Gespannte Atmosphäre
Eyjafjallajökull. Ein Wort, das Nicht-Isländer/innen nur schwer über die Lippen kommt. Ein Vulkan, dessen Eruptionen die größte Störung des Luftfahrtverkehrs seit 9/11 verursacht. Ein Thema, das im Frühling 2010 auch die Wetterredaktion tagelang auf Trab hält. Die einzige Wissenschaft, die sofort fundierte Aussagen über die Ausbreitung von Vulkanasche in den verschiedenen Höhen der Atmosphäre machen kann, ist die Meteorologie. Schon kurz nach Ausbruch des Eyjafjallajökull stehen uns Fachleuten im ORF-TV die aktuellen Visualisierungen von Computersimulationen zur Verfügung. Und die Wetterdienste, die das Volcanic Ash Advisory Center in England täglich konsultieren, versorgen uns laufend mit fundierten Informationen. Während die Auswirkungen auf die Luftfahrt immer dramatischer werden, kann ein Einfluss der freigesetzten Asche auf unser Wetter oder gar auf das globale Klima rasch ausgeschlossen werden. Natürlich verfolgen wir trotzdem mit Spannung, wie sich die Großwetterlage entwickelt. Noch hält ein Tief über dem Mittelmeer die höchsten Aschekonzentrationen von Österreich fern. Doch es ist bereits abzusehen, dass sich eine Nordwestströmung durchsetzen wird. So wird schließlich vom 16. auf den 17. April auch bei uns ein Flughafen nach dem anderen gesperrt. Und bis zum 21. April sind wir mit der Asche in der Atmosphäre über Mitteleuropa genauso intensiv beschäftigt wie mit unserem eigentlichen Tagesgeschäft, der Wettervorhersage.
Wissenschaft verständlich zu transportieren, ist eine der wichtigsten Aufgaben des modernen Fernsehwetterberichts – nicht nur dann, wenn plötzlich die Aschewolke eines Vulkans den Flugverkehr lahmlegt oder wenn in regelmäßigen Abständen die globale Erwärmung thematisiert wird. Die Wetterredaktion hat die Verantwortung, wissenschaftliche Aufklärung zu übernehmen. Wir Fachleute sind immer sofort zur Stelle, um komplexe Zusammenhänge zu erklären und neueste Daten und Fakten zu präsentieren. Keine unbedingt leichte Aufgabe, denn gleichzeitig müssen wir auch journalistischen Irrtümern auf der Spur bleiben. Da ist der Ausbruch des Eyjafjallajökull ein Paradebeispiel: Strömungsmodelle und Luftpartikelmessungen waren plötzlich in aller Munde und wollten monatelang mit Extremwetterereignissen in Zusammenhang gebracht werden. Lange Erklärungen, die sich schon wie tibetanische Gebetsmühlen anhörten, wollte eigentlich niemand hören: Vulkanasche und Unwetter stehen in keinem direkten Zusammenhang – so die eintönige Botschaft der Expertinnen und Experten! Wissenschaftliche Aufklärung heißt vor allem: Gefahren bewusst machen. Dramatisch kann natürlich die Situation der Betroffenen sein – etwa wenn es sich um Gefahren wie drohende Unwetter, Lawinen oder Hochwässer handelt. Den Spagat zu schaffen, Wissenschaft und Mensch in einem ausgeglichen Verhältnis zu bedienen und die richtigen Register zum richtigen Zeitpunkt zu ziehen, ist die Kunst einer publikumsnahen Vermittlung. Kaum ein Jahr vergeht, das uns nicht spektakuläre Wetterphänomene serviert. Schlagworte wie Wetterkapriolen, Extremwetter, Klimawandel u.v.m. sind aus der täglichen Berichterstattung nicht mehr weg zu denken. Vor allem die unzähligen Berichte über Extremwetterereignisse prägen mehr oder weniger nachhaltig unsere subjektive Wahrnehmung – und die Betonung liegt auf subjektiv! Hat sich das Wetter wirklich so stark verändert? Oder ist nicht vielmehr das „dabei sein“ die neue Informationsoffensive? Jeder von uns kann immer und überall jedes
Hagelkorn, jeden Bach, der aus den Ufern tritt, oder jeden Minitornado digital mit seinem Handy festhalten und sofort an ein Printmedium oder einen Fernsehsender weiterleiten. Wir sind jederzeit am Ort des Geschehens! Dementsprechend dicht sind auch das Informationsnetz und die Präsenz jedes Extremereignisses. Der subjektive Eindruck, dass Extremwetterereignisse häufiger werden, kann eindeutig mit „Ja“ beantwortet werden. Beginnt man jedoch diese Ereignisse mit verlässlichen Daten zu vergleichen und objektiv einzuordnen, ist das Ergebnis ernüchternd. Fazit: aus subjektiven Eindrücken lassen sich in der Regel keine objektive Schlüsse ziehen. Und wir werden nicht müde, genau darauf immer und immer wieder hinzuweisen, die Fernsehkonsument/innen gewissermaßen wachzurütteln: Bevor einzelne, seltene Extremwetterphänomene mit dem Klimawandel in Zusammenhang gebracht oder sogar als Katastrophe verkaufen werden, muss man darüber nachzudenken, welchen Fußabdruck wir in den letzen Jahrzehnten in der Natur hinterlassen haben. Wetterwarnungen gehören zu unserem Tagesgeschäft. Sie stellen für unsere Zuschauer/innen eine Hilfestellung für ein eventuelles Reagieren jedes einzelnen dar. Dabei macht die enorme Datenfülle, die der Wetterredaktion zur Verfügung steht, sehr exakte Prognosen möglich. Und sobald die Unwetter da sind, machen schnelle Reaktionszeit und promptes Umsetzen die Qualität der ORF-Fernseh-Wetterredaktion aus. So zum Beispiel am 13. August 2010, als eine Unwetterwelle Ostösterreich erfasst und alleine in Niederösterreich einen Schaden von einer Million Euro anrichtet. Blitzschläge lösen Brände aus. Enorme Regenmengen innerhalb weniger Minuten legen große Teile der Stadt Wien lahm und ziehen sogar eine Flughafensperre nach sich. Auf diese heftige Wetterentwicklung wird sofort mit einem Einstieg in der ZiB 2 reagiert.
Als kleines, hochmotiviertes Team von Spezialistinnen und Spezialisten, das dem Anspruch der Zuseherinnen und Zuseher immer gerecht werden will, sind wir immer wieder gefordert, viel mehr zu bieten als reine Wetterprognosen. Die Vorgänge in der Atmosphäre können wirklich spannend sein, und diese Spannung gilt es – in all ihren Facetten – zu vermitteln.
Beitrag: Manfred Bauer, ORF-Unterhaltungsredaktion