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FM4: VIELFALT ZÄHLT „Die Darstellung kreativer Vielfalt ist, sofern man sie nicht medial ausbeuten möchte oder nur dann beleuchtet, wenn sie sich zufällig auf den Schaumkronen der Mainstream-Wellen befindet, eine delikate und höchst schwierige Angelegenheit, für die es immer noch den Willen zu Sinnstiftung und den Einsatz von Herzblut braucht.“ Martin Blumenau, FM4 Das Schöne an der mittlerweile gerne verklärten Gründungsgeschichte des Radiosenders FM4 ist, dass sich die zentralen Punkte, die damals (1994/95) ausschlaggebend dafür waren, dass sich ein paar Radiomacher/-innen, die fest an die Bedeutung von aktiv gelebter Jugendkultur glaubten, für ein ganz spezielles Programm zusammenfanden, später auch als die wesentlichen Faktoren für die Sinnhaftigkeit von öffentlich-rechtlichem Rundfunk entpuppten. Was bei FM4 vor 14 Jahren noch in schwammigen Begriffen wie „Sinnstiftung“ oder „Herzensbildung“ zusammengefasst wurde, hält heute als „Nachhaltigkeit“ oder „Public Value“ Einzug in den Medien-Mainstream – und findet, nachdem es jahrelang als avantgardistischer Luxus gehandelt wurde, mittlerweile auch die verdiente Beachtung. Das äußert sich darin, wie FM4 etwa jedes einzelne der gespielten (und sorgfältig ausgewählten) Musikstücke als popkulturelles Statement versteht; oder dass FM4 sich gleichzeitig als Reflektor und als Podium für die heimische Popularkultur versteht, also Präsentation und kritische Betrachtung verbindet. Dass im Jahr 2000 die mittlerweile selbstverständliche Einbindung von englischsprachigen Inhalten dazukam, passt ins Bild: FM4 will Fenster zur Welt sein, die lokale Kreativität fördern und zugleich konfrontieren,


damit sie nicht im eigenen Saft ertrinkt. FM4 strebt nicht den kurzfristigen Kick an, sondern den langfristigen Aufbau. Dass dies alles funktioniert, dass FM4 von den heimischen Szenen in Musik, Film, Design, Mode, IT oder von Schüler- und Studentenvertreter/-innen mittlerweile als selbstverständlicher Partner behandelt wird, und dass es dem Sender auch gelingt, über Österreich hinaus Strahlkraft zu entwickeln (in Deutschland gilt FM4 als unerreichbares Musterbeispiel eines Jugendmediums, für Wallpaper-Erfinder Tyler Brule ist es der unverzichtbare europäische Lieblingssender), ist dem auch nach über einem Jahrzehnt unbeeindruckten Zugang der Moderator/-innen und Redakteur/-innen zu verdanken, die Themen und deren Behandlung nicht als reinen Job betrachten, sondern als Herzensangelegenheit; und auch als ein wichtiges Stück Heimat – so wie das heute bei den neuen Medien, den Web-Communities, allseits Usus ist. Oder auch – um hier ein höchst altmodisches Wort zu verwenden – als zeitgemäße „Volksbildung“. Aus der FM4-Innensicht ist die Diskussion um öffentlich-rechtliche Aspekte eine offene und von einem gleichwohl treuen und kritischen Publikum vielfach eingerannte Tür. Aber aus der FM4-Innensicht ist auch die gern gepflogene Außenwahrnehmung, dass es sich beim Publikum und bei den redaktionell behandelten Inhalten um etwas Homogenes handelt, ein wenig seltsam. Auch weil sie den sonst wo nirgends gewagten Spagat zwischen den in ihrer Diversifizierung ungemein schwer zu fassenden (und noch schwerer zusammenzufassenden) Sub-Szenen und Sub-Genres damit als etwas Leichtes hinstellt, wo doch das krasse Gegenteil der Fall ist. Martin Blumenau


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