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„Public Service goes public“ – von ORF-Rettungsversuchen und einer Antwort darauf 2009 wurde der ORF gerettet. Zumindest wenn es nach den zivilgesellschaftlichen Initiativen und Plattformen1 geht, die sich in einer heftig geführten ORF-Debatte darum bemüht haben. Zukunftsentwürfe wurden gefordert, Neugründungen, Reformen, rigorose Sparmaßnahmen zur Diskussion gestellt. Wer immer die Rede vom „öffentlich-rechtlichen Auftrag“ für langweilig, akademisch und angesichts vielfältiger Konkurrenz und neuer Kommunikationstechnologien für anachronistisch empfunden hatte, wurde im letzten Jahr wohl vom Gegenteil überzeugt: Mitten in einer nachhaltigen Medien- und Legitimationskrise erkämpfte sich die Frage: „Cui bono – Wem nützen Medien?“ einen Logenplatz in der Auseinandersetzung rund um Qualitätsjournalismus und die Zukunft des ORF. Die zahlreichen Forderungen und Kommentare zwischen wertkonservativen Ermahnungen, zivilgesellschaftlichem Engagement und vordergründigem ORF-Bashing stellten für das Unternehmen herausfordernde Momente dar. Wie sich gezeigt hat, hat die kontroversielle Debatte aber keineswegs dazu geführt, dass der ORF und die Idee gebührenfinanzierter Kommunikation substantiell Schaden genommen hätte. Im Gegenteil: Die Renaissance des Interesses an der gesellschaftspolitischen Wirkung von Medien hat in Erinnerung gerufen, dass öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Unterschied zu gewinnorientierten Geschäftsmodellen eine demokratiepolitische Funktion im Kontext von gesellschaftlicher Auseinandersetzung und Entwicklung erfüllt. Der wirkungsvollste „ORF-Rettungsversuch“ des Jahres 2009 könnte demnach darin bestehen, dass die Fragen nach Sinn, Wert und Nutzen gemeinwohlorientierter Kommunikation in den Vordergrund getreten sind. Die Frage ist: Was hat der ORF 2009 aus eigener Kraft dazu beigetragen?

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„Rettet den ORF“, „SOS ORF“, „ORF gehört allen“ , „Plattform Filmwirtschaft und Filmkultur mit dem ORF“ „Petition zur Rettung des Radio-Symphonieorchester Wien“, Initiative PRO ORF“.


1. Rahmenbedingungen 1.1. Digitalisierung, Publikumsakzeptanz und Medienumfeld Dass die Welt der Medien in vielfacher Hinsicht in Bewegung geraten ist, die sich auf die Positionierung der ehemals dominanten öffentlich-rechtlichen Programmanbieter auswirkt, zeigt sich eindrucksvoll in den Ergebnissen der Digitalisierung: Nach 55 % Ende 2008 verfügten Ende 2009 bereits 63% der Österreicher/innen über digitalen TVEmpfang. Die Anzahl der empfangbaren Sender in österr. TV Haushalten steigerte sich dadurch von durchschnittlich 33 Kanälen 1998 auf 94. Im Anteil der digitalen Satellitenhaushalte finden sich durchschnittlich 138 Kanäle, der überwiegende Teil davon deutschsprachige Sender (93) (vgl. OQ 2), darunter die größten und finanzstärksten TVKonzerne Europas (RTL-Gruppe, Pro7/SAT1-Gruppe). Der Anteil der Kabel- und Satellitenhaushalte erhöhte sich auf 93 %. Unabwendbare Folge dieser Entwicklung sind Veränderungen in den Marktanteilen, die 2009 auch für den ORF zu verzeichnen waren: Der Verlust im Bereich der Kabel- und Satellitenhaushalte

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von 2,7% (im Vergleich zum Vorjahr)

ist eine schmerzvolle, aber gemeinsame Erfahrung – etwa – mit den deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern, die angesichts der Marktentwicklung ebenso Quotenverluste in Kauf nehmen mussten. Trotz der äußerst kritischen Berichterstattung über monatliche Quoten- und Marktanteilsentwicklungen ergibt die Jahresbilanz 2009 Ergebnisse, die in keiner Weise dem häufig vorgetragenen Vorwurf entsprechen, dem ORF würde sein Publikum abhanden kommen: In der Programm-Kernzone 17.00 bis 23.00 Uhr erreichte das ORF Fernsehen 2009 43,8 % MA (41,8% KMA). Pro Tag sahen 2009 im Schnitt 3,523 Mio. Zuseher/innen die beiden ORF-TV-Programme, das entspricht einem Marktanteil von 39,1%. Insgesamt verzeichnete die ORF–Senderfamilie von ORF 2 Europe, den Spartensendern TW1, ORF Sport Plus

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KaSat Haushalte 2009 (ab 12J.) ORF 1+ORF2 36,8 %


und 3sat 2009 einen Marktanteil von 41,6 %. Das ORF Fernsehen war, sowohl mit ORF 1 als auch ORF 2 trotz erheblich verstärkter Konkurrenz sowohl bei den jüngeren Zuseher/innen (12-49) als auch in der Zielgruppe 50+ überlegener Marktführer. Damit liegt das ORF-Fernsehen nach wie vor im europäischen Spitzenfeld. Um Erfolg, Relevanz und öffentlich-rechtliche Effizienz beurteilen zu können empfiehlt sich daher eine weniger aufgeregte, sondern vielmehr realitätsnahe Beurteilung der erzielbaren Quoten und Marktanteile, die die Entwicklung der Konkurrenzsituation ebenso berücksichtigt wie europäische Vergleiche und die Betrachtung einzelner zeitlicher Programmzonen. Weitaus alarmierender stellen sich die Folgen der Medienentwicklung im Zusammenhang mit der Werbefinanzierung des ORF dar: So ziehen die in Österreich ausgestrahlten -mittlerweile neun- Werbefenster deutscher Privatsender erhebliche Finanzmittel an sich. Waren es 1998 noch 18,7 Mio. € sind es 2009 bereits 331,2 Mio. €, die kommerzielle TV-Vermarkter in Österreich lukrieren. Die Forderungen der Privatsender nach Erlösbeschränkungen für den ORF3 würden einen weiteren Einnahmerückgang von insgesamt 130 Mio. € p.a. für den ORF bedeuten. Natürlich besteht kein Anrecht des ORF auf Werbeausgaben. Angesichts der Eigentumsverhältnisse der deutschen Programmanbieter und der Gewinnorientierung der Medienkonzerne darf jedoch bezweifelt werden, dass die erzielten Werbeerlöse der ausländischen kommerziellen Sender einen erkennbaren Gegenwert für österreichische Wertschöpfung oder die österreichische kulturelle Produktion ergeben. 1.2. EU Verfahren und ORF –Gesetz Ausgelöst durch eine Beschwerde des Verbandes österr. Zeitungen (VÖZ) im September 2004 und weiterer Beschwerden des Verbandes österr. Privatsender sowie der „Premiere AG“ wurden seither eine Reihe signifikanter

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keine TV-Werbung nach 20.00 Uhr, keine Durchrechnung bei den Werbezeitenlimits, keine Online-Werbung;


Streitpunkte im Zusammenhang mit der Gebührenfinanzierung des ORF nicht nur zwischen österr. Bundesregierung und Europäischer Kommission, sondern sehr umfangreich auch im öffentlichen Diskurs behandelt. Die Vehemenz der geführten Debatte führte schließlich zur Parlaments-Enquete „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk – Medienvielfalt in Österreich“ am 17. September 2009, bei der Regierung, Parteien, aber vor allem Medienexpert/innen aus dem In- und Ausland zu Wort kamen4. Der ORF lieferte der Öffentlichkeit dazu ein umfangreiches Informationsangebot5. Dass die Europäische Kommission in dem mittlerweile beendeten Verfahren zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Finanzierungsregelung für den ORF nach den getroffenen Zusicherungen mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang steht, ist wohl das wichtigste Ergebnis der jahrelangen Untersuchungen. Damit sollten „einerseits die notwendigen Voraussetzungen für einen hochwertigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk geschaffen und andererseits gerechte Ausgangsbedingungen in diesem Sektor aufrechterhalten werden“ (OQ 1). Die Zusicherungen Österreichs, „den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu präzisieren, die Finanzierung des ORF auf das zur Erfüllung des Auftrags erforderliche Maß zu beschränken, vor Einführung neuer Mediendienste eine öffentliche Konsultation durchzuführen und die Tätigkeiten des ORF klar von dessen öffentlich-rechtlichen Tätigkeiten zu trennen“ (OQ 1) stellen eine wesentliche Grundlage für die nachfolgende Novellierung der österr. Medienrechtsordnung, insbesondere des ORF-Gesetzes dar. Für den ORF sind daraus eine Reihe neuer Herausforderungen ableitbar, die zu umfangreichen Maßnahmen im Bereich der Qualitätssicherung und der Präzisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags im Zusammenhang mit neuen 4

u.a. der Generaldirektor der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission, hochrangige VertreterInnen europäischer Rundfunkanstalten wie der ZDFIntendant Markus Schächter, der stv. Generaldirektor der Schweizerischen Rundfunkanstalt, Daniel Eckmann, der für die Medienpolitik zuständige RTLBereichsleiter Tobias Schmid, Ross Biggam von ACT, dem Zusammenschluss kommerzieller Sender sowie die Direktorin der EBU-Rechtsabteilung Jane Vizard. 5 mit einer „Club2“ Debatte am Vorabend der Enquete (RW 200.000, 10% MA), einer 9 Stunden Live-Übertragung aus dem Parlament (ORF2 und TW1) mit einer Gesamtreichweite von 306.000 ZuseherInnen und einem daran anschließenden „Runden Tisch“ der Mediensprecher (RW: 231.000, 17% MA). Insgesamt erreichte der ORF mit seiner Berichterstattung über die ORF-Enquete (inkl. ZIB) 1,859 Mio. ZuseherInnen.


audiovisuellen Mediendienste führen werden. Die geforderten zweckdienlichen Maßnahmen, die eine Vereinbarkeit mit den EG-Beihilfevorschriften gewährleisten, sehen hinsichtlich der für die Fernsehproduktion relevanten Bestimmungen vor (vgl. OQ 1): -

Eine genaue Definition des ORF Spartenprogramms SPORT PLUS und des geplanten Informations- und Kulturkanals in Hinblick auf ihre Entsprechung zum öffentlich-rechtlichen Auftrag.

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Eine neue Medienaufsicht, deren Struktur und Zuständigkeit im neuen ORF-Gesetz festgelegt wird. Sie wird künftig umfangreiche Kontrollfunktionen wahrnehmen, die jedoch entsprechend Art. 10 Menschenrechtskonvention die redaktionelle Unabhängigkeit des ORF gewährleisten müssen.

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Maßnahmen zur Qualitätssicherung für Fernseh- und Hörfunkprogramme, die folgend den Ergebnissen des EUVerfahrens auch im neuen ORF-Gesetz eine größere Rolle spielen werden.

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Die geeignete Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags neuer audiovisueller Dienste des ORF soll künftig im Rahmen eines einzelstaatlichen Verfahrens, einer Vorabprüfung durchgeführt werden.

Dass die Entsprechung neuer beantragter Medienangebote zum öffentlich rechtlichen Auftrag dargelegt und begründet werden muss, liegt unzweifelhaft im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Dass Marktverzerrung und nachteilige Effekte für gewinnorientierte Medienunternehmen verhindert werden sollen, ist ebenso wünschenswert, sollte jedoch keineswegs dazu führen, dass künftig gemeinwohlorientierte Medienangebote des ORF schwieriger, bürokratischer und aufwändiger umzusetzen sind. Orts- und zeitsouveränes Abrufen von Information, Mediatheken, Onlinekommunikation gehören mittlerweile zu den selbstverständlichen Standards der Informationsbeschaffung von v.a. jungen


Mediennutzer/innen. Telemedienangebote sind folgerichtig integraler Bestandteil des öffentlich rechtlichen Funktionsauftrages. Nur ein technologieneutraler und entwicklungsoffener Auftrag kann die Leistungsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Zukunft garantieren. Es bleibt daher zu hoffen, dass die österreichische Rundfunkregulierung bei der „Vermessung des Gemeinwohls“ das öffentliche Interesse höher bewertet als die Renditeerwartungen privater Medienunternehmen. Gerade weil es um die Bedürfnisse von Mediennutzer/innen geht, die in erster Linie an hochwertigen Programmen und nicht an zeit- und kostenintensiven Begutachtungen6 interessiert sind, gerade weil die Erfüllung der Funktionsaufträge effizient, innovativ und mit Blick auf den individuellen und gesellschaftlichen Nutzen geleistet wird, sollte sie nicht auf dem Behördenweg auf vermeintliche Marktkompatibilität reduziert werden. Im Kontext der aktuellen Sparmassnahmen löst die Befürchtung, gut bezahlte Kontrolleure könnten demnächst schlecht bezahlte Redakteure begutachten, wenig Begeisterung bei jenen hervor, die mit der Praxis der Medienproduktion befasst sind: Den Journalist/innen und jenen, die es noch werden wollen. Darauf sollte auch nationale und europäische Regulierungsdynamik Rücksicht nehmen, wenn sie gewährleisten will, dass künftig noch ausreichend Stoff für Kontrolle und Begutachtung übrig bleibt.

1.3. Medienkrise, Strukturreform und Sparprogramm „Eine Identitätskrise erschüttert das Selbstverständnis der Medienkonzerne“ 7. So hat Lutz Hachmeister, Direktor des Berliner Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik die nachhaltige Wirkung der 2009 zur Geltung gekommenen

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lt Aussage der BBC sind die Kosten für ein einziges Verfahren des „Public Value Test“ bei bis zu 1 Mio. Pfund (Dauer des Verfahrens mind. 6 Monate); die Kosten der bisher durchgeführten „3-Stufen-Tests“ in Deutschland belaufen sich bereits jetzt auf 12-15 Mio €. 7 APA-Meldung, 19.05.2009


internationalen Medienkrise zusammengefasst. Ein Blick auf die veröffentlichten Finanzdaten und Sparmaßnahmen bestätigt diesen Eindruck: Massives Zeitungssterben in den USA, erodierende Werbeeinnahmen für die gesamte Branche, der Abbau tausender redaktioneller, journalistischer Stellen, massive Verluste und in Folge ebenso massive Sparprogramme prägen das Medienjahr 2009. Auch der öffentlich-rechtliche Mediensektor ist von den Auswirkungen der internationalen Finanzkrise betroffen. Für den ORF folgt daraus: Ein eingetretener und zu erwartender Rückgang der Werbe- und Umsatzerlöse (minus 8,1% Bruttowerbevolumen im Vergleich zu 2008), eine spürbare Zunahme der Gebührenbefreiungen8 sowie ein deutlicher, prognostizierter Rückgang der betrieblichen Erträge bei steigenden Personalkosten ergeben Szenarien, die unmittelbaren Handlungsbedarf nahelegen. Um die wirtschaftliche Zukunft des ORF sicherzustellen wurde daher 2009 ein umfangreiches „Strategie- und Strukturkonzept für den ORF im digitalen Zeitalter“ erstellt, das aufbauend auf den inhaltlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen die Ziele der Unternehmensentwicklung des ORF bis ins Jahr 2015 darlegt. In dem fast 400seitigen Konzept werden die Angebotsstrategien der ORF Medien (TV, Hörfunk, Landesstudios, Online und neue Medien), die Verbreitungsstrategien für ORF Content, die Auswirkungen der Digitalisierung, Fragen zur Standortentscheidung des ORF Zentrum und eine mittelfristige Finanzvorschau bis 2013 und die Unternehmens-, Organisations- und Konzernstrukturen bis ins Jahr 2015 ausgeführt. Auf Beschluss des Stiftungsrates erstellte der ORF darüber hinaus ein umfassendes Sparprogramm, das im Zeitraum von 2007 bis 2010 ein Sparvolumen von 200 Mio. € umfasst (2009: 80 Mio. €) und eine Reduktion von 440 Planstellen, das sind rund 12% des Personalstandes, vorsieht. Dies geschieht vor allem durch Nichtnachbesetzungen, ein

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jährlicher Entgang für den ORF ca. 60 Mio. €.


Handshake-Programm und eine geplante Reduktion der Führungsfunktionen um 25%. Derart einschneidende Maßnahmen haben zu einer konfliktreichen Debatte über die Finanzierbarkeit von Angeboten geführt, die der ORF bisher neben der unmittelbaren Programmproduktion erbracht hat (etwa das ORF Radio-Symphonieorchester, die Förderung der österr. Filmwirtschaft und andere gesellschaftliche und kulturelle Leistungen). Dass zwischenzeitlich dem ORF eine Teilrefundierung der entgangenen Gebührenbefreiungen für die nächsten Jahre zugesagt wurde, dürfte nicht zuletzt auf die Einsicht zurückzuführen sein, dass die Weiterführung dieser jahrelang erfolgreichen Kooperation, Förderung und Erbringung kultureller Produktion im gesellschaftlichen Interesse ist. Die zugesagten Mittel werden daher neben der Verpflichtung zu Strukturmaßnahmen zur mittelfristigen Kostenreduktion und der Optimierung der Technologie- und Infrastrukturmodernisierung zweckgebunden: Für den Fortbestand des Film- und Fernsehabkommens und der Erfüllung der daraus resultierenden Verpflichtungen für den ORF, für den Fortbestand des Radio Symphonieorchesters und den kontinuierlichen Ausbau des Anteils der österreichischen fiktionalen Eigenproduktionen des ORF sowie für die Erhöhung des Anteils barrierefrei zugänglicher Sendungen. Kostentransparenz und nachvollziehbare Argumente, wofür ORF-Programmentgelte verwendet werden sind aber nicht nur Forderungen an den ORF, sondern liegen im Interesse des Unternehmens selbst. Dass der ORF pro Gebührenzahler/in pro Tag 48 Cent9 erhält, ergibt einen Blick auf die ORF Finanzierung, der den Vorwurf kommerzieller Konkurrenz und mancher Medienpolitiker, es handle sich dabei um Zwangsgebühren, die in unzulässiger Höhe die Mediennutzer/innen belasten, ad Absurdum führt. Verglichen mit dem Durchschnittspreis einer österr. Tageszeitung (1,12€) liefert der ORF den Gebührenzahler/innen für 0,48 € täglich neben ORF1 und ORF2 sowie TW1/SPORT PLUS und den Kooperationen mit 3sat, ARTE und BR Alpha, den 12 Radioprogrammen, die von Ö1, einem der erfolgreichsten 9

nach Abzug der Radio- und Fernsehgebühr, die dem Bundesministerium für Finanzen zukommen, dem Kunstförderungsbeitrag, der zwischen Bund und Ländern aufgeteilt wird, sowie der Landesabgabe, die direkt in das jeweilige Landesbudget fließt und von jedem Bundesland einzeln festgesetzt wird.


Kulturradiosender Europas, Ö3, dem mehrsprachigen Jugend-Kultur-Sender FM410 bis hin zu den neun Regionalradios der ORF-Landesstudios reichen sowie die Online Plattform orf.at und seit November 2009 das Video-on Demand Angebot der ORF- TVThek. Die Forderung, der ORF möge sein Leistungsspektrum (etwa in der föderalen Struktur der Landesstudios oder im Programmspektrum) einschränken ist daher -nachvollziehbar- im Interesse der kommerziellen Mitbewerber, wohl kaum aber im Interesse der Allgemeinheit und der Gebührenzahler/innen. An der Stelle wird eine Herausforderung ersichtlich, die in Zukunft für den ORF eine noch größere Rolle spielen wird: Über sich selbst, seine Aufträge, seinen Wert und Nutzen für die Gesellschaft im Vergleich mit den kommerziellen Medien zu sprechen. Die allzu vertraute Annahme öffentlich-rechtliche Medien seien eine Selbstverständlichkeit, die es lediglich einzufordern und auf Zuruf zu steigern gelte, trifft angesichts der Finanzierungsengpässe und Sparmaßnahmen nicht mehr zu. Der ORF ist ebenso wie andere gesellschaftliche, kulturelle Institutionen keine Wunscherfüllungsmaschine für Politik und Gesellschaft. Die Medienproduktion des ORF steht in einem nachvollziehbaren Verhältnis zu erforderlichen Kosten. Das ist insbesondere hinsichtlich der aktuellen kommunikationstechnologischen Entwicklungen der digitalen Medienwelt (Spartenkanäle, HDTV, Online) relevant, die erhebliche Investitionen erforderlich machen. Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist daher kein Betteldiskurs, bei dem sich der ORF die Gunst der MedienpolitikerInnen verdienen muß, sondern eine gemeinwohlorientierte professionelle Leistung. Auch deshalb ist ein breiter gesellschaftlicher Diskurs zur Frage, welchen Wert öffentlich-rechtliche Medien für die politische Kultur und die Öffentlichkeit eines Landes haben von nachhaltiger Bedeutung.

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FM4 beschäftigt MitarbeiterInnen aus insg. 14 Ländern


2. Öffentlich rechtliche Markierungen 2009 Gleichzeitig zu Wirtschafts-, Finanz- und Medienkrise wurde der ORF 2009 mit einer Reihe von äußerst kritischen Fragen zur öffentlich-rechtlichen Qualität seiner Programme konfrontiert. Der ORF war daher auch im Krisenjahr 2009 gefordert den gesellschaftspolitisch relevanten Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Auftrags nicht nur Folge zu leisten, sondern sie -den Forderungen der eigenen Gremien, der Medienpolitik und den zivilgesellschaftlichen Initiativen folgend- erkennbar auszubauen. 2.1. Vertrauen: Unabhängigkeit und zuverlässige Information „Alles Reden ist sinnlos, wenn das Vertrauen fehlt“11. Das gilt insbesondere für die Qualität der Information, die in demokratischen Gesellschaften die Voraussetzung für die Urteilsfähigkeit mündiger Bürger/innen ist. Unabhängigkeit ist dabei ein zentrales Kriterium, das zu Recht von öffentlich-rechtlichen Programmanbietern gefordert wird. Die öffentliche Debatte daran entzündet sich -wie auch die Diskussion im Fall des ehemaligen ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender zeigt- häufig an Begehrlichkeiten der Parteien und nicht an mangelnder Unabhängigkeit der Redaktionen. Nach einer Welle öffentlicher Kritik im Jahr 2006, die mangelnde Distanz zwischen Regierung und ORF beanstandet hatte, erbrachte bereits die Analyse der TV-Programmanalyse 2007 im Auftrag der RTR GmbH eine erkennbar positive Auswirkung der 2007 begonnenen ORF Programmreform: -

„Die Vermutung aufgrund der Vorjahresbefunde (...) die ORF Nachrichtenberichterstattung könnte zu wenig politikkritisch sein (...), bestätigt sich nicht. Im Gegenteil: Die ORF2-Nachrichten verfolgen und begleiten die Arbeit der SPÖ/ÖVP-Koalitionsregierung 2007 intensiver als die Regierungstätigkeit im Vorjahr und sind deutlich

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Franz Kafka,


weniger „unterhaltungslastig“ als die Nachrichten von ATV und den deutschen privaten Programmen... 2007 füllt der Sender seine gesellschaftliche Funktion von Kritik und Kontrolle der Legislative, Exekutive und anderen gesellschaftlichen Subsystemen intensiver aus als im Vorjahr. ORF 2 ist im Umfang fernsehpublizistischer Berichterstattung über kontroverse Themen Spitzenreiter unter den öffentlich-rechtlichen Sendern der Schweiz, Deutschlands und liegt weit vor den privaten Programmen.“

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Im von "Reporter ohne Grenzen" herausgegebenen "World Press Freedom Index 2008" hat sich Österreich weltweit von Platz 16 (2007) auf Platz 1413 verbessert. Wörtlich heißt es im Bericht der "Reporter ohne Grenzen": "Allgemein war im Sinne des öffentlich-rechtlichen Auftrages eine verstärkte Distanz zu den Parteien und Unabhängigkeit in der politischen Berichterstattung wahrzunehmen.“

Diese von unabhängigen Medienexpert/innen festgestellte Qualitätsorientierung journalistischer ORF TVBerichterstattung konnte den Ergebnissen der aktuellen TV-Programmanalyse folgend auch 2009 beibehalten und ausgebaut werden:

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„Bei ORF1 und ORF2 ist die Nachrichtenberichterstattung im Frühjahr 2009 erheblich profilierter als 2007; der zeitliche Anteil der Berichte über Kontroversen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist bei ORF1 und ORF2 gestiegen bzw. deutlich gestiegen14“ (OQ 3, 1).

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Woelke, Jens (2008), TV-Programmanalyse. Fernsehvollprogramme 2007, Wien „World Press Freedom Index 2009“: Österreich liegt an 13. Stelle, siehe: www.rsf.org/IMG 14 ORF2, 12,2% der täglichen Sendezeit bzw. 50,6 % der Nachrichtensendezeit (vgl. OQ 3, 2). 13


Im Vergleich dazu bestehen lt. Studie Puls 4-Nachrichten zu 36,6 % aus sogenannten „Angstthemen“ und aus 9,4% sogenannten „Zerstreuungsthemen“ (OQ 4, 19). ORF 2 ist lt. Studie der „Spitzenreiter bei fernsehpublizistischen (Informations-) Sendungen in der Prime Time (18-23Uhr) und damit weit vor allen anderen in der Stichprobe untersuchten deutschsprachigen (vier österreichische, acht deutsche) TV-Vollprogrammen“ (vgl. OQ 3, 1). Daran ändert auch die Komplementärprogrammierung von ORF1 und ORF2 nichts, die bewirkt, dass der Anteil von Informationssendungen auf ORF 1 im Vergleich zu auf diesem Kanal umfangreich angebotenen Unterhaltungsformaten gering ist. Tatsächlich findet sich auf ORF 1 neben den ZIB Flashes, dem Wissebschaftsmagazin „Newton“ das für die Informationsqualität relevante eigenproduzierte ORF- Kinderprogramm15, das österreichische und internationale Nachrichten in kindergerechter Form bietet und ein markantes Unterscheidungsmerkmal zu österreichischen kommerziellen Sendern darstellt, die über kein entsprechendes Programmangebot verfügen. Umfangreiche und intensive Nachrichtenberichterstattung fand sich in der ORF TV-Berichterstattung 2009 insbesondere zur EU-Wahl

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, zur US-Präsidentschaftswahl17, zu den Landtagswahlen in Salzburg, Kärnten, Oberösterreich und

Vorarlberg. 29 Liveübertragungen aus dem Parlament informierten 2009 in insg. 87 Stunden über das parlamentarische Geschehen18. Das Korrespondent/innennetz des ORF umfasste 2009 26 Korrespondent/innen in 17 Ländern. Damit ist gewährleistet, dass weltweit authentische Information angeboten werden kann und nicht nur auf Agenturmeldungen 15

18,4% der täglichen Sendezeit, das entspricht 4h20Min täglich. KaSat Marktanteil bei Kindern von 3-11 Jahren (30%), das bedeutet einen Zuwachs von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr. 16 u.a. mit Liveschaltungen nach Berlin, Paris, Rom, London und Prag; insg. 5 Mio. ZuseherInnen, das sind 70% der österreichischen TV-Bevölkerung ab 12 Jahren. (1,14 Mio. ZuseherInnen bei „Bundesland Heute“ am Wahltag, 61% KaSatMA). Auf die weltweit verfügbaren Live-Streams und Video-on-Demand Angebote von orf.at wurde insg. 50.000 mal zugegriffen. Der ORF Teletext mit den dort angebotenen Hochrechnungen, Ergebnissen und Reaktionen erzielte am Wahltag insg. 5,7 Mio. Abrufe. 17 18

1 Mio. ZuseherInnen bei der Live-Übertragung der Inaugurationsfeier, 46%KaSat, 48% nat. MA zusätzlich zur wöchentlichen Sendereihe „Hohes Haus“


zurückgegriffen werden muss. Mit der ORF TVThek, der Video-on-Demand Plattform des ORF wurde das Informationsangebot des ORF effizient und für einen breiten Nutzerkreis kostenlos erheblich erhöht. Seit 16.November 2009 werden insgesamt mehr als 70 ORF-Sendungen sieben Tage online zur Verfügung gestellt. Live-streams von TVÜbertragungen aus Sport, Information und Kultur ergänzen das Angebot, das bis Jahresende 2009 bereits 8,2 Mio. Videoabrufe verzeichnen konnte19. Außerdem erfolgte 2009 der Relaunch des ORF Teletexts und ORF OK MultiTexts inklusive Design-Modernisierung. Die internationalen Kooperationen mit ARTE, 3sat oder der Bildungskanal BR-alpha sind Teil der ORF Senderfamilie, die auch 2009 nicht nur einen Anteil ORF-produzierter (Informations)sendungen gesendet hat und damit österreichischen Alltag in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion und Kultur in die Welt exportiert hat, sondern bietet dem österreichischen Publikum hochwertige Information im europaweiten Kontext - ein Medienangebot, das höchsten internationalen Qualitätskriterien folgt. 2009 wurden auch die Planungen und Vorbereitungen für einen ORF Kultur- und Informationsspartenkanals begonnen, der eine nachhaltige Ausweitung des regionalen und nationalen Informationsangebotes vorsieht. Ein maßgeblicher Grund, der für eine überprüfbare und auch im Spiegel der Medienkritik anerkannte Unabhängigkeit und Qualitätsorientierung der ORF Information sorgt, liegt auch 2009 in einer starken Redakteursvertretung, die jegliche Versuche parteipolitischer Begehrlichkeit oder Intervention wirkungsvoll verhindert. Der ORF Redakteursrat ist bundesweit ein Garant für kompetente und in jeder Hinsicht unabhängige Arbeit der journalistischen Mitarbeiter/innen des ORF. Das ist gerade im Umfeld der aktuellen Medienkrise von besonderer Bedeutung, in der Fragen der sozialen Stellung und berufsgruppenrelevanten Rechte der Journalist/innen häufig eingeschränkt werden. Das Beharren auf Unabhängigkeit gegenüber Parteien und Regierungen, den politisch mächtigen Lobbys und Gruppen ist für die 19

Zugriffe aus 148 Ländern, 20% aller Zugriffe erfolgen aus dem Ausland. Die ORF TVthek bietet einen barrierefreien Zugang für Sehschwache (Kontraste und Schriftvergrößerung) und Hörbehinderte (Untertitelung, ZIB1 streams, Parlamentsübertragungen und Hilfs-Menüs mit Gebärdensprache


demokratiepolitische Kontrollfunktion der freien Medien substantiell. Nicht im Fokus des allgemeinen Interesses aber von zunehmender Bedeutung ist die Unabhängigkeit der Redaktionen von wirtschaftlichen Gruppen und dem kommerziellen Werbeumfeld. Eine problematische Schnittmenge zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt, eine in den kommerziellen Medien zuweilen durchaus beabsichtigte Vermischung von Inhalt und bezahlter Werbebotschaft ist für die MediennutzerInnen ebenso verwirrend und manipulativ wie ein langer Arm der Politik, der ins Programm zu greifen versucht. 2.2. Orientierung: Hintergründe und gesellschaftspolitische Relevanz 2009 war reich an weltweiten Hiobsbotschaften, die den Glauben an die Effizienz unregulierter Marktwirtschaft und staatlicher Institutionen erschüttert haben. Daraus ableitbar ergibt auch ein Blick auf das Innenleben der Gesellschaften Szenarien, die ernste demokratiepolitische Befürchtungen aufkommen lassen. Dazu gehört die im Juli letzten Jahres präsentierte Wertestudie

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. Demnach sind nur mehr 50% der Österreicher/innen zufrieden mit der Art und Weise, wie

Demokratie in Österreich funktioniert. 1999 waren es noch 73%. Innerhalb von nur 10 Jahren hat sich offenbar der Anteil um ein Viertel verringert, die Gruppe der Unzufriedenen ist heute doppelt so stark (2009: 46%, im Vergleich dazu 1999: 22%), „sehr zufrieden“ sind nur noch 4% (1999 waren es noch 11%) (vgl. ebd., 218). Auch wenn sich im Anteil der „Unzufriedenen“ wohl auch jene Menschen finden, die ein gesellschaftspolitisches Interesse an mehr Demokratie haben, ist ein derartiger Befund alarmierend. Während sich kommerzielles Fernsehen mit Schulterzucken aus nicht rentablen Medienbereichen zurückziehen kann, ist der ORF insbesondere was die Informations- und Orientierungsfunktion der Medien betrifft veranlasst gesellschaftliche Prozesse, Verbindungen, Abhängigkeiten und

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Friesl/Polak/Hamachers-Zuba (Hg.) „Die Österreicher Innen, Wertewandel 1990-2008, Wien 2009


Zusammenhänge sichtbar zu machen und zu erklären. Umfassende, zuverlässige Information und gesellschaftlich relevante Unterhaltung befähigen die Mediennutzer/innen nicht nur zur Teilnahme am demokratischen Leben, sondern sind eine vertrauensbildende Maßnahme für die gesellschaftliche Entwicklung insgesamt. In diesem Sinne ist öffentlichrechtliche Medienproduktion ein Beitrag zur Bildung von Sozialkapital für eine funktionsfähige Gesellschaft. Die kontinuierliche Information in den ORF Magazinen und Gesprächssendungen21 ist dabei ebenso wie die umfangreiche aktuelle Berichterstattung in speziellen Anlassfällen (Finanzkrise, nationale politische Krisen22) als Orientierungswissen von besonderer Bedeutung. Um gesellschaftliche Herausforderungen und ihre Folgen für ein großes Publikum attraktiv aufzubereiten, programmiert der ORF seit 2007 Programmschwerpunkte, die in einer Kombination von Informations- und Unterhaltungsformaten über die gesamte Bandbreite der ORF Medien hinweg große Themen der Zeit behandeln und aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchten. Damit wird ein für die Bevölkerung breiter und attraktiver Zugang zu komplexen Themen ermöglicht. Nach den –sehr erfolgreichen- ORF Themenschwerpunkten „Klimawandel“, „Ernährung“, „Gesundheit“, „Kinder“ wurden 2009 Sendungen zu folgenden Schwerpunktthemen erstellt: -

„Österreich 2020“ (23.03-29.03.)23, „Bildung“ ( 22.09.-25.09.)24, „Berliner Mauer“ (29.09.-09.11.)

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, „Linz09-

Kulturhauptstadt“ (26.10.)26, Themenabend „Islam“( 4.1.2009)27, die fünfteilige „Menschen und Mächte“ Serie „Der Zweite Weltkrieg“ (ab 01.09.)28. 21

etwa: Report, Weltjournal, Eco, Thema, Hohes Haus, Heimat fremde Heimat, Am Schauplatz, Club 2, Im Zentrum, Pressestunde, Runder Tisch; etwa Finanzkrise: „Bürgerforum - Die Krise- Ein Ende in Sicht?“ 24.3. ; „Runder Tisch“ zur Hypo-Krise v. 14.12. /448.000 RW, 30%MA ; FPÖ/BZÖ-Krise, 16.12./ 521.000 RW, 35% MA; uvm. 23 etwa „ORF Bürgerforum-Die Krise: Ende in Sicht?“:568.000 ZuseherInnen, „Job-Coach“: insgesamt 3,5 Mio. Zuseherinnen. 24 Insgesamt 1,567 Mio. ZuseherInnen. 22

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Insg. 2,8 Mio. ZuseherInnen.


Obwohl die Tatsache, dass mittlerweile bis zu 138 Sender in österr. Haushalten den TV-Konsument/innen zur Auswahl stehen, schafft es der ORF mit der Schwerpunktsetzung in österreichweiten, medialen „Lagerfeuern“ erhebliche Bevölkerungsteile für gesellschaftlich relevante Fragen, hochwertige Information und Berichterstattung zu interessieren. Der Wert und Nutzen, der durch die Analyse von Zusammenhängen und Abhängigkeiten, durch Dokumentation und Reportage über die Zwischenräume und Schattenseiten des Lebens, durch gesellschaftspolitisch relevantes Agenda Setting in Information und Unterhaltung entsteht, kann für den ORF nicht hoch genug angesetzt werden. Die dafür notwendigen finanziellen und personalen Ressourcen sind nicht nur eine Investition in öffentlich-rechtliche Produktqualität, sondern auch eine Investition in die Kommunikationsqualität und die politische Kultur des Landes. 2.3. Integration: Perspektiven für eine moderne Gesellschaft Öffentlich-rechtlicher Rundfunk begleitet mit seinen Programmen den Wandel der Gesellschaft. Dazu gehört neben seiner Orientierungsfunktion auch die Perspektive gesellschaftlicher Integration. Neben dem 2009 erfolgten Start des ORF „webradio oe1campus“ das einer Vielzahl von Bevölkerungsgruppen, vor allem Studierenden, Schüler/innen, Angehörigen von Volksgruppen und Migrant/innen einen eigenen 24 Stunden Kanal im Web zur Verfügung stellt und sich in Zukunft zu einem neuen Ö1 Experimentalradio entwickeln soll, hat der ORF 2009 auch sein TVVolksgruppenprogramm um- und ausgebaut. Die muttersprachlichen ORF Radio- und TV-Programme für die Volksgruppen in Ostösterreich- für Kroat/innen im Burgenland, Ungar/innen in Wien und Burgenland, Tschech/innen in Wien, Slowak/innen in Wien, Roma im Burgenland, werden seit 2009 im ORF Landesstudio Burgenland produziert. Die

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Insg. 4,9 Mio. ZuseherInnen, das sind 70% der österr. TV Bevölkerung. Insg. 1,8 Mio. ZuseherInnen 28 Insg. 2,284 Mio. ZuseherInnen, das entspricht 32% der heimischen Bevölkerung. 27


slowenischsprachige Fernsehsendung „Dober dan, Koroška“ wurde um entsprechende Inhalte für die steirischen Slowenen ergänzt. Eine kontinuierliche Berichterstattung über Volksgruppen und die Anliegen und Bedürfnisse der Menschen mit Migrationshintergrund liefert –auch 2009- die Sendereihe „Heimat, fremde Heimat“29, die ebenso wie die 2009 ausgestrahlte TV-Serie „TschuschnPower“ alltägliche Lebenswelten und ihre Bedeutung für gesellschaftliches Zusammenleben liefert. Die laufenden Migrationsprozesse stellen für den ORF eine vielfältige Herausforderung dar. Um die wesentlichen Grundlagen für geeignete Maßnahmen zu erarbeiten, wurde 2009 aufbauend auf den Daten zur Mediennutzung von Menschen mit Migrationshintergrund eine umfangreiche sozialwissenschaftliche Studie30 erstellt, die sich mit den konkreten Bedürfnissen und Erwartungen migrantischer Bevölkerungsschichten an den ORF beschäftigt, die in Focusgruppen mit den Einstellungen und der Arbeitsrealität von ORF Mitarbeiter/innen gespiegelt wurden. Erklärte Absicht ist es dabei, keine „Programmghettos“ zu entwickeln, sondern längerfristig eine kontinuierliche Integration von programmgestaltenden Mitarbeiter/innen mit Migrationshintergrund zu ermöglichen. Europaweit sind öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten zur Zeit damit beschäftigt, die laufenden Migrationsprozesse nicht nur als Problem, sondern als Chance für das gesellschaftliche Zusammenleben wahrzunehmen und zu nutzen. Die Kooperation des ORF innerhalb der EBU (European Broadcasting Corporation) oder die ORF-Beteiligung an der „CIVIS Medienstiftung für Integration“31 sind Beispiele dafür, dass das Problembewusstsein und der Aufbau von interkultureller Kompetenz im ORF als aktuelle Herausforderung erkannt ist.

29

2009: 42 Sendungen mit 3 Mio. ZuseherInnen; meist gesehene Sendung „Integration der Türken“, Feb.09: 196.000 ZuseherInnen, Insgesamt mehr als 1000 Folgen der Sendereihe 30 „Mediennutzung von Menschen mit Migrationshintergrund. Aktuelle Akzeptanz der ORF-Programme und Entwicklungsperspektiven“, Univ.Prof.Dr. Fritz Hausjell 31 07.10.2009 „CIVIS Dialoge 2009“ im ORF Zentrum Wien zum Thema „Demokratie, Religion und Medien“.


2.4. Kulturauftrag: Diversität als Chance Kulturelle Vielfalt ist auch 2009 ein wesentlicher Nährboden der Programmarbeit des ORF, der sich nicht wie kommerzielle Medien an werberelevanten Zielgruppen ausrichten kann, sondern das gesamte Spektrum der Öffentlichkeit wahrnehmen muss und daher auch Lebenswelten behandelt, die weitgehend im Schatten der allgemeinen Aufmerksamkeit stehen. Dass der notwendige Schutz gesellschaftlicher Diversität durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk realisiert wird, kommt u.a. in der „UNESCO Konvention zur kulturellen Vielfalt“ zu Ausdruck. Dieses „KyotoProtokoll für die Kultur“

32

schafft eine völkerrechtlich verbindliche Grundlage für das Recht aller Staaten auf eine

eigenständige Kulturpolitik und hat im Kontext der Globalisierung auch Auswirkungen auf die audiovisuellen Medien, insbesondere auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der in Art.6, Absatz 2h ausdrücklich genannt wird. „Auf diese Weise wird völkerrechtlich verbindlich anerkannt, dass ein öffentlich-rechtliches Rundfunksystem ein wichtiges und legitimes Mittel zur Gewährleistung von Meinungspluralismus und kultureller Vielfalt ist“ (ebd., S. 23). Dass in der Konvention auch der Grundsatz der Technologieneutralität anerkannt wird, bestätigt die demokratiepolitische Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seine Entwicklungsoption im Internet. Der ORF entspricht dem Geist der Konvention in seinen Fernsehprogrammen indem er die Vielfalt im gesellschaftlichen Leben Österreichs und der Welt möglichst umfassend wahrnimmt und abbildet. Die Magazinsendungen des ORF gewährleisten in dieser Hinsicht ebenso wie die Reportagen, Dokumentationen, Filme und Gesprächsformate (etwa: „dok.film“, „euro.film“, „Menschen und Mächte“, „Am Schauplatz“, „kreuz und quer“, „Club 2“, „Heimat fremde Heimat“) eine nachhaltige Hintergrundberichterstattung über Politik, Wirtschaft, Kultur und Religion. Vielfalt wird vor allem in der ORF Kulturberichterstattung behandelt und widergespiegelt, wie in den Formaten „Kulturmontag“33 , „a.viso“, 32 33

siehe: Verena Wiedemann, ARD Jahrbuch 2009, S.15 Im Schnitt 13% MA, im Vergleich dazu bewegen sich die Kulturmagazine von ARD/ZDF bei 5 bzw. 6%.


„art.film“, aber auch in Live-Übertragungen kultureller Ereignisse, wie etwa „Life Ball“

34

, „Neujahrskonzert“35, „Konzert

für Österreich“ und „Konzert für Europa“, der Eröffnung der Wiener Festwochen, der Medienpartnerschaft und intensiven Berichterstattung über „Linz09“, dem „Joseph Haydn-Jahr“, dem Händel-Schwerpunkt im März 2009, den Opern- und Operettenübertragungen im TV-Hauptabend36, den drei Theater-Premieren im zweiten Hauptabend , „Faust geballt“ im September 2009 und nicht zuletzt der TV-Kulturberichterstattung der ORF Landesstudios. 2.5. Verantwortung: soziale Kompetenz und Bürgernähe Unterstützung bei den Problemen des Alltags, Konsumentenschutz und Service sind im Programmangebot des ORF in umfangreicher Weise in allen Medien seit vielen Jahren fest verankert und mittlerweile ein crossmediales Prinzip37. Bürgernähe und nicht zuletzt Bürgerrecht wird 2009 in den Sendereihen „Konkret“, „Schauplatz Gericht“ und „BürgerAnwalt“ umgesetzt, die im Gegensatz zu Formaten im Privat-TV nicht inszenierte Gerichtsverhandlungen, sondern konkrete Auseinandersetzungen und Konflikte behandeln. Direkte Konfrontation und aktuelle Streitthemen stehen auch im Mittelpunkt der Sendereihe „ORF-BürgerForum“, die 2009 als öffentlichkeitswirksame Plattform für gesellschaftliche Konflikte gedient hat. Ein besonderer serviceorientierter Schwerpunkt kommt 2009 durch die Aktivitäten des ORF-Gesundheitskompetenzzentrums zustande, das die einzelnen Redaktionen beratend unterstützt.

34

446.000 ZuseherInnen 1,023 Mio. ZuseherInnen 36 etwa „La Boheme“ 09.12.1009; 20.15 Uhr, bis zu 373.000 ZuseherInnen oder „Il mondo della luna“ 05.12.2009, erstmals in HDTV-Qualität. Zusätzlich eine Nikolaus Harnoncourt Dokumentation am 6.12. 2009 und die ORF Dokumentation „Die Schule des Hörens“ 08.12.2009. 37 etwa: Help (Konsumentenschutz auf Ö1) und help.ORF.at 35


Sichtbares Zeichen in den TV-Programmen ist die ORF-Reihe „Bewusst Gesund“, die 2009 zahlreiche Themen behandelt hat38. 2009 wurde auch eine richtungsweisende Initiative im Zusammenhang mit dem Ausbau der barrierefreien Angebote des ORF für sinnesbehinderte Menschen festgelegt: Der ORF hat sich dazu verpflichtet sein Angebot an untertitelten Sendungen bis Ende 2011 auf 55 Prozent zu steigern.39 Damit wird den Anliegen der hör- und sehbehinderten Menschen entsprochen. Das besondere Merkmal des „Humanitarian Broadcasting“ des ORF ist es, dass durch seine starke Präsenz und Verbreitung, insbesondere durch das ORF-Fernsehen sehr viele Menschen rasch, in einem aktuellen Kontext zu nationalen oder internationalen Notfällen und Katastrophen erreicht und durch intensive Berichterstattung unmittelbar mit den augenscheinlichen Folgen eingetretener Notsituationen konfrontiert werden40. Neben der ORF-Aktion „Nachbar in Not“, die seit Bestehen bereits mehr als 130 Mio. € Spenden gesammelt hat und den alljährlichen „Licht ins Dunkel“ Aktivitäten

41

, finden sich in den beiden ORF TV-Programmen auch zahlreiche Sozialspots42, die die Anliegen von

bedürftigen Menschen sowie gesellschaftlich relevante Themen, wie etwa Diskriminierung oder Chancengleichheit behandeln und damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Der ORF verbindet im Rahmen seines „Humanitarian Broadcasting“ unmittelbare und wirksame Hilfestellung mit nachhaltiger Information über die jeweiligen 38

etwa „Vorsorge fürs Leben“, 05.-12.09. 2,2 Mio. ZuseherInnen, 31 % der Bevölkerung ab 12 Jahren; drei Informationsbusse besuchten alle Bezirkshauptstädte des Landes bzw. „Leicht gemacht“ (20.04.-26.04. insg. 2,861 Mio. ZuseherInnen). 39 Derzeit untertitelt der ORF 33 % seines TV-Angebotes, zeigt pro Monat bis zu fünf Spielfilme in Audio-Kommentierung, „Zeit im Bild“ und das Kinderprogramm „Okidoki“ werden in Gebärdensprache ausgestrahlt, die Heimspiele der österr. Fußball-Nationalmannschaft werden mit Audiokommentaren versehen, seit Oktober 2009 werden „Wir sind Kaiser“ und „Willkommen Österreich“ untertitelt, in den nächsten zwei Jahren will der ORF rund 50 Serienfolgen und rd. 12 eigenproduzierte Spielfilme in Hörfilmfassung herstellen. 40 zuletzt im Fall des Erdbebens in Haiti: umfangreiche ORF Berichterstattung z.B. ZIB1, 17.1.2010: 1,3 Mio. ZuseherInnen, Sondersendungen und Aktionstag „Nachbar in Not-Österreich hilft Haiti“ am 25.1.2010 mit 3,1 Mio. Gesamtreichweite. Spendenvolumen bis Februar 2010: 7,4 Mio. €. 41 5,4 Mio. € Spenden am 24.12.2009. 42 2009 wurden im ORF-Fernsehen 331 Sozialspots von 24 unterschiedlichen Organisationen ausgestrahlt. Im ORF-Radio wurden 2560 Spots gesendet.


Notsituationen und Krisenfälle. Das ist gerade angesichts der beobachtbaren Entwicklung von Fragmentierung, sozialer Segmentierung, gesellschaftlicher Negativeffekte wie Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz gegenüber fremden Kulturen eine öffentlichkeitsrelevante Leistung, die zum Gelingen von Demokratie und dem Zusammenleben in komplexen gesellschaftlichen Strukturen beiträgt. 2.6. Österreich-Wert: Föderalismus, Identität und österreichische Wertschöpfung Globalisierung, internationale Strukturen, Netzwerke und eine unübersichtliche Menge an verfügbaren Informationsquellen gehören in der Medienwelt von heute längst zur Selbstverständlichkeit. Die Vielzahl an verfügbarer Information und Unterhaltung ist jedoch nicht nur Bereicherung für den intellektuellen und praktischen Horizont für die Mediennutzer/innen, sondern kann auch zu einer Bedrohung kleinräumiger, regionaler und nationaler gesellschaftlicher Belange werden. Auch im Kontext der erwähnten kulturellen Vielfalt ist es daher für den ORF von Bedeutung seine Rolle als österreichisches Leitmedium in Konkurrenz zu den gewinnorientierten Geschäftsmodellen internationaler Medienkonzerne aufrecht zu erhalten. Die Eigentumsverhältnisse der Medienunternehmen (nicht zuletzt auch der österreichischen kommerziellen Sender) sind dabei ebenso relevant wie die Frage, ob mit den erzielten Gewinnen internationale kommerzielle Geschäftsmodelle betrieben werden oder gemeinwirtschaftliche Investitionen in Österreich erbracht werden. Österreichische Wertschöpfung in der Medienbranche erübrigt sich nicht in der fallweisen Beschäftigung heimischer Werbeagenturen, sondern erstreckt sich in umfangreicher Weise auf die Produktion kultureller Werte, die ohne besondere Aufmerksamkeit und gezielte Förderung häufig dem globalisierten Mainstream und der kommerziellen Verwertungsdynamik zum Opfer fallen. Auch in dieser Hinsicht wurden 2009 im ORF wesentliche Weichenstellungen für die Zukunft getroffen:


-

Die Vereinbarung mit österreichischen Filmschaffenden zur Förderung der österreichischen audiovisuellen Produktion ist nicht nur als Ergebnis monatelanger, heftiger Diskussionen zu werten, sondern auch als Bekenntnis des ORF zur Stärkung des Produktionsstandorts Österreich beizutragen und mehr österreichische Inhalte im Programm zu garantieren. Unter der Voraussetzung der zugesagten Realisierung der teilweisen Gebührenrefundierung wird die ORF-Förderung des Film- und Fernsehabkommens für die Jahre 2010 bis 2013 von jährlich mind. 5,6 Mio € zugesichert. Das Programm-Auftragsvolumen für die Jahre 2010 und 2011 wird jeweils 95 Mio. € betragen, das Bemühen um Mediawerbung für österreichische Kino-Filme wird nach Maßgabe der werberechtlichen Möglichkeiten entwickelt. Der ORF ist damit der größte Auftraggeber des österr. Films, der 2009 für aufsehenerregende Erfolge gesorgt hat.

-

43

Ebenfalls 2009 wurde eine Entscheidung getroffen, die für die österreichische Musikschaffenden weitreichende Bedeutung hat: Der Anteil an österr. Musik soll demnach deutlich erhöht werden, in den drei nationalen und neun regionalen ORF Radios bis 2011 auf 30 Prozent InterpretInnen aus Österreich. Zusätzlich wird durch eine finanzielle Unterstützung des österr. Musikfonds und die Schaffung eines paritätischen Dialoggremiums ein besserer Kontakt und eine Kommunikationsplattform zwischen ORF (Fernsehen und Radio) und den österreichischen Musikschaffenden ermöglicht.

43

etwa die Oscar Nominierung von „Revanche“ als bester fremdsprachiger Film, die „Goldene Palme“ bei den Filmfestspielen in Cannes, sowie den europäischen Filmpreis, Beste Regie und Bestes Drehbuch für das „Das weiße Band“ von Michael Haneke, der „Max Ophüls Preis“ an Thomas Woschitz für „Universalove“ sowie Auszeichnung an Arash T. Riahi für “Ein Augenblick Freiheit”, Auszeichnung für Jessica Hausner für „Lourdes“ am Filmfestival Venedig, „Silver World Medal“ für die ORF Koproduktion „Europe for President“ (Produzent David Schalko) bei den „New York Festivals“, Auszeichnung für Shirin Neshat für „Women without men”, 16 Nominierungen für sieben ORF (Ko-)produktionen für den Deutschen Fernsehpreis 2009, die Präsentation von 3 österr. Filmen mit ORF-Beteiligung beim World Film Festival in Montreal 2009, zahlreiche Auszeichnungen für Yoav Shamir für den ORF-kofinanzierten Dokumentarfilm „Defamation“ u.a.


-

Im Rahmen des Entwurfes für ein neues ORF-Gesetz und der zugesagten Refundierung der ORF-Gebühren wurden auch die Rahmenbedingungen für die weitere Existenz des ORF Radiosymphonieorchesters getroffen. Damit ist eine win-win Situation zwischen österreichischen Kulturschaffenden und ORF garantiert und die Weiterführung einer international anerkannten Kulturinstitution Österreichs gesichert.

Eine starke österreichische Stimme im Umfeld internationaler Medienkonkurrenz zu sein, Identität, Wertschöpfung und regionale Bezüge durch Kooperationen mit externen Partner zu fördern ist ein Anspruch, der in der TVProgrammproduktion zum Ausdruck kommt: -

Zur Bundesländer-Berichterstattung des ORF44 gehört 2009 eine der erfolgreichsten Nachrichtensendungen insgesamt: Die TV-Sendung „Bundesland Heute“ erreichte durchschnittlich 1 Mio. Zuseher/innen.45

-

Die Programmproduktion der ORF Landesstudios erbrachte für 2009 trotz gleichzeitiger Sparmaßnahmen mit regionalen Berichten und Dokumentationen insgesamt 1557 TV-Stunden.46

-

Der Föderalismus im öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF findet bürgernah in zahlreichen off air Veranstaltungen und Kooperationen statt, die die ORF Landesstudios als Kulturträger der Regionen und als Plattform für regionale Kultur und Begegnung positionieren47 .

44

u.a.„Österreich Heute“, bis zu 544.000 ZuseherInnen 20.01.2009/1,480 Mio. ZuseherInnen, 63%MA. 46 etwa: Sendungen zum Andreas Hofer Gedenkjahr 2009, die „Universum“-Dokumentation „Im Bann der Berge“ die „Erlebnis Österreich“ Reportagen oder die Live Übertragung des „Tiroler Festumzugs 1809-2009“ 20.09. Tirol: 89% MA. 45


-

Erfolgreich etabliert hat sich im ORF-Fernsehen 2009 auch österreichisches Kabarett und Comedy in der „Donnerstag Nacht“, das für junges, gesellschaftskritisches, aktuelles Fernsehen steht. Formate wie „Willkommen Österreich“ (bis zu 278.000 Zuseher/innen) und „Wir sind Kaiser“ (bis zu 559.000 Zuseher/innen) sind zu Programmen mit Kult-Status geworden, die in beeindruckender Weise der Beobachtung widersprechen junge Menschen seien für das Fernsehen „verloren“.

-

Die Produktion österr. Fernsehfilme und –serien, finanziert und koproduziert mit dem ORF erfüllt eine doppelte Funktion: Sie ist maßgeblich für Fragen zur österreichischen Identität und zugleich für die Beschäftigung österreichischer Schauspieler/innen und Medienarbeiter/innen.48

-

Nicht zuletzt stellen zahlreiche internationale und österreichische Preise im Jahr 2009 eine sichtbare Anerkennung der ORF-Medienproduktion und –kompetenz dar49

47

etwa: „Ingeborg Bachmann Preis“ in Klagenfurt, die „Haydn-Tage“ in Eisenstadt, der „Grafenegger Advent“, die „Rauriser Literaturtage“, das „Festival der Alten Musik“ in Innsbruck, der „Kulturfrühling und –herbst“ des Landesstudios Vorarlberg, die Reihe „Treffpunkt“ des Landesstudios OÖ, und nicht zuletzt die zahlreichen Aktivitäten und Veranstaltungen des ORF- RadiokulturHauses in Wien, das sich als urbaner Treffpunkt mit einer Vielzahl an kulturellen und gesellschaftspolitischen Themen etabliert hat. Österreichweit beteiligten sich im Oktober 2009 650 Museen an der ORF-Aktion „Lange Nacht der Museen“, die insgesamt 443.500 Besucher verzeichnete. 48 Etwa: „Geliebter Johann, geliebte Anna“ bester TV-Film 2009, 1,023.000 RW, 38% MA, „Der Bär ist los“ Satire von Xaver Schwarzenberger, 812.000 ZuseherInnen, der TV-Zweiteiler „Sisi“, bis zu 812.000 Zuseherinnen, „Ein halbes Leben“ mit Josef Hader,338.000 ZuseherInnen, österreichische TV-Serien wie „Schnell ermittelt“ (erste Staffel durchschnittlich 585.000 ZuseherInnen), „Die Lottosieger“ (erste Staffel insg. 2,4 Mio. ZuseherInnen) oder „Die Bergwacht“ (gedreht in der Ramsau), Soko Donau; . 49

etwa: Raimund Löw: Axel Corti Preis 2009, Gerhard Jelinek: Fernsehpreis der Erwachsenenbildung, „Kreuz und Quer“: Erasmus Media Award, Martin Traxl: Anna Lindh Mediterranean Journalist Award, Zoran Dobric: Hochner-Preis 2009, Susanne Scholl, Cornelia Vospernik: JournalistIn des Jahres 2009, Kategorie Außenpolitik und zahlreiche weitere ORF PreisträgerInnen auch in den Bereichen ORF Unterhaltung, Radio, online)


„Wo ORF draufsteht, muß Österreich drin sein“ – Diese Forderung eines österreichischen Medienpolitikers ist angesichts der Programmproduktion des ORF längst erfüllt. Im Gegensatz zum Löwenanteil der TV-Konkurrenz garantiert der ORF eine originäre, wertschöpfende, kreative und starke österreichische Stimme in der Film- und Fernsehproduktion. Der Vergleich macht sicher. 3. Fazit und Ausblick: Die Renaissance gemeinwohlorientierter Medien Wohin steuert der ORF nach einem außergewöhnlich spannungsreichen und herausfordernden Jahr? Eine nüchterne Bilanz ergibt: Der ORF hat 2009 einer anhaltenden ökonomischen Medienkrise und massivem Konkurrenzdruck standgehalten und seine föderale und multimediale Infrastruktur in TV, Radio und Online aufrechterhalten. Er hat seine Unabhängigkeit trotz parteipoltischer Begehrlichkeiten hinweg in allen redaktionellen Belangen gesichert. Das umfangreiche Spektrum der Informationsleistungen wurde trotz eines massiven Sparprogrammes beibehalten und nicht zuletzt durch das Video-on-Demand der ORF-TVthek wirkungsvoll ausgebaut. Seit 5. Dezember 2009 sendet auch ORF 2 in hochauflösender Digitaltechnik HDTV via digitalem Satellit und digitalem Kabel. Der ORF ist damit erster öffentlichrechtlicher Anbieter in Europa, der seine beiden Hauptprogramme ohne Zusatzkosten für die Zuseher/innen in HD anbietet. Mit dem Ende des EU-Verfahrens und den getroffenen Strukturmaßnahmen wurden Rahmenbedingungen geschaffen, die eine langfristige Perspektive für eine kontinuierliche Entwicklung des ORF als gemeinwohlorientierte Institution im digitalen Zeitalter ermöglichen. In Frage gestellte Kooperationen wurden nachhaltig abgesichert: Die Förderung und Zusammenarbeit mit der österreichischen Filmwirtschaft wurde längerfristig garantiert, das Überleben


des Radiosymphonieorchesters erreicht. Mit den konkreten Zielsetzungen zur Barrierefreiheit im ORF- Fernsehen werden künftig berechtigte Anliegen im Sinn des öffentlich rechtlichen Auftrages erfüllt. Der immer wieder von Konkurrenten prognostizierte Absturz in den Quoten und Marktanteilen ist trotz Digitalisierung nicht eingetreten. Die ORF-Fernsehprogramme sind nach wie vor die unbestrittenen TV-Leitmedien der Österreicher/innen. Diese -durchaus positive Bilanz- kann nicht dazu führen entscheidende Herausforderungen zu übersehen: Die geforderte Qualitäts- und Perspektivendebatte ist eine Voraussetzung für eine innovative Entwicklung des Unternehmens. Eine klare Orientierung an Qualitätsjournalismus, österreichischen Inhalten und erklärten öffentlichrechtlichen Ansprüchen ist für ein erkennbares, unterscheidbares Profil des ORF wesentlich. Die dafür erforderlichen Grundlagen wurden 2009 in zahlreichen Maßnahmen der ORF-Qualitätssicherung erarbeitet: Publikums- und Expert/innengespräche50 verstärken neben dem kontinuierlichen ORF-Monitoring die externe Kontrolle der Programme, „Public Value“- Kriterien definieren und dokumentieren, wie der ORF seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllt51, Jahresstudien leisten einen wissenschaftlichen Beitrag dazu die aktuellen und zu erwartenden Herausforderungen zu thematisieren52. Eine Reihe von externen und internen Diskussionsveranstaltungen53 folgen den Erwartungen an den ORF seine Dialogfähigkeit mit seinem Publikum und der Öffentlichkeit unter Beweis zu stellen. Auch für die Programmarbeit mag gelten was für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt eine sinnstiftende Orientierung für die Zukunft sein könnte: Eine substantielle, in mancher Hinsicht wertkonservative Erneuerung seiner originären Stärken. Es ist kein Zufall, dass sich qualitätsorientierte journalistische Arbeit durch die Kompetenz von ORF50

Bisher durchgeführt: ORF- ExpertInnengespräche im Rahmen der Qualitätssicherung zum Thema „Information“ und „Kultur“ mit zahlreichen österreichischen WissenschafterInnen und ExpertInnen 51 „Wert über Gebühr“, ORF Public Value Bericht, Wien, 2008 52 2009: Thema „Migration“, 2010: Thema „politische Kommunikation der Jugend“ 53 etwa: „ORF-DialogForum“ und „ORF Perspektiven“


Mitarbeiter/innen ergibt, die für ihre Unabhängigkeit streiten und mit der Begeisterungsfähigkeit jener Menschen arbeiten, die öffentlich rechtlichen Rundfunk bereits in der Vergangenheit zu einer Leitwährung für Qualitätsmedien gemacht haben54. Wer die Negativeffekte kommerzieller Medienproduktion, wie etwa Dschungelshows, Top-ModellShows oder die Reduktion von Nachrichten auf Entertainment-News verhindern will, darf ruhigen Gewissens auf die öffentlich-rechtliche Kompetenz des ORF verweisen. Tatsächlich steht einiges auf dem Spiel: Die Alltagsrealität der Journalist/innen eröffnet zur Zeit in der gesamten Medienbranche besorgniserregende Perspektiven: Es bedarf keiner phantasievollen Anstrengung um sich vorzustellen, dass der Abbau journalistischer Arbeitsplätze oder die von österr. Verlegern immer wieder versuchte Ausgliederung von Journalist/innen aus dem Berufsgruppenkollektivvertrag in für die Unternehmen kostengünstigere Dienst- und Beschäftigungsverhältnisse zu mehr Flexibilität und Kostenersparnis für die Betriebe und Konzerne, aber gleichzeitig zu einem Verlust des Berufsschutzes, zu deutlichen arbeitsrechtlichen Verschlechterungen, insgesamt zu einer Erosion der Arbeitsqualität der Journalist/innen führt. Dass anstatt ausgebildeter Journalist/innen, die mit Rechten und Pflichten versehen ihrer Arbeit nachgehen künftig zeitlich und arbeitsrechtlich „flexible“ Textlieferant/innen journalistischen Output produzieren, lässt einen längerfristigen, massiven Verlust journalistischer Qualität befürchten. Die restriktiven Begleiterscheinungen der Medienkrise betreffen auch den öffentlich-rechtlichen Sektor: Die personalen Engpässe in den Redaktionen und Produktionsstätten, die Überlebenskämpfe der Kamerateams und die Frage der finanziellen Ressourcen bei journalistischer Recherche und Produktion verweisen auf eine in der Qualitätsfrage verbindliche Wirklichkeit. Bei allen erhobenen Forderungen nach mehr Regulierung und mehr Kostenreduktion kann eine Tatsache nicht verleugnet werden: Der „Elchtest“ der Fernseh-Qualität wird auch 2010 und den Folgejahren nicht

54

wie etwa: „Teleobjektiv“, „Ohne Maulkorb“, „Land der Berge“, „Alpensaga“, „Das Dorf an der Grenze“, „Österreich I +II“ uvm.


durch Erwartungshaltungen, durch Kontrolle und durch Zurufe von Medienpolitiker/innen, sondern durch die kreative, unabhängige, journalistische und gestalterische Arbeit erbracht. Wenn Konsens darüber besteht –und die zahlreichen ORF-Rettungsinitiativen und Umfragen55 lassen darauf schließen- dass eine von kommerziellen Interessen unabhängige Medienproduktion für die Gesellschaft wichtig ist, dann muss sie nicht nur reguliert und kontrolliert, sondern vor allem ermöglicht werden. Dafür darf sich die Öffentlichkeit erwarten, dass bewährte Standards und Niveaubarrieren aufrechterhalten werden, in qualitätsorientierte Programmproduktion investiert und zugleich eine Zukunftsagenda entwickelt wird, die überzeugende und attraktive Perspektiven gemeinwohlorientierter Kommunikation ergeben. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Die 2009 in vollem Umfang wirksam gewordene Medienkrise hat nicht nur Downsizing-Prozesse ausgelöst, sondern eine richtungsweisende Einsicht ausgelöst: It’s not just Business, it’s the Public. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist auch unter den Bedingungen der digitalen Medienwelt eine gesellschaftlich sinnvolle Einrichtung. Diese Erkenntnis, die 2009 durch zahlreiche zivilgesellschaftliche „Rettungsversuche“ artikuliert und eingemahnt wurde, hatte eine belebende Wirkung auf das Mediensystem ORF und könnte in den nächsten Jahren eine nachhaltige Wende in der Medienpolitik auslösen. Uwe Kammann, Direktor des Adolf-Grimme-Instituts, hat in einer Studie zur Qualitätsfrage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine Prognose formuliert, die ein mittlerweile eingetretenes Krisenszenario mit einem wirkungsvollen Chancenszenario verbindet: „Die Frage nach dem Existenzgrund der öffentlich-rechtlichen Sender wird sich noch einmal mit aller Vehemenz stellen. Dabei kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk durchaus gestärkt aus dieser Debatte hervorgehen – weil im Hybriden das Feste Halt gibt“ (OQ 5, 7).

55

Market-Umfrage Sept 2009: 92% der Befragten finden es wichtig/sehr wichtig, dass es gerade in kleinen Ländern eigene TV-Sender gibt, 70% der Befragten sind froh, dass es in Österreich eine Rundfunkanstalt gibt, die der Allgemeinheit und nicht einem privaten Investor gehört.


Dafür ist neben der Kraft der Beharrlichkeit gegenüber kommerzieller Konkurrenz und politischer Begehrlichkeit vor allem ein ausgeprägter Möglichkeitsinn erforderlich, der einen Freiraum für Gestaltung, Veränderung und Vision eröffnet. Heranwachsende Generationen von Medienmacher/innen müssen erfahren können: Öffentlich-rechtliches Fernsehen ist eine der spannendsten, kreativsten und zugleich sinnvollsten Tätigkeiten in der Medienbranche. Diese Perspektive angesichts der Untergangsszenarien des Jahres 2009 zu „retten“ ist wohl der vielversprechendste Ausblick auf die Folgejahre.

Literatur APA-Meldung, 19.05.2009: Umsätze der Medienkonzerne stagnierten 2008. APA-Meldung, 14.01.2010: Bruttowerbevolumen: Privat-TV 2009 mit Plus, ORF mit Minus. Friesl, Christian/Polak, Regina/Hamachers-Zuba, Ursula (Hg.) (2009): Die ÖsterreicherInnen: Wertewandel 1990-2008. Wien: Czernin. OTS vom 04.01.2010: ORF-Fernsehen im Jahr 2009: 43,8 Prozent Marktanteil in der Kernzone. Wiedemann, Verena (2007): Ein Kyoto-Protokoll für die Kultur. In: ARD-Jahrbuch 07. Hamburg: Hans-Bredow-Institut, S. 23-28. Woelke, Jens (2008): TV-Programmanalyse. Fernsehvollprogramme in Österreich 2007. Wien: RTR. Online


OQ 1: Europäischen Kommission (2009): Presseerklärung IP/09/1603. Staatliche Beihilfen: Kommission gibt grünes Licht für Finanzierung des Österreichischen Rundfunks. Online im Internet unter http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/09/1603&language=DE (10.02.2010) OQ 2: Medienforschung ORF (2009): Technischer Empfang / Haushaltsausstattung. Medienbesitz und Empfangssituation in Österreich. Online im Internet unter http://medienforschung.orf.at/index2.htm?fernsehen/fernsehen_heimel.htm (11.02.2010) OQ 3: Woelke, Jens (2009): Zentrale Befunde der TV-Programmanalyse 2009. Online im Internet unter http://www.rtr.at/de/komp/Programmanalyse2009/Zusammenfassung.pdf (11.02.2010) OQ 4: Woelke, Jens (2009): TV-Programmanalyse. Fernsehvollprogramme in Österreich 2009. Ergebnisse aus dem Stichprobenbericht Frühjahr 2009. Online im Internet unter http://www.rtr.at/de/komp/Programmanalyse2009/Programmanalyse_2009.pdf (12.02.2010) OQ 5: Kammann, Uwe (2007): Eingangsstatement bei der DJV-Fachtagung "Zukunft des Rundfunks: Qualität". Online im Internet unter http://www.djv.de/1913.pdf (12.02.2010)

Dr. Klaus Unterberger, ORF Public Value Kompetenzzentrum; red. Mitarbeit: Martin Bartenberger


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