Der Kultur- und Informationsspartenkanal des ORF Im Anfang war das Wetter. Seit 1997 hat sich allerdings bei dem ursprünglich als Tourismus- und Wettersender gegründeten TW1 vieles geändert. Als ich mit 1. Jänner 2010 zum Programmgeschäftsführer des Senders bestellt wurde, fand ich eine gute Basis und eine überaus motivierte Mannschaft vor. Damit ließ sich der Umbau des Senders in Richtung des geplanten ORF Kultur- und Informationsspartenprogramms, das mit der ORF Gesetzesnovelle vom 17. Juni 2010 Teil des öffentlich rechtlichen Auftrags wurde, in Angriff nehmen. Gemeinsam mit der Mann(Frau)schaft und Dank bester Unterstützung zahlreicher Stellen der Konzernmutter ORF ist es uns nicht nur gelungen, ein gutes und tragfähiges Konzept für das zukünftige Programmangebot zu entwickeln, sondern auch den Sender schrittweise neu zu positionieren. Entsprechend dem gesetzlichen Auftrag ist der neue Sender ein ergänzendes Angebot zu den vor allem in ORF 2 und ORF 3Sat gezeigten Programmen, wobei sich hier auch zahlreiche Synergien durch intelligente Mehrfachverwertung von hochwertigem Content in guten Sendezonen ergeben. Zentrales Element des neuen Programmangebots sind dabei folgende vier Programmsäulen, die am 7. und 9. September 2010 von Stiftungsrat und Publikumsrat einstimmig genehmigt wurden: -
Kultur, Religion, Volkskultur und Regionalität
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Zeitgeschichte und Zeitgeschehen
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Information – Demokratie- und EU-Verständnis stärken
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Bühne für österreichische Kunst- und Kulturschaffende
So gut und wichtig das Programm für einen Sender auch ist, ohne die tatkräftige Unterstützung meines kaufmännischen Co-Geschäftsführers Dr. Helmut Kaiser, der auch für die technischen Belange des Senders verantwortlich zeichnet, wäre der derzeit laufende Transformationsprozess nicht möglich gewesen – stehen wir doch tagtäglich vor der besonderen Aufgabe, das neue Produkt als Tochterunternehmen des Konzerns einerseits programmlich und qualitativ hochwertig, andererseits auch möglichst kostenbewusst umzusetzen. Ein ambitionierter Ansatz, der uns jedenfalls bei den ersten neuen „Senderbabys“ gelungen ist: Was bisher geschah Unser „Senderbaby“ hat sich in den letzten zwölf Monaten prächtig entwickelt – und es freut mich, dass bereits einiges im Regelbetrieb läuft. Inzwischen konnten im Sinne der gewünschten schrittweisen Umstrukturierung auch zahlreiche Programm- und Themenschwerpunkte sowie einige neue Sendeformate on Air gebracht werden. Besonders stolz sind wir darauf, interessierten Rezipienten immer öfter anspruchsvolle, themenvertiefende Gesprächssendungen zu den besten Sendezeiten anbieten zu können. Ebenso haben wir es geschafft, Opernund Theaterinteressierten einen Teil des TW1-Programmes zu widmen und es u.a. mit Eigenproduktionen wie “Kultur im Gespräch“ unter der Moderation von Kulturexpertin Barbara Rett zu ergänzen. Ein Spartensender hat auch die Möglichkeit, zeitgeschichtliche Themen sowie große, aber auch kleinere Jubiläen und Anlässe abseits des Mainstream in seinem Programm zu featuren: „Verleihung des Alternativen Nobelpreises an Bischof Erwin Kräutler“, „200 Jahre Franz Liszt“, „80 Jahre Thomas Bernhard“ oder „125 Jahre Automobil“ sind nur einige der Programmschwerpunkte, welche wir unserem Zielpublikum in den letzten Monaten liefern konnten. Die Konzeption, Planung und Aufarbeitung derartiger Schwerpunkte bringen Aufbruchsstimmung und Kreativität des
neuen Senders und seines Teams deutlich zum Vorschein – entsprechend positiv ist auch das Feedback, das wir laufend erhalten. Es ist eine weitere Bestätigung, dass die gewählte Strategie, den Sender konsequent über die dargestellten Inhalte und die Programmauswahl zu definieren, zwar langwierig, aber dafür dauerhaft, sinnvoll und zielführend ist. In den letzten Monaten mutierte das ORF-RadioKulturhaus zum „TW1-Sendestudio“ – gemeinsam mit Ö1, der Hörfunkinformation, dem Management des Radiokulturhauses und des Public-Value-Kompetenzzentrums ist es uns gelungen, zahlreiche hochwertige Formate wie „Im Klartext“ mit Klaus Webhofer, das „ORF-Dialogforum“ mit Klaus Unterberger oder die Gesprächsreihe „Im Zeit-Raum“ mit Johannes Kaup für ein interessiertes TV-Publikum aufzubereiten. Ein besonderes Schmankerl können wir unseren Zusehern auch mit der Produktion „Europa im Diskurs“ bieten. Die Diskussionsveranstaltung aus dem Burgtheater – in diesem Fall unter der Leitung von „Der Standard“Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid stellt den Auftakt der regelmäßig geplanten und hochkarätig besetzten TW1 Gesprächsreihe „Print.Talk“ – die sich mit Themenkreisen und Sachverhalten abseits der Tagespolitik beschäftigt – dar. Gäste dieser hochkarätigen Diskussionsrunden waren u.a. die Vizepräsidentin der EU-Kommission Viviane Redding, Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll, die slowakische Ministerpräsidentin Iveta Radičová, Deutschlands ehemaliger Innenminister Otto Schily und Terrorismusexperte Rolf Tophoven. Mit dem neuen ausführlichen TW1 Gesprächsformat „Das ganze Interview“ ist es uns gelungen, besonders herausragende, von TW1 und ORF-Korrespondent/innen, Redakteur/innen und Journalist/innen geführte Interviews in voller Länge anzubieten und dabei gleichzeitig Synergien mit anderen ORF TV-Redaktionen zu nutzen.
Stolz sind wir auch auf die große Nachfrage nach unserer Plattform für Kunst- und Kulturschaffende. In unserem „TW1-KunstRaum“ können Künstlerinnen und Künstler ihre Werke präsentieren und autonom über Inhalt und Form der von ihnen gezeigten Kunstwerke entscheiden. Die künstlerischen Arbeiten werden in den Programmnähten und Übergängen visuell auffallend positioniert und über einen Zeitraum von mehreren Wochen ausgestrahlt.
Neue Eigenproduktionen Im Gesprächsformat „KulturWerk“ bat Barbara Rett bisher bereits zahlreiche hochkarätige Vertreter aus dem Kunst- und Kulturbereich wie Maximilian Schell, Franz Welser-Möst, Tobias Moretti oder Thomas Quasthoff in der einmaligen Kulisse der voestalpine Stahlwelt zum Gespräch. Die Zuseher bekommen damit die einmalige Chance, international anerkannte Kunst- und Kulturvertreter außerhalb ihrer beruflichen Karriere in einem völlig anderen Ambiente kennenzulernen. Im Fokus der Sendung „Kultur im Gespräch“ stehen Österreichs Kulturevents. TW1 bietet der österreichischen Kulturfestivalszene damit eine Plattform für den inhaltlichen Diskurs. Das Hauptaugenmerk liegt weniger auf den großen Festspielen, sondern vor allem auf den spezialisierten Kulturevents. Auch für diese Sendung konnten wir Barbara Rett als Moderatorin gewinnen. Regelmäßig präsentiert sie vor Ort in zahlreichen Hintergrundgesprächen die Reichhaltigkeit und programmatische Vielfältigkeit der österreichischen Kulturlandschaft. Der Bogen reicht hier vom Linzer Brucknerfest über die Liszt-Festspiele in Raiding bis hin zu den Tiroler Festspielen in Erl.
Mit „erLesen“ bietet TW1 dem Publikum eine inhaltlich bewusst breit aufgestellte Büchersendung – spannende Diskussionen und Nachrichten aus der Welt der Bücher, prominente Bibliophile und jede Menge Büchertipps. Krimis, Sachbücher und Ratgeber finden dabei ebenso Platz wie zeitgenössische Literatur und Klassiker der Moderne. Ebenso breit gefächert ist die Gästeliste der Sendung. „erLesen“ ist eine Reise in die Welt des Buches – als „Reiseleiter der Sonderklasse“ fungiert Kulturdoyen Heinz Sichrovsky. Mit Verve und einer Prise Ironie führt er durch die Sendung und bat bereits zahlreiche Gäste wie u.a. Michael Köhlmeier, Peter Turrini, Alfred Komarek und André Heller im außergewöhnlichen Ambiente eines Fernwärmekraftwerks zum Gespräch. Österreich weist mit mehr als 850 Galerien und Museen weltweit wohl die höchste Museumsdichte auf. Grund genug, sich dafür zu interessieren. „Museums-Guide“ Karl Hohenlohe begibt sich für unsere Zuseher/innen einmal im Monat auf Museumsexpedition. Auf seinen Streifzügen erkundet er neben weltbekannten Museen wie Albertina oder Kunsthaus Bregenz auch skurrile Geheimtipps wie Feuerwehr- oder Bestattungsmuseen. In der Sendung „Aus dem Rahmen“ präsentiert TW1 die zahlreichen Museen und seine „Leiter/innen“. „Treffpunkt Medizin“ stellt ein Panoptikum der medizinischen Forschung in verschiedenen Bereichen dar. Mit Reportagen vor Ort – aus Praxen, Kliniken, Reha-Zentren, Forschungslaboratorien sowie Kongressen mit internationaler Bedeutung für die Fachwelt – bietet TW1 damit die Möglichkeit, sich über ein breites Spektrum diverser medizinischer Themen zu informieren. International anerkannte Expert/innen aus Medizin und Forschung machen den Zuseher/innen komplexe medizinische Zusammenhänge begreifbar und präsentieren Leistungen und Ergebnisse aus Forschung und Praxis.
Das ist noch längst nicht alles Neben den erwähnten mehr als 30 Themen- und Programmschwerpunkten, deren Programmbogen vom Gedenkschwerpunkt anlässlich der „Befreiung des KZ Mauthausen“ über einen umfassenden „Wasser-Schwerpunkt“ bis hin zum Programmschwerpunkt rund um den „Tag der Behinderten“ reichte, ist es uns ein besonders Anliegen, das Demokratieverständnis sowie die EU-Kompetenz der Österreicher/innen weiter zu stärken. Deshalb sollen künftig unter der Leitung von Chefredakteur Christoph Takacs, der im Sommer 2010 zum Team gestoßen ist, u.a. Parlamentsübertragungen – live und in voller Länge – sowie politische Diskussionen aus dem EU-Parlament unser Programm beleben. Die Themen Europa und EU sind in der medial tagesaktuellen Berichterstattung oftmals negativ konnotiert. Die europäische Komponente und die europäische Sicht auf Themen wie Wirtschaftskrise, Sicherheit und Stabilität oder Datenschutz kommen im Rahmen der aktuellen Berichterstattung oftmals zu kurz. Unter dem Arbeitstitel „Inside Brüssel“ plant TW1 eine wöchentliche hintergründige Diskussionsreihe über Themen, welche die Union bewegen. Außerdem wird sich der journalistische Fokus des Senders auf Themen und Regionen der Welt richten, die oftmals nicht im unmittelbaren Blickfeld der Öffentlichkeit stehen. Marion Mayer-Hohdahl stellt unter dem Arbeitstitel „Im Brennpunkt“ Themen wie u.a. die Aids-Problematik in Afrika oder Konfliktherde in Drittweltländern in den Mittelpunkt ihrer Dokumentationen und Reportagen. Geplant ist weiters eine tagesaktuelle österreichweite Kulturschau. In der Sendung unter dem Arbeitstitel „Kultur x 9“ sollen die wichtigsten Kulturbeiträge der ORF Landesstudios auch national ausgestrahlt werden.
Zahlreiche weitere Innovationen, die im Laufe des Programmjahres 2011 auf Sendung gehen werden, sind in der TW1-Küche in Vorbereitung. Unser „Senderbaby“ wächst und gedeiht. Für mein Team und mich eine Herausforderung, aber auch ein Geschenk, daran teilhaben zu dürfen.
Beitrag: Peter Schöber