DIE FUSSBALL WM 2010 IM ORF
Selbstverständlich stand das sportliche Geschehen im Mittelpunkt der Berichterstattung von der Fußball-WM 2010, die in Südafrika stattfand. Doch das erste WM-Turnier auf dem afrikanischen Kontinent bot Anlass genug, sich nicht ausschließlich auf die Übermittlung von Toren und roten Karten zu beschränken. In mehreren Dimensionen wurde versucht, der besonderen Herausforderung des weltweit größten Sportereignisses im Jahr 2010 gerecht zu werden. Im Herbst 2009 bereiste ORF-Redakteur Michael Roscher mit einem Kamerateam das Veranstalterland, um sich in enger Zusammenarbeit mit den Salesianern Don Boscos von der Bedeutung des Fußballs für die soziale Entwicklung Südafrikas zu überzeugen. In Südafrika leben rund 45 Millionen Menschen, rund ein Drittel davon sind unter vierzehn Jahre alt. Viele von ihnen leben unter der Armutsgrenze, ohne Chance, eine Schule zu besuchen und damit auch ohne Chance auf einen Arbeitsplatz. In Walkerville, einem kleinen Ort nahe Johannesburg, und in Khayelitscha, dem größten Township Afrikas bei Kapstadt, ist der Fußball mehr als „nur“ Sport: in eigenen Fußball-Schulen ist er Bewegung, Motivation – und Mittel zum Erlernen sozialer Fähigkeiten.
In einem Land, in dem Armut und Arbeitslosigkeit ein Klima der Angst, der Spannungen, der Gewalt schaffen, dient der Fußball als probates Mittel, gefährdete Jugendliche zu sozialisieren und Kinder zusammenzubringen. Man spielt miteinander gegen andere Mannschaften und lernt, Konflikte auf sportlicher Basis auszutragen. Durch die Verbindung „Fußball“ und „Schule“ bekommen die Jugendlichen zusätzlich die Chance auf (Aus-)Bildung und können sich auf diesem Weg die Basis für eine bessere Zukunft schaffen. In drei berührenden Reportagen „Im Abseits“, „Kapstadt“ und „Walkerville“, ausgestrahlt allesamt im Umfeld der ORF-WM-Berichterstattung, wurde ein eindrucksvoller Einblick in die im wahrsten Sinn des Worts umfassende Bedeutung des Fußballs für große Teile der Bevölkerung Südafrikas vermittelt. Etwa am Beispiel von Shane, der bereits als Sechsjähriger vor gewalttätigen Auseinandersetzungen im eigenen Elternhaus flüchtete und zunächst auf den Straßen von Khayelitscha landete. Shane hatte Glück: bevor sich für ihn die soziale Spirale weiter bergab gedreht hatte, landete er eher zufällig in der Fußballschule. Dort fand er Unterkunft, nahm am Unterricht teil und lernte, wie man Menschen auch friedlich begegnen kann. Mit Reportagen wie den genannten erhielt ein Sportereignis eine neue Dimension – diese zu vermitteln, war eines der wesentlichen Anliegen der Berichterstattung von der Weltmeisterschaft in Südafrika. Doch öffentlich-rechtliche Berichterstattung zeichnet sich nicht nur durch soziale Dimensionen aus. Selbstverständlich war es auch Anliegen, vom Sport zu berichten – und das akustisch einwandfrei.
Vom ersten Spiel an sorgte die Vuvuzela, die ihrer Übersetzung aus der Zulu-Sprache, „Krach machen“, alle Ehre machte, für Aufregung vor allem bei den europäischen TV-Konsument/innen. Die Plastik-Tröte, die bei Fußballspielen in Südafrika seit jeher für akustische Untermalung sorgte, wurde hierzulande als störendes Ärgernis empfunden. Mit einer Lautstärke von bis zu 127 Dezibel wurde das gewohnte Hintergrundgeräusch, die sogenannte „Stadion-Atmo “, durch den an das Summen eines riesigen Bienenschwarms erinnernde VuvuzelaSound nahezu völlig überdeckt. Vorläufig zumindest – denn die Kolleg/innen der ORF-Technik reagierten blitzschnell auf die Zuschauer/innenproteste nach den ersten Spielen: durch die Aktivierung spezieller Tonfilter wurde das Verhältnis zwischen dem Vuvuzela-Tonteppich und dem gewohnten Stadion-Geräusch korrigiert. Damit konnten alle im ORFTV und -Radio die gewohnte Stimmung aus dem jeweiligen Stadion (Fan-Gesänge, Klatschen, Anfeuerung etc.) akustisch mitverfolgen, ohne dass der spezielle Charakter eines Fußballspiels aus Südafrika verlorenging. Der spezielle österreichische Charakterwurde auch reportiert, so vorhanden. Der ORF übertrug, als einziger Free TV-Sender im deutschsprachigen Raum, alle 64 WM-Spiele live. Auch wenn Österreichs Nationalmannschaft die Qualifikation für Südafrika verpasst hatte, bildete der Bezug zu Rot-Weiß-Rot einen der Schwerpunkte der Berichterstattung. Alle WM-Spiele wurden von österreichischen Fußball-Größen analysiert: den ehemaligen Internationalen Roman Mählich, Herbert Prohaska und Manfred Zsak sowie den früheren Spitzenschiedsrichtern Thomas Steiner und Fritz Stuchlik. Dazu wurden zu ausgesuchten Spielen auch aktuelle Teamspieler in das ORF WM-Studio eingeladen.
Bei allen Begegnungen wurde besonderes Augenmerk auf allfällige Beziehungen zu Österreich gelegt. Vergangene Spiele der ÖFB-Auswahl gegen einen der WM-Teilnehmer, Spieler oder Trainer, die jetzt/früher bei einem österreichischen Klub tätig gewesen waren. Darüber hinaus wurde regelmäßig, etwa mit Reportagen über Public Viewing-Veranstaltungen, über die Weltmeisterschaft in Österreich berichtet. Beitrag: Gerhard Lackner, ORF-Sportredaktion