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Idole der Nazis

Mit drei Dokumentationen setzte der ORF im Dezember 2010 seine 2009 begonnene "Menschen & Mächte"-Serie über den Zweiten Weltkrieg, die im Oktober 2010 mit dem "Special Euro Media Award" für herausragende TVBildungsprogramme ausgezeichnet wurde, erfolgreich fort. Beschäftigten sich die bisherigen Folgen mit dem Kriegsgeschehen, den NS-Verbrechen, der Hitlerjugend oder der Waffen-SS, so standen nun drei Personen im Mittelpunkt, die aus unterschiedlichsten Motiven zu nützlichen Idolen der Nazis wurden: Otto Skorzeny, Hanna Reitsch und Marika Rökk. Teil 1 widmete sich dem Kriegsverbrecher Otto Skorzeny. Während des Zweiten Weltkriegs war er berühmt wie berüchtigt. Der SS-Sondereinsatz-Kommandant wurde zum Wochenschaustar, nachdem er den "Duce" Benito Mussolini befreit hatte. Nach 1945 galt er als Kopf von ODESSA, einer Hilfsorganisation für ehemalige SSAngehörige und NS-Verbrecher. Das machte ihn zur zentralen Figur der internationalen Alt- und Neonazi-Szene. Teil 2 zeichnete das Leben von Hanna Reitsch nach. Sie brach alle Rekorde des Flugsports und wurde zum Star der NS-Propaganda. Sie flog den ersten funktionsfähigen Hubschrauber der Welt, testete das erste Überschallflugzeug der Geschichte und entwickelte Hitlers Geheimwaffen mit. Sie wollte den Krieg mit Kamikazeflügen entscheiden. Am 26. April 1945 startet Hanna Reitsch zum Flug ihres Lebens: mitten durch russischen Beschuss ins eingeschlossene Berlin zu Hitler in den Führerbunker. Danach sollte sie den Makel der Nazifliegerin nie mehr loswerden. Reitsch benutzte Hitler - und er benutzte sie. Sie ließ sich von einem Regime unterstützen, an das sie bis zu ihrem Tod glaubte. Nach Hitlers Tod saß sie bald wieder im Cockpit. In ihrer Heimat als Nazifliegerin


gebrandmarkt, flog sie Nehru in Indien. Kennedy empfing sie im Weißen Haus. Vom Nationalsozialismus konnte sie sich nie glaubhaft distanzieren. Mit Deutschland blieb sie bis zu ihrem überraschenden Tod unversöhnt und nahm 1974 sogar die österreichische Staatsbürgerschaft an. Der dritte Teil von „Idole der Nazis“ stand im Zeichen von Marika Rökk. Rökk gehörte neben Zarah Leander und Johannes Heesters zu den Publikumslieblingen des Musikund Revuefilms unter dem Hakenkreuz. Als Rökk 1935 ihren ersten Ufa-Film drehte, war sie bereits eine international bekannte Tänzerin, zum Star machten sie jedoch erst die deutschen Musikfilme in der Regie ihres Mannes Georg Jacoby. ORF-Dokumentarist Andreas Novak beleuchtete nicht nur eine 80 Jahre dauernde Bühnenkarriere, sondern auch die Rolle von Kunst und Unterhaltung während der Kriegsjahre. Die ungarische Tänzerin, Schauspielerin und Sängerin war zwar „erst" 90 Jahre alt, als sie starb, aber 80 davon verbrachte sie auf den „Brettern, die die Welt bedeuten". Andreas Novak, Leiter der ORF-Zeitgeschichte-Redaktion, hob hervor, dass „die Karrieren von Otto Skorzeny, Hanna Reitsch und Marika Rökk die Bandbreite zwischen Fanatismus, ideologischer Überzeugung, Ehrgeiz, Instrumentalisierung und politischer Naivität widerspiegeln". Die drei Dokumentationen verstanden sich nicht ausschließlich als Porträts, sie versuchten auch einen analytischen Blick auf die Männer- und Frauenbilder des NS-Staates, die Konstruktion von Heldenbildern und die psychologische Kriegsführung zu werfen und sollten - so Novak - "generationenübergreifendes Erinnern befördern". Insgesamt erreichte der Dreiteiler "Idole der Nazis" 1,7 Millionen Österreicherinnen und Österreicher, das entspricht 24 Prozent der heimischen TV-Bevölkerung ab 12 Jahren. Besonders interessiert an den Dokumentationen zeigte sich auch das junge Publikum; bei Teil eins lag der nationale Marktanteil bei neun Prozent, bei den Zwölf- bis 49Jährigen bei 15 Prozent. Die einzelnen Folgen waren nach der TV-Ausstrahlung sieben Tage auf der VideoPlattform ORF-TVthek (http://TVthek.ORF.at) als Video-on-Demand abrufbar.


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