300 Jahre Theater Erlangen. Vom hochfürstlichen Opern- und Komödienhaus zum Stadttheater der Zukunft

Page 1

Karoline Felsmann und Susanne Ziegler (Hrsg.)

Jahre Theater Erlangen Vom hochfĂźrstlichen Opernund KomĂśdienhaus

zum Stadttheater der Zukunft


»Ihr Theater ist aus Holz gebaut, man kann in ihm spielen wie auf einer Stradivari, alle Musik des Herzens zum Tönen bringen.« Jean Cocteau


300 Jahre Theater Erlangen



300 Jahre Theater Erlangen Vom hochfĂźrstlichen Opernund KomĂśdienhaus zum Stadttheater der Zukunft Herausgegeben von Karoline Felsmann und Susanne Ziegler


Inhalt

Vorwort

S. 7

Hans Magnus Enzensberger Der Elefant im Schnürboden

S. 62

Susanne Ziegler Eine kurze Geschichte des Theater Erlangen

S. 8 Susanne Ziegler Menschen, Tiere, Sensationen Tierisches Theatervergnügen auf der Bühne

S. 64

Vor den Kulissen Das Markgrafentheater in Bildern

S. 16

Susanne Ziegler Film ab. Kamera läuft. Und action! Das Markgrafentheater als barocke Filmkulisse

S. 66

Clemens Risi Elefanten in Erlangen? Mediale Zugänge zur Eröffnung des »grossen Theatro zu Christian=Erlang« 1719

S. 22

S. 72

S. 29

Wolfgang von Rimscha Das Erlanger Theater 1974 bis 1989

Dorothea Pachale Das Theater im Archiv Fragen nach seiner historiografischen Zugänglichkeit

S. 74

Susanne Ziegler Von Teufelsweibern im Parnaß Über die Theatermäzenin Wilhelmine von Brandenburg-Bayreuth

S. 35

Bernd Böhner Die Ära Manfred Neu von 1974 bis 1989 Ein Fotoessay Linda Best »Da will ich landen!« Winfried Wittkopp, Ehrenmitglied des Theater Erlangen

S. 89

Ruprecht Kamlah »Das Spiel in Erlangen ist jedes Mal ein Fest« Der »Gemeinnützige Theaterund Konzertverein Erlangen – gVe« von 1876 bis heute

S. 41

Andreas Jakob »Moralische Sanierung des Volkskörpers« Das Erlanger Theater im Nationalsozialismus

S. 47

Hans-Friedrich Bormann Zwischen Abriss und (Re-)Konstruktion Erlanger Theaterpolitik in den Jahren 1956 bis 1959

S. 51

Susanne Ziegler S. 92 »Wo nix is, is a Chance« Ein Gespräch mit dem Regisseur, Schauspieler und Dramaturgen Hannes Rossa

Udo Eidinger S. 56 Zweiundzwanzig wilde Jahre des (nicht) Erwachsenwerdens Studententheater in Erlangen von der Nachkriegszeit bis 1968

Michael von Engelhardt Bürgerschaftliches Engagement für das Theater Der Förderverein Theater Erlangen

S. 93

Karoline Felsmann Für Kinder und Erwachsene Weihnachtsmärchen im Markgrafentheater

S. 101

Herbert Heinzelmann Tolle Tänze durch die Zeit Vom Barockfest zu den Erlanger Kultur-Festivals

S. 104

Ein Theater im Herzen der Stadtgesellschaft I Der ehemalige Oberbürgermeister Dietmar Hahlweg im E-Mail-Interview

S. 107

Thomas Reher Wir können nur auf der Bühne gewinnen Die Ära Andreas Hänsel in den Jahren 1989 bis 1998

S. 109

Andreas Hänsel Lettera alla Federica Sofia Guglielmina Ein Brief an Wilhelmine

S. 115

Das Theater vor dem Aus?

S. 121

Intendanzwechsel 1997/1998

S. 122

Johannes Blum Coffee and Cigarettes Die Intendanz von Hartmut Henne ab 1999

S. 124

Marc Becker und S. 128 André Studt Herr Studt und Herr Becker verabreden sich um Punkt sechs im Erlanger Theatercafé, um gemeinsam über ein Geburtstagsgeschenk zur 300Jahrfeier vom Markgrafentheater nachzudenken Intensiv und aufwühlend Weggefährt*innen erinnern sich an die Zeit mit dem Intendanten Hartmut Henne

S. 130

Bodo Birk Ganz und gar für das Theater gelebt Rede zur Trauerfeier um Hartmut Henne (2001)

S. 133

Ein Theater im Herzen der Stadtgesellschaft II Der ehemalige Oberbürgermeister Siegfried Balleis im E-Mail-Interview

S. 135


Inhalt

Dieter Rossmeissl Ein Theater auf dem Weg zu sich selbst Im Jahr 2001 wurde das Theater Erlangen selbständig

S. 137

Sabina Dhein das theater erlangen 2002 bis 2009

S. 139

Robert Mattheis Theater braucht Sprungkraft Sieben Jahre Intendanz Sabina Dhein

S. 141

Maximilian Löwenstein Wir waren keine Helden Zwei kurze Jahre als Schauspieler in Erlangen

S. 147

Manfred Koch Hundertprozent live Ungeordnete Erinnerungen eines Kritikers

S. 179

Wiebke Goldhammer Der Glamour-Faktor Stars und Sternchen im Markgrafentheater

S. 180

Aus den Gästebüchern des gVe Eine Collage von 1960 bis 1981

S. 181

Holger Watzka Schritte aus der Realität Die Kooperationen mit dem E-Werk

S. 186

S. 187

Die treibende Kraft der Kunst Im Gespräch mit Intendantin Katja Ott

S. 148

S. 155

Silvia Buhr Erlanger Theaterplakate im Wandel der Zeiten

S. 188

Linda Best Die Bühne als Ort der Debatte Die Regisseurin Katja Ott

Von versteckten Kameras, Rum am Morgen und berühmten Kobolden Theatergäste im Hotel

S. 196

Linda Best Vom Schmalzbrot zu den Fantastischen Vier Das Theatercafé

S. 197

Karoline Felsmann Die Kulisse – gleich gegenüber vom Theater Mehr als eine Theaterkantine

S. 198

Ein Theater im Herzen der Stadtgesellschaft III Oberbürgermeister Florian Janik im E-Mail-Interview

S. 200

»Theater für alle« ist keine Sozialromantik Referentin für Bildung, Kultur und Jugend Anke SteinertNeuwirth im E-Mail-Interview

S. 202

Hinter den Kulissen Eine Fotostrecke

S. 160

Susanne Ziegler Vom Kulissenwagen zur Büchse der Pandora Notizen über den Bühnenzauber

S. 170

Dieter Stoll S. 173 Trojanisches Pferd im Galopp oder: Wie das kleine Schlauchboot zum Schlepper wurde Herbert Heinzelmann Warten und frieren Ein Kritiker im Markgrafentheater

S. 205

Karoline Felsmann S. 208 Wer ans Theater geht, sollte Visionen haben Über ein Stadttheater der Zukunft

Tina Dico Solo auf Tour Über das Ankommen

Robert Naumann S. 159 Ein ganz besonderer Ort Lehrjahre auf der Erlanger Bühne

Arne Seebeck und Susanne Ziegler Making of »#Meinungsmacher« Eine Theaterinszenierung entsteht

Camilla Schlie Lieber die Kultur in der Hand als die Kunst auf dem Dach Vermittlungsarbeit im Theater

S. 211

Johannes Mann Auswärtsspiele der besonderen Art Die Begegnungen von Theater und Kirche

S. 213

Antonia Ruhl Von der Guckkastenzur Mitmachbühne

S. 215

Angela Löer Abschaffen und Anfangen. Eine Reise durch Erlangen mit sieben Mülltonnen Ein partizipatives Stadtteilprojekt von Turbo Pascal

S. 217

Daniel Ris Zur Entstehung des Leitbilds am Theater Erlangen

S. 219

Alle Inszenierungen des Theater Erlangen seit 2009/2010

S. 223

Danksagungen

S. 237

Bildnachweise

S. 238

Impressum

S. 239

S. 176



Vorwort

300 Jahre Theater Erlangen –

Dieses Buch begibt sich auf Zeitreise: vom hochfürstlichen Opern- und Komödienhaus zum Stadttheater der Zukunft, vom höfischen Theater zum Studententheater der wilden 1968er Jahre, vom reinen Gastspielbetrieb zum eigenen Ensemble. Ob Markgraf Georg Wilhelm von Brandenburg-Bayreuth im Jahre 1719 ahnte, wie lange sein Theater die Zeiten überdauern würde? Und welche Irrungen und Wirrungen das Haus und die Erlanger Bürger*innen über drei Jahrhunderte in Aufregung versetzen sollten? Wie Theater immer ein Ort des Geschichten-Erzählens ist, erzählt auch dieses Buch Theaterhistorie durch Geschichten: persönliche Erinnerungen aus unterschiedlichsten Blickwinkeln, so bunt gefärbt wie die Theaterleute selbst. Ein Buch, das Heiteres und Ernstes nebeneinanderstellt und zum Blättern wie zum genauen Lesen einlädt. Es sind so viele Geschichten, dass man, wollte man sie alle niederschreiben, wohl ein ganzes Bücherregal damit füllen könnte. Einige Bücher stehen dort bereits – Rückblicke auf verschiedene Intendanzen oder Theaterepochen. Nun 300 Jahre erlebbar zu machen, ist eine ganz neue Herausforderung gewesen. Trotz der vielen Originaldokumente in Bibliotheken, Stadt- und Privatarchiven, all der Gespräche, die wir führen durften, bleiben »Lücken, die der Teufel lässt«, Fragen, die offenbleiben, Unerzähltes, das wert gewesen wäre, berichtet zu werden. Und die Geschichte ist noch offen: So spannend und horizonterweiternd der Blick zurück war, so neugierig sind wir auf das, was kommen wird. Unserer Einladung, sich an Vergangenes zu erinnern und Aktuelles zu beschreiben, sind viele Wegbegleiter*innen des Erlanger Theaters aus Kunst, Politik, Wissenschaft und den Vereinen gefolgt. Ein herzlicher Dank geht daher insbesondere an alle Gesprächspartner*innen und Autor*innen, an die Stadt Erlangen für die finanzielle Unterstützung des Jubiläumsjahrs 2019 und den Förderverein Theater Erlangen sowie die Intendantin Katja Ott, die das Buch vertrauensvoll in unsere Hände legte.

Es bleibt alles anders

Viel Vergnügen wünschen wir Ihnen nun beim Entdecken und Erinnern! Karoline Felsmann und Susanne Ziegler

7


Susanne Ziegler

Eine kurze Geschichte des Theater Erlangen Nichts ist so beständig wie der Wandel. Diese Erkenntnis Heraklits trifft nicht nur auf die Theaterkunst an sich, sondern auch auf die Geschichte des Theater Erlangen zu. Denn gewandelt und weiterentwickelt hat es sich immer wieder – in der Form, der technischen Ausstattung, der Gestaltung und der inhaltlichen Ausrichtung. Selbst seinen Namen änderte das Theater über die Jahrhunderte und spiegelte damit das jeweilige Selbstverständnis der Theatermacher und des Publikums wider.

Die Eröffnung und die Markgrafenzeit Alles nahm seinen Anfang, als der Markgraf Georg Wilhelm von Brandenburg-Bayreuth mit seiner theaterbegeisterten Gattin Sophia das »Hochfürstliche Opern- und Komödienhaus« erbaute und am 10. Januar 1719 mit der Oper »Argenis und Poliarchus« eröffnete. Das Theater, nördlich des Schlosses mit dem nach Westen anschließenden Redoutenhaus und dem Marstall städtebaulich eingebunden, blieb zunächst dem höfischen Publikum vorbehalten, einfache Bürger nahmen stattdessen Vorlieb mit den u. a. in Gasthäusern auftretenden Wandertruppen. Ein neues Kapitel der Erlanger Theatergeschichte schlug nur wenige Jahrzehnte später die mit Friedrich III. verheiratete, künstlerisch vielfältig begabte Markgräfin Wilhelmine auf. Auf ihr Geheiß wurde der venezianische Theatermaler und -architekt Giovanni Paolo Gaspari engagiert, um den modernen Zeitgeist des Rokoko im Theater zu etablieren. In nur einem Jahr wurden seine Pläne umgesetzt und der Innenraum so gestaltet, wie wir ihn heute kennen: Der Baldachin mit den beiden weiblichen Hermen rahmt die fürstliche Mittelloge ein, ionische Pilaster und plastische Engelsköpfchen dekorieren die Proszeniumslogen. Die nur wenigen architektonischen und plastischen Eingriffe lenken den Fokus vor allem auf die blau-gelbgoldene Farbgebung. Insgesamt nimmt sich der Zuschauerraum eher bescheiden aus, das Markgrafenpaar tritt mehr als Liebhaber der Kunst denn als fürstliche Herrschaft in Erscheinung. 1744 konnte das »berühmte neue Theatro« mit dem Singspiel »Sirace« neu eröffnet werden; Wilhelmine selbst dirigierte und inszenierte viele Aufführungen. Für die Erlanger Bürger öffneten sich die Tore des Theaters erst nach dem Tode Wilhelmines und zu Lebzeiten der zweiten Ehefrau Friedrichs, Sophie Caroline. Sie frönte ihrem Faible für Mozart, ermöglichte aber auch Gastspiele mit zeitgenössischer Dramatik, wie etwa Lessings »Minna von Barnhelm«, Goethes »Clavigo« oder, nur ein Jahr nach dessen Uraufführung in Mannheim, 1783 Schillers »Räuber«.

8


links oben: Seite aus dem Libretto zu »Sirace«: Musikalisches Singspiel, aufgeführt 1744 in Erlangen links unten: Theaterzettel zu Lessings »Minna von Barnhelm«, 1780 rechts oben: Theaterzettel zu Mademoiselle Marianis Drahtseil-Kunst, 1785 rechts unten: Theaterzettel zu Shakespeares »König Lear«, 1786

Eine kurze Geschichte des Theater Erlangen

9


Eine kurze Geschichte des Theater Erlangen Zwischen-Zeiten: Das Königliche Universitätsspielhaus und Erlanger Stadttheater

links: Langes Haus, Redoutensaal und Markgrafentheater in Erlangen Randbild aus Stadtplan von Johann Baptist Homann, 1721 oben rechts: Brief des Theaterdirektors Johann Kalchner an die Universitätsverwaltung, 1836 unten rechts: Theaterzettel zur »Kunstvorstellung«, 1844

Mit dem Ende der Markgrafenzeit fiel das Theater an das Königreich Bayern. Ludwig I. vermachte es 1818 neben anderen Gebäuden der Universität. Dem »Königlichen Universitätsschauspielhaus«, einmalig in der deutschen Universitätsgeschichte, war jedoch kein Erfolg beschieden. Immer wieder fehlte es an Geld für dringend nötige Ausstattungen, oft war es bitterkalt im Zuschauerraum. Da auch das Publikum weitgehend ausblieb, verkaufte die Universität das Theater 1838 an die Stadt, die das »Erlanger Stadttheater« mit Daniel-François-Esprit Aubers Oper »Die Stumme von Portici« wiedereröffnete. Regionale Theatergesellschaften aus Nürnberg, Würzburg und Bamberg sowie die Hoftheater aus Darmstadt, Gera und München bespielten fortan das Haus. Ein Verlustgeschäft, standen die Besucher doch nicht gerade Schlange und die üppige Pacht für die Nutzung des Hauses tat ein Übriges, um die Künstler nicht allzu lange in der Markgrafenstadt zu halten.

Die Anfänge des gVe und das Theater im beginnenden 20. Jahrhundert Die Wende brachte der 1876 gegründete »Gemeinnützige Theater- und Konzertverein Erlangen« (gVe). Im Auftrag der Stadt wurde er Betreiber des Theaters und sorgte dank seiner tatkräftigen Mitglieder für den Gastspieleinkauf und dringend nötige bauliche Veränderungen. Nun ging es aufwärts: Mit einer neuen Bestuhlung, Gasbeleuch-

10


Eine kurze Geschichte des Theater Erlangen Die NS- und Nachkriegszeit

tung, Dampfheizung, dem Bau eines Dekorationshauses, dem Tieferlegen des Orchesters sowie der Erhöhung des Daches für neue Züge wurde das Theater modernisiert. Selbst große Opern wie die »Meistersinger von Nürnberg« zum 25-jährigen Bestehen des Vereins 1901 konnten nun realisiert werden. Die Stadttheater Nürnberg und Bamberg sowie das Intime Theater Nürnberg gaben sich die Klinke in die Hand und die eingeführten Abonnements fanden immer mehr Zuspruch. Auch die Stadt leistete nun ihren Beitrag: Nach dem Ersten Weltkrieg bezuschusste sie die Vorstellungen und stellte das spielfertige Haus zur Verfügung. Das Theater wandelte sich zum echten Bürgertheater, denn feste Angestellte gab es damals nicht: Der gVe-Schatzmeister saß an der Theaterkasse, in der Beleuchterloge ein Abgesandter des Elektrizitätswerks, an den Zügen die Erlanger Zimmermeister und Soldaten der Garnison traten als Statisten auf. In den 1920er und -30er Jahren waren auch die großen Bühnen in Erlangen zu sehen, die Staatsoper Berlin oder das Berliner Große Schauspielhaus.

Kindervorstellung von »Schneewittchen«, 1937

Nach der Machtübernahme der NSDAP und Hitlers Ernennung zum Reichskanzler wurde der gVe 1934 zunächst in »Deutsche Bühne, Ortsgruppe Erlangen«, 1936 in »Nationalsozialistische Kulturgemeinde, Ortsverband Erlangen« umbenannt. 1937 löste sich der Verein auf und die Programmatik des Theaters wurde in die NS-Organisation »Kraft durch Freude« überführt. Nur sechs Monate nach Kriegsende erfolgte die Wiedergründung und die Stadt übergab das Theater wieder an den gVe. Dieser verpachtete das nun erstmals »Markgrafentheater« genannte Haus an die Theaterunternehmer Albert Doerner und Elly Probst. Es herrschte Aufbruchsstimmung: »Urfaust«, »Electra«, »Hamlet« und viele Produktionen mehr wurden vom ersten eigenen Erlanger Ensemble in Szene gesetzt. 1948 machte die Währungsreform dem umtriebigen Team den Garaus, der gVe setzte den Spielbetrieb wieder in Eigenregie mit Gastspielen aus Nürnberg und der großen Münchner Bühnen fort.

11


links oben: Aufruf des OberbĂźrgermeisters Anton Hammerbacher an die Erlanger*innen, 1945 links unten: Theater und Redoutenhaus, 1941 rechts oben: Bauausschuss und Vertreter kultureller Vereine besichtigen das Markgrafentheater, 1956 rechts unten: Blick ins Parkett mit alter Bestuhlung, 1949

Eine kurze Geschichte des Theater Erlangen

12


Eine kurze Geschichte des Theater Erlangen Die 1950er Jahre: Umbau und Wiedereröffnung

links: Das Markgrafentheater während des Umbaus, 1958 rechts: Abonnent*innen fahren wegen der Schließung des Markgrafentheaters nach Fürth ins Theater, 1956

Völlig unerwartet stand das Theater 1956 vor dem Abgrund, wegen Baufälligkeit musste der Spielbetrieb quasi von heute auf morgen eingestellt werden. Nach heftigen, öffentlich geführten Diskussionen entschied sich der Stadtrat für die Generalsanierung unter teilweiser Erhaltung des wertvollen Zuschauerraums. Das Vorderhaus mit Foyer, Gängen und Garderobe wurde dabei komplett neu im Stile der fünfziger Jahre gestaltet und der Innenraum behutsam instand gesetzt. So wurden etwa

Geschosse erhöht, das Bestuhlungspodest in Richtung Bühnen geneigt und die Säulen, die auch heute noch den Zuschauern in den Rängen die Sicht versperren, im Maß vereinheitlicht. Aus dem ehemaligen Kulissenhaus entstand der heutige Garderobentrakt, die Bühnentechnik erfuhr eine Modernisierung. Die Zuschauer mussten während der dreijährigen Umbauphase auf ihr Theatervergnügen nicht verzichten und wurden in Bussen nach Nürnberg und Fürth gefahren. Am 4. Januar 1960 war es endlich soweit: Die Compagnia d´Opera Italiana di Milano eröffnete mit Verdis »La Traviata« das neugestaltete Markgrafentheater. In den folgenden dreißig Jahren leitete der gVe, abermals in städtischem Auftrag, die Geschicke des Theaters und organisierte renommierte Gastspiele aus dem In- und Ausland, u. a. vom Burgtheater und dem Theater in der Josefstadt Wien, dem Bayerischen Staatsschauspiel München, der Bühne 64 Zürich und dem Schweizer Tournee-Theater Basel. Auch die »Internationalen Theaterwochen der Studentenbühnen«, 1949 von der Studiobühne initiiert, spielten im Markgrafentheater und sorgten bis 1968 für großes internationales Renommee.

Auch die »Erlanger Volksbühne«, die in den 1920er Jahren auf den Plan getreten war, wurde nach dem Krieg vom Gewerkschaftsbund wiederbegründet und bestritt regelmäßig Vorstellungen ab 1954.

13


Eine kurze Geschichte des Theater Erlangen Der erste Erlanger Theaterleiter: Manfred Neu Als Gegenpol zum eher konservativ geprägten Markgrafentheater entstand 1974 aus der Studentenbewegung das »Theater in der Garage« unter Manfred Neu. Die unkonventionellen Theatermacher produzierten mit einem eigenen kleinen Ensemble zeitgenössische Stücke und gaben nationalen und internationalen freien Theatergruppen ein Forum. In der Theaterkneipe (zu Beginn nur durch einen Vorhang von der »Bühne« getrennt) wurde u. a. Woody Allens »Gott« höchst kontrovers und in über sechzig Vorstellungen überaus erfolgreich aufgeführt, in der Schiffstraße fuhren auf eigens geschaffenen Kanälen Gondeln bei Goldonis »Krach in Chiozza«. Die Arbeit der jungen Wilden polarisierte – während die innovativen Projekte in der Presse auch überregional Beachtung fanden, zeigte sich das bürgerliche Lager entsetzt.

Nach der Finanzaffäre um angeblich veruntreute Gelder bei den Internationalen Theaterwochen und nächtlichen Kneipenschlägereien war 1989 das Ende von Manfred Neus Intendanz besiegelt. Andreas Hänsel übernahm das Ruder und erkämpfte sich über die Jahre eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem gVe, der bis dato noch immer maßgeblich den Spielplan des Markgrafentheaters konzipierte. Erstmals wurden nun auch Inszenierungen des Erlanger Ensembles im Markgrafentheater gezeigt und in die Platzmieten mit aufgenommen. Das Erlanger Modell entstand: Gastspiele, Eigenproduktionen und Produktionen freier Gruppen sollten friedlich unter dem Label »Theater Erlangen« vereint werden. 14

links oben: Ein Feuerwehrmann demonstriert die neue Einrichtung des Asbestvorhangs, 1953 links unten: Eintrittskarte, 1965 rechts: Die Bamberger Kirchenmaler Andreas Wüst und Gerd Tippl bei der Arbeit, 1999

Die Intendanzen Hänsel und Henne


Eine kurze Geschichte des Theater Erlangen Künstlerisch gewann das Theater durch Hänsel immer mehr an Profil, was u. a. mit zahlreichen Auszeichnungen bei den Bayerischen Theatertagen und dem Bayerischen Theaterpreis für das Ensemblemitglied Adele Neuhauser honoriert wurde. Die Diskussionen um die Existenzberechtigung eines eigenen Ensembles rissen dessen ungeachtet nicht ab. Aufgrund der schwierigen klimatischen Bedingungen im Markgrafentheater (die man übrigens auch heute noch erleben kann) waren 1999 erneut Renovierungsarbeiten im Zuschauerraum nötig. Die Decke wurde restauriert, Schäden in der Holzsubstanz ausgebessert, Farbfassungen konserviert, die Bestuhlung ausgetauscht und ein Jahr später auch der Dachstuhl erneuert. Während der Instandsetzung des Markgrafentheaters löste Hartmut Henne Andreas Hänsel, dessen Vertrag von der Stadt nicht verlängert wurde, als Intendant ab. Mit seiner »1. Erlanger Theaterermutigung«, vierzehn Produktionen an vier Tagen, und der programmatischen Umbenennung in »ensemble theater erlangen« startete der neue Chef verheißungsvoll in seine Amtszeit. 2001 dann die Katastrophe: Völlig überraschend starb Hartmut Henne, mitten in den Vorbereitungen seiner dritten Saison. Dramaturg Johannes Blum setzte als Interims-Theaterleiter die gemeinsam begonnene Arbeit fort.

tinuierliche Vernetzung des Theaters innerhalb der Stadtgesellschaft. Im Rahmen des deutschlandweit geführten Diskurses um das Stadttheater der Zukunft entwickelte das Theater neue kommunikative Formate, um mit der Bürgerschaft vermehrt in den Austausch gehen zu können, und realisierte Projekte im öffentlichen Raum, wie etwa Arthur Millers «Hexenjagd« in der Hugenottenkirche, das partizipative Stück »Abschaffen und Anfangen« auf dem Rathausplatz oder das »Utopienfest« an Spielorten in der ganzen Stadt. 2017 verlängerte der Stadtrat den Vertrag mit Katja Ott um weitere sechs Jahre. Hier endet diese kurze 300-jährige Geschichte des Erlanger Theaters. Wie das Haus in der fernen Zukunft aussehen, wer es ästhetisch weiter prägen und mit Leben füllen wird, steht in den Sternen. Ebenso wie ein möglicher Startpunkt für die so dringend benötigte Generalsanierung. Fest steht: Das Erlanger Theater war und ist ein Ort der Begegnung, der Impulse in die Gesellschaft hinein zu geben vermag, ein Ort, an dem gelacht, geweint, gestritten werden darf, der kontrovers und anstrengend, lustig und überdreht ist. Der ein analoges Gemeinschaftserlebnis ist und immer sein wird. Es ist einer der Orte, von denen es angesichts der Kommerzialisierung in sich immer ähnlicher werdenden Städten nur noch wenige gibt; einer, der von Zuschauern wie Theaterleuten Offenheit und Mut erfordert, weil jeder Abend ein einzigartiges Wagnis ist. Buchstäblich Millionen Menschen waren in diesem besten Sinne neugierig und haben das Erlanger Theater in den letzten 300 Jahren besucht, gestaltet, erdacht – Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt!

Die Intendanzen Dhein und Ott Als erste Frau in der Geschichte des Theaters kürte der Stadtrat die gebürtige Erlangerin Sabina Dhein 2002 zur neuen Intendantin. Turbulent ging es bereits in der zweiten Spielzeit zu: Das Theaterstück »Die Wölfe« des ehemaligen NSDAP-Mitglieds Hans Rehberg geriet zum Politikum – nationale und internationale Medien, von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bis hin zur New York Times, berichteten über die Skandalinszenierung, die Premiere fand unter Polizeischutz statt. Zahlreiche Uraufführungen und Projektentwicklungen entstanden in den Folgejahren, darunter die Auftragsarbeit »Der WilhelmineCode« zum 300-jährigen Geburtstag der Markgräfin und das Musiktheaterprojekt »Erlangen« mit über hundert beteiligten Erlanger Bürgern. 2009 wechselte Sabina Dhein als Betriebsdirektorin ans Hamburger Thalia-Theater. Ihre Nachfolgerin wurde die Regisseurin und Braunschweiger Schauspieldirektorin Katja Ott, die den bis dato üblichen En-suite-Spielbetrieb in einen modernen Repertoirebetrieb umwandelte. Schwerpunkte Otts waren der Ausbau des Kinder- und Jugendtheaters und der Theaterpädagogik sowie die kon-

Susanne Ziegler ist seit 2013 Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros am Theater Erlangen.

15


Vor den Kulissen

16


Das Markgrafentheater in Bildern

17


Vor den Kulissen

18


Das Markgrafentheater in Bildern

19


Vor den Kulissen

20



Elefanten in Erlangen?

10. Januar 1719: Zur Eröffnung des neuen »grossen Theatro zu Christian=Erlang« kommt der gesamte Hofstaat zusammen, um die »Musicalische Opera ARGENIS und POLIARCHUS« zu erleben. Glaubt man einem berühmten zeitgenössischen Kupferstich – dem Homann’schen Plan des Erlanger Schlossgartens mit acht Randbildern von 1721 –, so verfügte die neu eröffnete Erlanger Bühne über ein spektakuläres Ausstattungsdetail, das in einem Szenenbild auf dem Homann-Plan zu sehen ist: Es handelt sich um zwei Elefanten, die einen Triumphwagen ziehen. Elefanten in Erlangen? Was ist bei der Theatereröffnung im Jahr 1719 vor sich gegangen? Wann und wie beginnt die Geschichte des Erlanger Markgrafentheaters? Welche Quellen und Spuren führen als Zugänge zu diesem Ereignis, das den Beginn einer bis heute andauernden Theatertradition markiert? Mein Beitrag wird den Fragen nachgehen, was wir von diesem außergewöhnlichen Ereignis der Eröffnung des neu erbauten Theaters in der Markgrafenstadt Christian Erlang wissen, welche Quellen, welche Medien zurate gezogen werden können, um einen Zugang zur Eröffnungsvorstellung des Theaters zu finden. Die erste Suche erweist sich sehr schnell als eine mühsame. Es existiert zwar mit dem 1719 in Bayreuth gedruckten Libretto (Bayerische Staatsbibliothek München, Signatur: 2 P.o.germ. 58,8) einer Oper namens »Argenis und Poliarchus« eine ausführliche Textquelle, doch darüber hinaus ist die Quellenlage eher lückenhaft. Das Libretto trägt den Hinweis auf dem Frontispiz, dass diese Oper »auf gnädigsten Befehl des durchlauchtigsten Fürsten und Herrn / Herrn Georg Wilhelms / Marggrafens zu Brandenburg in Preussen […] an dem Carneval Welcher in dem 1719.ten Jahr zu Christian=Erlang gehalten wurde / In einer Musicalischen Opera Auf dem grossen Theatro daselbst unterthänigst vorgestellet« wurde. »Argenis und Poliarchus« ist ein Stoff, der durch John Barclays neu-lateinischen Roman von 1621, insbesondere in der deutschen Übersetzung, durch Martin Opitz 1626 vorgelegt, allgemein oder zumindest in literatur- und theaterinteressierten Kreisen bekannt war. Es geht um eine fiktive sizilianische Prinzessin, die von mindestens drei Verehrern hofiert wird, von denen sich der eine, der sich aufgrund seiner Bevorzugung durch Argenis’ Vater im Prinzip die größten Hoffnungen ausrechnen darf, den sie aber nicht wiederliebt, am Schluss als ihr leiblicher Bruder herausstellen wird, ein zweiter, der sich insbesondere durch Brutalität gegenüber den Feinden von Argenis’ Vater ausgezeichnet hat und sich deswegen große Chancen ausrechnet, und schließlich der dritte – Poliarchus –, der nicht gleich ähn-

Mediale Zugänge zur Eröffnung des »grossen Theatro zu Christian=Erlang« 1719

22

Theaterzettel zu »Argenis und Poliarchus«, 1719

Clemens Risi


Elefanten in Erlangen? noch zumindest ansatzweise herausfinden, wie die erste Nacht geklungen hat, wie sie ausgesehen hat, was zu hören, was zu sehen war? Um doch etwas über diese erste Nacht zu erfahren, müssen weitere Kreise gezogen werden, andere Spuren verfolgt werden, noch andere Quellen und Medien als Zugänge zurate gezogen werden. Das Theatergebäude in Auftrag gegeben hat der theater- und opernbegeisterte Markgraf Georg Wilhelm von Brandenburg-Bayreuth (1678 – 1726), der zusammen mit seiner Gattin, der Markgräfin Sophia (1684 –1752),

Eines der acht Randbilder des Homann’schen Plans zum Opern- und Comoedienhaus, 1721

liche Verdienste vorweisen kann, außer dass er treu und tugendhaft Argenis liebt und ebenso treu und tugendhaft wiedergeliebt wird. Am Schluss gibt es ein Happy End, und Argenis und Poliarchus werden zum tugendhaften Paar erklärt. Was lässt sich an Details zur Aufführung aus dem Libretto entnehmen? Leider nicht so viel, wie man sich wünschen würde. Das Libretto nennt keinen Autor, auch keinen Komponisten, keine beteiligten Künstler. Die Musik zu der Oper gilt als verschollen. Doch wie lässt sich den-

23


Elefanten in Erlangen? machen? In einem Aufsatz über die Musik am Hof Brandenburg-Culmbach-Bayreuth im Buch »Music at German Courts, 1715 –1760« (Woodbridge 2011) äußert der Autor Rashid-S. Pegah die Vermutung, dass der Falsettist Johann Ernst Michel, der die Leitung der Bayreuther Hofkapelle in den Jahren 1711 bis 1718 als Musikdirektor innehatte, auch die Musik zu den am Bayreuther Hof aufgeführten Opern geschrieben haben soll. Dies würde dann auch auf die Erlanger Oper von 1719 zutreffen, da sie im Jahr zuvor auch schon in Bayreuth zum Geburtstag der Markgräfin aufgeführt worden war. Zu den am Bayreuther Hof (und damit auch in Erlangen) tätigen Musikerinnen und Musikern gibt ferner ein Aufsatz von Irene Hegen im Buch »Süddeutsche Hofkapellen im 18. Jahrhundert« (Heidelberg 2014) weitere Auskunft. Eine zweite Möglichkeit könnte vielleicht darin bestehen, sich über die musikalische Prägung der Markgräfin Sophia der Klanggestalt der ersten Nacht anzunähern. Wie schon erwähnt, hat die Markgräfin in ihrer Jugend als Prinzessin von Sachsen-Weißenfels zu Hause die Blüte der deutschen Barockoper erlebt, wo Johann Philipp Krieger Hofkapellmeister und Komponist war. Von dessen Bruder Johann Krieger, in Nürnberg geboren, gibt es sogar eine Vertonung der Fassung der »Argenis« von Christian Weise unter dem Titel »Die sicilianische Argenis«, 1683 in Zittau uraufgeführt. Ob und inwiefern es Beziehungen zwischen den beiden »Argenis«-Opern aus Zittau und Bayreuth bzw. Erlangen gibt, gälte es noch herauszufinden, ebenso, ob ggf. auf älteres Material aus Zittau oder Weißenfels zurückgegriffen wurde. Noch einen weiteren Namen möchte ich nennen, zumindest wenn es darum gehen soll, sich eine Vorstellung davon zu verschaffen, wie Opernmusik an den Höfen von Bayreuth und Erlangen geklungen haben mag. 1718, im Jahr vor der Erlanger Eröffnung, also dem Jahr, an dem die »Argenis« bereits in Bayreuth aufgeführt worden war, hielt sich in Bayreuth der Komponist Gottfried Heinrich Stölzel auf, um für das Bayreuther Theater die Oper »Diomedes« zu vertonen. Von der Musik hierzu ist eine Arie überliefert, sehr bekannt und vielfach eingespielt, und zwar deswegen, da sie bis vor Kurzem noch einem anderen Komponisten zugeschrieben worden war, nämlich Johann Sebastian Bach. Die berühmte Arie »Bist Du bei mir«, nicht – wie lange Zeit fälschlicherweise angenommen – von Bach, sondern von Stölzel komponiert, ist also 1718 in Bayreuth entstanden, in direktem zeitlichen und womöglich auch stilistischen Umfeld der in Erlangen zur Eröffnung gegebenen »Argenis«-Oper. Die Frage also, wie sich die Eröffnung des Erlanger Theaters 1719 angehört haben mag, lässt sich nicht direkt beantworten, da

mit Hauptsitz in Bayreuth residierte, aber doch regelmäßig und immer wieder auch an den Nebensitz des Hofes nach Christian Erlang reiste, u. a. um sich mit wichtigen Persönlichkeiten anderer Höfe zu treffen (wie zum Beispiel Lothar Franz von Schönborn Kurfürst zu Mainz und Fürstbischof von Bamberg) oder an Veranstaltungen wie den beiden – in zwei zeitgenössischen Stichen dokumentierten – aufwändigen Carnevals-Umzügen durch die Stadt teilzunehmen. Über die Biografie der Markgräfin Sophia, die eine geborene Prinzessin von Sachsen-Weißenfels war, lässt sich eine vielversprechende Spur zu einer der wichtigsten Theatertraditionen dieser Zeit legen, nämlich zum Hofe Sachsen-Weißenfels, an dem eine ganz eigene Tradition der Theater- und Operngeschichte etabliert und praktiziert wurde: die deutsche Barockoper, die ansonsten nur an der Hamburger Oper am Gänsemarkt aufgeführt wurde. Im Gegensatz zum Mainstream der Opernproduktion dieser Jahre, die fast überall eine italienischsprachige war, wurde sie in deutscher Sprache verfasst und gesungen. Reinhard Keiser in Hamburg und Johann Philipp Krieger in Weißenfels heißen die beiden wichtigsten und produktivsten Vertreter dieser Tradition. Das Libretto fügt sich in diese außergewöhnliche Traditionslinie einer deutschen Barockoper ein und zeigt, dass neben den beiden Hotspots Hamburg und Sachsen-Weißenfels auch Bayreuth und Erlangen als weitere Hochburgen dieser für die Opern- und Theatergeschichte so bedeutenden Phase angesehen werden dürfen. Neben der deutschen Sprache, in der sie gesungen werden, ist ein Charakteristikum dieser Opern auf thematischer Ebene der Widerstreit zwischen tugendhafter Liebe und lasterhaftem Verhalten, worunter in erster Linie Unehrlichkeit, Verstellung und Verrat verstanden werden. Auffällig ist daneben eine gewisse Selbstverständlichkeit in der Thematisierung von Gewalt und Brutalität, die nicht unter das lasterhafte Verhalten gezählt werden, sondern als offenbar gerechte Strafe für lasterhaftes Verhalten angesehen werden. Schließlich gilt als Charakteristikum insbesondere der Hamburgischen Barockoper die Existenz komischer Figuren, die als komische Diener oder Marktschreier die ernsten Dramen immer wieder aufmischen. Auch dies finden wir in »Argenis und Poliarchus« in der Figur des explizit als solchen bezeichneten »lustigen Dieners« Phorbus. Wie bereits erwähnt, nennt das Libretto keinen Komponisten; der Name ist auch anderweitig nicht überliefert. Die Musik gilt als verschollen. Wie lässt sich damit umgehen? Welche Möglichkeit gibt es, sich dennoch eine Vorstellung von der Klanglichkeit der ersten Nacht zu 24


Homann’scher Plan des Erlanger Schlossgartens mit acht Randbildern, 1721

Elefanten in Erlangen?

dazu u. a. folgende Dekorationsangaben: »Scen. VIII. Der Prospect wird geöffnet / und stellet einen Garten mit einer Grotte vor.« (Libretto, S. 7) – oder im Finale ganz besonders aufwändig: »Ein völliger Wald an der See / welcher zu Ende mit Pyramiden und Statuen welche Amouretten mit brennenden Fackeln vorstellen / illuminiret ist. In der See praesentiren sich viele Schiffe welche gleichfalls illuminiret sind. An dem Ufer stehet eine gedeckte Tafel […] Soldaten halten zu Wasser ein Lust=Spiel mit Wurff=Pfeilen.« (Libretto, S. 28) Bei diesem Verfahren, aus Bühnenanweisungen Rückschlüsse auf eine szenische Wirklichkeit zu ziehen,

die Musik verschollen ist, nur über Umwege – etwa über Fährten via Bayreuth und via Weißenfels und via Hamburg – ließe sich bei Kombination von Libretto und überlieferten Musiken der genannten anderen Stätten zumindest eine Art Klangraum erahnen. Nach der Frage, wie sich die erste Nacht womöglich angehört haben mag, stellt sich die nächste, was es auf der Bühne zu sehen gab. Um sich eine Vorstellung von der szenischen Realität vergangener Opernaufführungen zu machen, ziehen Musik- und Theaterhistoriker sehr häufig Bühnenanweisungen aus den Libretti und Dramentexten heran. In unserem Libretto finden sich 25


Elefanten in Erlangen? Es steht allerdings zur Debatte, ob es sich bei der dargestellten Szene um eine Szene aus der Aufführung von »Argenis und Poliarchus« zur Eröffnung des Theaters im Jahr 1719 handelt. Die Kunsthistorikerin Anita Gutmann schreibt in ihrer Dissertation »Hofkultur in Bayreuth zur Markgrafenzeit« (Bayreuth 2008), dass »die von Homann für die [Erlanger] Bühne erdachte Szene keiner bestimmten Aufführung zuzuordnen« sei: »Das Bühnenbild zeigt eine Straße oder Gasse in der Stadt. In der Mitte der Bühnen sind zwei Elefanten zu sehen, sie ziehen eine Art Streitwagen, auf dem römische Helden fahren. Rechts davor am Bühnenrand steht ein Schäfer, links hinter ihm ist ein Indianer mit einem Schild in der Hand zu sehen. Auf der linken Seite ist ein Sultan mit Turban identifizierbar, die restlichen ebenfalls exotischen Figuren sind schwer zu deuten. […] Die exotischen Figuren, die von römischen Helden beherrscht und vorgeführt werden, gehörten zum Topos der ›vier Erdeteile‹, die nach damals geläufiger Ansicht vom Heiligen Römischen Reich beherrscht und vorgeführt wurden. Im Karneval waren Erdteildarstellungen besonders beliebt, durch die Fülle der möglichen Kostümierungen.« (Gutmann, S. 242f.) Also vielleicht doch kein Bild der Eröffnungsvorstellung am »grossen Theatro zu Christian=Erlang«? Auch im Libretto finden sich keinerlei Spuren von Elefanten. Und doch ist die Versuchung sehr groß, in dieser Abbildung auch eine Spur zu der ersten Nacht des neuen Theaters zu sehen. Die Überschrift über dem Randbild »Carnevals Lustbarkeiten im Opern und Comoedienhaus« widerspricht noch nicht gleich der Möglichkeit, dass es sich um eine konkrete Aufführung gehandelt haben kann, denn solche Opernaufführungen wie die von »Argenis und Poliarchus« wurden ja just zum und für den Carneval komponiert und aufgeführt, zählen also genau auch zu den »Carnevals Lustbarkeiten im Opern und Comoedienhaus«. Und wieso eigentlich keine Elefanten in »Argenis und Poliarchus«? Zumal das bereits genannte Inventar des Erlanger Schlosses aus dem Jahr 1719 unter der Rubrik »Particularia« explizit den Bestand von zwei Elefanten auflistet – gemeint sind Dekorationen bzw. Kostüme zur Darstellung von Elefanten. Neben den drei Schiffen und dem Triumph-Wagen – alles erforderlich gemäß des Argenis-Librettos – auch zwei »Elephanden«! 1719 waren zwei »Elephanden« im Bestand des Erlanger Theaters, also im Jahr der Eröffnung. Die Elefanten waren vorhanden. Auch die allererste Bühnenanweisung deckt sich ungefähr mit dem bei Homann zu Sehenden: »Das Theater repraesentiret eine Gaße mit zwey Triumph=Pforten«. Es ist zwar nur ein Triumphbo-

ist allerdings immer Vorsicht geboten. Denn es ist die Frage nach dem genauen Quellenwert von Dramentexten und deren Nebentexten hinsichtlich der Aufführungsrealitäten zu stellen. Welche Art Dokument ist denn ein Libretto? Handelt es sich um Vorschriften, IdealAnweisungen eines Autor-Subjekts oder gar Protokolle tatsächlicher Aufführungsrealitäten? Diese Frage lässt sich nicht entscheiden, im besten Fall lassen sich durch parallele Quellenkombination Übereinstimmungen nachweisen, aber für diese Frühzeit sind solche Übereinstimmungen von unterschiedlichen Quellenarten für ein und dieselbe Aufführung äußerst rar bis nicht vorhanden. In unserem Falle liegen also einige äußerst differenzierte und aufwändige Anweisungen vor, aber es gibt keine direkten Bildquellen von den entsprechenden Szenen. Was wir aber haben, ist – wieder eine andere Art des Zugangs über ein ganz anderes Medium als Quelle – ein Inventar des Erlanger Schlosses, das auch eine Auflistung sämtlicher am neuen Erlanger Theater vorhandener Dekorationen enthält (Staatsarchiv Bamberg, Signatur: 1 C-H Vol. XXVI Nr. 2). Und hier lassen sich dann durchaus Parallelen ziehen: Es gibt laut Inventar zwei Arten von Gärten, den »Brandenburglichen« und den »Africanischen« – einer davon hat sich sicher für den Garten der sizilianischen Argenis verwenden lassen. Es gibt zwei Arten von »Wald«, es gibt den »Seehafen«, die »Stadt«, ferner gibt es »Gefängnüße«, die »Grotte« und die »Amouretten« – also eine reiche Auswahl an Dekorationswänden für die Kulissen, um den Erfordernissen der Szenenanweisungen zu begegnen, und damit starke Indizien für eine tatsächliche Realisierung der im Libretto verzeichneten Szenografien. Wie genau diese ausgesehen haben, müssen wir dann allerdings immer noch imaginieren, haben sich doch leider keine Bildquellen zu diesen Dekorationswänden erhalten. Doch auch in diesem Fall lohnt wieder das Ziehen eines weiteren Kreises. Und jetzt komme ich endlich zu den Elefanten! Eine einmalige und ganz besondere Bildquelle gibt Einblicke in das Innere des neu erbauten Markgrafentheaters, auf die Architektur des Zuschauerraums, auf das anwesende Publikum und – auf die Bühne, die Dekoration und Darstellung einer Szene. Gemeint ist der zu Anfang schon erwähnte berühmte Homann’sche Plan des Erlanger Schlossgartens mit den acht Randbildern von 1721. Und was sehen wir dort auf dem Randbild zum Opern- und Comoedienhaus? Worauf wird unsere Aufmerksamkeit sofort gelenkt? – Auf die beiden Elefanten. Elefanten in Erlangen?

26


Elefanten in Erlangen? Erlanger Bühne aufgeführt worden sei: »Arsaces«, wahrscheinlich bereits 1716 in Bayreuth zum ersten Mal aufgeführt. Laut Libretto ist Arsaces »Cron=Printz« aus dem nicht näher bestimmbaren Arsatien, aber der Ort Byzanz spielt im Laufe der Handlung eine Rolle, orientalische Kopfbedeckungen wären also durchaus denkbar. Mit letzter Sicherheit lässt sich das nicht auflösen. Das ist aber auch kein Problem. Es ist vielmehr eine ganz grundlegende Tatsache, wenn man sich mit Theatergeschichte als Ereignisgeschichte beschäftigt, mit Aufführungen der Vergangenheit. Es bleibt immer eine Lücke. Die Lücke ist gar das Charakteristikum allen theaterhistoriografischen Arbeitens. In der Lücke sind die Spuren der performativen Realität verschwunden; es gibt nur Spuren hin zur Lücke bzw. um die Lücke herum. Der Theaterhistoriker Andreas Kotte spricht in seinem Aufsatz »Vom Verstummen der Texte angesichts des Wunders. Wirkungsstrategien im geistlichen Spiel« im Buch »Transformationen des Religiösen« (Berlin / New York 2007) gar von einem »System der Lücke«. Die Spuren widersprechen sich. Das ist das Ergebnis der Tatsache, dass Quellen immer schon Konstruktionen bzw. Zuschreibungen sind. Die Lücke bleibt. Aber um die Lücke herum gibt es nachweisbare Fäden, Diskurse, Spuren, die alle ungemein spannend sind und aufzeigen, was sich in der Annäherung an eine Theateraufführung an Einsichten und Zugängen zur Geschichte einer Stadt, eines Hofes etc. herausfinden lässt und welche Handlungsmacht die einzelnen Zugänge zum Ereignis – wie etwa der Homann-Stich – selbst haben. Die Suche nach den Spuren und den Quellen hat ein Mosaik aus Bruchstücken ergeben, bei dem sich zum Teil größere und längere Linien gezeigt haben, die sich im Ereignis bündeln (wie etwa die Tradition des Hauses Weißenfels-Sachsen). Theoretisch lässt sich dies mit dem Ansatz des New Historicism verknüpfen, dem es darum zu tun ist, größere Linien und Diskurse (dabei auch das Randständige, das Ereignishafte, das sich auch in Anekdoten zeigt) zu bestimmen, die sich an einem bestimmten Punkt treffen und das in Rede stehende Ereignis bestimmen und von diesem bestimmt werden. Ebenso lässt sich eine Verbindung zum Konzept von Kultur als Gewebe oder Geflecht sehen, in der Übertragung eines Ansatzes von Antonia Byatt, die das Individuum als einen Knoten in einem Gewebe ansieht, das von einzelnen Fäden durchzogen wird – in der Übertragung dieses Ansatzes auf ein einzelnes Ereignis. Eine solche Spitze in einem Gewebe besteht eben aus Knoten und Lücken.

gen zu sehen, aber die Gasse mit Triumph-Pforte wäre da. Und schließlich: »Meleander und Radirobanes in einem Triumph=Wagen / der von Sclaven gezogen wird«. Der Triumph-Wagen ist also da, zwei römisch gekleidete Helden – durchaus denkbar, dass die beiden Könige Meleander von Sizilien und Radirobanes von Sardinien als römische Helden kostümiert waren. Der Triumph-Wagen wird laut Libretto von Sklaven gezogen. Falls wir es hier tatsächlich auch mit einem Bildeindruck von der Eröffnungsvorstellung zu tun haben könnten, wäre die Frage, wieso statt der Sklaven nun Elefanten den Wagen ziehen. Wollte man dieser Frage nachgehen, so ließen sich einige interessante, vielleicht auch zu weit übers Ziel hinausschießende Spekulationen anschließen, so etwa die Frage danach, ob sich im Austausch der Sklaven durch Elefanten bereits ein aufklärerisches Moment im Denken und Handeln des Markgrafen abzeichnet, aber dann wird man beim Weiterschauen doch eines Besseren belehrt, denn zwei Jahre später bei dem einen der beiden aufwändigen und im Stich dokumentierten Karnevalsumzüge durch Erlangen ist ohne Weiteres auch eine Gruppe Sklaven zu identifizieren. Wahrscheinlich wäre ein Austausch der Sklaven durch Elefanten einfach dem größeren Schau- und Spektakel-Effekt zuzuschreiben bzw. dem größeren Exotismus-Faktor. Bei den nach Gutmann schwer zu identifizierbaren Figuren könnte es sich durchaus um das Personal aus »Argenis« handeln, das vom Libretto als aus verschiedenen Ländern stammend bezeichnet wird: Sizilien, Sardinien, Gallien, Africa. Die Herkünfte sind zwar explizit benannt, aber natürlich nicht geografisch konkret gemeint, sondern durchaus auch metaphorisch in andere Regionen übertragbar. Vielleicht ist es aber auch ganz anders. Vielleicht hat Homann ja auch ein »best of« der auf der Erlanger Bühne gezeigten Aufführungen gleichzeitig im Bild festgehalten, so wie ein Theaterraum immer Spuren von vergangenen Aufführungen in sich trägt – und sei es in der Erinnerung einzelner Theaterzuschauer und -zuschauerinnen. Oder ein »best of« dessen, was die Erlanger Bühne an Möglichkeiten bietet. So mag der Schäfer für die beliebte Tradition der Schäferopern stehen, die auch in Erlangen gezeigt wurden. Die von Gutmann identifizierte Figur mit Turban könnte für einen Herrscher aus dem Orient stehen; so nennt etwa Johann Christoph Gottsched in seiner umfangreichen Auflistung »Des nöthigen Vorraths zur Geschichte der deutschen Dramatischen Dichtkunst Zweyter Theil, oder Nachlese aller deutschen Trauer-, Lust- und Singspiele, die vom 1450sten bis zum 1760sten Jahre im Drucke erschienen« (Leipzig 1765) für das Jahr 1719 noch einen zweiten Titel, der auf der 27


Elefanten in Erlangen? Ob die Elefanten am 10. Januar 1719 nun tatsächlich im Einsatz waren, wissen wir nicht, wenngleich sie als Requisiten bzw. Maschinen schon 1719 im Bestand nachweisbar sind. Durch den weit verbreiteten Homann-Stich sind sie aber mit Sicherheit am stärksten ins Bildgedächtnis der Frühgeschichte des Erlanger Markgrafentheaters eingegangen. Elefanten als Zeichen für die Weltläufigkeit der Erlanger Bühnen – auch wenn sie vielleicht nicht zum Einsatz kamen, so zeigt der Stich doch, dass man dem Erlanger Theater diese Elefanten zutraut und zumutet, sie gar als Ausweis für die Potenz des Erlanger Theaters markiert, dass so etwas Spektakuläres und gleichzeitig Exotisches wie Elefanten auf der Bühne auftreten. Die Existenz der beiden Randbilder von Aufführungen auf dem Homann-Stich – einmal eine Aufführung im Theater und noch eine zweite, nämlich eine Carnevals-Veranstaltung im Redoutensaal – zeigt, dass das Theater wie der Carneval ganz selbstverständlich und sogar ganz prominent zum öffentlichen und repräsentativen Leben der Stadt Erlangen gehörte. Und im Theater ist nicht nur das relevant, was auf der Bühne gezeigt wird, oder die Darstellungen, Intentionen, politischen Zielsetzungen des höfischen Auftraggebers, sondern auch das Publikum, sowohl das vom Stand her privilegierte in den Logen als auch das auf den schlichten (also billigen) Bänken im Parkett. Zur Selbstdefinition und Selbstdarstellung der Stadt zählt an prominenter Stelle das Theater. Dem Theater und dem Carneval wird eine solche Bedeutung beigemessen, regelgerecht ein solcher Platz eingeräumt, dass beides – Theater wie Carneval – auf dem, was die höfische Anlage abbilden soll – nämlich auf dem Plan des Erlanger Schlossgartens – verewigt wird. Damit vermag Theater – und das, was wir an Zugängen zu ihm haben oder aktiv herstellen müssen und dürfen – ganz zentrale Zugänge zur Selbstdefinition einer Kultur wie der Erlanger Kultur zur Markgrafenzeit zu bieten.

Anmerkung: Dieser Text ist ein Zwischenergebnis der Beschäftigung mit dem Thema »Theater und Archiv« innerhalb einer Arbeitsgruppe am Institut für Theater- und Medienwissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, zu der neben Dorothea Pachale und Hans-Friedrich Bormann, deren Beiträge sich ebenfalls in diesem Band finden (S. 29 und S. 51), auch André Studt gehört. Die Arbeitsgruppe verbinden Fragen nach den kulturellen, sozialen und materiellen Faktoren, die das Erleben einer Aufführung im Theater bestimmen, ihr vorausgehen und sie beeinflussen, sowie die Frage, auf welche Weise wir von diesen Faktoren Kenntnis erlangen und wie wir mit ihnen umgehen. Ausgangspunkt ist die Prämisse, dass es sich bei der Aufführung um einen paradoxen Gegenstand handelt, der sich durch Prozesshaftigkeit und Flüchtigkeit auszeichnet und sich einer objektivierenden Aneignung – sei es in Texten oder Bildern, sei es in medialen Aufzeichnungen oder Artefakten – kategorial entzieht. Aus theaterwissenschaftlicher Perspektive ist die Negation freilich nicht das letzte Wort: Jene Lücken und Leerstellen, die insbesondere bei der Beschäftigung mit den Aufführungen der Vergangenheit offen zutage treten, sind für uns nur ein Moment eines komplexen Geflechts unterschiedlichster Zeugnisse, mit denen die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen des Theaters in den Blick rücken.

Prof. Dr. Clemens Risi ist seit 2014 Inhaber des Lehrstuhls für Theaterwissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

28


Dorothea Pachale

Das Theater im Archiv

Vermerke vom 30.04. und 02.06.1953

Fragen nach seiner historiografischen Zugänglichkeit In den Archivalien des Erlanger Stadtarchivs zum Theater Erlangen findet sich ein Schreiben vom 30. April 1953. Der Betreff lautet: »Kindermärchenspiel am 29. Mai 1953. hier: Lieferung von 5 Birkenbäumen«. Im folgenden maschinengeschriebenen Text heißt es: »I. Herr Hesse als Theaterleiter des Markgrafentheaters Erlangen hat darum gebeten, dass er für das Kindermärchenspiel am 29. Mai 1953 5 Birkenbäume zur Aufstellung auf der Bühne zur Verfügung gestellt bekommt. Die Bäume sollen ca. 5 m hoch sein. II. Abteilung 11 mit der Bitte um Einschlag von 5 Birkenbäumen und Antransport an das Markgrafentheater Erlangen am 27.5.53. Diese 5 Bäume sollen dem Hausmeister Lang vom städt. Redoutensaal übergeben werden.«1 Darunter findet sich ein Vermerk vom 2. Juni 1953: »I. Das Märchenspiel ist ausgefallen. Ob der Theaterleiter auf die Birkenbäume noch Wert legt, ist ungewiss. Obfw. [Oberforstwart; Anm. D.P.] Hofmann ist auf Antrag bereit, einige Birkenbäumchen zu den üblichen Bedingungen abzugeben. II. Bis auf weiteren Anlass zum Akt. Ref. V.« (F413/5) Ein Kindermärchenspiel, bei dem fünf echte Birkenbäume als Bühnendekoration dienen sollten. Eine Theatervorstellung, die ausgefallen ist. Eine Verwaltungsakte, die Auskunft über die an dem Vorgang beteiligten Personen und Abteilungen gibt. Und viele offene Fragen: Was außer den fünf Birken – waren es nun fünf Meter hohe Bäume oder doch eher »einige Bäumchen« – wäre bei dieser Theateraufführung noch auf der Bühne zu sehen und hören gewesen sein? Welches Märchen wäre gespielt worden? Wie hätten sich der oder die Akteure auf der Bühne bewegt? Hätten sie mit den Kindern interagiert? Wäre das Theater voll besetzt gewesen an diesem 29. Mai oder wären die Kinder (und ihre Eltern) lieber ins Schwimmbad gegangen? Ist die Vorstellung deshalb abgesagt worden? Welche Theatergruppe war es überhaupt, die, da Erlangen zu diesem Zeitpunkt kein eigenes Theaterensemble hatte, hier ein Gastspiel

gegeben hätte? Und dann noch die Abläufe, die dem Aufführungstermin vorausgingen und folgten: die Ungewissheit, ob Herr Hesse die Bäume noch benötigt – anscheinend lief die Kommunikation zwischen Stadtverwaltung und Theaterleitung nicht immer ganz glatt. Ein Oberforstwart, der grundsätzlich Bereitschaft signalisiert, zu den »üblichen Bedingungen« Bäumchen zu liefern – worauf bezieht sich das »üblich«? Und schließlich der Hausmeister Lang, dem wir in den Akten aus dieser Zeit noch öfters begegnen und auf den ich später noch zurückkommen werde. Während es bei der Arbeit mit Archivquellen meist darum geht, mehr über vergangene Ereignisse – wie zum Beispiel eine Theateraufführung – zu erfahren, haben wir es hier mit einer Aufführung zu tun, die gar nicht stattgefunden hat, die aber dennoch in den Akten der Stadtverwaltung ihre Spuren hinterlassen hat. Den Weg ins Stadtarchiv wiederum hat sie gefunden, weil sie aktenkundig wurde: Als Behörde der Stadt ist es Aufgabe des städtischen Archivs, die archivwürdigen Akten der anderen städtischen Behörden dauerhaft zu sichern. Auch wenn im Archiv durchaus unterschiedliche Quellen gesammelt werden, machen in dem von mir untersuchten Zeitraum die behördlichen Akten einen großen Teil der Archivalien zum Theater aus.2

1 Die im Folgenden zitierten Akten stammen aus dem Stadtarchiv Erlangen. Für ihre Unterstützung bei der Recherche im Archiv sowie die Erlaubnis, diesem Aufsatz Abbildungen der Archivalien beizufügen, möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Stadtarchivs Erlangen herzlich bedanken. 2 Meine Recherchen beschränkten sich zunächst auf den Zeitraum von 1838 bis 1959. Die Zuständigkeit des Stadtarchivs für das Theater Erlangen beginnt 1838, als das Theater aus dem Besitz der Universität an die Stadt übergeht. Ende 1959 sind die umfassenden Umbaumaßnahmen abgeschlossen, die für diesen Aufsatz meinen Untersuchungszeitraum begrenzen.

29


Aufruf zur Einsendung dramatischer Literatur, 13.02.1946

Kolumnentitel

30


Das Theater im Archiv der Akte aus den 1880er Jahren ist das »Atelier für Theatermalerei und Bühnenbau von F. Lütkemeyer« aus Coburg. Dieser Schriftwechsel lässt ansatzweise erahnen, was auf der Bühne des Erlanger Theaters damals zu sehen war und verrät damit auch etwas über die damalige Theaterästhetik. So schreibt Lütkemeyer anlässlich einer Vorhanglieferung: »Auf den schon vorhandenen Vorhang möchte ich Ihnen vorschlagen, einen Wald malen zu lassen.« (F 413/26; Nr. 17) Darüber hinaus finden sich verschiedene Kostenvoranschläge und Rechnungen für die Bühnenausstattung, u. a. mit folgenden Posten: »ein Kamin mit Spiegel, eine Kirche und einen ›Hintersetzer‹ für dieselbe, ein Haus, Büsche, eine Höhle für die Mitte, eine Rückwand für dieselbe, ein Ziehbrunnen,

Von dem, was sich während der Aufführung auf der Bühne und zwischen Bühne und Zuschauerraum ereignet hat, berichten diese Archivalien meist recht wenig. Meine Frage danach, welchen Zugang zum Theater Erlangen ich über das Stadtarchiv finde, führt scheinbar nur zu den Lücken der Theatergeschichte. Die Aufführung, das einmalige und flüchtige Ereignis, das für die Theaterwissenschaft im Herzen ihres Forschungsinteresses liegt, scheint im Archiv allzu oft ein blinder Fleck zu bleiben; eingekreist von Archivalien, die auf sie verweisen, jedoch weit davon entfernt sind, sie auch nur ansatzweise zu dokumentieren. Hier, in diesen Archivalien, scheint vor allem das Randständige, das, worum es beim Theater als Kunstform eigentlich gar nicht geht, verzeichnet. Dennoch möchte ich gerade diesen Archivalien meine Aufmerksamkeit schenken, denn – so meine These – gerade auch in ihnen zeigt sich, was Menschen in unterschiedlichen Zeiten unter Theater verstanden, was sie sich davon erwarteten oder mit welchen Materialien sie Theater zu machen versuchten; und damit sind neben dem Bühnen- und Aufführungsgeschehen eben auch der gesamte Theaterraum, die Stühle, auf die man sich als Zuschauer setzt, die Inventarlisten der Requisite oder der Briefverkehr der Mitarbeiter des Theaters mit den Stadtbehörden gemeint.

Inventarium der Theaterdekorationen und Gerätschaften, um 1830

Handschriften und Bühnenbilder Die Arbeit im Archiv birgt Hindernisse, die die überwiegende Schriftlichkeit der Archivalien mit sich bringt: Die Akten aus dem 19. Jahrhundert bis in die 1920er Jahre sind gänzlich oder überwiegend handschriftlich. Bevor man sich beispielsweise ans Entziffern eines feinsäuberlich aufgelisteten »Inventarium[s] der zum Theater gehörigen Dekorationen und Gerätschaften« aus den 1830er Jahren macht, fällt einem die Gleichmäßigkeit der Schriftzüge auf, berührt einen die Eigentümlichkeit des beschriebenen Materials. In einer Sammelmappe, die Archivalien aus den 1880er Jahren (F 413/26) enthält, stoße ich hingegen auf überraschendes Material: Material im eigentlichen Sinne des Wortes. In der Akte, die hauptsächlich Korrespondenz zwischen Lieferanten und dem Stadtmagistrat enthält, finden sich Stoffproben für einen Stuhlbezug. Während sich die haptische Erfahrung der Archivarbeit ansonsten überwiegend auf die unterschiedlichsten Qualitäten von Papier beschränkt, wird hier eine andere Materialität greifbar – und die sinnliche Ebene des Theaters wird zumindest ein wenig erfahrbar. Der Hauptkorrespondenzpartner der Stadtverwaltung in 31


Das Theater im Archiv eine Schmiedeesse« (Alle F 413/26; Nr. 31), »ein Haus für Garten und Straße« (F 413/26; Nr. 24), »ein Bauernbogen und Felsen sowie eine Gebirgslandschaft (1 Prospekt), ein Luftprospekt, eine Tropische Landschaft (1 Prospekt), eine Romantische Halle, die auch als Kirche zu verwenden ist (bestehend aus 1 Prospekt, 1 Bogen hierzu, Coulissen, Soffiten und Versatzstücken (Altar oder Heiligenschrein))«. (F 413/26; Nr. 64) Von letzterer Aufzählung wurden dem angefügten Plenarbeschluss zufolge allerdings nur die Gebirgslandschaft und das Luftprospekt bestellt. Hier besteht der Wald also nicht aus echten Birken, sondern ist aufgemalt und verweist – wie auch die romantische Halle mit Altar, die tropische Landschaft oder das Luftprospekt – auf ein Theaterverständnis, das die imaginierten Räume durch die Kulisse naturalistisch darstellen möchte.

Feuerschutz vor hundert Jahren Eine weitere, umfangreiche Archivmappe, die den Zeitraum von 1900 bis 1933 umfasst, gibt beredt Auskunft über ein Thema, das die Theater jahrhundertelang beschäftigt hat: die Angst vor Theaterbränden. Neben Dienstanweisungen für die Feuerwehr und Angeboten von Firmen für Feuerlöscher und Brandschutzmaßnahmen rückt auch das Theaterpublikum als Gefahrenquelle in den Blick: So berichtet Feuerwehrkommandant Brückner am 20. Oktober 1921, dass Zuschauer das Theater verbotenerweise mit brennenden Zigaretten oder Zigarren beträten und den Weisungen der Feuerwehrleute, diese zu löschen, häufig nicht Folge leisten würden. Er fordert eine eigene Schutzmannschaft am Eingang des Theaters, die auf den »Vollzug […] bestimmt zu dringen« (F 413/4) hätte: »Personen, die sich der Anordnung trotz Verwarnung nicht fügen«, seien »aus dem Theater wegzuweisen«. (F 413/4) Ein Vermerk aus dem Jahre 1926 führt zudem an, dass auch bei Proben, die im Übrigen der Stadt vorher anzuzeigen sind, zwei Feuerwehrleute anwesend sein müssen. Aus Sicht des Brandschutzes ist das Theater also ein ständiger Ort der Gefahr und darf nur benutzt werden, wenn die erforderlichen Abwehrmaßnahmen getroffen werden. Die Themen Brandgefahr und Rauchverbot finden sich in zahlreichen Akten wieder und werfen Fragen danach auf, welchen Einfluss die Angst vor Bränden und die daraus resultierenden Brandschutzverordnungen auf die künstlerische Arbeit gehabt haben.

32


Das Theater im Archiv Nachkriegsjahre

Brief von Lene Lang, 04.10.1949

Meine Aufmerksamkeit besonders gefesselt haben die Archivalien, die den Zeitraum nach 1945 umfassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird das Erlanger Theater an ein Theaterunternehmen vermietet, geleitet von Albert Dörner und Elly Probst. Die Akten erzählen auf teils kuriose Weise von den Bedingungen, unter denen in den unmittelbaren Nachkriegsjahren Theater gemacht wurde. Die Währungsreform von 1948 bringt das Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten und schließlich zum Scheitern. Das finanzielle Debakel, das die Theatermacher mit hohen Schulden zurücklässt, hat ebenfalls reichlich Aktenmaterial erzeugt, das ausführlich die aus dem Bankrott resultierende ablehnende Haltung der Stadt gegenüber einem Theater mit eigenem Ensemble dokumentiert. In den Folgejahren bespielen Gastspiele aus Nürnberg, nach dem Umbau von 1959 Produktionen aus ganz Deutschland und dem Ausland das Theater. Das eingangs beschriebene Kindermärchen mit den Birken stammt also aus der Zeit der Nürnberger Gastspiele. Aus den vielen spannenden Archivalien kann ich hier nur einige herausgreifen: Am 29. November 1945 bitten die Theatermacher die Stadtspitze, ihren wöchentlichen Spielplan im Amtsblatt zu veröffentlichen, da es noch keine Tageszeitung gibt. Die Bitte, dazuzuschreiben, dass das Theater geheizt ist, wird jedoch von der Stadt nicht erfüllt. (Vgl. F 413/67) Die Heizbarkeit des Theaters – auch das ein Problem, das einem in der deutschen Theatergeschichte immer wieder begegnet und das auf die ganz grundlegenden Bedingungen verweist, unter denen man als Zuschauer oder Darsteller überhaupt an einer Theateraufführung teilhat. Die grundlegenden Bedürfnisse der Zuschauer geraten auch in den Blick in einer Akte des Polizeiamts. (Vgl. F 413/67) Wachtmeister Ott dokumentiert am 11. August 1946 einen Streit zwischen Intendant Dörner und Zuschauern, die die Vorstellung verließen, um auf die Toilette zu gehen, und dann von Herrn Dörner nicht mehr in den Theatersaal gelassen wurden. Dörner erwartete von seinem Publikum anscheinend eine bestimmte Haltung und sah die Theateraufführung als etwas an, das nicht durch Bewegung im Zuschauerraum gestört werden durfte. Die Zuschauer hingegen argumentierten, dass sie von dieser Regelung nichts wussten, und wurden schließlich auch wieder hineingelassen. Herr Ott schlägt vor, in Zukunft entsprechende Schilder anzubringen. Eine Anekdote, die darauf verweist, dass das Publikum im ästhetischen Gefüge der Aufführung in einem Spannungsverhältnis von aktiver Teilhabe der Zuschauer und der von Theater33


Das Theater im Archiv machern immer wieder geforderten Disziplinierung des Publikums steht. An die Unterstützung des Publikums hingegen appellieren die Theatermacher, als sie einen Aufruf veröffentlichen mit der Bitte, ihnen dramatische Literatur zur Verfügung zu stellen. Theater machen unter den Mangelbedingungen der Nachkriegsjahre. Dokumentiert ist übrigens nicht nur ein Mangel an Büchern, auch Glühbirnen und Wohnraum sind knapp. So haben sich einige der Theaterleute in den Garderobenräumen dauerhaft einquartiert, was die Stadt – wiederum aus Brandschutzgründen – nicht tolerieren kann. Im Hin und Her des Schriftverkehrs wird dann aber deutlich, dass es nicht nur der tatsächliche Mangel fehlenden Wohnraums ist, der Intendant und Schauspieler im Theater hausen lässt. Angesichts der Arbeitszeiten ist es auch viel praktischer – und außerdem ist das Theater, anders als manche Wohnung, gut beheizt. (Vgl. F 413/5) Zum Schluss möchte ich noch auf eine Quelle eingehen, deren Weg in die Akten so ungewöhnlich erscheint, weil sie so wenig nur eine Verwaltungsakte und so sehr ein menschliches Dokument – fast möchte ich sagen, von höchster Dramatik – darstellt: Es handelt sich um einen zweiseitigen, handgeschriebenen Brief von Lene Lang (die folgenden Zitate stammen aus dem Brief. Vgl. Abbildung S. 32 f.), der Ehefrau des Hausmeisters von Theater und Redoutensaal, der in der Akte zu den Birkenbäumchen erwähnt worden war. Seine Ehefrau wendet sich an den Vorsitzenden des Gemeinnützigen Vereins (gVe), Dr. Hiltl. Der Brief datiert vom 4. Oktober 1949. Der gVe war nach dem gescheiterten Theaterunternehmen für die Organisation der Gastspiele und entsprechend auch für die Karten zuständig.

Der Brief beginnt folgendermaßen: »Entschuldigen Sie bitte Herr Rechtsrat eine Frage, ist es tatsächlich wahr, das was mir gestern im Theater mitgeteilt wurde, daß ich in Zukunft keinen Einlaß mehr in das Theater hätte.« Frau Lang besaß bislang eine Art Dauer-Freikarte für das Theater und fürchtete nun, diese zu verlieren. In ihrem Brief schildert sie nicht nur, was sie an unbezahlter Arbeit für das Theater geleistet hat, sondern sie berichtet ausführlich von ihrer zerrütteten Ehe und ihrem Ehemann, der sie bereits als geschiedene Frau betrachte, »aber wenn er dann ab und zu Lust bekommt, ein paar Tage seinem Leben freien Lauf zu lassen, dann bin ich scheinbar doch recht, das ganze Haus [damit sind Theater und Redoutensaal gemeint; Anm. D.P.] zu hüten, ohne nur zu wissen, wo mein Mann sich herumtreibt […]«. Das Theater erfüllt für sie eine ganz konkrete Funktion, die sie auch benennt: »Es sind die einzigen Stunden, die mich etwas zerstreuen in meinen z. Z. unerträglichen Verhältnissen.« Die Freikarte wurde ihr nicht gewährt, die Theatervorstellungen hätte sie nur mit ihrem Mann zusammen besuchen können. Ob der sie mitgenommen hat, bleibt offen. Der Zugang zum Theater wurde Frau Lang verwehrt, zumindest erschwert. Das Archiv aber ermöglicht in dieser Akte den Zugang zu ihrer Sicht auf das Theater und zu ihrer Mitarbeit am Theater; eine Arbeitsleistung, die, da ansonsten in keinem formellen Arbeitsverhältnis geregelt, vermutlich ohne diesen archivierten Brief vergessen wäre. Dr. Dorothea Pachale ist seit 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Theater- und Medienwissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

34


Susanne Ziegler

Von Teufelsweibern im Parnaß Im Gegensatz zu vielen anderen Frauen der Adelsgeschichte ist der Nachruhm Wilhelmines nicht auf gefährliche Liebschaften oder waghalsige Intrigen zum Machterhalt gegründet, sondern allein auf ihre Hingabe zu Kunst und Wissenschaft: Als Gestalterin von Landschaften und Gärten, als Bauherrin, Kunstsammlerin, Komponistin, Schriftstellerin und Theaterleiterin genießt Markgräfin Wilhelmine bis heute geradezu Kultstatus. Doch wer war diese vielbegabte Frau, die Glanz in das verschlafene Fürstentum Brandenburg-Bayreuth und seine Nebenresidenz Erlangen brachte?

Markgräfin Wilhelmine von Brandenburg-Bayreuth in Pilgertracht, Antoine Pesne, um 1750

Über die Theatermäzenin Wilhelmine von Brandenburg-Bayreuth

35


Von Teufelsweibern im Parnaß Kindheit und Jugend

vertraut. Auch ihre Erzieherin Dorothea Henriette Louise von Wittendorf-Sonsfeld, die sie nach ihrer Heirat auch nach Bayreuth begleitete, förderte die sich schnell abzeichnende Begabung Wilhelmines, gab ihr Sprachunterricht in Italienisch und versorgte sie mit Literatur über Philosophie und Geschichte. Gemeinsam mit ihrem 1712 geborenen Bruder und späteren König Friedrich (der Große) erhielt sie Lautenunterricht bei Silvius Leopold Weiss. Bereits mit sechs Jahren trat sie bei den von ihrer Mutter veranstalteten Konzerten in Schloss Monbijou am Cembalo auf.

Friederike Sophie Wilhelmine wurde als älteste Tochter des Königs von Preußen, Friedrich Wilhelm, und Sophie Dorothea, der Tochter des englischen Königs Georg I., am 3. Juli 1709 in Berlin geboren. Ihre Geburt darf man getrost als eine Enttäuschung bezeichnen, hatte das Ehepaar doch zwei Jahre zuvor einen Sohn bekommen und wenig später verloren. Anstelle des so sehr herbeigesehnten männlichen Erbfolgers kam nun eine Prinzessin zur Welt, deren Hauptaufgabe es werden sollte, »Alliancen zu machen« (wie die Urgroßmutter zur Geburt schrieb), also gewinnbringend im Sinne des preußischen Herrscherhauses verheiratet zu werden. Die standesgemäße Erziehung begann früh: Vermutlich ab dem Alter von fünf Jahren erhielt sie Unterricht in Lesen, Schreiben, Rechnen, Französisch, Englisch, Erdkunde und Geschichte. Vor allem der Lehrer Maturin Veyssière de La Croze beeinflusste Wilhelmines Denken stark, machte er sie doch mit der antiken Sagenwelt Griechenlands und Roms und deren bekanntesten Philosophen und Dichtern

Familiäre Bande

Bayreuther Parnaß mit Wilhelmine am Klavier; Anonymes Gemälde auf einer Tischplatte

Das Verhältnis zu ihren Eltern war zeitlebens äußerst angespannt. Der Soldatenkönig, ein vom Pietismus geprägter, äußerst umtriebiger Herrscher, der durch seine Sparsamkeit bei seinem Tod 1740 einen schuldenfreien Haushalt hinterließ, galt bisweilen als aufbrausend und brutal und forderte unbedingten Gehorsam ein. Die Kul-

36


Von Teufelsweibern im Parnaß Zentrum von Wilhelmines Wirken: Sie nahm Unterricht in Tonsatz, Komposition und Generalbass, studierte die Laute und ließ sich Gesangsstunden geben. Gemeinsam mit Franz Benda, Carl Heinrich Graun und Christoph Schaffrath von der Berliner Kronprinzenkapelle musizierte Wilhelmine im Sommer 1734 in der Nebenresidenz Erlangen. 1735 lernte sie Violine und übte mit Hofdamen und Kammerherrn, wie sie ihrem Bruder Friedrich heiter mitteilte: »Es ist der reinste Hexensabbath! Wir machen unsere Sache so gut, daß alles entflieht, wenn wir unser Konzert beginnen.«

tiviertheit der höfischen Etikette war ihm, dem Liebhaber deutscher Hausmannskost, ein Grauen, ebenso wie die »unnützen« schönen Künste. Mit seiner Gattin, der Königin, häufig uneins in dynastischen Fragen (vor allem der Verheiratung der Kinder), geriet Wilhelmine häufig zwischen die Stühle der Eltern – gehorchte sie dem Vater, zog sie den Zorn der Mutter auf sich und vice versa. Als Verbündeten und engsten Vertrauten hatte Wilhelmine einzig ihren Bruder Friedrich, mit dem sie ihre Liebe zur Kunst und Wissenschaft teilte und sich über Jahrzehnte hinweg austauschte. Nach dessen Krönung zum König 1740 kühlte das Verhältnis jedoch deutlich ab.

Wilhelmine wird Markgräfin Heirat in die Provinz 1735 stirbt der alte Markgraf Georg Friedrich Carl. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Georg Wilhelm, dem Erbauer des Theaters in Erlangen und erklärtem Opernliebhaber, war unter seiner Regentschaft das höfisch-kulturelle Leben nahezu zum Erliegen gekommen. Nach dem Amtsantritt Friedrichs und Wilhelmines aber wurde dem Sparkurs ein Ende gemacht: das Hofpersonal vervierfachte sich auf 600 Angestellte, pompöse Feste wurden gefeiert und Bauprojekte wie das Neue Schloss, die Eremitage, der Felsengarten Sanspareil und das Bayreuther Opernhaus umgesetzt. Ein besonderes Anliegen war dem Markgrafenpaar das Gewinnen neuer Musiker und Sänger; zwar konnten sie sich dauerhaft kein großes Orchester oder Ensemble an Tänzern leisten, engagierten aber für Projekte hervorragende Solisten und etablierten eine Hofkapelle.

Sophie Dorothea, die aus dem Haus Hannover stammte, strebte für ihre Tochter schon früh die Verbindung mit England an. Als Achtjährige wurde Wilhelmine mit ihrem Cousin Friedrich Ludwig von Hannover, Herzog von Gloucester und Prince of Wales, verlobt. Eine glanzvolle Zukunft als Königin von England schien vorherbestimmt. Die höfische Heiratspolitik wollte es jedoch anders: Die Verhandlungen mit England zogen sich über Jahre hin. Und so entschied sich der – des Streitens müde gewordene – König 1731 letztlich für die Verheiratung mit dem Bayreuther Erbprinz Friedrich, um den dortigen Einfluss Preußens zu stärken. Das Entsetzen Sophie Dorotheas und Wilhelmines kann man sich auch heute noch vorstellen – anstelle des Londoner St. James´s Palace und des Hampton Court Palace musste Wilhelmine nun mit dem Bayreuther Alten Schloss vorlieb nehmen.

Die erste Intendantin Erlangens und Bayreuths Die Anfänge in Bayreuth 1737 übertrug Markgraf Friedrich Wilhelmine die Leitung des Hoftheaters. Sofort machte sie sich an die Arbeit, lud Künstler aus dem In- und Ausland ein, darunter den renommierten Sänger Giuseppe Antonio Paganelli, bei dem sie auch Gesangsstunden nahm. Ihr Orchester wuchs auf 17 Mitglieder an. 1738 kam eine Truppe italienischer Sänger an den Hof, die »caravane italienne«. Stars der Compagnie waren der Kastrat Giacomo Zaghini, den Wilhelmine erstmals im Erlanger Theater in der Pastorale »Tirsi« singen hörte, und die Primadonna Margherita Furiosa. Nomen est omen: Häufig gab es Streitigkeiten zwischen den empfindsamen Künstlern. »Auf meinem Parnaß habe ich wieder einmal dazwischen fahren müssen. Wir hatten furchtbare Revolutionen unter den Musikern, die durch zwei Frauen verursacht wurden. Die Paganelli

1732, zwei Monate nach der Heirat in Berlin, kam das frischgebackene Ehepaar in der fränkischen Provinz an, Wilhelmine bereits schwanger mit Elisabeth Friederike Sophie, ihrem einzigen Kind. Den Schritt vom großen Königshof in die vergleichsweise schäbige Markgrafschaft schilderte Wilhelmine anschaulich in ihren Memoiren: »Pikiert« über den Empfang des »beschränkten« und »selbstgefälligen« Schwiegervaters fand sie das Schloss ungeheizt und mit »Spinnweben tapeziert« vor und war umgeben von »Leuten, die eher Dörflern als Höflingen ähneln«. Ein wenig Trost verschaffte einzig ihr Gemahl Friedrich. Mit ihm fand sie »Übereinstimmung in Gemüt und Charakter«, auch was den Sinn für Kunst und vor allem die Musik betraf. Diese rückte in den Folgejahren ins 37


Von Teufelsweibern im Parnaß

Während Wilhelmines Beschäftigung mit anderen Künsten, etwa der Malerei, im besten Sinne als dilettantisch, also als Liebhaberei, interpretiert werden kann, eignete sie sich neben dem Erlernen verschiedener Instrumente auch im Bereich der Musiktheorie profunde Kenntnisse an. Mit Francesco Algerotti, dem Autor der operntheoretischen Abhandlung »Saggio sopra l´opera in musica«, traf Wilhelmine mehrfach zusammen, u. a. in Venedig im Rahmen ihrer Italienreise (1754/55). Ihr Bruder Friedrich, der die maßgeblichen Aufführungen an den Herrscherhäusern aufmerksam verfolgte, sendete neue Partituren, Libretti und Künstler nach Bayreuth. So gastierte auch der europaweit gefeierte Komponist Johann Adolf Hasse, der die Libretti Pietro Metastasios kongenial umsetzte, bei ihr. Metastasio, der wohl meistvertonte Librettist seiner Zeit, lieferte die Grundlage der populären »Opera seria«, die innerhalb einer meist historischen Handlung nacheinander verschiedene Affekte durch Rezitative und Arien darstellte und mit einem »Lieto fine«, dem Eingreifen eines gütigen und weisen Herrschers, endete. In ihrer Komposition »Argenore« aus dem Jahre 1740, die als autobiografisch durchwirkt gilt, hob Wilhelmine jenes »Lieto fine« zugunsten einer tragischen Wendung auf: Der Herrscher, ein Tyrann, tötet sich selbst, nur zwei der sieben Hauptfiguren überleben. Entgegen der gängigen Konventionen schrieb sie auch ein Theaterstück von Voltaire, mit dem sie einen angeregten Briefwechsel unterhielt und der sie in Bayreuth besuchte, zu einem Libretto um. Jene »Semiramide« nach der Tragödie »Sémiramis«, 1748 in Erlangen uraufgeführt, zeigt durch den Einsatz von Ballett und Bühneneffekten ferner eine Abwendung von der italienischen Sängeroper hin zum opulenten französischen Vorbild. Anlässlich eines Aufenthalts von König Friedrich 1754 fertigte Wilhelmine das Libretto zu »L´Huomo« und steuerte selbst zwei Arien bei, darunter die »Cavatine des guten Geistes«. Als geistiger Vorläufer dieser »Festa teatrale« gilt das Libretto zu »Deucalion et Pyrrha«, uraufgeführt 1752, vermutlich ein Pasticcio mit Musik verschiedener Komponisten, das die Entzweiung der Geschlechter thematisiert. Bediente sich Wilhelmine zuvor stets antiker Stoffe, griff sie in ihrem letzten Libretto »Amaltea« 1756 auf ihre eigene Fantasie als Schriftstellerin zurück. Abermals standen auch hier Machtmissbrauch und problematische Beziehungen innerhalb der Herrscherfamilie im Mittelpunkt.

[Johanna, Giuseppe Antonios Ehefrau, Anm. d. A.] und die Furiosa sind wahre Teufelsweiber. Es gibt nichts Schöneres als eine italienische Stimme, aber es ist schwer, mit diesen Leuten fertig zu werden«, schrieb Wilhelmine an Bruder Friedrich. Der »Parnaß« Wilhelmines, der Kreis der Musen, den sie um sich versammelte, ist bis heute verewigt in den sogenannten »Comödienbildnissen«: 29 vom schwedischen Maler Alexander Roslin geschaffene Pastellbilder, die Teil der Innendekoration ihres Musikund Bilderzimmers im Neuen Schloss, in der Eremitage und Sanspareil waren. Auch die Ausbildung von jungen Künstlern lag Wilhelmine am Herzen. So ließ sie sich Sänger aus Berlin schicken, um sie zu veredeln und sogar in Italien weiter ausbilden zu lassen. 1756 gründete sie in Bayreuth die »Akademie der freien Künste und Wissenschaften« mit 150 Schülern. Die dort gegebenen Mittwochskonzerte, bei denen bisweilen auch der Markgraf gemeinsam mit den Studierenden musizierte, zogen so viele Zuhörer an, dass man bald ins Opernhaus wechselte.

38

Seite aus dem Libretto zu »L´Huomo«: Festa Teatrale, aufgeführt 1754 in Bayreuth

Wilhelmine als Librettistin und Komponistin


Von Teufelsweibern im Parnaß 1737 hier uraufgeführt ebenso wie seine »Dido« 1738, die auch vor Ort einstudiert wurde. Hasses »Allesandro nell´Indie« (Libretto von Metastasio) anlässlich des Geburtstags des Markgrafen 1741 kam beim Erlanger Publikum derart gut an, dass man es auch in Stuttgart zum 20. Geburtstag ihrer Tochter zur Aufführung brachte. »La clemenza di Tito«, ein damals sehr beliebter Stoff, feierte 1744 seine Uraufführung (in der Komposition der »Musici di camera«) ebenfalls im Erlanger Theater. Anlässlich der Eröffnung des »neuen Schauspielhauses« im Erlanger Schloss wurde ferner Wilhelmines »Deucalione e Pirra« (ital. Titel) uraufgeführt. Zuletzt sei der Einfluss Wilhelmines auf die Gründung der Universität Erlangen erwähnt, die sie gemeinsam mit Markgraf Friedrich und dem ersten Kanzler, ihrem Leibarzt Daniel de Superville, vorantrieb. Ganz im Geiste Wilhelmines aufklärerischer Gesinnung und ihrer Liebe zur Philosophie wurde 1743 die Eröffnung mit einem von ihr ausgerichteten Disput über den Materialismus begleitet.

Lieto Fine Im Alter von 49 Jahren, am 14. Oktober 1758, starb Wilhelmine, die unter Wassersucht und Tuberkulose litt, ruhig und gefasst im Kreise ihrer Familie und wurde in der Bayreuther Schlosskirche beigesetzt. Gemeinsam mit Markgraf Friedrich hatte sie den Bayreuther Hof und damit auch das kleine Erlangen in eine blühende Residenz der Künste verwandelt, die weit über Franken hinaus Strahlkraft besaß. Wohl auch, weil sie die Beschäftigung mit Musik, Theater und Philosophie nie als bloße höfische Zierde oder Anlass für geistreiche Plaudereien empfand, sondern als im wahrsten Sinne existentielles Bedürfnis: In einer männlich-dominierten aristokratischen Welt, in der Frauen ausschließlich als Objekt (für Verheiratung und Mutterschaft) wahrgenommen wurden, war für sie die Rolle als Mäzenin in besonderer Weise identitätsstiftend. Und so darf Wilhelmine bis heute in mehrfacher Hinsicht als Vorreiterin gelten – als unkonventionelle Kunstschaffende, Förderin der Künste und sich selbst behauptende Frau, die es selbst mit Teufelsweibern in ihrem Parnaß aufnahm.

Seite aus dem Libretto zu »Argenor«: Trauerspiel, aufgeführt 1740 in Bayreuth

Wilhelmines Wirken und Aufführungen in Erlangen Erlangen ist als Nebenresidenz (naturgemäß) stets im Schatten des Bayreuther Hofs geblieben. Was das Theater betrifft, so stellt der Bau des Bayreuther Opernhauses und seine Eröffnung 1748 (mit Hasses »Artaserse« und »Ezio«) zur Hochzeit von Elisabeth Friederike Sophie mit Herzog Carl Eugen von Württemberg bis heute zweifellos eines ihrer größten Projekte dar. Doch Erlangen spielte eine nicht zu unterschätzende Rolle für Wilhelmine, genoss sie hier doch, fernab des Bayreuther Hofs, mehr Freiheiten, traf sich etwa mit durchreisenden Künstlern, um ungestört musizieren und diskutieren zu können. Mit dem Venezianer Giovanni Paolo Gaspari, seit 1739 in Bayreuth und Erlangen als Theaterarchitekt und Bühnenbildner engagiert, gestaltete sie das Erlanger Theater um (siehe Kapitel: Eine kurze Geschichte des Theater Erlangen) und eröffnete es 1744 mit dem Singspiel »Sirace« nach dem Libretto von Andrea Galetti. Große musikdramatische Aufführungen entstanden in Erlangen: Die bereits erwähnte Pastorale Paganellis, »Tirsi«, wurde 39


Buchtipps zum Thema: Uwe A. Oster: Wilhelmine von Bayreuth.

Wilhelm Müller (Hg.): Im Glanz des Rokoko. Markgräfin Wilhelmine von

Das Leben der Schwester Friedrichs des Großen, München 2007.

Bayreuth. Gedenken zu ihrem 200. Todestag, Bayreuth 1958.

Günter Berger (Hg.): Memoiren einer preußischen Königstochter.

Jens Kulenkampff: »Ob Materie denken könne«. Wilhelmine von Bayreuth

Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, Bayreuth 2007.

und die Aufklärung. Vortrag auf der Gedenkfeier aus Anlass des

Ruth Müller-Lindenberg: Wilhelmine von Bayreuth.

250. Todestages der Markgräfin von Bayreuth am 16. Oktober 2008,

Die Hofoper als Bühne des Lebens, Wien 2005.

Erlangen 2008.

40

Seite aus dem Libretto zu »Amalthea«: Singspiel in drei Aufzügen, aufgeführt 1756 in Bayreuth

Von Teufelsweibern im Parnaß


Ruprecht Kamlah

»Das Spiel in Erlangen ist jedes Mal ein Fest«

Theater hatte für mich immer etwas Faszinierendes. In meiner Geburtsstadt Göttingen thronte das klassizistische Stadttheater etwas erhöht hinter dem Stadtwall in einem Park; die Foyers kamen mir riesig vor, als ich eine Vorstellung von »Robinson soll nicht sterben« mit dem Schauspieler Charles Dumont sehen durfte, mein erstes Theatererlebnis als Kind. Zudem war Herr Dumont auch unser Nachbar und sehr freundlich zu uns Kindern auf der Straße, was die Sache noch spannender machte. Ich war dreizehn, als meine Eltern und ich Erlanger wur-den. Da war das Markgrafentheater zunächst eine richtige Enttäuschung: kein Portal, ein Haus wie eine Scheune. Zu Vorstellungen kamen die Städtischen Bühnen aus Nürnberg. Es war 1954. Bis heute höre ich noch die vibrierende Stimme der Sängerin Hella Rutkowski als Frau Fluth in den »Lustigen Weibern von Windsor«, ja wirklich, es wurden auch Opern gegeben im ehemaligen Markgräflichen Opernhaus, dessen Einzigartigkeit mir damals keineswegs bewusst war. Es war vor dem Umbau des Zuschauerraums und Foyers. In den Pausen drängte sich das Publikum in engen, niedrigen Gängen hinter dem Zuschauerraum, die Erwachsenen gingen gebeugt, um nicht mit ihren Köpfen an den dicken Holzbalken anzustoßen, drangvolle Enge im Konstruktionswerk, wie es heute noch im Bayreuth erhalten ist. Der Stadtrat plante einen Abriss und modernen Theaterbau, was am heftigen Widerstand des gVe, unterstützt von seinen Mitgliedern und vielen Bürgern, glücklicherweise scheiterte. Heute hätte der Denkmalschutz um keinen Preis erlaubt, das Fachwerk wegzureißen, das dem Zuschauerraum statisch Halt gab, und nur noch den Zuschauerraum als reine Barockschale übrig zu lassen. Das Vorbild war der gefeierte Wiederaufbau des Cuvilliés-Theaters in München, wo auch nur der Zuschauerraum restauriert worden war. Im Gegensatz zu Erlangen war das dortige Haus allerdings im Krieg zerstört worden, sodass dort die Lösung angemessen war.

Der »Gemeinnützige Theaterund Konzertverein Erlangen – gVe« von 1876 bis heute

Die Bedeutung eines Vereins

Plan des Theaters, 1903

Der Stadtrat fasste einen Beschluss und beauftragte den gVe mit dem Betrieb des Markgrafentheaters. Der Theaterbetrieb des gVe hatte mit der Wiedereröffnung des bespielbaren Hauses 1959 einen Riesenerfolg. Man ging gern in dieses Theater, ein eigenes Ensemble war nicht gefragt, im Foyer gab es Sekt, Gastspiele mit bedeutenden Schauspielern waren angesagt. Die Ensembles spielten hier en-suite sieben Mal mit ein bis zwei Tagen Pause, die Vorstellungen waren ausverkauft. Wer kein Abo hatte, kam nur schwer an Karten. 41


Die Schauspieler liebten Erlangen. Hier konnten sie bis zu zehn Tage auf ihren Tourneen ausruhen und mussten nicht schon nach ein oder zwei Vorstellungen packen und weiterreisen, wie in den anderen Spielorten. Maria Becker, die große Schauspielerin aus Zürich, vertraute mir das in lebhafter Schilderung an. Sie hatte in Erlangen ihren Friseur und ihre Pediküre, und natürlich wohnte sie immer in derselben Pension, deren Personal die Schauspieler wie Familienangehörige begrüßte. Siemens lud zweimal in der Saison ein Ensemble zum Mittagessen in das Siemenshochhaus ein. Die Schauspieler, die mit Meinungen zum Wirtschaftsleben oft recht forsch waren, zeigten sich beeindruckt, Managern gegenüberzusitzen, die nun wirklich Millionenumsätze zu verantworten hatten. Es war jeweils ein interessanter Austausch von Erfahrungen. Die Agenturen warteten bei der Tourneeeinteilung auf Erlangen; erst wenn Erlangen als Termin feststand, konnten andere Orte Termine bekommen. Der gVe hatte

daher die freie Auswahl, sich die Rosinen aus den Angeboten der Agenturen zu picken und große Schauspieler in die Stadt zu holen. Dabei wurden der Geschäftsführer und der Vorstand des gVe als Veranstalter unterstützt durch einen Theaterausschuss, bestehend aus zuletzt ca. 15 bis 20 Vereinsmitgliedern, die sich über die von den Agenturen hereinfliegenden Prospekte beugten und in langer Sitzung die besten Stücke aussuchten – das Publikum bestimmte sozusagen selbst, was gespielt wurde und was es sehen wollte, ein Grund für die enge Verbindung des Publikums mit dem Theater. Am Sonntag war Theatergespräch, und da saßen dann Schauspieler wie z. B. Will Quadflieg, Oskar Werner oder Elisabeth Flickenschildt jeweils mit den anderen Gästen dem Publikum gegenüber. Elisabeth Bergner mit dem »Grünen Wagen« gab hier sogar die Premiere, bevor es auf Tournee ging, denn der »Grüne Wagen« machte die Einstudierung zeitweise in Erlangen. Sie sagte anlässlich eines Gastspiels: »Das Spiel in Erlangen ist jedes Mal ein Fest, weil man 42

links: Aufruf zum Vereinsbeitritt, 1876 rechts: Theaterzettel zum 3. Winterkonzert, 1917

»Das Spiel in Erlangen ist jedes Mal ein Fest«


»Das Spiel in Erlangen ist jedes Mal ein Fest« Einwohnerzahl von ca. 12.500 erreicht. Es war die sog. Gründerzeit, die allgemeine Gewerbefreiheit wurde 1869 eingeführt. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern standen blendend da, 1875 war der Berliner Kongreß gewesen, Deutschland strotzte vor Stärke. Dies spiegelte sich noch nicht übermäßig in Erlangen, die wirtschaftliche Entwicklung stand erst am Anfang. Neben den mehr handwerklichen Betrieben der Handschuhmacherei, Strumpfwirker, Kamm- und Bürstenfabrikation und den Brauereien etablierte sich erst ab 1886 die »Mechanische Baumwollspinnerei«, die spätere ERBA, als großer Arbeitgeber, ging aber im Verlauf zweimal in Konkurs. Das Viertel um den Lorlebergplatz war noch nicht gebaut. Die Garnison des Bayerischen 6. Jägerbataillons, die zehn Prozent der Bevölkerung ausmachte, leitete ab 1868 Aufschwung und Bautätigkeit im Osten der Stadt ein. Erlangen hatte zwar ein Gasnetz, 200 Gaslaternen in den Straßen spendeten Licht, aber es fehlten noch Wasserleitungen und Kanalisation. Die Abwässer aus den Klärgruben flossen träge mangels Gefälle durch die Rinnen an den Straßen. An fast jeder Ecke standen Pumpbrunnen, an denen auch die Dienstmägde der Professoren Wasser holten. Wasserleitungen gab es erst ab 1890. Zur Oberschicht gehörte natürlich das Personal der Universität mit ca. acht Prozent. Drei Viertel der Bevölkerung stellte die Arbeiterschaft, deren Löhne aus heutiger Sicht nur als prekär bezeichnet werden können. Sie schied als Publikum für gehobene Theateraufführungen eher aus. Der kleine Teil der verbliebenen erwachsenen Bevölkerung war also der Hintergrund für die Gründung des »Gemeinnützigen Vereins«. Nicht gerade viele und doch, kurz nach seiner Gründung hatte der Verein 480 Mitglieder. Deren Bedeutung für das Kulturleben der Stadt lässt sich an den Namen der Gründungsmitglieder ablesen, die den Aufruf zur Gründung unterzeichnet haben: Johann Edmund Reichhold, der Bürgermeister, Freiherr von Feillitzsch, Premierleutnant, Gottschalk von Loewenich und Adam Bücking, Fabrikbesitzer, Peter Reif, Brauereibesitzer, der königliche Rat Müller, Irrenhaus-Verwalter, Dr. Franz Penzoldt, Privatdozent, Professoren und Studenten. Entsprechend war auch der Anspruch, den der Verein im öffentlichen Leben der Stadt fortan geltend machte. Das ist auch bis zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts so geblieben, als der gVe noch 1.200 Mitglieder hatte, was im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung keineswegs eine solche Durchdringung darstellte wie damals. Ein Kulturamt gab es nicht. So war das Thema Kultur voll in der Hand des gVe. Schon kurz nach der Gründung überließ der Magistrat dem Verein den Betrieb des Theaters. Doch der Zweck des Vereins umfasste »gemein-

spürt, dass auch diesen Menschen die Begegnung mit der Kunst ein Fest ist.« Alles hat seine Zeit. So läuft es heute nicht mehr. Nur ein eigenes Ensemble sei richtiges Theater, meinte der Kulturreferent Wolf Peter Schnetz, Startheater nur Kommerz. Gleiche Töne kamen vom Lehrstuhl der Theaterwissenschaft. Es passte nicht zusammen, dass Erlangen einen der wenigen theaterwissenschaftlichen Lehrstühle hatte, die Stadt aber kein eigenproduzierendes Theater. Das »Theater Erlangen« wurde gegründet, zunächst nur als Kinder- und Jugendtheater in der Garage, aber unter der Leitung von Andreas Hänsel ab 1989 wuchs das »Theater Erlangen« in das Markgrafentheater hinein und der Gastspielbetrieb des gVe lief aus. Einundzwanzig Jahre war ich Vorsitzender des gVe und es fiel mir zu, diesen Übergang zu begleiten. Es ist nicht kampflos gegangen, doch das »Theater Erlangen« hat gesiegt. Heute veranstaltet der gVe vor allem klassische Konzerte und bringt international renommierte Orchester, Ensembles und Star-Solisten in die Erlanger Heinrich-Lades-Halle.

Die Geschichte eines Vereins

Quittung über Mitgliedsbeitrag, 1921

Jetzt wurde immer von »gVe« gesprochen. Was steckt eigentlich hinter diesen drei Buchstaben? Der »Gemeinnützige Theater- und Konzertverein Erlangen – gVe« ist der älteste Kulturverein in dieser Stadt. Bis vor ca. 25 Jahren hieß er einfach »Gemeinnütziger Verein Erlangen e.V.«. 1876 wurde er gegründet. Das Markgrafentheater war damals in desolatem Zustand. Um die Bedeutung dieser Gründung zu verstehen, sollte man sich das Leben in Erlangen damals etwas vorstellen. Die Stadt hatte eine

43


Jubiläum des Vereins wurden 1901 die »Meistersinger von Nürnberg« im Markgrafentheater gegeben. Das sollte man zum 150. Jubiläum mal wieder versuchen! Man kann es sich auf unserer kleinen Bühne heute gar nicht vorstellen, wohin schon mit dem großen Orchester? Die Geschichte lehrt: Es geht auch mit bescheidenen Mitteln. Häufig gastierte Max Reger mit verschiedenen Partnern, 1916, kurz vor Regers Tod, mit dem Geiger Adolf Busch. Das erhellt auch, wie aufgeschlossen das Erlanger Musikpublikum war, denn Regers Musik hatte es damals durchaus schwer, sich durchzusetzen. Das Theater stand aber ganz im Vordergrund. In den ersten 25 Jahren gastierte der berühmte Schauspieler Ernst von Possart regelmäßig, schon 1876 im Gründungsjahr mit dem »Nathan«, 1901 gibt er mit dem »Urfaust« einen Rezitationsabend. Mit dem Theater Regensburg und Nürnberg wurden Gastspiele vereinbart.1892 bekam das Theater endlich eine Zentralheizung und der Orchestergraben wurde tiefer, das Parkett höher gelegt, es bekam moderne Klappsitze. 1904 wurde die feuergefährliche Gasbeleuchtung mit Mitteln des Vereins gegen eine Elektrifizierung getauscht. Ein großes Ereignis war 1905 die Gedenkfeier zum hundertsten Todestag Friedrich Schillers. Eine Gedenkveranstaltung auf dem Schlossplatz versammelte die Erlanger Bevölkerung, abends ging im Markgrafentheater ein einmaliges Gastspiel des Meininger Hoftheaters mit »Kabale und Liebe« über die Bühne. »Anfang 8 Uhr, Ende gegen 11 Uhr« heißt es auf dem Plakat, also keine Kürzungen. Dieses Gastspiel war natürlich ein Höhepunkt. Das Theater kam mit der Bahn, die Staffage und Kostüme wurden in einigen Güterwagen mitgeführt, der ganze Tross bestand aus ca. siebzig Personen, eine logistische Meisterleistung in der damaligen Zeit. Die Meininger galten als das fortschrittlichste Theater, die Meininger Theaterreform war Programm, sie gastierten in ganz Deutschland, sogar in London und Moskau waren sie eingeladen. Der Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen war zwar nur ein »kleiner« Fürst, in Sachen Kultur aber groß, vielleicht wegen seiner Frau Helene, Freifrau von Helburg, einer Schauspielerin. Und so ein Theaterereignis in Erlangen! Das Nürnberger Theater spielte im selben Jahr »Don Carlos«, »Die Räuber« und »Wilhelm Tell«. 1904 bildete sich im Verein eine »Abteilung Kunst« unter Leitung des Kunsthistorikers Professor Dr. Friedrich Haack. Aus dieser Abteilung ging Jahre später durch Abspaltung der Kunstverein Erlangen KVE hervor. Der gVe veranstaltete aber weiterhin (bis ca. 1985) Kunstausstellungen namhafter Künstler.

nützige Unternehmungen aller Art, welche zur Hebung der Stadt und des Lebens in ihr beitragen können«, wie es im Gründungsaufruf hieß. Hier einige Beispiele: Als ich als dreizehnjähriger Junge 1954 nach Erlangen kam und begann, die Umgebung meiner neuen Heimat zu erkunden, war eines meiner ersten Ziele der Aussichtsturm am Rathsberg. Mein erster Kontakt mit dem gVe. Der Turm, erbaut 1885, konnte gegen Zahlung von zehn Pfennigen bestiegen werden. Der Verein kümmerte sich um die Verbesserung der Erlanger Bäder, z. B. durch Errichtung eines Mädchenschwimmfloßes im Bad in der Regnitz. Die Kaisergeburtstage wurden unter den Fittichen des Vereins im Redoutensaal gefeiert, wie auch die Trauerfeier zum Tod von Wilhelm I. und zum Tod des Generalfeldmarschalls Helmuth von Moltke. Sogar in der Finanzwirtschaft war der Verein tätig, er gründete den »Vorschußund Creditverein Erlangen«, der als Vorläufer der Erlanger Volksbank gilt. Eine »Aussteueranstalt« diente der Versorgung heiratsfähiger Töchter und führte Sparbücher für 600 Mädchen in einem Jahr. Dies sind nur ein paar originelle Beispiele für die außerkulturelle Tätigkeit des Vereins. Kunstausstellungen und Musikaufführungen kamen von Anfang an regelmäßig hinzu. Der Verein engagierte das Damenquartett von Marie Soldat zu seinem ersten Konzert mit Kammermusik. Das Orchester Winderstein gab 1891 das erste Symphoniekonzert, ab 1898 gastierte regelmäßig die Nürnberger Kapelle Carl. Zum 25-jährigen 44

Zahlungseingangs-Bestätigung von F. Lütkemeyer, 1895

»Das Spiel in Erlangen ist jedes Mal ein Fest«


Theaterzettel zur Festvorstellung zum 25. Bestehen des gVe, 1901


»Das Spiel in Erlangen ist jedes Mal ein Fest« Der Erste Weltkrieg und die folgenden wirtschaftlich schwierigen Jahre stellten große Anforderungen an den gVe-Vorstand. Wegen Kohlenmangels konnte das Theater Bamberg nicht anreisen, Vorstellungen fielen aus, die Heizung des Redoutensaals und des Theaters liefen nicht. Das Publikum hatte in der Inflation wenig Geld für Eintrittskarten. Dennoch gelang es, den Theaterbetrieb vor allem in Zusammenarbeit mit Nürnberg am Laufen zu halten. Bei den Konzerten glänzten sogar große Musiker im Programm: die Pianisten Edwin Fischer, Elly Ney, Walter Gieseking, Wilhelm Kempff, die Geiger Vasa Prihoda, Georg Kuhlenkampff, Paul Hindemith als Bratschist im Amar-Quartett, der Cellist Enrico Meinardi. 1933 begann sehr schnell die Gleichschaltung mit den Zielen der NSDAP, 1937 wurde der Verein aufgelöst und seine Tätigkeit von der NS-Organisation »Kraft durch Freude« übernommen. Auf Initiative des Oberbürgermeisters Anton Hammerbacher wurde nach dem Zusammenbruch des »Dritten Reiches« der Verein bereits im November 1945 wiedergegründet. Mit der Durchführung wurde der Stadtrechtsrat Dr. Otto Hiltl beauftragt, der seitdem die Geschicke des Vereins im gVe-Vorstand prägte, von 1973 bis 1990 als Vorsitzender. Schon vorher konnte im Oktober 1945 ein erstes Konzert gegeben werden. Seit der Wiedergründung engagierte sich die Firma Siemens, vertreten durch hochrangige Mitglieder des Vorstands, stark für das Theater- und Konzertleben, z. B. im ersten Vorstand als 2. Stellvertreter Dr. Heinz Goeschel, im späteren Verlauf auch zeitweise Peter von Siemens im Beirat. Durch die Ansiedlung von Siemens-Schuckert in Erlangen gewann das Theater auch neues interessiertes Publikum, es bildete sich der »Siemens-Theaterring«, über den die Mitarbeiter von Siemens vornehmlich Karten kaufen, aber keineswegs nur für Theater in Erlangen.

Der gVe pachtete das Theater von der Stadt und die Ära Doerner brachte ein eigenproduzierendes Schauspiel in das Markgrafentheater. Albert Doerner wurde Intendant, Dr. Hannes Razum Schauspieldirektor. Trotz der großen Not der Bevölkerung setzte 1945 ein ungeheuer reges Kulturleben ein. In der Mitgliederversammlung im Februar 1947 verzeichnete der Verein bereits 272 Theateraufführungen bei dreißig Neuinszenierungen seit seiner »Stunde null«, das Theater machte sogar Gewinn. Wie das möglich war, kann man sich heute kaum noch erklären, vielleicht so: Die Reichsmark war nichts wert, man konnte sich kaum etwas dafür kaufen, aber Kultur konnte man damit bezahlen. Das schlug abrupt um mit der Währungsreform. Die Ära Doerner lief kontrolliert aus. Albert Doerner wurde Darsteller beim Nachkriegsfilm der DEFA, Hannes Razum Schauspieldirektor in Bremen, später Intendant in Celle. Trotz des dringenden Wunsches von Direktor Günther Scharowsky, Vorstand der Siemens-Schuckert-Werke, konnte ein eigenproduzierendes Theater nicht mehr finanziert werden. Es begann die bis 1956 laufende Gastspielperiode der Städtischen Bühnen Nürnberg, aber auch anderer Bühnen. Hier bin ich mit meinem Bericht wieder am Anfang. Übrigens, die schwere Entscheidung, in den Gastspielbetrieb überzugehen, trafen 1948 der Siemens-Direktor Wilhelm Lehmann und Dr. Otto Hiltl auf Rat keines Geringeren als des bei der 1. Internationalen Theaterwoche der Studiobühne anwesenden Gustaf Gründgens. Dr. Ruprecht Kamlah war von 1991 bis 2012 Vorsitzender des gVe.

46


Andreas Jakob

»Moralische Sanierung des Volkskörpers«

Theaterinteressierte angehörten. Da auch dieser Personenkreis zu den ideologischen Gegnern der Nationalsozialisten zählte, bildete die Mitgliedschaft ein Ausschlusskriterium. Deshalb schrieb Medizinalrat Dr. Hermann Müller, Ortsgruppenleiter des Kampfbundes für deutsche Kultur, am 10. Juni 1933 bedenklich: »Sehr ernst würde ich aber die Lage halten, die hier entstehen würde, wenn die Bestimmung mit der Schlaraffia streng durchgeführt würde, denn dann würde der ganze bisherige Aufbau in Erlangen in Frage gestellt«. Stellt man sich die Gleichschaltung als eine klare, lineare Entwicklung vor, belehren einen die Ereignisse beim Gemeinnützigen Verein eines Besseren. Der Schriftwechsel der folgenden Monate zeigt eine Vielzahl von Amtsniederlegungen und Absetzungen sowie andere Querelen, so dass Oberbürgermeister Alfred Groß am 22. Januar 1934 feststellen musste: »Durch die Amtsenthebung des Herrn F.C. Scholl ist die Deutsche Bühne, Ortsgruppe Erlangen (gVe) z. Zt. ohne Führung. Die Neubesetzung verlangt eine Persönlichkeit, welche geeignet ist, den Rückgang der Mitgliederzahl nicht nur aufzuhalten, sondern ins Gegenteil zu verkehren. Das kann nur derjenige fertigbringen, der mit der Erlanger Bevölkerung in Verbindung steht«. Die Schwierigkeiten, die die Nationalsozialisten mit der Gleichschaltung des Gemeinnützigen Vereins hatten, darf nicht mit Widerstand gegen das neue System verwechselt werden. Am Tag der Machtergreifung unterzeichneten Geheimrat Fleischmann, »Deutsche Bühne« Ortsgruppe Erlangen E.V. (gVe), Scholl, Fachschaft »Deutsche Bühne« im Kampfbund für deutsche Kultur, Med.-Rat Dr. Müller, Ortsgruppenleiter des Kampfbundes für deutsche Kultur, Dr. Flierl, Oberbürgermeister, Groß, 2. Bürgermeister und Kreisleiter der NSDAP, und Prof. Dr. Reinmöller, Rektor der Universität, einen »Aufruf zur Rettung des Deutschen Theaters!« Darin hieß es unter anderem: »Werdet Mitkämpfer auf dem Felde deutscher Kultur gegen undeutsches und unkünstlerisches Wesen! […] Der Zustand des Verfalls ist zu Ende, völkischer Aufbauwille muß und wird das Theater wieder zu einer Angelegenheit des ganzen Volkes werden lassen.« Zweck des Kampfbundes war die »Verbreitung des weltanschaulichen Gedankengutes der N.S. Bewegung im ganzen Volke, bis in die kleinste Werkstatt, bis in die einfachste Bauernhütte. 2. Reinigung unseres kulturellen Lebens von Schmutz und Schund. 3. Förderung aller jener geistigen Kräfte, die im Sinne des Aufbaus des 3. Reiches wirken«. Zwar war die Zugehörigkeit zur NSDAP nicht erforderlich, eine entsprechende Gesinnung allerdings schon. »Juden oder Judenstämmige, Angehörige von Logen

Das Erlanger Theater im Nationalsozialismus Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933, der »Machtergreifung«, wandelte sich die parlamentarische Demokratie der Weimarer Republik rasend schnell in eine nach dem Führerprinzip aufgebaute zentralistische Diktatur. Ein wichtiges Instrument war die rasche Ausschaltung aller Gegner und die Gleichschaltung aller Institutionen, Vereine und Verbände. Zur Instrumentalisierung der Bevölkerung sollte auch das Theater seinen Beitrag leisten. Am 24. März 1933 meldeten die Erlanger Neuesten Nachrichten aus einer »Regierungserklärung«: »Die Rede kündigt eine moralische Sanierung unseres Volkskörpers mit Hilfe von Theater, Film, Rundfunk und Presse an«. Bei der Umgestaltung der Theaterorganisation spielte der 1928 von dem NS-Chefideologen Alfred Rosenberg gegründete, völkisch gesinnte und antisemitisch ausgerichtete »Kampfbund für deutsche Kultur (KfdK)« eine maßgebliche Rolle. 1934 wurde er mit dem Reichsverband »Deutsche Bühne« zur »Nationalsozialistischen Kulturgemeinde« zusammengefasst. Bereits am 11. April 1933 bestimmte der Führerstellvertreter Rudolf Heß die »Deutsche Bühne« zur alleinigen, von der Partei dominierten Theaterbesucherorganisation, »in die alle anderen Organisationen einzugliedern (waren)«. In einem undatierten Schreiben heißt es: »Allgemein diene zu Ihrer Orientierung, dass den Grund für die Besucherorganisation ›Deutsche Bühne‹ Mitglieder der N.S.D.A.P. bilden sollen, dass aber darüber hinaus alle Bevölkerungskreise, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit, als Mitglieder aufzunehmen sind. Dies entspricht dem Sinn der ›Deutschen Bühne‹, auf dem Weg über das Theater das ganze Volk für den neuen Staat zu gewinnen«. In Erlangen organisierte traditionell der 1876 gegründete Gemeinnützige Theater- und Konzertverein Erlangen (gVe) das seinem Namen entsprechende Programm. Jedoch waren 1933 viele Funktionsträger – so der Kaufmann Carl Scholl, der Universitätsprofessor Ewald Geißler, der Privatdozent Helmut Weigel, der Oberbürgermeister Hans Flierl und der Geheimrat Prof. Dr. Albert Fleischmann – Schlaraffen, das heißt Angehörige einer 1859 in Prag gegründeten, weltweiten Vereinigung zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor, der traditionell viele 47


Aufruf zum Beitritt in die Besuchervereinigung »Deutsche Bühne«, 1933


Erlanger Tagblatt, 10.01.1933

»Moralische Sanierung des Volkskörpers« und Geheimbünden internationaler Bedeutung – hierzu zählen auch die umgewandelten Logen, die Schlaraffia und der Rotary Club – können nicht Mitglieder werden«. Wenn sich der Gemeinnützige Verein 1937 angeblich auflöste, »bevor ihn die NS-Organisation ›Kraft durch Freude‹ vereinnahmen konnte«, ist das nur bedingt richtig. Im Dritten Reich durfte kein Verein weiterbestehen, die Selbständigkeit ging bereits mit der Machtübernahme verloren. Die personelle Kontinuität und die persönliche Identifizierung mit den Zielen des NS-Regimes beweist »Ewald Geißler, geboren 1880, seit 1922 Lektor bzw. außerordentlicher Professor für Stimmbildung und deutsche Sprachkunst in Erlangen, Mitglied der SA seit 1. März 1934, deren Weltanschauungs- und Kulturreferent seit 1936 und NSDAP-Mitglied seit 1937«. Nach dem Verlust seiner Wohnung und seiner Stellung nach Kriegsende beging er am 26. Januar 1946 zusammen mit seiner Frau Selbstmord. Wer im Dritten Reich in Erlangen großes Theater sehen wollte, musste wie schon vorher nach Nürnberg oder Fürth fahren. Jeden Tag stand das dortige Programm in den Tageszeitungen. Aber auch die Universitätsstadt bemühte sich um ein attraktives Angebot. In Ermangelung eines eigenen Ensembles war man auf Gastspiele angewiesen. Mit dem Stadttheater Nürnberg wurden Verträge über eine bestimmte Anzahl von Aufführungen pro Saison geschlossen. Allerdings bereiteten die vergleichsweise beengten Verhältnisse im Markgrafentheater erhebliche Schwierigkeiten. Am 13. April 1937 schrieb der Erlanger Oberbürgermeister Alfred Groß an seinen Nürnberger Kollegen Liebel: »Die 15 Gastspiele des Stadttheaters Nürnberg im Winterhalbjahr 1936/37 sind nunmehr abgelaufen. Leider zeigte sich diesmal ein solch starker Rückgang der Besucherzahl gegenüber den Vorjahren, so daß ein empfindlicher Verlust für die Stadt eintrat. […] Die künstlerische Höhe der gebotenen Vorstellungen entsprach wiederum durchaus den großen Ansprüchen, die wir durch die Nürnberger Künstler erfüllt zu sehen gewohnt sind. Dagegen konnte die Spielplangestaltung unseren Wünschen nicht gerecht werden«. Grund dafür waren die Schwierigkeiten, manche Stücke überhaupt auf die kleinere hiesige Bühne bringen zu können. Während man mit den Schauspielen und Lustspielen durchaus zufrieden war, gab es bei Opern und Operetten Probleme. »Hier hatten wir so gut wie niemals eine Auswahl, sondern mußten jedes Mal ein bestimmtes Werk, das uns als das einzig mögliche bezeichnet wurde, annehmen. Der Grund liegt natürlich auch hier in der Kleinheit unseres Theaters, insbesondere des Orchester-

raumes. Der Hauptgrund ist aber wohl darin zu sehen, daß an Erlanger Opern-Abenden stets gleichzeitig auch im Nürnberger Opernhaus gespielt wurde. Es steht also bei Opern und Operetten nur die Hälfte der Sängerschar, wie des Orchesters zur Verfügung. Damit schrumpft selbstverständlich auch das, was für Erlangen an Werken möglich ist, auf eine kleine Zahl von Stücken ein. Dazu kommt aber noch, daß diese Schwierigkeiten immer erst verhältnismäßig spät zum Bewußtsein kommen. Infolgedessen ist uns mehrere Male ein anderes Stück versprochen worden als schließlich gewährt wurde. Dadurch 49


»Moralische Sanierung des Volkskörpers« mußten unsere Voranzeigen immer widerrufen werden, sodaß die Erlanger Theaterbesucher gar kein Zutrauen mehr in unsere Spielplanankündigung haben konnten. Hieraus erklärt sich auch der Rückgang der Platzmieter. Die Folge dieser Verhältnisse war, daß wir von den schönen Neuigkeiten, die der Nürnberger Spielplan an Opern und Operetten im letzten Winter gebracht hat, in Erlangen so gut wie nichts zu sehen bekommen haben«. In einem Schreiben von Groß vom 21. Oktober 1943 heißt es, »daß daran aber nicht die Kriegsverhältnisse die Schuld trügen, sondern die Tatsache, daß das Stadttheater der Stadt der Reichsparteitage darnach strebe, seine Inszenierungen in immer größerem Stile durchzuführen. Bühnenbilder, wie z.B. die von Preetorius, lassen sich natürlich nicht auf die Erlanger Bühne übertragen«. Auf den ersten Blick war das Programm des Erlanger Theaters im Dritten Reich wenig anspruchsvoll, funktionierte aber trotzdem in nationalsozialistischem Sinne. Walter Kootz resümierte in seiner Magisterarbeit 1996:

»Die harmlos anmutende Bezeichnung barg jedoch im Dritten Reich das Politische und die Ideologie des Nationalsozialismus insofern, als die spielplandominierende, seichte, dem Anschein nach zweckfreie Unterhaltung des Musik- und des Sprechtheaters als Entspannungs- und Ablenkungstheater eine politische Funktionalisierung erfuhr. Ein von jeher traditionell-bürgerlicher, konservativer und gemäßigter Spielplan bleibt in seiner Struktur weitgehend erhalten, wird jedoch, infolge der Nürnberger Gastspieltätigkeit und den dort ebenso wie reichsweit realisierten rassistischen und ideologischen Bestimmungen, inhaltlich verändert. […] Erlangen war eingebunden in das Gesamtgefüge des Dritten Reichs, seine Machtapparate und Institutionen. Der Spielplan des Erlanger Stadttheaters stellte dabei in dieser Zeit lediglich einen kleinen Bestandteil dar, der in seinem engen Rahmen dem nationalsozialistischen Staat mittels einer auf Ablenkung bedachten Programmgestaltung dienlich war«. Dr. Andreas Jakob ist seit 2007 Leiter des Stadtarchivs Erlangen.

50


Hans-Friedrich Bormann

Zwischen Abriss und (Re-)Konstruktion

praxis noch auf Komfort oder Sicherheit des Publikums Rücksicht nehmen muss, der andere ist die Idee des Theaters als neutraler, multifunktionaler Raum, der keinen ästhetischen oder historischen Eigenwert besitzt. Den Verlauf der damaligen Diskussion kann ich in diesem Beitrag nur skizzieren, sie ist bereits in zahlreichen kunsthistorischen sowie lokalgeschichtlichen Publikationen aufbereitet worden. Mein Interesse gilt einem exemplarischen zeitgenössischen Dokument, in der zentrale Konfliktlinien und wichtige Akteure zu Wort kommen und das Aufschluss gibt über das Verhältnis zwischen der Stadt und ihrem Theater.

Erlanger Theaterpolitik in den Jahren 1956 bis 1959 »Markgrafen-Theater nicht mehr zu retten« erfahren die Leser der Erlanger Nachrichten am 4. Dezember 1956, von »akuter Einsturzgefahr« ist die Rede, von »35 Schadenspositionen« und davon, dass bei einer Wiederherstellung »auf Jahre hinaus mit hohen Kosten« zu rechnen wäre; entsprechende Überlegungen seien eine »verlorene Illusion«. Wir wissen heute, dass der damals ausgerufene Abschied vom Markgrafentheater voreilig war. Allerdings kann er für uns ein Anlass sein, über das heutige Verhältnis zwischen der Institution Theater und der Stadtgesellschaft nachzudenken. Denn dahinter steht die Frage, welche Bedeutung (welchen Wert und welchen Sinn) das Theater für die Stadt und seine Bürger besitzt. Solange seine Existenz fraglos ist und der alltägliche Betrieb reibungslos verläuft, besteht kaum Anlass, sich darüber klar zu werden. Erst wenn sich die Rahmenbedingungen ändern (etwa durch die Notwendigkeit einer erheblichen finanziellen Investition), wird eine öffentliche Verständigung nötig. Die Unmöglichkeit, so weiterzumachen wie bisher, eröffnet eine Bühne: für Akteure, die ansonsten im Verborgenen wirken, für die Formulierung von Argumenten, die ansonsten stillschweigend vorausgesetzt werden, für persönliche Bekenntnisse und Zerwürfnisse, für die Zuweisung und die Annahme von Verantwortung. Dabei ist zuallererst festzuhalten, dass im Erlangen der 1950er Jahre nicht über die Existenz des Stadttheaters als Institution diskutiert wurde. Infrage stand, ob das Markgrafentheater als historisches Gebäude und in seiner Funktion als aktive Spielstätte erhalten werden soll. Mit einer Selbstverständlichkeit, die aus heutiger Sicht erstaunt, wurden unter Verweis auf die Instandsetzungskosten zunächst sowohl sein Abriss als auch seine Konservierung als kunsthistorisches Denkmal erwogen. In beiden Fällen sollte der vom Gemeinnützigen Verein (gVe) organisierte Gastspielbetrieb (ein eigenes Ensemble mit einer künstlerischen Intendanz besaß das Erlanger Theater zum damaligen Zeitpunkt nicht) in einer neu zu errichtenden, kombinierten Theater-, Konzert- und Versammlungshalle erfolgen. Diese Diskussion spielt sich zwischen zwei Polen ab: Der eine ist die Idee eines Theaters als singuläres historisches Artefakt, das weder auf die aktuelle Theater-

Eine kurze Chronologie Am 15. Februar 1956 musste das Markgrafentheater aufgrund eines Gutachtens, das die Baufälligkeit des Zuschauerhauses attestierte, kurzfristig geschlossen werden. Obwohl der Stadtrat umgehend Mittel für die bauliche Sicherung bereitstellte, erwies sich der Gesamtbedarf als so hoch, dass Abriss und Neubau als wirtschaftlichere Lösungen erschienen. Die Einsicht, dass der Abriss des barocken Innenraums als kultureller Verlust anzusehen wäre, setzte sich erst nach und nach durch. Ende 1956 lagen drei Optionen auf dem Tisch: eine »kleine Lösung« (die Konservierung des historischen Gebäudes), eine »mittlere Lösung« (Erhalt des Gebäudes mit Spielbetrieb und den entsprechenden technischen sowie räumlichen Verbesserungen, insbesondere das Zuschauerhaus und die Nebengebäude betreffend) sowie als »große Lösung« ein Neubau. Als klar wurde, dass ein multifunktionales Veranstaltungsgebäude den Anforderungen eines Theaterbetriebs kaum entsprechen (und seinerseits erhebliche Kosten mit sich bringen) würde, während der Erhalt und die Ertüchtigung des Markgrafentheaters durch private Initiativen und öffentliche Geldgeber gefördert werden würde, beauftragte der Stadtrat das Stadtbauamt im September 1957, Pläne für die »kleine« und die »mittlere Lösung« auszuarbeiten. Zur »mittleren Lösung« gehörte zu diesem Zeitpunkt, das marode Zuschauerhaus bis auf die Innenseite des (als allein schützenswert geltenden) Auditoriums abzureißen und die Funktionsräume durch einen Stahlbetonneubau zu ersetzen; erweiternde Baumaßnahmen – darunter der heutige Foyertrakt – waren zunächst nur als Optionen gedacht. Am 13. November 1957 entschied sich der Stadtrat für eine solche erweiterte »mittlere Lösung«. Die Baumaßnahmen wurden in den Jahren 1958/59 durchgeführt; die Wiedereröffnung des Markgrafentheaters fand am 19. Dezember 1959 statt. 51


Zwischen Abriss und (Re-)Konstruktion Die Erlanger Nachrichten als Schauplatz

Kunsthistoriker und Theaterwissenschaftler sowie der gVe – jedoch keine Theaterpraktiker (auf diesen Aspekt komme ich noch zurück). Von besonderem theaterwissenschaftlichen Interesse ist die Intervention von Wolfgang Baumgart, seinerzeit Lehrstuhlinhaber für neuere deutsche Literatur an der Universität Erlangen und Vorstand der theaterwissenschaftlichen Sammlung. Zitiert wird aus einem Brief Baumgarts an Oberbürgermeister Poeschke, darunter die folgende Passage: »Jede Änderung des Zuschauerraums im Interesse der Nutzbarkeit unter Vernachlässigung der Unantastbarkeit des Denkmals ist als zerstörerischer Eingriff zu verwerfen. Dazu würde sowohl die Durchbrechung der Rangbrüstungen wie eine Erhöhung des Parterrebodens gehören.« Durch die Berufung auf »Vertreter der Theaterwissenschaft des In- und Auslands« sowie eine entsprechende Stellungnahme aus dem Erlanger Kunstgeschichtlichen Seminar entsteht der Eindruck eines einstimmigen geisteswissenschaftlichen Lagers, in dem die Präsenz der Vergangenheit fraglos einen höheren Stellenwert einnimmt als die Anforderungen der zeitgenössischen Theaterpraxis oder der Komfort bzw. die Sicherheit des Publikums. Ein Ausgleich zwischen den widerstreitenden Positionen scheint dem Autor des Artikels nicht ohne weiteres möglich zu sein. Die zu erwartende Stellungnahme des Landesamts für Denkmalpflege jedenfalls wird von ihm wie das Urteil eines Fürsten herbeigesehnt: »Es ist im Hinblick auf den Widerstreit der Meinungen woh[l] geradezu ein Glück für Erlangen«, heißt es am Schluss, »daß die letzte Entscheidung nun in die Hände eines Gremiums gelegt ist, das hoch über diesem auf lokaler Ebene ausgetragenen Für und Wider steht.« Man könnte darin den Wunsch nach Befriedung nach langer Diskussion sehen, man könnte aber auch argwöhnen, dass die Kontroverse überhaupt nur so ausführlich entfaltet wird, weil die Entscheidung Experten überantwortet werden kann.

Ausschnitt aus Erlanger Nachrichten, 13.12.1957

Am 13. Dezember 1957 erscheint in den Erlanger Nachrichten ein Artikel von Rudolf Stöckl unter der Überschrift »Heute Entscheidung über die ›mittlere Lösung‹«. (Abbildung 1) Wie schon gesagt, war die Entscheidung formal bereits gefallen, doch sie wird durch einen Teilaspekt infrage gestellt: die Pläne zur Neugestaltung des Parketts. Ein sekundäres Ziel der Renovierung war es, die Sicht auf die Bühne zu verbessern und die Platzzahl zu erhalten bzw. zu erhöhen; ersteres durch eine Erhöhung und Anschrägung des Parkettbodens, letzteres durch eine neue Anordnung der Stühle und die Schließung des damals noch vorhandenen Mitteleingangs unter der Fürstenloge. Um auch unter diesen Bedingungen ausreichende Zugangsbzw. Fluchtmöglichkeiten zu gewährleisten, sollte die Brüstung des 1. Rangs an vier Stellen durchbrochen werden, wogegen denkmalpflegerische Bedenken erhoben wurden. Dort setzt der Artikel an, der in der Diskussion eine dreifache Funktion einnimmt: Erstens berichtet er von der Problemlage, den Akteuren und dem aktuellen Stand der Entwicklung, zweitens bildet er einen medialen Raum für einen Austausch, der ansonsten – etwa auf Gremiensitzungen oder in Form von schriftlichen Stellungnahmen – weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden würde, drittens ergreift er selbst Partei – wenngleich auf subtile Weise. So und so trägt er zur Beantwortung der Frage bei, welches Theater die Bürger und ihre Repräsentanten wollen. Ich möchte dies an einigen Details verdeutlichen: Zunächst referiert der Autor die Problemlage und zitiert nacheinander verschiedene Instanzen und Personen, teilweise Entscheidungsträger, teilweise beratende Fachleute. Durch die Zitate in wörtlicher Rede entsteht vor dem Auge des Lesers eine quasi-dialogische, kompetitive Situation. Zu Wort kommen Architekten und Baufachleute,

52


Ausschnitt aus Erlanger Nachrichten, 13.12.1957


Dass der Autor selbst eine Position einnimmt, scheint zu seinem Lob der neutralen, übergeordneten Gewalt nicht recht zu passen. Die Positionierung sehe ich auch weniger explizit im Text als implizit in den beigegebenen Bildern bzw. der Text-Bild-Relation. Dazu zählt eine Grafik, die lt. Legende »den Weg, den die Theaterbesucher einschlagen müßten, um zu ihren Plätzen im Parkett zu gelangen«, zeigt und die in ihrer Stauchung die tatsächlichen Verhältnisse überspitzt, aber auch in dem prominent platzierten retuschierten Foto, das eine während der Bauarbeiten probeweise vorgenommene Durchbrechung der Brüstung mit einer absichtlich (?) ungelenken Treppenzeichnung kombiniert. Noch deutlicher wird diese Tendenz, wenn man darüber nachdenkt, dass es durchaus Möglichkeiten gegeben hätte, auch die Gegenargumente

darzustellen – etwa eine Zeichnung, welche die künftig verbesserte Sicht auf die Bühne verdeutlicht. In der Sache haben sich die Denkmalsbehörde und die Stadt letztlich auf einen Kompromiss geeinigt, der sowohl eine Verbesserung der Sicht als auch einen kunsthistorisch wie feuerpolizeilich tragbaren Zugang zum Parkett ermöglicht. Erreicht wurde dies durch eine Verdoppelung der Zugänge im vorderen Bereich des Parketts sowie eine Absenkung der Bühne. Das Ergebnis ist noch heute im Zuschauerraum des Markgrafentheaters zu erleben; einem aufmerksamen Zuschauer wird die Nähe zwischen den letzten Parkettreihen und dem 1. Rang auffallen, welche der (gegen das damalige Votum der Theaterwissenschaft vorgenommenen) Anschrägung des Parkettbodens geschuldet ist. 54

Ausschnitt aus Unser Bayern. Heimatbeilage der Bayerischen Staatszeitung, Januar 1960

Zwischen Abriss und (Re-)Konstruktion


Zwischen Abriss und (Re-)Konstruktion Zur Aktualität der Debatte

Es wäre lohnend, die Erlanger Krise in einem erweiterten Kontext, nämlich im Licht der Architekturdiskussion in der Bundesrepublik der 1950er Jahre zu sehen, die sich, kaum zufällig, häufig an Theaterbauten entzündet hat. Die Spannung respektive der Versuch eines Ausgleichs zwischen der Restauration des Innenraums und der Neugestaltung der Außenhülle bzw. der Foyers wäre einer genaueren Analyse wert. Schließlich hätte man auch darüber nachdenken können, ob die Anordnung des Publikums in einem barocken Parkett- bzw. Logentheater dem Selbstverständnis der Stadtgesellschaft in den 1950er Jahren entspricht – und welche Alternativen es dazu gibt. Drittens: Es fällt auf, dass die Theaterpraxis in der damaligen Diskussion keine Stimme hat. Ein Grund dafür ist sicherlich das Fehlen einer künstlerischen Intendanz; der gVe fällt mit seiner Verpflichtung auf den Gastspielbetrieb in dieser Hinsicht aus, ebenso wie die Theaterwissenschaft mit ihrer ausdrücklich kunsthistorischen Orientierung. Erwähnenswert ist das Schweigen der Theaterpraxis aber auch deswegen, weil sich hier eine neue Konfliktlinie zwischen Kunst und Repräsentation ankündigt, welche die Erlanger Theaterpolitik in den folgenden Jahrzehnten noch beschäftigen wird.

Ausgangspunkt meiner Überlegungen war die Idee, dass die Diskussion um den Erhalt des Markgrafentheaters – wie jede Krise des Theaters – Aufschluss über das Verhältnis zwischen Theater und Stadtgesellschaft gibt, und dass es möglich ist, mit Hilfe von Quellenanalysen Details dieses Verständnisses herauszuarbeiten. Mit der gebotenen Zurückhaltung möchte ich für die Erlanger Theaterkrise Ende der 1950er Jahre folgende Zwischenergebnisse festhalten: Erstens: Die Quellenlage legt den Gedanken nahe, dass allererst die (im engeren Sinne baulich, im weiteren Sinne ökonomisch bedingte) Möglichkeit seines Verschwindens ein Bekenntnis der städtischen Öffentlichkeit zum Theater provoziert hat. Dazu bedurfte es der öffentlich geführten Diskussion – von der Selbstverständlichkeit, mit der Ende 1956 der Abriss erwogen wurde, ist es ein weiter Weg zu der allseits gelobten Wiedereröffnung des restaurierten Innenraums und des neuen Foyertrakts im Winter 1959. Zweitens: Dieses durch die Krise allererst entstandene und durch die Diskussion geschärfte Interesse der Öffentlichkeit gilt nicht dem Theater als Ort einer künstlerischen Auseinandersetzung. Entscheidend ist seine repräsentative Funktion als Ort von Tradition.

Dr. Hans-Friedrich Bormann ist seit 2015 Akademischer Oberrat am Institut für Theater- und Medienwissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

55


Zweiundzwanzig wilde Jahre des (nicht) Erwachsenwerdens

»Das Studio setzt sich folgendes zum Ziel: Es will dramatische Werke aus ihrem Büchergefängnis befreien und auf die Bühne stellen. Es will alle Seiten der Bühnenpraxis erobern und bedarf dazu des Experiments. Dazu bedarf es aber auch der Hilfe des studentischen Zuschauers: seiner Bereitwilligkeit zur Aufnahme und Diskussion der dargebotenen Probleme und schließlich auch des Verständnisses für die Schwierigkeiten, die wir zu überwinden haben, um überhaupt spielen zu können.« Mit diesen überaus offenen Worten auf ihrem ersten Programmzettel vom 13. Dezember 1946 benennt die neu gegründete »Studiobühne Erlangen« bereits vieles von dem, was ihre Gründer wenige Monate nach Kriegsende umtrieb und in welcher Zeit sie angetreten waren, Theater zu machen. Einer dieser jungen Theatermacher war der 1920 in Nürnberg geborene Hanswalter Gossmann, der sich Anfang der 1940er Jahre bereits als Theaterautor hervorgetan hatte und sich im Sommersemester 1946 an der Universität Erlangen einschrieb. Er teilte die unmittelbar sichtbaren und unsichtbaren Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und das Gefühl, Teil einer »betrogenen Generation« zu sein. Dazu gehörte – für einen Theatermacher nicht unerheblich – auch die Tatsache, die in den 1920er Jahren jäh unterbrochene kulturelle Entwicklung in Deutschland nicht miterlebt zu haben und Autoren wie Brecht nur aus dem »Büchergefängnis«, nicht aber aus der Theaterpraxis zu kennen. Dem konnte damals weder ein Germanistikstudium noch das 1945 neu gegründete und vier Jahre später der Währungsreform zum Opfer gefallene Ensemble im Markgrafentheater etwas entgegensetzen. Dennoch bot das Erlangen

Studententheater in Erlangen von der Nachkriegszeit bis 1968

der Nachkriegszeit günstige Voraussetzungen, um gerade hier das Vorhaben, eine Studentenbühne zu gründen, Wirklichkeit werden zu lassen. Erlangen war von größerer 56

links: Erlanger Nachrichten, 28.02.1990 rechts: »Die leere Wiege«, Gastspiel des Genclik Tiyatrosu Istanbul bei den 7. Internationalen Theaterwochen der Studentenbühnen, 1955

Udo Eidinger


»Der gestiefelte Kater« von Ludwig Tieck, Studiobühne Erlangen, 1954

Zweiundzwanzig wilde Jahre des (nicht) Erwachsenwerdens

Programmzettel weiter: »Hat Ihnen das Stück gefallen? Oder was haben Sie daran auszusetzen? Bitte schlagen Sie selbst vor, was wir spielen sollen!« Das zu entscheiden war freilich auch für Hanswalter Gossmann alles andere als leicht: Ein passendes Stück, das noch ohne Bezuschussung durch öffentliche Gelder auskommen musste und das Publikumsinteresse für weitere Besuche wecken wollte, war fast so schwierig zu finden wie später Requisiten oder Kostüme. Aus der Not machten die Studenten eine Tugend und fanden einen modernen Text, der für die bescheidenen Verhältnisse ihres Theaters wie gemacht schien: »Antigone« in der Neufassung von Jean Anouilh aus dem Jahr 1942. »Antigone« seziert mithin nicht nur das »moralische Dilemma der französischen Widerstandsbewegung«, sondern auch die zwiespältige Situation der Deutschen in der Nachkriegszeit, in der jeder mit sich selbst ausmachen musste, wie sehr er Täter, Mitläufer oder Leidtragender der zwölf Jahre NS-Diktatur war. Geprobt wurde anfangs in einer Baracke des Studentenwohnheims in der Henkestraße, gespielt im Theatersaal der Heil- und Pflegeanstalt am Maximiliansplatz.

Zerstörung verschont geblieben, Fernseher gab es nicht, Zeitungen erschienen nur zweimal wöchentlich und die Universität beschränkte sich noch auf ein überschaubares Studienangebot. Zudem standen zahlreiche Professoren dem Anliegen der Studierenden überaus wohlwollend gegenüber und unterstützten diese u. a. in organisatorischen Belangen. Auch die US-amerikanische Militärregierung und der für das Theater zuständige Offizier hatten – ganz im Sinne der vorgeschriebenen »Re-education« und »Democratization« – ein Interesse am Entstehen eines studentischen Theaters. Und so ging die »Studiobühne der Universität Erlangen«, wie sie ab Sommer 1947 offiziell hieß, im Winter 1946 noch mit dem aus heutiger Sicht prophetischen Namen »Studio des Theaterwissenschaftlichen Seminars der Universität Erlangen« an die Öffentlichkeit. Prophetisch insofern, als es ein theaterwissenschaftliches Seminar damals noch gar nicht gab. Der Anspruch an die eigene Arbeit aber war damit unverkennbar vorgegeben: Der Zukunft zugewandt und stets am Austausch mit dem Publikum orientiert. So heißt es denn auch auf dem ersten 57


Zweiundzwanzig wilde Jahre des (nicht) Erwachsenwerdens Und die Rechnung ging auf. Gleich im Anschluss an die Premiere, die aufgrund einer Verordnung der Militärregierung nur universitätsintern und um 15 Uhr nachmittags bei winterlichen »8–10 Grad Innentemperatur« über die Bühne ging, wurde heftig debattiert und bald darauf in den Seminaren und der Universitätszeitschrift diskutiert. Eine mutige Entscheidung sowie »elf Nägel und ein halber Kubikmeter Holz« waren nötig, schreibt Gossmann drei Jahre später, um eine der ersten Studentenbühnen der Nachkriegszeit das Licht der Welt erblicken zu lassen, noch ehe wieder ein eigenständiger deutscher Staat entstanden war. Eine überaus produktive Zeit begann: Ein eigener Spielplan wurde erarbeitet, man trat auf Betriebsfesten u. a. von Siemens auf (Gossmann war 1954 Mitbegründer und bis 1999 Leiter der Siemens-Theatergruppe), spielte für Kinder und Jugendliche, durfte zweimal in der Woche mietfrei ins Markgrafentheater, knüpfte Kontakte mit dem dortigen Ensemble und gewann, was enorm wichtig für die Entwicklung war, ein Publikum auch außerhalb der

»Trommeln in der Nacht« von Bertolt Brecht, Studiobühne Erlangen, 1961

Universitätsmauern. Entscheidend für den anhaltenden Erfolg der Studiobühne dürften aber die ausgewählten Stücke gewesen sein. Zeitgenössisches wurde dem neugierigen Publikum präsentiert oder bekannte Dramen modernisiert und auf ihren aktuellen Gehalt hin abgeklopft. (Kultcharakter bekam in Erlangen z. B. die Neufassung von Ludwig Tiecks »Der gestiefelte Kater«, die von 1954 bis1957 mit Hans Magnus Enzensberger in der Rolle des Hofgelehrten Leander überwältigenden Erfolg hatte und zu Gastspielen in Saarbrücken, Leuven, Bristol und Parma eingeladen wurde.) Das »Was« eines Textes stand im Vordergrund, nicht allein das »Wie« der Umsetzung. So war es naheliegend, in Erlangen bereits einige Jahre vor den Stadttheatern absurdes Theater im Spielplan zu haben. Außerdem konnte als Novum der Theaterarbeit in Deutschland gelten, dass Teamwork in der Regel vor Karrieredenken stand. Eine strenge Unterteilung der jeweiligen Gewerke (wenn man diese überhaupt so nennen kann) gab es nicht, jeder probierte sich in verschiedenen Feldern einer Produktion. Das »Experiment« der Bühnen-

58


Zweiundzwanzig wilde Jahre des (nicht) Erwachsenwerdens ner der Gründer der Studiobühne, Heinz Knorr, der im Frühjahr 1949 eigens in München beim amerikanischen Theateroffizier vorstellig wurde, um mit diesem bei Kirschwasser und Oliven die Modalitäten zu besprechen, später wie folgt: »Gegen Morgen war die Flasche leer, sind die Oliven gegessen, und die erste Theaterwoche hat ihren Etat. Alles Weitere ist unsere Sorge.« Eine kulturelle Institution, die (nicht nur) Erlangens Theaterleben über 22 wechselvolle Jahre und 17 Internationale Theaterwochen hinweg prägen sollte, war geboren. Wenngleich die erste Theaterwoche noch kaum international zu nennen war (die einzigen beiden ausländischen Vertreter kamen aus Paris und Wien), so wuchs das Interesse schnell und 1954 waren bereits 16 Nationen vertreten. Zwei Eigenheiten machten die Theaterwochen besonders interessant: das von Beginn an dazugehörige Diskussionsprogramm mit vielen namhaften Intellektuellen der Zeit und ein programmatischer Blick über Ländergrenzen hinweg, der sich nicht ausschließlich nach Westen richtete, sondern schon früh gen Osten. So kamen u. a. bereits 1952 die Schauspielakademie aus Ljubljana und 1955 ein Studententheater aus Zagreb nach Erlangen. Kurz vor dem Mauerbau 1961 kam es zum Skandal, weil eine Ostberliner Studententheatergruppe die Theaterwoche mit dem Stück »Der entfesselte Wotan« des Linkssozialisten Ernst Toller eröffnete. Denn nicht nur Studententheater aus den sogenannten Ostblockstaaten waren Teil des Theaterprogramms, auch Autoren, die mit dem Bannfluch des Kommunismus als unspielbar angesehen wurden, wurden in Erlangen als Gastspiel oder in Eigenproduktion aufgeführt. Allen voran: Bertolt Brecht. Diesen traf der damalige Leiter der Internationalen Theaterwoche, Horst Statkus, der auch Gründungspräsident der Europäischen Studententheaterunion (ESTU) war, 1954 bei einer Reise nach Ost-Berlin. Dies erregte schlagartig die Gemüter konservativer Politiker und Medien, die Brecht vorwarfen, eine uneindeutige Haltung zur Niederschlagung des Arbeiteraufstands vom 17. Juni 1953 in der DDR eingenommen zu haben. Man verwies darauf, dass die Erlanger Theaterwochen auch mit Mitteln des Bundes finanziert werden. Nur Statkus’ Hinweis, dass er sich als ESTU-Präsident mit Brecht getroffen hatte, konnte die Politik davon abbringen, der Theaterwoche finanzielle Mittel zu streichen. Der Einfluss der Politik auf Leben und Kunst war nicht von der Hand zu weisen; vermeintlich anti-demokratische Einflüsse des Theaters wurden vonseiten der Politik schnell beendet. Zahlreiche Stücke Bertolt Brechts wurden damals von deutschen Stadttheatern boykottiert. Horst Statkus jedoch sprach sich stets gegen diese Form

praxis, von dem der erste Programmzettel sprach, wurde in Theorie und Praxis gelebt. Dennoch gab es auch Gegenwind. Anfang 1947, in der zweiten Aufführung des Lustspiels »Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung« nach Christian Dietrich Grabbe (ebenfalls in der Regie von Gossmann) im Redoutensaal, zeigte sich, wie dünn die Nerven der Besatzer bezüglich des Gezeigten sein konnten. Zwei Darsteller der Inszenierung hielten während der Aufführung unabgesprochen Hammer und Sichel, vermutlich Überbleibsel einer früheren KPD-Kundgebung, im Schattenriss sichtbar auf der Hinterbühne gegen das Licht. Was wohl – passend zum Stücktitel – als Scherz ohne tiefere Bedeutung gemeint war, brachte dem stellvertretenden Leiter der Studiobühne zwei Tage Gefängnis ein. Dank der Fürsprache des Universitätsrektors hatte dieser Vorfall aber keine weiteren Konsequenzen. Freiheit jedoch, so wurde allen schlagartig bewusst, war weiterhin ein kostbares Gut. Auch in der Kunst. Jede Inszenierung musste vonseiten der Universität und der Militärregierung abgesegnet werden. Denkräume zulassen und den Blick über den Tellerrand der engen Grenzen eines nicht selten engstirnigen Nachkriegsdeutschlands wagen: Dazu sahen sich die Männer und Frauen der Studiobühne weiterhin verpflichtet. Infolgedessen schien es fast zwingend, nicht nur in Erlangen zu spielen, sondern auch Gastspielmöglichkeiten wahrzunehmen, denn die rasant wachsende Gruppe begeisterter Theatermacher an Universitäten fasste in den kommenden Jahren auch anderswo Fuß. In ganz Europa wurden Studententheater gegründet, um den häufig als rückwärtsgewandt empfundenen Stadt- und Staatstheatern etwas entgegenzusetzen. Der Wunsch nach einem Austausch mit ausländischer Literatur sowie zwischen den diskussionsfreudigen Studierenden, zwischen den Städten und Nationen, wuchs.

Die Internationalen Theaterwochen der Studentenbühnen Nach einer Begutachtung der künstlerischen Arbeit und einer positiv aufgenommenen Vorstellung der Inszenierung von John Steinbecks »Von Mäusen und Menschen« konnte mithilfe eines wohlwollenden US-amerikanischen Theateroffiziers ein Vorhaben der Erlanger Studiobühne in Angriff genommen werden, für das sich von da an in der Schiffstraße 1 eine Gruppe Studierender zum sogenannten »Planungsausschuss« zusammenfinden sollte: die 1. Internationale Theaterwoche in Erlangen vom 24. bis 30. Juli 1949. Deren Zustandekommen beschrieb ei59


Zweiundzwanzig wilde Jahre des (nicht) Erwachsenwerdens der Zensur aus. Stattdessen forcierte er, was bereits sein Vorgänger Heinz Knorr begonnen hatte: den verbalen Schlagabtausch zu jeder gezeigten Inszenierung bei den Theaterwochen. Bereits 1949 kam Gustaf Gründgens, um sich über neue Stücke zu informieren, die sonst nicht im Stadttheater zu sehen waren, und beteiligte sich eifrig an der Diskussion mit den Studierenden. Weitere Diskussionsteilnehmer, Vortragende und das Begleitprogramm bereichernde Schriftsteller, Universitätsdozenten und Theatermacher waren über die Jahre unter anderem Hans Mayer, Wolfgang Hildesheimer, Kurt Hübner, Günter Grass, Henning Rischbieter, Joachim Fiebach, Andrzej Wirth, Jürgen Schitthelm und Heinar Kipphardt, um nur einige zu nennen. Gerade die oftmals hitzigen Wortgefechte zwischen Vertretern des Berufstheaters und Studierenden boten die Möglichkeit, die eigene Haltung zu schärfen und zwischen dem Vorwurf mangelnder Professionalität und Theater-Routine einen Standpunkt einzunehmen. Auch der Umstand, dass immer alle Studentenbühnen die gesamte Theaterwoche über in Erlangen blieben und sich alle alles anschauen konnten, beförderte den kreativen Austausch. So hatte jede Bühne, die kritisiert wurde, ebenfalls gleichberechtigt die Möglichkeit, sich über andere teilnehmende Gruppen bzw. deren Aufführungen zu äußern. Eine Institution innerhalb der Institution wurde ab 1953 die mal mehr, mal weniger unabhängig geleitete, aber stets bissige Theaterwochen-Zeitung Spotlight. Die Redaktionen wechselten meist jährlich; anfangs gehörte ihr auch Hans Magnus Enzensberger an. Ab 1962 wurden die besten Darsteller sogar mit einem Spotlight-Wanderpreis ausgezeichnet. Dieser musste allerdings stets in Erlangen bleiben, da es sich um die beiden Chow-Chows des Café Mengin am Schlossgarten handelte. »Die internationalen Theaterwochen der Studentenbühnen sind das größte Aktivum der paar Dutzend Unverzagten, die zwischen Kolleg und Mensa in Erlangen Theater spielen« notierte Enzensberger 1955 im Spotlight. Und dennoch: Eine Frage konnten die Organisatoren nicht zufriedenstellend klären. Wie politisch wollte man sein, welchen Stellenwert sollte die Theaterkunst im wieder zusehends lauter werdenden politischen Alltag einnehmen? Eine Seite der Erlanger Studierenden bekannte sich zum Zeigen nicht ausdrücklich politischer Stücke und setzte sich damit dem Vorwurf des l’art pour l’art aus; eine andere war mit nahezu dogmatischer Brecht-Exegese beschäftigt oder versuchte, mittels Theater Einfluss auf die unübersichtlich gewordene Gegenwart zu nehmen. Beide Seiten hatten schließlich großen Anteil daran, dass die als Gegenöffentlichkeit und Forum für unterschiedliche

politische Sichtweisen wider die konservative Mehrheitsmeinung gegründeten Theaterwochen sich immer stärker im politischen Klein-Klein aufrieben. Und dies in einer Zeit, als Freiheit in der BRD bedingungslos dem wirtschaftlichen Wachstum geopfert wurde. Der polnisch-deutsche Theaterwissenschaftler Andrzej Wirth bemerkte 1964 scharfsichtig: »Wenn die junge Generation nicht imstande ist, sich ihr Verhältnis zur Gesellschaft bewusst zu machen, sinkt das Studententheater ins Institutionelle ab; es versucht das einmal Erreichte beizubehalten und kopiert sich dadurch selbst. In einer solchen Situation befindet sich das deutsche Studententheater.« Zweimal konnte man die beginnende Lähmung aufhalten. 1961 überredete man kurzerhand Wolfgang Nürmberger, der in der Erlanger Musikkneipe »Strohalm« eigene Theateraufführungen organsierte, sich der Theaterwochen anzunehmen und ihnen eine neue Kontur zu geben. Zunächst mit Erfolg. Nürmberger setzte sich dafür ein, bekannte Regisseure aus dem Stadttheater für Inszenierungen nach Erlangen zu holen. Einer von ihnen war der junge Claus Peymann, der bereits 1962 mit einer Inszenierung der Hamburger Studiobühne bei den Theaterwochen für großes Aufsehen sorgte und dem 1965 im Markgrafentheater mit der Uraufführung von Hanns Henny Jahnns »Straßenecke« abermals ein großer Wurf gelang. Doch gleichzeitig zeigte sich: Nicht mehr der unbeschwerte Austausch jenseits ästhetischer Maßstäbe des Stadttheaters war zwischen den Gruppen alleiniges Movens, um nach Erlangen zu reisen. Regiehandschriften und eine politisch »richtige« Meinung überdeckten die Theaterwochen. Trotz vereinzelter Glanzlichter wurde deutlich: Die Rolle der Gegenöffentlichkeit, die das Studententheater einnehmen wollte, war längst auf dem Weg in die Institutionen. Und eine Vielzahl intellektueller Stimmen (Grass, Johnson, Walser), denen man keine besondere Nähe zum NS-Regime nachsagte, setzte sich nun, anders als in den Jahren zuvor, lauthals für die gesellschaftlichen Belange der Nachkriegsgeneration ein. Besuche prominenter Künstler und Professoren blieben ab 1966 aus. Der gesellschaftliche Austausch fand jetzt auf der Straße statt. Die mobilisierte Studentenbewegung benötigte ihr Studententheater nicht mehr. Während zu Beginn der Theaterwochen des Öfteren Zuschauer auf die Bühne kamen, um ins Bühnengeschehen einzugreifen, wenn ihnen eine Aufführung nicht gefiel, sorgten die Studierenden 1968 für Abbrüche und offene Proteste im Theatersaal.

60


»Die traurige Geschichte von Friedrich dem Großen« nach Heinrich Mann, Studiobühne der Universität Hamburg, 1968

Zweiundzwanzig wilde Jahre des (nicht) Erwachsenwerdens

Die Erlanger Studiobühne und der selbst ernannte »Planungsausschuss« verzettelten sich im Politischen und missachteten zunehmend den Unterschied zwischen einem politischen Theater und einem Theater, das politisch ist. Spotlight schließlich war es, das noch vor dem endgültigen Ende der Theaterwochen in Erlangen 1968 einen Abgesang anstimmte und gegen die Theaterwochen ätzte: »Macht endlich Schluss! DIE XVII. ERLANGER THEATERWOCHE IST ANACHRONISTISCH! DIE XVII. ERLANGER THEATERWOCHE IST ÜBERFLÜSSIG!« Was bleibt? Sicherlich eine ungemein vielschichtige Beeinflussung der Theaterentwicklungen in Deutschland – nicht zuletzt dadurch, dass viele Mitglieder der Erlanger Studiobühne später Intendanten- und Chefdramaturgenposten an Stadt- und Staatstheater einnahmen und somit positive Erfahrungen ihrer Studententheaterzeit in die Konzeptionen ihrer Häuser einflossen. Die Arbeit zwischen Dramaturgie, Regie und Autoren veränderte sich, die Vermittlung von Theater durch den Einbezug der Zuschauer wurde über die Jahre intensiviert und eine Freie Szene, die, wenn man so möchte, Nachfolger der damaligen Studen-

tentheater wurde, hat sich in ganz Deutschland etabliert, um ein neues produktives Spannungsfeld zum Stadttheater zu schaffen. Ja selbst die veränderten räumlichen Gegebenheiten der heutigen Stadttheater mit ihren Studiobühnen lassen sich in direkter Verbindung zur Studententheaterbewegung sehen, die im eisigen Winter 1946 auch und gerade in Erlangen einen Anfang nahm. Und das »Experiment« und die »Bereitwilligkeit zur Aufnahme und Diskussion der dargebotenen Probleme«, von denen die Väter des Erlanger Studios einst sprachen, wagen heute wieder zahlreiche Studierende in Erlangen mit freien Gruppen, der »Studiobühne Erlangen e. V.« oder der Organisation des jährlich stattfindenden internationalen Tanz-, Theater- und Performancefestivals »ARENA … der jungen Künste«. Die Entwicklung studentischen Theaters in Erlangen ist also zum Glück noch längst nicht abgeschlossen. Udo Eidinger ist seit 2016 Dramaturg am Theater Erlangen.

61


Hans Magnus Enzensberger

Der Elefant im Schnürboden Allein die literarische Fauna könnte eine Arche Noah füllen: »Die Vögel«, »Die Frösche«, »Die Wespen«, »Die Ratten« und »Die Fliegen« … Von Aristophanes bis zu Jean-Paul Sartre, welche Menagerie der Symbole! Kotzebues »Hyperboreischer Esel« und sein »Rehbock«, Paillerons »Maus«, Tschechows »Bär«, die »Haubenlerche« und die »Wildente«, das »Einhorn« und der »Doppeladler« Cocteaus und schließlich, frylich, »Ein Phönix zuviel«.

»§10: Auch dürfen keine Hunde auf der Bühne erscheinen.« So verfügte es, zum Schutz des Musentempels, der Geheime Rat Wolfgang von Goethe als Intendant des weiland Weimarer Hoftheaters. Als der »Hund des Aubry« sich nicht an die Bestimmung hielt, legte er sein Amt nieder. »Dem Hundestall soll nie die Bühne gleichen/Und kommt der Pudel, muß der Dichter weichen!«, so witzelte man in Weimar. Tiere hat es immer auf der Bühne gegeben; in den verschiedenen Masken und Verkleidungen haben sie sich in die moralische Anstalt eingeschlichen.

Zu viel? Schweigen wir von den Ungeheuern aus Pappmaché, die in jedem besseren Fundus schimmeln: Schlangen, Lindwürmer, Drachen, Stiere, Wildschweine und Schwäne … 62


Der Elefant im Schnürboden

Allmählich sterben sie aus, diese wagnerischen Alpträume, die mit elektrisch beleuchtetem Rachen und auf gut geölten Rollen durch unsere Stadttheater geisterten, jahrzehntelang.

Nun, ein leibhaftiger Elefant soll auch im »Gestiefelten Kater« auftreten. So will es das Textbuch. Und, geneigter Leser, wir sind nicht weniger gespannt als Sie, wie wir uns aus dieser Verlegenheit ziehen werden … Streichen? Aber wir haben doch schon die Bären und Adler aus dem Stück gestrichen! Außerdem kommen auch noch Mäuse und Kaninchen darin vor. Wir fragen unseren König um Rat, und er sagte bedächtig: »Lieber ein Kaninchen in der Hand, als ein Elefant auf dem Dach.« Wir konnten ihm füglich nicht widersprechen.

Auch sie waren ja nur ein schwacher Abglanz dessen, was die Barockzeit an fabelhaftem Getier und Ungetier auf die Bühne brachte. Kinderspielzeug sind unsere Monsterfilme von heutzutage gegen das kolossale Rossballett, das anno 1667 mit 1300 Akteuren in Wien aufgeführt worden ist, und Karoline Bauer noch hat in Paris vor hundert Jahren einen Elefanten die Hauptrolle in einem Spektakel spielen sehen, das ihm eigens auf den Leib geschrieben worden war.

Originalbeitrag für das Programmheft »Der gestiefelte Kater«, Markgrafentheater 1954 Der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger spielte u. a. von 1954 bis 1957 im »Gestiefelten Kater« an der Studiobühne und gehörte der Redaktion der Theaterwochen-Zeitung Spotlight an.

63


Susanne Ziegler

Menschen, Tiere, Sensationen

Aus einer Pressemitteilung des Theater Erlangen vom 26. April 2010: »Aufgrund des natürlichen (!) Ablebens unserer beiden letzten Nager suchen wir kurzfristig wieder Actionhelden für die Produktion ›Clyde und Bonnie‹. Gesucht werden belastbare, vitale Hamster mit Hang zur Selbstdarstellung. Als besonderes Extra winkt den ausgesuchten Fellträgern ein Gast-Auftritt bei der ›Woche junger Schauspieler‹ in Bensheim.« Immer wieder hat das Theater in seiner langen Geschichte mit Tieren gearbeitet: mit Mops »Lotti« im Liederabend »I‘m a loser, Baby«, Boxer-Hündin »Emma« in Molières »Tartuffe« (die gemeinsam mit ihrem Frauchen, der Schauspielerin Regine Vergeen, auf der Bühne stand) oder den Kühen in Eugene O‘Neills »Gier unter Ulmen«,

einem Gastspiel des Staatstheaters Stuttgart. Der erste Theaterleiter des »Theater in der Garage« Manfred Neu bot für die Besucher des Theaterplatzfestes sogar Elefantenreiten an – endlich waren die Pappkameraden bei der Eröffnung von 1719 Wirklichkeit geworden! So freudig das Publikum auch auf Tiere reagiert, ist ihre Mitwirkung doch ein zweischneidiges Schwert, wie schon die alte Theaterredensart, Kinder und Tiere hätten auf der Bühne nichts verloren, besagt. Kaum ist der Hund, der Hahn, der Nager auf der Bühne, gilt die gesamte Aufmerksamkeit des Publikums nur noch ihm. Der Mensch, in diesem Fall der bemitleidenswerte Schauspieler, kann einpacken. Und damit nicht genug. Auch hinter den Kulissen dreht sich alles um den heimlichen Star der Auffüh64

»Gier unter Ulmen« von Eugene O´Neill, Gastspiel des Staatstheaters Stuttgart, 1996/1997

Tierisches Theatervergnügen auf der Bühne


links: Elefantenreiten beim Theaterplatzfest, 1975 rechts oben: »Tartuffe« von Molière, Regie: Dominik von Gunten, 2012/2013 rechts unten: »Das Dschungelbuch« nach Rudyard Kipling, Regie: Dorothea Schroeder, 2014/2015

Menschen, Tiere, Sensationen

rung. Er wird gehätschelt, mit Leckereien bestochen und bekommt sogar einen eigenen Assistenten. Das weckt Neid, selbst bei Tierliebhabern unter den Theaterleuten. Welche Risiken der Einsatz eines (scheinbar niedlichen) Tiers im Theater birgt, weiß die »Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung«. In ihrer Broschüre zu »besonderen szenischen Darstellungen« mahnt sie: »Mit Gefährdungen durch unvorhergesehenes Verhalten der Tiere muss immer gerechnet werden […] Aufgabe ist der Schutz sowohl des Personals als auch des Publikums«. Ständige Überwachung ist Trumpf, besonders bei Lebewesen, die als »gefährliche Tiere« eingestuft werden, also jene, »die durch ihre Körperkraft, Gifte, Waffen und ihr Verhalten Personen gefährden können«, z. B. Krokodile, Giftschlangen, Greifvögel und, aufgepasst, Elefanten. Viel sicherer ist dagegen der Einsatz von Schauspielern, die Tiere spielen. So musste die fiese Würgeschlange Kaa alias Dominik Jedryas im »Dschungelbuch« nicht als gefährliches Tier eingestuft werden, ebenso wenig wie Janina Zschernigs Eule in der »Geschichte des Kalif Storch«. Auch Benedikt Zimmermann als überlebensgroßer Frosch im »Froschkönig« galt als harmlos. Weniger plastisch, dafür umso kafkaesker, wurde Peter Neutzling als Ungeziefer (respektive Gregor Samsa) in »Die Verwandlung« in der Garage ausgesetzt und einen veritablen Esel gab ferner Hermann Große-Berg in Shakespeares »Sommernachtstraum«. Es müssen also nicht immer echte Tiere sein, die im Theater tierisch Eindruck machen.

65


Susanne Ziegler

Film ab. Kamera läuft. Und action!

Dass das barocke Markgrafentheater ganz unverhofft auch Filmruhm genießen durfte, verdankt es drei Erlangern aus der Filmbranche: dem Regisseur Erich Menzel, der 1945 ein Institut für wissenschaftliche Filme in Kooperation mit der Erlanger Universität gegründet hatte, dem Werbefilm-Pionier Fritz Boehner und dem Kinotechniker Angel Jotzoff, der für die Firma »Frieseke & Hoepfner« leistungsstarke Filmprojektoren entwickelte. Sie lenkten in der Nachkriegszeit den Fokus von Filmschaffenden und Produktionsfirmen auf die Stadt und ihr Theater.

Das Markgrafentheater als barocke Filmkulisse

Roberto Rossellinis »La paura« Es muss ein Spektakel sondergleichen für die Erlanger gewesen sein, als der berühmte Regisseur Roberto Rossellini im September 1954 mit seinem »offenen FerrariRennwagen« (Erlanger Nachrichten vom 21.09.1954) auf dem Theaterplatz eintraf und – nach einer kurzen Besichtigung mit seinem Kameramann und Produktionsleiter – den endgültigen Startschuss für die Dreharbeiten gab. Für die beiden zentralen Theaterszenen in seinem Film »La paura« (zu Deutsch: Angst), die Geschichte um eine Ehebrecherin nach der Novelle von Stefan Zweig, waren vorab viele Theater in die engere Auswahl genommen worden, die Wahl jedoch fiel auf das Markgrafentheater in der fränkischen Provinz. So etwas hatte man damals noch nicht gesehen: Die internationale Filmproduktion rückte mit vierzig Bühnenarbeitern, Beleuchtern und Helfern an, ein komplettes Opern-Bühnenbild wurde aus Nürnberg und elegante Uniformen für die Logenschließer aus München geliefert. 500 Komparsen, Damen im Abendkleid und Herren im dunklen Anzug, wurden gesucht und nach einer halben Stunde bereits gefunden, wie die Presse mit einigem Stolz vermeldete. Ferner ist im Artikel präzise festgehalten: Ingrid Bergman, eine der populärsten Schauspielerinnen der damaligen Zeit und Hauptdarstellerin des Films, erkundigte sich bei ihrer Ankunft in der Hauptstraße um 10.15 Uhr nach dem Weg zum Theater und begann dort an Pullovern für ihre Kinder zu stricken, was sie, »wie ihr Assistent verriet«, beinahe täglich tat. An der Seite der schwedischen dreifachen Oscarpreisträgerin Bergman spielten die deutschen Schauspieler*innen Mathias Wieman (der u. a. mit so unterschiedlichen Künstlern wie Max Reinhardt, Leni Riefenstahl und Lorin Maazel arbeitete) und Renate Mannhardt. So glamourös die Besetzung, so einfach damals, neun Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, die Bewirtung: In der Drehpause standen 66

Ingrid Bergman und Mathias Wieman im Markgrafentheater, 1954

Das Markgrafentheater als Film-Drehort


Film ab. Kamera läuft. Und action!

die Filmcrew, einfache Mitwirkende aus dem Volk und Schauspieler einträchtig um Wiener Würstchen mit Brot an.

oben: Die Hauptdarsteller Renate Mannhardt, Ingrid Bergman und Mathias Wieman treffen im Hof des Theaters ein, 1954 unten rechts: Regisseur Roberto Rossellini und Kameramann Carlo Carlini vor dem Ferrari, 1954

William Dieterles »Magic Fire« Nur eine Woche nach den Dreharbeiten zu »Angst«, einer deutsch-italienischen Produktion, machte Hollywood Station in Erlangen. Der Oscar-nominierte und mit einem Stern auf dem »Walk of Fame« ausgezeichnete gebürtige Ludwigshafener Wilhelm »William« Dieterle hatte sich vor allem durch seine Biopics über Louis Pasteur und Émile Zola einen Namen gemacht. Sein Projekt »Magic Fire« oder »Die Frauen um Richard Wagner« sollte sein neuester Coup werden. Das Theater Erlangen repräsentierte, doch ein wenig unstandesgemäß, die »dürftigen Verhältnisse« (Homepage Bad Lauchstädt), in denen der junge Wagner durch Zufall ein Dirigat der Mozart‘schen »Hochzeit des Figaro« erhielt. Jenes Bad Lauchstädter Theaterensemble, respektive dessen Orchester, wurde in 67


oben links: Drehpause bei heißen Würstchen, 1954 unten links: Yvonne de Carlo beim Tee, 1954 oben rechts: Das Kammerorchester Erlangen mimt das Lauchstädter Orchester, 1954 unten rechts: Beleuchtung der Szenerie von »Magic Fire«, 1954


Film ab. Kamera läuft. Und action!

Regisseur William Dieterle mit Alan Badel als Wagner und Yvonne de Carlo als Minna Planer bei den Dreharbeiten von »Magic Fire«, 1954

Herbert Veselys und Hans Carl Opfermanns »Prélude – Portrait einer Pause« Trotz der Schließung des Markgrafentheaters wurde 1956 unter strengen Auflagen die Drehgenehmigung für den vierten Teil des Episodenfilms »Maya«, »Prélude – Portrait einer Pause« erteilt. In den kurzen Avantgardefilmen verschiedener Regisseure unter der Gesamtleitung des gebürtigen Altdorfers Hans Carl Opfermann sollte der künstlerische Nachwuchs des noch jungen bundesdeutschen Films vorgestellt werden. Herbert Veselys Episode, die nur auf der Bühne und ohne Publikum im Zuschauerraum gedreht werden durfte, porträtiert Tänzer in einer Probenpause. Das Bundesinnenministerium zeichnete »Maya« als »Leistung von internationalem Rang« aus. Wolfgang Liebeneiners »Schlußakkord« Vier Jahre später, nach dem Umbau und der Wiedereröffnung des Theaters 1960, surrte abermals die Kamera auf der Bühne. Regisseur Wolfgang Liebeneiner, der 1947 die Uraufführung von Borcherts »Draußen vor der Tür« an den Hamburger Kammerspielen inszeniert hatte, war für seinen »Schlußakkord« nach Erlangen gekommen. Das Sängerfilm-Melodram um eine Uraufführung bei den Salzburger Festspielen hatte alles zu bieten, was den damaligen Zuschauern gefiel: Leinwand-Stars wie Eleonora Rossi Drago, Christian Wolff und den »Charmeur mit Witz« Christian Marquand, dazu Star-Tenor Mario Del Monaco und die Wiener Philharmoniker im Orchestergraben. Auf dem dreitägigen Erlanger Drehplan standen Szenen im Parkett mit Opernpublikum. Da zunächst vorwiegend Studenten der Einladung als Statisten gefolgt waren, sprang der Pensionistenbund als »Abordnung gereifter Theaterfreunde« ein, um ein gediegeneres Bild des Erlanger Publikums im Film bieten zu können.

Erlangen vom ansässigen Kammerorchester nebst Mitgliedern der Studiobühne der Universität verkörpert. Die eigentlichen Stars waren natürlich die Hauptdarsteller – Alan Badel, der u. a. mit Rita Hayworth und Harrison Ford vor der Kamera stand, als Wagner und die durch »rasante Abenteuerfilme« (Erlanger Tagblatt vom 30.09.1954) bekannte Yvonne de Carlo als seine Geliebte. Im Gegensatz zum entspannt-mediterranen Arbeiten Rossellinis zeichnete sich Dieterle offenbar durch recht preußische Tugenden aus: Laut Presse legte er, die Trillerpfeife in der Hand, ein »straffes Tempo vor, das von allen Beteiligten äußerste Konzentration auf die Einhaltung der Regieanweisungen verlangte«.

Gérard Corbiaus »Farinelli« 1994 sollte das Markgrafentheater sogar als Kulisse eines »Golden Globe«-Gewinners dienen: Gérard Corbiaus Kostümschinken über den berühmten italienischen Kastraten-Sänger Carlo Broschi alias »Farinelli« wurde 1995 als bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet. Für die Massenszenen, die laut Drehbuch in einem italienischen Theater spielten, warfen sich 400 Erlanger Komparsen in elegante Gewänder und Perücken aus dem 18. Jahrhundert. Die Maskenbildner schienen ganze Arbeit geleistet zu haben, wurden doch »aus Hausfrauen barocke Schönheiten und aus Studenten würdige Herren«, wie die Erlanger Nachrichten witzelten. Auch technisch war der Dreh des 17,5 Millionen Mark teuren Streifens durchaus aufwändig: Die Parkettbestuhlung wurde komplett ausge69


Film ab. Kamera läuft. Und action! der 1980er Jahre zu festen Programmpunkten. So wurde auch in Erlangen fürs Fernsehen gedreht. Robert Freitags Inszenierung »Das höhere Leben« der »Schauspieltruppe Zürich« setzte das ZDF 1968 als Fernsehspiel auf der Bühne des Markgrafentheaters um. In Hermann Sudermanns Komödie in vier Akten aus dem Jahr 1919 spielten u. a. Maria Sebaldt und Adelheid Seeck in der Fernsehregie von Karl Heinz Deickert. 1971 gastierte das berühmte Schauspieler-Paar Nadja Tiller und Walter Giller mit »Hallo, wer dort?«, einem Lustspiel von Keith Waterhouse und Willis Hall, im Markgrafentheater. Die Inszenierung der »Neuen Schaubühne München« in der Regie von Arno Assmann wurde vom Hessischen Rundfunk aufgezeichnet.

Auch als Kinosaal fungierte das Markgrafentheater bisweilen. Zuletzt etwa 2014 für die Filmpremiere des Bayerischen Rundfunks, »Erlangen – Zuflucht für Hugenotten«, aus der groß angelegten Reihe »Das Bayerische Jahrtausend« mit Schauspieler Udo Wachtveitl als Präsentator. Von 1997 bis 2011 verwandelten die Stummfilmmusiktage das Markgrafentheater jährlich in ein Mekka der Cineasten: Die Festivalmacher des Vereins »(a) synchron« rund um Rolf Schamberger und Andrea Kuhn zeigten beliebte, aber auch unbekannte Fundstücke des Stummfilms zu live gespielten Original- oder Neukompositionen: Begleitet wurden die Stummfilme von so unterschiedlichen Künstlern wie dem Nürnberger ensemble kontraste, dem Schlagzeuger und Percussionisten Yogo Pausch oder dem Elektro-Duo »Interzone Perceptible«. Die Liste der vom Publikum begeistert aufgenommenen Filme ist lang – von »Dr. Mabuse«, der »Olsen-Bande« und »Pat und Patachon« bis zu »Berlin – Die Sinfonie einer Großstadt«. 2012 zog das Festival, personell neu aufgestellt, nach Nürnberg.

baut, da die Zuschauer des höfischen Barocktheaters in Farinellis Zeit auf den billigen Plätzen standen. Regisseur Corbiau erinnert sich heute in einer E-Mail: »Als wir das Theater mit dem kostümierten Publikum füllten, war das ein sehr emotionaler Moment. Wenn ich daran denke, habe ich immer noch Gänsehaut. Wir wurden schlagartig 250 Jahre zurück versetzt.«

»Das höhere Leben« und »Hallo, wer dort?« – Theaterinszenierungen für das Fernsehen im Markgrafentheater Am Anfang stand – wie könnte es anders sein? – »Faust«. Ganz dem Bildungsauftrag zugewandt, eröffneten sowohl die ARD als auch das ZDF ihren Sendebetrieb mit Ausschnitten aus Goethes Hauptwerk. Für das Fernsehen adaptierte Theaterstücke von Gustav Gründgens, Fritz Kortner oder Peter Zadek gehörten bis zum Anfang 70

links: Statist*innen warten auf ihren Einsatz bei »Farinelli«, 1994 rechts: Das Theater während einer Aufführung im Rahmen der Stummfilmmusiktage, 1990er Jahre

Das Markgrafentheater als Lichtspielhaus


oben: Bühneneinrichtung von »Farinelli«, 1994 unten links: Blick hinter die Kulissen von »Angst«, 1954 unten rechts: Das ZDF verfilmt das Lustspiel »Das höhere Leben«, 1968


Wolfgang von Rimscha

Das Erlanger Theater 1974 bis 1989

Kulturpolitische Initiative der SPD 1972 Nachdem die SPD 1972 die Mehrheit im Stadtrat und mit Dietmar Hahlweg den OB-Sessel gewonnen hatte, setzte sie ihr Wahlkampfmotto »Farbe ins Erlanger Kulturprogramm« zunächst mit der Schaffung der dringend notwendigen organisatorischen und personellen Voraussetzungen um: Wolf Peter Schnetz wurde Leiter des neu gegründeten Referats für Freizeit, Jugend, Kultur und Sport. Sein Konzept, ein Kinder- und Jugendtheater aufzubauen, musste den Argwohn des gVe wecken, der sich stets darauf berufen hatte, in musterhaft demokratischer Weise dem Publikum selbst die Gestaltung des Spielplans überlassen zu haben. Misstrauisch wurde der Kulturreferent im Stadtrat gefragt, ob er ein »politisches Theater« veranstalten wolle. So ging man mit größter Behutsamkeit vor: Der künftige »Theaterleiter« wurde auf eine ohnehin freie Stelle im Kulturamt gesetzt und in die Verwaltungshierarchie eingegliedert, außerdem zur Mitarbeit an der Vorbereitung des gVe-Spielplans verpflichtet. Öffentlich betonte Schnetz die Unantastbarkeit des Tourneetheaters, das durch den neuen Bereich nur ergänzt werden sollte. Und doch wurde schon zu Beginn der Keim für die spätere Entwicklung gelegt. Die Verwaltung verwendete, aus welchen Gründen auch immer, den Intendanten-Mustervertrag, der, in einigen Punkten modifiziert, im Kern doch ein Intendantenvertrag blieb. Damit wurde dem »Theaterleiter«, der weder »Intendant« genannt werden noch sich gar als solcher bezeichnen durfte, bewusst oder unbewusst eine weit stärkere Position verliehen, als es nach außen schien. Die Folgen sollten sich zeigen.

Die Situation Anfang der siebziger Jahre An ein eigenes Ensemble dachte […] um 1970 noch niemand. Der Gemeinnützige Verein Erlangen (gVe) mit seinem Tourneetheater-Spielplan besaß die unumschränkte Theaterhoheit. Mit Beschluss vom 27.01.1960 hatte ihm der Stadtrat die Gestaltung des Programms im Markgrafentheater übertragen und die entsprechenden Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt. […] Das Gastspielprogramm, von einem Theaterausschuss des Vereins beschlossen, bewegte sich in deutlich konventionellen Bahnen. […] Dennoch hatte der gVe ein getreues Abonnementpublikum, das eher Wert auf gediegene Unterhaltung in gepflegter Gesellschaft als auf ästhetische Reize und kritische Inhalte legte. Solche Qualität hatte das Studententheater mit seinen alljährlich seit 1949 stattfindenden Internationalen Theaterwochen und den Aufführungen der Studiobühne Erlangen durchaus bieten können; als bei der Theaterwoche 1968 die APO während einer Vorstellung die Bühne stürmte, schloss der vom Inspizienten heruntergelassene Eiserne Vorhang eine zwanzigjährige Periode innovativen und experimentellen Theaters in Erlangen ab. Auch die Studiobühne hörte in der bisherigen Form zu existieren auf. Aus dieser Zeit hatte sich jedoch ein theatererfahrenes und kritisches Publikum erhalten, dem jetzt ein entsprechendes Angebot fehlte. Das Programm der vom DGB betriebenen Volksbühne konnte dieses Angebot nicht leisten; es war nur eine Kopie des gVe-Spielplans in schlichterem Gewande.

Die Ära Neu 1974 bis 1989: Eine neue Spielstätte und ein Gegenmodell Manfred Neu, der sich gegen fünf weitere Bewerber in der Endauswahl durchgesetzt hatte, besaß zu viel Theaterblut, um sich beispielsweise auf »Betreuung eines Kindermitspieltheaters«, »Vorbereitung von Schauspiel- und Theaterkursen im Rahmen der Erwachsenenbildung« oder »Pflege des Laientheaters« (so die Stellenbeschreibung) einzulassen – er brauchte eine eigene Spielstätte. So wurde die alte Feuerwehrgarage neben dem Redoutensaal zum Garagentheater, bestückt mit ausrangierten Stühlen und Scheinwerfern und einem Anfangsetat von ganzen 50.000 DM. Von diesem Provisorium ausgehend schuf Neu mit Kreativität und Elan sein Gegenmodell zum betulichen Abonnementbetrieb, »ein eigenartiges 72


Das Erlanger Theater 1974 bis 1989 Zwischending, das unbefangen zwischen Avantgarde und Klamauk pendelte und in seinen besten Produktionen tatsächlich beides wunderbar vereinigen konnte« (Dieter Stoll). Zu erfinden brauchte Neu sein Gegenmodell nicht ganz, nur finden musste er es: Das Off-Theater der »Freien Gruppen« stand damals in seiner Blüte, und mit Gespür für die Nische griff er zu und erklärte Erlangen zu deren Treffpunkt. Die Spannweite dieser durchwegs jungen Bühnen – vom Straßentheater über Agitprop bis zum Kabarett – machte die Frische und ungeheure Lebendigkeit dieser Szene aus. Hinzu kamen die wechselnden Spielorte: Aus der Not des kleinen Theaters mit kaum hundert Sitzen machte man eine Tugend und entwich auf die Plätze der Altstadt oder in das »Hupfla«Gelände, spielte im Freien oder im Zelt, das auf dem Theaterplatz von Jérôme Savary mit seinem »Grand Magic Circus« eingeweiht wurde. Bisweilen überwog der Reiz des Schauplatzes die Qualität der Aufführung, so bei der nostalgisch zum Höhepunkt der Ära verklärten Eigenproduktion »Krach in Chiozza« von Goldoni, mit Klein-Venedig-Ambiente und bootstauglichem Kanal in der Schiff(!)straße, die harsche Verrisse kassierte. Die ebenso legendären »Theatralischen Reisen« in die Fränkische Schweiz waren nichts anderes als mit Fantasie und Witz arrangierte Ausflugsfahrten im Museumszug. Was nicht heißen soll, dass Manfred Neu nicht unvergessliche Inszenierungen glückten, die er, mangels eines festen Ensembles, nur mit Stückverträgen bewerkstelligen konnte. Woody Allens »Gott« mit sechzig ausverkauften Vorstellungen wurde zum Kultstück bei Kritik und Publikum.

Im Kindertheater setzte er ganz neue und bleibende Maßstäbe (»Rotkäppchen« mit Rockmusik von »Floh de Cologne«) und öffnete damit das Markgrafentheater auch neuen Besucherschichten. Außerdem besaß er die Begabung, große, international bekannte Theatermacher in die »Garage« zu holen, so George Tabori, Rick Cluchey, den Beckett-Regisseur und -darsteller, oder – zum ersten Mal in Deutschland – Tadeusz Kantor mit einem Erlebnis für die Zuschauer, das über Theater im üblichen Sinne hinauswies (»Die tote Klasse«,1977). Die seit 1976 in Fortsetzung der Internationalen Studententheaterwochen für einige Zeit von Manfred Neu wieder aufgenommenen Festivals, jetzt der Freien Gruppen, präsentierten Theater der Welt auf teilweise höchstem Niveau, so etwa »Macunaima« aus Brasilien oder »El Fin del Mundo« des mexikanischen Teatro Campesino aus den USA. Spätestens Mitte der 1980er Jahre aber hatte sich der Elan des Off-Theaters erschöpft, gleichzeitig auch die Produktivität des Erlanger Theatermachers. Das Chaotische begann das Kreative zu verdrängen, diverse Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem Theater und der tiefe Griff eines nicht hinreichend kontrollierten Bediensteten der Stadt in die Kasse der Theaterwochen (was deren Aus bedeutete) taten ein Übriges und machten die Trennung unumgänglich. Einmal noch begeisterte Manfred Neu als großartiger Solist in Becketts »Das letzte Band« – »vielleicht sind meine besten Jahre dahin« – das war schon sein Abschied von der Bühne, drei Jahre vor dem Ende seines Vertrages 1989. Dr. Wolfgang von Rimscha, Gründungsmitglied und Vorsitzender des Fördervereins von 1975 bis 1998. Auszug aus: SPD Kreisverband Erlangen-Stadt (Hg.): Materialien zur Sozialdemokratie in Erlangen 1972–1996, Erlangen 2015.

73


Bernd Böhner

Die Ära Manfred Neu von 1974 bis 1989 Ein Fotoessay

Das » Neue Theater Erlangen« Theaterleiter Manfred Neu (Mitte) stellt sein neunköpfiges Ensemble, das er für die Produktion »Zicke Zacke« von Peter Terson im November 1974 engagiert hat, dem Kulturreferenten Dr. Wolf Peter Schnetz (rechts) im Markgrafentheater vor. Hannes Rossa (rechts hinter Neu), Dramaturg, Schauspieler und »Mädchen für alles«, blieb fünfzehn Jahre oben: Alte Tür vor dem Umbau der Feuerwehrgaragen

lang bis zum Ende der Ära Neu dem Theater in der Garage treu.

in der Theaterstraße, 1975 mittig: Bemalte Türen nach Einzug des Theaters in die umgebauten Feuerwehrgaragen, 1975 unten: Eingang in das »Theater in der Garage« mit Schaukasten Theater Erlangen, 1979

Bürgerrecht für Kultur – Theater anders »Kultur geht auf die Straße« – die Londoner Theatergruppe »Kaboodle« verunsichert die Passanten in der Erlanger Innenstadt, 1979.

74


Die Ära Manfred Neu von 1974 bis 1989

In der Ausstellung zum zehnjährigen Jubiläum des Theater Erlangen im

konnte zwar nicht fahren, aber wenn man die Pedale trat, setzte sich ein

Rathausfoyer 1985 weihte Kulturreferent Dr. Wolf Peter Schnetz ein Thea-

Förderband wie ein waagrechter Paternoster in Bewegung und transpor-

terfotovelo ein. Das auf Anregung von Galerist Hartmut »Max« Beck extra

tierte Tafeln zum »Fahrer«, auf denen Theaterfotos der letzten zehn Jahre

für diese Theaterschau in der Fahrradstadt Erlangen angefertigte Fahrrad

zu sehen waren.

Eigenproduktionen von Kinder- und Jugendstücken »Schule mit Clowns« von Friedrich Karl Waechter wurde nicht nur im »Theater in der Garage« gezeigt, sondern fand sein Publikum auch auf dem »Entlas«-Keller. Manfred Neu in einer Titelrolle arbeitet sich durch den »Kinder-Berg« 1976.

75


Die Ära Manfred Neu von 1974 bis 1989

»Robinson lernt tanzen« von Hansjörg Schneider – ein Theaterbesuch mit gehörlosen Kindern. Das Theaterangebot wurde von den Kindern der Sonderschule mit besonderer Begeisterung aufgenommen. Es gab viel zu sehen, was Spaß machte: Farben und Bewegung, Worte, die in Verbindung mit Pantomime verstanden wurden, und eine Geschichte, mit der sich die Schüler identifizieren konnten. So wie Robinson (Ralf Eisner, links), Freitag (Hermann Wouters, Mitte) seine Sprache lehrt, lernen die Kinder selbst Wort für Wort. Der Vogel Huligali (Johannes C. Lubig, rechts) bringt die Ordnungs- und Disziplinvorschriften Robinsons immer wieder durcheinander, 1978. Von der heutigen Blackfacing-Debatte war man damals noch weit entfernt, wie man sieht.

oben: »Die verzauberten Brüder« von Jewgeni Schwarz wurden im Dezember 1977 als Weihnachtsmärchen vom »Ensemble des Garagentheaters« für das Markgrafentheater produziert. Da sich zuvor die hauseigne »Garagen-Band(e)« gebildet hatte, konnte man mit ihrer Hilfe den musikalischen Teil erarbeiten und eine erste eigene Schallplatte herausbringen. Das Titelblatt des Programmhefts zierte eine Zeichnung von Schauspieler Kindertheater, das Spaß machen und gleichzeitig gesellschaftliche Vorgän-

Johannes C. Lubig, der Innenteil erläuterte mit Spielcomics vom gleichen

ge ohne pädagogischen Zeigefinger erklären soll – das nahm man sich in

Künstler die Zauberhandlung.

der »Garage« bei der Inszenierung der »Vier Lumpenhändler« von Roberto Galve vor. Insgesamt drei Teile wurden übers Jahr 1980 hinweg vom bewährten »Lumpenhändler-Team« (v.l.: Annette Schmidt-Fischer, Winfried Wittkopp, Ulrich Mühlmann und Ingrid Beier) in der Regie von Ralf Eisner im »Theater in der Garage« aufgeführt.

76


Die Ära Manfred Neu von 1974 bis 1989 rechts: Wenn in dem Kindermärchen »Hans und die Kletterbohne« von Henry Livings 1978 schon mal die Kuh ins Parkett kommt, erfreut das natürlich die kreischenden Kinder. Erwachsene Theaterbesucher reagierten weniger »amused«. Die an dem Stück kritisierte »Gossensprache« wurde sogar in der Anfrage eines Stadtrats wörtlich zitiert: »Man habe in einem Kinderlied von ›Katzendreck und Mäusescheiß‹ gesungen!« links unten: Bei »Streit um Aschenputtel«, aufgeführt 1985, handelt es sich um eine außergewöhnliche Montage von verschiedenen Märchen der Brüder Grimm. So hat der Autor Ole Norkild nicht einfach das bekannte »Aschenputtel« dramatisiert, sondern manches dazu fabuliert – eine fantastische Geschichte voller Einfälle vom »Gestiefelten Kater« bis zu »Frau Holle«. In der Schlüsselszene passt der Prinz (Winfried Wittkopp) Aschenputtel (Nikola Hübsch) den Schuh auf einem Pferd sitzend an.

Eigenproduktionen im »Theater in der Garage«

rechts unten: »Der Autofriedhof« von Fernando Arrabal, 1977 Als »brutalnaives Asozialen-Passions-Werk« bezeichnete Kulturredakteur der Nürnberger Nachrichten Hans Bertram Bock 1977 Fernando Arrabals »Autofriedhof«. In Manfred Neus Inszenierung spielte Johannes C. Lubig die Hauptrolle.

77


78


Die Ära Manfred Neu von 1974 bis 1989

Freilichttheaterproduktionen unten: Das Sommertheater 1980 brachte die »Tragödie der Rächer« von Cyril Tourneur erneut auf den Altstädter Kirchenplatz. Manfred Neu und Hannes Rossa inszenierten das Stück als blutrünstige Farce, als überzeichnende Parodie mit grellen Masken und einfallsreich übertriebenen Kostümen. Der Herzog (Manfred Neu) führt beim SchlafzimmerKomplott der überraschten Herzogin (Annette Schmidt-Fischer) seinen Kunst-Penis vor.

linke Seite: Manfred Neu in seiner besten und einsamsten Rolle 1985 in Samuel Becketts »Das letzte Band«. Ein alter, erfolgloser Schriftsteller kramt aus seinem Tonbandarchiv, in dem er sein Leben akustisch dokumentiert hat, jenes Band hervor, das er als 39-Jähriger besprochen hat. oben: Christiane Horn als May und Klaus Tissler als Eddie in der deutschsprachigen Erstaufführung von Sam Shepards Stück »Liebestoll – Fool for love« in der Regie von Johannes Zametzer, 1986. Eddie, ein heruntergekommener Rodeoreiter, will, dass seine Geliebte May zu ihm zurückkehrt. Im Laufe der Gespräche erfährt der Zuschauer, dass Eddie Mays Halbbruder ist und die frühere Partnerschaft Inzest war.

79


Die Ära Manfred Neu von 1974 bis 1989

oben: Im Theatersommer 1979 fanden sich das Erlanger »Garagen-

unten: Die erste Freilicht-Produktion des Theater Erlangen, »Der Rabe«

theater«-Team und die freie Londoner Theatergruppe »Kaboodle« zu

von Carlo Gozzi, bekam für ihre komödiantisch-unterhaltsame Abendunter-

einem turbulenten Theaterspektakel auf dem Altstädter Kirchenplatz

haltung den »Stern der Woche« der Abendzeitung. Heike Schurig trat als

zusammen.

Smeraldina in ihrer Paraderolle auf.

80


Die Ära Manfred Neu von 1974 bis 1989

Als »Schlag ins Wasser« bezeichnete die Kulturredakteurin Inge Rauh

Die Schiffstraßen-Häuser wurden als Theaterhintergrund zu Fischerhäus-

von den Nürnberger Nachrichten 1981 die Produktion »Krach in Chiozza«

chen der Lagunenstadt, ein extra für das Stück konzipiertes Wasserbecken

von Carlo Goldoni. Und damit hatte sie gar nicht unrecht. Theaterleiter

stellte einen Canaletto dar, über den eine hölzerne Brücke hinüberführte.

Manfred Neu und sein Bühnenchef Herbert Halbgebauer hatten die

Titta Nane (Winfried Wittkopp) verehrt Lucietta (Christiane Horn) auf der

Erlanger Schiffstraße in ein mikrokleines Chioggia verwandelt.

Freilichtbühne in der Schiffstraße in Erlangen.

81


Die Ära Manfred Neu von 1974 bis 1989

oben: »Babette oder pö à pö« von Helmut Ruge, 1986. Um Freilichtproduktionen witterungsunabhängig weiterführen zu können, entschloss sich Manfred Neu zum Kauf eines dunkelblauen Theaterzelts, das 300 Zuschauern Platz bot. Aufgestellt wurde es im Park der ehemaligen Heilund Pflegeanstalt. Im Jubiläumsjahr der Stadt Erlangen 1986, »300 Jahre Hugenottenstadt«, produzierte das Theater Erlangen ein eigens dafür geschriebenes Stück von Helmut Ruge über die Flucht der Hugenotten aus dem Frankreich Ludwigs XIV. Ludwig (Theo König) und seine Mätresse (Christine Wander) turteln im Beisein der Lakaien (Johannes Zametzer links) und (Michael Knopp rechts). unten: 1985 begann die Sommersaison im Theater im Zelt an der Palmsanlage mit der Komödie »Der Frieden« von Aristophanes in der Bearbeitung von Peter Hacks. In der Regie von Johannes Zametzer heißt es bei Sklave Augias (Winfried Wittkopp) und Opora (Christine Wander): »Zur Sache, Schätzchen«.

82


Die Ära Manfred Neu von 1974 bis 1989

Internationale Theaterwochen: 1980, 1982, 1984

oben: Ein Höhepunkt der 21. Internationalen Theaterwoche 1980 unter dem Motto »Gesichter der Dritten Welt« war die Theatergruppe »Grupo de Arte Pau Brasil« aus Brasilien. Sie spielten das in Erlangen gefeierte Stück »Macunaima« von Mário de Andrade in einer Adaption von Jacques Thiériot. Die Figur des Macunaima, eine legendäre Gestalt der Taulipang-Indianer, ist gleichzeitig Brasilianer, aber auch kosmischer Mensch. De Andrade verquickte in seiner Inszenierung brasilianische Mythen, Geschichten und Volksgut. mittig: Bei der 22. Internationalen Theaterwoche 1982 unter dem Motto »Gesichter Europas« sollte inhaltlich an die Theaterwoche 1980 angeknüpft werden. Spektakulär war die 17-köpfige grönländische Theatergruppe »Tükak´ Teatret« mit dem Stück »Inuit« (auf Deutsch: Mensch). »Tükak« ist die grönländische Bezeichnung für Harpunenspitze, die als Symbol für Kraft, Entschlossenheit und Unternehmergeist gilt. »Tükak´ Teatret« ist vor allem an der Rekonstruktion der eigenen grönländischen Kulturgeschichte interessiert. unten: Mit der 23. Internationalen Theaterwoche unter dem Motto »La France profonde«, endeten die Internationalen Theaterwochen in Erlangen, die Nachfolge trat später das studentische »Arenafestival« an, das bis heute besteht. 1984 stand die Theaterwoche im engen Zusammenhang mit den Erlanger Kulturtagen: Erlangen feierte die zwanzigjährige Städtepartnerschaft mit der bretonischen Stadt Rennes. Aus Marseille kam das »Théâtre du point aveugle« mit der Produktion »Prométhée enchainé d´Eschyle« in der Regie von François-Michel Pesenti. Eine provokante Idee, eine provokante Inszenierung und mit den leeren Färberhallen der ehemaligen Erba in Erlangen ein außergewöhnlicher Aufführungsort.

83


Die Ära Manfred Neu von 1974 bis 1989 links: Das Kollektiv »Rote Rübe« entstand 1971 aus dem Zusammenschluss von Schauspielschülern der Münchener Falkenbergschule. Weil sie den konventionellen Theaterbetrieb und das traditionelle Berufsbild des Schauspielers ablehnten, wollten sie mit der Gründung einer freien Gruppe Alternativen suchen. Ihre letzte Politrevue »Liebe, Tod und Hysterie«, die sie 1977 zu den Theaterwochen im Theater in der Garage zeigten, löste heftige Kritik im Stadtrat aus. CSU-Stadtrat Wolfgang Will im Kultur- und Freizeitausschuss am 8. November 1977: »Die ›Rote Rübe‹ könnte auch mit ›Schneewittchen‹ kommen, da wäre ich auch dagegen«. unten: Das »Ensemble George Tabori« war 1982 deutscher Teilnehmer bei der 22. Internationalen Theaterwoche »Gesichter Europas«. Tabori schrieb das Stück »Der Voyeur« zum Thema Rassismus in den USA. Im Zentrum der Fabel steht die Frage: Wie gehen Menschen verschiedener Kulturen miteinander um?

rechte Seite: George Tabori bei Proben zu »Der Voyeur« im Theater in

Gastspiele im »Theater in der Garage«

der Garage.

84



Die Ära Manfred Neu von 1974 bis 1989 Theaterplatzfest 1976 Das 1. Theaterplatzfest fand im Sommer 1976 zum Abschluss der Erlanger Theaterwoche statt. Mittelpunkt war der Zirkus Atlas mit seinem Zelt und sämtlichen Mitarbeitern und Tieren. Das Zelt war vor allem für den »Grand Magic Circus« Jérôme Savarys vorgesehen. Außer den im Rahmen der Internationalen Theatertage angebotenen Programmen wurden zum Fest regionale Theatergruppen und Versuche mit experimentellen Charakter eingeladen wie die Pantomimengruppe der Studiobühne und der Theaterwagen, eine fahrbare Bühne des Nürnberger Volkstheaters.

oben: Jérôme Savary wartet mit seiner Theatergruppe am Theaterplatz auf die Fertigstellung des Theaterzelts.

Theatralische Reise in die Fränkische Schweiz 1982 Am 2. und 3. Oktober 1982 nahm eine Idee Gestalt an, die wie eine Bombe einschlagen sollte: Die erste »Theatralische Reise in die Fränkische Schweiz« wurde gestartet und stieß auf Begeisterung beim mitreisenden Publikum. Auf der ab Ebermannstadt stillgelegten Eisenbahnstrecke (16 Kilometer lang, mit elf Brücken und 35 Bahnübergängen) wurde ein nostalgischer Sonderzug der »Dampfbahn Fränkische Schweiz e.V.« für das Theater Erlangen angemietet. Die Route führte von Erlangen über Forchheim und Ebermannstadt nach Muggendorf und schließlich bis nach Behringersmühle. An den Halten und Bahnhöfen wurde theatralische Unterhaltung geboten, wie die »Wanderbare Straßenkunst« der Gruppe Vogelsand, die bei Ebermannstadt die Ankunft des Zuges kaum erwarten konnte. Weitere Reisen gab es 1983,1984 und 1985. unten links: »Pinguine am Bahnhof«, 1982

86


Die Ära Manfred Neu von 1974 bis 1989

Schultheaterfestival oben: Das Theater Erlangen organisierte vom 16. bis 20. Juni 1982 ein Erlanger Schultheaterfestival, an dem fünfzehn Schulen von den Grundschulen bis zu den Gymnasien mitmachten. Seitdem werden die Schultheatertage zum Ende des Schuljahres jährlich durchgeführt. Am 6. März 1986 startete ein theatralisches Pilotprojekt mit der Theatergruppe der Wernervon-Siemens Realschule und der Arbeitsgruppe »jugend & theater« am Theater Erlangen. In einem Theaterseminar wurde das Stück »Voll auf der Rolle« gemeinsam entwickelt und 1987 zur Aufführung gebracht. Regie führten Winfried Wittkopp, der auch mitspielte (Mitte), hier mit Gabriela Bock und Monika Boceck. Fasching im »Theater in der Garage« 1978 unten: Der »Verein der Freunde und Förderer des Theaters in der Garage« wurde offiziell im Januar 1976 gegründet. Neben der Durchführung des Theaterplatzfestes (später des Theaterstraßenfestes) richtete er auch den dreitägigen Garagenfasching aus.

87


Die Ära Manfred Neu von 1974 bis 1989 Spaß mit Marionetten oben: Roman Rajman war im Theater in der Garage so etwas wie die graue Eminenz in Sachen Technik. Als gebürtiger Tscheche war er von 1947 bis 1952 Mitglied des Prager Marionettentheaters, ging danach fünf Jahre mit einer eigenen Truppe auf Tournee und arbeitete dann zehn Jahre als Beleuchter in verschiedenen Theatern in der damaligen ČSSR. Nach Erlangen kam Roman Rajman nach dem »Prager Frühling« 1969. 1975 landete er als Beleuchter und Bühnentechniker bei der Gruppe um Manfred Neu und verwirklichte Marionettentheaterproduktionen mit seinem Hauptdarsteller »Sigi«. Kinowerkstatt unten: Träger der Filmveranstaltungen im Theater in der Garage war der Verein »Kinowerkstatt e.V.«, der im Februar 1975 ins Erlanger Vereinsregister eingetragen worden ist. Der Verein wurde ausschließlich von privater Initiative getragen. Die Mitarbeiter (von links) Pascal Ropion, Norbert Pappenberger, Christa Weigand, Tomas Steinmann und Sieglinde Tuschy, die später Dramaturgin in der »Garage« wurde, erhielten keine finanziellen Zuwendungen, auch Honorare für geleistete Arbeit wurden nicht gezahlt.

Bernd Böhner, Fotograf, begleitet das Theatergeschehen

Die Aufwendungen wurden allein durch Eintrittsgelder beglichen.

mit seiner Kamera seit 1974.

88


Linda Best

»Da will ich landen!«

Niemand von uns hatte sich den Tag so richtig vorstellen können, denn niemand von uns kannte das Theater Erlangen ohne ihn. Und als es 2014 tatsächlich so weit war und Winfried »Winni« Wittkopp nach 37 Ensemblejahren in den Ruhestand verabschiedet wurde, musste zum Trost der Zurückgebliebenen ein riesiges Fest gefeiert werden. Für die fulminante Winni-Show wurden Requisiteure zu Schauspielern, Bühnentechniker erfanden ausgefeilte Choreografien, ganze Straßenzüge wurden umbenannt und ein Fanclub samt zugehöriger Zeitschrift gegründet. Sämtliche Gewerke des Theaters verausgabten sich in dieser gemeinsamen Verbeugung vor dem hochgeschätzten Kollegen. Dass er einmal Künstler werden würde, stand für Winni früh fest: »Als andere Kinder sich ein Meerschweinchen wünschten, wollte ich eine Gitarre.« Unklar war nur, welche Kunstdisziplin es sein sollte. Die Gitarre sparte er sich letzten Endes mit zwölf, dreizehn Jahren selbst zusammen, gemalt hatte er eh schon immer, und als es 1974 hieß, in der alten Feuerwehrgarage entstehe jetzt so ein alternatives Theater, wusste er sofort: Da will ich landen! Für den Großvater wiederum stand fest, dass der Bub erst einmal etwas Ordentliches lernen sollte – daher die Ausbildung zum Maschinenschlosser bei Siemens. Die Gitarre flog natürlich deswegen nicht gleich in die Ecke. Bei einem Konzert seiner Rockjazzband Zellophan stand Winni zum ersten Mal auf der Bühne der Garage. Als bei den Proben zum Kinderstück »Zwischen Himmel und Erde« vier Tage vor der Premiere der Musiker absprang, wurde in aller Eile am Erlanger Musikinstitut nach einem Ersatz gefahndet. So kam er zu seinem ersten Auftrag als Theatermusiker. Gemeinsam mit Ensemblemitglied Johannes Lubig wurde die verbliebenen drei Nächte hindurch komponiert. Nach der Premiere ist folgender Dialog zwischen Theaterleiter Manfred Neu und Winni Wittkopp überliefert. Neu: »So einen Typen wie dich könnte ich hier im Ensemble brauchen.« Winni: »Nur, wenn ich Schauspieler sein darf.« Kurze Pause. Neu: »Okay, das lässt sich einrichten.« Gemeinsam erlebten sie Jahre des Aufbruchs. Winnis Kunstverständnis passte gut zu Neus Leitungsstil. Das damalige Garagentheater kombinierte zwei scheinbar unvereinbare Gegensätze: ein Schauspielensemble, das in der Arbeitsweise einer Freien Gruppe nahekam, aber bei der Stadt Erlangen angestellt war. Das Niveau der technischen Ausrüstung war »Neandertaler«, so Winni: »Es gab zwölf Scheinwerfer, zwei Spots, ein Lichtpult und ein langes Lineal.« Lineal? »Das brauchte man, damit man die Regler für die Scheinwerfer gleichzeitig nach unten schieben konnte, um ein Black zu kriegen.« Die Mitglieder des

oben: »Kurz vorm Abgrund« von Karl Valentin, Regie: Winfried Wittkopp, 1986/1987 unten: »Die Reise nach Brasilien« von Daniil Charms, Regie: Markus Steinwender, 2013/2014

Winfried Wittkopp, Ehrenmitglied des Theater Erlangen

89


oben: »Männer« von Franz Wittenbrink, Regie: Dominik Günther, 2009/2010 unten: »Gott« von Woody Allen, Regie: Manfred Neu, Spielzeit 1981/1982

»Da will ich landen!«

90


»Da will ich landen!« Ensembles übernahmen alle möglichen Aufgaben, es gab Workshops zur Weiterbildung der Schauspieler – oft mit den internationalen Theatergruppen, die in der Garage gastierten. Dazu gehörte auch mal ein Maskenkurs, in dem die Spieler lernten, sich selbst zu schminken und sogar Glatzen zu kleben. Privatleben gab es nicht, nur Theater. Dafür wurde dann aber das ganze Ensemble ab und an vom Intendanten höchstpersönlich bekocht. Für das leibliche Wohl sorgten auch die Hauspreise in der Garagenkneipe, bis man von Dramaturg Hannes Rossa mit einem wienerischen »Schleicht’s euch, Sperrstunde!« hinausgeworfen wurde. Winni interessierte sich für alles am Theater, guckte sich so viel wie möglich an und sammelte neben seinen Tätigkeiten als Schauspieler und Musiker auch Erfahrung als Beleuchter, Inspizient, Bühnenbildner und Regieassistent. Und was sagte der gestrenge Großvater dazu? »Du stehst ja mehr in der Zeitung als unser OB!« Nach einigen Jahren folgte der erste Regieauftrag, das Kinderstück »Die Schlündelgründler«. Auch das war eine Aufgabe, die Winni voller Elan anging und womit er großen Erfolg einfuhr. Das Stück hatte er selbst entdeckt und vorgeschlagen, zu den Zeiten, als Spielpläne noch »auf dem Bierdeckel in der Kulisse« entstanden, wie er sich erinnert. Die Intendanzen wechselten, Winni blieb. Die Ära Kohl? Pah, Winni war mehr als doppelt so lange im Ensemble. Ganze Zuschauergenerationen kennen das Theater Erlangen nicht ohne ihn. Einzigartig war der Stadtratsbeschluss, der den Intendanten Andreas Hänsel, den Nachfolger von Manfred Neu, daran hinderte, Wittkopps Vertrag 1989 knapp vor der Unkündbarkeit auslaufen zu lassen. Die beiden arbeiteten in der Folge dennoch sehr einträchtig zusammen. Learning by doing blieb Winnis ständige Devise, aber auch learning by watching: Tolle internationale Gastspiele kamen nach Erlangen, die verschiedensten Freien Gruppen zeigten neue Formen. »Ich war nur noch im Theater und habe geglotzt.« Nicht nur die Stücke erwiesen sich als wichtige Inspirationsquelle, auch abseits der Bühne lieferten skurrile Begebenheiten Stoff für Ideen. So stand einer der Hausmeister im Ruf, besonders streng und unnachgiebig zu sein, vor allem wenn es um die Pflege des seinerzeit noch blauen Teppichs im Foyercafé (damals »Blaues Foyer«) ging. Als der damalige Oberbürgermeister Dr. Hahlweg einer russischen Delegation das Theater zeigte, trat ihm besagter Hausmeister mit einem empörten »Meine Putzfrauen haben das gerade erst gesaugt!« resolut in den Weg. »So einen möchte ich gern mal spielen«, dachte

sich Winni. Daraus wurde die Theaterfigur Schellhammer, ein schrulliger fränkischer Hausmeister, den er zusammen mit dem Autor Helmut Haberkamm in einer zweiteiligen Serie auf die Bühne brachte. Seitdem baut er immer wieder Mundartstücke und -musikprogramme mit Künstlern aus der Region auf und stellt dabei auch unter Beweis, wie gut der Blues nach Franken passt. Abgeklärtheit ist ihm fremd, genauso wie Eitelkeit oder vorgefasste Meinungen. Winni stellte sich immer ganz in den Dienst der Sache, ließ sich auf Neues ein und lernte gern dazu, egal, von wem, ob jung oder alt. Es ging ihm nie darum, als Hauptfigur im Mittelpunkt zu stehen, aber wenn noch ein Song komponiert, eine skurrile Figur erfunden oder ein Liedtext gedichtet werden musste, war er sofort dabei. Und bis heute schaut er gern den ehemaligen Kollegen bei Endproben zu. Nur Premieren sind nicht so sein Ding. Inszenierungen, an die sich Winni besonders gern erinnert, sind sein Karl-Valentin-Abend, den er auch selbst inszenierte und der über vierzig Vorstellungen hatte, außerdem »Gott« von Woody Allen, »Andorra« von Max Frisch, »Im Dickicht der Städte« von Bertolt Brecht, Thomas Bernhards »Der Theatermacher«, der Liederabend »Männer«, »Die Frau vom Meer« von Henrik Ibsen und Shakespeares »Ein Sommernachtstraum«. Als Lieblingsregisseure nennt er Manfred Neu, Christian von Treskow und Jörg Hube. Langeweile kommt natürlich auch ohne das Theater Erlangen bei Winni nicht auf. Einmal pro Woche gibt es Hausmusik, im Theater Kuckucksheim tritt er ein- bis zweimal im Monat auf, die Skinny Winni Band tourt mit dem neuen Programm »Gräschkurs Fränkisch«, auch die Bildende Kunst wird weiter gepflegt. Wir wünschen unserem Ehrenmitglied von Herzen, dass er seine Neugier und Beobachtungsgabe nie verliert, weiter so offen auf neue Herausforderungen trifft und den Künsten immer treu bleibt. Ein dickes Toi Toi Toi für alles, was kommt! Linda Best ist seit 2011 Dramaturgin am Theater Erlangen und seit 1997 Zuschauerin von Winni Wittkopp.

91


Susanne Ziegler

»Wo nix is, is a Chance«

Endes »Momo« als Weihnachtsstück im Markgrafentheater inszenierte. An den wunderbaren George Tabori, der während der Vorstellung von »Der Voyeur« 1982 auf dem Sofa in der Garage einschlief, seinen Schauspielern im Anschluss aber ausdauernd erklärte, was sie beim nächsten Mal besser machen müssten. An den polnischen Künstler Tadeusz Kantor, »den Wahnsinnigen«, der die berühmte »Tote Klasse« 1977 in der Garage inszenierte und als Lehrer mit Rohrstock auftrat. Es war eine Zeit, die, fernab des gutbürgerlichen, konservativen Geschmacks, beinahe unbegrenzte künstlerische Möglichkeiten versprach, weil es keine Denkverbote gab. Manfred Neu ließ Ideen zu, gab auch Rossa »alle Freiheiten«, etwa um die Uraufführung von Helmut Eisendles »Billard oder Das Opfer am grünen Tisch« zu realisieren. Man fuhr nach London, um sich neue Stücke anzusehen, oder studierte auf Korsika, in Neus Haus, Inszenierungen ein. Es war eine anarchische, ungestüme Zeit, die die Studenten in Scharen ins Theater lockte und ihnen – endlich – ein Forum für ihre Themen bot. Natürlich gelang nicht alles in den fünfzehn Jahren unter Manfred Neus Leitung, das gibt Rossa unumwunden zu, aber es war anders. Und wenn er erzählt vom Geruch der Steinofenpizzen, die während der legendären »Krach in Chiozza«-Inszenierung in der Schiffstraße gebacken wurden, den Übernachtungsmöglichkeiten, die er in schneereichen Wintern für die auswärtigen Faschingsgäste in der »Garage« kurzfristig organisierte, damit keiner (buchstäblich) auf der Strecke blieb, oder vom Huhn, das Jérôme Savary, Begründer des »Le Grand Magic Circus«, dem Theater überließ, dann würde man sich gerne in eine Zeitmaschine setzen, um dabei gewesen zu sein.

Ein Gespräch mit dem Regisseur, Schauspieler und Dramaturgen Hannes Rossa Die Anfänge des »Theater in der Garage« waren für alle Beteiligten ein Start ins Ungewisse – mit einem winzigen Etat, einem leeren Theaterraum und einer Handvoll Schauspieler, die nur für einige Monate engagiert werden konnten. Kaum vorstellbar, dass 1974 die ersten Theatermacher um den frischgebackenen Theaterleiter Manfred Neu, »nur auf einem Persil-Karton mit dem Telefon in der Hand sitzend«, in kürzester Zeit ein Programm auf die Beine stellten, von dem sich die Erlangerinnen und Erlanger heute noch erzählen.

Der gebürtige Wiener Hannes Rossa kannte Neu von seiner Zeit als Assistent und Schauspieler am Dortmunder Schauspielhaus. Als der Anruf kam, in Erlangen etwas ganz Neues aufzubauen, sagte Rossa sofort zu: »Wo nix is, is a Chance.« Noch wusste er nicht, dass er quasi als »Mädchen für alles« engagiert wurde: Er war alleiniger Redakteur der monatlich erscheinenden Theaterzeitung, schenkte Bier in der Theaterkneipe für eine sagenhafte Mark pro Liter aus, diskutierte mit dem Publikum, stand auf der Bühne und tingelte mit einem Glöckchen zur Sperrstunde durchs Haus. Kein Wunder, dass ein solches Allroundtalent die herrlichsten Anekdoten auf Lager hat: etwa jene von seinem Rauhaardackel Kraxel, der auf der Bühne des Markgrafentheaters nie das Stichwort abwarten konnte, um (gemäß dem Regiebuch) quer über die Bühne zu laufen und die Wurst des Feuerwehrmanns zur Belohnung zu bekommen. Oder dass er beim beliebten »3-Nächte-Garagen-Fasching« die Fenster zunageln musste, um unliebsame Gäste, die keine Karten mehr bekommen hatten, am heimlichen Einsteigen zu hindern. Oder die Geschichte der »Romeo und Julia«-Premiere 1983: Manfred Neu, der bei laufender Aufführung der Geburt seines Sohnes David beiwohnte, gab den Pater Lorenzo. Aus dem Krankenhaus schaffte er es gerade so zu seinem Auftritt im Theaterzelt in der Palmsanlage, um dann, in Tränen aufgelöst, seine Szene zu spielen. Natürlich erinnert sich Rossa auch an die vielen namhaften Künstler, mit denen er über die Jahre hinweg zusammenarbeitete: an den viel zu früh verstorbenen Regisseur und Schauspieler Dieter Pfaff, der 1982 Michael 92


Michael von Engelhardt

Bürgerschaftliches Engagement für das Theater

zwar kurzen, aber vielversprechenden Zeit eines eigenen Ensembles wieder hin zum reinen Gastspielbetrieb wurde allerdings auch von verschiedenen Seiten bedauert und kritisch eingeschätzt. Es wurde darauf hingewiesen, dass die nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende rasante und dynamische Stadtentwicklung Erlangens eine kulturelle Entsprechung in der Gründung eines Theaters mit einem eigenen Ensemble haben müsse, mit dem sich die Bürger als ihrem eigenen Theater auch identifizieren können. Diese Argumentation fand lange Zeit keine nennenswerte Resonanz in der Stadt, erhielt dann aber ab den 1970er Jahren in dem wesentlich vom Förderverein getragenen bürgerschaftlichen Engagement für ein eigenständiges Theater zunehmend an Bedeutung. Ebenfalls in der unmittelbaren Nachkriegszeit hatte sich in Erlangen seit 1946 ein anspruchsvolles Studententheater entwickelt mit den Internationalen Theaterwochen, die ab 1949 jährlich stattfanden. So entstand in Erlangen eine kreative und experimentierfreudige Theaterszene jenseits des etablierten Theaterbetriebs und in Absetzung von diesem, an der viele schon damals oder auch später bekannte auswärtige Theatermacher und Literaten teilnahmen. Dazu gehörte auch ein an neuen Inhalten und Formen des Theaters und lebhaften Diskussionen interessiertes Erlanger Publikum. Diese Phase eines lebendigen und an Kontroversen reichen Theaterlebens endete 1968. Die zuvor immer heftiger gewordenen Auseinandersetzungen um die politische Funktion des Theaters, die einen dramatischen Höhepunkt mit der Stürmung von Aufführungen während der Theaterwoche 1968 erreichten, führten, in Verbindung mit gewissen Ermüdungserscheinungen, im gleichen Jahr zum vorläufigen Ende der Theaterwochen und zur Auflösung der Studiobühne. Was blieb, war die Erinnerung an ein anregendes und experimentierfreudiges Theaterleben und ein Kreis engagierter und zum Teil auch praxiserprobter Erlanger Theaterfreunde, denen das etablierte Theaterangebot des Gastspieltheaters im Markgrafentheater nicht genügen konnte. Die Erfahrungen der kreativen Zeit des Studententheaters und der Internationalen Theaterwochen bestärkten die Vorstellung, dass Erlangen eine Theateralternative zum Gastspielbetrieb des Markgrafentheaters braucht, und bildeten eine wichtige Voraussetzung des sich dafür einsetzenden bürgerschaftlichen Engagements im sich später formierenden Theaterförderverein. Anfang der 1970er Jahre zeichnete sich ein allgemeiner kulturpolitischer Aufbruch in den Städten ab. Die zentrale Bedeutung einer aktiven Kulturpolitik für eine zeitgemäße Stadtpolitik wurde erkannt und mit Parolen

Der Förderverein Theater Erlangen Zur Vorgeschichte Die Stadt Erlangen und ihre Bürger und Bürgerinnen mussten lange Zeit ohne ein Theater mit eigenem Ensemble auskommen. Die 300-jährige Geschichte des Theaters ist vor allem die Geschichte eines Gastspieltheaters für Produktionen auswärtiger Ensembles. Dass sich in Erlangen dann schließlich doch noch ein eigenständiges Stadttheater mit eigenem Ensemble hat durchsetzen und auf Dauer auch hat halten können, geht zurück auf die Initiative von Stadträten sowie engagierten Bürgern. Ein wichtiger Geburtshelfer, Verteidiger und Begleiter des eigenständigen Theaters war der Erlanger Förderverein, der durch seine dabei verfolgten Ziele und Aktivitäten ein besonderes Profil entwickelt hat, durch das er sich von den Fördervereinen und Freundeskreisen der Theater in anderen Städten unterscheidet. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt Erlangen 1945 zum ersten Mal in seiner Theatergeschichte ein eigenes Ensemble durch das Theaterunternehmen Probst-Doerner, an das das Markgrafentheater verpachtet wurde. Mit gut besuchten und auch überregional anerkannten eigenen Inszenierungen erfuhr das Erlanger Theaterleben damit in der unmittelbaren Nachkriegszeit einen erstaunlichen Aufschwung. Doch das blieb nur eine kurze Episode. Denn schon 1948 fand dieser vielversprechende Neubeginn der Theaterkultur ein schnelles Ende, da das Theaterunternehmen nach der Währungsreform wirtschaftlich nicht überleben konnte. Die Stadt konnte oder wollte dies nicht zum Anlass nehmen, ein Stadttheater mit einem eigenen Ensemble und eigenen Produktionen zu gründen. So wurde zur früheren Praxis des Gastspieltheaters zurückgekehrt. Die altehrwürdige Bürgervereinigung Gemeinnütziger Theater- und Konzertverein Erlangen, kurz gVe, die auf eine lange Geschichte seit ihrer Gründung 1876 zurückblicken konnte, betrieb nun wieder im Auftrag der Stadt das Markgrafentheater als reines Gastspieltheater. Mit einem zunehmend ausgeweiteten Angebot und einem stetig anwachsenden Abonnentenpublikum wurde das Gastspieltheater des Markgrafentheaters zu einem von der Bürgerschaft allseits anerkannten und geschätzten Bestandteil des Erlanger Kulturlebens. Diese Erlanger Theaterentwicklung von der 93


Bürgerschaftliches Engagement für das Theater ein stand, wie sich deren damaliger Vorsitzender Otto Hiltl später erinnerte, dem Vorhaben »erst einmal kritisch gegenüber, in einer Art Verteidigungsstellung«. Das Vorhaben wurde dennoch weiterverfolgt und 1974 Manfred Neu dafür nach Erlangen geholt – ein rühriger und engagierter Theatermann, der eine Theaterentwicklung in Gang setzte, die damals mit Sicherheit keiner der Entscheidungsträger vorhergesehen hatte.

Schnell wurde klar, dass die Ambitionen des Theatermachers Manfred Neu über die ihm vorgegebene Aufgabe hinausgingen und auf ein eigenes Theater abzielten, das sich vom etablierten Theater absetzte: »Ich will Alternativen bieten.« Dazu brauchte er Räume. Das Markgrafentheater kam dafür nicht in Frage. Der gVe als verantwortlicher Betreiber des Markgrafentheaters konnte ihm keinen dauerhaften Zugang gewähren und die von ihm angestrebte alternative Theaterkultur passte ihrerseits nicht in das Ambiente des Rokokotheaters. Schließlich wurde in der unmittelbaren Nachbarschaft des angesehenen prächtigen Markgrafentheaters in einer ehemaligen Feuerwehrgarage eine recht bescheidene Örtlichkeit für das neu zu gründende alternative Theater gefunden, das deshalb dann auch den Namen »Theater in der Garage« erhielt. Hier wurde im Stil der auf die 1930er Jahre zurückgehenden und in der Nachkriegszeit wiederbelebten Tradition der Kellertheater 1974 ein kleines Theater mit einer Theaterkneipe eingerichtet. Das war die Geburtsstunde des Erlanger Theaters mit eigenem Ensemble, zugleich war es die Geburtsstunde des Theaterfördervereins. Die Gründung des Vereins hatte zunächst einen rein äußerlichen Anlass. Die Stadt als Träger des Theaters durfte aus rechtlichen Gründen nicht eine Kneipe betreiben. Deshalb wurde der »Verein der Freunde und Förderer des Theaters in der Garage e.V.« gegründet, der die Trägerschaft eines Kommunikationszentrums mit Theaterkneipe übernahm. Schnell traten dem Verein theaterinteressierte Personen bei, die den Aufbau eines alternativen Theaters mit einem eigenen Ensemble unterstützen wollten. Sie entstammten zum Teil dem Kreis der Aktivisten aus den legendären Zeiten des Studententheaters und der Internationalen Theaterwochen, so auch der Gründungsvorsitzende des Vereins Wolfgang von Rimscha. Ganz im Trend des kulturellen Aufbruchs der damaligen Zeit entstand so eine neue Form des bürgerschaftlichen kulturellen Engagements, die sich unterschied und absetzte von der durch den gVe repräsentierten älteren Form, die auf

wie »Bürgerrecht Kultur« (Hermann Glaser) oder »Kultur für alle« (Hilmar Hoffmann) an dem Ziel einer verstärkten Demokratisierung ausgerichtet. Das wirkte sich auch auf die Erlanger Kulturpolitik aus und führte zu von Kontroversen begleiteten neuen Impulsen im städtischen Theaterleben. Auch wenn der herkömmliche Gastspielbetrieb des Markgrafentheaters durchaus erfolgreich war, so traten doch zunehmend deutlicher auch dessen Grenzen hervor – in der ästhetisch-inhaltlichen Ausrichtung des Angebots, in der sozialen Zusammensetzung des Publikums und in dem weitgehenden Ausschluss jüngerer Jahrgänge. Um die städtische Theaterkultur zu beleben und zu erweitern, sollte deshalb als eine zunächst noch sehr eingeschränkte Maßnahme ein Kinder- und Jugendtheater eingerichtet werden. Dieses Vorhaben rief im Stadtrat die als kritischer Einwand gemeinte Frage hervor, ob damit »politisches Theater« in Erlangen gemacht werden solle. Auch der für das Gastspieltheater verantwortliche Gemeinnützige Theater- und Konzertver94

Brief bezüglich der Organisation des Garagenfaschings, 1983

Mit dem Theater in der Garage fing alles an


Auf dem legendären Garagenfasching

Bürgerschaftliches Engagement für das Theater

die Tradition der Bürgervereine zur Förderung der Kultur im 19. Jahrhundert zurückging. Die Aktivitäten von Neu und seinem Ensemble begründeten mit dem Theater in der Garage ein Gegenmodell zum etablierten Markgrafentheater. Die kreativen Entwicklungen des damaligen Off-Theaters der Freien Gruppen wurden aufgegriffen und gefördert und international bekannte Theatermacher konnten für Aufführungen gewonnen werden. Es erfolgte eine Öffnung in die Stadt und zum Publikum, indem neben der »Garage« andere Orte und öffentliche Plätze der Stadt als Spielstätten genutzt und mit einem Sonderzug »Theatralische Reisen« in die Fränkische Schweiz unternommen wurden. Die direkte Verbindung von Theaterraum und Theaterkneipe beförderte den lebendigen Austausch zwischen Publikum und Theatermachern und die Verknüpfung von Kunstgenuss und Geselligkeit. Die informelle und legere Atmosphäre stimulierte die spontane Auseinandersetzung mit den Aufführungen und zog neue Publi-

kumskreise an. Das Markgrafentheater und das Theater in der Garage repräsentierten nun zwei Theaterkulturen in Erlangen, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können. Der »Garagenverein«, wie der Förderverein schnell abgekürzt genannt wurde, war in enger Kooperation mit Theatermacher Neu, der auch Mitglied des Vereinsvorstands wurde, an dieser Entwicklung unmittelbar beteiligt. Die Mitglieder gehörten zum Kern des Stammpublikums und fanden sich häufig in der Kneipe ein. Die Bewirtschaftung der nur durch einen schwarzen Vorgang vom Theaterraum getrennten Kneipe übernahmen vor allem die Theaterleute, doch nicht selten standen auch Vereinsmitglieder hinter der Theke. Mit der tatkräftigen und finanziellen Unterstützung des Vereins wurden zunächst der Theaterraum und die Kneipe eingerichtet, dann Lagerräume für Requisiten und Wohnungen für Schauspieler angemietet und Theaterprojekte gefördert. Der Verein unterstützte den Austausch zwischen Thea95


Resolution zum Erlanger Theatermodell, 1993

Kolumne


Bürgerschaftliches Engagement für das Theater einem reichhaltigen Angebot an Getränken und Essen. Die älteren Teilnehmer erinnern sich noch lebhaft an das erste dieser Feste 1976. Es fand auf dem Theaterplatz statt mit gastronomischen Spezialitäten und Darbietungen ausländischer Kulturvereine, mit verschiedensten Angeboten für Kinder und Erwachsene, mit einem Zirkus, Artisten, Dromedaren und Elefanten. Der Vorsitzende des Vereins Wolfgang von Rimscha und der Theaterleiter Manfred Neu ritten auf Elefanten durch die Stadt zum Theaterplatz. Im Winter veranstaltete der Verein jedes Jahr in den Räumen des Theaters den bald berühmten drei Tage bzw. Nächte dauernden Garagen-Fasching im Stil der alten Komödiantenbälle, der sich einer so großen Beliebtheit erfreute, dass die heiß begehrten Karten immer schon frühzeitig ausverkauft waren. Da die Vereinsmitglieder beim Erwerb der Karten bevorzugt wurden, führte das stets einige Wochen vor dem Fasching zu einem deutlichen Anstieg der Mitgliederzahlen.

Theaterpreis: Verleihung des Erlanger Theaterpreises an den Schauspieler Robert Naumann, 2015

termachern und Publikum, warb um neues Publikum und trug mit verschiedenen Veranstaltungen dazu bei, dass das kleine Theater zu einem kulturellen Zentrum wurde. Er beteiligte sich an Diskussionen des Theaterprogramms und machte eigene Vorschläge, respektierte dabei aber stets die alleinige Entscheidungskompetenz des Theaterleiters, eine Position, die er auch entschieden Dritten gegenüber vertrat. Der Verein verteidigte das Theater gegen Angriffe von außen. So protestierte er auch Ende der 1970er Jahre öffentlich gegen den durch ein Gastspiel der Theatergruppe »Rote Rübe« und den Auftritt der Rock- und Kabarettgruppe »Floh de Cologne« ausgelösten Versuch Erlanger Stadträte, politischen Einfluss auf das ihnen zu links erscheinende Programm zu nehmen. Der Verein bemühte sich, das Theater in der Stadt zu verankern und einen lebendigen Kontakt zur Erlanger Bevölkerung zu fördern. So organisierte er zusammen mit dem Theater jedes Jahr im Sommer ein Theaterstraßenfest mit Musik und theatralischen Darbietungen und

97


Bürgerschaftliches Engagement für das Theater Vom »Garagenverein« zum Förderverein Theater Erlangen

als Pächter gewinnen konnte. Unter der Leitung von Habib und Müjgan Bektas entwickelte sich das Theatercafé bald zu einem beliebten Treffpunkt von Theaterleuten, Künstlern, Autoren und Publikum. Die vielen Fotos an den Wänden zeugen von der Geschichte des reichhaltigen Erlanger Kulturlebens mit seinen vielen illustren Gästen. Nach über zwanzig Jahren zog sich das Ehepaar Bektas in seinen wohlverdienten Ruhestand zurück. Inzwischen wird die Bewirtschaftung des Theatercafés erfolgreich von Mikiyas Shiferaw betrieben. Es bedurfte einer langen Entwicklung, ehe das Theater Erlangen einen weitgehend abgesicherten Status als eigenständiges Stadttheater erhielt, mit einem eigenen Ensemble und der alleinigen Entscheidungskompetenz der Intendanz für das Programm in den beiden Häusern des Theaters in der Garage und des Markgrafentheaters. Diese von Andreas Hänsel eingeleitete Entwicklung wurde in den anschließenden Intendanzen von Hartmut Henne und Sabina Dhein bis zur aktuellen Intendanz von Katja Ott fortgesetzt. In einem zum Teil heftig und öffentlich ausgetragenen Theaterkulturkampf musste diese Entwicklung gegen Widerstände durchgesetzt werden, war von Konflikten begleitet und immer wieder gefährdet. Der Förderverein hat diese Entwicklung des Theaters engagiert unterstützt. Er hat sich wirkungsvoll gegen das durch die Finanznot der Städte ausgelöste Vorhaben eingesetzt, das junge Ensembletheater wieder aufzulösen und zum reinen Gastspielbetrieb zurückzukehren, zunächst 1992/93 und dann wieder 1998. Er hat die Intendanz darin unterstützt, schließlich die alleinige Entscheidungskompetenz zu erlangen. Und er hat immer entschieden gegen Zensurversuche Einspruch erhoben. Das nahm 2003 eine besondere Dramatik in der Auseinandersetzung um die umstrittene Inszenierung von Hans Rehbergs U-Boot-Drama »Die Wölfe« an. Damals hat sich der Verein vehement und mit Erfolg für die Aufführung des Stücks eingesetzt und mit einer Dokumentation und der Durchführung von Podiumsdiskussionen zu einer Versachlichung der Auseinandersetzung beigetragen. Auch die verbesserte Ausstattung des Theaters hat der Förderverein erfolgreich unterstützt. So hat er zum Beispiel wesentlich dazu beigetragen, die für die überfällige Renovierung der Bestuhlung des Markgrafentheaters 1999 erforderlichen Mittel einzuwerben. Finanziell gefördert wurden und werden von ihm besondere Theaterprojekte und der Jugendclub. Mit der Entwicklung vom »Garagenverein« zum Förderverein Theater Erlangen konnten auch die kulturellen Aktivitäten ausgeweitet werden. Auf Initiative von

Ab Mitte der 1980er Jahre zeichnete sich der Niedergang des Theaters in der Garage ab. Die Potentiale der künstlerischen Kreativität und Innovation waren aufgebraucht, der ursprüngliche Charme des improvisierten Kellertheaters hatte sich verflüchtigt, dessen Unzulänglichkeiten traten immer deutlicher hervor und die unzureichend kontrollierte Betriebsführung zeitigte problematische Folgen. Zugleich war die Notwendigkeit einer Erneuerung des Spielbetriebs im Markgrafentheater immer offensichtlicher geworden. So wurde 1988 der Vertrag mit Manfred Neu nicht verlängert und der Theatermacher Andreas Hänsel nach Erlangen geholt. Mit diesem Wechsel wurde eine folgenreiche Entwicklung des Theaters eingeleitet, an der der Förderverein wesentlich beteiligt war und durch die er selbst eine entscheidende Umgestaltung erfuhr. Der neue Intendant führte das Theater in der Garage und das Markgrafentheater zum Theater Erlangen zusammen. Damit konnte die bisherige Trennung in zwei Theaterkulturen mit zugehörigem unterschiedlichem Publikum endlich aufgegeben werden. Das ging einher mit einer fortschreitenden Professionalisierung des Theaterbetriebs. Der Förderverein unterstützte und begleitete diese Entwicklung, indem er sein bürgerschaftliches Engagement entsprechend ausweitete und daraufhin auch seinen ursprünglichen Namen änderte in »Förderverein Theater Erlangen e.V.«. Neue Mitglieder konnten in der Erlanger Bürgerschaft gewonnen werden, die dazu beitrugen, die Akzeptanz und Wirksamkeit des Vereins in der Stadt zu erweitern und deren Aktivitäten zu beleben. Parallel zu Renovierungsmaßnahmen im Markgrafentheater wurden 1989/90 auch im Theater in der Garage längst fällige Umbaumaßnahmen durchgeführt. Der Theaterraum wurde den Erfordernissen einer Studiobühne angepasst und mit einer Wand vom Kneipenraum abgetrennt. Die Theaterkneipe wurde zu einem respektablen Theatercafé umgestaltet. Die Zeiten des ehemaligen Kellertheaters waren nun endgültig vorbei, ebenso die Zeiten des berühmten Garagenfaschings, der sich in den neuen Räumlichkeiten nicht mehr durchführen ließ und an dem auch das Interesse nachgelassen hatte. Das sommerliche Theaterstraßenfest wurde weiterhin jedes Jahr bis 2009 durchgeführt. Als Glücksfall erwies es sich, dass der Förderverein bei seinem Bemühen, die Bewirtschaftung des von ihm betriebenen Theatercafés auf eine solide Basis zu stellen, den Schriftsteller Habib Bektas und seine Frau Müjgan 98


Bürgerschaftliches Engagement für das Theater Lisl Brune, langjähriges Mitglied im Verein und im Vorstand, wurde 1994 der »Erlanger Theaterpreis« ins Leben gerufen, der seitdem alljährlich für herausragende künstlerische Leistungen am Erlanger Theater verliehen wird. Der Verein hat dazu beigetragen, dass sich das Theater zu einem erweiterten Ort des kulturellen Austauschs und der gesellschaftlichen Diskussion in der Stadt entwickeln konnte. In Zusammenarbeit mit dem Theater wurden Ausstellungen zur Geschichte des Theaters, zu Inszenierungen und zu Theatermachern (Bertolt Brecht, Tadeusz Kantor, George Tabori) und Rahmenprogramme zu einzelnen Themen und Autoren durchgeführt. Unter wechselnden Bezeichnungen und in unterschiedlichen Formaten wurden verschiedene Diskussionsforen eingerichtet, die eine Fortsetzung in den seit zehn Jahren regelmäßig durchgeführten Foyergesprächen erfahren haben. In diesen Gesprächsrunden werden mit Gästen aus Wissenschaft, Politik und Kultur gesellschaftlich-kulturelle Themen behandelt, die in einem Zusammenhang mit den jeweils aktuellen Inszenierungen des Theaters stehen.

Die Geschichte des Fördervereins war und ist eng verbunden mit der Geschichte eines eigenständigen Erlanger Stadttheaters mit einem eigenen Ensemble – von seinen ersten Anfängen über seine konfliktreiche und immer wieder gefährdete Durchsetzung bis zu seiner weitgehenden Stabilisierung. Im Ablauf dieser verschiedenen Phasen haben sich auch das bürgerschaftliche Engagement des Vereins für das Theater, seine Aktivitäten und die Zusammenarbeit mit dem Theater gewandelt. Die Kontinuität in diesem Wandel bestimmt sich durch die grundlegenden Ziele des Vereins: die ideelle, finanzielle und kulturpolitische Unterstützung des Theaters, die Förderung des Austauschs zwischen Öffentlichkeit, Publikum und Theater, die Förderung des gesellschaftlichen und kulturellen Diskurses im und über das Theater sowie die Förderung innovativer Projekte. An diesen Zielen wird sich auch in Zukunft das Engagement des Vereins für das Theater Erlangen ausrichten. Prof. Dr. Michael von Engelhardt ist seit 2007 Vorsitzender des Fördervereins Theater Erlangen e.V.

99


100 Briefe von Schülern nach einem Vorstellungsbesuch von »Da Hänsel! Da Gretel! Da, Da!«, 1989


Karoline Felsmann

Für Kinder und Erwachsene

Eigentlich gibt es nur eine alles entscheidende Produktion im Spielplan eines Theaters: das jährliche Weihnachtsmärchen. Mit Sehnsucht erwartet von den Lehrer*innen, die vormittags mit Grundschulklassen ins Theater gehen und immer ihren pädagogisch prüfenden Blick auf die Auswahl der Stoffe und deren Umsetzungen haben, von den Eltern und Verwandten, die sich mit den Kindern auf die besinnliche Weihnachtszeit einstimmen wollen, vom Ensemble, das zwei Monate lang vormittags oft in mehreren Vorstellungen täglich eine Meute aufgeregter Kinder in seinen Bann zieht, von den Kritikern, die es mit der Inszenierung des Vorjahres vergleichen, und nicht zuletzt von manch einem Intendanten, der sich über die vielen Zuschauenden freut. Für viele Kinder ist der Besuch des Weihnachtsmärchens die erste Berührung mit dem Theater, auch wenn das viele Kindertheatermacher*innen bedauern, weil man doch schon viel früher mit Theater in Berührung kommen könnte. Dann allerdings oft in der kleineren Spielstätte, meistens mit ein bis zwei Schauspieler*innen und viel kleinerem Budget, dafür nicht nur zur Weihnachtszeit. Mag das Weihnachtsmärchen in manchen Theaterkreisen auch verpönt sein und als »die Operette der Kleinen« abgetan werden, ist und bleibt es beliebt und oft in ewiger Erinnerung bei Kindern, Erwachsenen und Beteiligten. Erst 2017 war der Aufschrei groß, als es hieß, »das Märchen kann wegen eines Obermaschinerieschadens nicht stattfinden«. Schnell wurde ein Ausweichspielort gefunden, an dem wenigstens ein Teil der Erlanger Schüler*innen in der Vorweihnachtszeit »Die Geschichte von Kalif Storch« sehen konnte. Bereits Katja Ott hatte 2010 ausweichen müssen, damals aufgrund baulicher Maßnahmen, weil der Brandschutz im Vorderhaus komplett erneuert werden musste.

Weihnachtsmärchen im Markgrafentheater

Erste Theatererfahrungen Wie prägend der Besuch einer Aufführung des Weihnachtsmärchens sein kann, zeigen diese Erinnerungen von Kindern aus den Jahren 1977/78, festgehalten in Briefen ans Theater. Damals wurde das alte englische Märchen »Hans und die Kletterbohne« gegeben und ein Kind fragte nach: »Liebe Schauschbiler! […] Wie wurde eigentlich der Rülpser von Oger gemacht? Den fand ich komisch.« Ein anderes Kind fragte einen Spieler, der im Jahr zuvor in »Die verzauberten Brüder« mitgespielt hatte: »Wird Ihnen heiß wenn sie im Fell stecken?« Dieses erste Theatererlebnis kann darüber entscheiden, ob das Kind vom Theaterfieber gepackt wird oder nicht. Auch wenn das 101


Für Kinder und Erwachsene

gendär, weil man die Kölner Polit-Rock-Band »Floh de Cologne« engagiert und den Stoff mit rockiger Livemusik aufgepeppt hatte. Ein Jahr später sorgte die hauseigene Garagen-Band für die Musik und gab sogar eine Schallplatte zu »Die verzauberten Brüder« heraus. Das Märchen mit Musik hat sich seitdem auch in Erlangen fest etabliert.

Theater es am liebsten allen recht machen würde, kann das nicht gelingen. Nach einer Aufführung gibt es immer unterschiedliche Reaktionen: zu modern, zu alt, zu unbekannt, zu bekannt, zu gruselig, zu viel Klamauk, zu ernst, zu viel oder zu wenig Musik … Die einzige Rettung für Theatermacher*innen ist die Abwechslung, schließlich kommt ja alle Jahre wieder ein neues Weihnachtsmärchen auf die Bühne. So kommen Lindgren-Klassiker genauso auf die Bühne wie Musicals, alte Märchen oder ganz neue Buchadaptionen. Erstaunlich, dass bei einer über vierzigjährigen Weihnachtsmärchentradition am Theater Erlangen kaum ein Titel wiederholt wurde. Mit der neuen Interpretation von 2018 liegt »Aschenputtel« mit drei unterschiedlichen Inszenierungen vorne, gefolgt von fünf Titeln, die zweimal neu umgesetzt wurden, wie z. B. »Der Zauberer von Oz«, Andersens Märchen »Die Schneekönigin« und Michael Endes Roman »Momo« über die Zeitdiebe.

Der erste Skandal ließ nicht lange auf sich warten, 1978 gaben die Gossensprache und die Interpretation der »zickigen« Mutter in »Hans und die Kletterbohne« nach einem alten englischen Märchen Anlass für empörte Leserbriefe von Erwachsenen und Pädagog*innen – so erinnert sich das Team 1979 in dem Buch »Theater anders«. Dort ist auch folgender Leserbrief der Klasse 3d der Friedrich-Rückert-Schule abgedruckt. In diesem heißt es: »[…] Das Stück gefiel uns allen. Wir sind enttäuscht über die schlechten Kritiken in der Zeitung. Das Stück war doch für Kinder – warum kritisieren dann Erwachsene?!« Diese Diskrepanz gibt es immer wieder; während sich die Großen aufregen, wenn beispielsweise mal geschimpft wird auf der Bühne, sind die Kleinen hellauf begeistert. Genau diese Reaktionen gab es zuletzt 2016 bei der Neubearbeitung von Collodis »Pinocchio«, der Geschichte vom ungezogenen Holzbengel: Die einen halten es »für pädagogisch nicht wertvoll«, die anderen jubeln und grölen mit. Über die Inszenierung von »Ronja Räubertochter« (1994) schreibt die junge Rebecca, warum sie den Erzähler am besten fand. »Weil du fast den meisten Mist angestellt hast.« Lehrer der Volksschule Buckenhofen-Burk richten

Wie alles begann Auch wenn es im Markgrafentheater hin und wieder Gastspiele für Kinder gab, meistens vom Fränkischen Theater Schloss Maßbach, zog nun mit dem Ensemble nebenan die Weihnachtsmärchentradition endgültig ins Erlanger Theater ein. Als 1974 das Ensemble des »Theater in der Garage« unter der Leitung von Manfred Neu begann, durfte es nur eine Eigenproduktion im Markgrafentheater umsetzen: das Weihnachtsmärchen. Ansonsten blieb das herrschaftliche Barocktheater den Gastspielen vorbehalten. Schon die erste Premiere von »Rotkäppchen« wurde le102

links: Brief eines Schülers nach einem Vorstellungsbesuch von »Ronja Räubertochter«, 1995 rechts: »Momo« von Michael Ende, Regie: Dieter Pfaff, 1982/1983

Skandale


Für Kinder und Erwachsene einige kritische Fragen zur Inszenierung ans Theater und finden die »Erzähler«-Figur ganz und gar nicht gut: »Warum muß sich ein an sich gut spielender Erzähler auf das Niveau von RTL und SAT 1 begeben? Meint er nur dann unsere Kinder begeistern zu können?« Es allen recht machen kann man eben nicht. Das musste Theaterleiter Andreas Hänsel schon 1989 bitter erfahren, als er in Erlangen begann. Die erste Premiere war eine Neubearbeitung von »Hänsel und Gretel« und wurde laut Kritik der Nürnberger Nachrichten »restlos zertrümmert«. In dem Buch »Theater Erlangen 1989– 1998« erinnern sich die Mitarbeitenden, dass Eltern ihre Kinder reihenweise aus dem Theater zerrten, spätestens als die böse Mutter dem Papa zärtlich in die Männerbrust biss. Fazit der Abendzeitung damals: »Wenn das der Prototyp für die zukünftige Arbeit des Theatermannes Andreas Hänsel ist, können sich die Erlanger auf unbequeme, provokante Bühnenerlebnisse freuen.« Längst war »Da Hänsel! Da Gretel! Da! Da!« Stadtgespräch geworden. Wenige Tage später konnte man in einem Zeitungsartikel des Erlanger Tagblatts erfahren, dass ein Theatergespräch zur »Aussprache« anberaumt werde. Die Zeitung schreibt: »Sinnvoll ist für Andreas Hänsel auch der Streit, den die Inszenierung ausgelöst hat. Nur das Niveau gefällt ihm nicht und verweist in diesem Zusammenhang auf telefonische Schmähreden oder die Praktiken eines Lehrers, Kinder im Theater zu Sprechchören (›aufhören‹) zu animieren.« Etliche Lehrer*innen geben ihre Karten zurück, Leserbriefe erreichen sogar den Oberbürgermeister – auch von der Klasse 3c der Adalbert-StifterSchule, die ihre drei Mark Eintrittsgeld am liebsten zurückhaben wollen, »damit ich in ein richtiges HÄNSEL UND GRETEL THEATER gehen kann.« Auch Schüler Nils fand das Stück »bescheuert« und ergänzt: »Wenn Sie es nicht glauben, dann gehen Sie doch selber mal ins Theater.«

Chronik der Weihnachtsmärchen im Markgrafentheater ab 1976

1976: »Rotkäppchen«, ein Kinderstück mit Rockmusik von Jewgeni Schwarz 1977: »Die verzauberten Brüder« von Jewgeni Schwarz 1978: »Hans und die Kletterbohne« von Henry Livings 1979: »Der Zauberer von Oos« von Lyman Frank Baum 1980: »Der Lebkuchenmann«, ein musikalisches Kinderstück von David Wood 1981: »Die Schneekönigin« nach Motiven von Hans Christian Andersen 1982: »Momo« nach dem Roman von Michael Ende 1983: »Jahrmarkt der Nüsse« von David Wood 1984: »Ameley, der Biber und der König auf dem Dach« von Tankred Dorst 1985: »Streit um Aschenputtel« von Ole Norkild 1986: »Das Mädchen mit den Schwefelhölzern« nach Hans Christian Andersen 1987: »Räuber Hotzenplotz« von Otfried Preußler 1988: »Vom dicken Schwein, das dünn werden wollte« von Jérôme Savary 1989: »Da Hänsel! Da Gretel! Da, Da!« nach den Brüdern Grimm 1990: »Das ertrunkene Land« von Ad de Bont 1991: »Sophiechen und der Riese« von Roald Dahl, für die Bühne bearbeitet von Andreas Hänsel 1992: »Pu der Bär« von Alan Alexander Milne, für die Bühne bearbeitet von Andreas Hänsel 1993: »Die Reise nach Brasilien« nach Daniil Charms 1994: »Ronja Räubertochter« nach dem Roman von Astrid Lindgren 1995: »Die verzauberten Brüder« von Jewgeni Schwarz 1996: »Allerleirauh« nach den Brüdern Grimm von Andreas Hänsel 1997: kein Weihnachtsmärchen 1998: kein Weihnachtsmärchen 1999: »Aschenputtel« nach den Brüdern Grimm von Heleen Verburg 2000: »Der Riesendäumling« von Michail Bartenjew 2001: »Der Zauberer von Oz« nach Lyman Frank Baum von Wolfgang Starczewski und Klaus Missbach 2002: »Der Zwerg Nase« nach Wilhelm Hauff von Frank Anders 2003: »Momo« nach dem Roman von Michael Ende 2004: »Alice im Wunderland« nach dem Roman von Lewis Carroll 2005: »König Drosselbart« nach den Brüdern Grimm von Horst Hawemann 2006: »Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen« nach den Brüdern Grimm von Michael Bartenjew

Erinnerungen

2007: »Tintenherz« von Cornelia Funke 2008: kein Weihnachtsmärchen

Egal ob jung ob alt, alle, die man fragt, können sich oft nach Jahren noch an Einzelheiten aus Weihnachtsmärcheninszenierungen erinnern. Seien es beispielsweise die Songs aus »Ali Baba«, die Reise des Rentiers in »Die Schneekönigin« oder die besonders zickigen Schwestern in »Aschenputtel«. Immer wieder hört man auch, dass die Atmosphäre und der Zuschauerraum »mit all dem Rot und Gold« einen starken Eindruck hinterlassen hat. Und jedes Jahr versuchen die Theaterschaffenden es wieder aufs Neue, es fast allen recht zu machen und Jung und Alt zum Theater zu verführen.

2009: »Der Lebkuchenmann« von David Wood 2010: »An der Arche um Acht« von Ulrich Hub in der Ausweichspielstätte Redoutensaal 2011: »Die kleine Hexe« von Otfried Preußler 2012: »Der Froschkönig« nach den Brüdern Grimm von Ulrich Hub 2013: »Ali Baba und die vierzig Räuber« von Stephan Beer und Georg Burger 2014: »Das Dschungelbuch« nach Rudyard Kipling 2015: »Die Schneekönigin« nach Hans Christian Andersen von Elina Finkel 2016: »Pinocchio« nach Carlo Collodi von Albrecht Hirche 2017: »Kalif Storch« nach Wilhelm Hauff von Eva Veiders in der Ausweichspielstätte Foyercafé 2018: »Aschenputtel« nach den Brüdern Grimm von Eva Veiders

103


Tolle Tänze durch die Zeit

Ein Opernhaus musste her. Kostspielig war das auch schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Und die Stadt Erlangen war eigentlich nur Zweitwohnsitz der Markgrafen von Bayreuth. Dennoch: Auch hier sollte aristokratische Repräsentation die Bürgerlichen beeindrucken und den Höfischen ein Ort der Selbstfeier werden. Über Kosten sprach man da eigentlich nicht. Aber in Erlangen saßen ja seit rund drei Jahrzehnten als Flüchtlinge aus dem katholischen Frankreich die Hugenotten. Protestantische Skeptiker, was Feierlaune und Festkultur betraf. Eher Prediger von Vernunft und Fleiß. Wobei der Fleiß die Voraussetzung schuf, ein vernünftiges bürgerliches Jenseits zu erreichen. Der Hof dagegen holte den Himmel zu Lebzeiten auf die Erde. Der protestantische Fleiß schuf ihm dazu die Mittel. Als Gegenangebot gab es die Feste mit Tanz, Musik, Maskerade, Schlemmerei, Feuerwerk und Theater. Anlässe gab es genug – und den Protestanten musste man Anlässe bieten. Wobei ja die Markgrafen selbst Protestanten waren, aber eben fürstliche und damit Gott automatisch näher als die bürgerlichen, die erst noch etwas dafür tun mussten. Anlässe waren vornehmlich Familienfeiern: Verlöbnisse, Taufen, Hochzeiten, Geburtstage, Besuche. Und selbstverständlich der Karneval: die absolute Ausnahmesituation im Jahreskreis der frommen Vollzüge und der Respekt-Ordnung unter den Klassen und Ständen. Der Karneval hob alles auf. Der Narr trug nun die Krone, und Bacchus führte den ekstatischen Chor statt Jesus die asketische Prozession. Dafür benötigte man auch in Erlangen die Redoute, den Tanzsaal, den Schutzort für alle, die über die Stränge schlugen. Die Stränge waren ursprünglich Abgrenzungen von Jagdgebieten. In der Extremsituation von Festen durfte man so manche Grenze überschreiten. Also wurden sie in Erlangen gebaut, etwas dezent zueinander gewandt, um die Hugenotten nicht zu verstören: das Markgrafentheater als höfisches Opernhaus, denn im Barock wollte man die antike Spielform als gestische Nachahmung einer Handlung in Verbindung mit Musik und Gesang zurückholen auf die Bühne – und man schuf gänzlich Neues; die Barockoper wird seit einigen Jahren mit großem Vergnügen wiederentdeckt. Und der Redoutensaal, der Ballsaal gleich gegenüber. Denn das Theater mündete ins Fest und das Fest war Theater. In den schönen Logen, mit denen der italienische Architekt Giovanni Paolo Gaspari das Markgrafentheater 1744 ausschmückte, ging es erotisch und kulinarisch zu. Bei den Tänzen im Redoutensaal kostümierte und inszenierte man sich und schminkte sich auch unter der Taille. Man wollte ja dem jenseitigen Paradies mit einem irdischen

Vom Barockfest zu den Erlanger Kultur-Festivals

104

»Die Nacht der Maulwürfe« von Philippe Quesne, Internationales Figurentheaterfestival, 2017

Herbert Heinzelmann


Erlanger Poetenfest im Schlossgarten, 2018

Tolle Tänze durch die Zeit zuvorkommen. Dazu wurde der Schlossgarten angelegt, der wiederum ein kleines Heckentheater enthielt und im Pomeranzenhaus, auch Orangerie genannt, die mythologischen Früchte des Südens herbeizauberte. Im Garten ging es bukolisch zu in den großen Zeiten des Barock. Beim Schäferspiel saßen die Dessous locker. Und der Himmel wurde mit Feuerwerken aufgerissen. Glaubt man den Berichten von Veteranen der berühmten Internationalen Theaterwochen der Studenten aus den 1960er Jahren, dann muss es zu dieser Zeit in den Morgenstunden im Erlanger Schlossgarten ähnlich zugegangen sein wie in den Zeiten des Barock. Bukolisch auf jeden Fall. Aber mit der Revolte von 1968 endete diese Epoche, vom Eisernen Vorhang des Protestes im Markgrafentheater abgeschnitten. Das jährliche Schlossgartenfest ist wohl nur ein gezähmter Ersatz für die orgiastischen Theatertage. Doch ein wenig verschämt waren Theater und Redoutensaal samt Schlossgarten ja immer geblieben im Schatten der Hugenotten. Ihre Wiedererweckung als Fest-Orte konnte eigentlich nur im Zeichen der als protestantisch geltenden Vernunft, der Reflexion, des rationalen Diskurses mit unterschiedlichen Spuren der barocken Inszenierungslust erfolgen. In den 1980er Jahren wurde an den verschlafenen Etablissements herumgeküsst. Das Theater wehrte sich in seiner dösenden Dornröschenhecke ziemlich heftig gegen eine neue Festkultur, denn es fühlte sich in seinem Tourneebetrieb ziemlich wohl. Da kamen wandernde Bühnen mit braven Stücken, denn sie mussten ja an vielen Orten gefallen. Der gVe, der diesen Betrieb managte, scheute vor allzu großen Neuerungen zurück. Modernes Musiktheater, modernes Tanztheater, artfremde Veranstaltungen wie Preis-Galas für gezeichneten »Kinderkram« waren dessen Anliegen nicht. Zum »Kinderkram« gehörte übrigens auch Puppentheater. Und die großen deutschen Dichter wurden ohnehin auf der Bühne gezeigt. Unter den aktuellen Autoren schien den Vertretern des gVe kaum einer groß genug für die Erlanger Rampe. Aber da saß einer und spitzte den Mund zum Kuss. Seit 1974 war Karl Manfred Fischer Leiter einer neuen kulturpolitischen Abteilung in der Stadt. Sie verantwortete »Bildende Kunst und Kulturelle Breitenarbeit bzw. Kulturelle Programme«. Das war ein weites Feld, und Fischer war ein komplexer Denker. Schon als künstlerischer Leiter des Ingolstädter Kunstvereins hatte er in manchen Kreisen Ärgernis erregt, weil er schwierige statt gefällige Kunst förderte. Nun begann Fischer das Erlanger Feld zu bestellen – und die harte Ackerei endete mit der Rückeroberung der barocken Fest-Orte für die Präsentation aktueller Kunst-Genres im Festival.

Ist Fischer ein barocker Mensch? Nicht im Sinne der Träger von Allonge-Perücken. Wohl aber im Sinn der großen Synthese, die dem Barock im Zusammenspiel unterschiedlichster Gattungen wie Theater, Musik, Naturgestaltung, Maskerade, Malerei bis hin zur Augentäuschung, Feuerzauber, Geschmack und Geschmacksüberschreitung auch im kulinarischen Bereich vorgeschwebt war. Genauso ging es Fischer um den Zusammenklang der modernen Medien mit klassischen Ausdrucksformen und um die vergleichende Sichtung der Fortschritte in diesen Ausdrucksformen. Wer fortschreitet, voranschreitet, überschreitet, wird Avantgarde genannt. Für Zurückgebliebene wie für Beharrende ist das ein Schimpfwort. Aber es entspricht dem Verlauf der Kulturgeschichte. Mit seiner Formenwildheit, mit seinen Überwältigungsstrategien, mit seinem ästhetischen Universalismus hat der Barock die Renaissance überholt. In den 1980er Jahren ging es in Erlangen darum, eine träge gewordene Moderne, wie sie sich beim gVe in Theaterkonventionen und beim Kunstverein in Fortschreibungen des Realismus und akzeptierter Abstraktion wiederholte, mit neuen Anstößen abzulösen. Dass diese Anstöße nicht theoretisch blieben, sondern sich letztlich in die Sinnlichkeit von Festivals übertrugen, gehört zu den Leistungen von Karl Manfred Fischer. Neben den Herausforderungen der von Joseph Beuys und anderen entgrenzten Künste, mit denen er die Besucher der Städtischen Galerie im Palais Stutterheim konfrontierte, experimentierte er mit neuen Formen des Hörens und des Tanzens. Wie im Barock der Anstoß der kulturellen Bewegungen hauptsächlich vom französischen Hof ausgegangen war, so inspirierte in Erlangen die Zusammenarbeit mit dem Französischen Kulturinstitut Themenstellungen und Veranstaltungsangebote. Das Französische Tanzfestival von 1987 ist ein Beispiel dafür. 105


Tolle Tänze durch die Zeit Der später weltweit wirkende Comic Salon wäre ohne Kontakte des Instituts zum seit 1974 etablierten Festival International de la Bande Dessinée d’Angoulême nicht auf den Weg gebracht worden. Der Comic Salon gehört zu den drei mehr oder minder barocken Säulen (heute spricht man von Leuchttürmen) der Nachhaltigkeit, die Fischer mit seinem oft bis an die aggressive Erschöpfung belasteten Team aufgerichtet hat. Dazu zählen weiter das Erlanger Poetenfest und das Internationale Figurentheater-Festival. Sie haben Fischers Abschied in den Ruhestand im Jahr 2002 ohne Risse überstanden und werden von dem neuen (ebenso stark geforderten) Team um Bodo Birk mit altem und neuem Glanz fortgeführt. Wer den 18. Internationalen Comic Salon im Jahr 2018 mit seinen Zelten auf dem Schlossplatz und im Schlossgarten durchstreift hat, wer zwischen zeichnenden oder picknickenden Menschengruppen an Micky-Maus-Wänden, ähnlich barocker Scheinarchitektur, entlanggeschritten ist oder Diskussionen in der Orangerie lauschte, dem können durchaus Erinnerungen an barocke Feste aus dem Gattungsgedächtnis gestiegen sein. Bunt. Fröhlich. Irgendwo ist Musik. Zum Cosplay verkleidete Menschen inszenieren sich selbst als Comic-Identitäten. Es tanzt bloß kein König mit prächtigem Pomp. Nur der Oberbürgermeister schlürft unauffällig einen Kaffee. Ähnliche Eindrücke gewinnt man beim Poetenfest, wenn im Schlossgarten gelesen, diskutiert, geschmaust, geschmust, verkauft wird, wenn nachts die Fackeln brennen. Das inzwischen internationale Dichtertreffen begann 1980 ganz regional und verschattet im Erlanger Burgberggarten. Bald eroberte es den Redoutensaal als Ausweichstätte bei Regen. Als bedeutende Poeten kamen wie Herta Müller, Martin Walser, Tankred Dorst, als das Publikum strömte und zu den Lesungen und Diskussionen Filme gezeigt oder Installationen aufgebaut wurden, öffnete auch das Markgrafentheater seine Bühne, seine Logen, seine Foyers – mit einer Ausnutzung bis zum letzten Platz. So dicht gedrängt stellt man sich das gepuderte Publikum im Barock vor. Da kommen ja Dichter. Der Dichter ist dem bürgerlichen Theaterpublikum eine vertraute Erscheinung. Was aber sollen Comic-Zeichner im barocken Rahmen? 1984, als Karl Manfred Fischer den ersten Internationalen Comic Salon in Erlangen veranstaltete, galten die Bilderhefte vielen noch als Trivialliteratur oder gar Schund. Fischer hatte früh das Potential des Mediums erkannt, das inzwischen längst als Literaturform akzeptiert und in seiner interdisziplinären Vernetzung (Film, Internet, Print) sozial wie kommerziell bedeutsam ist. Die Stadt Erlangen hatte die Max und Moritz-Preise für die wichtigen

Produktionen innerhalb des Mediums gestiftet. Als diese 1986 erstmals in der Markgrafenoper vergeben wurden, reagierten die irritierten Theaterschützer pikiert und beschwerten sich über die barock agierenden Comic-Anarchen auf den Rängen in einem Brief an den Oberbürgermeister. Darin hieß es: »Die ehrliche Sorge um unser Markgrafentheater veranlasst uns, uns heute persönlich an Sie zu wenden …« Sie beklagten nicht nur die gröbliche Vernachlässigung des Rauchverbots, sondern auch die Beschmutzung und Beschädigung der Bestuhlung und verlangten, die Duldung solcher Veranstaltungen in den Heiligen Hallen künftig zu unterbinden. Oberbürgermeister Dietmar Hahlweg entsprach den Wünschen nicht. Es hat Kämpfe gegeben um die Durchsetzung der drei großen Erlanger Festivals in der Stadt. Da ging es nicht nur um die Rückeroberung der barocken Fest-Orte durch die Kultur, sondern auch um kommunalpolitische Skepsis. Das 1979 gestartete und nach Nürnberg, Fürth und Schwabach hinausgewachsene Festival des Figurentheaters musste einmal aus Einsparungsgründen ausfallen. Dabei waren die Puppen nun wirklich bereits auf der Barock-Bühne dabei. Aber erst Fischer und später Birk wollten und wollen nicht nur Spaß, Show, Beeindruckung bieten. Aus dem Puppentheater ist intermediales Theater geworden, Maschinen- und Robotertheater. Beim Figurentheater-Festival lachen oder erschrecken wir über unsere Zukunft, die sich dort an dem oder gegen den Menschenkörper ausprobiert. Wir staunen wie die Zeitgenossen im Barock über den mechanischen Schachspieler, der auf den Festen auftrat. Das Fest ist eine Ausnahmesituation. Ein Zeitabschnitt, der aus Alltag und Arbeit herausfällt und an dem gefeiert wird. Die Feste des Barock als einer Epoche zwischen dem verheerenden Dreißigjährigen Krieg und der bevorstehenden Französischen Revolution waren von besonderem Glanz. In Erlangen haben sich Orte erhalten, die nicht nur alte Geschichten von diesem Glanz erzählen, sondern mit aktuellen Festivals an diesen Orten in jedem Jahr neue spannende Geschichten dazu finden. Hätten die Markgräfinnen und Markgrafen nur in die Zukunft schauen können, während sie in ihrem Theater saßen … Herbert Heinzelmann ist Publizist, Journalist und Medienpädagoge.

106


Ein Theater im Herzen der Stadtgesellschaft I

»Generaldebatte über das gesamte Erlanger Theaterleben«, Karl Manfred Fischer, Leiter des Kulturamtes von 1980 bis 2002, kritisierte herb das Tourneeprogramm des gVe und wiederum Dieter Stoll ging den OB direkt an, er »zucke vor eigenen Mutanfällen« zurück. Die Wende kam ab 1989 mit Andreas Hänsel. Er agierte selbstbewusst als Intendant mit dem Ziel, die Programme von Markgrafentheater und Garage zusammenzuführen. Der gVe wehrte sich, es kam zu einer Art »Theaterkrieg« mit entsprechender Begleitung in den Medien. Hier war jetzt die Vermittlerrolle des OBs akut gefragt. Gut beraten durch den Leiter des Rechtsamtes, Dr. Wolfgang von Rimscha, selbst viele Jahre aktives Mitglied der so erfolgreichen Studiobühne, kam es zu zähen, aber im Ergebnis guten Gesprächen mit Dr. Ruprecht Kamlah, der als Nachfolger von Dr. Otto Hiltl ab 1990 Vorsitzender des gVe wurde. Das Ergebnis: ein neu zusammengesetzter Theaterausschuss mit 17 Mitgliedern, davon nur noch sechs vom gVe, daneben der Intendant, der Dramaturg und Vertreter anderer theaterinteressierter Gruppen. Die neue Zusammensetzung bewährte sich, aber das professionelle Knowhow der Theatermacher setzte sich durch: Das Gastspielprogramm veränderte sich, Andreas Hänsel glänzte mit gelungenen eigenen Inszenierungen und diese führten dann 1992 hin zu einem eigenen kleinen Ensemble, wie es schon in den 1950er Jahren mal angedacht war. Als die Ära Hänsel 1998 endete, hinterließ er ein kleines, aber profiliertes eigenes Theater Erlangen, das sich danach weiter stabilisiert hat.

Der ehemalige Oberbürgermeister Dietmar Hahlweg im E-Mail-Interview Welche Rolle spielte das Erlanger Theater innerhalb der Stadtgesellschaft und Kulturpolitik während Ihrer Amtszeit? Eine erstaunlich wichtige Rolle und dies gleichsam über die gesamten 24 Jahre meiner Amtszeit – weite Strecken davon parteipolitisch kontrovers und auch von den Erlanger Nachrichten und der Abendzeitung intensiv begleitet und teils befeuert. Kurz zu einigen Höhepunkten: Mit dem Machtwechsel 1972 drängte die neue SPD-Stadtratsmehrheit auf mehr Vielfalt auch im Theaterbereich. Dementsprechend setzte sich der von der neuen Mehrheit gewählte Kulturreferent Dr. Wolf Peter Schnetz dafür ein, ein Kinder- und Jugendtheater aufzubauen und dafür einen Theaterleiter zu engagieren. Obwohl Oberbürgermeister (OB) und Kulturreferent betonten, dass es dabei um eine Ergänzung und nicht um eine Veränderung des Bestehenden handeln soll, stießen diese Pläne sogleich beim etablierten »Gemeinnützigen Theater- und Konzertverein Erlangen« (gVe), der bisher für die Gastspielplanung im Markgrafentheater zuständig war, wie auch bei der CSU-Stadtratsfraktion auf großes Misstrauen. Der 1974 bestellte Theaterleiter Manfred Neu entpuppte sich als leidenschaftlicher Theatermann, der sich mitnichten auf Kinder- und Jugendtheater beschränkte. Vielmehr schuf er sich mit dem Garagentheater seine eigene Spielstätte mit Avantgardetheater als Kontrastprogramm zum gVe-Betrieb und das mit eigenem Publikum. Einige von ihm engagierte provokant linke freie Gruppen führten zu Protesten aus dem konservativen Lager mit der Forderung aus CSU-Kreisen an den OB, dagegen vorzugehen, was ich unter Bezug auf die Kunstfreiheit – Neu hatte eine Art Intendantenvertrag – ablehnte. Die darin übrigens ausdrücklich erwähnte Zusammenarbeit mit dem gVe bei der Spielplangestaltung kam leider nicht zustande; zu unterschiedlich waren die handelnden Personen. Entsprechend hoch blieb das Konfliktpotential und der Bedarf an Schlichtung. Und es blieb spannend. So erfolgreich und vergnüglich die Ära Neu über weite Strecken war, sie geriet in die Krise und fand 1988 mit dem Ausscheiden von Neu ihr Ende. Zugleich setzte eine grundsätzliche Strukturdebatte ein. Dieter Stoll forderte in der Abendzeitung eine

Was waren damals die größten Herausforderungen, die sich hinsichtlich des Theaters stellten? Es galt, Neues möglich zu machen, ohne Bestehendes, von vielen Geschätztes, abrupt infrage zu stellen. OB und Kulturreferent bemühten sich deshalb trotz des verständlichen massiven Veränderungsdrucks um ein behutsames, schrittweises Vorgehen. Und auch, wenn es vielen zu langsam ging, gelang es im nicht abreißenden Dialog mit den Beteiligten und durch das Engagement zweier auf ihre Art herausragender Künstlerpersönlichkeiten, Manfred Neu und später Hänsel, eine zeitgemäße und bedarfsgerechte Lösung zu erreichen. Wie beurteilen Sie rückwirkend die Entwicklung des Theaters? Sehr positiv. Es ist, aufbauend auf den sehr unterschiedlichen Traditionen und Publikumserfahrungen des gVe und des Studententheaters seit den 1950er Jahren, gelungen, ab den 1970er Jahren anstehende und politisch gewollte Veränderungen im Theaterleben der Stadt behutsam 107


Ein Theater im Herzen der Stadtgesellschaft I (manchen zu behutsam) möglich zu machen. Das während der Intendantenzeit von Herrn Hänsel entstandene Modell der drei Säulen unseres Theaterlebens – Eigenproduktionen, Gastspiele und Partnerschaften (Schultheater und Arena-Festival) – hat sich bis heute bewährt und dürfte bis auf Weiteres dem Bedarf und den Erwartungen entsprechen.

Neben Inszenierungen sind mir aber vor allem auch außergewöhnliche Spielorte gerade in der Ära Manfred Neu in lebhaftester Erinnerung: das Zelt auf dem Theaterplatz mit Jérôme Savarys »Grand Magic Circus«, die Eigenproduktion mit einem Stück von Goldoni mit Venedig-Ambiente in der Schiffstraße und die legendären »Theatralischen Reisen« mit dem Museumszug in die fränkische Schweiz.

Welche Inszenierungen sind Ihnen im Gedächtnis geblieben? Doch etliche. Davon nenne ich Magnus Reitschusters Produktionen »Unser Julius« und »Schattengeburten«. Beides Stücke mit lokalhistorischem Bezug, die uns in Erlangen überzeugend vor Augen führten, welche besonderen Identifikationsmöglichkeiten ein eigenes Ensemble schafft. Und ich nenne Helmut Haberkamms fränkisches Mundartstück »Schellhammer«. Dies in der Hauptrolle mit Winni Wittkopp, der als Künstler und Person Entscheidendes zur Akzeptanz eines eigenen Theater-Ensembles in Erlangen beigetragen hat.

Was wünschen Sie dem Erlanger Theater für die Zukunft? Natürlich weiter Erfolg – also weiter eine glückliche Hand, mutiges und engagiertes Theater zu machen. Das aber doch so dosiert, dass zahlenmäßig ein relativ stabiles Publikum aus allen Alters- und Gesellschaftsgruppen immer wieder neu an das Theater gebunden werden kann. Zudem wünsche ich dem Theater, dass es sich den parteiübergreifenden Rückhalt im Erlanger Stadtrat erhält. Dr. Dietmar Hahlweg, Mitglied der SPD, war von 1972 bis 1996 Oberbürgermeister der Stadt Erlangen.

108


Thomas Reher

Wir können nur auf der Bühne gewinnen

nen manche Theatermomente in mir noch immer. Wie Eva Hörbiger im ersten Akt von »Am Ziel« (1992) in dem klaustrophobischen Dämmer-Raum der Garage die Wortkaskaden Thomas Bernhards hinausschleuderte und mit der geschulten Stimme einer alten Diva gurrend die in Sprache gegossene Lebenswut und -trauer ausspie – das war allerhöchste Schauspielkunst, die man in dieser Sprach-Brillanz womöglich in der kleinen Erlanger Garage nicht erwartet hatte. Die stumme Tochter, die von der übermächtigen Mutter in ihrer gnadenlosen Suada bis zur Reglosigkeit, ja bis zur Atemlosigkeit niedergedrückt wird, wurde in großer schauspielerischer Demut gespielt von der sagenhaften Adele Neuhauser. Adele hatte in Heiner Müllers »Quartett« auf bravouröse Weise ihr Debüt in Erlangen gegeben. Die Marquise Merteuil spielte sie mit einer streng gefassten Körperlichkeit und einem sehr fein kalkulierten Sprachduktus voller Zynismus. Die

»Troerinnen« nach Euripides, Regie: Andreas Hänsel, 1996/1997

Die Ära Andreas Hänsel in den Jahren 1989 bis 1998 Angesichts der 300-jährigen Geschichte des Markgrafentheaters Erlangen scheint ein Zeitabschnitt von nur neun Jahren kaum ins Gewicht zu fallen. Sind neun Jahre einer Intendanz schon eine »Ära«? Und können neun Jahre eine kohärente Theatergeschichte schreiben, wo doch der Gegenstand, das Theater selbst, die flüchtigste Kunstform überhaupt ist? Schon während des Schlussapplauses ist das Theatergeschehen, und sei es noch so berührend, einzigartig und überwältigend, nur mehr Erinnerung, eine noch dazu höchst subjektive Erinnerung, die mal schneller, mal langsamer verblasst. Dieses sofortige Verschwinden, das Abgleiten in Erinnerung und damit die Auflösung des Werkes (oder gar einer »Ära«) kann man natürlich betrauern. Man kann diesen Wesenskern des Theaters aber auch wie Shakespeares Prospero im »Sturm« betrachten: »Seid heiter! Das Fest ist jetzt zu Ende; unsere Spieler waren Geister und sind aufgelöst in Luft, in dünne Luft. […] Wir sind aus solchem Stoff wie Träume sind, und unser kleines Leben umgibt ein Schlaf«. Ich möchte die Erinnerung für einen Moment aus dem Schlaf reißen. Ich tue dieses – dem Theater angemessen – auf subjektive Weise, und ich behaupte: Ja, die Intendanz von Andreas Hänsel war eine Ära! Ich habe diese neun Jahre miterlebt – zunächst als Student und Zuschauer. In den letzten beiden Jahren 1996 bis 1998 konnte ich dann die Theaterarbeit als Dramaturg mitgestalten. Dankbar bin ich für diese glückliche Fügung. Es waren sehr spannende, lehrreiche und »brennende« Jahre. Denn: Andreas Hänsel brannte. Ich habe danach kaum jemanden kennengelernt, der so brannte wie er – vor Theaterfieber, vor Sehnsucht nach dem »richtigen« Moment, der ästhetischen Perfektion, dem inneren Leuchten einer Szene, einer Figur. Und natürlich für die Arbeit an seinem Theater überhaupt. Ein Arbeitsmotto von Andreas Hänsel, das für mich bis heute so nachhaltig gültig und wichtig ist, lautete: »Wir können nur auf der Bühne gewinnen.« Es war die Losung, die uns aus allen kulturpolitischen Wirrnissen, Kämpfen, Ärger und Zorn dieser Jahre zurückrief zum eigentlichen Kern unserer Arbeit: die Kunst auf der Bühne. Und so gelten meine Erinnerungen zunächst der Bühne. Trotz nunmehr zwanzigjähriger Abkühlung bren-

Inszenierung bleibt in ihrer formalen Eleganz in Erinnerung, einer Eleganz, die emotionale Tiefen und grausige Abgründe »überspielt« und dadurch umso deutlicher und nachdrücklicher in Szene setzt. Adele Neuhauser war in vielen Inszenierungen von Andreas Hänsel eine höchst kreative, formbewusste und kongeniale Schauspielerin. Ihr zuzusehen war immer ein Hochgenuss – und ist es noch heute, wenn man sie als veritablen TV-Star am Sonntagabend im Wiener »Tatort« als Kommissarin ermitteln sieht. Der eher kühleren, strengeren und formbewussten Adele stand in den letzten Jahren eine andere Protagonistin ganz eigener Qualität gegenüber: Christel Mayr, auch sie eine Brennende! Ihrer Andromache in Euripides‘ »Troerinnen« (1996) zuzusehen, wie ihr das Kind aus den Armen gerissen wird, um es zu töten, diesen unfassbaren Schmerz und das atemlose Staunen darüber, 109


»Quartett« von Heiner Müller, Regie: Andreas Hänsel, 1991/1992


Wir können nur auf der Bühne gewinnen

oben: »Schellhammer. Ein Fränkisches Drama mit Folgen. Folge I: Gfärbda Spoozn« von Helmut Haberkamm, Regie: Karin Drechsel, 1996/1997 unten: »Krankheit der Jugend« von Ferdinand Bruckner, Regie: Celina Nicolay, 1997/1998

dass solche Gewalt tatsächlich geschieht – diese Szene hat kaum jemand trockenen Auges überstehen können. Überwältigungstheater! Ein emotionaler Brocken, dessen Wucht ich nicht vergessen werde. Mit Eva Hörbiger, Adele Neuhauser und Christel Mayr hat Andreas Hänsel 1996 einen theatralen Volltreffer gelandet, an den sich viele noch erinnern: »Die Präsidentinnen« von Werner Schwab wurden in Erlangen Kult. Drei Underdog-Damen, die sich in ihrer Fantasie aus ihrem tristen, prekären Leben herausträumen. Saukomisch, wie Adeles Erna in einer Übersprungsgeste immer wieder in ihr Taschentuch schnäuzt und damit in seliger Hausfrauenreinlichkeit die schmuddelige Plastiktischdecke wischt; mutig und kein Klischee-Risiko scheuend, wie Eva als Grete ihren fülligen Körper in die erotische Fantasie-Schlacht wirft, und unfassbar traurig und von so fragiler Komik, wie Christel Mayrs Klofrau Mariedl so traumverloren vergeblich um Würde und Stolz ringt. Ein großes, zu Recht gefeiertes und mit Preisen bedachtes Schauspielerinnentheater! Natürlich gab es in dieser Zeit

111


Wir können nur auf der Bühne gewinnen ne« (1992) veranstaltete, dieser Bühnenkünstler Andreas Hänsel brachte das Dionysische und das Apollinische, die große, bis zum Rausch brennende Leidenschaft und die handwerkliche, präzise Formgestaltung in ein verblüffend harmonisches Gleichgewicht. Selbstverständlich hatte er Mitstreiter und Mitstreiterinnen – und dies im tatsächlich wahrsten Sinne des Wortes. Neben den Bühnenkünstlerinnen und -künstlern wirkten markante und kluge Dramaturginnen und Dramaturgen im Erlanger Theater dieser Jahre. Neben Ruth Höhl, Bettina Milz und Brigitte Knöß prägte Magnus Reitschuster den Spielplan entscheidend – nicht zuletzt auch durch seine eigenen Stücke »Schattengeburten« und »Unser Julius«, die in ihrem Lokalbezug auf historische Themen für Erlangen sehr wichtig wurden. »Wir können nur auf der Bühne gewinnen« – dieses Arbeitsmotto hat im Künstlerischen oft und immer wieder Erfüllung gefunden. Gewinnen mussten Hänsel und sein Team aber etwas ganz anderes, weit über den jeweiligen Theaterabend hinausweisendes: Gewonnen werden musste

»Die Präsidentinnen« von Werner Schwab, Regie: Andreas Hänsel, 1995/1996

auch wundervolle Schauspieler, die viele Inszenierungen prägten: Oswald Gayer, Oliver Nitsche oder Dietmar Pröll, der ein so knorzig-selbstbewusster Cyrano war. Ich habe nie wieder einen Schauspieler mit derart subversiver erotischer Stimm- und Sprachkraft Balladen rezitieren hören – besser als Klaus Kinski! Ich hüte viele Szenen dieser Theaterjahre in meinem Erinnerungsrepertoire, die mich ähnlich berührt und bewegt haben und die mich auch in der Rückschau immer noch staunen lassen. Einigen dieser Erinnerungen hier Raum zu geben, soll auch bedeuten: Andreas Hänsel war zuallererst und mit Haut und Haaren Bühnenkünstler, Regisseur, Theatermensch. Er war in seiner Kunst kompromisslos, fordernd, hoch konzentriert und dem Bühnenprozess immer haltlos zugewandt. Er brannte. Der immer an der Form interessierte Regisseur, der mit Hansjörg Hartung und später mit Julia Hattstein grandiose, ungewöhnliche und poetische Theaterräume erfand, der nicht zufällig zwei Performance-Reihen unter dem Titel »Form in Tanz und Theater« (1990) und »Das Schö-

112


Wir können nur auf der Bühne gewinnen und Studenten, überhaupt das junge Publikum gleich auf seiner Seite – im Kampf um die Eroberung der Deutungsund Programmhoheit am Erlanger Theater. Kurz gesagt ging es im damaligen »Erlanger Theaterstreit« darum, die künstlerische Leitung über beide Spielstätten, Markgrafentheater und Garage, dem neuen Intendanten zu übergeben – gegen massive Widerstände des gVe und einiger Abonnenten. Überspitzt formuliert: Man wollte dem linken Schmuddeltheater, das sich seit den 1970ern in der Garage austoben durfte, nicht die gute Stube Markgrafentheater überlassen. Hänsels historische Leistung ist es, die künstlerische Gesamtleitung (die ja die eigentliche Aufgabe eines Intendanten ist) tatsächlich mit großem Kampfgeist und Unnachgiebigkeit, weitestgehend alleingelassen von der Kulturpolitik, erobert zu haben. Das eigentlich Phänomenale dabei aber war, dass er diesen »Kampfplatz Theater« nicht mit Waffen, mit Protest, mit politischem Streit oder gar Ideologie überzog, sondern mit Poesie. »Wir können nur auf der Bühne gewinnen.« Eben! Die eroberte Bühne begann zu atmen und wurde Heimstatt für ästhetische Bühnenräume. Kampfgetöse und -rauch verzogen sich über die Jahre. Und siehe: Es war Kunst! Wolfgang von Rimscha, ein Kampf-Gefährte und Gründungsmitglied des Fördervereins, hat in einem Abschiedsbrief an Andreas Hänsel den »Erlanger Theaterstreit« so treffend beschrieben als einen Widerstreit zwischen Haben und Sein: »Das Prinzip Haben denkt eher in den Gesetzen des Warenverkehrs, darum klammerten sich Deine Kontrahenten so zäh an den Einkauf von Tourneebühnen für den Gastspielbetreib, darum die Zurückhaltung gegenüber Eigenproduktionen, denn die Bestellung nach Katalog gibt dem Käufer scheinbare Sicherheit gegenüber dem unkalkulierbaren Risiko des erst Entstehenden. Das Kreative aber gehört in die Sphäre des Seins, in dem sich der Künstler bewegt, bewegen muss. […] Das Haben blickt auf den Abonnenten, das Sein auf den Zuschauer. Das Theater schätzt den zuverlässigen Vorauszahler, doch es liebt die Kinder des Olymp« (Aus: Theater Erlangen (Hg.): »Theater Erlangen 1989–1998«, Erlangen 1998). Selbstverständlich luden auch die »Kinder des Olymp« Gäste nach Erlangen ein. Das Gastspielprogramm wurde aber nicht mehr aus dem Tourneekatalog zusammengekauft, sondern entstand durch intensive Kontakte und lebendige künstlerische Beziehungen zu anderen eigenproduzierenden Theatern, gleichsam auch nach dem Prinzip »Sein«. Gastspiele aus Mülheim, aus Stuttgart, Frankfurt und vom Burgtheater Wien sind nachhaltig im Gedächtnis geblieben. Der damalige Direktor des Burg-

nichts weniger als die Eigenständigkeit des Erlanger Theaters, die Herrschaft über den Spielplan, über die Räume, die Mittel. Und dies ist die eigentliche kulturpolitische und in der Rückschau historische Leistung von Andreas Hänsel und seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen: Sie haben einen langen, heftigen, erbitterten und oftmals ermüdenden Kampf geführt, um dieses Theater auf eigene Beine zu stellen, seinen Fortbestand zu sichern, ihm Luft zum Atmen zu verschaffen und ihm eigenes Leben einzuhauchen. Und sie haben den Kampf gewonnen! Die Situation des Erlanger Theaterlebens, die Andreas Hänsel bei seinem Amtsantritt im September 1989 vorfand, war diffizil und einem Neuanfang denkbar unaufgeschlossen. Der Gemeinnützige Verein Erlangen (gVe), der 1876 von Bürgern und Universitätsmitgliedern gegründet worden war, um ein niveauvolles Konzert- und Theaterleben zu ermöglichen, und darin über hundert Jahre lang sicher unbestreitbare Verdienste erworben hatte, bestimmte den Spielplan des Markgrafentheaters und füllte ihn mehr oder weniger ambitioniert mit Tourneegastspielen der üblichen Anbieter. Dieses Kulturangebot nach Katalog findet man noch heute in vielen kleinen und mittelgroßen Städten. Für eine Universitätsstadt wie Erlangen ist eine solche Theaterstruktur aber unwürdig. Der Journalist Gerd Liedtke brachte es auf den Punkt: »Kann eine Stadt, die wie Erlangen 25 000 Studeten hat, davon über 2000 Sprach- und 800 Theaterwissenschaftler, die darüber hinaus mit ihren Universitäts- und Siemens-Angestellten das höchste Bildungsniveau Deutschlands aufweist, kann eine solche Stadt es sich leisten, auf ein eigenes Theater zu verzichten?« (Aus: Theater Erlangen (Hg.): »Theater Erlangen 1989–1998«, Erlangen 1998) Ein eigenes Theater gab es jedoch schon seit den 1970er Jahren – in einer ehemaligen Feuerwehr-Garage. Zunächst als Kinder- und Jugendtheater gegründet, mutierte es zur »ersten Off-Bühne in kommunaler Trägerschaft« (Liedtke). Ich selbst erinnere mich an eine Vorstellung von »Wer hat Angst vor Virginia Woolf?«, die ich 1988 in den ersten Tagen meiner Studienzeit besuchte. Der Theaterraum war von der angeschlossenen Kneipe nur durch einen Vorhang getrennt. Als Off-Theater irgendwie ok. Als städtisches Theater eine Katastrophe. Ein paar Tage später ging ich zu einem Tourneegastspiel ins Markgrafentheater: eine künstlerische Katastrophe! So mied ich eine ganze Weile das Erlanger Theater. Für uns Theaterwissenschaftsstudierende war das Theaterleben in Erlangen ein Totalausfall. Es änderte sich tatsächlich, als der neue Intendant Andreas Hänsel im November 1989 in die jährliche Uni-Vollversammlung kam und seine Ideen versprühte. Er hatte die jungen, engagierten Studentinnen 113


theaters, Claus Peymann, selbst als Student in Erlangen schon künstlerisch aktiv, protestierte 1997 persönlich gegen die wieder einmal drohende Abschaffung des Erlanger Ensembles und schickte zu günstigen Konditionen Strindbergs »Totentanz« in Starbesetzung nach Erlangen. Nach neun Jahren, in denen also der Kampf gewonnen und der Streit beigelegt war, wurde der Vertrag mit Andreas Hänsel nicht verlängert. Es mag zynisch klingen (und wurde sicher von den Verantwortlichen damals so nicht gedacht), aber aus einer historischen Perspektive betrachtet hatte – frei nach Shakespeare – der »Mohr« seine Schuldigkeit getan und konnte gehen. Sicher hatten die fortwährende Selbstbehauptung, die dauernde Anspannung im täglichen Theaterbetrieb, das Nie-zur-Ruhe-Kommen auch Spuren hinterlassen – bei Andreas Hänsel, bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und auch im Miteinander. Wir saßen nicht ums Lagerfeuer, wir standen alle in Flammen. Anders konnte man unter der Intendanz Hänsel nicht (glücklich) arbeiten. Flammen fordern Tribut, das darf in der Rückschau nicht

verschwiegen werden. Es waren mit Theaterkunst angefüllte Kampfjahre. Hänsels Intendanz-Nachfolgerinnen und Nachfolger fanden ein funktionierendes Theater vor und konnten und können über den Spielplan, ihr künstlerisches Tun und Lassen frei entscheiden – so wie es für ein solches Theater in einer solchen Stadt auch üblich und geboten ist. Den Schritt vom Haben zum Sein hat Andreas Hänsel mit seinen künstlerischen Mitstreitern und Mitstreiterinnen, Weggefährten und Weggefährtinnen vollzogen. Zum Wohle der Kunst und dieses wunderschönen, ehrwürdigen Theaters. Thomas Reher war von 1996 bis 1998 Dramaturg am Theater Erlangen.

114

»Der Ignorant und der Wahnsinnige« von Thomas Bernhard, Regie: Andreas Hänsel, 1989/1990

Wir können nur auf der Bühne gewinnen


Andreas Hänsel

Lettera alla Federica Sofia Guglielmina Ein Brief an Wilhelmine

LE T TE R A A LL A S U A A LT E Z Z A R E A L E F E D E R I C A SO F I A G U G L I E L M I N A N ATA R E A L P R I N C I P E S S A D I P R U S S I A E M A R G R AV I A DI B R A N D E N B O R G O , C U L M B A C H , B AY R E U T H SCRITTO CON CUORE PIENO D A L L’ E X I N T E N D E N T E A N D R E A G I O VA N N I N O Königliche Hoheit, sehr verehrte Frau Kollegin,

der Vollkommenheit anstrebt, warum aber nur verfolgt Er diese Ziele so rastlos und getrieben, wofür Wir Ihn recht eigentlich auch mögen, das kannten Wir von Uns ja auch, damals, aber jetzt, nach all der Zeit, mag Er von Unserer Weisheit durchaus zu seinem Seelenwohle und zum Wohle des Theaters profitieren, fürchte Er ruhig das Stehenbleiben, aber liebe Er im Vorwärtsgehen die bedacht gesetzten Schritte, und noch eine Lehre, die zu beherzigen Uns dringlich geboten scheint, im Spiel auf der Bühne strebe Er nach vollkommener Harmonie, im großen Spiel des Lebens aber erwarte Er niemals, dass ihn die Menschen dafür lieben, und Wir wissen, wovon wir reden, ein Theater zu unterhalten ist ein Geschäft, bei dem man den Umgang mit der Macht nicht scheuen und die Intrige als Kunstform begreifen und beherrschen muss … Es gibt Koinzidenzen im großen Spiel des Lebens, die bewirken können, eine selbst gewählte Eremitage zu verlassen, sein Schweigegelübde zu brechen, manchmal genügt dazu ein einziger Gedanke, wie zum Beispiel der Anlass gebende für diesen Brief, die Vorstellung, dass Ihr markgräfliches Opernhaus, Ihr »berühmtes neues The-

oft hatte ich gehofft, Ihnen einmal persönlich begegnen zu dürfen, verbindet uns doch so manches, es hätte sich doch fügen können – und bitte, Königliche Hoheit, behalten Sie diesen Brief strictement entre nous, auch Ihr werter Herrn Bruder soll nichts davon erfahren – es hätte sich also fügen können, dass ich, nächtens, durch die Logengänge streifend um eine Ecke böge, und da säßen Sie, auf dem kleinen Hocker neben dem Jean-Cocteau-Spiegel, absolument contre Votre dignité, und dann sprächen Sie zu mir, mit sanfter Stimme natürlich, denn Sie wissen ja um meine Empfindsamkeit, und jetzt, wo ich nach über zwanzig langen Jahren des Schweigens zur Feder greife, höre ich, was Sie mir damals zu sagen gehabt hätten, mein geschätzter Herr Kollege, hätte Sie begonnen, was Er hier treibt in meinem Hause ist durchaus befremdlich, bisweilen auch unappetitlich sittenlos, aber Wir mögen es, ja vielleicht staunt Er jetzt, Wir mögen es wirklich, und Wir sagen Ihm auch warum, eben darum, weil Wir spüren, dass Er ein Suchender ist, einer, 115


Lettera alla Federica Sofia Guglielmina stätte, ein Parkhaus zu errichten, und ich weiß nicht, ob es der Wirkung Ihres Geistes zu verdanken gewesen war, dass diese Barbarei verhindert und stattdessen eine sogenannte mittlere Lösung beschlossen wurde, die zwar bewirkte, dass man das Haus von außen nicht mehr als Theaterbau erkannte, immerhin aber, weswegen ich von einem Glücksfall spreche, mit dem Ziel, darin wieder Theater spielen zu lassen. Ein Bau alleine aber, das muss ich Ihnen, verehrte Frau Kollegin, nicht erklären, garantiert noch lange nicht, dass in seinem Inneren jene Magie entsteht, die die Menschen mittels der Bühnenhandlung in ihren Bann zu ziehen vermag, und ich schmeichle nicht, wenn ich würdige, dass Sie Bayreuth und Erlangen Bühnenkunst von hohem Range bescherten, denn Sie wussten, was in den Metropolen Berlin oder Paris geschah, Sie verpflichteten Sänger, Tänzer und Musiker am Ort, Sie führten die Werke der großen, heute würde man sagen, zeitgenössischen Autoren vom Schlage eines Voltaire auf, und Sie waren damit in der Provinz Ihrer Zeit in einem Maße voraus, das ihresgleichen suchte, und Sie wissen auch, dass nach Ihrem Weggang aus dieser Welt, nach dem Ende der markgräflichen Epoche keine derartige Blütezeit mehr entstehen sollte, Ihr prächtiges Haus in Bayreuth ist ein Museum, und das in Erlangen konnte nicht teilhaben an der Entwicklung, die vielen Häusern jenseits der Metropolen vergönnt war, jene Kulturleistung, die den Begriff der einzigartigen deutschen Theaterlandschaft rechtfertigt, ein historischer Befund, der in Erlangen noch seine Auswirkungen bis in die Zeit haben sollte, von der ich aus eigener Anschauung, aus natürlich sehr subjektivem Blickwinkel, berichten kann. Dass eine Universitätsstadt nach dem Zweiten Weltkrieg nicht die Chance nutzte und eine zeitgemäße Theaterorganisation aufbaute, dass zwar städtisches Technik- und Verwaltungspersonal eingestellt, der Spielbetrieb aber dem verdienten Gemeinnützigen Theater- und Konzertverein anvertraut wurde, dass der Rat der Stadt Jahr für Jahr vertraglich abgesichert die Vereinskasse mit dem notwendigen Kleingeld füllte, damit die engagierten Theaterliebhaber in ihrer Freizeit fleißig Kataloge wälzen und Theaterproduktionen von der Stange einkaufen konnten, führte zu jener Konstruktion, die darauf hinauslief, dass Vertreter des Publikums dem Publikum das Bühnengeschehen servierten. Ein Angebot also, an dem sich zwar vermutlich jenseits aller magischen Momente der akademische Lehrkörper der Universität sowie die bildungsbürgerliche Elite delektierte, das aber niemals die Wirkkraft eines zeitgemäßen Stadttheaters entfalten konnte, ein Anachronismus, der bereits zehn

atro« 300 Jahre überdauern konnte, ein Glücksfall der außergewöhnlichen Art, der, als ich ihn gründlicher zu bedenken begann, natürlich unzählige Bilder aus dem Archiv meines episodischen und vor allem auch meines emotionalen Gedächtnisses in den Laborraum meines Verstandes beförderte und schließlich das Bedürfnis übermächtig werden ließ, Ihnen, Königliche Hoheit, zu gratulieren, und Ihnen aus vollem Herzen meinen untertänigsten Dank zu entbieten. Jeder Mensch gründet sein Schaffen auf Kulturleistungen unzähliger Generationen vor ihm, eine schwindelerregende Vorstellung, die, beginnt man sie von Verursachung zu Verursachung zu bedenken, in der hier zu verhandelnden Causa bald augenfällig werden lässt, dass ich es Ihren Vorfahren und Ihnen selbst verdanke, königliche Hoheit, dem »Opern- und Comödienhaus« zu Erlangen gedient haben zu dürfen, fast eine Dekade lang, eine Zeitspanne, die in gewisser Hinsicht zur glücklichsten Zeit meines Leben zählt, und es stellt sich im Rückblick leises Bedauern ein, die Bedeutung dieser historischen Dimension für unser zeitgenössisches Leben nicht schon zu Zeiten meines damaligen Wirkens erkannt zu haben, hätte sie doch mein Denken und Handeln, auch mein Verständnis für die Ursachen zahlreicher Widrigkeiten befördert, vor allem aber mein Bewusstsein vergrößert, welches Kleinod mir mit diesem Theater anvertraut worden war. Bleibende Werte also sind es, von denen die Nachwelt zehrt, und die deshalb nicht nur in historischen Zirkeln bestaunt, sondern von jedem Menschen im Alltag empfunden werden sollten, ein jeder sollte wissen, was es für die Stadt bedeutet hätte, wenn die Ihren und Sie selbst, Königliche Hoheit, der Stadt nicht eine Universität und ein Theater geschenkt hätten, wenn Sie zum Beispiel nach Ihrer Zwangsverheiratung ins fränkische Exil ein schwer melancholisches Leben mitten unter all den »ungehobelten, von Krätze befallenen Bauernlümmeln« in einer fürstlichen Kemenate dahingefristet hätten, wenn Sie eben nicht Ihr Interesse an allen Fragen Ihrer Zeit, an der Philosophie, der Kunst und an der Literatur bewahrt hätten, wenn Sie nicht eine großartige Baumeisterin geworden wären, wenn Sie nicht, man bedenke als Frau in Ihrer Zeit, wohlgemerkt, neben der hohen Politik, auch noch geschrieben, komponiert und inszeniert hätten. Wie schwer sich nachfolgende Generationen mit der Bewahrung und Pflege Ihres baulichen Kulturerbes taten, mögen zwei prägnante Beispiele schlaglichtartig beleuchten, zu Ihrer Zeit die Idee, aus dem Theater ein Salzmagazin zu machen, und in meiner Zeit, ich war gerade geboren, der Vorschlag, die zerfallende Bruchbude abzureißen, und an der, soll ich sagen, geweihten Kult116


Lettera alla Federica Sofia Guglielmina Hals hatte, und seine Ratschläge, die das Gewicht eines Vermächtnisses bekamen, weil er bald darauf durch einen Unfall tragisch ums Leben kommen sollte, lassen sich so zusammenfassen, ich sei ein König ohne Hof, die »Garage« sei in den Augen der Bildungsbürgerlichkeit eine »Schmuddelbude«, unter so einem Pseudonym ließe sich doch herrlich Theater machen, alle weitergehenden Bemühungen solle ich tunlichst unterlassen, schon der Nerven wegen. Was den angeblich fehlenden Hof des Königs betraf, so entdeckte ich bald, dass das städtische Theater im Organigramm verwaltungstechnisch zu einer »Einrichtung« des Kulturamtes herabgestuft worden war, die übliche Eigenständigkeit als »Amt« wollte man angesichts von sehr künstlerischer Haushaltsführung in jüngster Vergangenheit nicht mehr riskieren, auch die Dienstbezeichnung »Künstlerischer Leiter« verwies auf einen Thron ohne Lehne und Armstützen, und einzig die Bequemlichkeit des Sachbearbeiters im Personalamt, sich einen Intendantenmustervertrag vom Deutschen Bühnenverein kommen zu lassen, dessen Text er unverändert übernahm, lieferte mir die Chance, den Titel »Intendant« öffentlichkeitswirksam neun Jahre lang mit Lust und Beharrlichkeit in den Mund zu nehmen, ein Ränkespiel, dessen Bedeutung Sie sicherlich nachvollziehen können. Ein schönes Beispiel für diesen Kanon der Halbherzigkeiten war auch die Tatsache – wie ich bei meiner Einarbeitung entdeckte –, dass die Stadt fast eine Dekade lang keine Landeszuschüsse für ihr Ensembletheater abgerufen hatte, ein verschenkter Betrag von mehreren Millionen, und mein Wille zur Korrektur weckte sogleich Begehrlichkeiten, den eigenen Etat um die Summe der Landesmittel abzusenken, und als ich darum bat, bitte schön doch nachzulesen, dass diese Zuschüsse in Proportion zu den Eigenaufwendungen gewährt würden, mit der Ernüchterung auch Zaudern auslöste, ob dieser Geldsegen für das städtische Haus nicht die »Gesamtbalance« der Erlanger Theaterkonstruktion durcheinanderbringen könne. So sehr ich auch als tumber Parzival in den Theatergral Erlangens stolperte, so klar hatte ich bald gesehen, dass dieses aus politischen Rücksichtnahmen gebaute Theaterkartenhaus bei der ersten Brise der Zeitgeschichte in sich zusammenfallen würde, und den Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme lieferte die Stadt selbst, indem sie schon während meiner Intendanz ihr eigenes Theater mit allzu junger Geschichte in Zeiten der Haushaltsnöte zur Disposition stellte. Da alle Versuche scheiterten, die einschlägigen Stadtratsbeschlüsse zu diesem Konstrukt zu revidieren, blieb nur noch der mühsame Weg, der in dem Ausschreibungstext zu meiner Inten-

Jahre vor meiner Zeit vornehmlich den Sozialdemokraten der Stadt Kopfweh bereitete, weswegen sie ihrerseits, beflügelt durch die damalige Neuentdeckung des sozialen »Erziehungsfaktors Theater«, ein eigenes städtisches Theater gründeten, das, man höre und staune, nicht in der »guten Stube«, wie Ihr Haus noch zu meiner Zeit genannt wurde, spielen durfte, sondern in einer stillgelegten Feuerwehrgarage im Gebäudetrakt der Redoute, und dessen Wirkungsradius von vornherein auf Kinderund Jugendtheater beschränkt wurde, eine Einengung, über die sich mein Vorgänger flugs hinwegsetzte, indem er ein Theater für alle veranstaltete, das sich an aufregenden Inszenierungen dieser Aufbruchsjahre orientierte und dem Theater in der Garage einen Ruf bescherte, der sogar in München zu hören war. Von all diesen Konstrukten wusste ich nichts, wollte vielleicht auch nichts wissen oder verstand beim Studium der Ausschreibung ihre Fallenstellungen nicht, dachte wohl, ach, das kriegen wir schon hin, es schien ja herrlich die Sonne dieser Tage in meinem Leben, lieber kniete ich auf dem Boden meines Münchner Theaterstudios und sortierte die geistigen Ergüsse meiner Bewerbungsschrift, ein wahres Meisterwerk der emphatischen Heilsversprechen, mit einem Finanzplan versehen, bei dem sich vielleicht eine freie Gruppe die Finger geleckt, niemals aber ein städtisches Theater hätte betreiben lassen, wurde tatsächlich eingeladen, vermutlich aber nur, weil der damalige Leiter des Kulturamtes die peinlichsten Seiten meines postpubertären Elaborats vor dem Stadtrat kurzerhand hatte verschwinden lassen, wäre zum Vortanzen beinahe noch zu spät gekommen, weil es meinem Hund gefiel, die kurze Runde vor dem Wieder-eingesperrt-Werden ins Auto mit dem illegalen Jagen von Enten in der Schwabach zu verlängern, betrat schließlich mit nassen Hosenbeinen den großen Sitzungssaal des Rathauses, und erinnere davon nur noch, sitzend zur Rechten des Herrn Oberbürgermeisters, dass mich eine Stadträtin von der staatstragenden Partei fragte, ob ein Waldorfschüler überhaupt ein Theater leiten könne, eine Frage, deren Sinn oder auch Hintersinn ich nicht verstand, was aber nicht die geringste Rolle spielte, weil meine Freunde alsbald auch in Münchner Zeitungen lesen konnten, ich sei der jüngste Intendant Deutschlands, und was bitte schön sollte da noch der Rest der Welt kosten? »Die ärmste Sau Deutschlands«, nannte mich hingegen mein Vorgänger, während er mir zur Begrüßung mit seinen Bärenpranken meine Hand quetschte, wir trafen uns quasi konspirativ, weil er von seinem Dienstherren hinausgeworfen worden war und einige Prozesse am 117


Lettera alla Federica Sofia Guglielmina aber liegen die Eltern bei der Diskussion ihrer Notlage im Bett), außerdem habe man den »oralen Charakter« des Märchens zum Gestaltungsprinzip erhoben (Lebkuchen knabbern, Hexe will Hänsel fressen, usf.), Argumente, die diejenigen, die ihre Kinder unter erbosten Ausrufen wie »Schweinerei« aus der Einstandspremiere zerrten, nur noch mehr in Rage brachte (Zwischenruf: »intellektueller Dünnschiss«), ein Kunststreit also, der sich auch in einer Zeitung widerspiegelte, wo die Kritikerin im Kulturteil des überregionalen Mantels ein »mutig«, und »da können wir uns auf spannende Jahre freuen«, notierte, während im Erlanger Lokalteil die Schlagzeile »Skandal im Markgrafentheater« geführt wurde, wo von »tumultartigen Szenen« die Rede war, garniert von einem persönlichen Kommentar des örtlichen Lokalredakteurs, der mein Wirken übrigens all die Jahre auf diese empathische Art begleiten sollte, worin er orakelte, dass der »Spuk Hänsel« bald sein Ende finden dürfte. Ganz gegen diese Weissagung fand glücklicherweise der Widerstreit um zeitgemäße Kunst noch länger kein Ende, ich beantwortete jede Zuschauerzuschrift, lud z. B. ein Ehepaar, das »meine Kunstscheiße nicht fressen wollte, auch wenn Millionen Fliegen das täten«, mit zwei Freikarten zur nächsten Inszenierung ein, gerne erinnere ich mich auch der sonntäglichen Theatergespräche im Blauen Foyer, die wir nach jeder Premiere veranstalteten, und die immer gut besucht waren, wo sich der Frontverlauf zwischen Podium und Besuchern im Laufe der Jahre von dort weg mitten unter die Teilnehmer verlagerte, und unvergesslich auch der weißhaarige Lehrer, der an buchstäblich jedem dieser Sonntage vor der Zeit erschien, um sich seinen Platz in der Mitte der Reihe eins zu sichern, und der sich mit tödlicher Sicherheit am Ende der Veranstaltung mit der unausrottbaren Frage der Werktreue zu Wort meldete, um die Antwort der gequält lächelnden Dramaturgen, warum man einen Schiller nicht spielen könne, wie Schiller ihn geschrieben habe, als Vorlage für den nächsten Einwand zu nutzen. Allesamt Erinnerungen, die mir die Gelegenheit geben, an dieser Stelle Abbitte zu leisten bei meinem Vor- und Nachnamensvetter, von dessen Existenz ich erst Jahre nach meiner Erlanger Zeit durch eine Bekannte erfuhr, die mich aus den Augen verloren und dann in ihm gefunden zu haben glaubte, ein unschuldiges Opfer, das einzig die Fehler begangen hatte, auch in Erlangen zu wohnen und seine Nummer im Telefonbuch zu führen, und der deshalb an meiner statt zahlreiche, vor allem sonntägliche Gespräche entgegennehmen musste, und sich mit Sicherheit den Vorwurf einhandelte, erst Mist zu bauen und dann auch noch feige zu sein, wenn er geduldig erklären wollte, dass er nicht ich sei.

danz skizziert worden war, dass nämlich der Herr Künstlerische Leiter neben seinem Programm im »Theater in der Garage« auch das künstlerische Niveau des Spielplans im Markgrafentheater mittels seines Sachverstandes anheben solle, ein Auftrag, für den mir der damalige Herr Oberbürgermeister auch gleich verschmitzt einen Plan servierte, wie das formal zu bewerkstelligen sei: Der Theaterverein habe ja einen Theaterausschuss, der Kulturreferent darin Sitz und Stimme, um den städtischen Einfluss sicherzustellen, ein Privileg, dass dieser aber noch niemals in Anspruch genommen habe, und eben diesen verwaisten Stuhl könne ja nun der Herr Künstlerische Leiter in ständiger Vertretung des Herrn Referenten einnehmen und seine Stimme zugunsten der künstlerischen Qualität in die Waagschale werfen, das Ganze aber bitte schön in äußerst sensibler Vorgehensweise. Ich kann Ihnen versichern, verehrte Frau Kollegin, dass das überaus lebhafte und schwungvolle Jahre waren, überhaupt entbrannte eine großartige Liebe zum Theater, alle wollten mitreden, ich erhielt viele dezente Hinweise, welche verdienten lokalen Künstlerpersönlichkeiten man doch nun mal endlich einbinden solle, und im Kulturausschusses wollte eine Stadträtin wissen, warum das Schweinchen im Kinderstück nicht wie ein Schweinchen ausgesehen habe, man wolle doch nicht die Lehrer, pardon, die Kinder verschrecken … Beschwerlich war der Weg in diesen Anfangsjahren natürlich, und vorwärts konnten wir nur kommen, wenn das neue Theaterangebot von hoher Qualität sein würde und wenn wir zugleich den ernsthaften Diskurs mit dem Publikum suchten. Als Eröffnungsproduktion inszenierte ein Regieduo das Kinderstück zu Weihnachten, im ausverkauften Haus herrschte neugierige Erwartung, Witz habe er ja, Selbstironie zumindest, wenn er sich zum Einstand »Hänsel und Gretel« auf die Bühne zaubern ließ, und welche bodenlose Enttäuschung dann, als der Wald aus einem gigantischen Holzkasten bestand, in dem sich die Figuren tummelten, und auf dessen Wänden ein als Begleiter des verängstigten Geschwisterpaares frei erfundener Specht mit seinen Schlagstockhölzern herumtrommelte, und warum, bei aller Liebe zur Kunst, kurvte die Hexe in einem imposanten Streitwagen durch diesen nicht vorhandenen Wald und sang schrille Koloraturen? Das Fass zum Überlaufen allerdings brachte die »Regiefaxe«, die Mutter an Vaters bloßer Brust knabbern zu lassen, während sie vorschlug, die Kinder im Wald auszusetzen, eine Idee, die das Regieduo später im Theatergespräch mittels Exegese zu verteidigen suchte (Gebrüder Grimm: »Da sagte die Mutter zärtlich zum Vater …«, na ja »zärtlich« stand nicht im Buch, immerhin 118


Lettera alla Federica Sofia Guglielmina Leider hat diese kurze Begebenheit, leider haben Ihre Worte nur ihre Gültigkeit in meinem Herzen bewahrt, denn ihre eigene Partei sollte zwei Jahre später das Theater wegen der herrschenden Haushaltsnöte zur Disposition stellen, und wir mussten abermals die Kampfmontur über unser Künstlerzivil streifen. Es war maßgeblich der Generalintendant August Everding, er hatte die Bayerischen Theatertage in unserem Hause in sehr guter Erinnerung, der uns zur Seite sprang, der mit seiner glänzenden Rhetorik öffentlich auftrat, der unserem Widerstand eine strategische Ordnung verlieh. Mein lieber Herr Kollege, sagte er zu mir, Sie müssen die Sachen vor Ort erledigen, ich kümmere mich um das Überregionale, Ihr Preis wird sein, dass man sie hinterher in die Wüste schicken wird, aber machen sie sich darüber keine Sorgen, ich werde mich um sie kümmern. Dann initiierte er einen Brief der bayerischen Staatregierung, in dem der Kultusminister seinen Parteikollegen im Erlanger Stadtrat erklärte – es war gerade die Zeit des Theatersterbens im Osten Deutschlands –, dass der Herr Ministerpräsident nicht wünsche, dass in seinem schönen Bayernland auch nur ein Theater eines öffentlichen Trägers dichtgemacht werden würde, und wie es der Zufall wollte, ging zugleich eine Kopie dieses Briefes aus Versehen vor einer regionalen Zeitungsredaktion verloren, was zu der strategisch bedeutsamen Schlagzeile führte: »Provinzposse: Bayerischer Ministerpräsident watscht Erlanger CSU-Fraktion ab«. Sie wissen, liebe Frau Kollegin, dass unser Plan aufging, alle Aufregung wurde bald gar nicht mehr verstanden, man habe doch nur einmal nachrechnen wollen, was der ganze Spaß von Theater so koste jährlich. Sie wissen auch, dass heute noch immer ein eigenes Ensemble auf Ihrer Bühne steht, und sicherlich freut es sie, dass nach knapp dreihundert Jahren wieder eine kluge und begabte Frau das markgräfliche Opern- und Comödienhaus leitet. Der Plan Everdings war also aufgegangen. Also der größere Teil des Planes. Das Engagement für den Fortbestand eines lebendigen Hauses war seine letzte Großtat gewesen. Kurze Zeit später verstarb er an Krebs, worüber er mit niemandem öffentlich gesprochen hatte. Da hatte er natürlich noch bedeutsamere Herausforderungen zu meistern und konnte den zweiten, kleineren Teil unserer Abmachungen weiß Gott nicht mehr erledigen. Es sollte fünfzehn Jahre dauern, bis ich wieder einmal durch die Straßen »meiner« Stadt streifte. Es regnete. Nicht uneitel, suchte ich nach Spuren aus »meiner« Zeit. Ich wurde fündig. Die Wegweiser zum Theater an allen Ausfallstraßen, die ich nur angelegentlich der Ausrichtung der Bayerischen Theatertage durchsetzen konnte, und, man staune, ein Theaterplakat aus meiner Inten-

Liebe Frau Kollegin, dunkel tiefblau ist die Nacht mittlerweile geworden, überschüttet mit Sternen der Himmel, das Schrillen der Zikaden war verstummt, ohne dass ich es bemerkte, dichte Stille füllt den Raum zum Himmel, unendlich müde bin ich nun geworden, würde gerne noch weiterschreiben, von den Stücken erzählen, von den Gastbühnen aus den Metropolen, Ensembles, von Tanzkompagnien und Schauspieltruppen, von großen Künstlern, die uns den Weg bereitet haben, die uns beistanden, unser verehrtes Publikum neugierig zu machen, auf neue Art zu sehen und zu hören, ich wollte von unserem Ensemble erzählen, Bühnenpersönlichkeiten, die in der Stadt lebten und für ihr Können schließlich eben doch geschätzt und verehrt wurden, allesamt Menschen, deren Schaffen nur noch in der Erinnerung derjenigen lebendig ist, die sie erleben durften, mit denen zu arbeiten ich das große Glück hatte, zu gerne würde ich mit Ihnen, Frau Kollegin, darüber diskutieren, wie es gelingen konnte, ein Theater dieser Stadt zu schaffen, an dem es vieles zu kritisieren gab, dem man aber eines nicht nachsagen konnte, provinzielle Kunst betrieben zu haben. Wie ein Ritt im gestreckten Galopp mit ständig angelegtem Zügel kommt mir die Erinnerung an diese Jahre vor, und verhehlen will ich Ihnen gegenüber auch nicht, dass beim Vorbeiziehen dieser Bilder auch die erscheinen, die schmutzige Geschäfte, Vertrauensbruch, Diebstahl und üble Nachrede bezeugen, aber auch die ziehen weiter und mit ihnen der Schmerz und inbegriffen das Sinnieren über eigene Fehler, weicht dem Nachdenken noch Jahre später einem Gefühl der Demut, das, ich weiß wovon ich spreche, Königliche Hoheit, wahrhaft erlösend wirken kann. An die leeren Stellen in der Seele nisten sich dann Erinnerungen ein wie diese: Ich gehe die Apfelstraße entlang zum Marktplatz. Es war kurz nach den Bayerischen Theatertagen, ich fühlte mich leicht im Herzen, ich hatte beim Morgenkaffee eine Nürnberger Zeitung aufgeschlagen und gelesen, dass ich mich ob dieses Erfolges nunmehr sorglos zurücklehnen könne. Ich hatte fast den Marktplatz erreicht, als mir eine Stadträtin entgegenkam, die ich sehr zu schätzen gelernt hatte, übrigens genau jene, die meine Befähigung zum Intendanten als Walddorfschüler kritisch hinterfragt, zufälligerweise auch jene, die sich nach dem unschweinlichen Schweinchen im Kinderstück erkundigt hatte. Sie blieb stehen, wie in Gedanken versunken, sagte dann ansatzlos zu mir, ich wisse ja gar nicht, was ich geleistet hätte, nein, wusste ich in dem Moment nicht, Sie haben, das waren genau ihre Worte, dieser Stadt das Theater für immer geschenkt.

119


Lettera alla Federica Sofia Guglielmina danz neben vielen anderen vergilbten Plakaten, die auf die Schaufensterscheiben eines schon damals leerstehenden Ladens in der Schiffstraße gekleistert waren. Die Produktion, auf die dieses Plakat hinwies, hieß übrigens »Der, der die Ohrfeigen bekommt«. Ich gestehe, dass ich ein weiteres Mal in der Stadt gewesen bin. Diesmal schien die Sonne. Ich grüßte den Wirt in der Glockenstraße, der mir nach zwanzig Jahren Abwesenheit freudig antwortete, »Ma come mai professore, non ci ha onorato per un po’ di tempo, non lavora più in città?” Ich ließ mich vor der »Kulisse« nieder, in meinem Kopf hallte die Wutrede des armen, von mir so getauften Oskar Tourette wider, die er all die Jahre mit schäumendem Mund gegen die Wände des Durchgangs zwischen Theater und Redoute geschleudert hatte. Ich dehnte meinen Rücken, blickte durch die leicht abfallende Schlucht der Glockenstraße, deren barocke Häuserfassaden fast mediterran anmuten, wollte wissen, ob man immer noch das Gefühl haben konnte, dahinter, an der Horizontlinie, läge das Meer, und tatsächlich, ich konnte es sogar riechen.

Da kam mir die Vorstellung, die geplagte Regnitz erhöbe sich eines Tages, verbündete sich mit ihrer armen Schwester Pegnitz, die Geschwister verbänden sich mit Nordund Ostsee und machten Erlangen zu einer Küstenstadt. Dann würde eines späten Abends, die Angler hätten die Mauer am Bahndamm längst verlassen, ein Schiff kommen, mit fünfzig Kanonen, goldenen natürlich, und Ihnen, Königliche Hoheit gefiele es, samt Hofstaat an Land zu gehen. Sie zögen ganz inkognito zu Ihrem Theater, nähmen in Ihrer Loge Platz, um der Uraufführung Ihres jüngsten Werkes beizuwohnen, das untertänigst zu inszenieren Sie mir die Ehre gegeben hätten, natürlich, ganz im Stile der heutigen Zeit, um einen trefflichen Streit über Werktreue zu garantieren, und was, ma chère Madame, würde dann noch der Rest der Welt kosten? Andreas Hänsel war von 1989 bis 1998 Intendant des Theaters Erlangen.

120


Süddeutsche Zeitung, 26.02.1997

Theater vor dem Aus?


oben und unten links: Erlanger Nachrichten, 22./23.03.1997 unten rechts: Ausschreibung Theaterleiter*in

Intendanzwechsel 1997/1998

122


oben: NĂźrnberger Nachrichten, 18.06.1997 unten: Erlanger Nachrichten, 11.07.1997


Coffee and Cigarettes

klar war, dass die, die in der Garage versammelt waren, Bescheid wussten, war es schwer, aber auch nötig, die Tatsache seines Todes in dieser Versammlung auszusprechen. Weil er der Chef gewesen war. Und für einige auch mehr. Was dann folgte, war eine Zeit, so aufreibend, traurig und doch voller Energie und Engagement aller Mitarbeiter des Hauses. Wir versuchten, Hartmuts Position und Funktion auszufüllen, wir mussten aber auch Pläne zu Projekten absagen, die er mit einigen Künstlern lose verabredet hatte. Ein Moment, wo privates Unglück mit weltpolitischem Unglück zusammenschoss: Simone saß am Dienstag vor dem Computer, ich stand neben ihr und wollte gerade etwas sagen – da zeigt sie auf den Bildschirm. Ich sah den ersten brennenden Turm, sah das Flugzeug – und wischte es beiseite. Wir hatten zu viel zu tun, vieles zu entscheiden, wir mussten uns ordnen. Erst zwei Tage später zu Hause hatte ich einen Moment Ruhe und begriff, was passiert war. Dann die Beerdigung in Reutlingen. Winni Victor machte tatsächlich den Danton fertig. Im Programmheft stand Hartmut als Dramaturg. Ein paar Wochen später organisierten wir im Markgrafentheater eine schöne und – wie sagt man? – dem Anlass angemessene Trauerfeier. Marc Becker, André Studt und ich saßen zusammen, um den Beitrag des Erlanger Theaters für die 1000-Jahr-Feier zu besprechen. Ich hatte mit Hartmut viel über seine Idee gesprochen, »L’Age d’Or«, das legendäre Stück des Théâtre du Soleil, zu machen. Ich hatte vergeblich versucht, den Text aufzutreiben, auch direkt bei Ariane Mnouchkine. Doch das Stück war auf der Basis von Improvisationen der Schauspieler entstanden – also war es gar nicht nötig gewesen, den Text niederzuschreiben. Wir haben Hartmuts Idee verworfen. Stattdessen entstand »Das Geheimnis der schwebenden Lasten oder Das Geburtstagsgeschenk« – ein typischer Marc-BeckerAbend, der vielen, aber nicht allen Erlangern gefiel. Diese Spielzeit 2001/2002 war ein bemerkenswert intensives Jahr voller Begeisterung, unmäßig viel Arbeit, aber angefüllt mit schönsten Theatermomenten und einem wirklich aufopferungsvollen Zusammenhalt aller Mitarbeiter in der Wasserturmstraße. Ich hatte zwar den Titel Kommissarischer Intendant (oder so ähnlich) – faktisch haben wir alles auf Augenhöhe zusammen entschieden und geschafft. Die Krönung: die Bayerischen Theatertage am Ende der Spielzeit, von Thomas Parr organisiert, die mit den »EreignisReichen« endeten: an 24 Orten in 24 Stunden 24 Theaterstücke in ganz Erlangen, überall, nur nicht im Theater. Und danach war ich weg.

Die Intendanz von Hartmut Henne ab 1999

Ein Jahr nach Hartmut Henne Mich an die Zeit am ensemble theater erlangen (wie es damals hieß) von Herbst 1999 bis zum Sommer 2002 zu erinnern, heißt zunächst einmal, mich an Hartmut Henne zu erinnern. Ich war unter seiner Intendanz zwei Jahre lang Dramaturg, bevor er 2001 starb, drei Tage vor dem 11. September, dem Tag des Terroranschlags in New York. Vor der Sommerpause 2001 hatten die Proben zu Büchners »Dantons Tod« begonnen, Winni Victor, Hennes Frau, war die Regisseurin. Beide hatten offenbar einen schönen Sommer zusammen in Erlangen verbracht, man hatte sie zusammen auf dem Poetenfest gesehen und nun, nach Beginn der neuen Spielzeit, sollte es in die Endprobenphase gehen. Doch zwei Tage davor lag Hartmut tot im Bett. Am nächsten Tag trafen wir uns: meine Kollegen Bodo Birk, Iwona Jera, Simone Voggenreiter, Nora Planert und der damalige Kulturreferent Dieter Rossmeissl. Wir waren geschockt, konnten uns nicht vorstellen, wie es weitergehen sollte, wussten aber, dass wir uns dem stellen mussten. Und so kam es auch, dass Dieter Rossmeissl mich fragte, ob ich interimistisch die Leitung des Hauses übernehmen würde. Einer der Momente im Leben, in denen schlagartig klar wird, was Absurdität bedeuten kann. Ich musste am nächsten Morgen um 10 Uhr, anstelle von Hartmut, die Spielzeit eröffnen. Obwohl es 124

Hartmut Henne, 1998

Johannes Blum


Coffee and Cigarettes

»Dantons Tod« von Georg Büchner, Regie: Winni Victor, Spielzeit 2001/2002

Der Intendant Hartmut Henne

er es aber doch geschafft, eine Gastdramaturgin wegen einer Bemerkung, die ihm an die Ehre ging, aus seinem Büro zu werfen. Er hatte tagaus, tagein, dieselbe Lederjacke an, Typ Bikerjacke, das Signet der linken Theaterschaffenden der 1970er Jahre, sofern sie keine Peymanns geworden waren (die trugen Ermenegildo Zegna, wie wir von Thomas Bernhard wissen). Er rauchte am Tag geschätzte zwei Päckchen filterlose Zigaretten, trank große Mengen Kaffee schwarz mit Zucker und aß am liebsten süße Teilchen. Ich kann mich nicht erinnern, ob er mal ein Bier trank. In Mitarbeitersitzungen geschah es immer wieder, dass sein Redefluss plötzlich aussetzte, seine Gedanken in seinem Innern offenbar weiterliefen und er erst nach ein paar langen Sekunden sich wieder zu uns »durchstellte«. Er verstand sich gut mit Habib Bektas, dem Pächter des Theatercafés, und hatte die Idee, dass wir dessen Text

Was kann ich über Hartmut sagen? Er war knarzig, hatte aber viel Humor, seinen Leuten und (Theater)freunden war er ein sehr treuer Mensch. Er hatte großartige Ideen, aber auch manch unsinnige. Eines seiner Verdienste war es, Marc Becker aus der freien Szene als Regisseur und Autor für uns zu gewinnen. Er vertraute ihm große Stücke im Markgrafentheater an: unvergesslich Werner Schwabs »Volksvernichtung oder Meine Leber ist sinnlos«. Unvergesslich auch, wie der Großkritiker Helmut Schödel, der auf Einladung Karl Manfred Fischers, ehemaliger Kulturreferent der Stadt, die Vorstellung anschaute, mich dafür im Theatercafé nach Strich und Faden auseinandernahm. Marc war gerade nicht in der Stadt. Nur selten habe ich Hartmut wütend erlebt: Da stockten die Worte in seinem Mund und der Wutanfall erstarb vor der Zeit. Einmal hat 125


oben: »Das Geheimnis der schwebenden Lasten« Text und Regie: Marc Becker, André Studt, Spielzeit 2001/2002 unten: »Volksvernichtung» von Werner Schwab, Regie: Marc Becker, Spielzeit 2000/2001

Coffee and Cigarettes

126


Coffee and Cigarettes dingt einen Text von René Pollesch machen und hatten ihn drei Regisseuren angeboten, aber keiner konnte etwas damit anfangen. Eines Tages – wir redeten gerade wieder einmal darüber – sagte Hartmut: »Dann mach du es!« Ich fand noch nie gut, wenn man auf fremdem Gebiet wildert, aber das erschien mir doch sehr verlockend. Ein Anruf beim Rowohlt Verlag ergab jedoch, dass nur eine Woche zuvor Pollesch alle seine Stücke zurückgezogen hatte. Fortan durfte nur noch er selbst seine Texte inszenieren. Und so kam es, dass ich die Karriere eines Regisseurs von Hartmut auf dem Silbertablett präsentiert bekam, und nur der Pollesch dann das Spiel verdorben hat. Danke, Hartmut – trotzdem.

»Etwas« auf die Bühne brachten. Er hat mir dadurch zu einem Interview mit Habib fürs Programmheft verholfen, den ich danach ins Herz geschlossen hatte. Meine Zeit in Erlangen begann mit einer Reise noch vor meiner ersten Spielzeit, kurz vor dem Sommer. Wir – Hartmut, die Schauspieler und ich als zukünftiger Dramaturg – fuhren in die Niederlande zu Koos Terpstra, der mit seinem eigenen Stück »Meine Elektra« bei uns die Eröffnung der Spielzeit machen sollte. Es war eine sehr schöne Idee von Hartmut: Wir lernten den Autor und Regisseur in seinem Land kennen, an seinem Ort und in der Sprache, in der er lebte und arbeitete. Wir lasen an den Inszenierungen ab, wie er mit seinen Leuten arbeitete, und so war er schon vor Probenbeginn mehr als ein »Gast«. Die Unternehmung war ein Luxus, den sich auch damals kaum noch jemand leistete. Für mich war es natürlich die beste Gelegenheit, das Ensemble kennenzulernen. Dann war Hartmut auch so mutig (oder verrückt), mir eine Regie anzubieten. Wir wollten unbe-

Johannes Blum war von 1999 bis 2003 Dramaturg und von 2001 bis 2002

»Meine Elektra«, Text und Regie: Koos Terpstra, 1999/2000

Interimsintendant am Theater Erlangen.

127


Marc Becker und André Studt

Herr Studt und Herr Becker verabreden sich um Punkt sechs im Erlanger Theatercafé, um gemeinsam über ein Geburtstagsgeschenk zur 300-Jahrfeier vom Markgrafentheater nachzudenken

Schönes Wetter. Wirklich schön. Es ist 17.56 Uhr. Herr Becker sitzt im Theatercafé, vor ihm ein Glas Bier. Herr Becker wartet auf Herrn Studt. BECKER

(vor sich hinbrummelnd) Ja, wo bleibt er denn, der Studt. Hätt ich mich ja doch noch etwas länger mit dem Winni Wittkopp unterhalten können, als er mich vorhin beim Hugenottenplatz fast mit seinem Fahrrad umgebrettert hat. (Er nippt an seinem Glas.) Andererseits ist es noch nicht 18 Uhr und wir sind um 18 Uhr verabredet. Hoffentlich hat er ein paar gute Ideen in petto, was wir dem Markgrafentheater, diesem alten Sack, schenken können. Und mal sehen, was er von meiner Idee hält, dem Theater ein Gedicht zu schreiben. Irgendwas so in der Richtung: Brav, brav Herr Markgraf, Mönche tragen Kutten, im Barocktheater gibt es Putten, mach mal schnelli, im Theater drehte man einst einen Film über den Kastraten und Countertenor Farinelli … Oh, Mann, nee, nee, wird Zeit, dass der Studt kommt, Gedicht vielleicht ja, aber so nicht …

STUDT BECKER STUDT

BECKER

STUDT

BECKER STUDT BECKER

128

Moin. Moin. Ich hätt gern auch n Bier. Sorry für die Verspätung. Der Winni Wittkopp hat mich fast mit seinem Fahrrad und ja … Kommt vor. (Pause) Und was meinste? Was schenken wir dem Markgrafentheater zum Geburtstag. Wie wäre es mit einem Gedicht, ich dachte da an sowas wie: Brav, brav Herr Markgraf, Mönche tragen Kutten, im Barocktheater gibt es Putten, mach mal schnelli, im Theater drehte man einst einen Film über den Kastraten und Countertenor Farinelli … Gute Idee. Findest du? Eigentlich gefällt mir das nicht so. Nee, mir eigentlich auch nicht.

Marc Becker und André Studt leiten die Probe, Spielzeit 2001/2002

Er nippt abermals beherzt an seinem Bier, sieht sich im Café um und denkt kurz zurück an die vielen Stunden, die er in den neunziger Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts hier verbracht hat. Kurz bevor er melancholisch werden kann, öffnet sich die Tür und Herr Studt marschiert herein. Es ist jetzt genau 18.01 Uhr.


Herr Studt und Herr Becker … STUDT

Herrn Studt wird ein Bier gebracht. Die beiden prosten sich zu, trinken dann. Ein paar Wolken verdüstern kurzfristig die strahlende Stimmung. Längeres Schweigen. STUDT BECKER STUDT

BECKER STUDT BECKER STUDT

BECKER STUDT BECKER STUDT

Was schenkt man denn normalerweise so zum Geburtstag, Becker? Hm. Naja. Socken, Unterwäsche, ein Buch, Flasche Wein, Parfum, Pralinen, Schokolade … Schokolade finde ich eine gute Idee. Lass uns dem Theater eine Tafel Schokolade schenken. Meinste, Studt? Klar. Warum nicht? Schokolade macht jedenfalls mehr Sinn als Socken. So sieht das aus!

BECKER

Demut und Respekt und Schokolade. (Pause) Ist schon ein sehr, sehr schönes Theater. Total voll schön. Und immer wieder irgendwie verrückt. Was? Dass man von außen nicht darauf kommen würde, was hier für ein tolles Theater steht. Für mich auch immer wieder überraschend.

Pause. Beide denken andächtig ans Markgrafentheater. STUDT BECKER STUDT BECKER

Studt und Becker greifen – ohne sich zuvor abgesprochen zu haben – gleichzeitig zum Glas. Die Sonne scheint wieder ungetrübt.

STUDT

Ja, ja. Ja, ja. (Pause) Schokolade ist echt ne Toppidee, Studt. Sag ich doch, Becker! Und wenn das Theater die Schokolade nicht will, dann essen wir die halt selbst! Jau!

Sie prosten sich zu und lassen die Zeit vergehen. BECKER/STUDT

Huhu Angela!

Beide winken dem Foto von Angela Winkler zu, das eingerahmt an der Wand hängt. BECKER

STUDT BECKER STUDT

BECKER STUDT BECKER

Marc Becker war von 1998 bis 2003 als Dramatiker und Regisseur am Theater Erlangen.

Wir könnten aber natürlich auch was schreiben über die Inszenierungen, die du und ich hier gemeinsam und … Katarakt, U.S. Amok, Don Gil, Mein Kampf, Volksvernichtung … Bier und Sex und Bier, My name is Peggy, Macbeth, Romeo und Julia … Das Geheimnis der schwebenden Lasten, unser Jubiläumsbeitrag zum Stadtgeburtstag … Für den uns einige geliebt, viele gehasst haben … Naja. Naja.

André Studt arbeitete von 2000 bis 2003 als Dramaturg und Regisseur am Theater Erlangen, seit 2003 begleitet er als Dozent am Institut für Theater- und Medienwissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg das Theater Erlangen.

Die beiden prosten sich zu, trinken einen großen Schluck. In diesem Moment klopft es am Fenster. Bodo Birk schaut hinein. Er hat aber keine Zeit zum Sprechen und muss gleich weiter. STUDT BECKER STUDT BECKER

Keine Rechtfertigungen … Keine Selbstfeierei … Nur Demut … Demut und Respekt. 129


Intensiv und aufwühlend

Maria Ammann, Gastschauspielerin

und eben den Macbeth. Für mich wohl am wichtigsten der Müller in »Messer in Hennen« mit dem legendären Ausspruch der Regiefrau Inga Helfrich in ihrer Kritik: »Spiele es doch mal wie ein besserer Schauspieler.« Eine der schrägsten Kritiken, die ich je bekommen habe und die trotzdem später hilfreich war. Die Garage haben wir gerockt mit sehr vielen ausverkauften Vorstellungen und dem Höhepunkt »macbeth«, inszeniert von Marc Becker, dann schon unter der Interimsleitung von Johannes Blum. Das war meine absolute Lieblingsarbeit in den siebeneinhalb Jahren, die ich am Theater Erlangen engagiert war. Da stimmte alles: Regie, Stück, Ensemble, eigene Rolle – und dann noch gekrönt von so einem Erfolg und vielen Preisen. Marc Becker bekam tatsächlich den Auftrag, das Stück komplett in Holland nachzuinszenieren; dieser holländische »Macbeth« wurde später sogar am Broadway gespielt. Rückblickend ist schon sehr schwer, über die Zeit zu schreiben, um ein paar gelungene Zeilen dafür zu destillieren. Am 8. September 2001 wurde Hartmut tot in seinem Bett aufgefunden und am 11. September sind die Flugzeuge in New York in die Türme geflogen. Wir probten »Dantons Tod«. Hartmut war am Abend zuvor noch auf einer Probe gewesen. Seine Frau Winni Victor inszenierte und ich spielte Danton. Unfassbar das alles. Wir haben es tatsächlich vollbracht, eine Premiere von »Dantons Tod« herauszubringen. Das wäre sicher auch Hartmuts Wunsch gewesen.

von 1998 bis 2003

Stefan Drücke, Schauspieler, Ensemblemitglied

Weggefährt*innen erinnern sich an die Zeit mit dem Intendanten Hartmut Henne

Hartmut Henne, ein Mann mit Haltung. Hinter seiner Intellektualität verbarg sich Leidenschaft und viel menschliche Wärme. Wie schön, ihn gekannt zu haben! Es war mir immer wieder eine Freude, in dem wunderbaren Theater in Erlangen zu spielen. Herzlichen Glückwunsch, altes Haus!

Ich bin damals mit meiner Frau und meinem einjährigen Sohn von Hamburg nach Erlangen gezogen. Auf zu neuen Ufern. Ich kannte Erlangen überhaupt nicht und lebe seitdem in der Stadt. Mein Sohn ist mittlerweile 21 Jahre. Mir wurde nach dem Vorsprechen das unfassbare Markgrafentheater gezeigt. Das hat mich restlos überzeugt. Es war ein kompletter Neuanfang. Wir waren ein kleines Ensemble von sieben bis acht Kollegen, fast alle um die dreißig, und haben versucht, die meisten Inszenierungen auch mit diesem Kern zu besetzen. Hartmut Henne hat seine ersten Theaterschritte an der Berliner Schaubühne gemacht. Da lag viel Selbstbestimmung in der Luft und eine sehr offene Atmosphäre. In der Theaterstraße wurden Spielpläne in der »Kulisse« und im »Theatercafé« bei Habib Bektas diskutiert. Hartmut hat das Drei-Säulen-Modell sehr bejaht: Eigenproduktionen, Gastspiele und die großen Festivals. Er hat das als besondere Chance für uns begriffen. Ich hatte ein riesiges Spektrum von Aufgaben vom Glasmännlein über Tasso, Schlomo Herzl, Danton, Tesmann

Mit seiner »1. Theaterermutigung« 1998 ging Hartmut Henne überaus ambitioniert in seine erste Spielzeit. Er beobachtete auch die Freie Szene sehr interessiert und bemerkte, dass das ARENA-Festival das ehemalige Kino »Glocken-Lichtspiele« als sehr spannende Spielstätte entdeckt hatte. In der darauffolgenden Spielzeit gelang es ihm, den damaligen Kämmerer der Stadt Erlangen zu überzeugen, das Gebäude Glockenstraße 3 samt Kinosaal zu erwerben. Damit hatte er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: eine Probebühne in der Nähe des Theaters und Gäste-Wohnungen für Regieteams und Schauspieler. In der Spielzeit 2000/2001 wurde »Gier« von Sarah Kane erfolgreich im Foyer der Glocken-Lichtspiele zur Aufführung gebracht. Hartmut Henne schickte diese Produktion zusammen mit »Volksvernichtung« von Werner Schwab und »nix los nirgends« von Wolfgang Mennel zu den 19. Bayerischen Theatertagen 2001 in Ingolstadt. Der Auftritt des Theater Erlangen wurde gekrönt mit einem eigens für Erlangen kreierten Sonderpreis für »die 130

»Messer in Hennen« von David Harrower, Regie: Inga Helfrich, Spielzeit 1999/2000

von 1998 bis 2005


Intensiv und aufwühlend en, vier Männern und einer enormen Antriebskraft – und einem Intendanten, Hartmut Henne, der mit viel Leidenschaft und Energie Grenzen überschritt, manchmal auch seine eigenen, mit vielen, vielen Produktionen. Und für mich mit super Herausforderungen: Klytämnestra in einer eigenen »Elektra«-Version von Koos Terpstra, Katharina in Shakespeares »Der Widerspenstigen Zähmung«, Frau Grollfeuer in Schwabs »Volksvernichtung«, das Solo »My Name is Peggy« von Marc Becker – und viele mehr. Regisseure wie Marc Becker, damals ganz frisch von der Uni, Koos Terpstra – ja, es gab viele Highlights. Eine intensive und aufwühlende Zeit, die mit Hartmuts Tod und 9/11 eine heftige Zäsur erfahren musste. Ich weiß noch, wie wir dachten, dass die Welt untergehen würde. Schönerweise ist das nicht passiert. Lea Schmocker, Schauspielerin, Ensemblemitglied

oben: »Don Gil von den grünen Hosen« von Tirso de Molina, Regie: Marc Becker, Spielzeit 1999/2000 unten: »Familiengeschichten. Belgrad« von Biljana Srbljanovic, Regie: Maya Fanke, Spielzeit 1999/2000

von 1998 bis 2004

Wenn man im Markgrafentheater Erlangen auf der Bühne steht und nach oben schaut, sieht man unter anderem zwei wunderbare Engelsärsche. Wenn dann noch vor der Vorstellung der Spruch des Tages vom ehemaligen Theatermeister Herbert Halbgebauer durchs Mikro rauschte und man darüber grübelnd, sinnierend, erheitert kurz vor der Vorstellung über die Bühne wandelte – über einem diese Engelsärsche –, dann war das Glück. Unter diesen Ärschen habe ich in Erlangen so einiges verhandelt. Besonders ist mir in Erinnerung geblieben, mich als Frau Wurm in Marc Beckers Inszenierung von Schwabs »Volksvernichtung« im Endlosloop in den Tod hineingejodelt zu haben. Überhaupt die Marc-Becker-Inszenierungen, stets begleitet von André Studt, ein Duo, immer ein Abenteuer. Hartmut Henne hat all dem ein Gefäß gegeben, und obwohl ich nur kurz in Erlangen am Theater verweilte (Inken Böhack, Oberspielleiterin von 1998 bis 1999, hatte mich mit nach Erlangen genommen), ist mir vieles geblieben. Vor allem die Menschen, KollegInnen, RegisseurInnen, DramaturgInnen, AssistentInnen, BühnenbildnerInnen und KostümbildnerInnen, zu denen ich bis heute noch Kontakt habe. Das ist Glück und begann in der Ära Hartmut Henne, und dafür danke ich meinem ehemaligen Intendanten sehr. Erlangen, seinem lieben Publikum, dem Kulturamt, der Kulisse und dem Theatercafé bleibe ich im Herzen verbunden. Das Theater Erlangen beglückwünsche ich zum Jubiläum und wünsche ihm weiterhin alles Gute.

beste Gesamtpräsentation eines Theaters«. Die Jury honorierte einstimmig vor allem den Mut, mit zwei provokanten, herausfordernden Stücken aufzutreten: Werner Schwabs »Volksvernichtung« und Sarah Kanes »Gier«, beides Beiträge, die für Belebung und Diskussion gesorgt haben. Gelobt wurde »nix los nirgends« als »höchst kunstvolle und erfrischende Produktion fernab von den verbrauchten Klischees der pflichtgemäßen Spielplanposition Kinderstück«. Leider konnte Hartmut Henne seinen Erfolg nur kurze Zeit genießen … Nora Planert, Mitarbeiterin im Künstlerischen Betriebsbüro von 1998 bis 2012

Dann zieh ich halt nach Bayern! Gerade in Hamburg und Süditalien wohnend, der Ruf ans Theater Erlangen – wie bitte, Erlangen? Wo liegt das denn bitte? Und dann: ein Neuanfang mit sehr geglücktem Ensemble mit vier Frau-

Barbara Seifert, Ensemblemitglied von 1998 bis 2000, als Gast 2000 bis 2002 und 2008

131


Wenn ich an diese Zeit in Erlangen denke, bin ich immer wieder zutiefst dankbar für die Fülle an Wundervollem dort, Begegnungen mit Menschen, meine Entwicklung. Und damit ganz besonders dankbar Hartmut und Winni, die mich aus Berlin »mitgenommen haben«. Und während ich das gerade schreibe, spüre ich neben dem Schönen auch vergrabene Gefühle wie Trauer und Wut. Ach Hartmut, wie begeistert und beseelt Du warst, voller Liebe für das Theater, seine Schaffenden, sein Publikum und ganz besonders für Deine Schauspieler, die Du eigens ausgesucht hast. Ich würde sagen, Deine große Liebe zu all dem war das ganz Besondere an Dir. Du warst für uns da. Wir haben alle groß gespielt, durften viel mitbestimmen und hatten für damalige Theaterverhältnisse auch noch eine gute Gage. Auch unbekannten Regieanwärtern hast du auf eigenes Risiko vertraut und große Chancen gegeben. Du warst ein Förderer, einer, der Potentiale erkannt und herausgekitzelt hat. Du bist Risiken eingegangen. Du warst über Gebühr nachsichtig mit den Menschen. Auch den Dauermeckerern und Nörglern hast du mit der großen Geduld eines Theater-Vaters lange die Treue gehalten, manchmal, bis es unerträglich war. Ja, ich würde fast sagen wollen, einige hatten Dich nicht verdient. Ich hätte mir für Dich gewünscht, dass Du mehr Wertschätzung, mehr Gegenliebe und mehr direkten, würdigenden Austausch hättest erleben dürfen. So möchte ich hier noch einmal ganz laut sagen: Hartmut, mein Freund, vielen herzlichen Dank für alles. Mit Dir und der Erlanger Zeit hat mein Wunsch nach einer Theaterfamilie angefangen sich einzulösen, und aus tiefstem Herzen kann ich sagen: Du hast mein Herz berührt und ich hätte Dich gerne noch viele Jahre begleitet auf deinem Weg durch die Theaterlandschaft. Herzlichst Ingeling Inge Schilling, Schauspielerin, Ensemblemitglied 1998 bis 2001, Gast bis 2003

Ach Erlangen, als Liebe auf den ersten Blick beschreibt Hartmut die erste Begegnung mit Dir. Ich kann das nur unterschreiben, mir ging es auch so. Das wunderschöne Theater, Herbert Halbgebauer, die Gässchen, die Cafés, die Garage, die Werkstätten, das Büro, die Glocken, das Theatercafé, die Kulisse … viele bestimmte Menschen und meine freudigen Erwartungen, gemeinsam Geschichten zu erzählen, die Schauspieler und Zuschauer gleichermaßen berühren. Aus Berlin kommend war mir egal, ob sogenannte »Provinz« oder Großstadt. Diese Unterscheidung hat mich immer schon genervt. Provinztheater, so ein Quatsch. Als ob Publikum und Schauspieler in Erlangen nicht das gleiche Recht und das gleiche Potential hätten zu großen gemeinsamen Momenten. 132

oben: Erlanger Nachrichten, 2001 unten: »Gier« von Sarah Kane, Regie: Barbara Baumgärtel, Spielzeit 2000/2001

Intensiv und aufwühlend


Bodo Birk

Ganz und gar für das Theater gelebt

Im Juni 2000 war die Bremer Shakespeare Company mit »Der Sturm« im Markgrafentheater zu Gast. Die Inszenierung war eine Koproduktion mit der Keli Company, einer Tanzgruppe aus Indien. Als ich durch die Foyers ging, strömte mir ein ungewöhnlich nahrhafter Geruch entgegen. Ich folgte dem Duft, er leitete mich ins Musikerzimmer, in dem die indischen Künstler Kochplatten aufgebaut, Töpfe ausgepackt und Geschirr aufgedeckt hatten. Auf meine Frage, ob das Vorbereitungen für die Vorstellung seien, sagten sie mir, dass das ihr Abendessen sei, das sie nach der Vorstellung zu sich nehmen wollen, da sie die mitteleuropäische Küche nicht vertragen. Ich war konsterniert. Musste ich ihnen doch jetzt sagen, dass das Haus nach der Vorstellung bald zugeschlossen werde, womit unmöglich so lange gewartet werden könne, bis sie in Ruhe zu Abend gegessen haben. Aber souverän präsentierten sie mir den Theaterschlüssel. Woher sie den denn bekommen haben, fragte ich, fast etwas erschrocken. »Vom Hausmeister«, war die prompte Antwort. Ein Weltbild drohte zusammenzustürzen. Kein Hausmeister der Welt würde einer indischen Tanzgruppe einen Theaterschlüssel überlassen, damit sie sich ihr – zweifellos verdientes und notwendiges – indisches Abendessen kochen können. Also fragte ich nach. Antwort: »Ja, so ein schlanker Mann in Lederjacke und Bluejeans, mit Brille und Zigarette …« Sein Auftreten war wirklich nicht das eines Intendanten. Viele hat das verwirrt. Weltmännischer Hausherr war nicht seine Rolle. Offizielle Anlässe mied er so weit wie möglich. Bei Premierenfeiern hielt er sich im Hintergrund auf und sprach lieber mit seinen Schauspielern, Studenten und Praktikanten über die Aufführung als mit Stadträten oder Kritikern über Kulturpolitik. Die Tür des Intendantenbüros stand fast immer offen – manchmal auch zum Leidwesen seiner Mitarbeiter, die Anrufe im Vorzimmer nahm er gerne selbst entgegen, die Einrichtung seines Büros löste bei manchem Gast Befremden aus; er war der Papierstau- und Kopierer-reparier-Spezialist – zumindest hielt er sich dafür, und der zerbeulte Opel Astra auf dem Intendantenparkplatz war beinahe schon Legende. Dieses wenig ausgeprägte Bewusstsein für Repräsentation mag man bei einem Intendanten kritisieren. Es ist kritisiert worden. Aber eines steht völlig außer Frage. Hartmut hat ganz und gar für das Theater, für sein Theater gelebt. Dabei fand sein Start in Erlangen unter ganz schwierigen Bedingungen statt. Seine erste Spielzeit musste Hartmut mit einem personell völlig unzureichend besetzten Vorbereitungsbüro – ungefähr eine halbe Stelle –

Rede zur Trauerfeier um Hartmut Henne (2001)

133


Ganz und gar für das Theater gelebt danz offen für viele andere Veranstaltungen, »StummFilmMusikTage«, Hörkunstfestival, »Podium Freie Szene«, um nur einige zu nennen. Offene Arme und Kooperationslust bis an die Grenze des Möglichen waren kennzeichnend für seine Intendantenzeit. Hartmut war bestimmt kein leicht zu ertragender Chef. Die gleiche Hingabe, die er an den Tag legte, erwartete er auch von seinen Mitarbeitern. Es konnte einem schon mal passieren, dass er nachts um eins anrief, weil ihn eine Idee umtrieb. Ganz sicher wollte er damit niemanden schikanieren, es war auch keine Missachtung von Privatsphäre. Ich glaube vielmehr, dass ihm so etwas gar nicht bewusst war, wenn ihn etwas Wichtiges beschäftigte. Manchmal, wenn man gerade wieder mit viel Arbeit eingedeckt worden war, und Hartmut ausnahmsweise doch einmal vor einem das Theater verließ, bekam er ein schlechtes Gewissen. Er zeigte das durch ein liebevolles, aber doch irgendwie hilfloses »mach nich wieder so lang«. Ganz besonders geschätzt haben wir Hartmuts künstlerische Risikobereitschaft. Wie kaum ein anderes Theater in Deutschland hat er dem künstlerischen Nachwuchs in Erlangen eine Chance gegeben, hat an junge Leute geglaubt und sie gefördert, selbst wenn sich der Erfolg nicht unmittelbar einstellte. Es ist Hartmut zu verdanken, dass einige Theaterkarrieren in den letzten Jahren in Erlangen begannen oder durch Arbeiten am Erlanger Theater befördert wurden. Ich möchte stellvertretend nur Marc Becker und Barbara Baumgärtel nennen. Dass er damit nicht ganz falsch lag, zeigt der Preis der Bayerischen Theatertage 2017, den das Theater Erlangen für seinen mutigen Gesamtauftritt bekommen hat. Dieser Preis hat ihm sehr viel bedeutet. Zum Abschluss möchte ich einen Auszug aus Hartmuts Grußwort zu seiner ersten Erlanger Spielzeit zitieren: »Lebendig ist, wer das Leben liebt. Das Theater lebt, weil es ein wesentlicher, zauberhafter Teil menschlichen Lebens ist und weil es unserem Spieltrieb, unserem Exhibitionismus, unserer Bekehrungsleidenschaft entspricht. In seiner sinnlichen, sprachlichen, geistigen Fülle unerreicht, ist das Theater in seiner unmittelbaren, direkt von Mensch zu Mensch gehenden Wirkung durch kein anderes Medium zu ersetzen. Und das Theater wird weiterleben, weil wir es lieben, seine Märchen, seine Mythen und seine Monster.«

aus dem Boden stampfen. Die Kooperation mit dem Vorgänger war alles andere als optimal. Und als es dann endlich losgehen konnte, musste das Markgrafentheater wegen der Renovierung des Zuschauerraums erst einmal bis Januar geschlossen bleiben. Trotzdem gelang Hartmut unter dem Motto »Erste Erlanger Theaterermutigung« ein fulminanter Start mit einer Vielzahl an Vorstellungen in Garage, Oberem Foyer, Bühnenhaus und der Ersatzspielstätte Redoutensaal, die hart an die Belastungsgrenze des Hauses gingen. Es wäre jetzt merkwürdig, als Beteiligter künstlerische Erfolge und Misserfolge der Ära Henne bewerten zu wollen. Trotzdem möchte ich einige Produktionen nennen, die vielleicht in besonderer Erinnerung geblieben sind und von denen ich weiß, dass sie Hartmut besonders viel bedeutet haben. »Die Nächte der Schwestern Brontë« (Regie Nathalie Balkow), »Messer in Hennen« (Regie Inga Helfrich), »Das kalte Herz« (Regie Inken Böhack), »Meine Elektra« (Text und Regie Koos Terpstra), »U.S.-AmoK« (Text und Regie Marc Becker), »Familiengeschichten. Belgrad« (Regie Maya Fanke), »Hedda Gabler« (Regie Barbara Baumgärtel), »offen, halb zu, zu« (Regie Winni Victor), »Der Widerspenstigen Zähmung« (Regie Stefan Preiss), »Gier« (Regie Barbara Baumgärtel), »Volksvernichtung oder Meine Leber ist sinnlos« (Regie Marc Becker). Besonders hervorheben möchte ich Hartmuts Engagement für das Kindertheater, das sich unter seiner Intendanz zu einem sehr erfolgreichen Standbein des Erlanger Theaters entwickelt hat. Zu seinen Verdiensten ist es auch zu zählen, dass wir den Innenraum des Markgrafentheaters heute in einem so sorgfältig renovierten Zustand sehen. Hartmut hat sich aber von Beginn an nicht nur besonders für die bauliche Erhaltung dieses Theaters engagiert, unter seiner Intendanz hat sich das eigenproduzierende Theater Erlangen, das von seinem Vorgänger aufgebaut wurde, weiter konsolidiert und stabilisiert. Und auf Hartmuts Initiative hin gelang es der Stadt, die ehemaligen Glocken-Lichtspiele als neuen Probenraum und Veranstaltungsort zu erwerben, was ein elementarer Gewinn für das Theater Erlangen ist. Diese Erfolge konnte Hartmut erzielen, weil er von Anfang an mit bedingungsloser Offenheit auf alle mit dem Theater in Verbindung stehenden Gruppierungen, Institutionen, Vereine usw. zugegangen ist. Alte Fronten interessierten ihn nicht. Der freien Theaterszene hat Hartmut besondere Beachtung geschenkt, sein Verhältnis zum Studententheaterfestival »ARENA« war eng und freundschaftlich. Schon im ersten Jahr war er Mitglied der »ARENA«-Jury. Das Theater stand unter seiner Inten-

Bodo Birk war von 1998 bis 2001 in der Öffentlichkeitsarbeit am Theater Erlangen tätig.

134


Ein Theater im Herzen der Stadtgesellschaft II

Welche Rolle spielte das Erlanger Theater innerhalb der Stadtgesellschaft und Kulturpolitik während Ihrer Amtszeit? Das Theater Erlangen war stets in die Zivilgesellschaft unserer Stadt eingebunden und hat wichtige kulturpolitische Impulse gesetzt. Ganz besonders wichtig war mir immer die Zusammenarbeit mit den Theaterwissenschaften unserer Friedrich-Alexander-Universität, was sich jedes Jahr auch in Form der hochmotivierten, ehrenamtlich tätigen, internationalen Truppe »Arena« niederschlug.

Der ehemalige Oberbürgermeister Siegfried Balleis im E-Mail-Interview

Was waren damals die größten Herausforderungen, die sich hinsichtlich des Theaters stellten? Nach meiner Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt Erlangen im Jahr 1996 habe ich eine Situation vorgefunden, dass Erlangen die bayerische Großstadt mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung war. Meine Konsolidierungsbemühungen haben sich selbstverständlich auch auf die Kulturprojekte der Stadt Erlangen bezogen. Im Mittelpunkt dieser Bemühungen stand auch die Frage, ob wir uns dauerhaft ein eigenes Theaterensemble leisten können. Es war der damalige Kulturreferent Wolf Peter Schnetz, der mich letztlich davon überzeugt hat, dass wir das eigene Theaterensemble nicht zur Verfügung stellen sollten.

»No Woman, No Cry – Ka Weiber, ka Gschrei« von Helmut Haberkamm, Regie: Jürg Schlachter, 2001/2002

Wie beurteilen Sie rückblickend die Entwicklung des Theaters? Das Theater Erlangen hat seine führende Rolle als wichtigste Kulturinstitution der Stadt Erlangen weiter ausgebaut. Im Hinblick auf das Theater Erlangen habe ich aber auch gelernt, mit Widersprüchen zu leben. So war ich ursprünglich für ein Aufführungsverbot des Stücks »Die Wölfe«, das aus der Feder des ehemaligen NSDAPMitglieds Hans Rehberg stammt. Ich stand dabei unter dem Eindruck massiver Proteste insbesondere durch jüdische Autoren. Ich musste aber dann doch erkennen, dass trotz aller Proteste die Freiheit der Kultur einen höheren Stellenwert besitzt. Welche Inszenierungen sind Ihnen im Gedächtnis geblieben? Zunächst einmal bitte ich um Verständnis, dass mir jene Theaterstücke ganz besonders am Herzen gelegen haben, die in der Stadt und ihrer Bürgerschaft verwurzelt waren. Ganz besonders gut kann ich mich dabei an das Stück von Helmut Haberkamm erinnern, das den bezeichnenden Titel trug »No woman, no cry – Ka Weiber, ka Gschrei« mit Winni Wittkopp in der Hauptrolle. Vor Kurzem fand ich auch ein Rechercheprojekt im Theater in der Garage außerordentlich inspirierend, das den Titel »Wer ist Erlangen?« trug und in dem auch un135


Ein Theater im Herzen der Stadtgesellschaft II ser Stadtarchivar Dr. Andreas Jakob eine tragende Rolle hatte. Was wünschen Sie dem Erlanger Theater für die Zukunft? Ich wünsche dem Theater Erlangen weiterhin die Kraft, als Zentrum der kulturellen Erneuerung unserer Stadtgesellschaft zu wirken. Ich möchte aber gleichzeitig August Everding zitieren, der mir bei einem Besuch des Theater Erlangen als jungen Oberbürgermeister gesagt hat, er missbillige die Auffassung avantgardistischer Intendanten, dass das Theater dann umso besser sei, je leerer es sei. Intendanten haben die Aufgabe, kritische Stücke aufzuführen, aber gleichzeitig die Balance zu wahren, dass sie auch entsprechenden Zuspruch durch die Stadtgesellschaft erfahren. Dr. Siegfried Balleis, Mitglied der CSU,

»Wer ist Erlangen?« (UA), Regie und Konzept: Laura Huonker, 2015/2016

war von 1996 bis 2014 Oberbürgermeister der Stadt Erlangen.

136


Dieter Rossmeissl

Ein Theater auf dem Weg zu sich selbst

bevor es 1838 an die Stadt verkauft wurde, war die Distanz zu all diesen Zwängen keine Selbstverständlichkeit. So brauchte es lange, sich die Struktur für so weitreichendes Selbstbewusstsein zu erobern. Für die Erlanger war ihr Theater lange Zeit vor allem das Haus, das stolze und doch bescheidene Barocktheater, weitgehend losgelöst von dem Geschehen auf der Bühne. Dort beschränkte man sich auf Gastspiele, für die der Gemeinnützige Verein (gVe) die Zuständigkeit beanspruchte. Erst ab 1974 konnte Manfred Neu in der Garage mit Anfängen eines kleinen Ensembles ein wenig theatralische Selbständigkeit entfalten. Ab 1989 durfte sein Nachfolger Andreas Hänsel Eigenproduktionen auch im Markgrafentheater zeigen. Aber noch lange (und gelegentlich bis heute) kann man die Klage hören, wir hätten doch so ein schönes Theater, wenn man dort nur Anderes und anders spielen würde. Als ich Anfang 2000 nach Erlangen kam, war das Theater nicht mehr als eine Abteilung im Kulturamt der Stadt, sein Leiter Hartmut Henne eingebunden in die

Im Jahr 2001 wurde das Theater Erlangen selbständig

Tischgespräch »Theater = Ort für alle?« mit Dr. Dieter Rossmeissl (Mitte), 27. Januar 2017

Was macht ein Theater aus? Bühne, Schauspieler, Publikum und Stücke natürlich. Mehr bedarf es nicht, um die pathetische Forderung Schillers zu erfüllen, die Schaubühne sei »mehr als jede andere öffentliche Anstalt des Staats eine Schule der praktischen Weisheit«. Dieser hohe Anspruch setzt allerdings eine doppelte Freiheit des Theaters voraus: Es muss sich emanzipieren von der Abhängigkeit von höfischen Strukturen und es muss sich zugleich befreien aus den ästhetischen und moralischen Vorgaben, die ihm das Bürgertum als Bedingung der eigenen Erbauung auferlegt. Für ein Theater wie das Erlanger, das als Hoftheater mit Fürstenloge 1718 errichtet wurde, dann als Universitäts-Schauspielhaus fungierte,

137


Ein Theater auf dem Weg zu sich selbst Amtsstruktur und das Programm immer noch unter dem Einfluss des gVe. Für ein Theater, das künstlerisches Profil in der Stadt entwickeln wollte und sollte, war das mehr Fessel als Basis. Ich legte dem Stadtrat deshalb bald nach Amtsantritt Alternativen vor, das Theater aus dieser Fessel zu befreien. Am 30. Mai 2001 entschied der Stadtrat, das Theater als eigenes Amt in die organisatorische Selbständigkeit zu entlassen und es zugleich – anders als bei einer GmbH – in den Kontext der städtischen Kulturpolitik unmittelbar einzubeziehen. In vielen Gesprächen gelang es, den gVe davon zu überzeugen, seine Kernkompetenz auf die Durchführung der Konzerte in der Stadt zu konzentrieren und sich aus dem Einfluss auf das Theater zurückzuziehen. Nach dem plötzlichen Tod von Hartmut Henne und dem Interim unter Johannes Blum wurde 2002 Sabina Dhein zur ersten »richtigen« Intendantin des Theaters berufen. Die Bewährungsprobe für Selbständigkeit und Selbstbewusstsein des Theaters kam schon 2003. Auf den Spielplan gesetzt hatte die Intendantin Hans Rehbergs U-Boot-Drama »Die Wölfe« von 1943. Der Autor war Mitglied der NSDAP, sein Stück wurde jedoch als nicht propagandatauglich und zu pessimistisch von der NS-Führung in die Provinz abgeschoben. Jetzt gab es prominente Proteste gegen die Aufführung des »Nazistückes«, und sogar der Oberbürgermeister überlegte, ob man nicht zumindest über das Hausrecht die Aufführung verhindern könnte. Der Kulturreferent, der ebenso wie Sabina Dhein die Freiheit der Kunst höher bewertete als die politische Konfliktfreiheit, setzte als Kompromiss fest, dass das Stück trotz aller Proteste zur Aufführung kommt, dass parallel zur Premiere aber eine Ausstellung im Theater gezeigt wird, die Hintergründe zu Stück, Autor und Zeitgeschehen deutlich macht. Die Premiere fand statt; wichtiger aber war, dass das Theater damit seinen Platz als Ort kontroverser Auseinandersetzung etabliert und unübersehbar gemacht hatte. Das Theater war nicht politisch oder juristisch eingeknickt. Oder wie schon Schiller in seinem Vortrag über die Bühne als moralische Anstalt sagte: »Die Gerichtsbarkeit der Bühne fängt an, wo das Gebiet der weltlichen Gerichte sich endigt.« 2009 übernahm Katja Ott die Intendanz des Theater Erlangen. Das auch im Stadtrat oft gelobte »Drei-Säulen-Modell« aus Eigenproduktionen, Gastspielen und Produktionen freier Gruppen, das Andreas Hänsel in den 1990er Jahren als Kompromiss zwischen Theater, gVe-Ansprüchen und der Tatsache, dass es in Erlangen keine weitere Spielstätte gab, eingeführt hatte, war inzwischen in seiner starren Form überholt. Der Erwerb der ehemaligen Glocken-Lichtspiele als Probebühne und weitere

Spielstätte Anfang 2000 hatte die Situation zudem entspannt. So suchte Katja Ott einen Weg mit »klassischen« Stücken und durchaus experimentellen Inszenierungen, der das Theater Erlangen zunehmend aus seiner Rolle als bloße Schaubühne hinausführen sollte. Der Weg zielte dabei auf eine neue Verortung in der Stadt, bei der das Theater nicht nur organisatorisch die »Bühne der Stadt« sein wollte, sondern die Stadt als Resonanzraum für das Theatergeschehen einzubeziehen suchte. Im Januar 2017 organisierte das Theater deshalb einen großen Workshop unter dem Titel »Theater der Zukunft«, in dem die Chancen und Untiefen dieses Weges ausgelotet wurden. So hat es das Theater Erlangen im Laufe seiner bisherigen Geschichte im 21. Jahrhundert verstanden, Themen und Konflikte der Stadtgesellschaft im Bühnenraum (und darüber hinaus) mit künstlerischen Mitteln aufzugreifen und eine »Dramaturgie der Stadt« zu entwickeln. Wenn Konflikte ein Kernelement von Demokratie sind, ist das Theater somit der Ort, Demokratie jenseits gängiger politischer Methoden an sein Publikum heranzutragen. Brecht könnte sich über diese Dramaturgie der kritischen Distanz sicher freuen und auch Schiller könnte darauf verweisen, dass er schon immer der Meinung war, die Bühne sei es, »die der großen Klasse der Toren den Spiegel vorhält«. 1998 gab es einmal einen zögerlichen Versuch, das Theater in Erlangen – zumindest als Ensembletheater – abzuwickeln. Seither haben sich alle Fraktionen des Stadtrats aber immer und einhellig zu »ihrer« Bühne bekannt und akzeptiert, dass Kunst in der Stadt auch Künstler in der Stadt erfordert – dramatische zumal. Aber auch das Theater trägt dazu bei, seine Existenz zu sichern, indem es sich immer wieder auf ungesichertes Terrain wagt und so seine Innovationskraft beweist. Kulturpolitik ist immer Gesellschaftspolitik. Das Theater Erlangen macht gesellschaftliche Prozesse – im klassischen wie im modernen Gewand – kulturell erlebbar und partizipativ gestaltbar. Es spiegelt damit auf der Basis einer 300-jährigen Geschichte auch die Zukunft und die kulturelle Zukunftsfähigkeit der Stadt. Dr. Dieter Rossmeissl war von 2000 bis 2017 Referent für Bildung, Kultur und Jugend der Stadt Erlangen.

138


Sabina Dhein

das theater erlangen 2002 bis 2009

matisch oft aus dem Lokalen, spielten im Innenhof des Stadtmuseums, in der Hugenottenkirche, beteiligten uns an Stadtfesten. Wir erarbeiteten Projekte in Schulen, gaben Einführungsseminare in der VHS, entwickelten eine Lehrerfortbildung. Wir zeigten Uraufführungen von Marc Becker, Habib Bektas, David Gieselmann, Philipp Löhle, Thomas Melle, Katharina Schlender, Marc Pommerening. Prägend war die konsequente Regiehandschrift von Christian von Treskow. Als einschätzbare Einnahmequelle sicherten Gastspiele die riskanteren Eigenproduktionen ab. Marina Galic, Jenz Harzer, Nicole Heesters, Dominique Horwitz, Thomas Loibl, Barbara Nüsse, Jan Plewka, Otto Sander, Elke Sommer und viele mehr standen auf den Brettern unseres Markgrafentheaters. Die Gastspiele entlasteten außerdem das Ensemble. Weniger Abendvorstellungen standen für den einzelnen Schauspieler auf dem Spielplan. Die gewonnene Zeit und Kraft konnte in längere und konzentrierte Probenzeiten fließen und ermöglichte den Ensembles gründlicheres Forschen und Arbeiten. Größte Freiheit schuf das Spielbein Koproduktion. Wir vernetzten uns mit der freien fränkischen Szene, mit der Tafelhalle in Nürnberg und den Sophiensälen in Berlin. Jedes Jahr spielte der Jazz auf. Mit dem Theater unserer Partnerstadt Jena tauschten wir Produktionen. Im Zusammenspiel unserer Schauspieler mit den Sängern des Staatstheaters und dem Orchester der Hochschule für Musik Nürnberg entstanden Barockopern, Purcells »King Arthur«, Glucks »Merlins Insel«, Händels »Alceste« und Mozarts »Zaide«. Das theater erlangen musste sein eigenes Profil entwickeln, wollte man sich nicht in eine aussichtslose Konkurrenzsituation begeben. Auf dem Frankenschnellweg nur wenige Kilometer entfernt liegen das Staatstheater Nürnberg mit seinem großen, generationenübergreifenden Ensemble und das Stadttheater Fürth, das dank der Größe seines Zuschauerraumes und seiner hervorragenden Bühnentechnik renommierte Metropoltheater einladen kann. Wir haben auf junge Talente gesetzt. Auf Begegnung und Bandenbildung. Auf Kontinuität und Raum für künstlerische Entwicklung. Das Erlanger Publikum hat sich verführen lassen. Es ist neugierig und höchst diskussionsfreudig. Nur eines verzeiht es nicht: Unterforderung.

Sabina Dhein im Zuschauerraum des Markgrafentheaters, 2009

Theater Erlangen? Nein. das theater erlangen!

Für mich verwies dieser kleine, aber bestimmte Artikel immer auf die großartige Geschichte dieses Hauses und auf seine einmalige Struktur. Dass sich während der Erlanger Studententheatertage nach dem Krieg im Markgrafentheater jedes Jahr Künstler und Wissenschaftler wie Karlheinz Braun, Patrice Chéreau, Hans Magnus Enzensberger, Gustaf Gründgens, Hans Mayer, Claus Peymann, Angela Winkler, Ernst Wendt versammelt hatten, um über ihre Theaterarbeit zu debattieren, war eine große Inspiration. Aus diesem Geist der politischen Kontroverse und des ästhetischen Aufbruchs war das Theater in der Garage entstanden. Gleichzeitig haben sich Erlanger Bürger im gVe mit hohem persönlichem Einsatz um das Kulturleben der Stadt verdient gemacht und für die Markgrafenbühne jahrelang renommierte Künstlerpersönlichkeiten und anspruchsvolle Inszenierungen eingeladen. Diese so verschiedenen Geschichten, die beide von einem großen Willen zum Theater zeugen, galt es unter dem Dach »das theater erlangen« zu verbinden. Mich überzeugte das von Wolf Peter Schnetz und seinem Team 1989 entwickelte sogenannte Drei-SäulenModell. Der konsequente Mix aus Eigenproduktionen, Gastspielen und Koproduktionen sparte personelle und finanzielle Ressourcen. Über das kleine, junge Ensemble wuchs die Identität mit der Stadt. Wir schöpften the139


das theater erlangen 2002 bis 2009 Wir haben das Theater jeden Tag neu erfunden. Wir waren kühn bis waghalsig. Wir hatten Erfolg, und wir sind grandios gescheitert. Wir holten eine »ape« aus Italien und fuhren sie mitten in die Fußgängerzone. Wir wollten jeden einzelnen Erlanger von der Notwendigkeit seines Theaters überzeugen. Wir traten ungewollt einen Skandal los und fanden in ehemaligen Mitgliedern und treuen Freunden großartige Unterstützung. Wir organisierten zusammen in kürzester Zeit Ausstellungen und Podiumsdiskussionen.

Wir hatten Visionssitzungen im Grünen und Krisengespräche am runden Tisch.

Wir widerstanden gemeinsam einer weltweiten Erregungshysterie.

Wir haben Wilhelmine die Musik zurückgebracht in ihr wunderschönes Haus. Wir haben ihr über die Jahrhunderte hinweg zugezwinkert mit einer modernen Oper.

Wir haben schwerste Depressionsschübe gedeckt, die später in die Weltliteratur eingingen.

Wir suchten den Quotenmann für unser Leitungsteam.

Wir haben das Theater in der Garage Künstlern zur Verfügung gestellt, die heute große Häuser und riesige Konzertsäle füllen.

Wir digitalisierten die Theaterdispo mit der Software Theasoft.

Wir hatten oft ein Babyfon auf dem Kneipentisch liegen, während nachts die letzte Probe ausgewertet wurde.

Wir feierten rauschende Feste in der Theaterstraße, bei Habib, im Raucherfoyer und im Theatergarten. Wir haben »jet« erfunden und das junge erlanger theater zu einer eigenen Sparte gemacht. Wir waren ein Talentepool, ein kreativer Thinktank. Wir waren laut und frech in der Metropolregion. Wir waren die Wadlbeißer. Wir waren das theater erlangen. Wir haben viel gelernt. Wir sagen Danke. Sabina Dhein war von 2002 bis 2009 Intendantin des theater erlangen.

140


Robert Mattheis

Theater braucht Sprungkraft

Genau im Brennpunkt zwischen Logos und Show sehen wir: sieben Jahre Intendanz Sabina Dhein. Das macht: sieben Jahre Aufbruch, Experimentieren, Triumphe, Mut zum Risiko und Lust an der Diskussion. Sieben Jahre Nachwuchsförderung, leidenschaftliche Arbeit mit jungen Schauspielern, gezielte Förderung von vielversprechenden Newcomer-Regisseuren. Kurz: sieben Jahre, ganz auf die Karte »Zukunft« gesetzt.

Sieben Jahre Intendanz Sabina Dhein

»Die Wölfe« von Hans Rehberg, Regie: Marc Pommerening, 2003/2004

Gegen die Wölfe heulen Am Anfang dieser sieben Jahre streifen »Die Wölfe« in der kleinen Spielstätte, der »Garage«, umher, eine etwas räuberische U-Boot-Fahrt ins Ungewisse, an deren Ende die frischgebackene Intendantin in der New York Times auftaucht. Ein spektakulärer Auftakt – mit spektakelhaften Begleiterscheinungen. Aufschrei, Debatten, Transparente in den Straßen der kleinen Siemensstadt. Wer konnte auch ahnen, dass Hans Rehberg, ansonsten hauptsächlich bekannt als Vater des Star-Mimen HansMichael Rehberg, mit seinen eher schablonenhaft gezüchteten »Wölfen« für eine veritable Medienlawine gut wäre? Immerhin: War Rehberg nach dem Krieg einerseits als nationalsozialistischer Dichter in Verruf geraten, hatte andererseits Joseph Goebbels noch vor der Nachkriegszeit die Aufführung der »Wölfe« in der Reichshauptstadt wegen Pessimismus und mangelnden Propagandacharakters untersagt. Ein ganz schlimmer Finger auf der Schreibmaschine war Rehberg also nicht. Doch unabhängig von diesem ideologischen Unentschieden war er vor allem: vergessen. Vielleicht zu Recht. »Die Wölfe« waren mithin ein Spielplan-Experiment, eine Vergangenheitsbewältigung der besonderen, vielleicht etwas waghalsigen Art. Und wie es in der Natur des Experiments liegt: Es kann schiefgehen. Was es hier auf eine in ihrer Dramatik völlig unvorhersehbare Weise tat. Wobei man sagen muss, dass womöglich gar nichts passiert wäre, hätte nicht Ralph Giordano, damals das amtierende publizistische Weltgewissen der Deutschen, Wind von der Sache bekommen. Der stürmte direkt auf die nächste Fernsehkamera zu und reckte den knorrigen Zeigefinger: »Wehret den Anfängen, auch in Erlangen!« Da war’s um jede Form von künstlerischem Zugang natürlich geschehen, der Rest war Medienautomatismus. Es war ein bisschen wie in dem berühmten Aphorismus von Karl Kraus: »Der Skandal fängt an, wenn die Polizei ihm ein Ende bereitet.«

Die Welt des Theaters, oder sagen wir vorsichtiger: des Stadttheaters (zu viel bewegt sich allerorten unter dem Label »Postdramatisches Theater«), ist geteilt in zwei Hemisphären. Die eine bildet der Text, die andere das Geschehen auf der Bühne. Etwas hochtrabend könnte man sagen, da sei einerseits der Logos, idealtypisch verkörpert im Reclam-Heftchen, der Stücktext, vom Dichter unter Beihilfe mindestens einer Muse und mancher Flasche Wein zu Papier gebracht, dann oftmals noch von Lektoren und Dramaturgen philologisch wasserdicht gemacht, schriftlich fixiert und mit oder ohne Lippenbewegungen des Nach- und Mitlesenden nach- und mitlesbar. Und andererseits gibt es die Aufführung, die Aktualisierung des Textes, die szenische Umsetzung durch Schauspieler, Regisseure und Bühnenbildner, durch Licht und Ton und Kostüm, das eigentliche Geschehen, eine Flut von Situationen und Sensationen, ein hochgradig unwahrscheinliches Gelingen – doch Abend für Abend streckt das Kunststreben der Wahrscheinlichkeitsrechnung die Zunge heraus. Die Kunst kann, was das Normalhirn nicht zu erwarten wagt. Die Aufführung ist der farbige Abglanz des Textes, wenn Sie so wollen, und an ihr haben wir die Welt.

141


»Woyzeck« von Georg Büchner, Regie: Volker Metzler, 2007/2008


Theater braucht Sprungkraft

»Haus zur Sonne« (UA) von Thomas Melle, Regie: Eike Hannemann, 2005/2006

Premiere auch in der New York Times

Anfängen« – auch wenn es gar keine gab. Man reagierte mit Ausstellungen, Transparenten und Podiumsdiskussionen, um die besorgten Bürger zu beschwichtigen und Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Das war bald geschafft. Und damit haben wir endlich Zeit für die wahren Herzensanliegen von Sabina Dhein.

Kassandra Giordanos Weckruf jedenfalls rief alle bundesdeutschen und internationalen Zeitungen auf den Plan. Die Weltöffentlichkeit richtete darob die Augen auf die fränkische Provinz – bzw. suchte dieselbe erst einmal auf der Weltkarte. Und fand als Erstes: Nürnberg. Nürnberg, das ist doch die Reichsparteitagsstadt, bekannt u. a. durch Leni Riefenstahls filmische Wagner-Oper »Triumph des Willens«? Was zwangsläufig zu der halb belustigten, halb bangen Frage führte: Sind die Deutschen etwa wieder so weit? (Und weiter: Haben sie die Nase voll davon, die Welt mit den besten Automobilen der Welt zu beglücken? Soll am deutschen Wesen endlich wieder die Welt genesen?) Um die Dimensionen klarzumachen: Die »Garage«, in der die »Wölfe« auf Tauchstation gingen, fasst knapp hundert Zuschauer. Das, was da als »Eklat« auftrat, war im Grunde vor allem das Resultat gründlicher Denkfaulheit. Mehr als ein Spielplan-Experiment waren »Die Wölfe« eben nicht – bei allem Bemühen der Medienmeute, noch ein paar Schlagzeilen mehr aus diesem Theatercoup herauszupressen. Der wirkliche Skandal blieb aus. Politisch Anrüchiges war nicht zu finden, Sympathien für braunen Bodensatz gab’s nicht einmal in Form von Spurenelementen. Trotzdem dröhnte die Moraltrompete gewaltig durch die Straßen der kleinen Stadt. Prophylaktisch. »Wehret den

Heute im Programm: Nachwuchsförderung Denn was nach der antiquarischen Ausgrabungsarbeit kam, waren sieben Jahre Talentförderung. Sabina Dhein, gelernte Dramaturgin, hat jungen Autoren immer eine Chance gegeben, fast muss man mit Thomas Bernhards Lieblingsvokabel sagen: naturgemäß. Marc Pommerening und seine kunstvollen Hexameter mit dem Qualitätssiegel »Made in Germany« waren ihre ureigenste Entdeckung. Thomas Melle kam für eine Studie in Menschheitsekel, baute ein »Haus zur Sonne« und schrieb später in seiner bipolaren Sturm-und-Zwang-Autobiografie »Die Welt im Rücken« über die sogar für ihn seltsamen Umstände seines Aufenthaltes. Und Marcel Luxinger steuerte unter dem barock rollenden Nom de Guerre »Konstantin von Kastenstein« das Libretto zum »Wilhelmine-Code« bei. Es ist natürlich ein aussichtsloses Unterfangen, sieben Jahre rubrizieren zu wollen. Sieben Jahre! Und dann noch sieben Jahre Theater? Zu viele Charaktere, zu viele künst143


Erscheinung trat, ist unter ihrer Ägide erwachsen geworden. Auch die Installierung einer kaufmännischen Direktion war ein wichtiger Schritt auf diesem Weg, von der Intendantin selbst als »lebensrettend« bezeichnet: eine notwendige Entlastung, die das Theater nicht zu einem weniger unberechenbaren Geschäft macht, wohl aber den künstlerisch Verantwortlichen manche Sorge abnimmt im wechselvollen Theateralltag. Controlling und Computersysteme bringen mehr Übersicht und Planbarkeit in eine Welt, die immer zwischen Standing Ovations und »Buh!«-Rufen dahintreibt wie zwischen Skylla und Charybdis. Auf den ersten Blick mag eine kaufmännische Direktion wenig mit Kunst zu tun haben. Aber mit der Ermöglichung von Kunst hat sie eine Menge zu tun.

lerische Vorstellungen, zu viele Eitelkeiten und Weltbilder prallen da aufeinander. Aber ein Gefühl für das, was in diesen sieben Jahren geschah, was sich nach und nach herausschälte als zentrale Idee von Sabina Dheins Tätigkeit, worin sie die wesentlichen Parameter des Wirkens einer Intendantin in einem Theater sah, das flankiert war vom (und in Konkurrenz stand zum) Nürnberger Staatstheater und dem Stadttheater Fürth, das kann man schildern. Es wird ein Abriss bleiben, eine Skizze, aber was doch spürbar werden wird: die Faszination, die von diesen wagemutigen sieben Jahren ausgeht – sogar im Rückblick noch.

Das Theater wird erwachsen Der Mut zum Machen, die Lust aufs Ermöglichen

Was wenig faszinierend ist, dafür aber desto bedeutsamer für die alltäglichen Abläufe: Das Theater, das im Jahr vor Sabina Dheins Amtsantritt in der Hierarchie der Stadt erstmals als vom Kulturamt eigenständig, als Amt 44 in

Doch zurück zu den sieben Jahren. Sieben Jahre voller Wagnis, Wagemut, gelegentlich auch Unberechenbarkeit. 144

»Hamlet« von William Shakespeare, Regie: Christian von Treskow, 2007/2008

Theater braucht Sprungkraft


oben: »Der Wilhelmine-Code« (UA), Musiktheater von Michael Emmanuel Bauer und Constantin von Castenstein, Regie: Lilli-Hannah Hoepner, 2008/2009 unten: »Der Sturm« von William Shakespeare, Regie: Malte Kreutzfeldt, 2008/2009

Theater braucht Sprungkraft zwischen als Live-Hörspiel-Macher eine feste Größe in der bundesdeutschen Theaterszene geworden ist, bringt den Stoff einfühlsam und mit genauem Gespür für die Möglichkeiten sowohl der Mitwirkenden wie des Textes auf die Bühne. Unterm Strich steht eine Einladung zum Nachwuchsfestival »Radikal jung«, das Christian Stückl seit 2005 alljährlich am Münchner Volkstheater veranstaltet.

Und sieben Jahre voller Freuden, Fanfaren, Feste. Herausragende Triumphe: der »macbeth« von Marc Becker und der »Hamlet« von Hausregisseur Christian von Treskow, beides AZ-Stern-Träger. Herausragende Kontroversen: Alfred Kantorowiczs Musiktheaterstück »Erlangen« in der Regie von Christian von Treskow und Georg Büchners »Woyzeck« in der dekonstruktiven Volker-MetzlerFassung. Beides liefert Gesprächsstoff für die ganze Stadt und weit darüber hinaus. Das Pendel schlägt vehement in beide Richtungen aus, in Lob und Kritik, in Zorn und Begeisterung, nur eines bleibt dem Publikum erspart: Trott, Langeweile, Berechenbarkeit – die Todsünden des Entertainments. Die Adaption der »Reise«, basierend auf dem unvollendeten Roman Bernward Vespers, des Sohns des OberNazi-Autors Will Vesper (»immer einer der ärgsten nationalistischen Narren«, um Thomas Mann zu zitieren), mag stellvertretend für die Stärken von Sabina Dheins Intendantentätigkeit stehen: Marc Pommerening besorgt die kongeniale Bühnenfassung, Eike Hannemann, der in-

Abschied mit Glanz und Stil Als der Wechsel der Intendantin ans Hamburger Thalia Theater dann längst feststeht, hält der »WilhelmineCode«, eine Auftragsarbeit für das Theater Erlangen, rühmlichen Einzug in die regionalen Kulturseiten der Süddeutschen Zeitung, und das ist durchaus ein Ritterschlag für ein Theater in Erlangen, das aus Münchner Perspektive ja gar nicht existiert. Es ist ein glanzvolles Finale, bei dem zwei starke Intendantinnen-Persönlichkeiten sich über den Abgrund von 250 Jahren hinweg die Hand reichen. Denn Sabina Dhein, vergessen wir das nicht, war die erste Frau an der Spitze eines fränkischen Stadttheaters – nach der Markgräfin Wilhelmine, der Schwester von Friedrich dem Großen, dem II., dem Schwierigen, den sein Vater einmal fast mit der Gardinenschnur erwürgt hätte. Sieben Jahre reine Magie bescherte Frau Dhein ihrem Publikum, Bühnenzauber ohne doppelten Boden, wozu sie sich augenzwinkernd in ihrer letzten Premiere überhaupt bekannte: »Prospero«, noch einmal Shakespeare, der Ur-Dramaturg, wenn man so will, der Mann der Bücher, der Homme de Lettres katexochen, aus Mailand vertrieben, weil er über all dem Wälzen gelehrter Wälzer die Staatsgeschäfte vernachlässigt hat. Auf seiner Insel entfacht er, um die Nützlichkeit seiner Studien unter Beweis zu stellen, einen magischen Reigen von Tricks und Showeffekten, der gar nicht anders kann, als im Happy End zu enden wie Hamlet im Widerstand. Gespiegelt wird dieses unentwegte Auf-den-Kopf-Stellen der Verhältnisse durch einen Seitentausch von Publikum und Ensemble: Die Zuschauer sitzen in Stuhlreihen auf der Bühne und die Schauspieler haben den Zuschauerraum erobert. Hier, im Finale des Dhein’schen Wirkens, fließt harmonisch alles zusammen, fügen sich die Elemente zu einer rundum bezwingenden Darbietung in der Regie von Malte Kreutzfeldt, der die Essenz aus sieben Jahren Bühnenmagie zieht. Sabina Dhein nannte das Haus unter ihrer Verantwortung in einem Resümee ein »Sprungbrett-Theater« – man muss sagen, dass es erstaunlich hohe Sprünge waren. 145


oben: »Die Reise« von Bernward Vesper, Regie: Eike Hannemann, 2008/2009 unten: »Erlangen« (UA), Musiktheater von Alexander Kukelka nach dem Schauspiel von Alfred Kantorowicz, Regie: Christian von Treskow, 2004/2005

Theater braucht Sprungkraft

»Hier haben viele etwas angefangen, haben ihre Fäden nach allen Seiten gesponnen«, sagte die scheidende Intendantin, halb voller Wehmut, halb voller Stolz – und ist das nicht überhaupt der Sinn des Theaters, dass wir in ihm eine Welt ausspinnen, deren Netze es uns möglich machen, die andere, auf andere Weise spinnende Welt besser zu verstehen und dadurch auch besser zu ertragen? Robert Mattheis war von 2008 bis 2009 Dramaturg am Theater Erlangen.

146


Maximilian Löwenstein

Wir waren keine Helden

dal, weil der Büchnerklassiker nicht »schön« war. Beiden Inszenierungen war aber vor allem eines gemeinsam, was ich persönlich für das Wichtigste im Theater halte. Ein wirklicher Zusammenhalt sehr unterschiedlicher Menschen innerhalb der Produktionen. Man wurde und wird als Schauspieler schlecht bezahlt. Man hat absurd wenig Zeit für andere Dinge als Proben oder Spielen – oder natürlich sich selber größer Denken als man ist. Da hilft eigentlich nur der Spaß aneinander und an einem Publikum, mit dem man wirklich kommunizieren will und auch kann. Das haben insbesondere diese beiden Produktionen, an denen ich beteiligt sein durfte, hoffentlich nicht nur aus meiner Perspektive, sondern auch aus der der Erlanger*innen geschafft. Diese Arbeiten waren vielleicht Theater ohne Sprungbrett vor der Nase und ohne Heldenposen. Es ging nämlich glücklicherweise auch ohne sie – gerade und genau hier in Erlangen. Und das war das Beste, was ich persönlich in Erlangen am Theater erlebt habe. Das Publikum war beide Male, so unterschiedlich es auch war, sofort bereit, direkt und ehrlich zu reagieren auf einen direkten und ehrlichen Versuch auf der Bühne. Und dafür bin ich bis heute sehr, sehr dankbar, weil es mir noch einmal deutlich gemacht hat, dass selbst die größte Ambition immer auf der Suche nach Widerhall ist. Und dass es Erfüllung bedeuten kann, wenn ein Publikum einem diesen Widerhall unvoreingenommen zu geben bereit ist. Danke, Erlangen!

Zwei kurze Jahre als Schauspieler in Erlangen Ich kam aus der großen Stadt München nach Erlangen. Und staunte. Nach meinem ersten unwahrscheinlichen Engagement am Münchner Residenztheater, wo ich nach anderthalb Jahren aus meinem Vertrag wieder weg wollte, kam das Vorsprechen in Erlangen zur rechten Zeit. Kurz darauf zog ich in eine Stadt, wie ich sie bis dahin noch nicht kannte. Erlangen war und ist mir doch zu einem Gutteil ein Rätsel. Der allzu selbstbewusste und doch verschwiegene Koloss Siemens, der fränkische Humor, der Spagat zwischen menschelnder Herzlichkeit und schroffem »Lass mich doch in Ruhe!« waren wirklich herausfordernd für mich in diesem gekonnt am Reißbrett geplanten Schmuckkästchen. Aber das war sicher nicht nur mein Problem. Die Truppe, die das theater erlangen darstellte, war in großen Teilen nicht ganz da, sondern eher auf dem Sprung. Auf dem künstlerischen »Sprungbrett«, wie ich hörte. Nur wohin? Wir waren doch gerade hier. Wozu? Um Stadttheater zu machen? Oder um geniale »Kunst« zu produzieren? Letzteres kannte ich aus München. Da sollte das mit Stars gehen. Die waren wir hier aber nun sicher nicht. Wir waren mehrheitlich jung, verspannt und überambitioniert. Wir waren wohl diese Theaterschaffenden, die »was« wollen. Vielleicht wollten wir Helden sein. (Diese Band, die sich selbst den Heldenstatus verliehen hatte, in ihrer flockigen, chartkompatiblen Konsumkritik ohne Widerhaken war auf eine ganz besondere Art der Soundtrack unseres Hierseins.) Nur was wurde aus unseren heldischen Ambitionen? Der AZ-Stern des Jahres für »Hamlet«. Und ein Kommentar dazu auf dem Marktplatz, den mir ein Kollege in einer Probenpause erzählte und der mir bis heute eine ganze Stadt und ihr Verhältnis zu ihrem Markgrafentheater umreißt: ein beherzter Schlag auf die Schulter und ein fast schon gebrülltes »Endlichmawasg’schaijddsinoiamdeadoh!« Es ist ja immer schön, wenn man nicht gänzlich enttäuscht. Diesen Eindruck kann ich persönlich nach nur zwei Spielzeiten in Erlangen anhand zweier Aufführungen noch um etwas sehr Schönes ergänzen: »Pettersson und Findus« in der Regie von Esther Muschol und »Woyzeck« in der Regie von Volker Metzler. Der leider weinende Waldkindergarten, der bei einer Voraufführung des Kinderstücks mit einem heruntergefallenen Topf auf der Bühne nicht so recht zurande kam und eine Theatererfahrung, die man so wohl nur noch abseits der Zentren machen kann. Ein kleiner Skan-

Maximilian Löwenstein war von 2007 bis 2009 Schauspieler in Erlangen.

147


Die treibende Kraft der Kunst Im Gespräch mit Intendantin Katja Ott Seit 2009/2010 ist Katja Ott Intendantin am Theater Erlangen. Im Jahr 2017 wurde ihr Vertrag bis 2024 verlängert. Nach dem Studium der Germanistik sowie der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften in Frankfurt am Main ging sie als Regieassistentin zunächst ans Staatstheater Braunschweig, weiter an die Münchner Kammerspiele zu Dieter Dorn und begann dort ihre Arbeit als freie Regisseurin. Sie inszenierte unter anderem an den Vereinigten Bühnen Krefeld Mönchengladbach, dem Staatstheater Oldenburg und am Staatstheater Braunschweig. Gemeinsam mit Karoline Felsmann und Susanne Ziegler lässt Katja Ott ihre Intendanz Revue passieren und gibt einen Ausblick auf ihr Stadttheater der Zukunft.

Was waren deine Ziele, als du anfingst? Mit welchen Vorhaben bist du damals angetreten? Jeder Anfang ist ja doch mittendrin, weil die Geschichten der anderen immer schon da sind – dies gilt insbesondere auch bei einem Neustart an einem Theater. Man muss sich zu bestehenden Strukturen und Zusammenhängen verhalten, wenngleich man diese nicht geschaffen hat. Mittendrin anfangen heißt für mich also nicht, etwas Altes einzureißen, um etwas Neues aufzubauen. Es heißt: genau zu schauen, wo man steht, was einen umgibt und einen Blick zu richten auf das, wohin man will. Zentral war bei allen Überlegungen immer, möglichst viele Erlanger*innen für ihr Theater zu begeistern und ihr Theater fest in der Stadt als eine der größten Kulturinstitutionen verstärkt zu verankern. Theater ist und bleibt für mich immer ein Ort der Begegnung, der ästhetischen, politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung, ein Streitraum mit den Mitteln des Theaters. Zwei Punkte waren von Beginn an zentral und daher habe ich diese auch schon in der ersten Spielzeit umgesetzt. Zum einen habe ich den bisherigen Ensuite-Spielbetrieb in einen Repertoire-Spielbetrieb umgebaut. Ich halte es zum einen künstlerisch für sinnvoller, Produktionen nicht hintereinanderweg abzuspielen, so entsteht gleichzeitig auch ein abwechslungsreicheres Programm für die Erlanger*innen und darüber hinaus ist es möglich, 148

Katja Ott im Zuschauerraum des Markgrafentheaters, 2011

Bevor du nach Erlangen kamst, warst du Schauspieldirektorin und persönliche Referentin des Generalintendanten Wolfgang Gropper am Staatstheater Braunschweig. Welche Gründe bewogen dich, ans Theater Erlangen zu kommen? Ich war in Braunschweig sehr glücklich mit meiner Arbeit. Neben meiner Regietätigkeit lag ein Schwerpunkt in der Umstrukturierung und dem Ausbau des bestehenden Kinder- und Jugendtheaters zu einem spartenübergreifenden Jungen Staatstheater. So konnte ich inhaltlich wie künstlerisch das Haus mitgestalten, was natürlich eine sehr befriedigende und schöne Arbeit war. Da 2011 aber ein Intendantenwechsel bevorstand, der natürlich auch einen kompletten Wechsel in der künstlerischen Leitung nach sich zieht, musste ich mich neu orientieren. Als alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern konnte ich allerdings nicht wieder als freie Regisseurin arbeiten, sondern suchte entsprechend ein festes Haus – diesmal als Intendantin. Ich war sehr glücklich, dass es hier in Erlangen geklappt hat. Denn hier traf ich auf vieles, was ich mir erhofft hatte, ein Schauspiel-Theater in einer Universitätsstadt mit einem so schönen und historischen Theater, einer engagierten Stadtgesellschaft u.v.m.


oben: »Die Frau vom Meer« von Henrik Ibsen, Regie: Katja Ott, 2009/2010 unten: »Ein Sommernachtstraum« von William Shakespeare, Regie: Katja Ott, 2010/2011

Kolumne


Die treibende Kraft der Kunst

Was bedeutet Theatermachen für dich als Intendantin? Was ist dir in der künstlerischen Ausrichtung des Theater Erlangen wichtig oder steht im Zentrum? Das sogenannte Kerngeschäft sind die Inszenierungen. Theater heißt immer, Menschen in ihrem Handeln zu hinterfragen. Dabei kann das auf ganz unterschiedliche ästhetische Art und Weise geschehen. Ich finde, alles ist erlaubt, solange es nachvollziehbar ist und eine Relevanz hat. Was da oben auf der Bühne passiert, darf nie beliebig sein, muss den Zuschauer intellektuell und/oder emotional bewegen, ästhetisch herausfordern und den Blick auf Welt, Gesellschaft oder auf sich selbst richten. Das muss immer das Ziel sein. Da hängt die »Latte« (der eigene künstlerische und inhaltliche Anspruch) hoch und da läuft man auch mal drunter durch. Aber entscheidend ist, dass auf der Bühne darum gerungen und nicht nur mit bunten Murmeln gespielt wird. Theater ist ein gesellschaftliches Instrument, das durch den ästhetischen Diskurs etwas erkennen lassen kann. Theater ist keine Informations-, sondern eine Erfahrungskunst, deren Wirken nicht eindeutig definiert ist und auch nicht definiert werden sollte.

ein Repertoire aufzubauen. Viele Produktionen konnten wir so über zwei Spielzeiten und manche sogar über drei bis vier Spielzeiten zeigen. Zum anderen war es mir wichtig, dem Bereich Kinder- und Jugendtheater eine stärkere Bedeutung zukommen zu lassen. So erweiterten wir das künstlerische Angebot auf alle Altersgruppen und ergänzten dies durch den Ausbau der theaterpädagogischen Arbeit. Strukturell schlug sich dies u. a. in einem Familien-Abo nieder, das wir seither anbieten. Der Ausbau des Kinder- und Jugendtheaters erwies sich in Erlangen jedoch als nicht ganz so einfach. Vormittagsvorstellungen – außer dem Weihnachtsmärchen – wurden von Schulklassen deutlich weniger besucht, als ich es von Braunschweig her kannte. Das bayerische Schulsystem schien diese Freiräume kaum zuzulassen. Daher setzten wir in den folgenden Spielzeiten verstärkt auf »mobile Klassenzimmerstücke« und 150

»Warten auf Godot« von Samuel Beckett, Regie: Katja Ott, 2011/2012

theaterpädagogische Projektarbeit. Das Kinder- und Jugendtheaterangebot ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Mittlerweile haben wir jährlich zwei bis drei Klassenzimmerstücke, drei bis vier Kinderstücke und zwei bis drei Produktionen für Jugendliche auf dem Spielplan. Daneben finden mehrere Spielclubs und Kooperationen mit Schulen statt. Eine weitere wichtige Entscheidung zu Beginn meiner Amtszeit war die Reduzierung der Gastspiele. Durch die Umstellung auf den Repertoirebetrieb konnten wir die hohe Zahl an kostspieligen und somit oft sehr unwirtschaftlichen Gastspiele reduzieren und verstärkt die Inszenierungen des Theaters spielen. Heute ergänzen wir Abonnements nur noch mit einigen Gastspielen, vorwiegend aus den Sparten, die wir selbst nicht produzieren, also Musik- und Tanztheater. Neben dem Spielplan hatten wir in den ersten Spielzeiten für das festivalaffine Erlanger Publikum ein hausinternes kleines Festivalformat konzipiert: die »Werkschau«. Mit einem vielseitigen Rahmenprogramm, Diskussionsrunden und unterschiedlichen Kooperationspartnern rückten wir bis 2015/2016 in jeder Spielzeit einen Autor ins Zentrum. Dieses Format wurde ab der Spielzeit 2016/2017 zugunsten weniger bildungsbürgerlicher Formate wie das »Utopienfest« oder partizipativer Theaterprojekte mit Bürger*innen wie beispielsweise »Abschaffen+Anfangen« auf dem Rathausplatz mit dem Künstlerkollektiv Turbo Pascal ersetzt.


Die treibende Kraft der Kunst Zeit des Vergessens neu entdeckt, weil man sie wieder gebrauchen kann. Andere werden fortgeschrieben und neu verpackt. Wieder andere sind nur für eine kurze Zeit lesbar und versickern im Sand. Manche sprechen plötzlich die Sprache einer ganzen Generation. Andere wiederum erweitern unerwartet unseren Horizont, obwohl oder weil sie uns fremd sind. Diese Erfahrungen, dieses Archiv gelebten Lebens und sein täglicher wachsender Bestand sind der Treibstoff des Theaters. Und indem wir Theaterleute diese Text auf die Bühne holen, setzen wir uns mit unserer kulturellen Identität, unseren Werten und Normen immer wieder neu auseinander. Zum Beispiel Lessings »Nathan der Weise« wurde im Zuge des Syrien-Kriegs und der vielen muslimischen Geflüchteten zum Stück der Stunde. Das Stück führte 1779 eine Toleranzdebatte, die 2015 wieder für Zündstoff sorgte und eine Auseinandersetzung mit der heutigen Situation ermöglichte. Theater sucht also u. a. im Bestehenden die Innovation, schafft Neues, hinterfragt.

Natürlich ist ein Stadttheater ein »Gemischtwarenladen«, aber im besten Sinne. Die Erzählweisen, die Texte und die ästhetischen Formen sind möglichst verschieden, um den unterschiedlichen Publikumsinteressen gerecht zu werden. Aber ganz gleich, welche Form gewählt wird, es muss immer eine Relevanz haben.

»Frau Müller muss weg« von Lutz Hübner, Regie: Katja Ott, 2012/2013

Alexander Kluge sagte in seiner Grabrede für den Dramatiker Heiner Müller: »… Müller sagte, wenn ein Jahrhundert endet, muss man Bilanz machen. Eine Bilanz, die überhaupt nicht aus Zahlen besteht, wie im Geschäftsverkehr, sondern sie besteht aus Metaphern, aus Behältern, Flaschen, Tiegeln, Kannen, in denen man menschliche Erfahrungen durch die Wüste transportieren kann.« Ein Zitat, dem du sicherlich zustimmen würdest. Ja, sicher. Das Theater und seine Erzählungen sind ein Reservoir menschlicher Erfahrungen. Manche kehren immer wieder, weil sie existentiell sind, unauflösbar zum menschlichen Dasein gehören und von jeder Generation aufs Neue gemacht werden. Manche werden nach einer

151


Die treibende Kraft der Kunst

Eine Inszenierung pro Spielzeit setzt du als Regisseurin um und zeigst dabei eine ganz andere Seite, deine eigene künstlerische Handschrift. Was ist das Besondere daran, eine regieführende Intendantin zu sein? Man könnte natürlich meinen, es sei das Glück der regieführenden Intendantin, die Produktionsmittel, also Probenzeiten und Budget, Besetzung und Stückauswahl, selbst in der Hand und somit größere Freiheiten als Regisseurin zu haben. Leider stimmt das so nicht, denn die Realität sieht oft schon bei der Stückauswahl ganz anders aus: Beispielsweise wenn ein künstlerisches Team, das für eine Inszenierung in der Planung vorgesehen war, Terminschwierigkeiten hat, oder es bedarf eben noch einer Regie auf einer bestimmten Position, dann übernehme ich dies in der Regel. Als Intendantin auch Regie zu führen, finde ich allerdings theaterintern extrem wichtig, denn ich mache mich hier als Künstlerin angreifbar. Das ist entscheidend für die Beglaubigung der Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Die Schauspieler*innen nehmen mich ganz anders wahr, begegnen mir anders und ich erlebe auch die Abteilungen in der Technik oder den Werkstätten aus der Perspektive des kollegialen Miteinanders und nicht nur als Vorgesetzte. Man ringt mit allen gemeinsam um die Sache. Der Nachteil der regieführenden Intendantin, im Gegenteil zu einer freien Regisseurin, ist natürlich, dass ich zwischen den Proben auch noch ins Büro muss. Das ist der ewige Konflikt zwischen der künstlerischen Arbeit und den vielen administrativen Aufgaben einer Intendantin. Die permanente Arbeitsverdichtung ist allerdings grundsätzlich und insbesondere am Theater nicht zielführend, handelt es sich doch um ein reflexives und künstlerisches Berufsfeld.

Rückblickend auf nunmehr neun Jahre Intendanz am Theater Erlangen – wie hat sich das Theater entwickelt und gab es Veränderungen in der künstlerische Ausrichtung? Man kann die Zeit vielleicht grob in drei Phasen einteilen: Die ersten drei Jahre haben wir in erster Linie die oben genannten Schwerpunkte umgesetzt, ein internationales Projekt mit dem Theater Pokoleniy in St. Petersburg (gefördert von der Kulturstiftung des Bundes, dem Förderverein u. a.) durchgeführt, eine große Brandschutzsanierung parallel zum laufenden Spielbetrieb (!) »durchgehalten«, jedes Jahr bei den Bayerischen Theatertagen einen Preis gewonnen und permanent um die Verbesserung unser künstlerischen Arbeit gerungen. Ab 2012 stand die weitere Steigerung der künstlerischen Qualität verstärkt im Vordergrund. Da wir eine Budgeterhöhung von Stadt und Land bekommen hatten, konnten wir nun auch renommiertere Regisseur*innen ho152

»Jeder stirbt für sich allein« von Hans Fallada, Regie: Katja Ott, 2013/2014

Und wie würdest du die Zusammenarbeit mit den Künstler*innen am Haus beschreiben? Als Intendantin begreife ich mich als Ermöglicherin für kreative Menschen und unterstütze immer wieder neue Impulse. Man muss sich ausprobieren dürfen, etwas wagen. Als Regisseurin ist es wunderbar, wenn man Schauspieler*innen oder Bühnenbildner*innen oder Dramaturg*innen oder Musiker*innen immer wieder begegnet und manchmal über Jahre hinweg gemeinsam arbeiten kann. Es gibt dann eine ganz andere Vertrauensebene und Art der Verständigung, eine große Qualität in der künstlerischen Zusammenarbeit. Darin besteht sogar meine Idealvorstellung. Allerdings ist dies an einem kleinen Haus – wie dem Theater Erlangen – nur bedingt möglich, da die Fluktuation dem immer wieder entgegensteht.


Die treibende Kraft der Kunst

»Unschuld« von Dea Loher, Regie: Katja Ott, 2014/2015

nen, verstärkt an den Strukturen im Inneren zu arbeiten, das heißt, an der Verbesserung des Arbeitsklimas, der Kommunikation miteinander, der Organisation innerhalb eines Betriebs, einem transparenteren Entscheidungsprozess. Dies führte u. a. auch zu dem Erstellen eines Leitbildes, an dem alle Mitarbeiter*innen beteiligt waren. Das Theater ist aber auch in Bezug auf die Personalentwicklung gewachsen. Vergleicht man die Finanzlage des Theaters bei meinem Antritt 2009 zu heute, so ist eine deutliche Verbesserung erkennbar. Die Personalkosten machten damals nur 63 Prozent des Gesamtetats aus, üblich sind an deutschen Theatern 75 bis 85 Prozent. Daran ist ablesbar, wie personell unterbesetzt dieses Haus war. Über die Jahre hinweg wurden neue Stellen geschaffen, so dass sich die chronische Unterbesetzung – es fehlen immer noch ein paar Stellen – weitestgehend normalisiert hat. Dadurch können wir insgesamt mehr Produktionen und Projekte erarbeiten, die dann über mehrere Spielzeiten im Repertoire bleiben oder auch an dezentralen Orten gespielt werden können. Mit diesem Fokus auf die eigene Theaterarbeit ging auch eine erhöhte Wahrnehmung des Theaters in der Stadt einher. Ich glaube z. B. nicht, dass heute noch ernsthaft über eine Abschaffung des Ensembles nachgedacht würde, wie es in den 1990er Jahren noch möglich war. Das Theater ist seitdem von Intendanz zu Intendanz gewachsen und hat sich seit 2001 immer weiter zu einem eigenständigen und unverzichtbaren Stadttheater in Erlangen entwickelt. Welche Projekte waren dir neben den Inszenierungen besonders wichtig? Ein mir am Herzen liegendes Projekt ist der vor zwei Jahren ins Leben gerufene Regienachwuchswettbewerb, der jungen Künstler*innen eine Möglichkeit bietet, unter professionellen Bedingungen eine Arbeit bei uns am Haus umzusetzen. Das Erlanger Theater hat sich auch schon in seiner Geschichte immer als Einstiegstheater für junge Künstler verstanden und etabliert. Es liegt also auch in meiner Verantwortung als Intendantin, den Nachwuchs zu fördern. Da Theater im Wesentlichen Kommunikation ist, liegen mir alle Formate am Herzen, die die Kommunikation in der Stadtgesellschaft fördern, besonders zu erwähnen wären hier die themenbezogenen Foyergespräche, die der Förderverein und explizit der erste Vorsitzende Herr Prof. Dr. Engelhardt von Beginn an plant und großartig moderiert. Auf diese Weise wurde auch die kontinuierliche und aktive Zusammenarbeit mit dem Förderverein fortgesetzt.

len und ihnen mittlerweile auch eine etwas bessere technische Ausstattung (Videobeamer, Scheinwerfer, etc.) bieten. Wir fingen an, nicht nur im Theater zu spielen, sondern gingen Kooperationen ein, z. B. spielten wir erstmals in der Stadtbibliothek und in der Hugenottenkirche, »pop! im Theater« mit dem E-Werk wurde gestartet und 2014 haben wir die Bayerischen Theatertage ausgerichtet. Außerdem vernetzten wir uns immer stärker mit den Schulen und das Programm für Kinder und Jugendliche fing an, ganzjährig besser zu greifen. In den letzten drei Jahren probierten wir noch mehr neue Formate im öffentlichen Raum, aber auch auf der Bühne des Markgrafentheaters aus. Es gab große strukturelle Veränderungen durch eine Tarifvertragsverbesserung im Bereich der technischen Gewerke und Gagenerhöhungen für alle künstlerischen Mitarbeiter*innen, deren Gagengefüge deutlich zu niedrig lag. Wir began153


Die treibende Kraft der Kunst Weiterhin liegen mir Projekte und Kooperationen in der Stadt am Herzen. Schon in der zweiten Spielzeit setzten wir gemeinsam mit der Hugenottenkirche und der Polizei das Projekt »Mutwerk« zum Thema Zivilcourage um, unser erstes partizipatives Theaterprojekt. Die Stückentwicklung mit Schauspieler*innen und Erlanger*innen lief über drei Spielzeiten sehr erfolgreich in der »Garage«. Das Bestreben, Partizipation und Teilhabe am Theater zu erweitern und zu verstärken, zieht sich wie ein roter Faden durch alle Spielzeiten. In den letzten Jahren kamen auch größere Projekte in Kooperationen zur Umsetzung: Etwa ein »Odyssee«-Projekt mit der Friedrich-Alexander-Universität parallel zur »Odyssee«-Inszenierung am Theater, ein großes Klimaprojekt mit Schüler*innen und Lehrer*innen der Eichendorffschule, die Garagenproduktion »Neuland« mit einem Schauspieler und Geflüchteten, um nur einige zu nennen. Auch aktuell ist es unser Bestreben, durch neue Formate, externe Spielorte und zusätzliche Vermittlungsangebote Menschen zu erreichen, für die ein Theaterbesuch nicht selbstverständlich ist. In der Jubiläumsspielzeit findet die kontinuierliche kreative Arbeit mit der Bürgerschaft seinen folgerichtigen Höhepunkt in der Gründung einer Bürgerbühne. Im Sinne des »Stadttheaters der Zukunft« möchten wir das Theater auch zukünftig als eines der wichtigsten kulturellen Zentren der Stadt begreifbar und erlebbar machen.

Was wünschst du dir für die Zukunft des Erlanger Theaters? Ich wünsche mir für die nächsten Jahre, das wir uns künstlerisch weiterentwickeln, dass wir Impulse in die Stadt geben können, dass unser Publikum weiter mit uns ringt und sich begeistern kann, dass wir mehr und mehr Menschen erreichen können und dass Theater so für mehr und mehr Erlanger*innen Teil ihrer Lebenswirklichkeit wird. Ich wünsche mir weiterhin Entscheidungsträger*innen in der Kultur, die wie ich der Überzeugung sind, dass Theater nicht nur das Sahnehäubchen der kulturellen Arbeit in einer Stadtgesellschaft ist, sondern ein Zentrum innerhalb der städtischen Kultur darstellen kann. Denn Theater ist ein Ort, der ebenso Kreativität weckt wie gesellschaftspolitische Diskurse anregt. Der in Zeiten der Digitalisierung immer analog stattfindet und allabendlich eine Bürgerschaft einlädt, zusammenzukommen und sich auszutauschen und so auch als ein identitätsstiftender Ort wahrgenommen werden kann. Ich wünsche dem Theater Erlangen und der Stadtgesellschaft eine zeitnahe Generalsanierung mit einer neuen Studiobühne, Seitenbühnen, Probebühnen etc., um so einerseits geeigneten Raum für ein Stadttheater der Zukunft zu schaffen und andererseits manche technische Arbeitsabläufe deutlich zu verbessern. Und ich wünsche mir, dass die Intendant*innen, die mir folgen werden, das Erlanger Theater weiterentwickeln werden.

154


Linda Best

Die Bühne als Ort der Debatte

Das Leichte im Schweren, das Schwere im Leichten: »Die Frau vom Meer« von Henrik Ibsen, »Ein Sommernachtstraum« von William Shakespeare, »Warten auf Godot« von Samuel Beckett (2009/2010 bis 2011/2012) Die gedankliche Durchdringung des Textes und der Figuren ist für Katja Ott kein Faktor, der sich so nebenbei von selbst erledigt. Auf der Textarbeit liegt beim Proben ein klarer Fokus, sie gibt sich nicht mit Halbverstandenem zufrieden. Ein Großteil der Proben besteht aus Lesen, Diskussion, erneutem Lesen, erneuter Diskussion. Diese genaue Analyse hat auch zur Folge, dass in Tragödien zugleich die komischen und in Komödien die tragischen Elemente sichtbar werden – denn wie könnte ein wirklich gewissenhaft untersuchter Stoff nur auf eine der beiden Seiten beschränkt bleiben? Kein Wunder, dass eine kraftvolle Sprache bei der Wahl der Stücke für die Regisseurin eine wichtige Rolle spielt. In den ersten Spielzeiten zeigte sich mit Ibsen, Shakespeare und Beckett bereits ihre Vorliebe für große Bühnenstoffe mit Dialogen, in denen viele Schichten hinter den tatsächlich gesprochenen Worten auszugraben sind. Die Kraft, die in dieser Konzentration auf den Text steckt, offenbarte sich vollends bei einem Gastspiel in St. Petersburg. »Warten auf Godot« sollte in einem Theaterraum gespielt werden, der einen Bruchteil der Größe der Markgrafentheaterbühne maß und nur mit einfachsten Mitteln ausgestattet war. Das Bühnenbild war selbst in der abgespeckten Variante beim besten Willen nicht unterzubringen und wurde von einer bestens gelaunten Katja Ott kurzerhand auf einen einzigen am Boden liegenden Ast und zwei Stühle reduziert. Die Zuschauer saßen zwei Meter von der Bühne entfernt. Obwohl die meisten nur russisch sprachen und es keine Übertitelung gab, verfolgten sie völlig hingerissen die Dialoge und spendeten begeisterten Applaus.

Die Regisseurin Katja Ott

»paradies spielen (abendland. ein abgesang)« von Thomas Köck, Regie: Katja Ott, 2017/2018

Möglichst viele verschiedene Stücke, Formate und Arbeitsweisen zu zeigen, ist Katja Otts Credo als Intendantin. Sie steckt viel Energie in die Suche nach den unterschiedlichsten Regisseurinnen und Regisseuren, die diese Theaterformen entwickeln und vertreten – je weiter diese voneinander und auch von Otts eigenem ästhetischen Ansatz entfernt sind, desto besser. Doch welche Schwerpunkte legt Katja Ott als Regisseurin? Was ist ihr in der Probenarbeit wichtig? Welche Stoffe, Themen, Stücke interessieren sie? Zu ihrem Team gehörten zu Beginn ihrer Erlanger Intendanz die Bühnen- und Kostümbildnerin Ulrike Schlemm und die beiden Musiker Jan-S. Beyer und Jörg Wockenfuß. Pro Spielzeit bringt sie als Regisseurin eine Inszenierung auf die Bühne des Markgrafentheaters.

Moderne Dramatik kommt auf die große Bühne: »Frau Müller muss weg« von Lutz Hübner, »Jeder stirbt für sich allein« nach dem Roman von Hans Fallada, »Unschuld« von Dea Loher (2012/2013 bis 2014/2015) Viel Kondition und ein langer Atem sind nötig, um moderne Dramatik auf die große Bühne einer kleinen Stadt zu bringen. Das Gros der Zuschauer interessiert sich eher für Shakespeare, Goethe oder Brecht als für zeitgenössische Stücke. Katja Ott liebt die Klassiker, aber mindestens genauso wichtig ist ihr das Anliegen, eine Lanze für die Gegenwartsdramatik zu brechen. Seit der Spielzeit 2012/2013 beinhaltet mindestens eine der fünf Premieren im Markgrafentheater die Inszenierung eines zeit155


Die Bühne als Ort der Debatte Ein Hoch auf die Debatte: »Nathan der Weise« von Gotthold Ephraim Lessing, »Angst essen Seele auf« von Rainer Werner Fassbinder, »paradies spielen (abendland. ein abgesang)« von Thomas Köck (2015/2016 bis 2017/2018) Katja Ott ist fest davon überzeugt, dass die beste Leitkultur auf einer guten Streitkultur basiert und dass Theater dazu einen wertvollen Beitrag leisten kann. Die Ereignisse von 2015 stellten die Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Ott probte Lessings »Nathan der Weise« als Eröffnung der Spielzeit. Ein Schwerpunkt der Inszenierung war der Glaube an die Kraft der Debatte, um Religionen und Kulturen miteinander zu versöhnen. Nach der Spielzeitpause stand genau diese Debatte plötzlich in ganz Deutschland verstärkt im Fokus: Die Flüchtlingskrise erreichte ihren Höhepunkt. Die Frage, ob und wie Toleranz und Respekt zu einem gelingenden Zusammenleben führen können, war brisanter denn je.

»Nathan der Weise« von Gotthold Ephraim Lessing, Regie: Katja Ott, 2015/2016

genössischen Stoffs (moderne Klassiker wie Frisch oder Dürrenmatt zählen natürlich nicht). Mittlerweile sind es sogar eher mehrere pro Spielzeit. Lutz Hübners »Frau Müller muss weg« half bei der behutsamen Annäherung an diese Neuerung: Die Handlung der Komödie über eine Grundschullehrerin, die von den Eltern beschuldigt wird, ihre Kinder nicht optimal auf den Übertritt ans Gymnasium vorzubereiten, passte thematisch ausgezeichnet zu Erlangen. »Jeder stirbt für sich allein« war trotz der Bekanntheit von Falladas Roman schon ein größeres Wagnis. Erstmals gehörte der Bühnenbildner Bernhard Siegl mit zum Regieteam. Mit »Unschuld« von Dea Loher inszenierte Katja Ott ein sprachgewaltiges zeitgenössisches Theaterstück für die große Bühne, das weder Komödie noch Romanadaption ist und die Schuld in einer globalisierten, bestens informierten und dennoch schreiend ungerechten Gegenwart in all ihren Facetten thematisiert.

156


»paradies spielen (abendland. ein abgesang)« von Thomas Köck, Regie: Katja Ott, 2017/2018


Die Bühne als Ort der Debatte Die beiden folgenden Inszenierungen führten dieses Thema noch weiter. Fassbinders Drehbuch »Angst essen Seele auf« zeigt, wie eine rassistische Gesellschaft die Integration unmöglich macht, bis eine mutige Liebe fast daran zerbricht. Die Kostümbildnerin Nina Hofmann kam bei dieser Inszenierung neu zum Regieteam dazu. Für die darauf folgende Zweitaufführung von »paradies spielen« des Kleist-Preisträgers Thomas Köck arbeitete Katja Ott erstmal mit einem Videokünstler zusammen: Kai Wido Meyer setzte mit einer sehr poetischen Ästhetik bereichernde Akzente. In der Jubiläumsspielzeit 2018/2019 ist dann mal wieder ein echter Klassiker dran, der aber angesichts der Diskussion um #MeToo und Machtmissbrauch enorm an Brisanz gewonnen hat: Heinrich von Kleists »Der zerbrochne Krug« – auf die Hinterbühne des Markgrafentheaters versetzt.

Linda Best ist Dramaturgin am Theater Erlangen und arbeitete erstmals

rechts: »Angst essen Seele auf« von Rainer Werner Fassbinder, Regie: Katja Ott, 2016/2017

2011 bei »Warten auf Godot« mit Katja Ott zusammen.

158


Robert Naumann

Ein ganz besonderer Ort

ten Stoffe hat mich die Intimität solcher Bühnenräume besonders schätzen gelehrt. Naturgemäß geht damit oft auch eine größere Intimität des Produktionsteams einher, was Fluch und Segen zugleich sein kann. Jeder Schauspieler wird nun im Stillen eine kleine Liste für beides aus dem Stand erstellen können. Doch in meiner Erinnerung – und hier mag ich mich des Erstlingsnimbus vielleicht nicht erwehren können – hat das Erlanger Ensemble oft von einem sehr kollegialen Grundton profitiert, der nur herzustellen ist, wenn eine Leitung die Jonglage zwischen Mut zu ausgefallenen Typen, schauspielerischer Qualität und Integration in ein nicht gerade vielköpfiges Ensemble beherrscht. Das Gleiche gilt für die Regieaufträge. Es gibt in der Theaterwelt die These, dass Häuser, deren Intendanten nicht selbst inszenieren, das spannendere Regieprofil haben, da die Leitung ihre eigenen Arbeiten nicht in Konkurrenz setzen muss. Ich habe die Erlanger Praxis anders erlebt. Fortlaufend um ein heterogenes Feld von Handschriften bemüht und nicht zu feige, auch solche zuzulassen – ausreichende Qualität vorausgesetzt –, die nicht dem eigenen Stil und ich würde so weit gehen zu sagen, möglicherweise nicht einmal dem eigenen Geschmack entsprechen. Das Erlanger Haus folgt damit der langen Tradition des Stadttheaters, nicht nur ein Ort des Widerspruchs zu sein, sondern oft auch der Widersprüche – im Idealfall zum Vorteil aller vor und auf der Bühne.

Lehrjahre auf der Erlanger Bühne Während des Studiums hat man oft die Dozentenweisheit gehört, die eigentliche Ausbildung finde erst am Theater statt. Meine, sie seien also Lehrjahre in Erlangen genannt, sind zweifellos geprägt von einem Nimbus des Ersten. Die erste »eigene« Bühne, das erste »eigene« Publikum. Alles ist zunächst fremd und wundersam – in seiner Wirkung und Nachwirkung nicht unähnlich dem ersten Kuss oder dem ersten Rausch –, also die Art von Erlebnis, welche im Rückblick tendenziell entweder verklärt oder verdammt wird. Oder was sonst nötig ist, um eine gescheite Anekdote daraus zu zimmern. Dem Schauspieler, der zum ersten Mal die Bühne des Markgrafentheaters betritt, fallen möglicherweise zunächst die Dinge auf, die es nicht gibt, Dinge wie Seiten- und Hinterbühne. Wie sehr durch diesen Mangel an schnell verfügbarem Stauraum die Aufrechterhaltung eines Repertoirebetriebes für die Kollegen der Technik erschwert wird, ist dem Zuschauer hoffentlich meist nicht bewusst, denn der Genuss eines Essens wird durch den Gedanken an die in der Küche herrschende Hitze kaum gesteigert. Ich selbst habe erst viel später von der Wiedereinführung des Repertoires in dieser Form mit dem Beginn der Intendanz Katja Otts erfahren. Eine Entscheidung, über die ich sehr froh bin, da das Ansehen eines Theaters kaum zu verlieren hat, wenn es sich entschließt, die Ansprüche an sich selbst zu vergrößern. Der Schauspielerwunsch, jeden Abend etwas anderes sein zu dürfen, klingt abgedroschen, ist aber dennoch ein verbreiteter – wie vermutlich der Wunsch des Zuschauers, etwas anderes sehen zu können. Und zu hören. Denn so fordernd die Stellflächenverhältnisse jenseits des sichtbaren Bühnenraumes auch sein mögen, so ist die Akustik des Saales ein Geschenk für jeden zwar sprachaffinen, aber in der Tendenz schnell sprechenden Jungschauspieler. Einst seien Amerikaner gekommen, so erzählte man uns, die den Bühnenraum vermaßen, mit dem Vorhaben, ihn an anderer Stelle nachzubauen. Ob erstaunliche Wahrheit oder gut erfundenes Schnürbodengarn, ist schwer auszumachen. Dem steht nun die Bühne in der Garage gegenüber, deren wunderbare Sprachverständlichkeit weniger mit der Architektur zu tun hat, sondern vielmehr mit der Nähe von Bühne und Publikum, wie sie einem kaum größer begegnen wird. Dieser Umstand in Kombination mit dem oftmals etwas schrägen Charakter der dort gespiel-

Robert Naumann war von 2009 bis 2015 Schauspieler im Ensemble.

159


Hinter den Kulissen

160


Eine Fotostrecke

161


Hinter den Kulissen

162


Eine Fotostrecke

163


Hinter den Kulissen

164


Eine Fotostrecke

165


Hinter den Kulissen

166


Eine Fotostrecke

167


Hinter den Kulissen

168


Eine Fotostrecke

169


Susanne Ziegler

Vom Kulissenwagen zur Büchse der Pandora

Barocke Bühnentechnik Es ist erstaunlich, mit welch ausgefeilten und kunstvollen Techniken das barocke Theater arbeitete. Die bemalten Kulissen, die am sogenannten »Kulissenwagen« befestigt und auf Rollen in der Unterbühne verschoben werden konnten, waren links und rechts auf der Bühne in Reihen hintereinander angeordnet. Nach hinten kleiner werdend, konnten die Kulissen so einen perspektivischen Eindruck etwa eines Parks oder Säulengangs liefern. Der »Prospect«, ein großes Hintergrundbild, sorgte für den Abschluss und weitere Raumtiefe. Durch ein kompliziertes Seilsystem mit Zügen und Umlenkrollen konnten Kulissenwechsel für eine neue Szene rasch erfolgen – man zog einfach eine alte Kulisse in der Unterbühne heraus und setzte eine neue ein. Auch die Obermaschinerie war technisch anspruchsvoll. So konnten die Sofitten, von oben herunterhängende Dekorationen, die die Oberbühne verdeckten, ebenfalls für Szenenwechsel (etwa von Himmel auf Palast) getauscht werden. Mittels Seilen, die auf einem Wellenbaum gegenläufig aufgewickelt wurden, konnte eine alte herauf- und eine neue Garnitur gleichzeitig herab fahren. Dazu kamen die Wolkenmaschinen, in denen sich sogar einzelne Wolken wie von Zauberhand bewegten. Auch Maschinen für akustische Effekte, z. B. Donner, Wind oder Regen, fehlten in keinem gut ausgestatteten Haus.

Notizen über den Bühnenzauber

Überraschende Verwandlungen und technische Effekte haben im Theater immer schon eine große Rolle gespielt. Doch im Barock, zur Zeit der Eröffnung des »hochfürstlichen Opern- und Komödienhauses« in Erlangen, erlebte der Bühnenzauber einen nie gekannten Höhepunkt: Opulente Opern-, Ballett- und Schauspielaufführungen entstanden an den europäischen Fürstenhöfen, je spektakulärer, desto besser. Schließlich wollte das anspruchsvolle höfische Publikum bei Laune gehalten und das Ansehen der Herrscher vermehrt werden.

Es werde Licht! Der Besuch des Erlanger Theaters darf bis zur Elektrifizierung 1903 getrost als ein Spiel auf Leben und Tod bezeichnet werden. Denn durch die Kerzen- und Gasbeleuchtung kam es in der Theatergeschichte zu vielen verheerenden Theaterbränden. Gottlob blieb das Haus vor Katastrophen wie in Amsterdam 1772, London 1808 oder Karlsruhe 1847 bewahrt. Vor 300 Jahren wurde der Zuschauerraum durch Kronleuchter mit Kerzen beleuchtet, daneben gab es die Kulissenbeleuchtung mit Klappen für manuelles Aufund Abblenden sowie das Rampenlicht, Kerzen oder Öllampen, an der Bühnenkante. Bis heute hat sich die Redewendung »im Rampenlicht stehen« erhalten. Da die Helligkeit im Verlauf der Vorstellung aber rasch nachließ, traten Lichtputzer samt Dochtschere im Kostüm auf, um die Kerzen zu warten. Problematisch waren nicht nur rußende Talgkerzen, die vor allem den Sängerinnen und Sängern zu schaffen machten, sondern auch die Kosten. Oftmals brannten an einem Abend tausende Kerzen auf 170


Vom Kulissenwagen zur Büchse der Pandora bis auf wenige Ausnahmen, verschwunden. Die Obermaschinerie ist heute komplett automatisiert. Zumeist ein Segen, im Falle einer technischen Störung jedoch Fluch. Im Winter 2017 konnte aufgrund eines Obermaschinerieschadens und trotz der schnellstmöglich anberaumten Reparatur sechs Wochen lang keine Vorstellung im Markgrafentheater stattfinden, und das Weihnachtsmärchen zog ins Foyercafé um. Die geplanten Vorstellungen hätten ohne die Instandsetzung nicht oder nur durch große Eingriffe ins jeweilige Regiekonzept gegeben werden können. Die Digitalisierung zog auch in der Licht- und Tontechnik ein: Vom Licht- und Tonpult können alle Vorgänge auf der Bühne gesteuert und der komplette Theaterabend mit seinen verschiedenen abgespeicherten Lichtstimmungen und Toneinsätzen abgefahren werden. Dazu kommen immer mehr Videotechnik, Filme und Bilderwelten, die z. B. mit Hilfe der Hardware-Komponente »Pandoras Box« auf die Dekorationen oder Bühnenteile projiziert werden. Doch nicht alles, was technisch möglich ist, darf man auch umsetzen. Pyrotechnische Effekte müssen vorab geprobt und durch den Brandschutz genehmigt werden. Ein Klassiker des Bühneneffekts, der Nebel, ist im Markgrafentheater heute noch ein heikles Unterfangen. Kaum eine Nebelprobe erfolgt, ohne dass früher oder später die Feuerwehr anrückt, weil der Nebel durch eine der Ritzen in die Unterbühne oder das Foyer dringt und der Rauchmelder anschlägt. Weniger ist nicht nur in diesem Sinne manchmal mehr. Denn ob manuell oder maschinell unterstützt – im Zentrum jeder Inszenierung stehen, damals wie heute, die Künstlerinnen und Künstler.

der Bühne und im Zuschauerraum ab. Die Argand-Lampe, die mit Pflanzenöl oder später Petroleum betrieben wurde, schaffte von Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts zwar mehr Helligkeit, entzog der Luft aber Sauerstoff, was zu Ohnmachten und Kopfschmerzen im Publikum führte. Der gVe, der 1876 die Geschicke des Theaters übernahm, führte rasch eine Gasbeleuchtung ein, doch auch diese hatte ihre Tücken: die starke Wärmeentwicklung im Zuschauerraum und auf der Bühne und die nicht minder hohe Brandgefahr.

Erlanger Nachrichten, 26.09.1984

Zurück in die Zukunft Schauspieler des 18. oder 19. Jahrhunderts würden wohl mit weit aufgerissenen Augen einer heutigen Aufführung im Markgrafentheater beiwohnen. Und das, obwohl das Haus aufgrund seines barocken Erbes die Standards anderer, neuer Theater nicht bietet – es gibt keine Seitenbühnen, in denen Bühnenbilder verstaut werden können, keine Hubpodien, die spektakulär Teile des Bühnenbodens versenken, hochfahren oder schrägstellen, keine Drehbühne. Die vielen Bühnentechniker, die früher mit bloßer Muskelkraft alle Bühnenteile für die Umbauten auf einen neuen Akt bewegten oder Handzüge bedienten, sind, 171


Erlanger Nachrichten, 13.01.1962


Dieter Stoll

Trojanisches Pferd im Galopp oder: Wie das kleine Schlauchboot zum Schlepper wurde

senz in der »Provinz« als politischen Kulturauftrag abzuhaken hatte. Die Produktions-Versandhäuser zwischen Basel und Berlin waren spezialisiert darauf, mit prominenten Schauspielern für die Hauptrolle und faltbarer Kulisse für den Hintergrund dem Publikum in sanftem Schwung über mittelschwellige Kunst zu helfen. Das hatte für gewisse Zeit subtilen Reiz: Einen Ufa-Reststar wie Lil Dagover mit dem Junior Thomas ihres Alt-Kollegen Willy Fritsch beim Dialog-Austausch milder Literatur zuzusehen, echte Burrrrrgschauspieler a. D. mit naturbelassener Klassik zu erleben (reife Herren, vokal völlig unkaputtbar, spielten den jungen Faust mit straff zurückgekämmtem Haar und den alten mit Struwwel-Frisur – oder war’s umgekehrt?), den sowohl für Fritz Kortner wie für James Bond interessanten Klaus Maria Brandauer beim livehaftigen Mehrwert-Abschöpfen seiner Popularität zu bestaunen. Selbst er, der für energische Distanz zur Presse berühmt war, ließ sich nicht lange um ein Interview bitten. Die Erlanger Freizeit zwischen den Vorstellungen wollte gefüllt sein, so bekam der Kulturjournalismus denkbar beste Rahmenbedingungen. Behauptet mein Langzeitgedächtnis.

»Dantons Tod« von Georg Büchner, Regie: Mario Portmann, 2013/2014

Momentan fällt mir grade der Grund dafür nicht ein, aber den Festakt zur Eröffnung des »hochfürstlichen Opernund Komödienhauses« in Erlangen mit Bauherr Markgraf Georg Wilhelm habe ich verpasst. 250 Jahre später, anno 1969, da wiederum war Durchlaucht wegen höherer Gewalt verhindert und wurde beim unverzichtbaren Grußwort von einem Oberbürgermeister vertreten, saß ich auf historisierend nachgepolstertem Klappsitz. Da war ich jüngster Mitarbeiter, später Redakteur im Feuilleton-Ressort der Nürnberger Abendzeitung, das auch die Theater-Szene in Erlangen beobachtete. Obwohl: Eigentlich gab es dort ja gar keine. Jedenfalls keine eigene. Sondern im morbide edel aus Vergangenheiten ragenden Haus einen pragmatisch aus der Gegenwart schöpfenden Shopping-Spielplan nach Selbstbestimmungsmodell, von Akteuren des Theatervereins gVe als Gastspiel-Arrangement eingekauft. Hauptsächlich bei üppig florierenden Tournee-Unternehmen, ausgeschmückt von gelegentlichen Rosinenpäckchen des Münchner Staatstheaters, das Prä-

173


Trojanisches Pferd im Galopp … Maria Becker und die hypnotisierten Karnickel Unvergesslich aus diesen Jahren mehrere Begegnungen mit Maria Becker. Sie zählte einerseits zu den »Grande Dame«-Größen der etablierten Staatsbühnen in Deutschland und der Schweiz (in München war sie der erste weibliche Mephisto, spielte dort widerwillig auch Thomas Bernhard) und betrieb gleichzeitig mit ihrem Familien-Clan die »Schauspieltruppe Zürich«. Ein fleißiges Unternehmen zwischen »Lysistrata«-Klassik und »Feuerwerk«-Singspiel, das zeitweilig den harten Kern des Erlanger Spielplans auszumachen schien. Sie verfiel sofort in den Kampf-Modus, wenn man leise Zweifel am Tourneetheater äußerte. Warum sie diese dauernde Rundreise-Alternative zu sich selbst für nötig hielt, war ihr ein donnerndes Egotrip-Bekenntnis wert: »Es geht um uns, die wir spielen«. Dabei verwies sie mit bühnenreifer Empörung aus dem ganz schweren Fach aufs »Unbehagen an den Zuständen«, die ihr rundherum unangenehm auffielen: »Junge Schauspieler, die wie hypnotisierte Karnickel darauf warten, irgendwo hingesetzt zu werden«. Sagte sie mir 1976 in Erlangen und erzählte vom »geisterhaften Erlebnis« im Großbetrieb des Düsseldorfer Schauspielhauses: »Als ich dort hinkam, konnte mir in der Verwaltung niemand sagen, wo die Probebühne ist«. Um Karnickel-Hypnose ging es dann in den »Siebzigern« in Erlangen aber nicht, eher um die imaginäre Futterkrippe für ein Trojanisches Pferd. An der Berufung von Manfred Neu als »Leiter« des noch längst nicht vorhandenen Kinder- und Jugendtheaters ließ sich verfolgen, wie Gedankenfreiheit ihre Eigendynamik entwickelt. Denn während kulturpolitische Sprachregelungen den vereinsmäßigen Spielplanern die Besitzstandswahrung im Markgrafentheater versprachen (Freiraum nur für die Inszenierung eines einzigen autonomen »Weihnachtsmärchens« pro Jahr, hieß es da), baute der in jeder Hinsicht unkonventionelle Pioniertäter Manfred Neu in der stillgelegten Feuerwehr-Garage nebenan seine aus Resterampe-Mobiliar und Kreuz-und-Quer-Gedanken improvisierte Studiobühne mit Kommunikationshaltestelle am Tresen. Dort konnte er Kleinkunst-Gastspiele wie Modell-Miniaturen präsentieren, ein Ensemble für erste Eigenbau-Testversuche formen und dieses Anhängsel am Traumschiff »MGT« tauglich machen für den unheimlichen Positionswechsel vom Schlauchboot zum Schlepper. Der andere Tonfall erreichte 1981 bei Woody Allens Himmels-Szenen »Gott« eine geradezu überirdische Stufe, aber bis zur Bewegungsmeldung im großen Haus hat es noch gedauert.

Dabei knallte die Initialzündung bereits in der zweiten Saison, Ende 1976. Eröffnet wurde sie nach alter Sitte standesgemäß mit »Der Brandner Kaspar und das ewig Leben« vom staatlichen Residenztheater – ja, sehr nett und sehr gestrig, immer wieder – und danach machte der Boandlkramer dem Rotkäppchen Platz fürs Training in Wolfs Revier. Floh de Cologne, das »linke« Rock-Kabarett aus Köln, hatte Grimms Märchen mit der blutspritzenden Moral als Erlanger Auftragswerk übernommen und daraus im fürstlichen Rahmen ein proletarisches Tapferkeits-Musical gezaubert: »Wenn ein Freund nach Hilfe schreit, ist zum Fürchten keine Zeit«, wird da zu »Hoch die Löffel« im Hasenmarsch mit E-Gitarre skandiert. Ob groß oder klein, alle staunten über die schöne Bescherung. Ich sowieso. Und selten sah man danach so viele Erwachsene als Begleitpersonal im Kindertheater. Zu erleben war – in Humor, Ästhetik und Publikumsnähe – nicht weniger als 174

Brief von Abonnenten ans Theater, 15.05.1992

Systemwechsel durch die Hintertür


Trojanisches Pferd im Galopp …

»Die Präsidentinnen« von Werner Schwab, Regie: Andreas Hänsel, 1995/1996

Die gesträubten Haare der Theaterwissenschaft Tatsächlich zeigte der Trend, schon zuvor bei Andreas Hänsels Theaterleitungs-Übernahme im Jahr 1989, nicht auf Großraum-Lösungen, sondern auf gezielten Eigenbedarf. Er durfte als Erster auch für den Abonnentenstamm produzieren. Heiner Müllers »Quartett« und Werner Schwabs »Präsidentinnen« sind mir in Erinnerung, selbstbewusste »Fremdkörper« im Markgrafentheater-Standard, ganz besonders sehenswert wegen der Entdeckung der Schauspielerin Adele Neuhauser. Intendantin Sabina Dhein definierte ab 2002 die Ermöglichung als persönliches Berufsbild. Haus-Autor Marc Becker und Puppenspieler Tristan Vogt entwickelten denkwürdige »macbeth«-Szenen, bei »Wir im Finale« waren Fußball und Nationalstolz in erheiternder Verklärung umschlungen und dank Hausregisseur Christian von Treskow blickte man plötzlich mit anderen Augen auf »Hamlet«, wo im dänischen Königshaus alle auf viel zu großen Stufen um Haltung rangen. Die Intendanz Katja Ott ist seit 2009 ein laufendes Verfahren. Das damals endlich zum »Stadttheater« ernannte Institut litt zuvor darunter, dass bei der Politik die Bereitschaft zur angemessenen Finanzierung mit der Erwartung an großformatige Bühnen-Ereignisse nie Schritt halten konnte. Ott setzte das Größtmögliche, Goethes »Faust«, an den Beginn und balanciert seither auf dem hohen Bogen zwischen Klassik und Gegenwart, Stadt- und Weltgeschichte, Tiefsinn und Entertainment. Immer der Spreizung gewiss, die zwischen fordernder Bildungsbürgerschaft und zu förderndem Jung-Publikum besteht. Ich muss einräumen, dass mich die eingesammelten Videobotschaften im volksnahen Rechercheprojekt »Wer ist Erlangen?« eher verzweifelnd »Hinterm Horizont geht’s weiter« summen ließen. Aber die Frechheit, den Büchner-Kampfklassiker »Dantons Tod« (Regie: Mario Portmann) in die Niederungen der Popkultur zu reißen und dort tatsächlich zu verankern, hat über alle gesträubten Haare der Theaterwissenschaftler hinweg meinen vollen Respekt. Das Markgrafen-Haus macht »Stadttheater«, und das gibt es ernsthaft nur noch als gedankliche Wanderbaustelle. In den letzten fünfzig Jahren herrschten Himmelssturm und Nabelschau, in den nächsten wird es mindestens so »anders« sein. Hoffentlich! Nur eins wollen wir festhalten: Rotkäppchen wartet im Rettungsboot.

ein Phantom von Systemwechsel durch die Hintertür. Bis das als Normalfall im Spielplan ankam, brauchte es fünfzehn Jahre. Manfred Neu sollte in Erinnerung bleiben als das erste Trojanische Pferd, das mit den Hufen scharren und zum Sprung ansetzen konnte. Er wollte die Erlanger Theater-Szene aufschrecken, also druckte er in seiner Theaterzeitung eine kritische Bestandsaufnahme, in der Möglichkeiten gemeinsamer Reformen im Städte-Großraum mit dem herrschenden Dämmer-Zustand vor Ort verglichen wurden. Große Empörung, klammheimliche Freude. Es war ein kulturpolitischer Wach-Traum mit vorhersehbarem Abwehr-Reflex: Die Halbmillionen-Stadt Nürnberg und ihre jeweils über die 100 000-EinwohnerHürde gesprungenen Nachbar-Kommunen Fürth und Erlangen verbinden die nebeneinander organisierten Theater zu abgestimmter Vielfalt. Der emanzipierte Zuschauer wurde lange vor der »Metropolregion« schon mitgedacht. Das Ideenspiel erreichte grade mal mittlere Podiumsdiskussions-Reife. »Meinen Sie wirklich, die Bürger wollen das teure Theater der Nachbarstadt mitbezahlen?«, brachte es ein Stadtrat absch(l)ießend auf den Punkt. Etwa zwanzig Jahre später, Wulf Konold leitete in Nürnberg und Sabina Dhein in Erlangen die Kommunalbühne, produzierte man gemeinsam im Markgrafentheater für drei Spielzeiten Kammeropern aller Art. Weil Nürnberg sein Opernhaus renovierte und das Erlanger Haus sowieso oft leer stand. Das Wort »Konzept« drängt sich nicht auf. Die Amtsnachfolger fanden es eh nicht so prickelnd, damit war der Fall erledigt.

Dieter Stoll ist freier Autor und Kritiker (Die Deutsche Bühne, nachtkritik.de, CURT-Magazin) und begleitet das Theater Erlangen seit den 1970er Jahren u. a. als Kultur-Ressortleiter der Abendzeitung Nürnberg.

175


Herbert Heinzelmann

Warten und frieren

zu rezensieren. Da war ich noch nicht Theaterredakteur der Nürnberger Zeitung. Da war ich freier Mitarbeiter am Ende seines Studiums. Zu spät geboren für die ästhetischen und erotischen Orgien der 1968 abgeschafften Studententheater-Wochen (von denen mir vor allem ein fest bestallter Kritiker-Kollege der Schwesterzeitung mit erigierten Pupillen vorschwärmte), interessierte mich das Erlanger Bühnenleben menschlich und journalistisch erst, seit 1975 die Garage eröffnet worden war. Das war eine Spielstätte, wie sie damals bei meiner Generation ankam. Eng, experimentell, verraucht, und Bier gab es auch. In der Garage versuchten Erlanger unter dem Intendanten Manfred Neu Theater für Erlanger zu machen. Gastspiele machten den Jungkritiker nicht neugierig. Die konnte er im Stadttheater Fürth genauso sehen. Sogar ab und zu in Nürnberg, wo er wohnte und oft genug darüber schrieb. Sie verhießen selten Gutes, waren oft sehr konventionell und deswegen eben »schauerlich«. Doch über den institutionalisierten Gastspielbetrieb im Markgrafentheater hatte ich mich zu dem Zeitpunkt überhaupt noch nicht informiert. Erst später sollte ich, weil der Kritiker ja auch Kulturjournalist ist, in die Erlanger Auseinandersetzungen um diesen Betrieb eingreifen. Sicherlich habe ich mir keine Gedanken gemacht, ob das barocke Umfeld irgendwie auf den Kritiker einwirkt. Im Barock, so sagt man, gab es den Beruf noch gar nicht. Das glaube ich aber nicht. Theaterkritik gibt es, seit irgendjemand etwas vorgespielt hat und jemand anderes darüber maulte oder meinte: Das war toll. Im Barock war der Kritiker übrigens viel gefährlicher, als es der schärfste Großkritiker heute sein kann. Da hieß er Zensor und hatte die Macht, eine Aufführung abzusetzen, wenn sie dem Hof unzumutbar erschien. Doch auch ohne Zensor funktionierte die öffentliche Meinung ganz gut, vor allem wenn der Theatermacher anderer Meinung war. Molière musste das leidvoll erfahren, als er die Preziösen, die eingebildeten Kranken oder die Geizigen in seinen Stücken der Lächerlichkeit preisgab. Es geht die Legende, dass ihn einmal sogar der Sonnenkönig selbst in Schutz nahm. Der Sonnenkönig als Kritiker, der sich vor eine ungeliebte Inszenierung stellt … Da sind wir mitten im Meinungsstreit über die Aufgabe des Kritikers. Vertritt er das Publikum gegenüber dem Theater oder das Theater gegenüber dem Publikum? Ach, weder noch. Er kann doch immer nur sich selbst vertreten. Seine Begeisterung, sein Unbehagen, seine Ratlosigkeit, seine Wut. Reden wir nicht über die Wut, die der Theaterkritiker selbstverständlich genauso begründen SOLLTE wie die Begeisterung, von der die Theaterfamilie oft behauptet, er sei dazu nicht fähig.

Ein Kritiker im Markgrafentheater Es muss saukalt gewesen sein in der Hugenottenstadt, als ich das aristokratische Opernhaus erstmals in der Dienstkleidung des Kritikers betrat. Davon zeugt der erste Absatz der später gedruckten Rezension: »Die Begleitumstände des Gastspiels der Schauspieltruppe Zürich im Erlanger Markgrafentheater machten am Samstagabend frösteln. Der Beginn war mit Verspätung geschlagen. Die Bühnentechnik rumpelte und rauschte wie einst im Barock. Und die Heizung lief auf so niederen Touren, dass die Damen in der Pause wieder in ihre Mäntel krochen. Nichts als Zumutungen.« So war es am Montag, 22. November 1976, im Feuilleton der Nürnberger Zeitung zu lesen. Der Jungkritiker hatte journalistisch vieles richtig gemacht. Schon einleitend benannte er das Wann, das Wo und das Worüber seines Textes. Er beschrieb Umstände und er deutete Meinung an. Besonders feinsinnig war seine Anspielung auf die Barockarchitektur des Schauplatzes, verbunden mit der Feststellung unzulänglicher technischer Begleitumstände. Da lassen sich die letzten Worte der Kritik über eine Aufführung des ziemlich verschollenen Stücks »Das Interview« von dem seit geraumer Weile dahingeschiedenen österreichischen Dramatiker Hans Krendlesberger bereits vorausahnen: »Höchst schauerlich«. Der Theaterkritiker waltete seines Amtes: Er gab ein Urteil über ein theatrales Erlebnis ab. Das ist seine Position in der Familienaufstellung eines Bühnenbetriebs: Der von außen kommt und richtet. Es soll Theatermenschen geben, die ihn nicht zur Familie zählen: ein Außenseiter, krätzig, die Seuche, der Widersacher mit der Freikarte im Haus (in dem sich sonst alle, alle, alle ganz arg lieb haben). Aber er gehört dazu. Er spielt seine Rolle. Und gerade im Theater ist das doch entscheidend. Falls er übrigens mal eine Hymne schreibt über ein theatrales Familienprodukt, dann kann er sehr leicht ins Zentrum des familiären Postpremieren-Taumels rücken. Dann wird auch er ganz arg lieb gehabt. Aber erst mal stand ich 1976 im Markgrafentheater und fror. Das war lange vor zahlreichen Umbauten und Aufpolierungen des Zuschauerraums. Da hatte er noch ein bisschen Scheunencharakter. Die Sitze waren um einiges harscher als heute. Und die Abgänge von der Parkett-Plattform zu den Ausgängen wirkten weitaus abgründiger als jetzt. Ich war nicht das erste Mal im Markgrafentheater, aber erstmals mit dem Auftrag, ein Gastspiel 176


»Odyssee – Eine Heimsuchung« nach Homer, Regie: Juliane Kann, 2015/2016

Warten und frieren

ter-Festivals mit ihren einander überlappenden Vorstellungen habe ich gelernt, wie sich Becketts Wladimir und Estragon fühlen müssen, wenn sie auf Godot warten. Der Vorhang muss doch aufgehen! Der Vorhang wird schon aufgehen! Der Vorhang bleibt geschlossen! Beckett: »Wir gehen? Gehen wir! Sie gehen nicht von der Stelle.« Die Verleihung der Max und Moritz-Preise auf dem Internationalen Comic Salon glich ebenfalls oft dem Warten auf Godot. Aber da war ich jahrelang in anderer Rolle dabei. Als Juror hast du deinen Auftritt auf der Bühne, verliest eine Laudatio, schüttelst einem Preisträger die Hand, wirst von Hella von Sinnen mit einem Spaßwort geschmückt. Der Kritiker ist an die Rampe gewechselt. Kann sein, dass er sich seinerseits der Kritik aussetzen muss, wenn er – zum Beispiel – in die Rolle des Moderators schlüpft – etwa beim Poetenfest. Da hatte ich wohl den größten Hänger überhaupt auf einer Bühne. Das war 1997. Ein Gesprächspartner ließ mich hängen. Es sollte um ein brisantes Thema gehen: »Deutsche Juden – feige Deutsche: die heikle Normalität«. Doch einer von zwei

Es ist noch nicht so lange her, dass ich über ein Odysseus-Projekt im Markgrafentheater schrieb: »Eine große artistische Leistung des Darstellers Martin Maecker. Eine gut nachvollziehbare Annäherung der Regisseurin und Bühnenbildnerin Juliane Kann mit dem Spielmaterial des Theaters an eine alte Geschichte, die weiterhin von uns Heutigen erzählt.« Begeisterungsfähigkeit ist also vorhanden. Zwischen 1976 und 2019 habe ich nicht ununterbrochen über die Inszenierungen des Theater Erlangen geschrieben. Man verändert auch als Kritiker seine Zuständigkeiten. Und plötzlich findet man sich auf der anderen Seite des Vorhangs. Das Theater ist ja nicht nur der Ort der Premieren und des Repertoires. Es präsentiert darüber hinaus viele kulturelle Events der Stadt: Lesungen, Diskussionen, Festivals, Preisverleihungen. Ich glaube, ich habe nirgendwo anders so viel Lebenszeit in den Akt des Wartens investiert wie im Markgrafentheater (die Verspätungsfreudigkeit des Hauses wird in der ersten Kritik bereits benannt). Während diverser Figurenthea177


Warten und frieren Teilnehmern wollte überhaupt nicht diskutieren. Das kannte ich nicht. Jede Frage, jede Provokation ging bei ihm ins Leere. Es war, als hätte ich meinen Text vergessen – und nirgends gab eine Souffleuse das Stichwort. Erstarrung. Schweiß auf der Stirn. Irgendwann ging das über die Runden. Es gab barmherzigen Applaus. So kennt der Kritiker also den Abgrund, in den der Schauspieler blickt, wenn er in den Zuschauerraum schaut. Da blenden die Scheinwerfer ins Auge, die ihn ins Licht setzen. Unten ist es schwarz. Ein paar Notausgang-Lichter geben ein wenig Orientierung. Die Struktur der Logen ist nur zu ahnen. Da sitzt du dann im Gespräch mit dem grandiosen Schauspieler Josef Bierbichler, der gerade aus seinem Roman »Mittelreich« gelesen hat und dem der Ruf vorauseilt, er könne im Umgang ein Berserker sein, und du merkst, dass er innerlich immer unwirscher wird, immer brummiger auf deine Fragen reagiert. Da wächst der Abgrund. Er wird zum Schlund. Das sind die Augenblicke, da der Kritiker seine Sensibilität schmiedet, nicht die wohlschmeckenden Verrisse einfach so herauszuschleudern, wenn er selbst wieder im Abgrund sitzt in seiner Funktion als Kunstrichter. Aber das wird ihm weiterhin nicht gelingen. Manchmal mutet ihm die Bühne Undurchdachtes zu, Konzeptloses, miese Stückauswahl, Schauspieler, die machen was sie wollen und können, statt einer Interpretation zu dienen. Und Timing ist sowieso ein Grundproblem mancher Regisseure. Ich verlange seit langem vergeblich einen Grundkurs in Streichen und Kürzen bei den Theaterwissenschaftlern. Da rüttelt sich wieder das verbale Handwerkszeug des Kritikers zurecht. Der Kritiker steht irgendwie zwischen Baum und Borke. Findet er eine avantgardistische Inszenierung gut, legt er sich mit dem konservativen Teil des Publikums an. Der war jahrzehntelang in Erlangen dominant, solange es im Markgrafentheater hauptsächlich ein Gastspielprogramm gab. Gastspiele müssen an vielen Orten gefallen und sich verkaufen und riskieren deswegen ästhetisch wenig. Als es in Erlangen am Ende der 1980er Jahre kulturpolitisch darum ging, einen Theaterleiter zu etablieren, der mehr eigenes Theater auch auf der großen Bühne machen sollte, musste sich der Kritiker positionieren. Und auch Feuilletonisten sind sich nicht immer einig, obwohl ihnen verschwörungstheoretisch gestimmte Leser das gern unterstellen. Ich bin – inzwischen als Redakteur – in der Nürnberger Zeitung immer offen für Veränderungen am Theater Erlangen. Kollegen der Erlanger Nachrichten vertraten auch andere Ansichten. Der Kritiker kungelt kulturpolitisch mit. Das war immer so. Er muss dann schlucken, wenn die Stadtgremi-

en so entscheiden, wie er wollte. Denn die Entscheidung kann sich im Nachhinein als schwer verdaulich erweisen. Ich habe seit 1989 fünf Intendantinnen und Intendanten des Theater Erlangen erlebt. Und wahrlich war ich nicht mit jeder ihrer Produktionen glücklich, die ich als Kritiker bewerten durfte. Nur meine Unterstützung für die Arbeit mit einem eigenen Ensemble habe ich nie bereut. Theater muss in seinem eigenen Umfeld gären, wenn es mehr sein will als Abendunterhaltung. Und wie es gären kann, haben wir erlebt, als 2003 das umstrittene U-Boot-Drama »Die Wölfe« auf die Bühne kommen sollte. Verhinderungsversuche der Premiere dieses im NSDAP-Umfeld geschriebenen Stücks gab es zuhauf. Ich habe immer gesagt: Lasst doch den Vorhang aufgehen – dann können wir urteilen. So ist es passiert. Es war, wie häufig, viel Lärm um wenig. Aber irgendwie brauchen wir diesen Lärm am Theater vor und hinter der Bühne. Reibung macht Funken. Auch die zwischen einem Ensemble und den Kritikern. Es wird erzählt, hinter dem Markgrafentheater sei einmal ein Kollege von einem Intendanten verprügelt worden. Vielleicht ist es ein großes Defizit, dass mir das nicht passierte. Habe ich zu wenig Ärgernis erregt? War ich zu bedeutungslos? Oder habe ich einfach zu gut mitgewirkt im Erlanger Maskenspiel zwischen der Herausforderung des Zeigens und der Reaktion des veröffentlichten Meinens? Letztlich ist auch der Kritiker nur eine kleine Rolle im großen Welttheater. Und weil er das Theater liebt, ist er froh, dass ihn das Schicksal in dieser Rolle besetzt hat. Herbert Heinzelmann ist Publizist, Journalist und Medienpädagoge.

178


Manfred Koch

Hundertprozent live

und über den bisherigen Saisonverlauf nachgedacht. Tolles Gespräch, inklusive Hildebrandt’schen Erinnerungen an jahrzehntelang zurückliegende Auftritte im Markgrafentheater, und dann, ganz am Schluss, kam sie doch noch, die Frage an die Presse: »Was glauben Sie, wird der FC Augsburg heuer in der Ersten Liga bleiben?« Gut, dass man vorbereitet war. (Die Antwort sollte sich im Übrigen als richtig erweisen.) Kinder- und Schultheater ist stets dermaßen live, liver – weil spontan und unverblümt – geht es nicht. Da wird agiert ohne Angst vor irgendwem oder irgendwas. Schultheatertage anno irgendwann: Fünftklässler in großer Besetzung, das Markgrafentheater übervoll mit Eltern und Verwandten. Schlussapplaus, fünfzehn von sechzehn Akteuren treten in geordneter Reihung nach der Zuschauerhuldigung drei Schritte zurück, nur ein einziger blonder Wuschelkopf bleibt am Bühnenrand stehen, nimmt gebannt und mit offenem Mund den brandenden Applaus aus dem Parkett und von den Rängen entgegen. Gebannt, mit großen Augen. So fühlt sich das also an, wenn man im Mittelpunkt steht. Erstes Gelächter ob dieses Moments mischt sich in den Beifall, bis sich einer der Mitspieler des Jünglings erbarmt, nach vorn kommt und ihn am Ärmel zupft. Der Nachwuchsmime, dergestalt unsanft aus seiner Kontemplation gerissen, schaut sich verwirrt um, sieht seine fünfzehn Kollegen drei Meter hinter sich, wird puterrot im Gesicht und rennt im Schweinsgalopp in diese Menschenmauer. Vielleicht hat er diesen Moment so wenig vergessen wie ich. Und dann gibt es ja immer diese (Premieren-) Partys. Mit Stimmung und Alkohol. Ganz besonders ist die Opening-Night-Party eines Arena-Festivals der Studierenden in Erinnerung geblieben. Viel los im unteren Foyer und im Theaterinnenhof, das Motto lautete »Untergang« (glaub ich zumindest). So hieß auch ein extra kreierter, selbstredend alkoholischer Cocktail, der in einem Halbliter-Glas serviert wurde, nur ein einziger Eiswürfel, sonst nur Getränk. Das sollte an diesem Abend, der bis dahin alles andere als abstinent verlaufen war, der Tagesdigestif werden. Wurde er auch, aber anders als geplant. »Untergang« eben. Die unappetitlichen Details dieser Haltlosigkeit verschweige ich beschämt. Theater ist schön. Und das »Drumherum« auch. Ganz ehrlich.

Ungeordnete Erinnerungen eines Kritikers Ach, ja. 300 Jahre. So lange gehe ich noch nicht ins Theater. Wer weiß, was in den ersten 275 Jahren alles so passiert ist in diesem ganz speziellen »Haus der Kultur«, das Heimstatt war für garantiert Vieles und sehr viel Verschiedenes. Natürlich, die berühmte »Hemmschwelle« (das ist die, die das reale Leben »draußen« von dem das reale Leben reflektierenden »Drinnen« trennt) muss jeder irgendwann zum ersten Mal überschreiten. Entweder, weil er muss, da er Schüler ist und der Deutschlehrer pädagogischen Zwang ausübt, oder weil er neugierig ist. Neugierig auf das, was da drinnen passiert. Danach winkt man entweder irritiert, vielleicht auch gelangweilt, ab – oder kommt wieder. Nach 25 Jahren regelmäßigen Theaterbesuchs kenne ich alle diese Reaktionen am eigenen Leib – und sogar noch einige mehr. Es ist doch so: Theater schafft Emotionen. Deswegen geht man doch hin. Okay, das ist eine Binsenweisheit, aber oft spielen sich die schönsten, auch die nachdrücklichsten Momente oftmals im Dunstkreis der Aufführungen, also im und beim »Drumherum«, ab. Ungeordnete Erinnerungen: Ich schwöre, dass ich das Markgrafentheater niemals so voll mit Menschen erlebt habe wie bei Werner Schwabs »Die Präsidentinnen«, der Erfolgsinszenierung des Intendanten Andreas Hänsel Ende der 1990er Jahre. Eigentlich ein Stück für die kleine Spielstätte und mit dem heutigen TV-Krimi-Star Adele Neuhauser, die damals festes Ensemblemitglied war, in einer der Hauptrollen, zog Hänsel wegen der großen Nachfrage von der Garage ins große Haus um. Ungelogen: Selbst im dritten Rang gab es nur noch zwei Stehplätze. Viehtransporter auf dem Theaterinnenhof: Ein Hüttendorfer Landwirt trieb echtes Milchvieh auf die Bühne, weil eine Tourneebühne das ländliche Familiendrama eines amerikanischen Dramatikers möglichst naturalistisch ins Bild rücken wollte. Also: ein improvisierter Stall im Markgrafentheater mit wiederkäuenden und permanent heftigst Wasser lassenden Kühen. Mehr Realismus war nie! Die Markgräfin wäre bestimmt ohnmächtig geworden. Solo-Abend Dieter Hildebrandt, mit Presse-Interview vorneweg in der Künstlergarderobe: Der Kabarettist, das wusste man, ist beinharter Fußball-Fan, die Sprache wird in jedem Fall auf den Rasensport kommen. Also schnell noch die aktuelle Bundesliga-Tabelle gecheckt

Manfred Koch begleitet das Theater für die Erlanger Nachrichten seit 1995.

179


Der Glamour-Faktor

Stradivari, alle Musik des Herzens zum Tönen bringen.« Auf dem Spiegel im Foyer des 1. Rang rechts kann man noch heute seine Zeichnung eines Adlers bewundern. Die französische Schauspiellegende Jean Marais zeigte 1987 im Markgrafentheater »Cocteau Marais«, eine Hommage an seinen Mentor und Lebensgefährten. Zu den »Internationalen Theaterwochen der Studentenbühnen«, die zwischen 1949 und 1968 stattfanden, kamen Günter Grass, Friedrich Dürrenmatt und Hans Magnus Enzensberger. In den 1960er Jahren gaben sich die Bühnen-, Filmund Fernsehschauspieler buchstäblich die Klinke des Bühneneingangs in die Hand, darunter Boy Gobert, Josef Meinrad, Will Quadflieg, Martin Benrath, Maria Schell und Gustav Knuth. Georg Kreisler sang seine bissigen Lieder und die Münchner Lach- und Schießgesellschaft mit Dieter Hildebrandt provozierte das satte Wirtschaftswunder-Publikum mit politischem Kabarett. Auch in den 1970er Jahren fühlte sich die Prominenz in Erlangen wohl. Horst Tappert, besser bekannt als »Derrick«, spielte Willy Loman in »Tod eines Handlungsreisenden«, die Fassbinder-Muse Hanna Schygulla und Götz »Schimanski« George waren genauso vertreten wie Curd Jürgens und Helmuth Lohner. Auch Jürgen Prochnow war zu Gast, bevor er in Hollywood vor allem als Bösewicht Karriere machte. Über Silvester 1980/81 verbrachte das Film-Sternchen Elke Sommer nach zwei Silvestervorstellungen den Urlaub bei ihrer Mutter in Erlangen, bevor sie wieder nach Kalifornien zurückflog, wo sie von Dean Martin für seine Show erwartet wurde. Adele Neuhauser, alias Kommissarin »Bibi Fellner« im Wiener »Tatort«, war Ensemblemitglied des Theater Erlangen und feierte hier u. a. als Erna in Werner Schwabs »Die Präsidentinnen« von 1996 bis 1998 große Erfolge. Für ihre Rolle erhielt sie den Darstellerpreis der Bayerischen Theatertage 1996. In einem Interview zeigte sie sich vom Erlanger Publikum beeindruckt: »Nach ›Quartett‹ war ich erstaunt über die vielen positiven Reaktionen, ich hätte wesentlich mehr negative erwartet. Ich glaube, man kann hier sehr viele riskante und spannende Dinge machen, die vielleicht in einer anderen Stadt nicht möglich wären.«

Stars und Sternchen im Markgrafentheater

Das Markgrafentheater war schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein Tummelplatz der Prominenz. Mit Markgräfin Wilhelmine von Brandenburg-Bayreuth, die ja selbst der preußischen »Royal Family« entstammte und die französische Hofetikette mitbrachte, zog der Glamourfaktor in Bayreuth und Erlangen ein. Neben dem Adel folgten auch zahlreiche Künstler des Barock ihrer Einladung ins Hochfürstliche Opern- und Komödienhaus, darunter der Kastrat Giacomo Zaghini sowie die berühmten Sängerinnen Margherita Furiosa und Johanna Paganelli. Im Wechsel folgten glanzvolle Epochen und Kriege, die das Haus jedoch ohne Zerstörung überstand. Nach 1945 war das Erlanger Publikum dankbar für die Gastspiele mit Lil Dagover, Magda Schneider, Therese Giehse, Helen Vita, Ilse Werner, Werner Finck und Fritz Kortner, der auch Regie führte. Im Jahr 1954 drehte Roberto Rossellini mit seiner Frau Ingrid Bergman im Markgrafentheater den Film »Angst« nach der gleichnamigen Novelle von Stefan Zweig. Das Ehedrama war allerdings die letzte Zusammenarbeit des Skandalpaares. Nach der Generalsanierung, die 1959 abgeschlossen war, kamen die großen Namen zurück nach Erlangen. Hildegard Knef stand in den 1960er Jahren mehrmals in Inszenierungen auf der Bühne, bevor sie sich auf rauchig gehauchte Chansons verlegte. Der Schriftsteller, Maler und Regisseur Jean Cocteau kam 1961 zur Premiere seines Stücks »Der Doppeladler« und schrieb ins Goldene Buch der Stadt eine liebevolle Widmung: »Ihr Theater ist aus Holz gebaut, man kann in ihm spielen wie auf einer

Wiebke Goldhammer ist seit 2014/2015 Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

180

Jean Cocteau beim Signieren des Spiegels im Markgrafentheater, 1961

Wiebke Goldhammer


Aus den Gästebüchern des gVe – Eine Collage von 1960 bis 1981

181


Aus den Gästebüchern des gVe


Eine Collage von 1960 bis 1981


Aus den Gästebüchern des gVe


Eine Collage von 1960 bis 1981


Holger Watzka

Schritte aus der Realität

Island, die Folk-Rock-Band Lambchop oder den kanadischen Ausnahmekünstler und Violinisten Owen Pallett, die allesamt in den großen, wichtigen Städten und auf den bedeutenden Festivals dieser Welt auftreten, ins kleine, verschlafene Erlangen zu bekommen? Rückblickend waren es immer besondere Abende. Intime, nahe, berührende, intensive Konzerte mit Künstlerinnen wie Heather Nova, Tina Dico oder Dillon. Es waren Auftritte von international erfolgreichen Künstlern wie Nils Frahm, der mittlerweile die großen Festivalbühnen vor zig tausenden Besuchern füllt. Es waren Lesungen von Sven Regener oder Wolf Haas, es waren umwerfende Konzerte von Rainald Grebe oder Ben Becker, die sich natürlich auf Theaterbühnen am wohlsten fühlen. Es war immer schlüssig und stimmig, diese besonderen Künstler in diesem einmaligen Ambiente zu präsentieren, und so sind wir froh, dass wir über die Jahre hier immer wieder für solche Abende sorgen konnten. Mit der Möglichkeit, seit 2017 im Rahmen der neuen Acoustic Nights jungen Künstlern aus der Region das Markgrafentheater als Auftrittsort anbieten zu können, lässt uns gemeinsam mit dem Theater die regionale Musikszene auf besondere Weise fördern.

Die Kooperationen mit dem E-Werk Der ehrwürdige Saal des Markgrafentheaters ist ein Ort der Emotionen. Nicht nur durch seinen nostalgischen Charme, die Wärme, die er ausstrahlt – oder sagen wir besser die Wärme, in die er einen einhüllt –, die runden Formen, das viele Rot. Von außen erahnt man diesen Raum nicht. Und wenn man ihn dann betritt, ist das ein Stück weit ein Schritt aus der Realität heraus. Selbst wenn im Theater die Realität reflektiert und auch in Wort und Musik das »da draußen und die Welt« gespiegelt wird, nimmt einen dieser Ort in die Arme und entführt in eine andere Welt. Es ist ein fabelhafter Rahmen für entsprechend aufgestellte Musiker, Künstler und Autoren, die alle die wundervolle Akustik des Theaters genießen. So war es oft einfach nur ein Foto vom Markgrafensaal, angehängt an eine E-Mail an einen Künstler aus Island, England oder Amerika mit dem Hinweis »Schau mal, das ist der Blick von der Bühne in den Zuschauerraum«, das überzeugte. Denn wie groß ist wohl die Chance, Künstler wie den amerikanischen Singer-Songwriter William Fitzsimmons, den Neo-Klassik- und Ambient-Pionier Ólafur Arnalds aus

Holger Watzka ist seit 1993 verantwortlich für das Konzertbooking und die

Der Kabarettist und Musiker Rainald Grebe im Markgrafentheater, 2013

Programmleitung »Musik, Wort, Party« im Kulturzentrum E-Werk.

186


Tina Dico

Solo auf Tour

Ich spiele zum ersten Mal im Markgrafentheater in Erlangen und hatte keine Ahnung, dass mich hier einer der schönsten Konzertsäle erwartet, in welchem ich je aufgetreten bin. Es handelt sich um das älteste noch betriebene Barocktheater in Süddeutschland, eröffnet im Jahre 1719, mit einem prächtigen Saal voller roter Samtsessel und vergoldeter Ornamente an den Balkonen in drei Rängen. Was für ein Abenteuer, die leere Bühne zu betreten! Es ist etwas ganz Besonderes, in solch einem Saal zu spielen: Gebaut in der Absicht, möglichst alle Zuschauer so nah wie möglich an die Bühne zu bringen, wurden die Ränge senkrecht übereinander konstruiert. Während das Publikum sich sprichwörtlich vor einem auftürmt und man von Augen und Gesichtern umgeben ist, fühlt sich alles auf der Bühne intensiver und lebhafter an, geradezu überwältigend. Selbst in so einem gediegenen Theater kann sich die Stimmung dann geradezu animalisch aufladen, wenn am Ende alle aufstehen und klatschen und aus den Öffnungen der Balkone ein Strom aus Körperlichkeit, Geräuschen und Lärm den gesamten Raum ergreift. Backstage greife ich mir die erstbeste Birne aus einem Korb voller Obst und deutscher Schokoladenklassiker. Eigentlich steht auf meinem catering rider „Keine Süßigkeiten und Schokolade“, aber die Veranstalter bestehen darauf, mich zu verwöhnen. Darüber kann man sich wohl kaum aufregen. Ich lege die wichtigsten Sachen aus meiner Tasche auf den Tisch, um sicherzugehen, dass ich alles mithabe. Man kann ja nicht erst kurz vor dem Auftritt feststellen, dass man Make-up und hochhackige Schuhe am gestrigen Spielort vergessen hat und deswegen heute in Sneakers und ohne Farbe im Gesicht auf die Bühne muss. Ich schau mich um und lokalisiere die Dinge, die ich im Laufe des Tages noch brauchen werde: Ein einsamer Bügel hängt an einem Kleiderständer. Ein altes Bügeleisen und … – nein, kein Bügelbrett. Ich trete auf den Flur und versuche herauszufinden, wo eine Toilette ist und woher ich eine Tasse Kaffee bekomme. Wie immer ist alles neu und fremd. Da höre ich, dass die Techniker vor Ort meine Instrumente hereintragen und den Soundcheck vorbereiten. Gleich werde ich die ersten Töne des Tages in die Stille des Saales senden.

Über das Ankommen

Buchtitel der dänischen Ausgabe der Autobiografie

Der Bus hält am Hintereingang des Markgrafentheaters. Davor warten zwei Männer mittleren Alters, jeder mit einem Stapel Fotos in der Hand. Autogrammjäger. Früher standen diese vermutlich mit einem Autogrammbüchlein vor einem, heute jedoch halten sie dir tolle A4-Hochglanzfotos und einen blauen Stift entgegen, mit dem du dann am besten gleich eine Serie Fotos signieren sollst. Die Autogrammbranche scheint sich zum big business gemausert zu haben. Wir plaudern ein bisschen, allerdings fühlen sie sich im Englischen nicht so wohl. Ich frage, ob sie heut Abend zum Konzert kommen werden, was der eine strahlend bejaht. Der andere lächelt schüchtern und heftet seinen Blick auf den Stift in meiner Hand, mit dem ich gerade seine Fotos unterschreibe. Ich nehme dies als ein Nein. Offenbar geht es nicht allen Autogrammjägern um die Musik. Mein ständiger deutscher Tourmanager Mika beobachtet uns von der Treppe aus mit einer vielsagenden Miene, die sagt, dass sie es echt eilig hat und wir dies hier möglichst schnell hinter uns bringen sollten. Schließlich trotten die beiden davon; der eine wortlos, der andere mit einem „Thank you, have fun tonight!“

Tina Dico ist eine dänische Singer-Songwriterin und war 2015 im Markgrafentheater zu Gast. Der Text ist ein Ausschnitt aus der Autobiografie: „Tina Dico. Count to ten“, aus dem Dänischen von Gitte Mikkelsen und Uta Naßler, Finest Gramophone (Hg.), Narayana Press, 2018.

187


Silvia Buhr

Erlanger Theaterplakate im Wandel der Zeiten

Verglichen mit der 300-jährigen Geschichte des Erlanger Theaters ist das Theaterplakat ein relativ junges Werbemittel. Anfangs war es meist der sogenannte Ausrufer, der ein anstehendes theatrales Ereignis publik gemacht hat. Zu der mündlichen Ankündigung trat bald die schriftliche. Das in der Residenzstadt 1719 eingeweihte »Hochfürstliche Opern- und Comoedien-Hauß« war dem Hof vorbehalten und auch der Druck zur Wiedereröffnung 1744 »in Erlang auf dem berühmten neuen Theatro« unter Markgräfin Wilhelmine huldigte an erster Stelle dem Herrscherpaar. Erst 1764 wurde das Theater für zahlendes Publikum zugänglich, das entsprechend eingeladen werden sollte. Wie 1783 zu einer »Räuber«-Aufführung, im damaligen Werkverständnis für die Bühne »ganz neu bearbeitet«, berichten die bis ins 19. Jahrhundert von Zettelträgern vor Ort verteilten Theaterzettel von Programmen und zeitgenössischen Vorlieben. Stücke, Ansichten und Aufmachung änderten sich dabei ebenso wie Zuständigkeiten; ab 1817 firmierte das Theater als »Königliches Universitätsspielhaus«, nach dem Verkauf an die Stadt 1838 erstmals als »Stadt-Theater zu Erlangen«. Gespielt wurde weiterhin auf Pachtbasis, sodass die vielfach wechselnden Theatergesellschaften letztlich auch wirtschaftliche Zwänge offenbarten, die sich im Gebot adäquater Reklame niederschlugen. Mit Gründung des Gemeinnützigen Vereins Erlangen e.V. (gVe) 1876 übernahm dieser die Programmatik und ließ das Markgrafentheater über hundert Jahre als Gastspielbetrieb im festen Abonnement bespielen.

1783

Vom Theaterzettel zum Theaterplakat

188

Bis das Theaterplakat sich flächendeckend durchsetzen konnte, sollte es dauern, nicht nur in Erlangen. Gerade etablierte Häuser zeigten lange Zeit Vorbehalte gegen jedwede Reklame, die den ideellen Werten einer Kulturinstitution zu widersprechen schien. So galt das profane Straßenmedium des Anschlags vielerorts noch bis in die 1920er Jahre allein für die unterhaltenden Künste als opportun. Ein wirklicher Imagewandel erfolgte erst nach 1945, als sich das Theaterplakat langsam zu jener visuellen Visitenkarte entwickelte, mit der das Theater seine künstlerischen Ansprüche bis heute eindrucksvoll in den öffentlichen Raum transportiert. Auch in Erlangen wurde das Plakat nun zum ständigen Begleiter der Theaterarbeit. Basis hierfür war die spezifische Konstellation in der Stadt, die erst spät zu einem eigenen Ensembletheater führte. Zugleich lässt die Rückschau ein Stück Theatergeschichte passieren mit all ihren kulturellen,


Erlanger Theaterplakate im Wandel der Zeiten

1948

1961

1943

in verschiedenen Farben als Monatsprogramm wie für Einzelankündigungen des nun wieder vom gVe gastspielgeführten Hauses genutzt wurde. Zudem war Lederers grafische Tätigkeit eng mit der Erlanger Studiobühne verbunden; plakatiert wurden neben Eigenproduktionen speziell die jährlichen »Internationalen Theaterwochen der Studentenbühnen«, deren künstlerischen Entwürfe Maßstäbe setzten.

1961

gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und künstlerischen Auseinandersetzungen. Schon die Einflussnahme der Nationalsozialisten sollte sich so auch an der Plakatwand spiegeln; das Programm für Theater, Konzert, Varieté und Volksbildungsstätte verkündete nun die »NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude«, Gau Franken, Kreisdienststelle Erlangen im Zeichen des KdF-Sonnenrades. Theaterpolitisches Neuland betrat Erlangen, als 1946 bis 1949 regelmäßig wechselnde Wochenspielpläne und Textplakate von den Bemühungen um ein erstes festes »Ensemble Markgrafen-Theater« zeugten. Das spätere Bekenntnis zum »Markgrafentheater« symbolisierte sinnfällig das Plakat von Helmut Lederer mit dem 1959 renovierten Zuschauerraum, das über Jahre 189


Erlanger Theaterplakate im Wandel der Zeiten Theaterplakate als Identitätsstifter In anderer Weise Zeichen setzte Theaterleiter Manfred Neu in der geistigen Aufbruchssituation der 1970er Jahre mit einer neuartigen experimentellen Theaterarbeit in Alternative zum bildungsbürgerlichen Tourneebetrieb. Sein neues Selbstverständnis manifestierte sich im gemalten Wandbild am »Theater in der Garage« wie auch in diversen Stückplakaten: bunt und engagiert, nicht nur dort, wo die »Internationalen Theaterwochen« mit freien Gruppen das Tor zur Welt weiter aufstießen. Die besondere Situation zunächst durch das ausgeprägte Gastspielwesen, später dann durch die eigenständige Profilierung im Großraum dürften wesentlich dazu beigetragen haben, dass sich das Theaterplakat in Erlangen über Jahrzehnte zu einer festen Größe entwickeln konnte und bis heute durch eine keineswegs branchenübliche Kontinuität auszeichnet – identitätsstiftend und über die eigent-

1977

1978

1977

liche Programmankündigung hinaus immer auch zentrales Bekenntnis zum eigenen Haus. War das eigenproduzierte und bis ins Plakat fantasiereich-farbenfroh bebilderte Kindertheater schon früh ins Markgrafentheater eingezogen, konnte sich ein festes Erlanger Ensemble hier erst in den frühen 1990er Jahren unter Andreas Hänsel etablieren. Endlich schien das Theater mit seinem Ensemble in der Mitte der Gesellschaft angekommen, wurde erstmals Ausrichter der »Bayerischen Theatertage« und stand doch kurz darauf wieder zur Disposition. In diesen Zeiten des »Erlanger Modells« mit Eigenproduktionen und Gastspielen erhält das Plakat besondere Aufgaben. Als Mittler zwischen Theater und Öffentlichkeit trägt es die künstlerische Selbstdarstellung bildlich über den Theaterraum hinaus.

190


1991

1993

1989

1981

1985

1979


1998

1998

1997

1995

1996

1994


2004

2005

2002

2000

2001

1999


Erlanger Theaterplakate im Wandel der Zeiten Grafik im Corporate Design Die Professionalisierung wurde unter Hartmut Henne und Johannes Blum fortgesetzt. Aufeinander abgestimmte Publikationen demonstrierten Kontinuität, im Spielzeitheft traten Theater und gVe gemeinsam auf und die Stückplakate machten zwei Jahre gezielt auf das »ensemble theater erlangen« aufmerksam, wobei die vielfach poetischen Grafiken mit Anspielungen aus den jeweiligen Inszenierungen in ihrer theaterimmanenten, interpretationsoffenen Unbestimmtheit suggestiven Freiraum für eigene Assoziationen lieferten. Eine neue gestalterische Vielfalt präsentierte Sabina Dhein bei ihrer Positionierung ab 2002. Verschiedene künstlerische Handschriften, fotobasierte Entwürfe, plakativ zeichnerische Konzepte, Schriftlösungen, Formatexperimente oder wechselnde irdische Szenerien zum Spielzeitmotto der »Traumfahrer« – das Spektrum war vielseitig wie das Theater und stand zugleich in Relation zu den weiteren Programmdrucken, die einen einheitlichen Rahmen geschaffen haben. Konzeptionell neue Wege im Corporate Design ging das Theater Erlangen unter der Intendanz von Katja Ott. Seit 2010 gestaltet

die Berliner Werbeagentur Neue Gestaltung das gesamte visuelle Erscheinungsbild des Theaters. Plakate, Programmhefte, Spielpläne, Flyer, Spielzeithefte und Webseite zeichnen einen unverwechselbaren Stil, der in klarer Optik und reduzierter Formgebung eine »Handschrift« signalisiert und alle Produkte des Theaters umfasst. Die Plakatserie arbeitet mit einer schwarzen Silhouette auf farbiger Hintergrundfläche, die mit der beworbenen Inszenierung in einem assoziativen Zusammenhang steht und den Text integriert. Im Zuge der kontinuierlichen Verwendung ist diese Grafik Teil der Hausidentität geworden, die bei aller inhaltlichen Vielfältigkeit die verschiedenen Spielstätten und unterschiedlichen Formate verbindet und beim Betrachter Neugierde und eine gewisse Erwartungshaltung weckt. Dafür ist die Plakatserie neben den Spielzeitheften in den letzten Jahren auch in Fachkreisen vielfach ausgezeichnet worden, vom »iF Communication Design Award Gold« und »Red Dot Design Award« 2011 über die »100 besten Plakate 2012« bis zum »German Design Award« 2018.

2009

2007

Silvia Buhr, Theaterwissenschaftlerin

DER STURM WILLIAM SHAKESPEARE REGIE UND AUSSTATTUNG: Malte Kreutzfeldt

PREMIERE

18. Juni

MARKGRAFENTHEATER, BÜHNENHAUS

ThEr_Plakat_DerSturm_DIN_A1_LY02.indd 1

06.05.2009 14:00:10 Uhr

2008

WEITERE VORSTELLUNGEN: 19., 22., 23., 24., 28., 29., 30.06., 1., 3., 4.07.09

www.theater-erlangen.de


2017

www.neuegestaltung.de

2018

www.neuegestaltung.de

2017 Visuelle Konzeption: www.neuegestaltung.de

2012 www.neuegestaltung.de

2015

2011


Von versteckten Kameras, Rum am Morgen und berühmten Kobolden

M. A.-M.: In besonderer Erinnerung sind mir die Schauspieler Hannelore Elsner, Wolfgang Fels und Maria Schell geblieben. Rolf Becker war ein faszinierender Gesprächspartner. N. D.: Wir freuen uns besonders über wiederkehrende Gäste wie den Puppenspieler Neville Tranter, der seit 36 Jahren hierherkommt und quasi schon zur Familie gehört, oder auch Schauspieler, die in den letzten Jahren regelmäßig in Inszenierungen des Erlanger Theaters mitgespielt haben. Manchmal schaffe ich es, sie auf der Bühne anzuschauen. Das ist schon etwas ganz Besonderes. T. L.: 2015 haben wir nach dem Konzert im Markgrafentheater einen Abend gemeinsam mit Axel Prahl und seiner Band in der »Kulisse« verbracht. Das war sehr unterhaltsam.

Theatergäste im Hotel

In vier Hotels in Theaternähe gehen die Gäste, die auf der Bühne des Markgrafentheaters und der Garage stehen, ein und aus. Die Hoteliers im Gespräch:

Was war die lustigste Begebenheit mit einem Theatergast? T. L.: In den 1990er Jahren war Friedrich Schütter zu Gast, der u. a. den Chauffeur in der ZDF-Serie »Das Erbe der Guldenburgs« spielte und ein fantastischer Schauspieler war, und er filetierte im »Grauen Wolf« einen großen Lachs – sehr theatral – vor Freunden und anderen Gästen. N. D.: Ich bin hier im »Hotelchen« aufgewachsen. Als ich ungefähr sechs Jahre alt war, hat mich Hans Clarin mit der Pumuckl-Stimme geweckt und danach mit mir und meinen Kuscheltieren gespielt. Als Kind war ich davon schwer beeindruckt! J. K.: Sehr witzig war, als eine Politesse dem berühmten Schauspieler Benno Hoffmann auf dem Theaterplatz einen Strafzettel ans Auto hängen wollte. Er kam dazu, sie erkannte ihn und dachte, sie wäre bei der »Versteckten Kamera«. Ich glaube, er ging straffrei aus. Und einmal bestellte ein Gast eine Flasche Rum mit Strohhalm zum Frühstück.

Seit wie vielen Jahren beherbergen Sie schon Gäste aus dem Theater? NORA DÖRR: Das »Hotelchen« wurde 1982 mit fünf Zimmern eröffnet. Tatsächlich kamen unsere allerersten Gäste vom Theater Erlangen. Es war eine Theatergruppe aus Korsika, die anlässlich der Internationalen Theatertage, die auf dem Theaterplatz stattfanden, angereist war. JOACHIM KRETTNER: Von Beginn an, also seit 1966 kommen Theaterleute ins »Hotel Rokokohaus«. MARCO ALTMANN-MORELLI: Im Hotel »Altmann’s Stube« übernachten seit 1979 meist prominente Gäste. THERESE LANGHAMMER: Seit 1982 beherbergen wir Gäste des Theaters im »Altstadthotel Grauer Wolf«. Außerdem habe ich eine Zeitlang die Bewirtung des Theatercafés sowie das Catering bei Vorstellungen im Markgrafentheater übernommen. Bei einem Umbau vor zwei Jahren wurde sogar ein »Theaterzimmer« in unserem Hotel eingerichtet, in dem ein großes Bild vom Theater hängt.

Das Interview führte Lisa Kurth, seit 2017 Mitarbeiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Theater Erlangen.

An welchen Gast erinnern Sie sich besonders? J. K.: An tolle Persönlichkeiten wie Beppo Brem, Hans Clarin und Dieter Hildebrandt, der in der Realität ebenso lustig war wie im Fernsehen. Einer meiner liebsten Gäste war Siegfried Lenz. Elisabeth Flickenschildt und Götz George zählten natürlich auch zu den gern gesehenen Stammgästen. 196


Linda Best

Vom Schmalzbrot zu den Fantastischen Vier

Planert, die langjährige Geschäftsführerin des Fördervereins: »Davon wurden dann zum Beispiel Scheinwerfer gekauft!« Aber auf Dauer konnte die Unterbringung im selben Raum keine Lösung sein, denn so mancher Kneipengänger wollte einfach nur ein Bier und stand beim Öffnen der Tür unverhofft mitten im Theater. Der neue Intendant Andreas Hänsel ließ 1989 eine Wand einziehen, um den störungsfreien Ablauf der Vorstellungen zu gewährleisten. Damit war zugleich klar, dass ein Wirt gefunden werden musste. Habib Bektas prägte gemeinsam mit seiner Frau Müjgan maßgeblich Küche und Charakter des Theatercafés, welches er bis 2011 betrieb und zu einem wichtigen kulturellen Treffpunkt machte. Aus dieser Zeit stammen auch die vielen Fotos an der Wand, die an die Besuche von Ensemblemitgliedern, gastierenden Schauspielgrößen oder prominenten Schriftstellern erinnern. Zu den Premierenfeiern kreierte Bektas fantasievolle Buffets. »Bei Habib«, wie man bald nur noch sagte, war immer ein Tisch für Freunde und Künstler reserviert – diese Kategorien waren ohnehin schwer zu trennen, denn auf der Mini-Bühne des Theatercafés organisierte er zahlreiche Lesungen und literarische Treffen mit befreundeten Autoren. Auch das Kulturamt benutzte den stimmungsvollen Ort gern für Literaturveranstaltungen. Der jetzige Pächter Mikiyas Shiferaw lernte Bektas’ unverwechselbare Küche vor elf Jahren als Mitarbeiter kennen. Einige Gerichte stehen noch heute auf der Karte, zum Beispiel der Meze-Teller und die Auberginenspezialität. Neue Kreationen wie die »Fantastischen Vier« kamen hinzu. Er hat es geschafft, die familiäre Atmosphäre, die ihm am Herzen liegt, in die Gegenwart hinüberzuretten. Heutzutage kommt zwar das Café nicht mehr ins Theater, wohl aber das Theater ins Café: »›Viel gut essen‹ wurde ja hier bei uns gespielt, das ist wirklich ein tolles Stück«, sagt Shiferaw. Mit dem Ensemble versteht er sich sehr gut, zudem freut er sich über sein freundliches Team und die nette Nachbarschaft zur »Kulisse«: »Die Theaterstraße ist wie Urlaub!«

oben: »Viel gut essen« von Sibylle Berg, Regie: Katrin Lindner, 2016/2017 unten: Ruhe vor dem Sturm: Pächter Mikiyas Shiferaw im Theatercafé

Das Theatercafé

Mittelfranken und Mittelmeer – diese Assoziation liegt nicht besonders nah. Außer man sitzt an einem lauen Juliabend vor dem Erlanger Theatercafé und lässt sich von Mikiyas Shiferaw mit Meze, Lamm oder der berühmten Auberginenspezialität bekochen. Kaum zu glauben, dass es zu Beginn des Kneipenbetriebs eher fränkisch-prosaisch als persisch-mediterran zuging: 1975 wurde hier zum Kitzmann-Bier höchstens ein Schmalzbrot serviert. Das Publikum des neuen Theaters in der Garage sollte vor und nach der Vorstellung bewirtet werden. Da aber ein städtisches Amt keine Kneipe führen darf, musste damals ein Verein gegründet werden, um die benötigte Schanklizenz zu erhalten. Aus dem daraus hervorgegangenen Garagenverein wurde später der Förderverein des Theater Erlangen, der noch heute das Theatercafé betreibt. Die angeschlossene Kneipe war zugleich die Haupteinnahmequelle für die dringend benötigte Ausstattung des Garagentheaters. Die Bewirtung besorgte meist Dramaturg Hannes Rossa, hin und wieder auch Theaterleiter Manfred Neu höchstpersönlich. Mit Flohmarktmöbeln und selbst geschmierten Broten wurde die Bar zum erweiterten Wohnzimmer der Schauspielerinnen und Schauspieler und sorgte für zwanglose Begegnungen mit dem Publikum. Hier konnte man Theaterleute, künstlerische Debatten und Spielplangespräche hautnah erleben. Kultige Veranstaltungen wie das Theaterstraßenfest und der legendäre Garagenfasching wurden ins Leben gerufen, um Geld zu verdienen, so Nora 197


Karoline Felsmann

Die Kulisse – gleich gegenüber vom Theater

für alle Theaterstädte üblichen Namen »Kulisse«, ganz genau: »Sigwarts Kulisse – reale Bier- und Speisewirtschaft«. Die Speisekarte ist mittlerweile legendär und scheint eine kulinarische Reise durch Jürgens Leben zu sein: vom regional verankerten Krenschnitzel (Schnitzel mit frisch geriebenem Meerrettich unter der Panade), Tapas aus der spanischen Küche, dem französischen Coq au vin, bis hin zur fischigen nordischen oder preußischen Küche mit Leber und Grünkohl je nach Saison. Seit 1982 war schon das »Café Théâtre Valentin« im ältesten Hugenottenhaus der Stadt Magnet für viele Künstler. »Erlangens zweitschönstes« Restaurant mit guter Küche, einer Bühne, Musik, Theater, Kabarett und lustiger Atmosphäre war ein Jahr im Voraus ausgebucht. Aber nun gab es in unmittelbarer Theaternähe eine Theaterkneipe. Schon in seiner Kindheit hat Jürgen viel gelesen und das Theater geliebt. Natürlich ging er auch in Erlangen ins Theater. An einzigartige internationale Gastspiele erinnert er sich oder an kontrovers diskutierte Aufführungen wie »Wölfe«. Es gab kaum eine Inszenierung oder ein Gastspiel, das er nicht gesehen hat. Vor allem die Truppe um Theaterleiter Manfred Neu, der ab 1975 in den ehemaligen Feuerwehrgaragen direkt gegenüber wirkte, hatte es ihm angetan. Während sich im Markgrafentheater die Tourneetheater die Klinke in die Hand gaben, um hier meistens vierzehn Tage am Stück zu bleiben, waren in der »Garage« internationale Gruppen aus der ganzen Welt zu Gast. Zusätzlich spülten die außergewöhnlichen Festivals jede Menge spannende Menschen in die Stadt: Poet*innen, Bildende Künstler*innen, Comiczeichner*innen, Kritiker*innen und Puppenspieler*innen. Häufiger hörte Jürgen in dieser Zeit den Satz »So eine ›Kulisse‹ müsste es in München geben – oder in Berlin.« Für viele Beteiligte der Gastspiele wurde die Kneipe zu ihrem zweiten Zuhause und Anlaufstelle für alle Fragen des alltäglichen Bedarfs: Er hat Ärzte oder Friseure empfohlen und Ausflugstipps gegeben. Und wenn er Zeit hatte, fuhr er gleich mit in die Fränkische Schweiz. Tiefe Freundschaften entstanden, z. B. mit Dieter Hildebrandt, Konstantin Wecker, Gerhard Polt und Harry Rowohlt. Nicht nur die Lach- und Schießgesellschaft legte von nun an immer einen Zwischenstopp in Erlangen ein, wenn sie vom Süden in den Norden oder zurück reiste, sondern auch das Ensemble rund um Roberto Ciulli, den Regisseur und Leiter des Theaters an der Ruhr. Die Erlanger »Kulisse« wurde für ihn und sein Team neben der Ruhr zur zweiten Heimat: Erst kamen die Techniker, dann

Mehr als eine Theaterkantine Wer wissen will, wie die heutige Vorstellung gelaufen oder beim Publikum angekommen ist, muss einfach in die Kneipe gegenüber gehen. Hier trifft man nach der Aufführung nicht nur beteiligte Künstler*innen, sondern auch jede Menge Zuschauer*innen, die schon an manch einem Abend heiß diskutiert haben – mal über die Art und Weise der Umsetzung, mal über die Themen der Inszenierung. Mag diese Nähe für manch eine Schauspielerin oder Schauspieler anfangs etwas ungewohnt sein, merkt er schnell, dass gerade diese direkten Begegnungen die besondere Atmosphäre in der »Kulisse« mitbestimmen. »Dieser Ort soll Heimat sein für alle Menschen, die von einem guten Geist getragen sind«, sagt Jürgen Sigwart, der »letzte Wirt Erlangens« wie er von vielen genannt wird. Nach 31 Jahren ging er 2017 in »ein neues Leben« und Nachfolger wurden seine besten Mitarbeitenden Rebecca Bley und Séamus O’Connor, die die »Kulisse« ganz im Sinne Jürgens und der Gäste weiterführen. Jede Woche freitags sieht man »Tapsi« – wie ihn alle nennen dürfen – an seinem Stammtisch mit guten Freunden und denen, die es werden wollen. 1944 in Gotha, einer Kultur- und insbesondere Theaterstadt, geboren, wuchs Jürgen Sigwart in einer pazifistischen und antinationalistischen Familie auf. Schon früh begeisterte er sich für Theater, Musik und Literatur. 1963, zwei Jahre nach dem Bau der Mauer, gelang ihm der dritte Fluchtversuch und über Hannover kam er nach Erlangen, weil seine besten Freunde und Fluchtgefährten dort schon waren. Erlangen begeisterte ihn sofort. Die menschliche Wärme! Alle Menschen, die er am ersten Abend in dem Club »Le Trou« kennenlernte, sind noch heute seine Freunde. Vom Flair dieser Zeit mit den vielen kleinen Läden, den Metzgern, Bäckern, Fromageries und Wirtshäusern, ist heute fast nichts mehr vorhanden, was Jürgen sehr bedauert. Nach Jahren in der Musikindustrie, einem in Nürnberg abgeschlossenem BWL-Studium und einer entsprechenden Tätigkeit als Assistent der Geschäftsleitung übernahm Jürgen Sigwart 1985 eines der ältesten Lokale (erbaut 1703) in der Theaterstraße. Weil er den Namen »Mondschein« nicht weiterführen durfte, wählte er den 198


Die Kulisse – gleich gegenüber vom Theater Gabriele Gysi, Schauspielerin, Regisseurin und Schwester von Gregor Gysi, das Haus übernehmen sollte. Es blieben zwar mehr oder weniger Hirngespinste, aber gerade diese Auseinandersetzungen sind eine treibende Kraft für die Stimmung in der »Kulisse« gewesen. Was wünscht Jürgen dem Theater zum 300. Geburtstag? Dass es weiterhin die ernsten Themen aufgreift, »aber so, wie es uns die Großen vorgemacht haben«, und Menschen anzieht, ohne dass dabei der Mut verloren geht. Und was wünscht Jürgen der »Kulisse« für die Zukunft? Dass sie weiterhin ein Platz sein wird für ganz Jung und ganz Alt, für Arm und Reich und viele Persönlichkeiten zusammenbringt, die alle von einem guten Geist getragen sind. Für die soll die »Kulisse« ein bisschen Heimat sein. Alle außer schnöselige und rechtsorientierte Menschen sollen auch in Zukunft willkommen sein.

Jürgen Sigwart am Tresen in der »Kulisse« mit Schauspieler Hermann Große-Berg, 2018

folgten die Schauspieler*innen. In regelmäßigen Abständen über Jahre hinweg blieben sie zwei bis drei Wochen. Genügend Zeit, sich in der »Kulisse« kennenzulernen. Viele Geschichten hat Jürgen gehört, von einigen Schicksalsschlägen erfahren. Trost fanden sie im Gespräch, aber auch im Alkohol. Rausgeschmissen wurde niemand, nach dem Feierabend im Laden wurde privat weitergefeiert. Wenn über die Stränge geschlagen wurde, hütete Jürgen die Gäste aber wie seine kleinen Schäfchen, brachte sie nachts oder morgens in ihre Unterkunft oder weckte sie am nächsten Tag schon mal, damit sie rechtzeitig zur Vorstellung erschienen. Besonders hoch her ging es zu den Zeiten der Studentenbühne. Als Manfred Neu das Jubiläum der Studiobühne mit allen Ehemaligen feierte, gab es in der »Kulisse« täglich ab sieben Uhr Frühstück. Aber die meisten kamen nach durchzechter Nacht, um entweder weiter zu feiern oder sich völlig verkatert nach zwei Stunden Schlaf mit einem Schnaps zu reaktivieren – zumindest brannte sich das Bild in Jürgens Erinnerungen so fest. In der »Kulisse« wurden nicht nur die Aufführungen reflektiert, sondern auch politisch diskutiert. Jürgen, seit 46 Jahren immer noch linker Sozialist in der SPD, verlegte schon manch eine Debatte spontan an den runden Tisch in die Kneipe. Nach der Nichtverlängerung von Manfred Neu 1988 z. B. wurden Pläne geschmiedet, dass Neus Hausregisseur Johannes Zametzer gemeinsam mit

199


Ein Theater im Herzen der Stadtgesellschaft III Oberbürgermeister Florian Janik im E-Mail-Interview Welche Rolle nimmt das Theater Erlangen innerhalb der (Kultur-)Politik ein? Welche Aufgaben sollte es als Teil der Stadtgesellschaft übernehmen? Heute ist das Theater ein selbstverständlicher Teil des städtischen Kulturlebens, eine Schaustätte, in der zentrale gesellschaftliche Themen verhandelt werden. Nur die Architektur lässt noch erkennen, dass der Bau ursprünglich der höfischen Repräsentation in der Residenzstadt Erlangen diente. Für die Bürger wurde das Haus erst ein halbes Jahrhundert später von der Markgrafenwitwe Sophie Caroline geöffnet. 1838 ging das Theater in den Besitz der Stadt über und ist seitdem stets ein Bürgertheater geblieben, nach dem Zweiten Weltkrieg ja auch lange Jahre vom Gemeinnützigen Theater- und Konzertverein (gVe) organisiert. Mit der Gründung der Bürgerbühne im Jubiläumsjahr knüpft das Theater an diese Traditionen an. Ich wünsche mir, dass das Theater diesen Weg fortsetzt: als Teil der Stadtgesellschaft und als Ort, an dem auch schwierige Fragen auf hohem künstlerischen Niveau produktiv bearbeitet werden können.

Welche Inszenierungen oder welches Ereignis rund um den Theaterbesuch sind Ihnen im Gedächtnis geblieben und welche Formate bevorzugen Sie persönlich? Ich möchte gerne von Stücken überrascht und zum Nachdenken gebracht werden. Ich freue mich, wenn ich im Theater etwas Ungewöhnliches erleben kann. Aus meinen letzten Theaterbesuchen ist mir besonders die Inszenierung des Stücks »All das Schöne« von Duncan Macmillan mit dem Schauspieler Ralph Jung in Erinnerung. Ich bin beeindruckt, wie es gelungen ist, ein so schwieriges Thema wie Suizid so aufzubereiten, dass man nachdenklich, ernst und amüsant zugleich unterhalten wird. Dass ich genauso wie andere Zuschauer einbezogen wurde und selbst mitspielen musste, hat dieser Inszenierung eine besondere Note gegeben. Was wünschen Sie dem Erlanger Theater für die Zukunft? Ich wünsche dem Theater, dass es sich weiterentwickelt und sich dabei treu bleibt: als kreatives Labor, als Ort der kulturellen Bildung, als Bürgertheater im Herzen der Stadtgesellschaft.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen des Theater Erlangen in den nächsten Jahren? Aus der deutschen Kulturlandschaft sind die Theater mit festen Häusern, festen Ensembles und Repertoirebetrieb nicht wegzudenken. Und trotzdem kämpfen Theater wie viele klassische Kultureinrichtungen mit einem Relevanz-

Dr. Florian Janik ist Mitglied der SPD und seit 2014 Oberbürgermeister der Stadt Erlangen.

200

links: »All das Schöne« von Duncan Macmillan, Künstlerische Leitung: Katja Ott, 2017/2018 rechts: »Tresenlesen I: Träum weiter mit Martin Maecker«, 2017/2018

verlust. Das Theater Erlangen versucht – wie ich finde – sehr kreativ, neue Wege zu gehen. Menschen dort anzusprechen, wo sie leben: auf dem Marktplatz, in Schulen, in Kneipen oder auch im Rathaus. Die Schwellen, ins Theater zu gehen, werden so gesenkt. Diesen Weg weiterzugehen, ohne das klassische Theater zu vernachlässigen, bleibt die Herausforderung.


unten links: »Tresenlesen II: Janina Zschernig säuft mit Charles Bukowski«, 2017/2018 unten rechts: »Tresenlesen III: Im Rausch mit Hermann Große-Berg«, 2017/2018 »Auf der Rolle mit Ralph Jung«, zu Gast OB Florian Janik, 8.11.2018

Ein Theater im Herzen der Stadtgesellschaft III


»Theater für alle« ist keine Sozialromantik

Abo-Theater, in das meine Eltern gingen. Die heftigen kulturpolitischen Debatten Mitte der 1990er Jahre haben mich mehr als erstaunt. Es tobte der »Erlanger TheaterStreit«, es wurde um den Erhalt des viel gelobten »Erlanger Modells« gekämpft, und im Erlanger Stadtrat wurde darüber gestritten und gerungen, ob Erlangen wirklich ein Theater und ein eigenes Ensemble braucht. Ich konnte es nicht glauben, dass dies Thema in einer akademischen Stadt war. In den zurückliegenden 25 Jahren hat sich das Theater Erlangen von einer eher wie eine freie Theatergruppe arbeitenden kleinen »Guerilla-Truppe« zu einem richtigen Stadttheater entwickelt. Nicht nur strukturell spiegelt sich das wider: Manfred Neu wie später Andreas Hänsel waren »künstlerische Leiter«, den Titel »Intendant« durften sie noch nicht für sich in Anspruch nehmen, weil das Theater nur eine Abteilung des Kulturamts war. Heute hat das Theater selbstverständlich eine Intendantin und das Theater ist ein eigenes »Amt« innerhalb der Stadtverwaltung mit einem soliden Budget. Auch hinsichtlich der Akzeptanz des Theaters in der

Referentin für Bildung, Kultur und Jugend Anke Steinert-Neuwirth im E-Mail-Interview

Tischgespräch »Theater = Ort der Begegnung« mit Anke Steinert-Neuwirth (Mitte), 27. Januar 2017

Frau Steinert-Neuwirth, Sie sind bereits seit 1995 bei der Stadt Erlangen beschäftigt, seit 2001 im Kulturreferat tätig und seit 2017 Referentin für Bildung, Kultur und Jugend. Wie haben Sie die Entwicklung des Theaters in dieser Zeit erlebt? Als ich 1995 bei der Stadt Erlangen anfing, war mir das Theater natürlich nicht fremd. Ich bin hier aufgewachsen und habe hier studiert, das Theater habe ich als Schülerin am Ohm-Gymnasium Ende der 1970er Jahre in der Zeit von Manfred Neu erstmals so richtig wahrgenommen. Das war die Zeit, als die Garage als neue Spielstätte entstand, es war das Gegenmodell zum klassischen

202


»Theater für alle« ist keine Sozialromantik Erfahrungen in großen Stadt- und Staatstheatern aufbauen konnte. Das Theater Erlangen wurde seitdem weiter professionalisiert, als Regisseurin prägt sie das Theater Erlangen auch künstlerisch und sie und ihr Team beschäftigen sich jetzt, wo das Theater Erlangen ein »richtiges« Stadttheater geworden ist, damit, wie das Stadttheater der Zukunft aussehen soll. Ein Thema, das mich als Kulturpolitikerin natürlich auch stark umtreibt.

Öffentlichkeit und in der Politik ist dieser Prozess ablesbar. Schwer vorstellbar, dass heute noch irgendjemand infrage stellt, dass Erlangen ein eigenes Theater braucht. Intendant*innen prägen in entscheidendem Maße die Ausrichtung eines Theaters – wie ordnen Sie die Amtszeiten von Manfred Neu, Andreas Hänsel, Hartmut Henne, Johannes Blum, Sabina Dhein und Katja Ott kulturpolitisch ein? In der Zeit von Manfred Neu und Andreas Hänsel habe ich mich sehr intensiv mit dem Theater beschäftigt – als Schülerin stand ich sogar selbst auf der Bühne des Garagentheaters. Manfred Neu hat mit seinem Team die Plätze in der Innenstadt erobert, das Theater raus zu den Menschen gebracht. Das war eine Zeit des Aufbruchs, des Experimentierens, mit herausragenden Inszenierungen. Als Gegenbewegung zum bürgerlichen Theaterprogramm des gVe wurde dezidiert politisches Theater gemacht. Über das Theater wurde endlich gesprochen in der Stadt. Mit Andreas Hänsel hat dann der Prozess begonnen, das Theater Erlangen in ein seriöses Stadttheater zu verwandeln. Andreas Hänsel hat die Kämpfe um den Spielplan, um den Einzug in das Markgrafentheater und um den Erhalt des eigenen Ensembles geführt, auf die in den folgenden Jahren aufgebaut werden konnte. Ganz abgesehen davon, dass in dieser Zeit künstlerisch hochinteressante, innovative Inszenierungen entstanden, für die Erlangen zum Teil vielleicht noch gar nicht reif gewesen ist. Hartmut Henne, so umstritten er als Persönlichkeit auch gewesen sein mag, war dennoch ein Versöhner. Das Theater und der gVe brachten ein gemeinsames Spielzeitheft heraus, die freie Theaterszene der Region bekam ein eigenes Festival, das Hörkunstfestival und die StummFilmMusiktage wurden beherbergt, die Kooperationen mit dem Kulturamt und anderen städtischen Kulturakteuren erlebten eine Blütezeit. Nach seinem plötzlichen Tod setzte Johannes Blum die Arbeit Hennes fort und organisierte die Bayerischen Theatertage. Unter der Intendanz der Theater-Managerin Sabina Dhein wurde das Theater strukturell und finanziell konsolidiert. Der Spielplan fand eine breite Akzeptanz beim Publikum, junge Regietalente und talentierte Schauspielerinnen und Schauspieler wurden gefördert. Aber es gab in ihrer Intendanz auch einen spektakulären Theaterskandal: Die Auseinandersetzungen um die Aufführung des Stücks »Die Wölfe« des NS-Dramatikers Hans Rehberg überstand Dhein am Ende mit tatkräftiger Unterstützung des Theater-Fördervereins sogar gestärkt. Mit Katja Ott bekam Erlangen eine Intendantin, die bereits auf reichlich

In der Nachkriegszeit und Ende der 1990er Jahre wurde immer wieder die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines eigenen Ensembles aufgeworfen und über die erneute Etablierung eines reinen Gastspielbetriebs diskutiert. Warum braucht Erlangen ein Stadttheater mit einem eigenen Ensemble? Ich bin fest davon überzeugt, dass die Zeiten, in denen das eigene Ensemble infrage gestellt wurde, endgültig überwunden sind. Als zu Hänsels Zeiten der Fortbestand des eigenen Theaters diskutiert wurde, hat August Everding dazu gesagt: Ohne Theater ist eine Stadt keine Stadt. Ich denke, er meinte damit, dass ein Theater für eine Stadt mehr bedeutet, als dass es abends schöne Aufführungen zu sehen gibt. Das kann mit Gastspielen tatsächlich auch erreicht werden. Aber wenn ein Theater in der Stadt arbeitet, sich künstlerische Prozesse vollziehen, das Publikum Erfolge seines Theaters feiert, Misserfolge seines Theaters diskutiert, sich mit Themen, Stücken und künstlerischen Positionen auseinandersetzt, dann ist es für eine Stadt nachhaltig identitätsstiftend. Und das ist ja der eigentliche Sinn von Kunst, nicht nur Amüsement oder noch so anspruchsvolle Unterhaltung. Was kann Theater in Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung leisten und wo liegen aus Ihrer Sicht die Herausforderungen dieses Strukturwandels für das Erlanger Theater? Bei aller Offenheit, die das Theater gegenüber der sich verändernden Welt immer wieder beweist, ist es aber auch wichtig, dass die Kunst, vor allem das Theater, widerständig ist. Theater muss auch primär als ein »analoger Ort« wahrgenommen werden. Wie kaum eine andere Kunstform lebt die darstellende Kunst davon, dass sie live stattfindet, dass sie flüchtig ist, einmalig und unwiederbringlich. Im Theater ziehen natürlich digitale Techniken ein und es erweitern sich die Themen durch die Globalisierung, dennoch bleibt der magische Moment des gemeinsamen Erlebens eines künstlerischen Ausdrucks, der identisch so nie wieder stattfinden wird. Ich bin da also vielleicht etwas konservativ, aber ich bin davon überzeugt, dass das Theater auf diesen magischen Moment 203


»Theater für alle« ist keine Sozialromantik setzen muss. Was natürlich nicht heißen soll, dass es sich nicht mit den strukturellen Veränderungsprozessen beschäftigen und die digitalen Möglichkeiten nicht ausprobieren soll. Ganz im Gegenteil, das Theater ist ja kein Museum. Aber es ist etwas Archaisches, dass man sich etwas vorspielt. Das sollte erhalten bleiben.

Theaterabend und die »schräge« Inszenierung eines Klassikers genauso dazu, wie mobile Stücke in den Stadtteilen und den Klassenzimmern oder eine »Bürgerbühne«. Ich finde es großartig, dass sich das Theater Erlangen in den letzten zwei oder drei Spielzeiten verstärkt und sehr intensiv mit solchen Fragen beschäftigt, aktiv auf die Stadtgesellschaft zugeht, Bürgerinnen und Bürger einbezieht und mitbestimmen lässt, aktiv an der kulturellen Integration von Geflüchteten und anderen Menschen mit Migrationshintergrund mitwirkt und Besucherinnen und Besuchern mit Handicap verstärkt kulturelle Teilhabe ermöglicht. Insofern ist die Forderungen nach einer »Kultur für alle« keine Sozialromantik aus den 1970er Jahren, sondern eine sehr zeitgemäße Verpflichtung. Ob das dann das Stadttheater der Zukunft ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber so hat das Theater Zukunft, und das ist ja auch schon einmal etwas. Und schlussendlich, das ist mir wichtig: Theater muss auch einfach mal nur Theater, einfach mal nur Kunst sein.

Wie stellen Sie sich konzeptuell das Stadttheater der Zukunft in Erlangen vor und welche Nah- und Fernziele halten Sie für notwendig, um die nötigen Reformen in die Wege leiten zu können? Das Theater ist ein lebender, sich ständig verändernder Organismus, Reformen im »klassischen Sinne« braucht es da weniger, wohl aber zukunftsorientierte Rahmenbedingungen. Ein fundierter Theaterstrukturplan, die Sanierung und Erweiterung der Gebäude betreffend, liegt vor. Der Charme der Garage ist zwar ungebrochen, aber sie ist auch kein Spielort für die nächsten zwanzig Jahre, will man das Stadttheater der Zukunft umsetzen – dies nur als Beispiel. Inhaltlich-konzeptionell muss ein Stadttheater der Zukunft Angebote und Formate entwickeln, die die Menschen direkt ansprechen, kulturelle Teilhabe und Mitmachen ermöglichen, niederschwellig sind, das Experimentieren ermöglichen oder einfach neugierig und Lust auf Theater machen. Da gehört der klassische (Gastspiel-)

Was wünschen Sie dem Theater Erlangen zum 300. Geburtstag? Ein kritisches, aber gewogenes und natürlich zahlreiches und begeistertes Publikum, sprudelnde Zuschüsse aus München für den Betrieb und die notwendige Sanierung und toi, toi, toi für die nächsten 300 Jahre.

204


Arne Seebeck (Fotos) und Susanne Ziegler

Making of »#Meinungsmacher«

Die Planungen Spätestens im Herbst beginnt am Theater Erlangen die Suche nach Stücken, Stoffen und Teams für die darauffolgende Theatersaison. Aus der zunächst nur schnöde »MGT2« genannten zweiten Abendspielposition wird 2018 das Dokumentartheaterstück »#Meinungsmacher« über die Macht sozialer Medien. Der renommierte Regisseur Hans-Werner Kroesinger, Regine Dura (Konzept, Text, Dramaturgie), Rob Moonen (Ausstattung, Video) und der Musiker Clemens Giebel werden als Gäste gemeinsam mit Dramaturg Udo Eidinger vom Theater das Projekt umsetzen. Nach Bekanntgabe des Teams gilt es, Informationen einzuholen und zu verteilen: Termine werden mit dem Künstlerischen Betriebsbüro verabredet, die Dramaturgie stellt Texte zum Diskurs zusammen, Regieassistenten fertigen Listen mit den Anwesenheiten der Beteiligten und die technischen Abteilungen konferieren mit dem Regisseur und Bühnenbildner, um die Bauprobe vorzubereiten.

Eine Theaterinszenierung entsteht

Text lernen, ein paar Wochen proben, Licht und Musik an, fertig? Mitnichten! Bevor eine Inszenierung dem gespannten Publikum bei der Premiere erstmals gezeigt wird, ist hinter den Kulissen mindestens ein Jahr lang an der Umsetzung gearbeitet worden.

Die Bauprobe Drei Monate vor der Premiere findet die Bauprobe mit allen Mitarbeiter*innen der Gewerke und technischen Abteilungen statt: Auf der Originalbühne werden alle Ideen zum geplanten Bühnenbild, zur Beleuchtung sowie zu den Ton- und Videoelementen besprochen und simuliert. Im Anschluss an die Bauprobe erstellt der Bühnenbildner die finalen Zeichnungen und Pläne für die sogenannte Werkstattabgabe, der Vorlage für das Bauen des Bühnenbildes.

205


Making of »#Meinungsmacher« Fertigung des Bühnen- und Kostümbildes Parallel zur Arbeit am Text wird das Bühnenbild gefertigt. Je nach Umfang und Art gestaltet sich auch die Arbeit bei der Herstellung unterschiedlich. Bei »#Meinungsmacher« sind vor allem die Schlosserei und die Werkstatt gefragt. Damit nicht nur das Bühnen-, sondern auch das Kostümbild rechtzeitig fertig wird, nähen, schneidern und korrigieren die Kolleginnen der Schneiderei an den Kostümen, die je nach Inszenierung komplett neu angefertigt oder aus Fundus-Beständen aufbereitet werden müssen. Zwischendurch werden die Kostüme an den Schauspieler*innen anprobiert.

Die Konzeptionsprobe Die Konzeptionsprobe am ersten Probentag, ca. sechs bis sieben Wochen vor der Premiere, ist der Startschuss für die Arbeit mit den Schauspieler*innen. Zur Begrüßung aller Gäste durch die Intendantin Katja Ott sind alle Mitarbeiter*innen des Theaters zum gegenseitigen Kennenlernen eingeladen, bevor das künstlerische Team noch einmal sein Konzept und seine Gedanken zum Stück vorstellt. Für die Arbeitssicherheit weist der Bühnenmeister auf die Besonderheiten des Probebühnenaufbaus hin und Organisatorisches wird geklärt. Im Anschluss bleibt das Kernteam unter sich und die Schauspieler*innen lesen üblicherweise ein erstes Mal das Stück. Bei dem Dokumentartheater »#Meinungsmacher« entsteht der Text allerdings erst während der Probenzeit. Deshalb wird in den ersten Tagen und Wochen vor allem am Tisch gelesen, diskutiert, recherchiert, wieder gelesen und wieder diskutiert. Dabei sind alle gleichermaßen am Prozess beteiligt.

Die Probenphase Während in den Werkstätten, den technischen Abteilungen, der Requisite, Schneiderei, Öffentlichkeitsarbeit und dem Künstlerischem Betriebsbüro der Inszenierung zugearbeitet wird, proben die Schauspieler*innen auf der Probebühne; am Theater Erlangen immer montags bis freitags von 10.00 bis 14.30 Uhr und 19.00 bis 22.30 Uhr sowie samstags von 10.00 bis 14.30 Uhr. Auch der Musikalische Leiter ist bei den Proben mehrmals die Woche anwesend, um den »Sound« der Inszenierung aufzugreifen, zu komponieren und neue Lieder einzustudieren. Von den (nur für eine Inszenierung verpflichteten) Gast-Schauspieler*innen abgesehen, spielen die fest engagierten Schauspieler*innen des Theaters währenddessen auch andere Inszenierungen aus dem Abendspielplan oder mobile Stücke für Schulen am Vormittag. Für die Vorstellungen sind sie dann von den Proben befreit.

206


Making of »#Meinungsmacher« Schauspieler*innen geben bei Kaffee und Gebäck ab 11.15 Uhr eine Stunde lang detaillierte Einblicke in die Probenarbeit und die Umsetzung.

Die Endproben bis zur Premiere Während der Endprobenwoche steuern alle an der Produktion Beteiligten mit höchster Konzentration auf das Ziel zu – die Premiere. Nach ca. vier bis acht Bühnenproben wird die sogenannte »Ama« (»Alles mit allem« im Originalzustand: Bühne, Kostüme, Licht, Ton, Video) gespielt. In den Tagen danach folgen zwei Hauptproben. Bei der »Hauptprobe 1«, drei Tage vor der Premiere, werden die Pressefotos für die Zeitung und die theaterinterne Werbung geschossen. Zur »Hauptprobe 2«, zwei Tage vor der Premiere, folgt die Aufnahme für den Video-Trailer der Inszenierung und die Homepage des Theaters. An den Nachmittagen zwischen den Proben finden Korrekturen an Beleuchtung, Video und Ton statt. Hier werden die Änderungen des Regisseurs, der bei allen Endproben präzise das Bühnengeschehen und die technische Einsätze beobachtet und analysiert, umgesetzt. Die letzte Probe am Abend vor der Premiere ist dann die Generalprobe. Und endlich ist es so weit! Der Zuschauersaal füllt sich und es kann losgehen … Hinterher: Erleichterung, Applaus und Verbeugen der Schauspieler*innen und des Regieteams. Die Spannung der letzten Wochen fällt ab, hinter der Bühne wartet schon der Premierensekt. Im Foyercafé hält die Intendantin eine Dankesrede auf alle an der Produktion Beteiligten und leitet damit zum letzten Baustein der Produktion über: die Premierenfeier, die nicht selten bis zum Morgengrauen andauert.

Die technische Einrichtung und erste Probeneinblicke An den Tagen, bevor die Produktion von der Probebühne auf die Große Bühne zieht, findet die technische Einrichtung statt. Dabei wird das erste Mal das originale Bühnenbild aufgebaut, die Beleuchtungs-, Ton- und Videoeinrichtung vorgenommen. Nun gilt es, die Einstudierung von der Probebühne auf die Große Bühne zu übertragen. Wo vor kurzem noch mit Attrappen geprobt wurde, stehen nun das originale Bühnenbild, Kostüme und Requisiten zur Verfügung. Weil es immer etwas anderes ist, vor Zuschauenden zu spielen, besucht eine Schul-Patenklasse mit den Theaterpädagoginnen eine Probe; auch erwachsene Zuschauer*innen haben bei der »Öffentlichen Probe« eine Stunde die Gelegenheit, einen ersten Eindruck von der Inszenierung zu erhalten. Am Sonntag vor der Premiere findet traditionell eine Matinee, das sogenannte »Früh-Stück«, statt. Das Regieteam und ausgewählte

207


Wer ans Theater geht, sollte Visionen haben

In den letzten fünfzig Jahren sind die Zuschauerzahlen kontinuierlich gesunken, das künstlerische Personal wurde abgebaut, die Gagen und der künstlerische Etat gekürzt sowie die Zahl der Veranstaltungen verdoppelt. Die deutsche Theater- und Orchesterlandschaft ist zwar in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden, muss sich aber trotzdem dringend weiterentwickeln, um in der Zukunft weiterhin eine Rolle zu spielen. Dabei geht es bei weitem nicht bloß um den Kampf um Zuschauer*innen, vielmehr geht es darum, auf Veränderungen in der Gesellschaft zu reagieren, sei es die Digitalisierung, der demografische Wandel oder der Wunsch nach modernen Arbeitsweisen und neuen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten. 2011 trat das Thema der Jahresversammlung der Dramaturgischen Gesellschaft – »Wer ist wir? Theater in der interkulturellen Gesellschaft« – die Debatte um ein »Stadttheater der Zukunft« los. Ging es 2011 bei der Jahrestagung in Freiburg noch um die Öffnung der Theater und darum, ein neues Publikum ans Theater zu binden, kamen 2015 die harten Fakten der prekären Arbeitsbedingungen auf den Tisch. Unter dem Slogan »you are not alone« ging der Protest hauptsächlich von Schauspieler*innen am Stadttheater aus. Das »ensemble netzwerk« schaffte es innerhalb weniger Jahre, in der Politik und innerhalb der Theaterlandschaft mit stetig wachsender Mitstreiter*innenzahl auf die Belange der Künstler*innen aufmerksam zu machen. Vorrangig geht es um eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen, weg von der hierarchischen Leitungsstruktur an Staats-, Stadtund Landestheatern hin zu einer selbstbestimmten Arbeitsweise auf Augenhöhe. So nahm die Debatte um ein »Stadttheater der Zukunft« weiter Fahrt auf und erweiterte sie um einen wichtigen Aspekt. Nach der Diskussion um externe Veränderungen folgten endlich auch die um interne Erneuerungen. Seitdem hat sich einiges getan: Die Anfängergage ist auf 2000 Euro brutto gestiegen. Einzelne Häuser achten auf die Einhaltung der Arbeitszeiten, was keine Selbstverständlichkeit ist, erste Versuche einer Mitsprache, selten auch schon einer Mitbestimmung des Ensembles wurden gestartet. Die Gewerkschaft hat erreicht, dass schwangere Künstlerinnen nicht mehr »nicht verlängert« werden dürfen. Der Deutsche Bühnenverein hat einen »wertebasierten Verhaltenskodex« veröffentlicht, ein »regie-netzwerk« hat sich gegründet, ein gemeinsamer Austausch aller Theaterschaffenden, Zweckverbände und der Politik hat begonnen. Auf politischer Ebene rief Kulturstaatsministerin Monika Grütters den Theaterpreis ins Leben und es wurden in einzelnen Bundesländern Kultur-

Aspekte für ein Theater von morgen

Stadttheater der Zukunft – diesen Begriff hört man seit mehreren Jahren auch im Zusammenhang mit dem Erlanger Theater immer wieder. Es klingt nach Veränderung. Aber was genau ist da im Gange?

208

oben: Logo »Stadttheater der Zukunft« für das Theater Erlangen unten: Logo für das »Utopienfest«, Spielzeit 2016/2017

Karoline Felsmann


Wer ans Theater geht, sollte Visionen haben men, Stoffe, Regisseure und Besetzungen geführt. Alle Mitarbeiter*innen dürfen nun am Anfang einer Konzeptionsprobe innerhalb ihrer Arbeitszeit dabei sein. Interne Praktika oder interne Frühstücke verschiedener Abteilungen sind Beispiele, wie ein besseres Miteinander der Kolleg*innen unterstützt wird. Allerdings fehlt manchmal die Zeit, diese Angebote wahrzunehmen, weil die Arbeit natürlich trotzdem Priorität hat. Auch wenn das oft zwei Schritte vor, einen Schritt zurück bedeutet, sind die Mitarbeiter*innen des Theater Erlangen auf einem guten Weg.

links: Besuch des Stadtrats im Rahmen der Aktion »40 000 Theatermitarbeiter*innen treffen ihre Abgeordneten«, 2017 rechts: »Wut« von Elfriede Jelinek, Regie: Paul Georg Dittrich, Spielzeit 2016/2017

etats erhöht. Eine Verbesserung der Arbeitsweise und der Arbeitsstrukturen sollte wieder dazu führen, dass man sich auf das Kerngeschäft konzentrieren kann, um das zu machen, was so viele Theaterschaffende an dieser einzigartigen Kunst fasziniert: innehalten, reflektieren, Fragen aufwerfen, neue Positionen beziehen und sich immer wieder geistig und emotional bewegen mit Hilfe von Geschichten, Stoffen der Weltliteratur und aktuellen Themen. Hinter dem Begriff »Stadttheater der Zukunft« verbirgt sich also eine Debatte über Veränderungen der Arbeitsbedingungen, -weise, -struktur, aber auch über die Aufgabe oder Position des Theaters innerhalb einer Stadtgesellschaft. Und es geht ganz konkret um den Ort als identitätsstiftende Einrichtung für alle. Um Visionen für ein »Stadttheater der Zukunft« zu entwickeln, muss darüber nachgedacht werden, für welches Publikum welches Programm wie und mit wem gemacht werden kann.

Parallel zu den innerbetrieblichen Veränderungen verstärkte sich die inhaltliche, künstlerische Ausrichtung auf moderne Erzählweisen, Ästhetiken, Formate. Zum Beispiel wurden mit dem Rechercheprojekt »Wer ist Erlangen?« Originalstimmen von Bürger*innen eingefangen, im Markgrafentheater widmete sich mindestens eine Premiere pro Spielzeit neuen Formen, zuletzt beispielsweise das Dokumentartheaterprojekt »#Meinungsmacher« von Hans-Werner Kroesinger oder die spartenübergreifende »Wut«-Inszenierung von Paul Georg Dittrich. Hier wurde Elfriede Jelineks Text teilweise sogar neu vertont und auf der Bühne von Opernsänger*innen und Schauspieler*innen in Szene gesetzt. Die Förderung des künstlerischen Nachwuchses und der Ausbau des Kinderund Jugendtheaters rückten in den Vordergrund. Wichtig bei der Überlegung, welche neue Rolle das Theater in einer Stadt spielen möchte, war aber immer auch, Bewährtes zu erhalten und den Fokus auf die Stadt Erlangen nicht aus den Augen zu verlieren. Damit ging ganz folgerichtig die verstärkte Vermittlung und Öffnung des Theaters einher. Da hat es ein herrschaftliches Barocktheater sogar schwerer, Hemmschwellen abzubauen und das Image des »Musentempels« abzulegen. Die Offensive begann: öffentliche Proben, Einführungen vor jeder

Der Weg zum Erlanger »Stadttheater der Zukunft« Angefangen hat es 2015 mit einem OPEN SPACE mit allen Mitarbeiter*innen des Theaters. Wünsche und Probleme kamen schnell auf den Tisch, hauptsächlich ging es um die Kommunikation untereinander und eine Transparenz der Entscheidungsprozesse. Verschiedene Formate und Ideen zur Förderung des besseren Miteinanders wurden ausprobiert und umgesetzt und ein Leitbildprozess in Gang gesetzt, um gemeinsam als ein Theaterbetrieb festzulegen, wie wir arbeiten wollen und was uns wichtig ist. Um die Arbeitszeiten für das künstlerische Personal besser einhalten zu können, wurde die Dokumentation ihrer Arbeitszeiten eingeführt und eine weitere Regieassistentenstelle geschaffen. Es wurden regelmäßige Ensembleversammlungen abgehalten (selbstverständlich in der Arbeitszeit) und Gespräche des Ensembles über The209


Darüber hinaus wurde die Diskussion über ein Erlanger »Stadttheater der Zukunft« öffentlich gemacht. 2016 waren Interessierte zu einer Podiumsdiskussion mit Theaterwissenschaftler*innen, dem damaligen Kulturreferenten und der Intendantin eingeladen. Viele Themen, die hier schon erwähnt wurden, kamen dort auch zur Sprache. Das Theater muss eine neue Rolle innerhalb einer Stadtgesellschaft einnehmen, um sich relevant und gesellschaftspolitisch mit seinen Möglichkeiten einzubringen. Versäumnisse, sich dem interkulturellen Wandel in der Gesellschaft zu stellen, wurden deutlich. Ein Jahr später konnten Themen in verschiedenen Tischgesprächen vertieft werden, wobei hier der Schwerpunkt auf dem Theater- und Publikumsnachwuchs, den Studierenden, lag. Nicht überraschend, aber dennoch erschreckend war, wie fremd ihnen das Theater ist, ohne dass sie an seiner Wichtigkeit zweifeln würden. Sie fühlen sich »nur nicht gemeint«. Ein Problem, das es mit Sicherheit abzubauen gilt. Die dritte Veranstaltung wurde eine Fachtagung für Theaterschaffende aus Bayern, zu Gast der Schauspieler Sebastian Rudolph, Vorsitzender des »ensemble netzwerk«. Ein weiteres wichtiges Thema für ein »Stadttheater der Zukunft« ist die Architektur, also der Raum für Theater. Eine Öffnung des Theaters für alle Bürger*innen muss genauso im Gebäude sichtbar werden. Ein hermetisch abgeriegeltes Haus, das kurz vor der Vorstellung seine Türen öffnet und anschließend sofort wieder schließt, kann kein offener Ort des Austauschs werden. Die sogenannte Guckkastenbühne mit der starken Trennung von Publikum und Bühnengeschehen lässt keinen Spielraum für moderne Erzählweisen und auch die kleine Spielstätte »Garage« bietet wenig Möglichkeiten. Räume für die Vermittlungsarbeit fehlen, in denen Theaterpädagog*innen mit Gruppen Workshops machen können. Ein Café im Theater, das auch tagsüber geöffnet ist, könnte den Ort »Theater« entmystifizieren und zu einem Begegnungsort machen. Außerdem fehlen den Künstler*innen und Mitarbeiter*innen auch die schon erwähnten »Freiräume«, sich zu entfalten, beispielsweise auf Probebühnen und in Aufenthalts- und Besprechungsräumen. Diese Überlegungen über künstlerische Veränderungen, neue Arbeitsbedingungen und -strukturen, neue Räume, bessere Bezahlung und höhere Etats machen ein Stadttheater von morgen aus. Der Anfang für ein zukünftiges Erlanger Stadttheater ist gemacht, nun gilt es die Visionen weiter umzusetzen.

Vorstellung, in dem Format »Theater-Gerüchteküche« kochen Theatermitarbeitende bei Erlanger*innen zuhause, eine Theater-Bürgersprechstunde, individuelle Kooperationen mit Schulen, dem Institut für Theater- und Medienwissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität, mit Bürgertreffs, anderen Kultureinrichtungen, Vereinen, Initiativen etc. Das Theater wollte sich nicht nur öffnen, sondern in den Austausch kommen und verstehen, was die Erlanger*innen interessiert, welche Themen speziell für diese Stadt relevant sind. Zusätzlich wurde u. a. mit der bundesweiten Aktion »40 000 Theatermitarbeiter treffen ihre Abgeordneten« der Kontakt zu den Stadtpolitiker*innen intensiviert. Im Sommer 2017 gipfelten die Bemühungen in einem »Utopienfest«, initiiert und koordiniert vom Theater, umgesetzt von vielen freiwilligen »Utopisten«. Die Idee dahinter war, die Stadt zu mobilisieren, aktiv zu werden und sich einzubringen. Jede*r war gebeten, eine Aktion oder Veranstaltung zu dem Thema zu machen, um Erlangen für vier Tage zu verwandeln und positive Zeichen zu setzen. Die Aufgabe des Theaters, visionär zu sein, sollte auf eine ganze Stadt ausgeweitet werden. Das Fest sollte vor allem »Freiräume schaffen«, zum Nachdenken anregen, Menschen verbinden und optimistisch stimmen. Mehr als achtzig Gruppen, Vereine, Initiativen oder Einzelpersonen aus den unterschiedlichsten Bereichen – Politik, Umwelt, Religion, Kunst und Wissenschaft – beteiligten sich. Es wurde getanzt, gesungen, diskutiert, auf besetzten Straßen gepicknickt, Parkplätze begrünt und Theater gespielt. Der Beitrag des Theaters war das partizipative Stadtteilprojekt »Abschaffen+Anfangen« von Turbo Pascal, das am Ende als Versammlung auf dem Rathausplatz präsentiert wurde und in diesem Buch in einem anderen Kapitel ausführlich beschrieben wird. 210

Das »Kasimir und Karoline«-Team erklärt sich solidarisch mit der Aktion »#rettedeintheater«, Oktober 2018

Wer ans Theater geht, sollte Visionen haben


Camilla Schlie

Lieber die Kultur in der Hand als die Kunst auf dem Dach

auch die Verständigung darüber, wer oder was die bürgerliche Gesellschaft ist, es ist ein Distanzierungs- und Reflexionsmedium. Im Theater für junges Publikum vertreten wir auch heute den Ansatz, die Lebenswelt des Publikums ästhetisch in all ihrer Vielschichtigkeit und Komplexität zu spiegeln. Wir suchen die Auseinandersetzung mit dem sozialen, kulturellen, ökonomischen, urbanen und medialen Alltag unseres Publikums und versuchen sie in theatrale Räume und Situationen zu übersetzen. Wir wollen keine Eindeutigkeit erzeugen, sondern ästhetische Vieldeutigkeit aufzeigen und so das Wissen und die Erfahrung des Publikums in Schwingung versetzen. Theater ist dennoch nicht nur als »erzieherisches Korrektiv« zu verstehen. Theater »funktioniert« auch hier nur über das genüssliche Erleben, die ästhetische Erfahrung. Wofür steht dieses »ästhetisch«? Theater ist ein Spiel, ist immer eine »als ob«-Situation. Wenn wir Theater schauen, müssen wir unterscheiden zwischen dem, was das ist, das wir dort erleben, und dem, was es bedeutet. Theater ist sowohl für die Spielenden wie für die Zuschauenden eine Schule der Wahrnehmung. Indem ein Mensch einem anderen Menschen beim Menschsein zusieht, kann ein Mensch sich in einen anderen hineinversetzen, er kann Gefühle und Stimmungen des anderen Menschen empfinden. Der Mensch sieht sich quasi selbst zu. Das ist tatsächlich etwas, was das Theater anderen Medien voraushat. Wenn Theater das alles kann, wozu braucht es dann Vermittlung? Zum einen, weil Theater andere Mittel zur Verfügung hat als andere Medien (Film, Literatur etc.). Seine Gesetzmäßigkeiten und Erzählweisen müssen erlernt werden. Um allen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich mit Theater auseinanderzusetzen, gibt es Vermittlungsangebote. In der Theaterpädagogik geht es also nicht darum, kulturelle oder soziale Defizite zu kompensieren. Weil Theater ein sogenanntes »Live-Medium« ist, steht folgerichtig eine praktische, spielerische Herangehensweise im Vordergrund. Es sind Übungen des Blicks, der Präsenz und des Präsentierens. Durch Beobachtung und Analyse des Gesehenen und durch Ausprobieren des eigenen Handelns und der Selbstdarstellung hilft Theater(arbeit) bei der Entwicklung persönlicher und sozialer Handlungskompetenzen. Was in der Gemeinschaft von Darstellenden und Zuschauenden verhandelt wird, geht über die rein individuelle Erfahrung und Relevanz hinaus. Öffentliche Theater sind öffentlich zugänglich und werden aus der öffentlichen Hand gefördert. Sie haben den Auftrag, Theater für alle zu machen, aber viele Menschen haben kaum Bezug zu Theater – weder zum Medium noch zum Ort. Zumal die Theatergebäude häufig auf

Teilnehmende von »Gucken und Clubben«, Leitung: Camilla Schlie, Spielzeit 2016/2017

Vermittlungsarbeit im Theater

Wozu gönnt sich die Gesellschaft im digitalen Zeitalter ein Theater? Ist es nicht wie eine vom Aussterben bedrohte Tierart, die man in einem künstlichen Habitat am Leben erhält und aus so etwas wie historischer Loyalität sonntagnachmittags seinen Enkeln zeigt? Ja und nein. Das »künstliche« Habitat – die staatliche Subvention – hat seine Berechtigung: Bei Theater, auch bei Inszenierungen für junges Publikum, handelt es sich nämlich um Kunst. »Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei«, heißt es im Artikel 5 des Grundgesetzes. Jedoch aufgrund reiner Nostalgie oder staubigen Traditionsbewusstseins das Theater zu besuchen, wäre ignorant gegenüber dem, was Theater kann, was Kunst kann. Bei vielen Kunstformen schießt einem sofort das Bild des Künstlers in den Kopf, der sich am Rande der Gesellschaft bewegt, um quasi von außen einen Blick auf sie zu werfen und ihr den Spiegel vorzuhalten. Diese Qualität des tatsächlichen »Außen« ist schon oft und überzeugend infrage gestellt worden, aber nichtsdestotrotz dienen Kunstprodukte häufig als »Spiegel« der Gesellschaft – wie beispielsweise auch das Erlanger Markgrafentheater Mitte des 18. Jahrhunderts den Einfluss und die Macht der Markgräfin Wilhelmine repräsentierte. Im Barock spiegelte höfisches Theater den Anspruch und die Welt des Adels, es diente demnach der Repräsentation. Das bürgerliche Theater unterstützte schon immer 211


Lieber die Kultur in der Hand als die Kunst auf dem Dach nen einerseits ermöglichen, nicht nur eine Vorstellung zu erleben, sondern auch praktisch mit uns zu arbeiten und die Themen der jeweiligen Inszenierung breitgefächert interdisziplinär mit dem Lehrstoff zu verknüpfen und die Ergebnisse zu präsentieren. Unter dieses Format fallen das Projekt »Texte und Theater«, das wir in Kooperation mit der Stadtbibliothek und der Eichendorff-Schule jeweils mit dem 7. Jahrgang durchführen, und auch diverse Patenjahrgangsprojekte vor allem mit dem Marie-Therese- und dem Ohm-Gymnasium. Gerade weil das Zeitempfinden in der Kindheit ein vollkommen anderes ist als im Erwachsenenalter, ist die Kontinuität im Kontakt zum Theater ausschlaggebend für einen stabilen Bezug zu diesem Medium. In der Regel hilft es einem sechzehnjährigen Menschen wenig, sich an den letzten Theaterbesuch in der Grundschule zu erinnern, um einen Zugang zu den Erwachseneninszenierungen zu bekommen. Da sich der Theaterbesuch von der Schule aus jedoch insbesondere in der Mittelstufe und Sekundarstufe I für die Lehrkräfte kompliziert gestaltet, kommen wir mit unseren mobilen Stücken in die Schulen. Mit ein bis zwei Schauspieler*innen und einer Koffer- bis zu einer Kofferraum-Ladung Requisiten kommen wir direkt ins Klassenzimmer, spielen vor den Nasenspitzen der Schüler*innen und geben die Möglichkeit zum Publikumsgespräch. Eine kontinuierliche Versorgung mit Theater und allen Benefits, die es mit sich bringt, ist so durch alle Altersstufen gewährleistet. So postulieren wir: KUNST FÜR ALLE – UND ZWAR VON ANFANG AN!

der cognitive map ihrer Stadtbewohner*innen gar nicht eingezeichnet sind. Solange etwas aber auf keiner Karte existiert, kann es auch nicht gefunden werden. Aktuell suchen viele Theater aktiv den Kontakt mit ihrem potentwiellen Publikum; sie öffnen sich zum Sozialen, zur Interaktion, denn das ist ihre Stärke. So fragen auch wir als Teil der Erlanger Stadtgesellschaft: Wer sind wir? Wer ist dieses »wir«? Wenn man einer Stadt einen Namen gibt, können Menschen über sie sprechen, wird sie zu einem Gefüge, gerinnt sie zu einem konkreten Gegenstand – für die Menschen, die in ihr wohnen, wird sie vielleicht sogar zum Teil ihrer kulturellen Heimat. Mit dieser Vermittlungsarbeit beginnen wir bereits im Kindergartenalter. Mit den Erlanger Kulturfüchsen begeben wir uns mit der Hermann-Hedenus-Grundschule und dem Erna-Zink-Kindergarten nicht nur auf die Suche nach dem, was Theater ist, besuchen Vorstellungen und spielen selbst Theater. In Kooperation mit dem Kunstpalais erleben die Kulturfüchse bildende Kunst am Objekt und in eigener Erfahrung. Durch die inhaltliche Vernetzung der Theater- und Kunsterlebnisse und die Aneignung der Kunstinstitutionen als Gebäude in ihrem Stadtraum werden sie in der gedanklichen Karte der Kinder eingezeichnet und im besten Fall zum festen Bestandteil ihrer kulturellen Heimat. Dieses Format der Vermittlung bedarf der Kontinuität. Eine Beziehung zu Kunst und Kultur aufzubauen, braucht Zeit, ist jedoch umso nachhaltiger, da die Kulturfüchse einen eigenständigen Bezug zu Kulturgütern entwickeln und so kulturell selbständig werden. In den höheren Klassenstufen bleibt den Bildungsinstitutionen viel weniger Zeit für derart intensive Kooperationen. Dennoch suchen wir auch hier nach möglichst komplexen Kooperationsformen, die es den Schüler*in212

links: »Huck Finn« nach Mark Twain von Max Eipp, Regie: Inda Buschmann, 2017/2018 rechts: Logo der »Kulturfüchse«

Camilla Schlie ist seit 2015/2016 Theaterpädagogin am Theater Erlangen.


Johannes Mann

Auswärtsspiele der besonderen Art

Meine erste Begegnung mit der Welt des Theaters erlebte ich aus kindlicher Perspektive beim Besuch des Theaterstücks »Peterchens Mondfahrt« Mitte der 1960er Jahre im Stadttheater Duisburg. Als Gymnasiast begleitete mich Wolfgang Borcherts Drama »Draußen vor der Tür« bei der Auseinandersetzung mit dem Wahnsinn des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus und zeigte mir schon früh die hohe gesellschaftspolitische Relevanz von Theater. Insofern gehörte für mich immer die Begegnung zwischen Kirche und Theater in ihren Schnittmengen zu den ganz großen Herausforderungen. Ich darf die Arbeit des Erlanger Theaters und der Intendantinnen Sabina Dhein und Katja Ott seit 2003 als Pfarrer der Hugenottenkirche begleiten. Ich freue mich, dass es in dieser Zeit immer wieder gelungen ist, gemeinsame Kooperationen zwischen Kirche und Theater zu entwickeln und umzusetzen. Wie anders wird ein Ensemble doch wahrgenommen, wenn es nicht nur »Heimspiele« im angestammten Theatersaal austrägt, sondern auch »Auswärtsspiele«, z. B. in der ältesten Kirche der Neustadt, der evangelisch-reformierten Kirche am Hugenottenplatz, die im Volksmund unter Hugenottenkirche firmiert und aufgrund ihrer Bauweise in Rundform wie geschaffen zu sein scheint als idealer Aufführungsort für Theaterstücke. So mutierte die Hugenottenkirche bereits im Sommer 2008 zu einem faszinierenden Theater, als das Erlanger Ensemble als letzte Produktion der Spielzeit Aischylos’ »Orestie« zur Aufführung brachte. In der Hugenottenkirche sahen wir in unseren Vorgesprächen den passenden Rahmen für die »Orestie« in der Regie von Marc Pommerening, in der die Götter schließlich die Strippenzieher sind. Die Besucher wurden nicht zuletzt durch den Chor, bestehend aus Juliane Pempelfort, Tanya Häringer, Antonia Bill und Michaela Kaspar in Bann gezogen, und erlebten, wie die wenig zimperliche, weil rachedurstige Klytaimnestra fröhlich die Streitaxt schwang und überhaupt nicht zögerte, ihren heimkehrenden Gatten, gespielt vom Erlanger Urgestein Winni Wittkopp, mitsamt seiner Sklavin Kassandra meuchlings abzuschlachten. Über die Sommermonate hinweg erlebten die Zuschauer altgriechische Mythen in neuem Glanz. Jahre später, 2015, gingen wir erneut das Wagnis einer Inszenierung in der Kirche ein und brachten Arthur Millers »Hexenjagd« unter der Regie von Dominik von Gunten zur Aufführung. In faszinierender Weise war es erneut gelungen, die Architektur der Kirche, ihre Schlichtheit und Ästhetik sowie die hervorragende Akustik zu nutzen für die gesellschaftskritische Botschaft des Theaterstücks, die Entwicklung gesellschaftlicher Vorurteile und Stigmatisierungen sowie die Durchbrechung

»Hexenjagd« von Arthur Miller, Regie: Dominik von Gunten, 2014/2015

Die Begegnungen von Theater und Kirche

213


des Teufelskreises der Gewalt. Ein Pfarrer entdeckt in der Zeit des Puritanismus in dem kleinen Ort Salem seine Tochter Betty, seine Nichte Abigail und weitere Mädchen beim ausgelassenen Herumspringen im Wald. Der Theatergast erlebte, wie schnell ein harmloser Tanz zum okkulten Ritual hochstilisiert wird und in der Folge zum Albtraum und Fanal von Intrigen, Verleumdungen, Verhaftungen und überhaupt menschlichen Zerstörungen wird. Dies ist gerade auch Aufgabe von Kirche, gegen Verleumdung, Mobbing und jedwede Art von physischer und psychischer Gewalt anzugehen. Und deswegen hätte es keinen geeigneteren Aufführungsort geben können als die Hugenottenkirche. Die regelmäßig vom Förderverein Theater Erlangen und dem Erlanger Theater veranstalteten »Foyergespräche« mit einem oder mehreren Gästen zu wichtigen gesellschaftspolitischen Themen und Entwicklungen bewerte ich ebenfalls als sehr positiv. Es ist erfreulich, dass hier und auch bei Benefiz-Unterstützungs-Aktionen in die Stadt hineingewirkt wird. 2016 gründete sich in der Evangelisch-reformierten Kirche in Erlangen als Unterstützungsaktion für wohnungssuchende Geflüchtete der Verein »Refugium Erlangen e.V.«. In einer Stadt mit einem äußerst angespannten Wohnungsmarkt und hohem Mietspiegel sollte hier ein Zeichen der Solidarität entstehen. Das Erlanger Theater engagierte sich ganz selbstverständlich und unterstützte den Verein und sein Anliegen mit dem Erlös der Weihnachtsaktion und zeigte damit seine klare Linie, nicht in einer neutralen Zone Theater zu betreiben, sondern Theater in der und für die Stadt zu sein. Nach dem tragischen Tod des Unternehmers Dominik Brunner auf einem Münchner S-Bahnhof gründeten wir im Jahre 2010 das Netzwerk »Mutwerk Courage erLANGEN«. Das Netzwerk, dem neben der Reformierten Kirche u. a. auch Schulen, die Erlanger Stadtwerke, Sparkasse, BRK, Seniorenbeirat und Polizei angehören, will für mehr Zivilcourage in der Stadt eintreten. Um Zivilcourage zu zeigen, braucht es Mut. Mut, der zur Tat wird und nicht wegschaut, wenn andere Menschen bedroht werden und in Gefahr geraten. Ausdruck dessen ist das Emblem, ein dicker roter Kugelfisch. Recht bald nach der Gründung von Mutwerk gingen wir auf das Theater Erlangen zu, um auszuloten, ob und inwieweit eine gemeinsame Kooperation zum Thema Zivilcourage möglich wäre. In Katja Prussas fanden wir damals eine hervorragende Dramaturgin, die sich für das Thema und die Kooperation begeistern ließ. Als Basis des Theaterstücks diente eine Umfrage unter rund 500 Schülerinnen und Schülern zum Thema Zivilcourage und was sie damit ver-

binden. Das meistgenannte Wort dabei war »Mobbing«. So entstand ein faszinierendes Theaterstück namens »Mutwerk«, dessen Aufführungen in der Garage stets ausverkauft waren und bei dem in Person von Christian Lehrmann wohl erstmals ein leibhaftiger Polizeibeamter im Ensemble mitwirkte. So gratuliere ich herzlich dem Theater Erlangen und bezeichne seine Arbeit auch für die Zukunft als unverzichtbar gerade in Zeiten, in denen Sprache wieder total verroht und sich manches wiederholt, was wir fälschlicherweise dunkelsten Zeiten unserer Geschichte vorbehalten glaubten. Johannes Mann ist seit 2003 Pfarrer der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Erlangen.

214

Plakatmotiv des Projekts »Mutwerk«, 2010

Auswärtsspiele der besonderen Art


Antonia Ruhl

»Neuland«-Spielclub, Leitung: Antonia Ruhl, Spielzeit 2016/2017

Von der Guckkastenzur Mitmachbühne

»Während der AG-Leiter mit dem Team des Theater Erlangen den technischen Ablauf durchging, schminkten sich die Darsteller wie die Profis in derselben Künstlergarderobe, in der auch die Schauspieler des Theaters für ihren Auftritt geschminkt werden. Noch höher stieg der Puls, als klar wurde, dass das Haus fast ausverkauft und die Presse vor Ort war«, erinnert sich ein Schüler der Ernst-Penzoldt-Schule Erlangen an die Schultheatertage 2017. Solche Erfahrungen wurden während der letzten siebenunddreißig Jahre immer wieder bei den Erlanger Schultheatertagen gemacht, die 1982, damals noch unter dem Titel »Festival der Schultheater«, ins Leben gerufen wurden. Die Zielsetzung ist bis heute unverändert; es soll der mit großem Engagement geleisteten Theaterarbeit an den Schulen ein öffentlicher Raum und Forum geboten werden und auch die Schüler*innen sollen die Gelegenheit bekommen, sich untereinander kennenzulernen und ins Gespräch zu kommen. Damals wie heute ist das Interesse von Schultheatergruppen, die Ergebnisse ihrer künstlerischen Arbeit zu präsentieren, groß. Knapp 300 Schüler*innen jährlich, das macht in siebenunddreißig Jahren Erlanger Schultheatertage-Geschichte 11 100 Schüler*innen. Und so soll es weitergehen! Eine Tradition, die fortgeführt werden muss, um weiteren Generationen von Theater- und Spielbegeisterten die Türen zur Institution Theater zu öffnen und vor allem das Interesse zu wahren, auch nach der eigenen Aufführung wiederzukommen: zum Zuschauen und um weiter selbst aktiv dabei zu sein. Die Jugendclubs, am Theater Erlangen mehrere Jahre als die »Bühnentaucher« bekannt, bieten dafür eine der besten Gelegenheiten. Denn ein Theaterspielclub steht vor allem erst einmal für eines: Offenheit. Wer Lust und Zeit hat und wer sich traut, darf mitmachen. Die Tür steht offen, die Textblätter sind noch unbeschrieben und niemand weiß, was am Ende dabei herauskommen wird. Zu Beginn steht die Leitung jedes Mal vor einer interessanten Gruppe aus den unterschiedlichsten Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen und Motivationen. Integration, Partizipation und Inklusion sind hier die entscheidenden Schlagworte. Wer sich beteiligt und sich einbringt, erhält hier als Laie die Gelegenheit, den Arbeitsprozess des Theaters mitzuerleben. Die verschiedenen Abteilungen des Erlanger Theaters, also Licht, Ton, Requisite, Kostüm und Technik, unterstützen das Gesamtergebnis mit ihrem Know-how und verleihen so dem Ganzen eine professionelle Note. Doch worum es in den Spielclubs eigentlich geht, das ist die persönliche Entwicklung der Teilnehmer.

Theater heißt schon lange nicht mehr nur stillsitzen und zugucken. In 300 Jahren Theatergeschichte wurden die zwei Spielstätten des Theater Erlangen von der Guckkastenbühne zur Mitmachbühne. Ein mittlerweile traditioneller Bestandteil dessen: die Erlanger Schultheatertage. Diese jähren sich 2019 zum siebenunddreißigsten Mal. Siebenunddreißig Jahre, in denen pro Jahr knapp 300 Schüler*innen innerhalb einer Woche auf den zwei Bühnen des Erlanger Theaters spielen und dabei nicht nur sich selbst, sondern auch das gesamte Team des Theaters jedes Mal aufs Neue herausfordern. Altbekannte Klassiker wollen dabei ebenso präsentiert werden wie neu geschriebene Eigenproduktionen. Technik, Licht, Ton, Video, die Bühnen und guten Rat stellen die Mitarbeitenden des Theaters dabei jeder Gruppe zur Verfügung und bemühen sich, jeden noch so extravaganten Wunsch zu erfüllen, um das Theatererlebnis für Spieler*innen und Publikum unvergesslich zu machen.

215


Von der Guckkasten- zur Mitmachbühne

Es geht um Gruppendynamik, Konzentration und Präsenz, es geht darum, eine neue Figur mit Leben zu füllen, Wahrnehmungen zu reflektieren und wiederzugeben. Mittlerweile hat sich der »Neuland«-Club als Möglichkeit für Neubürger*innen in Erlangen etabliert. Es werden gemeinsame Erfahrungen gemacht, Grenzen ausgelotet und neue Freundschaften geschlossen. Es geht darum, sich selbst, die anderen und das Theater besser kennenzulernen. Und schlussendlich gibt es immer ein lautes Publikum und glückliche Spieler, die nicht selten im nächsten Jahr wieder mit dabei sein wollen – im Gepäck haben sie neue Erfahrungen, neue Motivationen, neue Geschichten und vielleicht sogar ein paar neue Mitspieler*innen.

Antonia Ruhl leitet seit 2016/2017 den Spielclub „Neuland“ und

„Neuland“ (UA), Regie: Jakob Fedler, Spielzeit 2015/2016

ist seit 2017/2018 Theaterpädagogin am Theater Erlangen.

216


Angela Löer

Abschaffen und Anfangen. Eine Reise durch Erlangen mit sieben Mülltonnen

Aus den Sammlungen entwickeln wir im nächsten Schritt Versammlungen, also Aufführungen im Stadtraum, in denen eine Gruppe von nicht-professionellen Mitspieler*innen die O-Töne, die wir auf unserer Reise durch die Stadt finden, stellvertretend wiedergeben. Es werden Gedanken, Statements und Geschichten hörbar, die sonst keine Öffentlichkeit bekommen und in einer solchen Vielzahl und Zusammensetzung nicht aufeinandertreffen würden. In Erlangen haben wir anschließend die dreiwöchige Sammlung von Abschaff-Wünschen als eine utopische Versammlung auf dem Rathausplatz inszeniert, in der Plädoyers für einzelne Abschaff-Anliegen gehalten wurden und gemeinsam mit den Zuschauern gefragt wurde: »Wenn xy weg wäre, wofür wäre dann Platz?« Aber das Sammeln selbst ist in den partizipativen Projekten für uns auch schon ein künstlerischer und performativer Akt. Wir überlegen lange, wie es in den einzelnen Projekten aussehen soll, wenn wir das Theater verlassen und im öffentlichen Raum mit Menschen ins Gespräch kommen wollen. Es muss eine künstlerische Form haben, die irgendetwas triggert. In Erlangen waren wir mit einem bedruckten Anhänger, sieben Mülltonnen und zwei Hochstühlen unterwegs und haben die Menschen gefragt: »Was muss weg?« Die Antwort auf diese Frage konnte man auf einen Zettel schreiben, zusammenknüllen und in die passende Mülltonne werfen. Wir hatten uns vorgenommen, die Sammlung in ganz Erlangen zu machen und immer wieder das Zentrum zu verlassen und in die Peripherie zu fahren. Wir haben unsere Tonnen im Nachbarschaftsgarten Bruck aufgestellt, vor der Essensausgabe der Erlanger Tafel, am Weiher, auf dem Flohmarkt am Bohlenplatz, auf dem Schlossund Hugenottenplatz (wo alle einen großen Bogen um uns gemacht haben), vorm Rathaus, wo später auch die Aufführungen stattfanden, am George-Marshall-Platz im Röthelheimpark, zwischen den Hochhäusern am Europakanal, auf verschiedenen Supermarktparkplätzen und und und … Im Laufe der drei Wochen haben wir insgesamt 260 Abschaff-Anliegen gesammelt und dazu Interviews geführt. Abgeschafft werden sollte zum Beispiel der Satz »Erlangen – weltoffen aus Tradition«, weil er angeblich nicht zutrifft, Schimpfwörter, die Lüge, dass Geld arbeitet, die deutsche Unzufriedenheit, mindestens fünf Bundesländer, jemand wollte seine religiöse Prägung abschaffen und eine Frau das »Runterschauen auf andere«. Es sind aber auch sehr konkrete Sachen in den Tonnen gelandet,

Ein partizipatives Stadtteilprojekt von Turbo Pascal Im Dezember 2015 wurden wir, das Berliner Performanceund Theaterkollektiv Turbo Pascal, gefragt, ob wir am Theater Erlangen eine Arbeit für das »Utopienfest« im Sommer 2017 machen wollen: »Irgendwas Utopisches mit Menschen im Stadtraum.« Wir hatten große Lust, einen Frühling in Erlangen zu verbringen, aber das Gefühl, dass man erstmal Platz (im Kopf) schaffen muss, um überhaupt (wieder) utopisch denken zu können. Vielleicht sogar besonders in Erlangen, einer Stadt, über die wir gelesen hatten, dass dort die zufriedensten Menschen Deutschlands leben. Unsere Projekte mit Bürger*innen im Stadtraum, die wir neben Erlangen auch schon am Theater Freiburg und am Deutschen Theater in Berlin gemacht haben, nennen wir für uns »partizipative Projekte« oder »Sammelprojekte«. Wir ziehen durch die Stadt und sammeln etwas von den Menschen, die uns begegnen: In Freiburg waren es Geschichten vom Kommen, Gehen und Bleiben, in Berlin waren es Weltbürgererklärungen, und in Erlangen haben wir uns dafür entschieden, zu sammeln, was die Menschen gerne abschaffen möchten. Wenn wir uns auf den Weg durch eine Stadt oder einen Stadtteil machen, um Geschichten, O-Töne und Meinungen zu sammeln, versuchen wir immer, mit möglichst unterschiedlichen Menschen in Kontakt zu kommen und auch Menschen zu erreichen, die mit Theater wenig zu tun haben. Wir wollen unsere eigene Theater- und Kulturschaffendenblase verlassen und sind inhaltlich an einer Vielstimmigkeit und unterschiedlichen Blickwinkeln interessiert. Verschiedene Blickwinkel haben wir als Theatergruppe, die auch Texte kollektiv entwickelt, zwar gewissermaßen immer in unseren Arbeiten, aber wir suchen auch immer wieder Anlässe, das Kollektiv zu öffnen und zu erweitern. Entweder – in unseren interaktiven Bühnenstücken – durch die Gruppe der Zuschauer*innen, oder eben durch die Bürger*innen eines Stadtteils oder einer ganzen Stadt. Und wenn die Sammlungen im öffentlichen Raum stattfinden, ist es ein offener Vorgang, bei dem wir die Kontrolle über den Inhalt abgeben. 217


Abschaffen und Anfangen z. B. »die Bordsteinkante vor meiner Schule, über die kein Rollstuhl fahren kann« und »Croûtons im Salat«.

Gegen Ende kamen alle auf Plastikstühlen zusammen, es entstand eine Art Parlamentssituation – ein Parlament auf Plastikstühlen. Die Ergebnisse des jeweiligen Abends wurden verkündet, z. B.: Wir hier heute Abend wollen in einer Welt leben, in der Menschen nicht mehr auf andere runterschauen, in einer Welt, in der sich alle Menschen auf Augenhöhe begegnen. Wir wollen in einer Welt leben, in der Grenzen keine exakten Linien mehr sind, in der sich Kulturen vermischen können und etwas Neues entsteht. Wir wollen in einer Welt leben, in der niemand mehr Probleme bei der Partnersuche hat, in der kein Arbeitgeber jemandem vorschreiben kann, wo er zu leben hat, und niemand aus beruflichen Gründen seine sozialen Kontakte einschränken muss. Wir wollen in einer Welt leben, in der Menschen Geld nicht einfach für sich arbeiten lassen können, sondern in der den Menschen immer genau das Geld zusteht, das sie erwirtschaften.

Wir mochten die unaufgeregte Art und Weise, mit der die Menschen sich auf diesem Platz aufhielten, und so automatisch auch Teil unserer Proben und Aufführungen wurden. Auf den Bänken sitzende ältere Menschen mit Bierdosen waren teilweise nur schwer von unseren Mitspieler*innen zu unterscheiden, Kinder haben noch in den Abendstunden auf dem Spielplatz gespielt und die Tonnen waren die selbstverständliche Erweiterung ihres Spielplatzes, und dann gab es einfach Passant*innen auf dem Weg ins Rathaus oder zum Einkaufen, die stehen blieben und der jeden Abend neuen Mischung von Abschaff-Wünschen gelauscht haben, die über Mikrofon und mit Musik verkündet wurden. Hin und wieder fuhr auch ein Auto über die Bühne. Und eine Passantin, die immer mal wieder abends zugeguckt hatte, brachte an einem besonders heißen Tag sogar Eis für alle Beteiligten vorbei – wenn man so will ein utopischer Moment im städtischen Miteinander.

Die Aufführungen auf dem Rathausplatz haben wir gemeinsam mit vierzehn Mitspieler*innen bestritten. Eine Gruppe, die in ihrer Zusammensetzung einen leicht utopischen Charakter hatte: Vierzehn Menschen unterschiedlicher Herkunft im Alter von fünfzehn bis siebzig, Studierende, Geflüchtete, Siemensianer und alteingesessener Erlanger*innen haben gemeinsam mit uns, stellvertretend für die Menschen, mit denen wir auf der Recherche gesprochen hatten, Plädoyers für Abschaff-Anliegen gehalten. Die Zuschauer*innen konnten über den Platz schlendern, auf dem alle Spieler*innen verteilt waren, und die Plädoyers für einzelne Abschaff-Anliegen anhören. Sie konnten per Zettel abstimmen, welches Anliegen sie teilen und in kleinen Gruppen überlegen, womit man anfangen könnte, wenn die jeweilige Sache abgeschafft wäre.

Angela Löer ist Mitglied des Theaterkollektivs Turbo Pascal und war von 2007 bis 2009 Dramaturgin und Theaterpädagogin am Theater Erlangen.

218

oben: »Abschaffen+Anfangen« mit Turbo Pascal, 2017 unten: Turbo Pascal im Gespräch mit Erlanger*innen

Und wir wollen in einer Welt leben, in der Tiere und Menschen in einen ganz neuen, respektvollen Bezug zueinander kommen.


Daniel Ris

Zur Entstehung des Leitbilds am Theater Erlangen

oben: Fragen zur Erstellung des Leitbilds, 2016 unten: »Welche Werte sind uns für die Arbeit am Theater wichtig?«, OPEN SPACE, 2016

Das Leitbild ist die in der Wirtschaft am weitesten verbreitete unternehmensethische Maßnahme. Es beschreibt die Identität eines Unternehmens, seine Grundwerte und Ziele. Aus unternehmensethischer Perspektive ist es kein Marketing-Instrument, sondern die authentische Formulierung der wesentlichen Handlungsprinzipien des Unternehmens. Leitbilder haben keinen juristisch bindenden Charakter und entwickeln nur dann eine positive Wirkung, wenn sie in den alltäglichen Arbeitsprozessen umgesetzt werden. Ist das Leitbild mit allen Mitarbeitenden erstellt worden, wird es kommuniziert und sowohl seine Formulierung als auch seine Umsetzung werden dauerhaft kontrolliert. Daraus entsteht ein dynamischer Kulturgestaltungsprozess. Nach innen gibt das Leitbild Orientierung, steigert die Identifikation mit dem Betrieb und dadurch die Motivation der Mitarbeitenden. Zudem legitimiert es den Betrieb nach außen, indem es die der Arbeit zugrunde liegenden Werte kenntlich macht. Im deutschsprachigen Raum haben bislang nur sehr wenige Theater ein Leitbild erarbeitet. Die Texte wurden dabei von den Theaterleitungen und Dramaturgien formuliert. Dies ist meines Erachtens ein Missverständnis. Unternehmensethisch wirksam ist das Leitbild nur dann, wenn es gemeinschaftlich von allen Mitarbeitenden entwickelt wird. Das Theater Erlangen beauftragte mich 2015 in diesem Sinn mit der Gestaltung eines Prozesses, der in einem Zeitraum von zwei Jahren zu einem unternehmensethischen Leitbild geführt hat. Es ist das erste Mal, dass ein Theater im deutschsprachigen Raum einen solchen Weg beschritten hat. Der Prozess begann im Januar 2016 mit einer OPEN SPACE-Konferenz zur Frage »Was für ein Theater wollen wir sein?«. An den Theatern treffen mit den Bereichen Kunst, Technik und Verwaltung drei sehr unterschiedliche Personengruppen aufeinander. Das Format OPEN SPACE ermöglicht allen Mitarbeitenden einen Tag der wirklich hierarchiefreien Kommunikation. Im zweiten Schritt wurden auf einer weiteren OPEN SPACE-Konferenz sechs Monate später von allen Mitarbeitenden detaillierte Fragen zur Arbeit am Theater entwickelt. Dabei gab es drei große Themenbereiche: »Was wollen wir machen?«, »Für wen wollen wir es machen?« und »Wie wollen wir es machen?«. Im Anschluss wurde das neue Gremium einer Delegierten-Gruppe geschaffen. In dieser Gruppe trafen sich die drei Personen der Theaterleitung (künstlerische Leitung, technische Leitung und Verwaltungsleitung) und sieben Delegierte aus allen Arbeitsbereichen des Theaters (Schneiderei, Maske, Requisite / Bühnentechnik / Dramaturgie, Künstlerisches Betriebsbüro, Öffentlich219


Zur Entstehung des Leitbilds keitsarbeit, Theaterpädagogik / Ensemble, Regieassistenz / Werkstätten, Bühnenmalerei / Verwaltung, Kasse, Logenschließer*innen / Veranstaltungstechnik Licht & Ton). Die zehn Personen der »Delegierten-Konferenz« entwickelten mit mir aus den Ergebnissen des zweiten OPEN SPACE einen Fragenkatalog. Diese Fragen wurden dann von Delegierten über einen längeren Zeitraum mit den ihnen zugeordneten Mitarbeitenden besprochen und schließlich schriftlich beantwortet. Diese Ergebnisse wurden wiederum in der Delegiertenrunde diskutiert und zu einem gemeinsamen Textentwurf zusammengefasst. Dieser Entwurf wurde schließlich in einem großen gemeinsamen Workshop mit den Mitarbeitenden weiter diskutiert, modifiziert und schließlich im Herbst 2017 von allen verabschiedet. Nun gilt es, das Leitbild im täglichen Arbeiten als Kompass zu nutzen und es gegebenenfalls zu überprüfen und zu modifizieren. Auch dazu sind die Delegierten-Gruppen weiterhin ein hilfreiches Instrument.

Aus meiner Sicht ist das Experiment der Entwicklung eines Leitbildes in Erlangen sehr gut gelungen. Es könnte in diesem Sinn durchaus ein Vorbild für andere Kulturbetriebe sein, die an ihrer eigenen Unternehmenskultur arbeiten möchten. Daniel Ris ist seit 2015 als OPEN SPACE-Begleiter und systemischer

OPEN SPACE mit allen Mitarbeitenden, 2017

Berater für die Leitbildentwicklung am Theater Erlangen tätig.

220


Leitbild aller Mitarbeiter*innen des Theater Erlangen

Die Art unserer Kommunikation ist die Grundlage für eine respektvolle Zusammenarbeit. Jede*r Einzelne ist verantwortlich für einen offenen, fairen, gelassenen und höflichen Umgang miteinander. Wir legen Wert darauf, dass sich alle Kolleg*innen des Hauses untereinander kennen.

Das Leitbild formuliert unsere Identität, unsere Grundwerte und unsere Ziele. Es ist unser Kompass für das Arbeiten miteinander und die Arbeit für unser Publikum. Es ist Wegweiser für die weitere Entwicklung unserer Unternehmenskultur und die Zukunft des Theater Erlangen. Das Leitbild wird durch die Überprüfung im konkreten Arbeitsalltag von und mit allen Mitarbeiter*innen reflektiert und gegebenenfalls verändert und ergänzt.

Wir wollen innerhalb des Hauses Teilhabe in den Arbeitsprozessen befördern und Freiräume für kreatives Arbeiten ermöglichen, zum Beispiel durch künstlerischen Austausch und Förderung von beruflicher Weiterentwicklung in allen Bereichen. Klare Aufgabenverteilung und die Kenntnis der Anderen darüber schafft die Voraussetzung, uns über die eigenen Zuständigkeiten hinaus gegenseitig zu unterstützen und an einem Strang zu ziehen. Das Theater Erlangen bemüht sich um Diversität und stellt sich gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung. Wir streben als Einzelne und als Institution im Rahmen unserer Möglichkeiten ein nachhaltiges, ressourcenschonendes und umweltfreundliches Handeln an. Das Theater sieht sich als Ort der Begegnung, als Forum der Gesellschaft und der für sie relevanten Themen. Es versteht seine gesellschaftliche Verantwortung als Auftrag, aktuelle gesellschaftliche Themen künstlerisch umzusetzen, kritisch zu hinterfragen, Diskurse anzukurbeln sowie Alternativen und Gegenbilder zu entwerfen. Ein Theatererlebnis für und mit Kindern und Jugendlichen zu schaffen, ist uns ebenfalls ein zentrales Anliegen. Wir machen Theater für alle Menschen in der Stadt Erlangen, in der Region und darüber hinaus. Dabei möchten wir den Zuschauer*innen ein abwechslungsreiches, unterhaltsames Programm mit Vielfalt in Inhalt und Form anbieten. Stand: 27.10.2017 Erneut bestätigt am 05.09.2018

221



Alle Inszenierungen des Theater Erlangen seit 2009/2010 Im vorliegenden Band sind die Produktionen der Intendanz Katja Ott seit 2009 aufgeführt. (Stand: 15.11.2018)

Ferner liegen folgende Dokumentationen mit Informationen zu den Spielplänen seit 1959 in folgenden Büchern vor:

Markgrafentheater Erlangen 1959 – 1969, Kulturreferat der Stadt Erlangen, Erlangen 1969. Markgrafentheater 1969 – 1979, Der Gemeinnützige Verein Erlangen, Erlangen 1979. Markgrafentheater 1979 – 1989, Der Gemeinnützige Verein Erlangen, Erlangen 1989. Cornelia Julius: Theater anders Nürnberg 1979. Ute Wolf, Kirsten Harder: Wo Mr Pilk schlündelgründelt, Cadolzburg 1985. Theater Erlangen. 1989 – 1998, Erlangen 1998. Das Theater Erlangen Lexikon 2002 – 2009, Hg. Förderverein Theater Erlangen, Erlangen 2009.

223


Inszenierungsverzeichnis 2009/2010

Mit Lena Kußmann, Robert Naumann, Steffen Riekers, Georgios Tzitzikos, Christian Wincierz,

FAUST. DER TRAGÖDIE ERSTER TEIL

Winfried Wittkopp

von Johann Wolfgang von Goethe

Stimmen Linda Foerster, Hermann Große-Berg

Regie Mario Portmann

Premiere: 22.11.2009, Markgrafentheater

Bühne und Kostüme Ulrich Leitner Musik Jan-S. Beyer, Jörg Wockenfuß

TAGEBUCH (ab 14 Jahren)

Mit Matthias Bernhold, Hermann Große-Berg,

von Anne Frank (Übernahme Berliner Ensemble)

Robert Naumann, Sigrid Plundrich/Cordula

Regie Tanja Weidner

Schmieg, Gitte Reppin, Christian Wincierz

Bühne und Kostüme Wicke Naujoks

Premiere: 01.10.2009, Markgrafentheater

Mit Gitte Reppin Premiere: 05.12.2009, Garage

CLYDE UND BONNIE von Holger Schober

WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF?

Regie Johannes Wenzel

von Edward Albee

Bühne und Kostüme Nicole Pleuler

Regie Constanze Kreusch

Musik Jan-S. Beyer, Jörg Wockenfuß

Bühne und Kostüme Petra Wilke

Mit Linda Foerster, Steffen Riekers

Mit Anne Cathrin Buhtz, Linda Foerster,

Premiere: 02.10.2009, Garage

Hermann Große-Berg, Steffen Riekers Premiere: 23.01.2010, Markgrafentheater

DAS ENDE VOM ANFANG von Sean O’Casey

WIR ALLE FÜR IMMER ZUSAMMEN

Regie Karin Koller

(ab 10 Jahren)

Bühne und Kostüme Ulrike Schlemm

von Guus Kuijer

Mit Christian Baus, Linda Foerster,

Inszenierung Veit Güssow

Hermann Große-Berg

Bühne und Kostüme Lisa Jacobi

Premiere: 23.10.2009, Markgrafentheater

Mit Vera Kasimir, Robert Naumann, Gitte Reppin

DIE REISE EINER WO LKE (ab 3 Jahren)

Premiere: 06.02.2010, Garage

Erzähltheater von Roberto Frabetti (Übernahme Staatstheater Braunschweig)

DIE FRAU VOM MEER

Regie Heiner Fahrenholz

von Henrik Ibsen, aus dem Norwegischen

Bühne und Kostüme Dirk Riethmüller

von Heiner Gimmler

Mit Linda Foerster

Regie Katja Ott

Premiere: 25.10.2009, Garage

Bühne und Kostüme Ulrike Schlemm Musik Jan-S. Beyer, Jörg Wockenfuß

KASPAR HÄUSER MEER

Mit Linda Foerster, Hermann Große-Berg,

von Felicia Zeller

Gitte Reppin, Steffen Riekers, Horst Schily,

Regie Jakob Fedler

Christian Wincierz, Winfried Wittkopp,

Bühne und Kostüme Bernhard Siegl

Maria Wolf

Musik Jennifer Weeger

Premiere: 15.04.2010, Markgrafentheater

Mit Jutta Masurath, Martina Reichert, Gitte Reppin

MÄNNER

Premiere: 19.11.2009, Garage

Ein Stadiongesang von Franz Wittenbrink Regie Dominik Günther

DER LEBKUCHENMANN (ab 5 Jahren)

Musikalische Leitung und Bühnenmusik

Weihnachtsmärchen mit Musik von David Wood

Jan-S. Beyer, Jörg Wockenfuß

Regie Stephan Beer

Bühne und Kostüme Heike Vollmer

Bühne und Kostüme Ulrike Schlemm

Mit Hermann Große-Berg, Dirk Lange,

Musik Jan-S. Beyer, Jörg Wockenfuß

Robert Naumann, Steffen Riekers,

224


Inszenierungsverzeichnis Christian Wincierz, Winfried Wittkopp

Bühne und Kostüme Christian Baumgärtel,

Premiere: 10.06.2010, Markgrafentheater

Miriam Grimm Mit Björn Jacobsen

SUMSUM²

Premiere: 23.10.2010 auf Deutsch 06.02.2011,

Eine grenzenlose Liebes- und

Garage

Sprachverwirrung von Laura de Weck Eine zweisprachige Kooperation des Theaters

MUTTER COURAGE UND IHRE KINDER

Erlangen mit dem Theater Pokoleniy

von Bertolt Brecht mit Musik von Paul Dessau

Regie Eberhard Köhler, Valentin Levitskiy

Regie Jakob Fedler

(Teatr Pokoleniy)

Bühne und Kostüme Bernhard Siegl

Bühne Danila Korogodsky

Musikalische Leitung Michael Haves

(Intendant Teatr Pokoleniy)

Mit Alexandra Finder, Hermann Große-Berg,

Kostüme Anna Stübner, Viola Werling

Christian Heller, Robert Naumann, Gitte Reppin,

Musik Reto Senn

Steffen Riekers, Sophie Wendt, Winfried Wittkopp

Mit Gitte Reppin/Anastasia Tosheva,

Premiere: 11.11.2010, Markgrafentheater

Linda Foerster/Elena Polyakova, Vladimir Postnikov/Patrick Serena,

KOHLHAAS 05/10

Serrhii Mardar/Matthias Bernhold

nach Heinrich von Kleist

Premiere: 24.06.2010, Garage,

Regie Constanze Kreusch

08.07.2010, Teatr Pokoleniy, St. Petersburg

Bühne und Kostüme Petra Wilke Mit Linda Foerster, Clemens Giebel,

MOBY DICK

Christian Wincierz

nach Herman Melville

Premiere: 12.11.2010, Garage

(Übernahme Staatstheater Braunschweig) Regie Mario Portmann

AN DER ARCHE UM ACHT

Bühne und Kostüme Patrick Bannwart

von Ulrich Hub

Musikalische Leitung und Bühnenmusik

(Übernahme Staatstheater Braunschweig)

Jan-S. Beyer, Jörg Wockenfuß

Regie Eva Veiders

Mit Björn Jacobsen, Steffen Riekers,

Bühne und Kostüme Christian Baumgärtel

Christian Wincierz

Musik Jan-S. Beyer, Jörg Wockenfuß

Premiere: 22.07.2010, Markgrafentheater

Mit Sebastian Ganzert, Björn Jacobsen, Susanne Maierhöfer, Alissa Snagowski Premiere: 21.11.2010, Redoutensaal ANTIGONE von Sophokles, Deutsch von Friedrich Hölderlin, bearbeitet von Martin Walser

2010 /2011

Regie Schirin Khodadadian Bühne und Kostüme Carolin Mittler

SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD

Musikalische Einrichtung Katrin Vellrath

Live-Hörspiel nach dem Film von Sergio Leone

Mit Florian Hänsel, Robert Naumann,

Regie Eike Hannemann

Chris Nonnast, Gitte Reppin, Steffen Riekers,

Mit Björn Jacobsen, Winfried Wittkopp

Alexander Weise

Premiere: 02.10.2010, Garage

Premiere: 13.01.2011, Markgrafentheater

BUG MULDOON AND THE GARDEN

MUTWERK (ab 14 Jahren)

OF FEAR/DIE WANZE (ab 9 Jahren)

Ein Theaterprojekt zum Thema Zivilcourage

von Paul Shipton

Regie und Konzept Tina Geißinger

(Übernahme Staatstheater Braunschweig)

Bühne und Kostüme Johanna Deffner

Inszenierung Eva Veiders

Video Florian Götz

225


Inszenierungsverzeichnis Mit Linda Foerster, Christian Wincierz

2011/2012

und Mutwerker Premiere: 21.01.2011, Garage

LEONCE UND LENA von Georg Büchner

DER THEATERMACHER

Regie Constanze Kreusch

von Thomas Bernhard

Bühne und Kostüme Petra Wilke

Regie Dominik von Gunten

Mit Annagerlinde Dodenhoff, Linda Foerster,

Bühne und Kostüme Carolin Mittler

Clemens Giebel, Hermann Große-Berg, Steffen

Mit Linda Foerster, Thomas Marx, Robert

Riekers, Christian Wincierz, Winfried Wittkopp

Naumann, Daniela Schulze, Regine Vergeen,

Premiere: 07.10.2011, Markgrafentheater

Winfried Wittkopp Premiere: 17.03.2011, Markgrafentheater

TITUS (ab 12 Jahren) von Jan Sobrie

KAKT US

Regie Jérôme Junod

von Juli Zeh

Bühne und Kostüme Lydia Hofmann

Regie Johannes Wenzel

Mit Robert Naumann

Bühne und Kostüme Nicole Pleuler

Premiere: 08.10.2011, Garage

Mit Hermann Große-Berg, Gitte Reppin, Steffen Riekers, Christian Wincierz

NIPPLEJESUS

Premiere: 18.03.2011, Garage

von Nick Hornby Regie Kathleen Draeger

DIE GESCHICHTE VOM ONKELCHEN

Bühne und Kostüme Petra Wilke

(ab 4 Jahren)

Mit Hermann Große-Berg

von Tomas von Brömssen und Lars-Eric Brossner

Premiere: 25.11.2011, Kunstpalais

Regie Kathleen Draeger Bühne und Kostüme Ulrike Schlemm

DIE KLEINE HEXE (ab 6 Jahren)

Mit Robert Naumann, Gitte Reppin/Alissa

von Otfried Preußler

Snagowski, Winfried Wittkopp

Regie Eva Veiders

Premiere: 30.04.2011, Garage

Bühne und Kostüme Christian Baumgärtel Musik Jan-S. Beyer, Jörg Wockenfuß

EIN SOMMERNACHTSTRAUM

Mit Linda Foerster, Meike Hess, Robert Naumann,

von William Shakespeare,

Steffen Riekers, Alissa Snagowski, Christian Wincierz

in der Übersetzung von Frank Günther

Premiere: 27.11.2011, Markgrafentheater

Regie Katja Ott Bühne und Kostüme Ulrike Schlemm

WARTEN AUF GODOT

Musik Jan-S. Beyer, Jörg Wockenfuß

von Samuel Beckett

Mit Marion Bordat, Stefan Drücke, Linda Foerster,

Regie Katja Ott

Hermann Große-Berg, Christian Heller, Martin Laue,

Bühne und Kostüme Ulrike Schlemm

Robert Naumann, Gitte Reppin, Steffen Riekers,

Mit Werner Galas, Hermann Große-Berg,

Horst Schily, Christian Wincierz, Winfried Wittkopp

Robert Naumann, Horst Schily, Johann Voß

Premiere: 09.07.2011, Markgrafentheater

Premiere: 14.01.2012, Markgrafentheater DER MANN DER DIE WELT ASS von Nis-Momme Stockmann Regie Johannes Wenzel Bühne und Kostüme Christian Klein Mit Linda Foerster, Thomas Marx, Steffen Riekers, Johannes Suhm, Winfried Wittkopp, Christian Wincierz Premiere: 21.01.2012, Garage

226


Inszenierungsverzeichnis SHAKESPEARE IS DEAD – GET OVER IT!

Musik Ralph Schurbohm

von Paul Pourveur

Mit Anne Cathrin Buhtz, Linda Foerster,

Regie Eike Hannemann

Dirk Lange, Steffen Riekers, Winfried Wittkopp;

Bühne und Kostüme Birgit Stoessel

Kinder-Statisterie

Mit Linda Foerster, Steffen Riekers

Premiere: 05.07.2012, Markgrafentheater

Premiere: 10.03.2012, Garage DAS VERSPRECHEN von Friedrich Dürrenmatt Inszenierung Robin Telfer Bühne Siegfried E. Mayer Kostüme Monika Frenz

2012 /2013

Musik Günter Lehr Leitung Kinderchor Philipp Barth

TEXT

Mit Hermann Große-Berg, Thomas Marx, Robert

von Jérôme Junod

Naumann, Nicola Thomas, Christian Wincierz,

Regie Jérôme Junod

Winfried Wittkopp; Mädchenchor der Unterstufe

Raum und Kostüme Lydia Hofmann

des Christian-Ernst-Gymnasiums

Mit Robert Naumann, Petra Staduan

Premiere: 15.03.2012, Markgrafentheater

Premiere: 24.08.2012, Stadtbibliothek im Rahmen des Erlanger Poetenfest

ANGSTMÄN (ab 8 Jahren) von Hartmut El Kurdi

TARTUFFE

Regie Tanja Weidner

von Molière, Deutsch von Rainer Kohlmayer

Bühne und Kostüme Stefan Bleidorn

Regie Dominik von Gunten

Musik Robert Stephan

Bühne Carolin Mittler

Mit Robert Naumann, Christian Wincierz,

Kostüme Charlotte Sonja Willi

Violetta Zupančič

Video Florian Reichart

Premiere: 05.05.2012, Garage

Mit Marie Bretschneider, Hermann Große-Berg, Ralph Jung, Oliver Konietzny, Robert Naumann,

BENEFIZ – JEDER RETTET EINEN

Thomas Prazak, Regine Vergeen, Janina Zscher-

AFRIKANER

nig, Violetta Zupančič

von Ingrid Lausund

Premiere: 03.10.2012, Markgrafentheater

Inszenierung Jakob Fedler Bühne und Kostüme Bernhard Siegl

GENANNT GOSPODIN

Mit Linda Foerster, Hermann Große-Berg,

von Philipp Löhle

Steffen Riekers, Thomas Schmidt, Sophie Wendt

Regie Kathleen Draeger

Premiere: 10.05.2012, Markgrafentheater

Bühne und Kostüme Lydia Hofmann Mit Daniel Seniuk, Anja Thiemann,

ANTON REISER

Benedikt Zimmermann

nach Karl Philipp Moritz, in einer Bearbeitung

Premiere: 06.10.2012, Garage

von Mirja Biel und Joerg Zboralski Regie, Bühne und Kostüme Mirja Biel,

KRIECH ODER: ORIENTIERUNGSHILFE

Joerg Zboralski

FÜR DEN WERTEKOMPASS

Mit Robert Naumann, Christian Wincierz

von Marcel Luxinger

Premiere: 07.07.2012, Garage

Regie Katja Blaszkiewitz Bühne und Kostüme Kathrin Hauer

ANGST

Mit Hermann Große-Berg, Melanie Lüninghöner,

von Stefan Zweig

Daniel Seniuk

Inszenierung Wolfgang Gropper

Premiere: 23.11.2012, Garage

Bühne und Kostüme Ulrike Schlemm

227


Inszenierungsverzeichnis DER FROSCHKÖNIG (ab 6 Jahren)

Mit Thomas Prazak, Gitte Reppin, Daniel Seniuk,

nach den Brüdern Grimm von Ulrich Hub

Jimi Siebels, Winfried Wittkopp, Matthias

Regie Ulrich Hüni

Zeeb, Benedikt Zimmermann, Janina Zschernig,

Bühne und Kostüme Monika Frenz

Violetta Zupančič

Musik Kai Dorenkamp

Premiere: 12.04.2013, Markgrafentheater

Mit Anja Thiemann, Christian Wincierz, Benedikt Zimmermann, Janina Zschernig, Violetta Zupančič

DER KAUFMANN VON VENEDIG

Premiere: 25.11.2012, Markgrafentheater

von William Shakespeare, Deutsch von Angelika Gundlach

PROJEKT ZUKUNFT (UA) (ab 13 Jahren)

Regie Robin Telfer

Stückentwicklung, Regie und Konzept

Bühne Siegfried E. Mayer

Markus Steinwender

Kostüme Tanja Liebermann

Bühne und Kostüme Elke König

Mit Hermann Große-Berg, Christian Heller,

Mit Oliver Konietzny, Winfried Wittkopp,

Anika Herbst, Oliver Konietzny, Daniel Seniuk,

Janina Zschernig

Christian Wincierz, Winfried Wittkopp,

Premiere: 26.01. 2013, Garage

Benedikt Zimmermann, Janina Zschernig, Violetta Zupančič

FRAU MÜLLER MUSS WEG

Premiere: 06.06.2013, Markgrafentheater

von Lutz Hübner Regie Katja Ott

EINE SOMMERNACHT

Bühne und Kostüme Ulrike Schlemm

von David Greig und Gordon McIntyre

Mit Christina Athenstädt, Adelheid Bräu, Anne

Regie Jakob Fedler

Cathrin Buhtz /Anja Lechle, Hermann Große-Berg,

Bühne und Kostüme Annegret Riediger

Maria Wolf, Matthias Zeeb

Mit Gitte Reppin, Matthias Zeeb

Premiere: 25.01. 2013, Markgrafentheater

Premiere: 08.06.2013, Garage

DER PROZESS

ICH KOMMA SAUFEN (ab 14 Jahren)

nach Franz Kafka, Bühnenfassung von Constanze

Klassenzimmerstück von Holger Schober

Kreusch und Julie Paucker

Regie Jasmin Sarah Zamani

Regie Constanze Kreusch

Mit Oliver Konietzny/Christian Wincierz/

Bühne und Kostüme Petra Wilke

Stephan Weber

Mit Robert Naumann, Daniel Seniuk, Anja

Premiere: 09.04.2013, mobil

Thiemann, Christian Wincierz, Benedikt Zimmermann, Violetta Zupančič Premiere: 21.02.2013, Markgrafentheater DER TROLLSPION (UA) (ab 4 Jahren) von Wolfram Hänel Regie Stephan Beer Bühne und Kostüme Georg Burger

2013 /2014

Mit Hermann Große-Berg Premiere: 23.02.2013, Garage

SPAZIERGANG AUF DEN BARRIKADEN Widerständige Lieder

DER GROSSE GATSBY

Konzept und Regie Ulrich Hüni

nach Francis Scott Fitzgerald

Bühne und Kostüme Annette Meyer

von Rebekka Kricheldorf

Musik Kai Dorenkamp

Regie, Bühne und Video Mirja Biel,

Mit Winfried Wittkopp, Benedikt Zimmermann,

Joerg Zboralski

Janina Zschernig

Kostüme Petra Winterer

Premiere: 21.09.2013, Garage

Musik Jimi Siebels

228


Inszenierungsverzeichnis DAS FEST

LYSISTRATE

von Thomas Vinterberg und Mogens Rukov

von Aristophanes, Textfassung nach der

Regie Wolfgang Gropper

Übersetzung von Niklas Holzberg

Bühne und Kostüme Ulrike Schlemm

Regie Constanze Kreusch

Musik Ralf Schurbohm

Bühne und Kostüme Petra Wilke

Mit Annagerlinde Dodenhoff, Linda Foerster,

Mit Annagerlinde Dodenhoff, Hermann Große-

Werner Galas, Hermann Große-Berg,

Berg, Anika Herbst, Anja Lechle, Patrick Nelles-

Anika Herbst, Moses Leo, Patrick Nellessen,

sen, Horst Schily, Daniel Seniuk, Janina Zschernig,

Dietmar Saebisch, Daniel Seniuk, Christian

Violetta Zupančič

Wincierz, Violetta Zupančič

Premiere: 18.01.2014, Markgrafentheater

Kinder-Statisterie Salome Höneß/Carolin Gewalt Premiere: 26.09.2013, Markgrafentheater

JEDER STIRBT FÜR SICH ALLEIN nach Hans Fallada von Jens Groß

KING KONG

Regie Katja Ott

Live-Hörspiel von Eike Hannemann

Bühne Bernhard Siegl

Regie, Bühne und Kostüme Eike Hannemann

Kostüme Ulrike Schlemm

Mit Benedikt Zimmermann, Janina Zschernig

Mit Marion Bordat, Adelheid Bräu, Werner Galas,

Premiere: 27.09.2013, Garage

Hermann Große-Berg, Anika Herbst, Robert Naumann, Patrick Nellessen, Daniel Seniuk,

DEMUT VOR DEINEN TATEN BABY

Johann Voss, Christian Wincierz, Benedikt Zimmer-

von Laura Naumann

mann, Janina Zschernig, Violetta Zupančič

Regie Katja Blaszkiewitz

Premiere: 13.03.2014, Markgrafentheater

Bühne, Kostüme und Video Kathrin Hauer Mit Anika Herbst, Janina Zschernig,

MEIN PARZIVAL (ab 10 Jahren)

Violetta Zupančič

Klassenzimmerstück von Paul Steinmann und

Doppelpremiere: 08./10.11. 2013, Garage

Karin Eppler Regie Tina Geißinger

ALI BABA UND DIE VIERZIG RÄUBER

Mit Janina Zschernig

(ab 6 Jahren)

Premiere: 17.03.2014, mobil

Ein Familienstück zur Weihnachtszeit von Stephan Beer und Georg Burger

ZUHAUSE

Regie Stephan Beer

von Ingrid Lausund

Bühne und Kostüme Georg Burger

Regie und Kostüme Jasmin Sarah Zamani

Musik Jan-S. Beyer, Jörg Wockenfuß

Bühne Goldmund Friedl

Choreographie Stefanie Miller

Mit Anika Herbst

Mit Eva Maria Kapser, Robert Naumann,

Premiere: 09.05.2014, Garage

Patrick Nellessen, Daniel Seniuk, Christian Wincierz, Winfried Wittkopp, Benedikt Zimmermann

DANTONS TOD

Premiere: 01.12.2013, Markgrafentheater

von Georg Büchner Regie Mario Portmann

KICK & RUSH (ab 14 Jahren)

Bühne und Kostüme Jochen Diederichs

von Andri Beyeler

Musik Stefan Faupel / mouse machine

Regie Jakob Fedler

Mit Lisan Lantin, Martin Maecker, Robert

Bühne und Kostüme Annegret Riediger

Naumann, Patrick Nellessen, Daniel Seniuk,

Mit Robert Naumann, Christian Wincierz,

Christian Wincierz, Matthias Zeeb, Benedikt

Benedikt Zimmermann

Zimmermann, Janina Zschernig, Violetta Zupančič

Premiere: 17.01. 2014, Garage

Premiere: 16.05.2014, Markgrafentheater

229


Inszenierungsverzeichnis DIE REISE NACH BRASILIEN (ab 5 Jahren)

DER WEISSE WOLF

von Daniil Charms

von Lothar Kittstein

Regie Markus Steinwender

Regie Johannes Wenzel

Bühne und Kostüme Elke König

Bühne und Kostüme Katrin Wittig

Mit Lisan Lantin, Winfried Wittkopp,

Mit Robert Naumann, Stephan Weber,

Violetta Zupančič

Violetta Zupančič

Premiere: 28.06.2014, Garage

Premiere: 28.11.2014, Garage DAS DSCHUNGELBUCH (ab 6 Jahren) Weihnachtsmärchen mit Musik nach Rudyard Kipling Regie Dorothea Schroeder Bühne und Kostüme Telse Hand

2014 /2015

Musik Christoph Iacono Choreographie Ingo Schweiger

ATMEN

Mit Hermann Große-Berg, Dominik Jedryas,

von Duncan Macmillan

Lisan Lantin, Florian Lenz, Patrick Nellessen,

Regie Max Claessen

Christian Wincierz, Janina Zschernig

Bühne und Kostüme Lisa Busse

Premiere: 30.11.2014, Markgrafentheater

Mit Daniel Seniuk, Janina Zschernig Premiere: 21.09.2014, Garage

AMPHITRYON von Heinrich von Kleist

DIE JUNGFRAU VON ORLEANS

Regie Jakob Fedler

von Friedrich Schiller

Bühne Annegret Riediger

Regie und Bühne Thomas Krupa

Kostüme Julia Kneusels

Kostüme Nina Hofmann

Video Christoph Panzer

Musik Mark Polscher

Mit Robert Naumann, Patrick Nellessen, Stephan

Mit Clemens Giebel, Hermann Große-Berg,

Weber, Christian Wincierz, Janina Zschernig,

Ragna Guderian, Lisan Lantin, Martin Maecker,

Violetta Zupančič

Patrick Nellessen, Thomas Prazak, Steffen Riekers,

Premiere: 05.02.2015, Markgrafentheater

Christian Wincierz, Violetta Zupančič Premiere: 26.09.2014, Markgrafentheater

DIE KOPIEN von Caryl Churchill

EINES LANGEN TAGES REISE

Regie Katja Blaszkiewitz

IN DIE NACHT

Bühne und Kostüme Kathrin Hauer

von Eugene O’Neill, Deutsch von Michael Walter

Mit Hermann Große-Berg, Daniel Seniuk

Regie Wolfgang Gropper

Premiere: 07.02.2015, Garage

Bühne und Kostüme Ulrike Schlemm Musik Ralf Schurbohm

UNSCHULD

Mit Annagerlinde Dodenhoff, Michael Hanemann,

von Dea Loher

Patrick Nellessen, Christian Wincierz

Regie Katja Ott

Premiere: 16.10.2014, Markgrafentheater

Bühne Bernhard Siegl Kostüme Ulrike Schlemm

DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHER

Musik Jan-S. Beyer, Jörg Wockenfuß

nach Johann Wolfgang von Goethe

Mit Marion Bordat, Hermann Große-Berg,

Regie Eike Hannemann

Anika Herbst, Anja Lechle, Patrick Nellessen,

Bühne und Kostüme Birgit Stoessel

Daniel Seniuk, Regine Vergeen, Christian

Mit Robert Naumann/Mario Neumann/

Wincierz, Janina Zschernig, Violetta Zupančič

Amos Detscher

Premiere: 16.04.2015, Markgrafentheater

Premiere: 18.10.2014, Garage

230


Inszenierungsverzeichnis REGGAEHASE BOOOO (ab 4 Jahren)

Barbara Pfyffer)

von Yellow Umbrella

Videointerviews Laura Huonker (Kamera),

Regie Inda Buschmann

Martin Fürbringer (Schnitt)

Bühne und Kostüme Mai Gogishvili

Schauspiel und Recherche Lea Schmocker und

Mit Robert Naumann/Benjamin Schroeder,

Stadtarchivar Dr. Andreas Jakob

Stephan Weber

Premiere: 26.09.2015, Garage

Premiere: 18.04.2015, Garage WIR SIND KEINE BARBAREN! HEXENJAGD

von Philipp Löhle

von Arthur Miller, Deutsch von Hannelene

Regie Katrin Lindner

Limpach und Dietrich Hilsdorf

Bühne und Kostüme Peter Lehmann

Regie Dominik von Gunten

Mit Anika Herbst/Linda Foerster, Alexander

Bühne und Kostüme Carolin Mittler

Jaschik, Friedrich Witte, Janina Zschernig;

Musik Katrin Vellrath, Elisabeth Wood

Erlanger Musikwerkstatt

Mit Klaus-Peter Bülz, Annagerlinde Dodenhoff,

Premiere: 17.10.2015, Markgrafentheater

Hermann Große-Berg, Anika Herbst, Martin Maecker, Patrick Nellessen, Regine Vergeen,

100 m (ab 12 Jahren)

Stephan Weber, Janina Zschernig, Violetta

Eine Liebeserklärung in 9,58 Sekunden

Zupančič

von Ralf N. Höhfeld

Kinder-Statisterie Carolin/Felisa Schraud,

Regie Pascal Wieandt

Rebekka Schellenberger/Annika Spingler;

Bühne und Kostüme Kathrin Hauer

Statisterie

Premiere: 9.11.2015, mobil

Premiere: 12.06.2015, Hugenottenkirche DIE SCHNEEKÖNIGIN nach Hans Christian Andersen von Elina Finkel Regie Katja Blaszkiewitz Bühne und Kostüme Kathrin Hauer Musik Christoph König Mit Kim Bormann, Anne Grabowski, Ralph Jung, 2015/2016

Felix Steinhardt, Christian Wincierz, Janina Zschernig Premiere: 29.11.2015, Markgrafentheater

NATHAN DER WEISE von Gotthold Ephraim Lessing

SWEET HOME EUROPA

Regie Katja Ott

von Davide Carnevali

Bühne Bernhard Siegl

Regie Paul-Georg Dittrich

Kostüme Ulrike Schlemm

Bühne und Kostüme Pia Dederichs

Musik Jan-S. Beyer, Jörg Wockenfuß

Mit Hermann Große-Berg, Benjamin Schroeder,

Mit Marion Bordat, Linda Foerster, Steffen

Violetta Zupančič

Gräbner, Hermann Große-Berg, Ralph Jung,

Premiere: 04.12.2015, Garage

Martin Maecker, Benjamin Schroeder, Christian Wincierz, Violetta Zupančič

HEIMAT ERLANGEN! (UA)

Premiere: 25.09.2015, Markgrafentheater

Ein intergalaktischer Liederabend Regie Ekat Cordes

WER IST ERLANGEN? (UA)

Musikalische Leitung Jan-S. Beyer,

Ein Recherchetheater von, über und mit Erlan-

Jörg Wockenfuß

gerinnen und Erlangern von Laura Huonker mit

Bühne und Kostüme Anike Sedello

Rockthybabies

Mit Charles P. Campbell, Hermann Große-Berg,

Inszenierung Laura Huonker

Mario Neumann, Benjamin Schroeder, Stephan

Regie, Konzept, Bühne und Kostüme

Weber, Janina Zschernig, Violetta Zupančič

Rockthybabies (Laura Huonker, Mona Petri,

Premiere: 04.02.2016, Markgrafentheater

231


Inszenierungsverzeichnis ES WAR EINMAL 1

Mit Frank Albrecht, Matthias Breitenbach,

Janosch: Ich mache dich wieder gesund

Hermann Große-Berg, Ralph Jung, Uta Krause,

Armando: Der Bär; Der Hirsch; Dirk, der Zwerg

Mario Neumann, Lea Schmocker, Stephan

Mit Mario Neumann, Janina Zschernig,

Weber, Violetta Zupančič

Violetta Zupančič

Premiere: 04.06.2016, Markgrafentheater

ES WAR EINMAL 2

ODYSSEE – EINE HEIMSUCHUNG

Leo Lionni: Frederick

nach Homer, Übersetzung von Kurt Steinmann,

Hannes Hüttner: Bei der Feuerwehr wird der

Bühnenfassung von Juliane Kann

Kaffee kalt

Regie und Bühne Juliane Kann

Mit Hermann Große-Berg, Ralph Jung

Kostüme Josephin Thomas

Premiere: 14.02.2016, Garage

Musik Daniel Freitag Bühnenplastik Karoline Hinz

DREI SCHWESTERN

Mit Martin Maecker

von Anton Pawlowitsch Tschechow,

Premiere: 09.07.2016, Markgrafentheater

Neuübersetzung von Elina Finkel Regie Elina Finkel Bühne und Kostüme Doey Lüthi Bühnenmusik Matthias Bernhold Mit Matthias Bernhold, Linda Foerster, Hermann 2016/2017

Große-Berg, Ralph Jung, Mario Neumann, Vidina Popov, Benjamin Schroeder, Stephan Weber, Helmut Zhuber, Janina Zschernig, Violetta

BIEDERMANN UND DIE BRANDSTIFTER

Zupančič; Statisterie

von Max Frisch

Premiere: 07.04.2016, Markgrafentheater

Regie Elina Finkel Bühne und Kostüme Nikolaus Porz

NEULAND (UA)

Mit Marion Bordat, Charles P. Campbell,

Interkulturelles Theaterprojekt

Hermann Große-Berg, Ralph Jung, Benjamin

Regie Jakob Fedler

Schroeder, Janina Zschernig; Statisterie

Bühne und Kostüme Dorien Thomsen

Premiere: 22.09.2016, Markgrafentheater

Mit Odai Albatal, Marianna Amarkhel, Ivan Amarkhel, Jaroslava Kurochtina, Nawid Rahimi,

BESTÄTIGUNG (DE)

Nicat Quasimbayli, Ali Shan, Ghiat Sharbaje,

von Chris Thorpe

Mohamad Shorbaji; Christian Wincierz

Regie Pascal Wieandt

Premiere: 08.04.2016, Garage

Bühne, Kostüme und Video Kathrin Hauer Mit Mario Neumann, Violetta Zupančič

HEIMAT.COM (ab 14 Jahren)

Premiere: 23.09.2016, Garage

von Holger Schober Regie Marlene Hildebrand

MALALA – MÄDCHEN MIT BUCH

Bühne und Kostüme Franziska Isensee

von Nick Wood

Mit Shana Sophie Brandl, Benjamin Schroeder,

Regie Jutta Körner

Janina Zschernig

Mit Anika Herbst /Alexandra Ostapenko

Premiere: 03.06.2016, Garage

Premiere: 09.11.2016, mobil

MITTELREICH

PINOCCHIO (ab 6 Jahren)

nach Josef Bierbichler, Bühnenfassung von

nach Carlo Collodi, Bühnenfassung

Thomas Krupa

von Albrecht Hirche

Regie und Bühne Thomas Krupa

Regie, Bühne und Kostüme Albrecht Hirche

Kostüme Nina Hofmann

Musik Miriam Berger

Musik Mark Polscher

Körpertraining Myrto Kontoni

232


Inszenierungsverzeichnis Mit Miriam Berger, Meryem Jackson, Robert

ROMEO UND JULI A

Naumann, Mario Neumann, Lea Schmocker,

von William Shakespeare,

Caspar Weimann

Übersetzung von Oliver Karbus

Premiere: 27.11.2016, Markgrafentheater

Regie Eike Hannemann Bühne und Kostüme Birgit Stoessel

VIEL GUT ESSEN

Kampfchoreographie Axel Hambach

von Sibylle Berg

Mit Charles P. Campbell, Annagerlinde Doden-

Regie Katrin Lindner

hoff, Linda Foerster, Hermann Große-Berg,

Bühne und Kostüme Peter Lehmann

Ralph Jung, Martin Maecker, Mario Neumann,

Video Sean Keller

Benjamin Schroeder, Nina Steils /Alexandra

Mit Charles P. Campbell, Hermann Große-Berg,

Ostapenko, Caspar Weimann; Statisterie

Ralph Jung

Premiere: 11.03.2017, Markgrafentheater

Premiere: 03.12.2016, Theatercafé und Garage STÜCK PLASTIK UM DIE ECKE (ab 4 Jahren)

von Marius von Mayenburg

Entdeckerstück von Bernhard Studlar

Regie Ekat Cordes

Regie Eva Veiders

Bühne und Kostüme Anike Sedello

Bühne und Kostüme Anike Sedello

Musik Jan-S. Beyer, Jörg Wockenfuß

Mit Anika Herbst/Violetta Zupančič/

Mit Charles P. Campbell, Anika Herbst /Linda

Lisa Fedkenheuer, Janina Zschernig

Foerster, Ralph Jung, Mario Neumann,

Premiere: 17.12.2016, Garage

Janina Zschernig, Statisterie Premiere: 27.04.2017, Markgrafentheater

WUT von Elfriede Jelinek

WELTVERBESSERUNGSTHEATER (UA)

Regie Paul-Georg Dittrich

Gewinnerinszenierung des Regienachwuchs-

Bühne und Kostüme Iris Holstein

wettbewerbs Vol. I »Utopie unbekannt«

Musikalische Leitung stefanpaul

Konzept und Regie Helge Schmidt

Video Kai Wido Meyer

Bühne und Kostüme Anika Marquardt,

Mit Marion Bordat, Clemens Giebel, Rainer

Lani Tran-Duc

Scheerer, Benjamin Schroeder, stefanpaul, Yuka

Video Johanna Seitz

Yanagihara, Violetta Zupančič

Mit Hermann Große-Berg, Benjamin Schroeder/

Premiere: 20.01. 2017, Markgrafentheater

Christian Wincierz, Alissa Snagowski Premiere: 28.04.2017, Garage

RAUSCHEN (UA) (ab 10 Jahren) Ein philosophisch-wissenschaftliches Stück über

ANGST ESSEN SEELE AUF

das Hören von Carlos Manuel

Drehbuch von Rainer Werner Fassbinder

Regie Carlos Manuel

Regie Katja Ott

Mit Charles P. Campbell, Caspar Weimann/

Bühne Bernhard Siegl

Christian Wincierz

Kostüme Nina Hofmann

Premiere: 23.01.2017, mobil

Musik Jan-S. Beyer, Jörg Wockenfuß Mit Marion Bordat, Charles P. Campbell, Her-

DIE SCHUTZFLEHENDEN

mann Große-Berg, Ralph Jung, Lea Schmocker,

nach Aischylos, in einer Fassung von Markolf

Benjamin Schroeder/Christian Wincierz, Janina

Naujoks

Zschernig; Statisterie

Regie, Bühne und Musik Markolf Naujoks

Premiere: 22.06.2017, Markgrafentheater

Illustration und Kostüme Theda Schoppe Mit Hanna Franck, Anika Herbst/Violetta

WORK IN PROGRESS

Zupančič, Janina Zschernig

Stückentwicklung zur Utopie »Arbeit« mit

Premiere: 24.02.2017,

Schauspieler*innen und Bürger*innen

Hinterbühne Markgrafentheater

Konzept und Regie Annika Schweizer

233


Inszenierungsverzeichnis Bühne und Kostüme Julie Junge

Bühne Anike Sedello

Video und Audio Sebastian Kösters

Mit Hermann Große-Berg

Mit Anika Herbst, Mario Neumann; Ursula und

Premiere: 08.11.2017, mobil

Stephan Demling, Martina Dorsch, Elvira Drobner, Ralf Sommer, Lisa Zillessen

TSCHICK (ab 14 Jahren)

Premiere: 18.07.2017, Stadtbibliothek Erlangen

Live-Hörspiel mit Video nach dem Roman von Wolfgang Herrndorf,

ABSCHAFFEN+ANFANGEN

Bühnenfassung von Robert Koall

Eine utopische Versammlung von und

Regie Eike Hannemann

mit Erlanger*innen

Bühne und Kostüme Birgit Stoessel

Theaterkollektiv Turbo Pascal (Tobias Gralke,

Mit Enrique Fiß, Maurizio Micksch/Charles P.

Angela Löer, Frank Oberhäußer, Eva Plischke,

Campbell, Violetta Zupančič/Lisa Fedkenheuer

Margret Schütz)

Premiere: 11.11. 2017, Garage

Bühne und Kostüme Janina Janke Musik Friedrich Greiling

DIE GESCHICHTE VON KALIF STORCH

Mit Turbo Pascal und Erlanger*innen

(ab 6 Jahren)

Premiere: 12.07.2017, Rathausplatz Erlangen

nach Wilhelm Hauff von Eva Veiders Regie Eva Veiders Bühne und Kostüme Anike Sedello Musik Clemens Giebel Mit Ralph Kinkel, Pascal Riedel, Janina Zschernig Premiere: 12.11.2017, Foyercafé Markgrafentheater

2017/2018

#MEINUNGSMACHER – DU BIST DAS PRODUKT (UA)

DIE PHYSIKER

Dokumentartheater über die Macht der sozia-

von Friedrich Dürrenmatt

len Medien von Hans-Werner Kroesinger und

Regie Dominik Günther

Regine Dura

Bühne, Video und Kostüme Sandra Fox

Regie Hans-Werner Kroesinger

Musik Jan-S. Beyer, Jörg Wockenfuß

Bühne, Kostüme und Video Rob Moonen

Mit Charles P. Campbell, Hermann Große-Berg,

Konzept und Text Regine Dura

Ralph Jung, Martin Maecker, Alexandra

Musik Clemens Giebel

Ostapenko, Christian Wincierz; Kinder-Statisterie:

Mit Marion Bordat, Charles P. Campbell, Amos

Ben Kühnl, Alan Stranjak, Stephan Yongmin,

Detscher, Ralph Jung, Martin Maecker, Alexandra

Georg Zwanger

Ostapenko

Premiere: 22.09.2017, Markgrafentheater

Premiere: 19.01.2018, Markgrafentheater

DIE BLEICHEN FÜCHSE

ES WAR EINMAL 3 (ab 4 Jahren)

Gewinninszenierung des Regienachwuchswett-

Mira Lobe: Hokuspokus in der Nacht

bewerbs Vol. I »Utopie unbekannt«

Yvonne Hergane: Borst vom Forst

Regie und Fassung Leonie Kubigsteltig

Regie Anja Kerrinnes, Charles P. Campbell,

Bühne und Kostüme Katrin Bombe

Amos Detscher

Video Fanny Hagmeier

Mit Charles P. Campbell, Amos Detscher

Mit Enrique Fiß, Hasan H. Tasgin, Janina

Premiere: 10.02.2018, Garage

Zschernig, Violetta Zupančič Premiere: 23.09.2017, Garage

KASIMIR UND KAROLINE von Ödön von Horváth

KLAMMS KRIEG (ab 15 Jahren)

Regie Mirja Biel

von Kai Hensel

Bühne Matthias Nebel

Regie und Kostüme Jennifer Sittler

Kostüme Agathe MacQueen

234


Inszenierungsverzeichnis Musik Sophia Kennedy

Enrique Fiß, Ralph Jung, Martin Maecker,

Mit Holger Bülow, Matthias Buss, Florian Denk,

Olga Prokot, Alissa Snagowski, Violetta Zupančič

Peter Elter, Enrique Fiß, Hermann Große-Berg,

Premiere: 29.06.2018, Markgrafentheater

Natascha Manthe, Janina Zschernig, Violetta Zupančič Premiere: 22.02.2018, Markgrafentheater HUCK FINN (ab 10 Jahren) nach Mark Twain von Max Eipp Regie Inda Buschmann

2018 /2019

Bühne und Kostüme Sandra Dehler Musik Sebastian Flaig

RESET:EARTH (UA)

Mit Enrique Fiß

Interaktive Game Show von komplexbrigade

Premiere: 09.04.2018, mobil

Gewinnerinszenierung des Regienachwuchswettbewerbs Vol. II »Klima«

WILLKOMMEN

Regie Caspar Bankert, Hannes Kapsch, Johanna

von Lutz Hübner und Sarah Nemitz

Kolberg

Regie Katrin Lindner

Bühne und Kostüme Winnie Christiansen

Bühne und Kostüme Peter Lehmann

Animationen und Illustrationen Jakob Adebahr

Mit Adelheid Bräu, Charles P. Campbell, Amos

Musik Moritz Schwerin

Detscher, Martin Maecker, Alexandra Ostapenko/

Mit Charles P. Campbell, Hannes Kapsch, Alissa

Janina Zschernig, Franziska Rieck

Snagowski

Premiere: 12.04.2018, Markgrafentheater

Premiere: 22.09.2018, Garage

ALL DAS SCHÖNE

GOLDEN HOUSE (UA)

von Duncan Macmillan

nach Salman Rushdie, für die Bühne bearbeitet

Künstlerische Leitung Katja Ott

von Thomas Krupa

Musik Roderik Vanderstraeten

Regie und Bühne Thomas Krupa

Mit Ralph Jung

Musik Hannes Strobl

Premiere: 14.04.2018, Garage

Kostüme Monika Gora Video Stefano di Buduo

I’M A LOSER, BABY! (UA)

Mit Amos Detscher, Lisa Fedkenheuer, Enrique

Liederabend übers Gewinnen von Ekat Cordes

Fiß, Hermann Große-Berg, Ralph Jung,

Regie Ekat Cordes

Martin Maecker, Violetta Zupančič, Lisa Marie

Bühne und Kostüme Anike Sedello

Stoiber, Janina Zschernig

Musikalische Leitung Jan-S. Beyer,

Premiere: 27.09.2018, Markgrafentheater

Clemens Giebel Mit Amos Detscher, Hermann Große-Berg,

DRAUSSEN VOR DER TÜR (ab 14 Jahren)

Alexandra Ostapenko, Regine Vergeen,

von Wolfgang Borchert

Stephan Weber, Janina Zschernig

Regie Maria Sendlhofer

Premiere: 07.06.2018, Open Air im Theaterhof

Mit Enrique Fiß, Niklas Handrich Premiere: 09.11. 2018, Garage

PARADIES SPIELEN (ABENDLAND. EIN ABGESANG)

ASCHENPUTTEL (ab 6 Jahren)

von Thomas Köck

nach den Brüdern Grimm, für die Bühne

Regie Katja Ott

bearbeitet von Eva Veiders

Bühne Bernhard Siegl

Regie Eva Veiders

Kostüme Nina Hofmann

Bühne und Kostüme Anike Sedello

Video Kai Wido Meyer

Musik Clemens Giebel

Mit Marion Bordat, Charles P. Campbell,

Choreografie Christin Wehner

235


Inszenierungsverzeichnis Mit Helwig Arenz, Amos Detscher, Lilly Gropper,

FEMDOM (UA)

Alissa Snagowski, Rika Weniger, Janina Zschernig

Gewinninszenierung der Ausschreibung

Premiere: 25.11.2018, Markgrafentheater

Regienachwuchswettbewerb Vol. III »Macht« Regie Mathilde Lehmann

DER AUFHALTSAME AUFSTIEG

Mit Lisa Fedkenheuer, Martin Maecker

DES ARTURO UI

Premiere: 04.05.2019, Garage

von Bertolt Brecht Regie Annette Pullen

WO WOHNEN? (UA)

Bühne und Kostüme Gregor Sturm

Theaterprojekt der Erlanger Bürgerbühne

Mit Matthias Buss, Amos Detscher, Enrique Fiß,

Regie Matthias Spaniel

Ralph Jung, Anna Krestel, Martin Maecker,

Bühne und Kostüme Sandra Dehler

Sven Mattke, Caroline Schreiber, Regine Vergeen,

Premiere: 05.05.2019, Theaterhof

Helmut Zhuber DER ZERBROCHNE KRUG

Premiere: 18.01.2019, Markgrafentheater

von Heinrich von Kleist DAS HÄSSLICHE UNIVERSUM

Regie Katja Ott

von Laura Naumann

Premiere: 28.06.2019,

Regie Juliane Kann

Hinterbühne Markgrafentheater

Bühne und Kostüme Marie Gimpel Mit Charles P. Campbell, Lisa Fedkenheuer, Hermann Große-Berg, Alissa Snagowski, Janina Zschernig Premiere: 22.02.2019, Markgrafentheater IMMERFORT IN EINEM WORT (UA) (ab 4 Jahren) Ein Stück über das Wunder der Sprache von Karoline Felsmann Regie Franziska-Theresa Schütz Bühne und Kostüme Philipp Kiefer Mit Enrique Fiß, Ralph Jung Premiere: 23.02.2019, Garage OLEANNA von David Mamet Regie Jakob Arnold Bühne und Kostüme Christian Blechschmidt Mit Hermann Große-Berg, Janina Zschernig Premiere: 12.04.2019, Garage FARM DER TIERE Live-Film-Inszenierung von Klaus Gehre nach George Orwell und der Bühnenbearbeitung von Peter Hall Regie und Bühne Klaus Gehre Bühne und Kostüme Mai Gogishvili Musik Michael Lohmann Mit Charles P. Campbell, Amos Detscher, Enrique Fiß, Ralph Jung, Alissa Snagowski, N.N. Premiere: 03.05.2019, Markgrafentheater

236


Danksagung

Wir bedanken uns bei den Autor*innen, Fotograf*innen, Gesprächspartner*innen und allen, die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben:

Marco Altmann-Morelli, Maria Ammann, Dr. Siegfried Balleis, Marc Becker, Linda Best, Jan-S. Beyer, Bodo Birk, Dirk Bleicker, Johannes Blum, Bernd Böhner, Marion Bordat, Hans-Friedrich Bormann, Silvia Buhr, Sabina Dhein, Tina Dico, Nora Dörr, Stefan Drücke, Udo Eidinger, Prof. Dr. Michael von Engelhardt, Hans Magnus Enzensberger, Linda Foerster, Stephan Gerlinghaus, Wiebke Goldhammer, Dr. Nicole Gronemeyer, Annagerlinde Gropper, Hermann GroßeBerg, Andreas Hänsel, Dr. Dietmar Hahlweg, Mario Heinritz, Herbert Heinzelmann, Dr. Andreas Jakob, Dr. Florian Janik, Jaroslaw Jasenowski, Dr. Ruprecht Kamlah, Anja Kerrinnes, Manfred Koch, Joachim Krettner, Lisa Kurth, Therese Langhammer, Ursula Lanig, Johannes Lie, Angela Löer, Maximilian Löwenstein, Bernd Lütge, Johannes Mann, Erich Malter, Robert Mattheis, Markus Misselbeck, Harald Müller, Neue Gestaltung GmbH, Katja Ott, Dorothea Pachale, Irina Pendorf, Nora Planert, Jochen Quast, Thomas Reher, Peter Reiser, Stefan Richwien, Andreas Riedel, Ute Riedel, Dr. Wolfgang von Rimscha, Daniel Ris, Prof. Dr. Clemens Risi, Peter Roggenthin, Hannes Rossa, Dr. Dieter Rossmeissl, Antonia Ruhl, Inge Schilling, Camilla Schlie, Lea Schmocker, Arne Seebeck, Barbara Seifert, Nina Selzer, Mikiyas Shiferaw, Bernhard Siegl, Jürgen Sigwarth, Anke Steinert-Neuwirth, Dieter Stoll, André Studt, Clemens Wachter, Agnes Wartner, Holger Watzka, Winfried Wittkopp, Jörg Wockenfuß, Renate Wünschmann

237


Bildnachweise S. 104,105: Foto: Kulturamt Erlangen S. 109: Foto: Peter Roggenthin S. 110: Foto: Johannes Lie S. 111: Fotos: Peter Roggenthin S. 112: Foto: Peter Roggenthin S. 114: Foto: Bernd Böhner S. 121: Süddeutsche Zeitung vom 26.02.1997 S.122,123: EN, 22./23. 03 1997, Foto Hilde Stümpel; Ausschreibung Leiter des Theaters: gVe-Archiv Erlangen; EN,18.06.1997; EN, 11.07.1997, Foto Hilde Stümpel S. 124: StAE: 621_AZV 16251_285, Foto: N.N. S. 124: Foto: N.N. S. 126: oben: Foto: N.N.; unten: Foto: Bruno Weiß S. 127: Foto: Bruno Weiß S. 128: StAE: AZV 2016_285_904 Foto: N.N. S. 130: Foto: Dirk Bleicker S. 131: oben + unten: Foto: Bruno Weiß S. 132: oben: EN 2001, Foto: Edgar Pfrogner; unten: Foto: Bruno Weiß S. 135: Foto: Andreas Riedel S. 136: Foto: Jochen Quast S. 137: Foto: Bernd Böhner S. 139: Foto: Mario Heinritz S. 141: Foto: Bernd Lütge S. 142 – 146: Fotos: Mario Heinritz S. 148 –169: Fotos: Jochen Quast S. 171: EN, 26.09.1984, Foto: Erich Malter S. 172: EN, 13.01.1962, Foto: N.N. S. 173: Foto: Jochen Quast S. 174: StAE AZV 152272306 S. 175: Foto: Peter Roggenthin S. 177: Foto: Jochen Quast S. 180: StAE: 32.31.B.4_S4 Fotograf: N.N. S. 181 –185: StAE 32.31.B.1 – B.16 S. 186: EN, 15.10.2013, Foto: Harald Sippel S. 187: Tæl til Tina, Finest Gramophone (Hg.), Narayana Press, 2017 S. 188: UB E-N, Die Räuber, 11.10.1789, 2 HIST 617 aa10[1 S. 189: StAE: 75.A0.210 (75.Pl.11.481), Nachlass Deuerlein; StAE: 75.Pl.10.197; StAE: 75.Pl.14.671; StAE: 75.Pl.14.543 S. 190: Fotos: Bernd Böhner; StAE: 75.Pl.1032 S. 191: StAE: Bestand 621 Theater Erlangen; Gott: Plakatfoto: Bernd Böhner StAE: 75.Pl.8175, Bestand 621 Theater Erlangen; StAE: Bestand 621 Theater Erlangen; StAE: 75.Pl.3658, Bestand 621 Theater Erlangen S. 192: StAE: 75.Pl.10.330, Bestand 621 Theater Erlangen; 75.Pl.10.311, Bestand 621 Theater Erlangen; Bestand 621 Theater Erlangen; Bestand 621 Theater Erlangen; Bestand 621 Theater Erlangen; 75.Pl.10.381, Bestand 621 Theater Erlangen S. 193: StAE: 75.A1.41; 75.A1.25 u.a., Bestand 621 Theater Erlangen; Bestand 621 Theater Erlangen; 75.A1.176, Bestand 621 Theater Erlangen; Bestand 621 Theater Erlangen; Bestand 621 Theater Erlangen S. 194: StAE: Bestand 621 Theater Erlangen S. 195: Neue Gestaltung: Bestand Theater Erlangen S. 197– 199: Fotos: Jochen Quast S. 200: links: Foto: Jochen Quast; rechts: Foto: Jaroslaw Jasenowski S. 201: Fotos: Jaroslaw Jasenowski S. 202: Foto: Bernd Böhner S. 205 – 207: Fotos: Arne Seebeck S. 208: Logos: Neue Gestaltung S. 209: links: Foto: Jaroslaw Jasenowski; rechts: Foto: Jochen Quast S. 210: Foto: Anna Rojahn S. 211: Foto: Camilla Schlie S. 212: links: Foto: Jochen Quast; rechts: Logo: Neue Gestaltung S. 213: Foto: Jochen Quast S. 214: Logo: Neue Gestaltung S. 215: Foto: Camilla Schlie S. 216: Foto: Jochen Quast S. 218: oben: Foto: Stefan Richwien; unten: Foto: Turbo Pascal S. 219 – 220: Fotos: Karoline Felsmann S. 224 – 236: Fotos: Jochen Quast

S. 9: links oben: Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg (UB E-N): Sirace, Karneval 1744, 2 HIST 617 aa10[1.; links unten: UB E-N: Minna von Barnhelm, 03.05.1780, 2 HIST 617 aa10[1.; rechts oben: UB E-N: Mademoiselle Mariani, 01.10.1785, 2 HIST 617 aa10[1.; rechts unten: UB E-N: König Lear, 07.08.1786, 2 HIST 617 aa10[1. S. 10: links: Stadtarchiv Erlangen (StAE): IV.B.8; oben rechts: UB E-N: Brief v. 16.07.1836, UAE A4/2 Nr. 144 1835/Univ.-Theater; unten rechts: UB E-N: Kunstvorstellung, 28.10.1844, 2 HIST 617 aa10[2. S. 11: StAE: VI.J.b.425 S. 12: links oben: StAE: XIV.621.P.10; links unten: StAE: VI.J.b.169, Foto: Ernst Deuerlein; rechts oben: StAE: VI.J.b.271, Foto: Rudi Stümpel; rechts unten: StAE: VI.J.b.371 Foto: N.N. Stümpel S. 13: links: StAE: VI.J.b.278, Foto: Hilde Stümpel; rechts: StAE: VIII.8138.N.1_1, Foto: Rudi Stümpel S. 14: links oben: StAE: VIII.7482.N.1_1, Foto: Rudi Stümpel; links unten: StAE: XIV.621.P.1; rechts: StAE: VIII.9552.N.1_3, Foto: Hilde Stümpel S. 16 – 21: Fotos von Jochen Quast außer S. 20 oben: Foto: Erich Malter S. 22: vorhanden u. a. in: Bayerische Staatsbibliothek München, Signatur: 2 P.o.germ. 58,8 S. 23, 25: Bayerische Staatsbibliothek, 2 Mapp. 8, 4-1, 60 S. 29: StAE: F 413/5 S. 30: StAE: F413/67 S. 31: StAE: F 413/4a S. 32/33: StAE: F 413/5 S. 35: Pesne, Antoine: Markgräfin Wilhelmine von Brandenburg-Bayreuth in Pilgertracht, GK I 5239. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Fotograf: Roland Handrick S. 36: „Friedrich der Große und Wilhelmine von Baireuth“, Bd. 1, Jugendbriefe, Leipzig, 1924 S. 38: UB E-N: L´Homme, 1754, H61/RAR.A 16 S. 39: UB E-N: Argenor, 1740, H61/RAR.A.17 S. 40: UB E-N: Amalthea, 1756, H61/RAR.A 16 S. 41: StAE: XIV.621.P.1 S. 42: links: Privatarchiv Kamlah; rechts: StAE: XXXII.31.T.1 S. 43: StAE: XXXII.31.T.1 S. 44: StAE: XIV.621.P.9 S. 45: StAE: XXXII.31.T.1 S. 48: StAE: XXXII.31.T.1 S. 49: StAE: XXXII.31.T.1 S. 52: Erlanger Nachrichten (EN), 13.12.1957, Foto: N.N. Klein S. 54: Unser Bayern. Heimatbeilage der Bayerischen Staatszeitung. Januar 1960. Jahrgang 9/ Nr. 1 S. 56: links: StAE: XIV.621.P.1; rechts: StAE: VIII.3146.N.2_1 Foto: Rudi Stümpel S. 57: StAE: VIII.7687.N.1_17 Foto: N.N. Stümpel S. 58: StAE: VIII.3139.N.1_2 Foto: Rudi Stümpel S. 61: StAE: VIII.11066.N.5_5 Foto: N.N. Stümpel S. 64: Foto: N.N. S. 65: links: Foto: Johannes C. Lubig; rechts oben + unten: Foto: Jochen Quast S. 66: StAE: VIII.7732.N.6_8 Foto: Rudi Stümpel S. 67: oben: StAE:VIII.7730.N.6_8 Foto: Rudi Stümpel; unten rechts: StAE:VIII.7731.N.2_2 Foto: Rudi Stümpel S. 68: oben links: StAE: VIII.7731.N.6._4 Foto: Rudi Stümpel; unten links: StAE: VII.7738.N.5_2 Foto: Rudi Stümpel; oben rechts: StAE: VIII.7739.N.1_2 Foto: Rudi Stümpel; unten rechts: StAE: VIII.7738.N.6_1 Foto: Rudi Stümpel S. 69: StAE: VIII.7738.N.5_1 Foto: Rudi Stümpel S. 70: links: Foto: Bernd Böhner; rechts: StAE: 621_AZV 16251_285_B2 Foto: N.N. S. 71: oben: Foto: Bernd Böhner; unten links: StAE: VIII.7730.N.6_1 Foto: Rudi Stümpel; unten rechts: StAE: VIII.11181.N.3_3 Foto: N.N. Stümpel S. 74 – 88: Alle Fotos von Bernd Böhner; S. 76: Plakat gestaltet von Johannes C. Lubig S. 89: oben: Foto: Bernd Böhner; unten: Foto: Jochen Quast S. 90: oben: Foto: Jochen Quast; unten: Foto: Bernd Böhner S. 94: StAE: 1522647 S. 95: Foto: Bernd Böhner S. 96: StAE: AZV15272402 S. 97: Foto: Wiebke Goldhammer S. 100/101: StAE: AZV 15272256 S. 102: links: StAE: AZV 15272335; rechts: StAE: AZV 15226193 Foto: N.N.

Das Theater Erlangen hat sich um die Einholung der Abbildungsrechte bemüht. Da in einigen Fällen die Inhaber der Rechte nicht zu ermitteln oder zu kontaktieren waren, werden rechtmäßige Ansprüche nach Geltendmachung abgegolten.

238


Impressum

Den einzelnen Autorinnen und Autoren war überlassen, welche Form der gendergerechten Sprache in den jeweiligen Beiträgen verwendet wurde. Die an manchen Stellen aus Gründen der Übersichtlichkeit verwendete männliche Form bezieht selbstverständlich die weibliche Form mit ein.

300 Jahre Theater Erlangen Vom hochfürstlichen Opern- und Komödienhaus zum Stadttheater der Zukunft Herausgegeben von Karoline Felsmann und Susanne Ziegler © 2019 by Theater der Zeit Texte und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich im Urheberrechts-Gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Medien. Verlag Theater der Zeit Verlagsleiter Harald Müller Winsstraße 72 | 10405 Berlin | Germany www.theaterderzeit.de Lektorat: Nicole Gronemeyer Gestaltung: Agnes Wartner Coverfotos: Jochen Quast Printed in the EU ISBN 978-3-95749-160-2 (Paperback) ISBN 978-3-95749-206-7 (ePDF)

239




Begleiten Sie das Theater Erlangen auf eine turbulente Zeitreise vom hochfürstlichen Opern- und Komödienhaus zum Stadttheater der Zukunft, vom höfischen Theater zum Studententheater der 1968er Jahre, vom reinen Gastspielbetrieb zum eigenen Ensemble. In persönlichen Geschichten wird die Theatergeschichte lebendig: Wie kommt der Elefant in den Schnürboden und die Hausmeistergattin gratis ins Theater? Was ist Theaterschaffenden und Publikum in Erinnerung geblieben? Wie prägten die unterschiedlichen Intendanzen das Haus? Und welche Visionen werden das Erlanger Theater in die Zukunft führen? »300 Jahre Theater Erlangen« lädt ein zum Entdecken und zum Erinnern – mit Berichten, Interviews und Anekdoten, reich illustriert und mit vielen bislang unveröffentlichten Originaldokumenten.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.