetäubender Wind, grau-blaue Wassermassen. Es ist gewaltig. Es ist hypnotisch. Es ist wunderschön. Und es ist das erste Theaterfestival, das ich seit dreieinhalb Monaten besuche. Auch das ist gewaltig. Und hypnotisch. Und wunderschön.    Das Festival Theaterformen war eines der ersten, das in einer Mischung mit Live-Kunstwerken und Online-Programm den Neustart versuchte. Die Künstler*innen, die ursprünglich eingeladen worden waren, übersetzten ihre Inszenierungen in Videobeiträge, in Formate, die per Post dem Publikum nach Hause geschickt wurden, oder in Installationen, die vor Ort besucht werden konnten und ohne die Live-Präsenz von Performenden auskamen. Vielleicht ein Vorteil von Objekten, dachte ich – die Ansteckungsgefahr ist recht begrenzt, und sie haben auch kein Einreiseverbot auferlegt bekommen.    Als Sonderausgabe in kleinerem Rahmen, mit weniger Produktionen, mehr Outdoor-Programm, coronatauglichen Formaten oder Public Viewing fanden auch die anderen großen Sommerfestival statt: Das Zürcher Theaterspektakel, das Noorderzon Performing Arts Festival in Groningen, das Sommerfestival auf Kampnagel in Hamburg, Tanz im August in Berlin. Auch wenn sich die Programme angesichts der Situation recht umfangreich lasen und die Stimmung (zumindest in Hamburg) gut war, fiel doch eindeutig ins Auge, was fehlte: internationale Gastspiele, die großen Koproduktionsprojekte, das dichtgedrängte Publikum.

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Hatte man im vergangenen Jahr die Kunstfestivals noch ob ihrer miserablen CO2-Bilanz (zurecht) kritisiert, wurde jetzt deutlich, wer vor allem durch den Ausfall der Möglichkeit zu reisen betroffen war: Künstler*innen außerhalb Europas, deren Produktionen vornehmlich durch europäische Koproduktionspartner*innen finanziert werden und deren Positionen insgesamt eher marginalisiert sind. Die reine Regionalisierung der Künste scheint also auch keine so richtig gute Alternative zu sein – das Problem ist komplexer. Vielleicht ist die Corona-Pandemie auch eine Aufforderung, diese Komplexität anzunehmen und anzugehen.

wie weiter? Jetzt kommt der Herbst. Manche Figurentheaterfestivals wurden auch in der zweiten Jahreshälfte bereits abgesagt, manche planen weiter. Wir auch. Wahrscheinlich haben wir alle unsere Programme adaptiert – mehr Produktionen aus Deutschland, mehr Produktionen, die mit Abstandsregeln funktionieren, mehr Produktionen draußen. Und wahrscheinlich schauen wir alle täglich auf die Fallzahlen, auf die Ausweisung von Risikogebieten, auf neue Verordnungen und Hygienekonzepte. Davon wird maßgeblich abhängen, was stattfindet.    Ein Kollege sagte zu mir, dass er sich jetzt erst daran gewöhnen müsse, dass man nicht alles schon drei Monate im Voraus planen kann. Ja, wir arbeiten in einer neuen Zeitlichkeit. Und absagen kann man immer noch. Festival Theaterformen/Voldemars Johansons, Thirst. Foto: Margaux Kolly

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AUSSTELLUNG

MUSEUM ALS VERFÜHRUNG „Puppets 4.0 – ein imaginäres Museum“ am dfp in Bochum Vo n S arah H ep p ekau s en /// „Nicht kitzeln!“ Ein älterer, noch recht agiler Herr im gediegenen Anzug mit Krawatte nimmt uns quasi an die Hand. Berühren und Anstupsen erlaubt, aber kein Kitzeln! Es handelt sich schließlich um niemand anderen als Fritz Wortelmann selbst, den Gründer des Deutschen Forums für Figurentheater und Puppenspielkunst in Bochum, der uns durch die neue Ausstellung im dfp in Bochum führt. Als digitalisierte Marionette geleitet er die Besucher*innen durch fünf virtuelle Räume, beschreibt mit sonorer Stimme Figuren und deren Spielarten, erklärt Hintergründe und formuliert Gedankenexperimente. „Puppets 4.0 – ein imaginäres Museum“ ist die tatsächlich allererste immersive VR-Ausstellung zum Figurentheater.    Was hier zusammenkommt, sind die prächtigen Puppen selbst, eine umfassende Recherchearbeit der Projektleitung und die im Theater immer noch außergewöhnliche technische Umsetzung (entwickelt und programmiert von DIGIFACTURA). 56 Exponate sind ausgestellt, von der japanischen Noroma-Stabfigur aus dem 17. Jahrhundert über Wortelmanns selbst gebaute Handpuppen bis zu zeitgenössischen Schattenfiguren des australischen Künstlers Richard Bradshaw. Wir Besucher*innen betrachten diese eindrucksvollen, filigran gestalteten Figuren nicht bloß, wir tauchen ein in ihre Welten. Da wird der Schaukasten zum Game-Setting.    Dank Virtual-Reality-Brille stehen wir in einem Wald, von einer 3D-Artistin als kulissenartige Raumsituation gestaltet. Über uns öffnet sich der weite Himmel, wir hören Blätter rauschen und den Specht klopfen. Vor uns kleine Holzbühnen, auf denen sich die Puppen bewegen. Und mitten im „deutschen Wald“ plötzlich auch sehr „deutsche Gespenster“: Wir werden hineingeworfen ins Figurentheater des Nationalsozialismus, ahnen die gefährliche Wirkung von Propagandapuppen. Der Vorhang fällt und öffnet sich wieder, und wir landen mitten auf einem Jahrmarkt. Um uns herum das typische Geraune einer Menschenansammlung, vor uns der Kasper in seinen internationalen Gewändern: der englische Punch oder der türkische Karagöz, der seinen überdimensionalen linken Arm schwingt.    Wer mehr erfahren will, blickt länger auf eine Figur oder stupst Fritz Wortelmann an. Der erzählt dann zum Beispiel, wie im Schattentheater des Karagöz-Spiels das Bilderverbot des Islam geschickt umgangen wird. Oder er erklärt, wie genau eigentlich eine Stabfigur gespielt wird. Projektleiterin Mareike Gaubitz hat einen wissenschaftlich fundierten Text verfasst, der Figuren und Themen historisch einordnet, Zusammenhänge nachvollziehbar macht und somit auch ein Reflektieren ermöglicht. Wem’s zu ausführlich wird, wandert virtuell in den nächsten Raum. Insgesamt gibt es fünf: neben dem deutschen Wald mit den Handpuppen ab dem 19. Jahrhundert und dem altertümlichen Markt mit seinen komischen Figuren noch das indonesische Figurentheater auf einem Basar, asiatische Handpuppen in einem Tempel und einzelne Exponate aus Mali, Australien und Italien im tatsächlichen – digitalisierten – Ausstellungsraum des dfp. Wie eng dieser Raum plötzlich wirkt ohne den weiten Himmel, mit den sichtbaren Wänden um einen herum.    Dieses imaginäre Museum verführt. Wir werden mitgezogen auf eine spielerisch-atmosphärische Weltreise durch das Figurentheater. Und praktisch ist so eine VR-Ausstellung natürlich auch: dfp-Leiterin Annette Dabs plant, mit ihr unter anderem in Schulen, in Seniorenzentren oder auf Festivals zu gehen. So eine VR-Brille passt schließlich prima ins Handgepäck. – www.fidena.de Deutsches Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst, Puppets 4.0 – Ein imaginäres Museum. Foto: dfp

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AUSSTELLUNG

ohne vorwarnung Objekte aus 35 Jahren Theater von Agnès Limbos Vo n S ilv ia B rend enal /// „Ohne Vorwarnung!“ So der Titel der Sonderausstellung, die das Puppentheater in der FigurenSpielSammlung Mitteldeutschland, der villa p, präsentiert. Präsentiert im wahrsten Sinne des Wortes, denn von Raum zu Raum folgt man dem nahezu magischen Sog dieser wie Installationen anmutenden bildlichen Darbietung des bisherigen künstlerischen Œuvres von Agnès Limbos. Mit ihrer Compagnie Gare Centrale ist sie wohl die bedeutendste Objekttheatermacherin Belgiens. Chronologisch angeordnet, entsteht wie nebenbei der künstlerische Entwicklungsweg der Künstlerin – sind bei der älteren Inszenierung „Petruchka“ noch eher konventionell anmutende Stockmarionetten die szenischen Akteure, so wandelt sich in „Du balei“ (Hau ab!), einer der jüngeren szenischen Arbeiten, die Miniatur-Theaterbühne zu einem Tableau aus Narren der Weltgeschichte. Pappkörper, komplettiert mit aus Fotografien ausgeschnittenen Köpfen gegenwärtiger Politiker, sitzen auf edlen Stühlen. Den BühnenHintergrund bildet eine Weltkarte, rausgerissen, rausgebrannt, ausgelöscht ganze Länder. Vor dem Halbrund uns vertrauter Machthaber (Trump, Putin, Johnson, Kim Jong-un…) steht ein großes Glas Nutella. Bitterböses, politisches Stück in zwei Akten! Da ist sie wieder, die poetisch-verfremdende Art zu revoltieren, die Agnès Limbos als die ihr eigene bezeichnet. Gepaart mit einem Hauch leiser Melancholie, der auch durch die Ausstellungsräume weht. Etwa in dem der Inszenierung „Conversation avec un jeune homme“ (Gespräch mit einem jungen Mann) gewidmeten Raum. Das etwas desolate Krinolinen-Kostüm und die wie ein Kopf angeordnete, zerzauste Allongeperücke, beide einst auf der Bühne von Agnès Limbos getragen, bestimmen das Arrangement in all ihrer verlassenen, allein dinglichen Schönheit, in Konversation mit mystisch anmutenden Rabenvögeln – in den Käfig gesperrt, von der Decke an Fäden hängend, auf Ausstellungsträgern mit Objekten aus der Inszenierung sitzend. Kraft und Vergänglichkeit strahlt dieser Raum aus. Daneben jedoch immer wieder der abgründige Humor der Agnès Limbos: Etwa in jener Ecke, die für „Ressacs“ (Die Brandungen) eingerichtet wurde. Wie ein Aquarium umhüllt eine kleine Vitrine die mit blauem Papier vorgegebene Wasserfläche, darauf eine Insel mit Palme, vermutlich aus einer Spielzeugkiste, auf der Insel aneinander gelehnt ein Hochzeits-(Tortenfiguren)Paar. Ein Bild, das so von der Verlorenheit, dem Außer-der-Welt-Sein dieses Paares erzählt. Konterkariert wird das Aufkommen jeglicher Wehmut durch einen über das Ganze wachenden Gartenzwerg. Allein seine Anwesenheit ist Kommentar genug. Wie ein roter Faden ziehen sie sich durch die Exposition – diese Gartenzwerge mit der roten Socke auf dem Kopf, immer von gleicher Statur, immer von gleichem Ausdruck – nur ihr Socken-Outfit wechselt ab und an. Jener allerdings, der vor dem „Du balei“-Tableau wacht, ist schwarz. Wen wundert’s!    Wie auch die Theaterarbeit von Agnès Limbos verkörpert diese Ausstellung ein ganzes Universum an Hintergründigem, auch Abgründigem, das es zu entdecken gilt. Zudem wird man als Betrachter*in mitgenommen in die im Laufe ihrer Schaffensjahre immer filigranere, detailreichere Erforschung einer ganz originären Form von Theater, dem Theater der Dinge. – www.puppentheatermagdeburg.de Installation von Agnès Limbos in der Ausstellung „Ohne Vorwarnung!“ Foto: Anjelika Conrad

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NEUE FORMEN DER ANIMATION Über den ersten Schweizer Masterstudiengang für Figurentheater Ein langersehnter Wunsch der Schweizer Figurentheaterszene ist wahr geworden. Ab diesem Herbst bietet eine Schweizer Kunsthochschule erstmals einen Masterabschluss in Figurentheater an. Das Problem: Fast niemand hat von der Ausbildung gehört. Von Ja c q u e l i ne S u r e r /// Eines der grössten Probleme der Schweizer Figurentheaterszene ist der Nachwuchsmangel. Um junge Menschen fürs Figurenspiel zu begeistern, fordern Vertreter*innen der Szene seit vielen Jahren die Einführung eines FigurentheaterLehrgangs an einer Kunsthochschule. Bislang ohne Erfolg. Die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) wagte im Jahr 2000 einen einzigen Versuch. 2004 brach sie diesen nach einer Durchführung wieder ab und hinterliess den bislang ersten und letzten in der Schweiz diplomierten Figurenspieler.    Er wird bald nicht mehr der Einzige sein: Ab Herbst 2020 ist es zum ersten Mal möglich, in der Schweiz einen Masterabschluss in Figurentheater zu absolvieren. Dass sich diese aufsehenerregende Neuigkeit noch kaum herumgesprochen hat, liegt auch am Ort der Durchführung. Das Potenzial des Figurentheaters wurde nämlich nicht von einer der großen Theaterhochschulen in Zürich, Bern oder Lausanne erkannt, sondern von der kleinen Accademia Teatro Dimitri im Tessin, dem italienischen Teil der Schweiz.

Von der Clownschule zur Hochschule für Körpertheater Die „Scuola Teatro Dimitri“ wurde 1975 vom Schweizer Clown Dimitri in der idyllischen Gemeinde Verscio gegründet. Ursprünglich als Clownschule konzipiert, spezialisierte sich die Institution über die Jahre immer mehr als Ausbildungsort für Körper- und Bewegungstheater. 2006 schloss sich die Ausbildungsstätte der Tessiner Fachhochschule der italienischen Schweiz an. Damit wurde die „Accademia Teatro Dimitri“ zur vierten Kunsthochschule des Landes neben den Hochschulen in Zürich, Bern und Lausanne. Zusätzlich zum dreijährigen Lehrgang „Bachelor of Arts in Theatre“ bietet die Accademia einen zweijährigen „Master of Arts“ in „Physical Theatre“ an. Ab Herbst 2020 kommt nun ein zweiter Master-Studiengang dazu: „Teatro di Figura: Material, Object and Puppet Theatre“.    Den Masterstudiengang weiter auszubauen, plant die Schule bereits seit einigen Jahren. Dass die Wahl nun auf Figurentheater gefallen ist, liegt massgeblich an Pavel Štourac. Der tschechische Puppenspieler und Gründer der Theatercompany Continuo arbeitet seit 2010 als Dozent für Dramaturgie an der Accademia Teatro Dimitri. Für den Initianten des neuen Lehrgangs ist die Accadmia der ideale Ort um Figurentheater zu unterrichten: „Der Körper als Ausdrucksmittel steht hier seit jeher im Zentrum. Im Figurenspiel geht es um nichts anderes als die Animation von Körpern. Zwischen Figuren- und Körpertheater besteht deshalb eine enge Verwandtschaft.“ Ganz neu ist die Kunstform an der Accademia nicht. Auch im Bachelor-Lehrgang wird die Arbeit mit Figuren und Objekten thematisiert und alle Studierenden absolvieren einen Workshop zum Thema Maskentheater. Szene aus einer Masterarbeit der Accademia Teatro Dimitri. Foto: Shahaf Michaeli

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SCHWEIZER FENSTER

Unterrichtssprache Englisch Der neue Studiengang ist in verschiedene Module und Workshops aufgeteilt. Manche Kurse werden zusammen mit den Studierenden des Masters „Physical Theatre“ durchgeführt. Am Ende der Ausbildung müssen alle Figurentheater-Studierenden gemeinsam eine Abschluss-Inszenierung erarbeiten.    In einigen Punkten will sich das Masterstudium klar von den Figurentheater-Ausbildungen in den Nachbarländern abgrenzen. So wird etwa das Thema Puppenbau nur am Rande thematisiert. Der Schwerpunkt soll bei der Animation von Objekten, Material und Figuren liegen. „Wir werden nach neuen Formen von Animation suchen und uns mit vielen zeitgenössischen Fragen rund ums Theater auseinandersetzen“, sagt Pavel Štourac. Da sich die Accademia als international ausgerichteter Ausbildungsort versteht, wird der Unterricht auf Englisch stattfinden. Die Sprache perfekt zu beherrschen, ist allerdings keine Voraussetzung für die Aufnahme. „Die Sprache steht bei uns nicht im Zentrum“, erklärt Štourac „Im Körpertheater arbeiten wir oft mit nonverbalen Mitteln, das soll auch bei der Animationsarbeit so sein.“    Die Lancierung des neuen Studiengangs zu Beginn des Jahres war für die Accademia nicht ganz einfach. Seit dem Ende der Unima Suisse vor einem Jahr existiert in der Schweiz keine Figurentheater-Vereinigung mehr. So gab es für die Accademia keinen zentralen Ort, an dem sie das Angebot in der Szene hätte bekannt machen können. Erschwerend kam im März der Ausbruch des Corona-Virus dazu. Das Echo auf die Ausschreibung blieb deshalb mager. Bis zum Anmeldeschluss Mitte Juni hatten sich lediglich drei Personen für die Aufnahmeprüfung angemeldet. Die Accademia hat den Anmeldeschluss nun nochmals um zwei Monate nach hinten verschoben. Wegen der Coronakrise muss das erste Studienjahr zudem verkürzt durchgeführt werden. Statt wie geplant im September, wird das Semester erst voraussichtlich Mitte November beginnen.

Gastprofessuren und Kooperationen Momentan sind viele Fragen rund um den Lehrgang noch offen. So ist unklar, wer neben Pavel Štourac an der Accademia unterrichten wird. Mit Ariel Doron hat die Institution jedoch bereits einen bekannten „Guest Professor“ auf der Liste. Wegen Štouracs Bezug zur tschechischen Theaterszene wird es zudem diverse Verbindungen nach Osteuropa geben. Geplant ist unter anderem eine Zusammenarbeit mit der Akademie der darstellenden Künste Prag (Magister Artium). Erste Kontakte wurden auch mit der Hochschule Ernst Busch Berlin, der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart und der Schule für visuelles Theater Jerusalem geknüpft.    Auch wenn es derzeit noch viele Fragezeichen gibt: die Accademia will langfristig in den neuen Lehrgang investieren. Ab dem Studienjahr 21/22 soll der zweijährige Studiengang jedes Jahr mit sechs bis sieben neuen Studentinnen und Studenten starten. Vereinfacht werden soll dieses Ziel durch den geplanten Umzug der Accademia von Verscio nach Losone. Der Ortswechsel würde das dringende Platzproblem der Ausbildungsstätte massiv entschärfen. Sorge, dass die Zahl der Interessenten auch in Zukunft niedrig bleiben wird, hat Pavel Štourac nicht: „Es ist jetzt unsere Aufgabe, das Figurentheater für junge Leute sexy zu machen.“ – www.accademiadimitri.ch Szene aus einer Masterarbeit der Accademia Teatro Dimitri. Foto: Shahaf Michaeli

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SCHWEIZER FENSTER

ende einer ära Ein Gespräch mit dem scheidenden Leiter des Fabrikpalasts Hansueli Trüb Nach zwanzig Jahren schliesst der Fabrikpalast seine Tore. Hansueli Trüb, Gründer und Leiter des Figurentheaters in Aarau, verabschiedet sich damit aber weder von der Bühne noch von seiner Lehrtätigkeit. Franziska Burger führte mit Trüb ein Gespräch über dessen Anfänge als Theaterleiter, das Ende des Fabrikpalasts und seine weiteren Pläne. F ranzis ka B u rg er: Wie kam der Fabrikpalast ins KIFF (Kultur in der Futterfabrik, Aarau)? H ans u eli T rü b : Im September 1999 kam der Bescheid, dass wir in den Räumlichkeiten des Konzertveranstalters KIFF, in denen zuvor eine illegale Bar betrieben wurde, ein Theater eröffnen können. Geplant war, nach dem Umbau im Dezember die Eröffnung zu feiern. Ein Schwelbrand wegen einer auf einer Party vergessenen Zigarette machte die ursprünglichen Pläne zunichte. Schließlich eröffneten wir im Rohbaustadium. Es zog durch alle Löcher, das Publikum saß in Mäntel gehüllt, Schnee stob unterm Dach rein. Das Programm bestritten wir mit eigenen Stücken und mit Inszenierungen befreundeter Gruppen, die zu Freundschaftspreisen spielten, denn angefangen haben wir praktisch mit nichts. Erst nach fünf Jahren gewährte die Stadt Aarau den ersten Förderbetrag, und nochmals fünf Jahre später dann auch der Kanton. Wie war für dich der Wechsel vom Theatermacher zum Theaterleiter? Den Wunsch, ein Programm selbst zu kuratieren, hatte ich schon viele Jahre. Ich denke, er geht auf meine Zeit als junger Figurenspieler im St. Galler Puppentheater zurück, in der ich erlebt habe, wie beglückend es ist, einen eigenen Raum zu haben und darin ein anspruchsvolles und vielfältiges Figuren- und Objekttheaterprogramm anzubieten. Es hat etwas Schönes, als Hausherr eine Gruppe einzuladen, bei ihrer Ankunft den Aufbau und die spontanen Raumadaptionen mitzuerleben. Wenn dann die Familien kommen, die Kinder beim Beobachten der Theaterfische im Foyer ihre Nasen an den Bullaugen plattdrücken und die Eltern fragen, wann es endlich losgeht, weckt das bei mir Kindheitserinnerungen an das St. Galler Puppentheater, in dem ich selbst vor Jahrzehnten das langsame Verdunkeln hunderter von Lämpchen an der Decke bewundert habe. Was bedeutet für dich das Ende des Fabrikpalasts? Dass das Gebäude des Fabrikpalasts in einem ehemaligen Industriegebäude irgendwann den baulichen Anforderungen für ein Theater nicht mehr genügen würde, war von Anfang an klar. Ausserdem muss man im Alter von 69 Jahren auch überlegen, wie die Gütesiegel Kultur*, Punch Agathe in Aarau. Foto: Hansueli Trüb

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SCHWEIZER FENSTER

Nachfolge geregelt werden kann. Im Raum Aargau fand sich niemand, der für diese Aufgabe in Frage kam. Aber für mich war klar, dass Aarau weiterhin als Standort für Figurentheater erhalten bleiben musste. Das ist nun mit der Bühne Aarau, die aus der Fusion des Theaters Tuchlaube mit dem Fabrikpalast und zwei weiteren Theaterorganisationen entstand, langfristig gesichert. “Szene machen„, das Festival, das anlässlich des 20jährigen Bestehens und des Endes des Fabrikpalasts in eben diesem Theater wie auch der Tuchlaube durchgeführt werden sollte, fiel dem coronabedingten Lockdown zum Opfer, weshalb nur knapp zwei der geplanten acht Tage durchgeführt werden konnten. Auf was hattest du dich am meisten gefreut? Am allermeisten habe ich mich auf das Zusammentreffen mit den Festivalgästen gefreut, die aus allen Himmelsrichtungen anreisen wollten. Mit ihnen am Abend noch gemütlich zusammenzusitzen und über die Stücke zu diskutieren, meine Ausstellung zu besuchen und am Samstag beim Symposium über die Digitalisierung des Figurentheaters zu debattieren, das wäre sicher sehr anregend geworden.   Von den geplanten Stücken wäre „Punch Agathe“ ein Highlight gewesen. Da die Finanzierung des Festivals über Erwarten gut lief, konnten wir uns diese Großproduktion als öffentlichen Straßenact leisten. Eine Gruppe mit 25 Personen, die zusammen mit der Militärmusik aufgetreten wäre, das wäre für mich – besonders als ehemaliger Militärverweigerer – eine einmalige Sache geworden.    Während der Hauptprobe mit dem grossen Kran erhielten wir von der Polizei die Benachrichtigung, dass die Aufführung am nächsten Tag wegen Corona nicht durchgeführt werden könne. So wurde die Probe quasi zu einer inoffiziellen Aufführung. Das war ein kleines Spektakel, welches uns ein Stück weit auch mit der Situation versöhnte. Die magische Altersgrenze zum Pensionsalter hast du zwar überschritten, aber ich habe nicht das Gefühl, dass du pensioniert bist… Nein, warum auch? Solange ich eigene weitere Projekte, Kurse oder Lehraufträge habe, geht das Theaterleben weiter, und ich freue mich auch darauf, dafür mehr Zeit zu haben. Ich wollte schon immer ein Stück über das Wesen des Schattens entwickeln, ein Stück für Erwachsene, das den Schatten zum Thema macht. Peter-Jakob Kelting, der ehemalige Leiter des Theater Tuchlaube und seit Sommer 2020 Leiter der Bühne Aarau, bot mir dafür die Alte Reithalle an, was bedeutet, das Projekt groß zu denken. Erst wollte ich mit weiteren Personen, Tänzer*innen und Theaterschaffenden, arbeiten. Ich habe Astride Schlaefli für die Regie und den Performer und Musiker Christian Kuntner für eine Zusammenarbeit angefragt. Dabei entstand die Idee, in dieser grossen Halle als kleiner Mann allein mit seinen Schatten zu spielen. Dieser Gegensatz ist für uns reizvoll! Wieso Schatten, was fasziniert dich daran? Zum Schatten bin ich über Ruedi Stössel gekommen, eine der Persönlichkeiten, die in meiner Jugendzeit am St. Galler Puppentheater tätig waren.    Der Schatten verfolgt dich bekanntlich überallhin, du wirst ihn nicht los. In der stockfinsteren Nacht vereinigt er sich mit der Dunkelheit, bei mehreren Lichtquellen vervielfältigt er sich hingegen. Er begleitet dich jeden Tag, von deiner Geburt bis zum Tod. Sogar nach deinem Tod ist der Schatten noch immer da. Was ist er also? Was von dir überlebt deinen Tod? Deine Seele stirbt nicht, also ist der Schatten vielleicht der Sitz deiner Seele. Schon Leonardo versuchte, durch Sezieren von Leichen den Sitz der Seele zu finden. Er fand sie nicht. Also sitzt sie wohl doch im Schatten. Schattentheater – das Theater der Seelen? Zuschauerraum Fabrikpalast Aarau. Foto: Hansueli Trüb

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ENGLISH SUMMARIES

S U MM A R I E S T H EM E OF D OUB LE 42: Inhe r i ti n g cu ltu re – t h e gen erat ion ch a nge i n the at re of t h in gs

thing", "Please replace everything immediately": this is often the paradoxical task for a new management. Florian Rzepkowski (Figurentheater Osnabrück) says that the change of generations in Osnabrück was like laying a foundation stone, i.e. keeping a constant balance between preserving what has been created internally and externally, and the need for new artistic approaches and results. Kora Tscherning (Meininger Staatstheater) speaks of generation change as an opportunity for further development, something which, however, requires sensitivity and strong nerves to succeed. Caroline Gutheil (Figurentheater Grashüpfer Berlin) relates that in her early days she often heard the sentence: 'But we've always done it this way! But that agreeing on artistic issues has helped to permit renewal and successfully manage the generation change.

Patr i cid e is ruled out ! Some thoughts on the transitions between generations (p. 6–7) By 2022 it will be a difficult task to find 500,000 people to take responsibility for the generation change-over in Germany. Small and very small companies in particular often see no alternative to closing down their activities, even though their owners often remain active until old age, which would allow a long perspective for the transition. How does puppet, figure and object theatre deal with this? Are there also concerns about generational change? Meike Wagner reflects on patricide in art, on collaborative forms of transition and on the fundamental question of whether art as an immaterial heritage is transferable at all. She believes that three basic patterns can be discerned in the transitions: a teacher/pupil model, a transitory limbo phase, and 'handing over of keys'.

When age does not matter Theater Kuckucksheim and Theater Salz+Pfeffer as multi-generation institutions (p. 21–22) For three decades, the Theater Kuckucksheim in Heppstädt near Erlangen in Franconia, and the Theater Salz+Pfeffer in Nuremberg have been firmly rooted in the region as owner-managed puppet theatres with their own venues, and their productions have been on the road both at home and abroad. Annika Gloystein reports how the programmes are being produced here across the generations. At the Kuckucksheim Theatre Stefan Kügel performs with his sons in joint productions, and emphasises that he never pushed for the theatre to become a family business. Fortunately it turned out that way because the impulse came from the young generation. In the Theater Salz+Pfeffer, the founders Wally Schmidt and Paul Schmidt have been working for several years with young staff members who bring their own background with them. The aim of the two theatre directors is always to create something new. I'm delighted that we have laid a foundation on which someone else can build. But I leave other people to decide what it is they want to build on", says Paul Schmidt.

Me e ti n g e ach ot h e r in play Artistic collaboration between parents and children (p. 8–11) Double has asked artists to provide a brief summary of the essence of working with their children. Eric Bass and his daughter Shoshana Bass discuss the extent to which his traces can still be found in his puppets which are now used by Shoshana, and how this affects his daughter when she performs with them on stage. Agnès Limbos describes how her children have been involved in her artistic life from the very beginning, and how it is only a logical consequence to interact with her sons on stage on topics like ''the ageing body'' or the interplay of music and performance. Anna Menzel and Hans-Jochen Menzel talk about the influence his artistic past and present have had on her artistic development, the challenges of interaction and how their humour always draws them together.

Coll ect, make avai lable, enri ch

A e s t h e t ic d iffusion

Transferring knowledge over generations in a museum (p. 23–26) When Manfred Wegner, head of the puppet theatre collection in the Munich City Museum, is asked how it might be possible to pass on and preserve his extensive knowledge of puppet theatre history after his departure in 2021, he talks about "putting a message in a bottle", "making it freely available" and "opening up an opportunity". The double-editor Meike Wagner talked with him about how he is trying to open up access to the materials slumbering in the museum to a specialist public in order to create and pass on further knowledge. This has nothing to do with directing an inquiring researcher, but precisely about the fact that the free development of research questions and perspectives leads to a productive enrichment of historical knowledge about puppet, figure and object theatre. The puppet theatre collection is well prepared for a generation change, and a successor will be able to draw on the expertise of the team, partially digitised holdings and lively exhibition concepts. It might also be the case that they want to re-arrange everything in a completely different way ...

How can we succeed in passing on the knowledge and art of puppetry and object theatre? (p. 12–17) Double asked experienced artists how it is possible to pass on the art of puppetry and object theatre to the next generation. The answers are varied, contradictory, imaginary and concrete: just like the generational change in the field that is now taking place. Katy Deville of the Théâtre de Cuisine sees herself as a "present partner" in the process of transition to the next artistic generation. Standing alongside, not in front or behind:, that is the kind of presence she has tried to develop over the years. Jean-Pierre Larroche of "Les Ateliers du Spectacle" says that a transmission simply happens in the collective action between older and younger puppeteers - without a plan or guidelines. So why should the question interest us? Neville Tranter talks about his initial experiences with puppetry and about his responsibility and joy in passing on his puppetry knowledge as a teacher to the next generation. And Ilsebyll Beutel-Spöri from the kleines spectaculum talks about the end of puppetry and the practical aspects of handing over her puppets to younger colleagues. They create something of their own from it.

SUMMARY OF THE SECTI ONS In the "Reflections" section Tom Mustroph and Christina Röfer investigate new forms of the joint presence of theatre and digitisation. While Mustroph analyses digital formats like virtual reality, messenger performances and multiplayer games and in doing so comes up against the phenomenon of a special form of shared time and corporeality, Röfer presents a few examples of productions which were created within the framework of the special funding programme "Configuration" that was set up by the Performing Arts Fund. Her article describes the ways in

B e tw e e n s te l la r fligh t a n d ba sic work Young figure theatre directors talk about the generation change in Osnabrück, Meiningen and Berlin (p. 18–20 What is it like for a young generation of puppet theatre directors to come to established institutions and be confronted with the contrast between traditional intransigence and the imperative dictates of change? "Please don't change a

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ENGLISH SUMMARIES

vals" section, "double" editor and festival director Tim Sandweg combines personal impressions with questions from six months planning work during the early COVID-19 period. The crisis has also left its mark on student projects. In the "Next Generation" section, Sascha Krieger describes how young artists are trying to transpose their productions into digital formats. Digital presentations of classical art forms are also a central theme in the sections on "Staging" and "Exhibitions". Franziska Reif describes a multimedia theatre circuit in Leipzig, called "The Temple": and Sarah Heppekausen presents the new exhibition project "Puppets 4.0", created by the German Forum for Figure Theatre and Puppetry in Bochum. Our issue ends with a new section: "Swiss Windows". The editors hope that this will at least fill the gap left by the the discontinuation of the Swiss theatre magazine "figura".

which puppeteers deal with digital game materials and the position of the human being in a digitalised environment. Needless to say, this issue is strongly influenced by current developments and it deals with various aspects of puppet theatre in the light of Corona. The "Politics" section brings together national and global perspectives on the current living and working situations of puppeteers. In a discussion with the "double" editorial team, puppeteers from three German states exchange views on current problems, opportunities and perspectives in the independent puppet theatre scene. Statements by artists from Israel, Argentina, Indonesia, Lebanon, Great Britain and South Africa make the full extent of the global crisis clear and describe the dramatic situation outside Europe. The international touring sector in particular has been severely affected by the effects of the Corona pandemic. In the "Festi-

Ausstellung „Halt!“, Die Klappe. Mechanisches Theater Göttingen, 2010. Foto: Münchner Stadtmuseum

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NOTIZEN

Auch in den aktuellen Notizen zeigen sich Folgen der Corona-Pandemie: Wo sonst die erste Festivalankündigung steht, gibt es diesmal eine Anmerkung zu einer hoffentlich einmaligen Saison des „(fast) alles anders”: Abgesagt bzw. verschoben wurden in der Zeit von Mitte März bis Redaktionsschluss die meisten der von uns angekündigten Festivals mit Schwerpunkt Figurentheater, wie Fidena in Bochum, Blickwechsel in Magdeburg, Synergura in Erfurt, Fratz in Berlin, Figura in Baden (Schweiz), Puppet International in Meppel (Niederlande), Mukamas International Festival (Finnland) und viele andere. Von den Veranstaltern bis Redaktionsschluss bereits bekanntgegebene Ersatztermine ab November 2020 finden sich im aktuellen Festivalkalender. Alle folgenden Veranstaltungsankündigungen, auch im Festivalkalender, stehen unter dem Vorbehalt möglicher Pandemie-Entwicklungen. Aktuelle Informationen unter den angegebenen Web-Adressen.

FESTIVALS Beim diesjährigen Unidram-Festival vom 3. bis 7. November 2020 erwarten das Publikum Theater- und Bilderwelten, die im Zusammenspiel unterschiedlicher Theaterformen entstehen – Labyrinthe, Schattenräume und Lichtgestalten, mechanische Apparaturen, Klangmaschinen und hybride Wesen. Mehr als 40 experimentierfreudige Künstler*innen aus Belgien, der Schweiz, Frankreich, Italien, Ungarn, Südkorea, Deutschland und Spanien werden das Festivalgelände in Potsdam wieder zu einem lebendigen Ort des Austausches machen. – www.unidram.de Die euro-scene Leipzig begeht vom 3. bis 8. November 2020 ihr 30-jähriges Jubiläum. Unter dem Motto „Alles nicht wahr“ zeigt das Festival zeitgenössischen europäischen Theaters und Tanzes zwölf Gastspiele aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Österreich, der Schweiz und Ungarn. Der österreichische Puppenspieler, Regisseur und Kunstpfeifer Nikolaus Habjan und die Musicbanda Franui werden das Festival mit der Deutschlandpremiere ihrer neuen Inszenierung nach Liedern von Georg Kreisler eröffnen. Und in einem Gastspiel des Schauspielhaus Graz steht Habjan erstmals gemeinsam mit seinem ehemaligen Lehrer Neville Tranter auf der Bühne. – www.euro‑scene.de Theater der Dinge 2020 – Internationales Festival des zeitgenössischen Figuren- und Objekttheaters steht in diesem Jahr unter dem Thema „Künstliche Körper”. Vom 3. bis 10. November 2020 sind in der Schaubude und weiteren Spielstätten in Berlin Inszenierungen zu sehen, die unter anderem die Auswirkungen der digitalen Transformationen auf unsere Vorstellungen und Bilder von Körpern befragen. Dafür begeben sie sich mit Hybriden, Robotern, Puppen und der eigenen Haut auf die Suche nach neuen Formen von Körperlichkeit. Neben Produktionen aus Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Katalonien und Österreich ist u. a. eine Preview des Kollektivs Manufaktor zu erleben. Ein Festival-Begleitprogramm und eine Ausstellung laden zu einer vertiefenden Auseinandersetzung mit dem Thema ein. – www.schaubude.berlin Das Festival El Més Petit wendet sich an Publikum im Kleinkindalter (0 bis 5 Jahre). Es findet vom 14. bis 29. November 2020 statt, in diesem Jahr teils vor Ort in Barcelona und anderen katalanischen Städten und teils im Netz unter der Überschrift „Petit on the Clouds”. Das internationale Treffen von Künstler*innen, Veranstalter*innen und Forscher*innen „International Encounter of Arts for Early Childhood” wird wegen der Pandemie komplett online durchgeführt und bietet vom 20. bis 21. November 2020

Vorträge, Diskussionen und die Möglichkeit für Networking unter www.elmespetitdetots.cat

Tagungen/Weiterbildung Nachhaltigkeit – diesem Thema widmet sich am 4. November 2020 eine Online-Werkstatt der Assitej in Zusammenarbeit mit der Bundesakademie für Kulturelle Bildung. Der Informations- und Inspirationstag für Theaterschaffende, Veranstalter*innen und Kulturvermittler*innen stellt sich der Frage, was Nachhaltigkeit im Theateralltag ganz praktisch heißen kann. Die Werkstatt findet online über Zoom statt. – www.bundesakademie.de/programm Ein Erstes Netzwerktreffen Figurentheatermacher*innen NRW findet am 11. November 2020 ganztägig im Figurentheater-Kolleg in Bochum statt. Eingeladen sind Kollektive und Einzelspieler*innen aus dem Bereich Figuren-, Objekt-, Masken-, Materialtheater und Digital Puppetry. Sie arbeiten in sehr unterschiedlichen Produktionsstrukturen, aus denen je spezielle Anforderungen an Proberäume, Technik, Material oder Auftrittsmöglichkeiten resultieren. Ziel des Treffens ist es, die NRWAkteur*innen des Genres zusammenzubringen, gemeinsame Interessen auszumachen, Vernetzung und Austausch innerhalb der Szene zu stärken und eventuelle Kooperationen anzustoßen. Anmeldung für die kostenfreie Teilnahme unter www.figurentheater-kolleg.de Die nächste Jahrestagung der Dramaturgischen Gesellschaft ist geplant für den 21. bis 24. Januar 2021 in Dortmund – auf Einladung der Akademie für Theater und Digitalität und des Theaters Dortmund. Das Thema „Performing Arts und Digitalität” stand lange fest, erhält aber mit der Corona-Pandemie und der daraus resultierenden vorübergehenden Schließung der Theater besondere Dringlichkeit. – www.dramaturgische-gesellschaft.de Das Figurentheater-Kolleg Bochum bietet im Winterhalbjahr sowohl Präsenzkurse als auch Online-Workshops an. Die Spannbreite frei belegbarer Kurse reicht von Bau und Spiel im Miniaturtheater (Alice Therese Gottschalk) über Arbeit mit Erinnerungsobjekten (Gilbert Meyer), Grundlagen des Handpuppenspiels (Lutz Großmann), bis hin zu einem Forschungsseminar Digitale Medien und Figurentheater. Im Frühjahr 2021 startet dann wieder die Fortbildung Figurentheater mit dem Orientierungskurs, einer kompakten mehrwöchigen Einführung in das Genre. Komplettes Programm unter www.figurentheater-kolleg.de

jubiläen Sein 25-jähriges Bestehen feierte Das Papiertheater, Nürnberg, mit der Eröffnung einer Ausstellung zum Thema „Gesellschaftsinszenierungen” und mit der Premiere einer neuen Inszenierung: „Geschichtenverwirrung”. Gesellschaftsinszenierungen als besonderer Theaterform soll sich auch ein für 2021 geplantes Werk-Buch widmen. www.daspapiertheater.de Zur Jubiläumsausgabe lädt Tricky Women/Tricky Realities vom 10. bis 14. März 2021 nach Wien ein. Gefeiert werden unter dem Motto „We will be back with glitter and glory!” 20 Jahre leidenschaftliches Engagement für die Sichtbarkeit von Animationsfilmkünstler*innen sowie die herausragende Position des Festivals, das einen einzigartigen Überblick über das Animationsfilmschaffen von Künstler*innen aus aller Welt gibt. – https://trickywomen.at

aktionen Das FITZ Zentrum für Figurentheater Stuttgart, die Schaubude Berlin und der Westflügel Leipzig schließen sich zur Allianz internationaler Produktionszentren für Figu-

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rentheater zusammen – mit dem Ziel kontinuierlicher künstlerischer Kooperation zwischen den drei Standorten. Die bisher temporär zusammenarbeitenden Häuser für freischaffend produziertes Figuren- und Objekttheater wollen künftig Kräfte bündeln, um lokalen, nationalen und internationalen Projekten die Möglichkeit auch länderübergreifender Kooperationen und Aufführungsmöglichkeiten zu bieten. Zudem verstehen sie sich als Plattform für den Austausch und wollen u.a. neue Vermittlungsstrategien, Mentoring-Programme und Fortbildungen entwickeln bzw. fördern. Zum Auftakt ist für 2021 ein Showcase in Leipzig geplant. Näheres und Einsicht in die Gründungserklärung unter www.fitz-stuttgart.de – www.schaubude.berlin – www.westfluegel.de Vom Deutschen Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst (dfp), der Union International de la Marionnette, Zentrum Deutschland (UNIMA) und dem Verband Deutscher Puppentheater (VDP) wurde eine gemeinsame Steuerungsgruppe Masterplan Figurentheater ins Leben gerufen, die in Zeiten der Krise die Idee eines Masterplans zur bundesweiten Stärkung der Kunstform mit Nachdruck voranbringen soll. Dafür lädt sie interessierte Profis und Interessent*innen aus den Bereichen Figurenspiel, Theaterwissenschaft, Ausbildung und Veranstaltungsorganisation zur Mitwirkung in verschiedenen Arbeitsgruppen ein. Details und Kontakte auf dem Portal www.fidena.de oder unter www.vdp-ev.de Die Puppentheatersammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) erhielt 2020 eine Schenkung aus Privatbesitz: Ein Marionetten-Liebespaar von Roland Ritscher aus einer vermutlich zwischen 1910–1920 entstandenen, mit Jazzmusik unterlegten Szene. Die beiden im Fundus des Theaters einzigartigen Neuzugänge sind eine wertvolle Ergänzung des von Roland Ritscher im Jahr 2003 fast vollständig an das SKD übergebenen Marionettentheaters Ritscher, eines der letzten Vertreter des Wandermarionettentheaters. Eine derartig vollständige Übernahme eines Marionettentheaters durch ein Museum ist außerordentlich selten. – www.skd.museum

FÖRDERUNG Der Fonds Darstellende Künste legt als Beitrag zu Erhalt und Stabilisierung der vielgestaltigen Freien Darstellenden Künste das umfassende Maßnahmenpaket #TakeThat auf. Die Förderprogramme sind offen für Künstler*innen, Produktionsorte und Festials aller Sparten. Mit der Maßnahme #TakeCare z.B. werden Recherchen zur Generierung von Inhalten und zukünftigen Konzeptentwicklungen sowie Tätigkeiten, die auf die Stabilisierung der künstlerischen Aktivitäten ausgerichtet sind, gefördert. Dieses Programm wendet sich ausdrücklich an professionell arbeitende Künstler*innen und Kollektive. Die nächste Antragsfrist ist der 1. Februar 2021. – www.fonds-daku.de

publikationen Unter dem Titel Werner Perrey. Der Kieler Kasper erschien im März 2020 eine Recherche der Historikerin Jutta Matz über einen der wichtigsten norddeutschen Puppenspieler der 1920er Jahre. Erhältlich ist das Buch als Book on Demand. – ISBN-13: 9783750487208 20 éditions d'un festival d'exception: Festival mondial des théâtres de marionnettes (FMTM) de Charleville-Mézières heißt ein im September 2020 beim Verlag Èditions noirs terres erschienenes Buch über das international renommierte Festival. Die von Nathalie Diot, Anne-Françoise Cabanis, Céline Lecomte und Angel Garcia herausgegebene fotografische Retrospektive auf bisher 20 Festivalausgaben untersucht im begleitenden Text, wie deren Programmgestaltung im Lauf der Jahre zur


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NOTIZEN

Entwicklung und Anerkennung der Puppenspielkunst in Frankreich und weltweit beigetragen hat. – ISBN 978-2900446-30-0 Parallel zu den Ereignissen der Coronakrise hat das seit 30 Jahren bestehende Festival des Freien Theaters Impulse, das selbst ausfallen musste und teilweise ins Netz verlegt wurde, eine Publikation konzipiert: „Lernen aus dem Lockdown? – Nachdenken über Freies Theater“ erschien im Oktober 2020 im Alexander Verlag Berlin. Die Publikation versammelt Beiträge von Akteur*innen der Freien Szene und der Kulturpolitik über die Erkenntnisse, Ideen und Forderungen, zu denen die Coronakrise sie geführt hat. Herausgegeben von Haiko Pfost, Wilma Renfordt, Falk Schreiber für das NRW Kultursekretariat. – ISBN 978-3-89581-536-2 22 internationale Autor*innen haben 20 verschiedene kleine Welten geschaffen, in deren Zentrum die Reaktion junger Menschen auf die Herausforderungen der Pandemie-Situation stehen: Homebound. 20 Minidramen für Neue Formate. Die Sammlung liegt in den Originalsprachen (Deutsch/Englisch/Französisch/Italienisch) und in einer übersetzen Fassung vor. – www.theaterstueckverlag.de Mit „Gesten der Ver|Ähnlichung im Spiel der Dinge” befasst sich ein Beitrag von Jessica Hölzl in dem von Veronika Darian und Peer de Smit herausgegebenen Band Gestische Forschung. Praktiken und Perspektiven. Thematisiert wird in der Publikation Gestisches unter anderem als Suchbewegung in performativen Konstellationen, als formales Element von Sprache und Dichtung, als Duktus des Zeichnens, als Figur des Denkens ... Neofelis Verlag Berlin 2020. – ISBN 978-3-95808-246-5

preise & personen Der Schweizer Theaterpreis 2020 ging an die Puppenspielerin, Regisseurin und Schauspielerin Kathrin Bosshard. Die Absolventin der Abteilung Puppenspielkunst an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch” Berlin gründete vor 20 Jahren das Theater Fleisch + Pappe, mit dem sie eigene Projekte sowie Koproduktionen realisiert. – www.fleischundpappe.ch Zwei Künstler*innen aus der Figurentheaterszene Deutschlands gehören zu den Preisträger*innen des deutsch-französischen Fonds Transfabrik 2020: Die Projekte „Blocken und Schlagen” von Rafi Martin/Tangram Kollektiv (Stuttgart) und „Hero” von Tibo Gebert/ Numen Company (Berlin) werden mit jeweils 10.000 Euro gefördert. – www.fondstransfabrik.com Neuer Geschäftsführer und Künstlerischer Leiter des Dresdener Societaetstheaters – des ältesten Theaterhauses in Dresden – ist der Puppenspieler, Regisseur, Schauspieler und Autor Heiki Ikkola. Er war von 1999 bis 2005 Künstlerischer Leiter des Puppentheaters im Theater Junge Generation Dresden und jahrelang mitverantwortlich für den internationalen Scheune-Schaubuden-Sommer. 2006 gründete er mit Sabine Köhler die Compagnie Freaks und Fremde, ein Objekt- und Puppentheater mit Schwerpunkt internationale Zusammenarbeit und Recherche. – www.societaetstheater.de

gestorben Der Solopuppenspieler Frieder Simon, der mit seinem „Original Kunstfiguren- & Casper-Theater Lari Fari“ eine zwischen Tradition und Zeitgenossenschaft angesiedelte Figur schuf, ist am 20. Juni 2020 in Halle gestorben. Einen Nachruf drucken wir in der double-Ausgabe April 2021.

Am 6. August 2020 verstarb die italienische Schauspielerin, Autorin und Mitbegründerin der Bologneser Kindertheaterkompanie La Baracca, Valeria Frabetti, im Alter von 72 Jahren. Mit ihrem engagierten Einsatz für ein Theater, das sich – bild-, sound- und materialbetont – an sehr junges Publikum wendet, gehörte sie zu den prägenden Persönlichkeiten des Kinder- und Jugendtheaters.

festivalkalender Mit * sind Ersatztermine der wegen der Corona-Pandemie ausgefallenen Festivals gekennzeichnet. 03.11.–07.11.2020 Potsdam (Deutschland) Unidram. Internationales Theaterfestival www.unidram.de 03.11.–08.11.2020 Leipzig (Deutschland) euro-scene Leipzig 30. Festival zeitgenössischen europ. Theaters und Tanzes www.euro-scene.de 03.11.–10.11.2020 Berlin (Deutschland) Internationales Festival Theater der Dinge www.schaubude.berlin 14.11–29.11.2020 Barcelona und andere katalanische Städte El Més Petit de Tots. Festival für sehr junges Publikum www.elmespetitdetots.cat 17.11.–22.11.2020 Tournefeuille (Frankreich) Festival Marionnettissimo www.marionnettissimo.com 2021 28.01.–06.02.2021 Edinburgh Manipulate. Festival of Visual Theatre and Animated Film www.manipulatefestival.org

07.05.–16.05.2021 Erlangen, Nürnberg, Fürth, Schwabach (Deutschland) internationales figuren.theater.festival www.figurentheaterfestival.de 20.05.–29.05.2021* Saarbrücken (Deutschland) Festival Perpectives www.festival-perspectives.de 03.06.–06.06.2021* Altmorschen, Kloster Haydau (Deutschland) Blickfang. Internationales Figurentheater-Festival www.kultursommer-nordhessen.de 05.06.–13.06.2021* Hamm & Region Hellweg (Deutschland) hellwach. Internationales Theaterfestival für junges Publikum www.helios-theater.de 19.06.–26.06.2021* Magdeburg (Deutschland) Internationales Figurentheaterfestival Blickwechsel www.blickwechselfestival.de 17.09.–26.09.2021 Charleville-Mézières (Frankreich) Festival Mondial des Théâtres de Marionnettes www.festival-marionnette.com 24.09.–03.10.2021 Husum (Deutschland) Pole Poppenspäler Tage. Internationales Figurentheaterfestival www.pole-poppenspaeler.de 04.11.–07.11.2021 Dülmen (Deutschland) Figurentheatertage www.profi-ev.de/figurentheatertage 2022

06.02.–21.02.2021 Göttingen (Deutschland) Göttinger Figurentheatertage www.figurentheatertage.goettingen.de

03.02.–13.02.2022 Stuttgart, Mannheim u. a. (Deutschland) IMAGINALE. Internationales Theaterfestival animierter Formen www.imaginale.net

04.05.–09.05.2021 Stuttgart (Deutschland) Internationales Trickfilm-Festival www.itfs.de

März 2022 Karlsruhe (Deutschland) Figurentheaterfestival marottinale www.marotte-figurentheater.de

16.04.–21.04.2021 Berlin (Deutschland) Augenblick mal! Festival des Theaters für junges Publikum www.augenblickmal.de

Mai 2022 Bielsko-Biała (Polen) International Festival of Puppetry Art Banialuka www.festiwal2020.banialuka.pl

04.05.–23.05.2021 Lissabon (Portugal) FIMFA Lx21. International Festival of Puppetry and Animated Forms www.tarumba.pt

21.06–26.06.2022 Baden (Schweiz) Figura. Internationale Biennale des Bilder-, Objekt- und Figurentheaters www.figura-festival.ch September 2022 Erfurt (Deutschland) Synergura. Internationales Puppentheaterfestival www.waidspeicher.de

06.05.–14.05.2021* Hohenems (Österreich) 30 Jahre Homunculus www.homunculus.info

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IMPRESSUM

AUTOR*INNEN Eric Bass, Puppenspieler, Regisseur und Dozent, Putney/Vermont (USA) / Shoshana Bass, Performerin, Choreographin und Dozentin, Putney/Vermont (USA) / Ilsebyll Beutel-Spöri, Figurenspielerin, Asperglen / Silvia Brendenal, Theaterwissenschaftlerin und freie Autorin, Sarmstorf / Franziska Burger, Theaterwissenschaftlerin und Dozentin an der Hochschule der Künste Bern / Katy Deville, Objekttheaterspielerin und Regisseurin, Marseille / Annika Gloystein, Theaterwissenschaftlerin und Kulturmanagerin, Erlangen / Caroline Gutheil, Künstlerische Leiterin des Figurentheaters Grashüpfer, Berlin / Sarah Heppekausen, freie Autorin und Theaterkritikerin, Bochum / Ute Kahmann, Figurenspielerin und Regisseurin, Berlin / Anne-Kathrin Klatt, Figurenspielerin, Regisseurin und Dozentin, Tübingen / Sascha Krieger, Theaterblogger, www.stagescreen.de, Berlin / Jean-Pierre Larroche, Objekttheaterspieler, Regisseur, Szenograf und Architekt, Paris / Agnès Limbos, Objekttheaterspielerin, Regisseurin und Dozentin, Brüssel / Anna Menzel, Puppenspielerin und Regisseurin, Berlin / Hans-Jochen Menzel, Puppenspieler, Regisseur und Dozent, Berlin / Tom Mustroph, freier Autor und Dramaturg, Berlin / Franziska Reif, freie Journalistin, Leipzig / Christina Röfer, Projektleiterin beim Fonds Darstellende Künste, Berlin / Florian Rzepkowski, Leiter des Figurentheaters Osnabrück / Tim Sandweg, Künstlerischer Leiter der Schaubude Berlin / Katja Spiess, Leiterin des FITZ! Zentrum für Figurentheater, Stuttgart / Jacqueline Surer, Figurenspielerin und Co-Leiterin der Figurentheatersparte des Theater Luzern / Neville Tranter, Puppenspieler, Regisseur und Dozent, Amstelveen / Hansueli Trüb, Figurentheatermacher und Dozent, Aarau (Schweiz) / Kora Tscherning, Direktorin der Puppentheatersparte des Staatstheaters Meiningen / Dr. Meike Wagner, Professorin für Theaterwissenschaft an der Universität Stockholm / Manfred Wegner, Leiter der Sammlung Puppentheater / Schaustellerei des Münchner Stadtmuseums / Stephan Wunsch, Figurenspieler und Regisseur, Aachen Übersetzungen Summaries: Roy Kift / Endkorrektur: Martina Schnabel

Impressum double. Magazin für Puppen-, Figuren- und Objekttheater Herausgegeben vom Deutschen Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst, Bochum – www.fidena.de Das Magazin erscheint in redaktioneller Verantwortung des Vereins zur Förderung der Kunst und Kultur des Puppen-, Figuren- und Objekttheaters (V.i.S.d.P.) und in Zusammenarbeit mit dem Verlag „Theater der Zeit“. Redaktion: Mascha Erbelding, Annika Gloystein, Anke Meyer (Redaktionsleitung), Christina Röfer, Tim Sandweg (verantw., Thema), Katja Spiess (verantw., Thema), Dr. Meike Wagner (Thema) // Redaktion Schweizer Fenster: Franziska Burger, Jacqueline Surer Redaktionsanschrift: Redaktion double, Postfach 10 20 32, 44720 Bochum Telefon 0234.950 629 65 // mail@double-theatermagazin.de Gestaltung: Robert Voss, Halle (Saale) Verlag: Theater der Zeit, Berlin – www.theaterderzeit.de Bezug: double ist erhältlich – als Beilage der Abonnenten-Auflage von „Theater der Zeit“ – als gesondertes double-Abonnement: zwei Ausgaben double und zwei Ausgaben Theater der Zeit für 16 EUR pro Jahr (Ausland zzgl. 6 EUR Porto) – als Einzelausgabe, gedruckt oder als pdf-Datei Abo-Service: 030.4435 285-12 oder über www.theaterderzeit.de Anzeigen: Deutsches Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst, Hattinger Straße 467, 44795 Bochum, Telefon: 0234.4 77 20 // info@fidena.de Druck: Herstellungsagentur und Verlagsservice Schneider, Jesewitz Alle Rechte bei den Autoren und der Redaktion, Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion. Für unaufgefordert eingesandte Bücher, Fotos und Manuskripte übernimmt die Redaktion keine Haftung. Bei Nichtlieferung infolge höherer Gewalt oder infolge von Störungen des Arbeitsfriedens bestehen keine Ansprüche gegen den Herausgeber oder den Verlag. Die double-Redaktion bemüht sich um gendergerechte Sprache, belässt dabei aber den Autor*innen ihre individuelle Form der Umsetzung. Die Artikel der Rubrik „Schweizer Fenster“ folgen der Orthografie des Schweizer Hochdeutschs. Redaktionsschluss für das vorliegende Heft war der 28. August 2020. double 43 erscheint im April 2021. Redaktionsschluss für diese Ausgabe ist der 28. Januar 2021. Das Thema des nächsten Hefts ist „Barrieren-frei“. www.double-theatermagazin.de – www.fidena.de – www.theaterderzeit.de

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