Radiomomente

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Radiomomente

Erinnerungen und Analysen zu

100 Jahren

Radio in Österreich.

„Meine besten Radiomomente sind auf zwei Sendungen verteilt: Am meisten gelernt hab ich wahrscheinlich bei ‚Im Gespräch‘ auf Ö1 mit Peter Huemer, Michael Kerbler oder Renata Schmidtkunz.

Fast noch mehr fasziniert aber hat mich das ‚Hard Rock Café‘ auf Ö3, und wenn da eine Nummer kam, die mir besonders gefallen hat, hat es schon sein können, dass ich das Radio mal lauter gestellt habe …“

Die erste Radiokonzession Österreichs erteilt 1924 auch die Erlaubnis zur Gründung der Radioverkehrs-A.G. (RAVAG). Objekt: Dokumentationsarchiv Funk

„Meine liebsten Radiomomente passieren in der Früh: Beim Laufen höre ich das ‚Morgenjournal‘ auf Ö1 und den ‚Wecker‘ auf Ö3 und fühl’ mich nicht nur gut informiert , sondern auch noch bestens unterhalten . Und das jeden Tag aufs Neue.“

„Radio verändert Leben: Mich hat es vielleicht in die Wissenschaft(svermittlung) und den Kulturbetrieb geführt. Für mich als Geschichte-Studentin Mitte der 1990er Jahre waren die wöchentlich zweistündigen ‚Diagonal‘-Sendungen auf Ö1 Pflichttermine. Wie dieses Format Geschichte und Gegenwart mittels kleiner oder kleinster kultureller Artefakte in einer ‚dichten Beschreibung‘ zu verstehen half und hilft, zeigt: Das Medium Radio setzt Maßstäbe und schreibt Geschichte. Happy Birthday!“

„Eine kalte Winternacht vom 3. auf den 4. Dezember 1989 wurde zu einem der eindrücklichsten Momente in meiner Karriere als Radio-Journalistin.

Ich war als Reporterin für das Landesstudio Niederösterreich an der Grenze zwischen Österreich und der Tschechoslowakei im Einsatz, als Geschichte geschrieben wurde. Es war der Beginn des ‚Falls des Eisernen Vorhangs‘ , als damals die Grenzbalken geöffnet wurden. Ein historisches Ereignis, an dem auch das Radiopublikum teilhaben konnte.“

Ingrid

100 Jahre und kein bisschen leise

Radio, genauer gesagt das öffentlich-rechtliche Radio, feiert im hundertsten Jahr seines Daseins in Österreich noch immer Rekorde. Über 6.150.000 Menschen hören es jeden Tag, mehr als zu jedem anderen Zeitpunkt seines Bestehens. Laut Eurobarometer sind öffentlich-rechtliches Radio (und Fernsehen) die Nachrichtenquelle, der die Menschen das größte Vertrauen entgegenbringen. Und Ö3, so belegt der „Digital News Report“, ist für die unter 55-Jährigen Offline-Nachrichtenquelle Nummer eins. Eine Erfolgsgeschichte zum ersten Jahrhundert also, und das auf vielen Ebenen.

Radio hat so viel Musik und Kultur zu so vielen Menschen wie nie davor gebracht. Phänomene wie Popkultur überhaupt erst ermöglicht. Ganze Generationen in Schwung versetzt. Radio hat auch nach einer Phase des Missbrauchs durch die „Ständestaat“-Diktatur und durch den Nationalsozialismus zur Selbstvergewisserung und Demokratisierung Österreichs beigetragen. Radio hat vielen in Not geholfen, mitunter auch Leben gerettet. Es hat Stars hervorgebracht und Menschen in Momenten begleitet, die für sie oder für das Land bedeutsam waren. Radio hat viel Spaß gemacht und Freude bereitet – und das Beste: Das tut es noch immer. 24 Stunden täglich, sieben Tage jede Woche.

Dieses „Radiolesebuch“ versucht, das Lebensgefühl, das Radio in den letzten hundert Jahren erzeugt hat, zu transportieren. Es erhebt dabei nicht den ohnedies vermessenen Anspruch auf eine vermeintliche Vollständigkeit der Geschichte. Es fängt einige Augenblicke ein, die manchmal tragisch, manchmal fröhlich, immer berührend sind. Wir danken all jenen, die ihren persönlichen Moment beigetragen haben. Und wir entschuldigen uns bei allen, die nicht vorkommen, die wir fragen hätten sollen, aber nicht gefragt haben, oder deren Beiträge wir letztendlich angesichts der Begrenztheit des Buchs nicht berücksichtigen konnten. Bei aller Prüfung der vielen historischen Details im Buch mag uns auch das eine oder andere Missgeschick passiert sein, für das wir um Nachsicht ersuchen. Um andere „Hoppalas“ wird es übrigens im Kapitel „Radiotechnik“ gehen …

„Radiomomente“ wird gemeinsam von ORF und dem Haus der Geschichte Österreichs herausgegeben –und als Projektverantwortliche bedanken wir uns für das in uns gesetzte Vertrauen der Institutionen. Bei allen Radiomacherinnen und -machern, denen wir in den vergangenen Jahren zugehört haben, bedanken wir uns für die vielen schönen Stunden – und bei Ihnen für Ihr Interesse an der Geschichte eines Mediums, das wir manchmal leise, manchmal laut lieben. Auf die nächsten 100 Jahre!

Rundfunkhistorikerin

Haus der Geschichte Österreich

Zu Beginn der Radiogeschichte sammelte die Post Meldungen zu Rundfunkteilnahmen in Holzkisten wie dieser.

Objekt: Dokumentationsarchiv Funk

Foto: David Tiefenthaler, 2024

Inhalt

Dieses Buch ist eine Hommage voller bewegender Momente und persönlicher Erinnerungen, wissenschaftlicher Analyse und faktentreuer Beschreibung: Acht Kapitel zu hundert Radiojahren und vier Texte zu den nächsten.

Sie erheitern, machen’s spannend oder lassen basteln: eine Auswahl erfundener Gestalten aus 100 Jahren.

Mit Momenten von Robert Kratky, Herbert Prohaska, Robert Steiner u. v. m.

DERMagieMusik Radio-liebe

Es ist das Medium für die Ohren. Und fürs Herz. Warum Menschen Radio lieben.

Mit Momenten von Petra Morzé, Erika Pluhar, Julian Schutting u. v. m.

Musik berührt, Musik beschwingt, Musik bezaubert. Radiohighlights von Y wie Yoko bis A wie ABBA.

Mit Momenten von Anna-Sophie, Rudolf Buchbinder, Peter Cornelius u. v. m.

Ausgeschaltet

„Ständestaat“-Diktatur und Nationalsozialismus haben das Radio für Propaganda missbraucht. Und am Ende war es still.

Mit Auseinandersetzungen von Sabine Derman, Birgit Haberpeuntner, Johannes Pötzlberger u. v. m.

SCHALL & WELLE

Radios, die Augen haben, Bänder, die zu Salat werden, und CDs, die nicht nur Vögel zirpen lassen: Geräte lassen staunen und improvisieren – und manchmal wird’s gefährlich.

Mit Momenten von Claudia Czesch, Karl Markovics, Rudolf Scholten u. v. m.

Sendungen

Sie handeln von Märchen oder dem Autofahren, von Ferien oder vom Frühstück. Und natürlich von Information, Musik, Kultur – und Unfug. 100 Sendungen aus 100 Jahren: eine Auswahl.

Mit Momenten von Doris Appel, Gudrun Hamböck, Hans-Peter Wipplinger u. v. m.

gesichter funkpolitik

Von der ersten Stimme bis zum Schalldämpfer, von der Vorturnerin zum Nachtfalken: eine Auswahl der berühmtesten Stimmen Österreichs.

Mit Momenten von André Heller, Angelika Lang, Martina Rupp u. v. m.

Pirat:innen, slowenische Stimmen, Radio der Alliierten und Richtung Ausland – und vor allem: das befreiende Volksbegehren. Ein Streifzug durch die Rundfunkpolitik nach 1945.

Mit Auseinandersetzungen von Gabriele Fröschl, Michael Kerbler, Karin Moser u. v. m.

kunft

100 Jahre sind erst der Anfang.

Mit Perspektiven von Petra Herczeg, Danuta Lang, Konrad Mitschka und Ingrid Thurnher.

Radio-liebe Kapitel 1

„Meine Frau und ich haben im Radio einen Freund. Im Winter, wenn wir eingeschneit sind, wäre es ohne Radio einsam.“ So bezeichnet einer der Befragten der ersten – von Paul Lazarsfeld 1932 erstellten – Studie über österreichisches Radio seine Beziehung zum Programm. Für viele ist das Radio noch heute unverzichtbarer Begleiter durch den Tag: Als Hilfe beim Aufstehen, zur unkomplizierten schnellen Information über das Wichtige vom Tag , zum Staunen über neue Erkenntnisse , zum Entspannen bei kulturellen Ereignissen , zum Erfreuen mit Musik . Ein anderer Befragter antwortet dem später weltberühmten Soziologen schon 1932: „Es ist mir ein Herzensbedürfnis der RAVAG meinen Dank für so viele schöne Stunden auszusprechen.“ Das Herzensbedürfnis Radio hat sich bis heute nicht geändert: Radio kann ein perfekter Stimmungsmacher sein.

Von den 1950er Jahren bis heute ist Radio ein mobiles Medium. Ob über den Kopfhörer oder den Lautsprecher, Radio schuf die Atmosphäre für den Alltag. An diesem Gerät aus den 1990er Jahren zeugt die abgebrochene Antenne vom vielfachen Einsatz als Mittelpunkt des Kinderzimmers oder batteriebetrieben auf Partys. Objekt: privat, Foto: David Tiefenthaler, 2024

Lange gab’s ja kein Fernsehen – also stand am Schreibtisch meiner elterlichen Wohnung bedeutungsvoll unser Radio. Da ich auf diesem Schreibtisch auch stets meine Hausaufgaben machte, befand es sich immer vor mir. Und ich drehte es auf und untermalte damit meine schulischen Tätigkeiten. Ich weiß noch so genau, wie es aussah und wie wichtig es mir war. Es gab dazumal eine Weile lang den amerikanischen Sender – und ich begann, Jazz zu hören! Meine Eltern waren ersetzt, für sie war es „N-Musik“. Ich verteidigte es wütend, ganz jugendliche Revolutionärin, liebte bald Ella Fitzgerald und Louis Armstrong, durch unser Radio tat sich mir die Welt auf.

Und ich muss gestehen, dass dieses Medium mir bis heute auf diese Weise etwas bedeutet. Das gute, alte, altmodische Radio – ich besitze immer noch so eines und drehe es auch jetzt noch jeden Morgen auf. Kein Computer, kein Streaming. Radio.

Es war ein mäßig warmer 12. April 2017, als ich einem jungen Menschen ein wunderbares Radio-Geschenk machen durfte. So dachte ich anfangs zumindest.

Andi Hörtnagl ist einer der größten Radio- und Ö3-Fans, kennt alle Moderator:innen beim Namen und hat sich sogar ein eigenes kleines Ö3-Studio nachgebaut. Andi lebt in Tirol, ist ein junger Mann mit Down-Syndrom und organisatorisch war es nicht leicht für Andi, nach Wien zu kommen. Deswegen haben sein Dad und ich gemeinsam einen Ö3-Überraschungsbesuch geplant, einfach weil er sich nichts mehr wünschte als einmal das echte Ö3-Studio zu sehen. Natürlich gehörte auch überprüft, ob seine Nachbildung der Realität entsprach.

Und unser Plan ist voll aufgegangen. Er strahlte bei der Ankunft im Studio über beide Ohren, nur um im Gegenzug das gesamte Ö3-Team mit Umarmungen und Lebensfreude zu beschenken. Während seines Besuchs beschlich mich ein Gefühl, das ich heute – sieben Jahre später – erst richtig begreife: Nicht wir haben Andi ein Geschenk gemacht. Er hat uns beschenkt. Und überreicht haben wir uns dieses Geschenk bei unserer gemeinsamen Leidenschaft: dem Radio. Ein Ort, wo alle gleich sein können.

Philipp Hansa Ö3
© Philipp Hansa

Die Liebesgeschichte zwischen dem Radio und mir begann schon im Kindesalter, als ich mit meinem Bruder jeden Montagabend die Hitparade hörte. Das war mitunter ein schwieriges Unterfangen: Mein strenger, bildungsbürgerlicher Herr Papa hatte für die neue Pop-Musik von den Bee Gees oder Herman’s Hermits nichts übrig. So schlichen wir uns, geduldet von unserer Mutter, in das Nähzimmer, um unsere Lieblingsmusik zu hören. Meine Verbindung zum Radio war so stark, dass ich auch dort arbeiten wollte: In meiner Studentenzeit sprach ich für fast drei Jahre die Nachrichten bei „Radio Österreich International“, dem Auslandsprogramm des ORF. Ich blicke sehr gerne auf diese Zeit und auf die Kolleg:innen zurück, die sich Scherze erlaubten und manchmal lustige Zeilen in den Nachrichtentext einfließen ließen – eine kreative Art, die die Aufmerksamkeit beim Lesen sicherte … Im Gegensatz zum Bewegtbild birgt das Radio für mich immer noch eine besondere Faszination. Es lässt uns mehr Zeit zur Reflexion und obendrein mehr Raum für Fantasie – beides Dinge, von denen wir mehr brauchen könnten.

ALBERTINA

Ich war neun Jahre alt. Wir feierten den runden Geburtstag meines Opas. Plötzlich klingelte das Haustelefon und es wurde schlagartig still in der Küche. Mein Opa, der an diesem Tag nicht nur „Hausherr“ sondern auch Geburtstagskind war, stand also auf und ging in den Vorraum, um abzuheben. Sein „Halloooo hier bei Jordan?“ kam aber nicht wie erwartet aus dem Raum von nebenan, sondern aus dem Küchenradio! Was für eine Sensation! Da war er, mein erster Radiomoment: Mein Opa war im Radio! Er war das „Geburtstagskind des Tages“ und für kurze Zeit Protagonist in der Morgenshow von Radio Kärnten! Also erzählte mein Opa ein paar schöne und lustige Anekdoten aus seinem Leben. Die Freude und Aufregung waren deutlich in seiner Stimme zu hören. Es war für meinen Opa die größte Überraschung! Heute, knapp 30 Jahre später, führe ich diese Rubrik weiter und gratuliere unseren Hörerinnen und Hörern persönlich zum Geburtstag. Ob Haustelefon oder Handy, welche Nummer ich auch wähle, ich rufe von Herzen gerne, mit Freude, Demut und Dankbarkeit an, weil ich so einen magischen Augenblick erlebt habe. Magic Moments, an die wir uns Jahrzehnte später noch sehr genau erinnern. Momente, die wir durch das Medium Radio erzeugen können! Ich wünsche mir für die Zukunft noch viele weitere Momente der Freude, Liebe und Emotionen, welche wir durch das Medium Radio schaffen dürfen und können! Auf dich liebstes Radio und ich wünsche dir nochmal mehr als 100 Jahre!

Ich glaube, ich war neun oder zehn Jahre alt. In einem Hundertseelendorf im Weinviertel, wo Mistelbach das nächste Tor zur Welt war. Ich saß in der viel zu kleinen Küche und hatte eine winzige schwarze Box in der Hand. Daraus sprach eine schöne Damenstimme und kündigte Musikstücke an. Ich war sofort fasziniert und hatte das Gefühl, die Welt kommt zu mir in die viel zu kleine Küche. Das war mein allererstes Erlebnis mit dem Radio. Das Gerät verschwand später, ich habe keine Erinnerung mehr, warum und wohin. Wir hatten einen orangen Plattenspieler mit orangen Boxen. Das war meine große Sozialisation mit Klassik, Jazz, mit wunderschönen Märchenplatten, die ich mir von der Nachbarin ausleihen durfte, mit Oskar Werner, mit König Ottokars Glück und Ende und ABBA Das wirklich tiefe Eintauchen war für mich immer Ö1. Auf meinen Fahrten nach anstrengenden langen Vorstellungen an der Burg, am Kasino oder Akademietheater hinaus aufs Land nach Bisamberg begleiteten mich immer Ö1, FM4 oder Radio Wien. Es wurden meine Tränen getrocknet, meine Wut verflog oder ich lachte alleine im Auto. Die unzähligen Buchempfehlungen waren und sind mein Untergang. Ich brauche mehrere Leben, um alle zu lesen. Danke an das Radio, danke für diese Erfindung – auf das Hören und die nächsten 100 Jahre.

Petra Morzé SCHAUSPIELERIN

Zu meinen Anfängen im Funkhaus – ich glaube, es war 1984/85 – gehörte eine unendlich ehrenvolle Aufgabe: Als „Die letzten Tage der Menschheit“ in der Hörspielfassung von Krendlesberger zum zweiten Mal gesendet wurden, hatte ich die Szenenfolge in jeweils, ich glaube, 20 Minuten aufzuteilen. Die Teile durfte ich mit einer kommentierenden, sogenannten „Einführung“ versehen. Die Hauptarbeit dafür tat ich in einem fensterlosen Kammerl vor einem großen Bandabspielapparat – sowas gibt’s nicht mehr, nur noch in der Erinnerung altgedienter Medienarbeiter … Ein Radiomensch bin ich nicht. Ich bin darauf beschränkt, ein Ö1-Mensch zu sein. Der Sender Ö1 hat in der österreichischen Gesellschaft eine außerordentliche Funktion: Er bildet das „missing link“ zwischen einem akademischen Leben, einer hochgebildeten musikalischen und literarischen Geschmackskultur und der eingespielten medialen Trivialität. Das macht den Sender von beiden Seiten her angreifbar: für einen Super-Akademiker ist manches zu wenig, für einen intellektuell unbelasteten Medienkonsumenten (und auch Medienproduzenten) ist alles zu viel. Aber Ö1 bietet einen Zugang, einen Anreiz zu allerhöchster Bildung – nicht zuletzt den bildungsfernen Schichten.

LITERAT & PHILOSOPH

Es war im Sommer 1991. Ich war zehn, viele Nachbarskinder auf Urlaub … langweilig. Radiohören also eine nette Ablenkung – wenngleich die meisten Programme ja nicht auf Kinder zugeschnitten waren. Und plötzlich gab’s was ganz Neues: „Are … you … ready?“ schrie es aus dem Radio – gefolgt von „One o’clock!“. Was dann werktäglich eine Stunde lang gelaufen ist, war so komplett anders als alles bisher Gehörte. Oliver Baier und „Redakteur Claus Hörr“ haben mit kindischer Freude alles ausprobiert, was das Medium Radio hergibt, z. B. Stargast Dr. Alban erklärt, dass in Wien ein Hafen nach ihm benannt ist (Alberner Hafen). Promis mussten um die Sekunden spielen, in denen sie ihr Buch / ihren Auftritt promoten dürfen. Oliver Baier hetzt in 50 Minuten zu einer Firma, löst dort eine dumme Aufgabe, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Stunde früher frei haben. Hörerinnen und Hörer können eine „Pflugreise“ gewinnen – und Abmoderationen wie „Die neue von Chesney Hawkes – sie heißt Gertrude – und zur Feier des Tages spielen wir auch seine neue Platte …“ waren keine Seltenheit. Dazwischen immer wieder der Jingle: „Ö3 – entschuldigt sich für diese Sendung“.

Diese Sendung zeigte, was für ein Füllhorn an Chancen und Freude im Radio steckt – wenn die Chefs die Leine etwas länger lassen. Spätestens seit „One o’clock“ im Radio war für mich klar: Da will ich auch hin!

RADIO OBERÖSTERREICH

Jeden Juni findet der Pride Month statt. Wien gilt als tolerant und zeigt dies mit Regenbogenzebrastreifen. Am Land ist dies unüblich, deshalb hat Ö3 im Juni 2022 die Aktion „Der Ö3-Wecker-Regenbogenzebrastreifen“ ins Leben gerufen und vergibt fünf bunte Zebrastreifen als Zeichen für Toleranz und Vielfalt an Ortschaften in ganz Österreich. Jede:r konnte seine Ortschaft dafür nominieren.

Ein besonders schöner Moment war, als sich eine Schulklasse gemeinsam dafür angemeldet hat: mit einem

Video und einem eigens kreierten Gedicht. Sogar die zehnjährigen Kinder fanden das super von Ö3 und wollten auch einen Teil in ihrer kleinen Ortschaft, der für Toleranz steht. Ich muss, denke ich, nicht dazu sagen, dass diese Ortschaft „Strasshof an der Nordbahn“ natürlich einen der fünf Ö3-Wecker-Regenbogenzebrastreifen erhalten hat – am 30. Juni 2022 nämlich – und er dort heute noch mit einem Ö3-Logo darauf strahlt.

Ines Salzer Ö3

Robert Kratky malt einen Zebrastreifen in Regenbogenfarben

„Trost und Rat von und mit Dr. Kurt Ostbahn“ auf Radio Wien, Mitte der 1990er Jahre – im dynamischen Formatradioalltag eine Besonderheit, deren Produzent ich sein durfte. Es war typisch für Willi Resetarits und für die damalige Sendung, die Dinge „anders“ anzugehen. Etwa eine gesamte Mariachi-Band mit nur einem Mikro live zu übertragen. Das hatte zur Folge, dass der Trompeter vor dem Studio am Gang stehen musste, somit war er im Radio zwar goldrichtig zu hören, am Gang aber ohrenbetäubend – ein lauter Radiomoment. Oder ein Moment, in dem es still war – einfach nur so – „damit es im Radio auch einmal still ist“ hat Willi Resetarits damals sinngemäß gesagt. Über allem aber steht die Tatsache, dass ich beim Radio-machen meine Frau kennen und lieben gelernt habe und mit ihr bis heute gemeinsam Radio machen darf, seit mehr als zwanzig Jahren. Ein immer wiederkehrender Radiomoment, der jedes Mal mein Herz aufs Neue berührt.

Sascha Boctor

RADIO WIEN

„Alles klar, Herr Kommissar?“ Der heitere Ratekrimi mit Leo Frank und Haymo Pockberger war Fixpunkt meiner Kindheit. Aus Linz kamen die Sendungen zu mir ins Innviertel aufs Land. Es förderte einerseits das Kennenlernen der Landeshauptstadt und seiner Einrichtungen als Informations- und Unterhaltungsversorger, andererseits war es Möglichkeit, Bindungen zu Menschen abseits des Elternhauses einzugehen. Die habe ich dann auch über Kurz- und Mittelwelle geknüpft, zu den Präsentationen deutschsprachiger Sendungen aus der ganzen Welt. Ob Propaganda oder Information, es waren immer Menschen, die mit mir in Verbindung traten, und zu deren Stimmen und ihrem Wesen, das erkennbar war, ich eine Verbindung aufbaute, die nur mir bekannt war. Manchmal auch ihnen, wenn ich einen Empfangsbericht mit Kinderschrift schickte. Die Hörspiele vom Regionalprogramm habe ich vorwiegend gehört, wenn ich krank war, sonst war ich meist draußen zu dieser Zeit. „Das Turnier auf der Schallaburg“ kam später dann zu mir, auch hier die Menschen, die mit mir die Stunde teilten. Und als männliches Kind war die „Welt für die Frau“, das Vormittagsprogramm meiner Oma, Zugang zur Welt der Frauen, das war schon eine gute Gelegenheit. Für den Mann gab’s nichts. Aber das Wunderauto Dodo war männlich, immerhin. Das habe ich geliebt.

Heute mache ich Radiosendungen, in denen Menschen erzählen, welche Wissenschaft sie betreiben – mit Pflanzen, Tieren, mit Wolken und Planeten. „Vom Leben der Natur“ bietet nicht nur Informationen, sondern auch Beziehungen an. Die ich stellvertretend für die Hörer:innen knüpfe, im Vorgespräch, im Interview, und dann als Sendung. Radio wurde bei mir mittlerweile oft durch Podcasts ersetzt, weil dort mehr Zeit ist, die Nebenschwingungen aufzunehmen. Selbst nachzudenken in den „langweiligen“ Stellen, die nicht herausgeschnitten sind. Radio ist mir heute manchmal auch zu aufregend, weil es zu gut ist. Ich liebe das Fließen, das Lachen, das Abwarten, bis eine Antwort kommt, die mir zu denken gibt. Das ist vielleicht nicht die Zukunft des Radios, sondern eine Ergänzung. Radio bietet Sicherheit, dass Menschen Sendungen gestalten, die miteinander sprechen, was sie „nicht“ veröffentlichen. Das hört man nicht, aber das macht die Qualität eines Programms aus. Zeit für Diskussionen, über das, was nicht gesendet wird. Dann ist das was bleibt, fantastisch. Das braucht Ressourcen. Dann ist es gut.

Das Medium Radio begleitet mich in vielerlei Hinsicht durch mein Leben, privat und beruflich gleichermaßen. In Jugendjahren nahm ich die Hitparade aus dem Radio auf Kassette auf und wurde morgens verlässlich von meinem – in den 70er Jahren hochmodernen – Radiowecker geweckt. Sendungen wie „Schalldämpfer“ mit Axel Cortis prägnanter Stimme (im Bild: Axel Corti) oder heute tägliche Ö1-„Journale“, insbesondere die Kulturnachrichten, sowie „Diagonal“ und „Doublecheck“, sind für mich unverzichtbar. Erst kürzlich war „Leporello“ zu Gast im Theatermuseum, um über unsere Präsentation zu Beethovens 9. Sinfonie zu berichten. Einen Beitrag über eines der Häuser unseres Museumsverbandes im Radio zu hören, bereitet mir stets eine besondere Freude! In Zeiten, in denen wir mit einer stetig wachsenden Zahl an visuellen Eindrücken konfrontiert sind, empfinde ich Radio als angenehmen Ausgleich. Ich bin sicher, dass auditive Medien, nicht zuletzt durch ihre immersiven und verbindenden Eigenschaften, auch in den nächsten 100 Jahren nicht an Relevanz verlieren werden.

Sabine Haag

KUNSTHISTORISCHES

MUSEUM WIEN

So viele Augenblicke verbinden mich mit dem Radio, besonders dem Funkhaus. Oder soll ich sagen: viele Hörmomente? Vielleicht auch Gefühlseindrücke? Ich war Zeuge von Geistesblitzen und Gedankenübertragungen, vielsagenden Blicken und ergreifenden Worten, berührenden Tönen, herrlichen Versprechern. All das, weil ich mit David Paede gemeinsam einen Dokumentarfilm über Ö1 drehen durfte. Ja, „durfte“! Denn die Radiomacher:innen haben uns die Türen geöffnet, sich unseren Blicken ausgesetzt – so ein Vertrauen braucht Mut. Denn diese Menschen wissen aus eigener Erfahrung, welche Macht die Medien-Gestaltenden zuweilen haben. Man liefert sich ihnen aus, gibt sich in ihre Hände, vertraut auf ihre Behutsamkeit, ihren Ethos: So oft durfte ich das beobachten! Von all diesen Momenten ist es nahezu unmöglich, einen herauszuheben. Und doch gibt es da diesen zarten, brüchigen Moment. Die Dichterin Friederike Mayröcker liest, im abgeschiedensten Studio, leise und entschlossen. „Sich gegenseitig Sprach-losigkeit zuzugestehen …“ Jedes Wort ein Geschenk.

Jakob Brossmann

Meiner Konzentration auf das vor mir liegende Schreibblatt bekommt es, wenn da, was immer, etwas gedämpft aus Ö1 an mich dringt (nur die raren Male, wo das von mir Geschriebenes ist, also wäre, oder gar meine Stimme, wird das mit einem Hechtsprung hin abgemurkst; nichts an meinigen Gedichten und Hörspielen mir aus Verschrobenheit jemals bis auf Stichproben angehört). Ö1 aber ist eine der mir liebsten Inspirationsquellen, nämlich in Bezug auf Lappalien logischer Natur. Beispiele aus jüngster Zeit: „… und nun noch das Letzte, was Chopin zu Lebzeiten vollendet hat“ – zweifellos hat der nicht das Letzte vom Letzten, sondern sein Vorletztes nach dem Ableben bald als vollendet eingeschätzt, aber unvollendet Verschollenes einem vollendeten Ende zugeführt! Oder das: „Durch das Nachtprogramm hat Sie NN begleitet. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag!“ Ich? ich? doch ‚dieselbe‘ … siehe auch: „Ö1, Nachrichten. Mein Name ist NN“ (die wichtigste Neuigkeit zuallererst? Aber wir kennen doch diesen Nachrichtensprecher, seine Stimme …). Gern in „Pasticcio-Sendungen“ hineinzu-

Ich komme aus einer Gegend, genauer gesagt aus Unterfranken, wo man das „R“ extrem rollt und sich nicht entscheiden kann, ob man sich im Dialekt eher hessisch oder bairisch zuordnen möchte. Auf jeden Fall ist der große Apparat, der auf einer Kommode im Wohnzimmer steht, männlich: der Radio! Bei unserem Radiogerät konnte man oben den Deckel öffnen, denn er, der Radio, hatte einen eingebauten Schallplattenspieler. Wie oft habe ich versucht, die kleinen Männchen und Figuren durch den schmalen Spalt zu entdecken. Sobald das Gerät eingeschaltet war, leuchtete es von innen.

Das sind meine Kindheitserinnerungen an den Radio, bis ich dann bei einem Sender in Aschaffenburg begann, Geschichten aus meinem Dorf zu erzählen. Es kristallisierte sich eine Figur heraus, die „Elli“. Es war ein großes Vergnügen – zu diesem Zeitpunkt wusste ich auch schon, dass es DAS Radio heißt. Ich liebe auch heute noch den Moment, wenn man sich die Kopfhörer aufsetzt und den eigenen Atem verstärkt hört und sich über seine eigene Stimme wundert. Ein Wunder, noch immer! Vor dem Mikrofon kennt die Illusion, die Phantasie keine Grenzen, kann sich entfalten. Man kann alle Farben und Formen annehmen, einer Figur die Stimme leihen, die Stimme erheben, auf Gefühlswellen reiten, Texte durchdringen und kneten, Worte auskosten, Inhalte senden und im Glücksfall die Menschen erreichen.

geraten, und an der Musikauswahl die meisten Herrschaften rasch zu erkennen, unabhängig von der Vertrautheit mit ihren Sprechweisen. „Einen wunderschönen guten Morgen!“, das geht zu weit – die Magie, uns „Wunderschönes“ herbeizuzaubern, ist nicht einmal Musikredakteuren zu eigen, sehr charmant verabschiedet sich Irene Suchy, und sollte sie sich da einer altmodischen Briefformel erinnert haben: „der Technik dankend, stets Ihre …“

Chris Tina Tengels „Stimmen hören“ – Donnerstagvorhaben so einzuteilen, dass 14 Uhr zehn zu Hause, und auch die originellen „week-ends“ so gut wie noch nie versäumt. Was auch für Tengels elegante Opernkommentare gilt. Aber Symphoniekonzerte befindet meine Klause etwas zu großräumig. Ein Fernsehkastel käme mir nie ins Haus.

Julian Schutting SCHRIFTSTELLER

Das Radio ist das Medium, mit dem ich aufgewachsen bin. Radiohören hat in unserer Familie eine zentrale Rolle gespielt. Zeitweise wurden sogar kleine Kämpfe um die Programmhoheit ausgetragen, „Autofahrer unterwegs“ gegen „Ö3-Hitparade“. Meine Schwester und ich haben kleine geheime Markierungen am Radio gesetzt, um die Frequenzen rasch zu wechseln. Meine Leidenschaft für Kunst wurde maßgeblich vom Radio geprägt – Hörspielen lauschen, neue Musik entdecken und ganze Sendungen mit dem Kassettenrekorder aufnehmen und immer wieder abspielen.

Irgendwann bin ich dann zur Ö1-Hörerin geworden. Dem besten Radiosender ever. Besondere Highlights sind bzw. waren für mich immer „Diagonal“ und Ö1-„Kunstsonntag“.

Für das MQ und seine zahlreichen und unterschiedlichen Institutionen deckt Ö1 ein breites Spektrum an kulturellen Themen ab, bringt immer wieder innovative Ansätze und Perspektiven in die Berichterstattungen ein. Gemeinsam probieren wir neue Formate aus und beschreiten kreative Wege. Dies macht die Zusammenarbeit zwischen dem MQ und Radio erfrischend und oft überraschend.

Es muss 1985 oder 1986 gewesen sein; ich war damals Schülerin einer höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Baden bei Wien. Ein Schultyp, der recht trocken klingt und wenig Kreativität zulässt; aber das Gegenteil war der Fall. Wir hatten eine außergewöhnliche Professorin in Englisch und Musik. Diese Professorin hat recht schnell herausgefunden, dass meine Klasse im musikalischen Bereich ein Hit war … und so wurden wir zum Klassenchor, der Musikreisen nach Belgien und England gemacht hat … und schließlich auf den Küniglberg in eine Sendung von Heinz Conrads und danach ins Funkhaus nach Wien. Im Großen Sendesaal haben wir drei Lieder für eine Ö1-Musiksendung aufgenommen.

Mein außergewöhnlicher Radiomoment war der erste Schritt ins Funkhaus, ich habe die Radioluft gespürt, die Energie, die sich hier breit gemacht hatte, und wusste sofort – hier will und werde ich arbeiten. Wenige Jahre später, im Jahr 1995, habe ich meine erste Nachrichtensendung auf Radio Niederösterreich moderiert. Ich war gekommen, um im Radio zu bleiben.

Gudrun Stindl

ORF WISSENSCHAFT

Das Radio ist ein Medium mit bedeutender Rolle – nicht zuletzt für die österreichische Zeitgeschichte. Seit der Gründung des Österreichischen Rundfunks 1924 etablierte sich das Radio in Österreich als erfolgreiches Massenmedium und versorgte eine breite Öffentlichkeit mit Kultur, Unterhaltung und Information. Doch das faszinierende Medium hatte auch Kehrseiten – man denke hier an die Instrumentalisierung zu Propagandazwecken durch die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Krieg trug das Radio jedoch entscheidend zur Demokratisierung des Landes bei. Bis heute ist es ein wichtiges Medium für Information, Bildung und Unterhaltung in Österreich. Gerade im Hinblick auf die Vermittlung von kreativen Inhalten und kultureller Transformation spielt das Radio eine große Rolle. Dies ist gerade für Kunst und Kultur essenziell. Insbesondere für Museen ist das Radio im Kontext der Zeitgeschichte von Bedeutung.

Es war einer dieser goldenen Herbsttage im Waldviertel im September 2012. Ich war mit einem erfahrenen Waldviertler mitten im Weinsberger Wald unterwegs, für einer Wandersendung auf Ö1. Roland Düringer und ich sind schon stundenlang auf den Beinen, das Mikro ist immer an. Irgendwann – und das war Teil der Strategie der Sendung – werden die Gedanken frei und jeder Ansatz einer Studiosituation verschwindet. Kurzatmigkeit, plötzliche emotionale Gespräche, all das wird möglich. In diesem Fall passiert etwas ganz anderes. Stille. Auf einer Lagerwiese. Minutenlange Stille an einem Kraftplatz. Ich wusste in dem Moment. Das muss in die Wandersendung hinein.

Die Zeiten ändern sich und mit diesen das Radio. Radioerinnerungen aus fünf Jahrzehnten: „Autofahrer unterwegs“ im Wohnzimmer bei den Großeltern. In den Siebzigern im eigenen Transistorradio eine legendäre Reihe der „Musikbox“ über Bob Dylan. In den Achtzigern die morgendliche Zigarette (heute undenkbar) im Auto auf dem Weg in die Arbeit, im Autoradio der „Ö3-Wecker“. In den Neunzigern die Stereoanlage mit dem besten an klassischer Musik aus der ganzen Welt und in die ganze Welt aus Österreich. Sogar Radio Tokyo übertrug. Österreich eine Kulturgroßmacht. In den Nullerjahren: Privatradio verändert die Szene. In den Zehnerjahren: Das Smartphone wird zum dominanten Device für Audioempfang. Plattformlogiken verändern die Nutzung. Algorithmen steuern die Audiowelt. Und in den Zwanzigern die beginnende AI-Hyperchallenge. AI in Kombination mit Mobil und Streaming bringt die totale Individualisierung und Mikrosegmentierung. Keine guten Aussichten für die nächsten 100 Jahre, aber eine große Chance für die Besten, das „Radio“ bzw. das gemeinsame Hören immer wieder neu zu erfinden.

Alexander Wrabetz

NIEDERÖSTERREICHISCHE

Vor der Ausstrahlung der Sendung am 26.10.2012 kam es zu einer eigenartigen Koinzidenz des Schweigens. Der Fernsehsender ORF 2 machte für die Wanderung mit Roland Düringer am Nationalfeiertag einige Werbeeinschaltungen. Man sah uns an einem Steg eines bronzefarben leuchtenden Sees in der Nähe von Bärnkopf sitzen. Schweigend. Es war für mich die logische Werbeform dieses Radiomoments.

WIENER SYMPHONIKER & SK RAPID WIEN

Seit meiner Jugend bin ich süchtig. Radiosüchtig. Und um genau zu sein Ö1-süchtig. Und ich denke nicht im Entferntesten daran, etwas gegen meine Sucht zu tun. Seit es Ersatzdrogen gibt, wie zum Beispiel Podcasts, konsumiere ich beides. Aber meine Liebe gilt dem Radio. Da ich regelmäßig allein zwischen der Steiermark und Wien pendle, ist das Radio mein Begleiter über den Wechsel. Meist beginnt die Hinfahrt mit dem „Europajournal“ und die Rückfahrt mit „Ex libris“. Und dazwischen gibt es zum Nachhören „Diagonal“, „Spielräume“, „Du holde Kunst“ oder „Im Gespräch“. Apropos „Im Gespräch“: Es war eine Sendung von Peter Huemer mit einer Bewohnerin des Friedrichshofs über Otto Mühl und die Kommune, die mich nachhaltig erschüttert hat. Mit solchen Sendungen hält das Radio Einzug in den Kanon der zeitgeschichtlichen Bildung. Während andere Menschen davon träumen, in ihrer Pension den Weinkeller aufzuräumen, wünsche ich mir einen freien Zugang ins Radioarchiv des ORF.

Vor etwa 40 Jahren begann meine persönliche Geschichte mit Thomas Bernhard. Als Student war ich Käufer von Taschenbuchausgaben seiner Bücher. Den kargen biographischen Angaben über den Autor entnahm ich, dass dieser rätselhafte Schriftsteller einen Wohnsitz in Ohlsdorf hatte. Ohlsdorf, wo mag das liegen? Atlanten haben mich schon immer fasziniert, deshalb begab ich mich auf die Suche. Die Lösung: In der Nähe von Gmunden und dem Traunsee. Und dann, gerade vorher hatte ich mir „Wittgensteins Neffe“ besorgt, sah ich ihn. Leibhaftig. In der Schottenpassage, dem sogenannten „Jonas-Reindl“, saß Thomas Bernhard, allein, auf einer Bank. Das besondere war, dass eine zweite Bank, die in unmittelbarer Nähe von Bernhards Sitzgelegenheit stand, voll besetzt mit auf die Straßenbahn Wartenden war. Mir wurde rasch klar, warum der Dichter trotz vieler und vermutlich auch müder Menschen in seinem Späher-Refugium allein gelassen wurde: Seine ganze Körpersprache duldete keine Sitznachbarn. Zudem hatte Bernhard einen Schirm, den er wie einen Degen benützte. Unaufhörlich zeichnete er mit diesem „Schirmdegen“ imaginäre Halbkreise auf den Boden. Auch das waren sichtbare Zeichen, dass hier einer seinen

Bannkreis nicht durchschritten haben wollte. Der Zweck von Bernhards Übung war die Menschenbeobachtung. Bald darauf führte mich mein erstes literarisches Feature nach Ohlsdorf, wohin sonst? Ich wusste, dass Bernhard von Reporter:innen keine hohe Meinung hatte und dass man schon sehr viel Glück brauchte, um ihn vors Mikrofon zu bekommen. Mit bangem Herzen klopfte ich an das wuchtige Tor seines Vierkanters in Obernathal, Gemeinde Ohlsdorf. Natürlich wurde mir nicht aufgemacht. Das war zu erwarten. Was sollte ich machen? Ohne Interview keine Sendung. So lernte ich, aus der Not eine Tugend zu machen. Ich begann, mich in Ohlsdorf umzuhören, befragte die Landbevölkerung über ihren Nachbarn Thomas Bernhard. Einer meiner LieblingsOriginaltöne von damals, aufgenommen am Stammtisch:

„Der Bernhard könnt‘ a besserer Schriftsteller sein, wenn er si’ a bissl anderes ausdrücken tät.“

Die Sendung „Die Hauptdarsteller der Nebenrollen, Ohlsdorf über Thomas Bernhard“ brachte mir die ersten Rundfunkpreise ein, und das verdankte ich der Prominenz des Verweigerungskünstlers Thomas Bernhard. Im Februar 1989 ist er mit 58 Jahren verstorben. In all meiner mehrere Jahrzehnte umfassenden Tätigkeit beim ORF, Ö1 habe ich einige große und viele kleine Beiträge über und zu Thomas Bernhard gemacht: Dieser Arbeit nachzugehen, nachgehen zu dürfen, war und ist bis heute Glück, reinstes Glück.

Robert Weichinger

Ö1

Thomas Bernhard bei der Generalprobe zu „Heldenplatz“ im Wiener Burgtheater, Foto: Harry Weber, 1988, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

„Pscht, seid’s schtü“ sagte mein Vater oft beim Mittagessen, in unserer Küche im Weinviertel zu mir, meiner Schwester und meiner Mutter. Wir hätten gerne geredet beim Essen, aber wenn die Signation von „Autofahrer unterwegs“ vorbei war und Walter Niesner oder Rosemarie Isopp ansetzten, Neues aus der Welt der Automobile zu erzählen, war mein Vater gnadenlos. Es war ihm wichtiger, über Autos, Schneekettenpflicht und den ÖAMTC zu erfahren, als unsere offenbar „banalen“

Alltagsgeschichten zu hören. Manchmal wurde ich richtig wütend auf das Radio. Dass aus dem Radio Stimmen sprachen, hat mich ein paar Jahre davor schon fasziniert. Ich kann mich erinnern, dass ich mich – ungefähr im Alter von fünf Jahren – auf einen Sessel stellte, das Radio herunternahm und nach allen Seiten drehte und inspizierte. Ich konnte nicht glauben, dass ich niemanden sah –  kein Mensch und trotzdem Stimmen.

Heute mutet das wie ein Witz an, wo doch schon jedes Kind mit elektronischen Geräten umgehen kann und die Erfahrung macht, dass aus Tablets, Handys und kleinen Stöpseln Stimmen und Töne kommen. Das waren meine Anfangsjahre mit dem Radio. Es war sozusagen eine Konkurrenz zum Gespräch. Andererseits habe ich es genossen, wenn meine Eltern in den 1960er und 1970er Jahren am Samstagnachmittag „Das Wunschkonzert“ gehört haben. Sie haben mitgesungen, als Mireille Mathieu „La Paloma ade“ trällerte oder Fredy Quinn „Junge, komm bald wieder“. Sie waren fröhlich, daher waren wir Kinder es auch.

Natürlich wurde das auf Radio Niederösterreich gespielt, das damals umgangssprachlich „der Regionalsender“ hieß. Nie hätte ich damals gedacht, dass ich viele Jahre später selbst hinter dem Radiomikrofon sitzen würde. Ich habe meinen Job als Radiomoderatorin geliebt, trotz der Anstrengungen und der Disziplin, die man dafür mitbringen muss. Ich habe es genossen, Menschen zu interviewen und Porträts über sie zu gestalten. Mich hat es gefreut, jene Lieder zu spielen, bei denen meine Eltern mitgesungen haben. Bei den Oldies eben.

Inge Winder

RADIO

NIEDERÖSTERREICH

Elternliebe war im Radio von Beginn an Thema: Ob die Mutter des Präsidenten zum Muttertag in den 1920ern oder stolze Eltern einer Moderatorin im 21. Jahrhundert.

Foto der Frauenrechtsaktivistin Marianne Hainisch in der Zeitung „Die Stunde“, 1927, Österreichische Nationalbibliothek

Solze v očeh moje mame od samega veselja. Ravnokar so ji po radijskih valovih čestitali za rojstni dan. Tudi oče je s ponosom poslušal, saj so čestitke prenašali v slovenskem jeziku. Moderatorka oddaje pa je bila celo najmlajša hčerka Danica, ki je slovensko oddajo voščil „Od pesmi do pesmi-od srca do srca“ moderirala celih 34 let. Šestega januarja leta 1946 je Slovenski spored ORF prvič oddajal petminutni program v jeziku koroških Slovenk in Slovencev. Kasneje se je program znatno razširil. Enourna nedeljska oddaja voščil pa je še danes

ena najbolj priljubljenih oddaj. Oddajo radi posluašjo po vsem Koroškem, saj je garnirana z najlepšimi slovenskimi pesmimi in melodijami. Za mene in mojo sestro pa so prav z oddajo voščil povezani najlepši spomini na najine starše in sorodnike.

Sonja SchlapperUrschitz

LEHRERIN

Ich war 14 und mein Vater in der Midlife-Crisis. Ein schnelles Auto musste her und unterwegs wurde ein anderer Sender als üblich aufgedreht: FM4. „Das ist cool, die reden Englisch und spielen andere Musik als immer nur diese Charts-Scheiße“, sagte mein Vater zu mir. Ich hab gequält zurückgelächelt in der Hoffnung, dass das alles nur eine Phase ist, die bald wieder vorbeigeht. Mit FM4 konnte ich nichts anfangen. Zwei Jahre später: Mein Vater hat die Midlife-Crisis längst überstanden, FM4 wurde wieder durch einen Sender ersetzt, der das Beste der 80er, 90er und von heute spielt. Und ich, abgeschieden vom Rest der Zivilisation, aufgewachsen in einem kleinen Dorf, mit Sehnsucht nach der großen Stadt,

wird der Fernseher eingeschaltet – und als mein altes TV-Gerät schließlich ganz den Geist aufgegeben hat und die Funken nur so sprühten, hab ich schnell FM4 aufgedreht. In dem Moment lief TV on the Radio und als nächstes der Song „Schlag deinen Fernseher kaputt“. entdecke FM4 als mein Tor zur Welt. FM4 zeigt mir, welche Musik in New York gehört wird. Der Siegeszug von HipHop, Grunge und IndieRock. Und wie sich Jugendliche zusammentun und sich gegen die Obrigen wehren. Stermann und Grissemann werden meine Best Buddys und ihr „Salon Helga“ zum Pflichtprogramm. Immer seltener

Christoph Grissemann und Dirk Stermann, fotografiert für die TV-Sendung „Dorfers Donnerstalk“ 2004.

Alexander Wagner

FM4

tsi1Ö em eni b e s t e Freundin . Hörspiele a m Sgatsma , 14.rhU00. „ Sp ielr ä u em“negnudneS

Gsetbi e eni M e h rzahl vonAhas? ,eisnahciekneD tlläf m i r n i ch t nur einMomentein.

tsiaD e eni S e nd ungüberLyrik .

G,ethcide d i e mich sehrberühren.

Nruta , ü,netkesnIreb ereiT

MomenteamVormittag ü b e r

Nachtmusik, wenn i c h in hc t nnaknefalhcs

Also, ichkann m ic h n i c h t öhttasner .

J a z z

Also Konzentration auf das Wesentliche.

Ohneminderbegabteaufmerksamkeitsheischende Wahrscheinlichzuspät.

Radio ist Fernsehen ohne Bild. DarstellerundohnehektischeBewegungundFarbe.

Ihrwerdetdasschonnochbegreifen.

Rudi KleinZEICHNER

©Ö1/UrsulaHummel

Rudi, der Radiohund, war von 2003 bis 2023 im ORF-Radio zu hören.

Objekt: ORF, Foto: David Tiefenthaler, 2024

2 Kapitel

Radiofiguren

113 Stunden Radio:

So viel wurde im ersten Ausstrahlungsmonat, dem Oktober 1924, gesendet. Zwei Stunden davon waren Erzählungen. Radio, so könnte man den ersten „Wecker“-Moderator André Heller paraphrasieren, ist Märchen im Kopf. Und so bevölkern von Anbeginn an nicht nur ernsthafte Sprecher, klassische Klänge oder beschwingende Rhythmen das Programm, sondern auch eigens fürs Medium erfundene Gestalten: Radiofiguren.

Zu Beginn bei „„Antenne Steiermark“, schaffte Gernot Kulis (rechts im Bild) auf Ö3 1999 den Durchbruch: Der Callboy, ein Scherz -Anrufer im „„Wecker“ hat zahlreiche Fans auch prominente.

Die Bedeutung von Radio in Österreich war für mich als Rennfahrer immens. Das Radio hat bei uns Sportlern eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung unserer Ergebnisse gespielt und vor allem aber diente es auch der Förderung des sportlichen Interesses in der österreichischen Bevölkerung. Es ermöglicht den Österreicherinnen und Österreichern u. a. live bei unseren Wettbewerben dabei zu sein, was unsere Popularität, Beliebtheit und Anerkennung dementsprechend steigert. Es fördert junge Sportlerinnen und Sportler bzw. werden sportliche Idole geschaffen und man kann über das Radio eine gute Vorbildrolle einnehmen. Mir persönlich war es immer sehr wichtig, die österreichischen Fans zu erreichen, und das ist mir u. a. dank der Unterstützung des österreichischen Radios gut gelungen – und dafür bin ich bis heute sehr dankbar. Auch wenn ich in der Zwischenzeit weniger mit Radioauftritten beschäftigt bin als mit Radiohören. Wenn ich mich so an die vergangenen Jahre zurückerinnere, gibt es eine besonders lustige Begebenheit mit Ö3. Und zwar geht es da um die Geschichte des „Callboys“ Gernot Kulis: Vor vielen Jahren habe ich geplant, gemeinsam mit Prinz Albert von Monaco zum Beach-Volleyball-Event von Hannes Jagerhofer an den Wörthersee zu kommen. Bei der Gelegenheit ist mir eingefallen, dass ich Gernot Kulis dazu anstiften könnte, um Hannes Jagerhofer ein klein wenig aus der Fassung zu bringen. Und das haben wir dann auch gemacht – und wenn ich mir das so anhöre, ist das heute noch sehr lustig. Ich wünsche dem Radio in Österreich alles Gute zum 100. Geburtstag.

Alois mit dem grünen Hut

Im britischen Exil schuf Fritz Schrecker eine Kunstfigur, die der NS-Propaganda mit Satire begegnete.

Die Staaten, die gegen NS-Deutschland kämpften, gestalteten eigene Radioprogramme gegen die nationalsozialistische Propaganda. Der „Austrian Service“ des britischen Rundfunk (BBC) produzierte ab 1943 sogar Sendungen speziell für Österreich. Engagiert wurden bekannte Schauspieler:innen und Texter:innen, die nach der NS-Machtübernahme nach Großbritannien emigrieren mussten. Einer dieser Sprecher war der Wiener Schauspieler Fritz Schrecker (links im Bild), der in London gemeinsam mit Marianne Walla das österreichische Exiltheater „Das Laterndl“ mitbegründete und dort unter dem anglisierten Vornamen „Frederick“ auftrat. Für den Rundfunk spielte Schrecker im Satire-Programm „Der Alois mit dem grünen Hut“ den Prototypen eines Österreichers, einen „kleinen Mann“. Sein übertriebener Dialekt und seine Ideologie der Gemütlichkeit sollten das Land und seine Bevölkerung von Deutschland abgrenzen. Schrecker bediente das Klischee vom naiven Österreicher, der nichts mit der preußischen NSHerrschaft zu tun hat, sondern unter dem Krieg von „Hitler und seinen Banditen“ leidet. Gleichzeitig griff die Figur des „Alois mit dem grünen Hut“ eine kabarettistische Tradition auf und schuf einen wichtigen Vorläufer für den „Herrn Karl“.

Die Sendung „„Dschi Dsche -i Wischer“ lief ab 1979 zwar nur ein Jahr lang, Christine Nöstlinger (rechts im Bild) prägte mit ihr aber eine Generation. 1980/81 folgten weitere Sendungen, immer am Sonntagmorgen.

Ich war damals ständiger Mitarbeiter in der Jugendredaktion bei Hubert Gaisbauer und Konrad Holzer. Der Wunsch von Christine Nöstlinger (im Bild rechts oben) war es, dass ich die Rolle des Dschi-Dsche-i spreche. Es war jedoch eine gewisse Herausforderung, alle Stimmen zu sprechen – von der kleinen Wischerschwester bis zum Dschi-Dsche-i. Dafür hatten wir ein Gerät namens Harmonizer. Die wunderbaren Texte von Christine Nöstlinger erfreuten sich bei den Jugendlichen großer Beliebtheit. Besonders mit Dschi Dschei-is erfundenen Wortkreationen ähnlich der Jugendsprache heute. Besonders war, dass ich als Dschi Dsche-i Wischer lange Zeit anonym geblieben bin. Ich hätte damals schon sehr berühmt werden können, aber wollte den Kindern die Vorstellung von ihrem Dschi Dsche-i nicht nehmen. So versetzt es heute noch Leute in Erstaunen, wenn ich ihnen davon erzähle. Zumeist ist die Begeisterung bei Menschen, die sich an ihre Kindheit zurückerinnern, besonders groß: Manch ein 50-Jähriger hat mir schon erzählt, dass der Wecker jede Früh pünktlich auf 7.00 gestellt wurde, um ja keine Sendung zu verpassen, und als diese dann vorbei war, wurde wieder weitergeschlafen.

Wolfgang Hübsch

Fred Combuse

Fred Schreiber brachte als irrlichternder Koch „Fred Combuse“ ab 1998 Satire und Comedy statt Rezepte auf Ö3. „

Meine ersten Erinnerungen mit dem Medium Radio verbinde ich mit meiner Schulzeit. Neben dem Frühstück habe ich den Ö3-Wecker gehört und die Comedy-Rubrik

„Fred Combuse“ mit dem verrückten Koch war das Signal, auf den Schulweg aufzubrechen. Ich kann mich noch heute daran erinnern, wie enttäuscht ich war, wenn ich einmal eine Folge dieser Comedy versäumt hab, denn es gab damals in den 1990er Jahren noch keine Möglichkeit, die Elemente nachzuhören. Selbstverständlich war ich dann damals auch vor dem TV-Gerät dabei, als der Ö3-Wecker im ORF live übertragen worden ist. Ich bin so lange vor dem Fernseher sitzen geblieben, dass ich viel zu spät in die Schule gekommen bin. Für mich als Jugendlichen waren die Fernsehbilder zur Radiosendung so beeindruckend, dass ich damals den Eindruck hatte, Radiomoderator zu sein ist der absolut beste Job der Welt.

rofessor Kaiser DscheDschi-i Wischer

P„ Im Jänner 2002 das erste Mal on air im ,„Ö3-Wecker“: Der von Gernot Kulis gespielte Lehrer „„Professor Kaiser“ und sein legendärer Spruch „Was is‘ mit Du?“

Die Idee für die Radio-Comedy „Prof. Kaiser“ ist rund um den Schulbeginn entstanden, da war es naheliegend, eine Figur zu erschaffen, die ein ganzes Land vereint. Einen Pädagogen, der Erwachsene an die eigene Schulzeit erinnern lässt und Schülern durch die Überzeichnung Spaß an der Schule vermitteln soll. Zusätzlich war rund um diese Zeit die Pisa-Studie und das schlechte Abschneiden der österreichischen Schüler ein Top-Thema. Die damalige Bildungsministerin Elisabeth Gehrer hat in einem Interview gemeint: „Entscheidend für die Qualität eines Bildungssystems ist die hohe Qualifikation der Lehrerinnen und Lehrer“. Mit der Figur des „Professor Kaiser“ wurde ein ironisches Bild eines österreichischen Schulprofessors gezeichnet, dessen Qualifikationen leider zu wünschen übrig, dafür aber kein Auge trocken lassen. Der Kaiser hat zwar von jedem Lehrer, den ich hatte, das Schlechteste mitbekommen, war aber immer eine sympathische Figur –dafür haben auch die anderen Figuren gesorgt: „Schüler Mayerhofer“, die Streberin aus der ersten Reihe „Jacqueline Monique Swoboda“, der begriffsstutzige Repetent „Hauptmann“ oder Schulwart „Mitsch“. Auf Sendung ging die Comedy erstmals im Jänner 2002, es folgten ein Nummereins-Hit, ein Amadeus Award und über 20.000 verkaufte CDs. Hunderte Folgen Schultherapie für mich und Comedy-Geschichte für das ganze Land.

Gernot Kulis Ö3

Zum Schmunzeln und zum Lachen verführen die Antworten vieler

Passant:innen, denen der Mikromann des Ö3-Weckers auflauert.

Kommissar Leitner

In fast 100 Hörspielen lud Erwin

Gaudernak mit seinem berühmten Format „„Wer ist der Täter“ 1948–1967 zum Mitraten ein.

Am besten war das Radiohören, wenn meine Eltern im Kino waren. Dann hab’ ich meinem Großvater schmackhaft machen können, dass ich Kommissar Leitner in „Wer ist der Täter?“ hören darf. Meine Eltern haben mir das nämlich verboten, weil es so spannend war. Und dann erinnere ich mich an die Sonntagvormittage: Wenn ich nicht kicken war, haben wir immer Heinz Conrads’ „Was gibt es Neues“ gehört.

Herbert Prohaska FUSSBALLSPIELER, TRAINER & KOMMENTATOR

Ö3-Mikromann

Herrn und Frau Österreicher mit Fragen aufs Glatteis zu führen, das ist das Prinzip des „Ö3-Mikromanns“. Zu Ö3 kam ich 1999, damals habe ich als Kellner meinen Gast Hary Raithofer gefragt, ob er nicht lustiger sein kann. Darauf meinte er, ich solle es besser machen und mich bewerben. Später haben Robert Kratky, Peter Dollack und Christian Gartner die Mikromann-Nummer bei Jay Leno gesehen – und nachdem Hadschi Bankhofer das bei „Mahlzeit“ bei Oliver Baier ausprobiert hatte, bin ich drangekommen. Der „Mikromann“ wurde eines der erfolgreichsten Comedy-Formate im Radio. Das Erfolgsrezept war von Anfang an ganz einfach – meine Fragen haben nichts mit Intelligenz oder Wissen zu tun. Reinzufallen kann jedem passieren: vom Lehrling bis zum Manager –und das macht es seit so langer Zeit so unterhaltsam fürs Publikum und für mich.

Tom Walek Ö3

Fritz Hofmeister alias „„Oschuschnig Hanse“: Vom Rundfunksprecher zum „„Telefonierer der Nation“. „

O sch us ch ni g Hanse

Heute ist der „Callboy“ von Ö3, der seine Interviewpartner:innen mit scheinbar banalen Fragen, die es dennoch „in sich“ haben, auf das Glatteis führt, jedem und jeder ein Begriff. Die älteren Generationen erinnern sich vielleicht auch noch an so manches Jux-Telefonat, das mein Vater Fritz Hofmeister führte. In die Radiogeschichte eingegangen ist wohl das Interview aus dem Jahr 1979 mit Bruno Kreisky. Er habe einfach die Nummer seines Büros im Telefonbuch herausgesucht und es dank seiner Hartnäckigkeit tatsächlich geschafft, mit dem damaligen Kanzler höchstpersönlich zu sprechen. Den Versuch, ihn für eine Intervention für ein persönliches Vorsingen als Mitgliedes eines Kärntner Chores in der Staatsoper zu begeistern, wandte der Staatsmann dann allerdings ganz diplomatisch mit den Worten: „Sie müssen mir schreiben“ ab. Dennoch ging Hofmeister damit wohl endgültig als „Telefonierer der Nation“ in die Geschichte ein.

Nach seiner Rückkehr ins Landesstudio Kärnten gab es die Rubrik „Hofmeister telefoniert“ und gemeinsam mit Arno Patscheider wurden die Kunstfiguren „Alois Brettschneider“ und „Hanse Oschuschnig“ aus der Taufe gehoben, die lange Zeit in ganz Kärnten ein Begriff waren. Viele Hörer:innen fragten sich, ob es Hanse Oschuschnig tatsächlich gebe. Auch bei den „Radio Kärnten Wochenenden“, die ab 1986 im ganzen Land

abgehalten wurden, wurde Hofmeister oft danach gefragt, wo sich die in den Sendungen oft zitierte Wohnadresse „Poglintschach Nummer 9“ befinde. Seine Antwort im Kärntner Dialekt lautete darauf: „Bei Maria Rain is a Bam und do ganz schoaf um die Kurve ume, do siehgt ma schon mei Daham.“ Bis heute ist es allerdings niemals gelungen, dem liebenswürdigen Bauern mit seinem unverkennbaren Kärntner Schmäh tatsächlich einen Besuch abzustatten.

Um den Mythos Oschuschnig weiter zu befeuern, ließen ihn die Gestalter:innen der Fernsehsendung „A Gaude muas sein“ sogar gegen Hofmeister auftreten. Es war stets eine liebe- und humorvolle „Keppelei“, wenn die beiden in einem Atemzug genannt wurden. Hofmeister erinnert sich: „Im Radio habe ich als Hofmeister über den Oschuschnig geschimpft und als Oschuschnig über den Hofmeister. Gewonnen hat immer der Oschuschnig. Er war sehr beliebt. Sven Woschitz hat ihn dann auch mit seiner Frau Rikla in der Sendung ,Radiospielwiese‘ auftreten lassen.“

Neben Auftritten im Fernsehen für die „Versteckte Kamera“ und „Vom Glockner bis zur Koralm“ – später „Wenn die Musi spielt“ – blieb er seinem geliebten Radio bis zu seiner Pensionierung treu, zum Beispiel in der Sendung „Redaktion Ratschbergpost“. „Alle Mitwirkenden waren so aufeinander eingespielt, dass die Produktion 1:1 aufgenommen werden konnte. 2017 haben wir die ,Ratschbergpost‘ noch einmal öffentlich gemacht. Wir sind mit den noch lebenden Akteurinnen und Akteuren in Griffen und Tiffen mit viel Erfolg aufgetreten.“

Auch nach seiner Pensionierung ist Hofmeister ein passionierter (passiver) Radiohörer geblieben und verfolgt nach wie vor mit großer Begeisterung die Aktivitäten seiner Nachfolger:innen im ORF mit.

Iris HofmeisterBulgarelli

Die Kennmelodie starte, der Erzähler begrüßt die Hörer:innen und leitet die Sendung ein: „Guten Tag, meine Damen und Herren, grüß Gott in der Taubengasse 18 bei unseren Florianis, wiewohl es im Ganzen eigentlich nicht den Anschein hat, als würde sich heute besonders viel ereignen – denn alles, was ich hier sehe, deutet auf Ruhe und Frieden.“ Jörg Mauthe (1924–1986) leitete beim Sender Rot-Weiß-Rot das „Script-Department“ und war für Sendungskonzeptionen zuständig. Gemeinsam mit Peter Weiser (1926–2012) und Ingeborg Bachmann (1926–1973) erfindet er „Unsere Radiofamilie“. Diese Seifenoper mit Erzähler nach amerikanischem Vorbild sollte von Februar 1952 bis Juni 1960 die Hörer:innen kurzweilig unterhalten.

„Unsere Radiofamilie“ ist im achten Wiener Gemeindebezirk, der Josefstadt, verortet. Die Fünfköpfige Familie Floriani ist kultiviert und höflich. Familienoberhaupt Hans Floriani arbeitet als Oberlandesgerichtsrat und ist mit Vilma verheiratet. Die Kinder Helli (zu Beginn der Serie 16 Jahre alt), Wolferl (zu Beginn der Serie 12 Jahre alt) und das Putschkerl komplementieren die Familie Floriani. Als weitere Figuren treten der jüngere Halbbruder von Hans, Onkel Guido, und seine Frau Liesl (wohnhaft in Purkersdorf) sowie die unverheiratete Haushälterin Rosa Gamsbartl auf. Der beste Freund von Wolferl ist ein Hausmeistersohn und bricht die gutbürgerliche Ordnung etwas auf.

„Unsere Radiofamilie“ wurde erstmals auf dem Sender Rot-Weiß-Rot am 2. Februar 1952 ausge -

strahlt. Zunächst wurde jeden zweiten Samstag um 21.30 Uhr das Familienleben geschildert, ab 7. September 1952 wöchentlich. Die Sendungen dauerten eine halbe Stunde. Das Inkrafttreten des Staatsvertrages bedeutete das Aus des amerikanischen Senders Rot-Weiß-Rot. Die Radiofamilie wurde ins Erste Programm des österreichischen Rundfunks übernommen (von 3. September 1955 bis 20. Juni 1959). Ab dem 3. Oktober 1959 wurde die Radiofamilie im Zweiten Programm samstäglich um 19.30 Uhr gesendet. Am 25. Juni 1960 wurde die letzte Folge der Radiofamilie ausgestrahlt.

Bei den Florianis wussten sich die Hörer:innen gut aufgehoben, es passierte immer etwas, aber nichts Schlimmes. Das Versprechen vom guten und freundlichen Familienleben wurde stets eingehalten und auch der Erzähler versicherte etwa in Folge 142: „Immerhin, der Abend ist gut vorbeigegangen“. Man könnte diese Darstellung des Familienlebens (ein Friseurbesuch, Helli maturiert, das leidige Haushaltsgeld, ein DorotheumsBesuch) als Form der politischen Aussparung interpretieren. Aber das Private ist politisch. Peter Weiser betonte die indirekte politische Wirkung der Sendung,

„ „

Gruppenfotografie der Beteiligten an der Rundfunksendung „Die Radiofamilie“, Foto: Yoichi R. Okamoto, 1954, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

351 Folgen lang war die erste Hörspiel„Seifenoper“ Österreichs. Gutbürgerlich und gesittet wurden hier noch Konflikte in der „idealen“ Familie ausgetragen.

es war ein Identifikationsangebot und sollte die wiedergewonnene österreichische Identität festigen. Unter der unterhaltsamen Oberfläche klang die Nachkriegszeit durch, so stellte Rosa Gamsbartl in der Folge 142 beiläufig fest „es ist schrecklich, wie haltlos die Menschen heutzutag’ sind“. Onkel Guido war ein ehemaliger Nazi, ein Mitläufer. Die Besetzung der Radiofamilie war prominent: Hans Thimig (als Hans Floriani), Vilma Degischer (als Vilma Floriani), Helli Servi (als Helli Floriani), Wolf Harranth (als Wolferl Floriani), Guido Wieland (als Onkel Guido), Elisabeth Markus (als Tante Liesl), Gisa Wurm (als Rosa Gamsbartl). Alfred Böhm lieh seine Stimme dem besten Freund vom Wolferl, dem Holzinger. Peter Gerhard war der rahmende Erzähler. Die Manuskripte wurden mit Wachsschablonen vervielfältigt. Es wurde eine Leseprobe gemacht. Bei der Aufnahme waren Regie (Walter Davy, 1924–2003), Regieassistenz, Tontechniker und Toningenieur dabei. Peter Gerhard hat seinen Text zuerst eingesprochen. Danach folgte die Aufnahme der restlichen Sendung, zumeist ein One Take. Der Erzähler resümierte jede Folge und verabredete sich mit den Hörer:innen für die nächste Woche. Das österreichische Publikum hat diese Einladung gerne angenommen und die Familie Floriani acht Jahre lang treu begleitet.

Der Darsteller des Wolferls, Wolf Harranth (1941–2021), ist mit der Radiofamilie aufgewachsen. Auch privat ist er in einer Radiofamilie groß geworden, sein Vater Harry Harranth (1900–1962) arbeitete ab 1945 bei Radio Wien in der „Kinderstunde“ (als „Hiaslbauer“) und war bis zu seinem Tod im Österreichischen Rundfunk als Moderator beschäftigt. Dem Rundfunk verbunden, bis zuletzt, blieb auch Wolf Harranth. Er hatte ein reichhaltiges Berufsleben: Er war in Personalunion Kinderbuchautor, preisgekrönter Übersetzer und Medienjournalist für Radio Österreich International. 2006 habe ich ihn kennengelernt, er hat immer gerne Geschichten vom Rundfunk erzählt. In der vierten Folge „Unserer Radiofamilie“ berichtet Wolferl über zwei seltene Winterhilfsmarken von 1937. Er stößt auf Unverständnis und ruft aus: „Sammeln, sammeln, Tante Liesl … das sind ja Wertgegenstände. Daß du das nicht weißt!“ Am 26. April 1984 gründete Harranth das Kuratorium QSL Collection, am 25. Mai 1994 das Dokumentationsarchiv Funk. Der Verein mit mehreren Trägerorganisationen (der ORF ist eine davon) sammelt und pflegt die Amateurfunk- und Rundfunkgeschichte. Die QSL Collection und DokuFunk feiert 2024 Jubiläum. Paulina Petri und Christoph Hubner führen die Arbeit von Wolf Harranth engagiert fort, damit auch zukünftig im DokuFunk über die Vergangenheit des Mediums geforscht werden kann.

Rolf Rüdiger

Eine Ratte als FernsehderRadiostar,und Kinder und später Erwachsene gleichermaßen begeistert.

Rolf Rüdiger (außerhalb der Sendung: Stefan Gaugusch) und mich kannte das Publikum schon früh aus dem legendären „Confetti TiVi“ im ORF. Dort war die Ratte Rolf Rüdiger von 1994–2008 der geniale Sidekick vom Maskottchen Confetti, und ich präsentierte im Moderatorenteam unterschiedliche Sendungsformate. Immer wieder trafen wir in den Fernsehshows in der „Confetti Town“ und bei „Confetti auf Tour“ aufeinander. Auch bei Hitradio Ö3 war ich 1994/95 als Moderator des sonntäglichen „Ö3 Kinderwecker“ tätig.

2005 bekam ich dann von „Radio Wien“ die Aufgabe, an den vier Adventsonntagen eine Sendung mit Kindern und für die ganze Familie zu gestalten. Ich präsentierte gemeinsam mit Rolf Rüdiger „WOW, die Rätselshow“, wobei WOW für „Wissen, oder was?“ steht. Kinder können live im Radio anrufen um eine Rätselfrage zu stellen. Schaffen es die beiden, das Rätsel innerhalb von nur einer Musiknummer zu lösen? Die Sendung wurde zum Erfolg und seitdem laufend ausgebaut! 2024 geht es mit „WOW“ bereits ins 20. Jahr. Zusätzlich unterhalten die Ratte und ich seit nunmehr fünf Jahren auch das erwachsene „Radio Wien“-Publikum, mit der täglichen Retro-Spieleshow „Extra WOW – die 2 um 2“!

Die Erfindung von Rainer Rosenberg bellte als Kinderprogramm von 2.1.2003 bis 2023 von Montag bis Freitag zwischen 15.55 und 16.00 Uhr auf Ö1. Christine Nöstlinger, die u. a. Dschi Dsche -i Wischer erfunden hat, schrieb zusätzliche Episoden mit Rosi und dem Tonmeister.

Nein, es war keine erste prägende Radioerfahrung nur für mich. Dafür bin ich zu alt. Aber der erste Fall einer sehr schönen Art des Radiohörens: gemeinsam – noch dazu mit einem, dem eigenen Kind. Meine Tochter muss fünf oder sechs gewesen sein. Und natürlich schon vorher dabei, wenn das Radio lief. Aber an diesem Nachmittag war’s ein bewusstes Hinhören, bei einem von Rudis Gesprächen mit der Rosi und dem Tonmeister – über

Häuptling Sausewind

Radio Vorarlberg kreierte eine regional für Furore sorgende Kultfigur, die für Humor mit politischem Tiefgang stand.

Matthias Neustädter, stellvertretender Programmchef von Radio Vorarlberg, schickt mich an einem verregneten Samstagvormittag im Mai 2002 nach Bregenz. Mit dem Montfortwappen auf meiner Brust, gemalt von meiner Cousine, stehe ich vor dem Landhaus und murmle meinen Text. Ich friere, habe blaue Lippen, schwarze Wimpern, rote Kriegsbemalung im Gesicht, bin noch etwas grün hinter den Ohren und spüre als Parodie auf den 1997 gewählten Landeshauptmann Sausgruber zum ersten Mal die soziale Kälte in diesem Land als freier Mitarbeiter eines Medienunternehmens. Was in Niederösterreich oder in Kärnten damals unvorstellbar war, geht in Vorarlberg, weit weg von Wien, am 16. Mai um zehn Minuten nach sieben auf Sendung. Das schwarze Vorarlberg regte sich darüber auf, dass man so etwas mit einem Landeshauptmann nicht machen könne, das oppositionelle Vorarlberg regte sich darüber auf, dass der Landeshauptmann so oft im Radio redet. Allen Leuten recht getan, ist eben eine Kunst, die niemand kann.

konzipiertedieSendung „DasTräummännleinkommt“.

Am 5.9.1955 gestartet, war es über 40 Jahre lang für Generationen junger Österreicher:innen ein Fixtermin vor dem Schlafengehen: Das , die Nachfolge von “. Im Podcast auf SOUND feiert die Gute -Nacht -Geschichte für Kinder ein Comeback mit den Geschichten von Christian Hanak aus 2021. Im Radio war das auch ein Arbeitsplatz …

Ich bezeuge: In den dreißig Jahren meiner Tätigkeit als Journalmoderator wollte kein Vorgesetzter, kein Chefredakteur meine Texte sehen oder gar beeinflussen, bevor ich sie auf Sendung brachte. Und auch danach hielten sich die professionellen ChefKommentare in erträglichem und meist gerechtfertigtem Rahmen.

Einige Jahre davor erlebte ich allerdings doch Vor-Zensur im ORF, zumindest in einem Fall. Ich war da in den späten Sechzigerjahren, als Student und freier Mitarbeiter, irgendwie in die erlauchte Autorenriege für die „Traummännlein“-Sendungen von Radio

„Guten Abend, Kinder …“ sagte damals die Stimme von Peter Gruber, der den allerersten „Traummännlein“-Sprecher Herbert Lenobel abgelöst hatte. Den hatte der ORF angeblich vor die Wahl gestellt: Entweder Schluss als eine der meistbeschäftigten Werbe-Stimmen seiner Zeit – oder Schluss als Traummännlein. Der nachmalig wohl berühmteste Autoren-Kollege aus dieser Zeit war übrigens ein gewisser Thomas Brezina.Eine meiner Nach-wie-vor-Lieblingsgeschichten aus eigener Feder hatte ich aus einem damals gängigen Witz weitergesponnen. Beim Kleinwagen „Puch 500“ solle man nie die Seitenfenster offenlassen, so ging der Witz, weil die Leute sonst irrtümlich ihre Briefe in den vermeintlichen Postkasten werfen würden. Ich erfand also einen echten Briefkasten, der mit seinem Job draußen in der neuen, noch kaum bewohnten und „faden“, Stadtrandsiedlung unzufrieden war. Er machte dem Postler mit seinem Postauto das Leben schwer, indem immer irgendetwas klemmte. Bis ihm das Postauto die Leviten las: Als Beamter hätte er geduldig seinen Dienst zu tun; dann würde er (wie seinerzeit angeblich auch das Auto) zum Postauto befördert werden, vielleicht sogar zum großen Paketwagen. Unser Briefkasten nahm sich das zu Herzen – aber: „Auf seine Beförderung“, so endete meine Geschichte, „wartet er noch heute.“ Marga Frank, die legendäre Leiterin des Wiener „Kinderfunks“ damals, bat mich in ihr Büro und sagte: „Lieber Werner, so zynisch kannst du mit den Kindern nicht umgehen!“, und sie forderte ein Happy End. Ich sah ein: Das Argument, man müsse die Kinder aufs „wirkliche“ Leben vorbereiten, würde hier nicht ziehen. In der Endfassung der Geschichte sah der aufmüpfige Briefkasten dann ein, dass er eigentlich ein Pionier war, dem dann auch immer mehr Erwachsene und Kinder ihre Briefe und Postkarten anvertrauten.

Soweit mein – eidesstattliches – Beispiel für Zensur im ORF.

Werner Löw „MITTAGSJOURNAL“

Watschenmann

Dieser Klassiker des österreichischen RadioKabaretts war 1950—1955 und von 1967—1974 jeweils Sonntagvormittag zu hören.

Ich bin in Kärnten aufgewachsen, wo man auf Wien immer gerne ein bisschen verächtlich hinabgeblickt hat– eine Eigenschaft, die vor allem jenen zukam, die Wien kaum je gesehen oder erlebt hatten. Aber mein Vater war anders. Er hatte in der unmittelbaren Nachkriegszeit in Wien studiert, er hatte zeitweise als Hilfsarbeiter bei den Steinmetzen am Wiederaufbau der Albertinarampe mitgewirkt, und wenn er frühmorgens beim Rasieren gut aufgelegt war, dann trällerte er das „Fiakerlied“. Ihn zeichnete eine für Kärnten durchwegs unübliche Wienliebe aus, die sich auch auf uns Kinder zu übertragen begann. Gebannt hörten wir zu, wenn am Sonntagvormittag der „Watschenmann“ mit unverkennbar wienerischer Färbung ertönte. „Na, da gehn’s halt in den Prater, watschn’s durt den Watschenmann …“ – die Signation zu dieser Urform der Radio-Comedy ist für mich bis heute ein Ohrwurm geblieben. Die Engelchen mit ihrem Halleluja-Chor, die Teufelchen, der Kalif, der unerkannt durch seine Stadt spaziert – sie alle hatten ihre fixen Rubriken, und bis heute fällt mir angesichts so mancher heimischen Absurdität der damals so legendäre Spruch ein: „Ja, in deinem Land, du edler Fremder. Aber bei uns in Bagdad …“

Peter Fritz

Ein Comedy -Format für Ö3 ließ ab 1997 jahrzehntelang einen Superhelden im Kampf gegen die „„Schurken“ durch den Äther fliegen.

Der Vignettenman wurde 1997 in einer Badewanne geboren: Die Challenge war, etwas zu erfinden, was aus landesweitem Ärger – und der war damals der neuen Autobahnmaut in Form eines verpflichtenden Pickerls auf jedem KFZ geschuldet – landesweit Lachen macht. Irgendwann zwischen dem Lesen von Comics und Zeitungen und der vollstän digen Auflösung im Badewasser flog mir schließlich die Figur eines ebenso peinlichen wie liebenswerten Antihelden durch den Kopf, der die Probleme der Welt mit dem Aufkleben einer Vignette löst. Sein Kampfslogan „Hahaa Schurkenpack!“ wurde in unzähligen Folgen dieser Ö3-Comedy in ganz Österreich zum geflügelten Wort und auf vielen Autos im Land pickte der „Ö3 Vignettenman“-Kleber … und der klebte da mitunter haltbarer als die eigentliche Autobahnvignette. Schließlich wurde er auch noch in der damals populärsten Fernsehshow „Wetten dass..?“ zum Mittelpunkt einer „Saalwette“ gewählt, und so landete ich (das Kostüm mussten wir kurz vor dem Auftritt einem als Vignettenman verkleideten Fan abkaufen) plötzlich neben Thomas Gottschalk live im Fernsehen. Die Serie machte aus dem „Ö3-Wecker“ quasi über Nacht eine Comedyshow und öffnete mir über fast ein Jahrzehnt die Türe für weitere Serienhits im Radio wie „Oma Raithofer & Opa Kratky“ (die imaginären Großeltern der damaligen Moderatoren der Sendung), die „Ö3 Weckercombo“ (als Studioband), den „Ö3 Mikromann“ (bis heute mit Tom Walek on air, den wir als Kellner in einem Wiener Café entdeckten) und viele andere Comedys im Radio, bis ich mich wegen schwerer Stimmbandprobleme (ich schrieb diese Serien nicht nur, sondern sprach auch fast alle Rollen selbst) mehr in den Hintergrund als Gestalter der Sendung verlegte, bevor ich sie 2004 als Hauptmoderator übernehmen durfte … und das tat ich so, wie mein einstiger Antiheld Vignettenman selbst: „… ohne Furcht & ohne Hirn“ ;)

Robert Kratky

Wruki

Mit speziellen Kinderformaten wollte das neue Medium schon von Anfang an für eine junge Zielgruppe etwas bieten. Wruki wurde als Maskottchen der Bastelsendungen eingeführt.

Nach fünf Jahren RAVAG stellte sich Oskar Grissemann den Kindern vor: „Gar manche Tante und manchen Onkel habt ihr schon bei Radio Wien. Die Musiktante, die Märchentante, den englischen, französischen, den italienischen und den Theateronkel und nun bekommt ihr einen neuen Onkel –  den ‚Bastleronkel‘.“ Weiters hieß es: „Ihr lernt die verschiedensten Werkzeuge kennen und handhaben, ihr macht die Bekanntschaft mit allerlei Materialien und Werkstoffen […], ihr lernt viel und vielerlei, was euch später einmal von Nutzen sein wird.“ Zur Sendung gab es Bastelanleitungen in der Zeitschrift Radio Wien und, anfangs einmal pro Woche nachmittags, Preisausschreiben und Ausstellungen. Die Einsendungen zeigte man im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie, dem heutigen MAK. In Wien fanden sich über 22.300, in Graz zirka 23.000 und in Linz zirka 12.000 Besucher:innen ein. Den Erfolg würdigte man im Jahresbericht der RAVAG. Zur Preisausschreiben-Preisverleihung lernten die Gewinner 1930 „Wruki“ kennen. Ein Foto davon erschien Jahre später nochmals im Zehnjahres-Jubiläumsheft. Man konnte Wruki bauen oder kaufen. Grissemanns Bastelkurs lief nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich zumindest bis 1943 weiter. Während der NS-Zeit war er Leiter der Werkschule des Luftgaukommandos XVII und hatte einen entscheidenden Anteil an der Spielzeugschau der Luftwaffe im „Kaufhaus der Wiener“. Er blieb bis zu seinem Tod am 02.12.1952 dem Basteln, abseits vom Radio, beim „Wiener Kurier“ treu. Im Radio gab es in der RAVAG nach 1945 das Basteln mit Otto Mallat, während die Sendergruppe West die Sendereihe „Bastel-Wastl“ ausstrahlte.

K APITEL 3

DER Magie Musik

„Everything I had to know I heard it on my radio“ singt Freddie Mercury für „The Queen“ in „Radio Gaga“. Tatsächlich war die drahtlose Tonübertragung zu Anfang als Informationsmedium gedacht, sogar fürs Militär, brachte Schlagzeilen und berichtete von Wetter, Börse und Politik. Aber schon die ersten Stunden der RAVAG machten deutlich: Die Macht der Musik , sie hat im Radio einen idealen Transportweg gefunden. Die ersten Klänge am 01.10.1924 waren noch rabiat nationalistisch, das Orchester Silving spielte nur Wagner. Doch schon das erste Programmmonat bestand zum Großteil aus Salonmusik. Heute schallen Schlager, Pop, Rock, Jazz, Klassik, Rap, Beat und viele Töne und Rhythmen mehr aus den Empfangsgeräten. Radio, das ist Musik in vieler Ohren.

Vinyl wie hier im Bild, Band, CD oder EDV: Die Träger der Musik haben sich übers Jahrhundert geändert, ihre Magie ist geblieben.

„Made a lightenin’ trip to Vienna, eating choc’late cake in a bag.“
Die Ballade von John&Yoko (2010)

Hand in Hand, beide in weißes Leinen gekleidet, kamen sie über die Gangway der KLM-Maschine auf die Journalisten zu und sangen den Donauwalzer. Es war der 31. März 1969, und sie galten als das berühmteste frisch getraute Ehepaar der Welt. Noch am Vortag waren die Bilder ihrer Bed-in genannten Happening-Pressekonferenz aus der Schlafstadt im Amsterdamer Hilton Hotel von TV-Stationen auf allen Kontinenten verbreitet worden. Dann entschieden sie, Wien zu besuchen, um bei der Premiere des Films „Rape“ anwesend zu sein, den die beiden auf Einladung des ORF erdacht und inszeniert hatten. (Eine cineastische Erzählung, in der sie ihr eigenes, pausenlos von den Medien Gejagtwerden auf eine willkürlich ausgesuchte junge Frau übertrugen, die sie so lange von Kameras verfolgen ließen, bis das Opfer tatsächlich einen massiven Nervenzusammenbruch erlitt.)

Im Hotel Sacher bezogen sie die Suite mit der Nummer 101 und kündigten für Punkt siebzehn Uhr eine Pressekonferenz im roten Salon des ehrwürdigen Hauses an. Die Defregger-Gemälde des Raumes wurden sicherheitshalber demontiert und üppig durch Kartontafeln mit handgeschriebenen Worten, wie „Bagism“, „Peace now!“ oder „Grow your hair!“ ersetzt. Internationale Fernsehteams, Fotografen und Radioabgesandte drängten sich in Vorfreude auf irgendetwas, zumindest in Wien noch nie Dagewesenes, hoffentlich Skandalöses. Ich war, wie schon am Schwechater Flughafen, als Reporter der Ö3-„Musicbox“ vor Ort.

Jetzt huschte ein waberndes Gespenst in den Raum, ein ständig die Form wechselndes, stoffumhülltes Gebilde, das sich vor den Kameras und Mikrofonen niederließ. Das Rätsel entschlüsselte sich nach etwa einer Minute durch die Verlautbarung: „Ladies and Gentlemen, Mr. and Mrs. John Lennon in a bag“, aber „the bag“ war gar kein Sack, sondern ein profanes Sacher-Leintuch, durch das hindurch die beiden Herrschaften, durch das hindurch die beiden Herrschaften vor allem meine Fragen beantworteten, da ich glücklicherweise direkt neben ihren verdeckten Köpfen postiert war. Die turbulente und bizarre Szene kann man sich übrigens in der Dokumentation „Imagine“, die nach Johns Ermordung in die Kinos kam, ausführlich zu Gemüte führen. Über Ruhm, Liebe, Geld sprachen wir, und zum Thema Queen fiel eine Bemerkung, die in den nächsten Tagen vor allem in Großbritannien und dem Commonwealth für Schlagzeilen sorgte: „Wir denken fast nie an Elisabeth mit ihrer Krone. Wir haben bereits jetzt mehr Positives für den Frieden getan, als sie jemals zu tun imstande sein wird.“

Der Spuk fand nach etwa zwanzig Minuten sein Ende, ohne dass irgendjemand die Objekte der Begierde zu Gesicht bekommen hätte, denn sie krabbelten auch nach Abschluss der Audienz im Vollkörperschutz des

Leintuchs wieder aus dem Salon, um mit dem Lift auf ihr Stockwerk zu entschweben. Das Ganze war, wie in Österreichs Hauptstadt gesagt wird, eine Mordstrumm Pflanzerei, und einige von weither angereiste Berichterstatter äußerten schreiend ihren Unmut. Ich stand noch einige Zeit Zigarillo rauchend im Raum, als ein Herr auf mich zutrat, sich als Manager von John Lennon zu erkennen gab und mich mit der Mitteilung überraschte, dass John und Yoko mich am folgenden Vormittag gerne auf ihrer Suite zu einem ausführlichen Gespräch empfangen würden. „You will have breakfast together. Bring your recording equipment. They want to have a serious conversation.“ „Why me?“, fragte ich. „They liked your questions.“

Das Datum des folgenden Tages war der erste April. Dies machte meinen Freund Alfred Treiber, der das „recording equipment“ handhaben sollte, bezüglich der Seriosität der spektakulären Einladung etwas unsicher. Wie verabredet, klopften wir gegen 9 Uhr 30 an die Zimmertüre der Suite 101, und als auch nach ins gröbere Pumpern übergegangenem Lärm kein „Herein!“ zu hören war, wagten wir es, die Klinke herabzudrücken. Man hatte wundersamerweise nicht abgesperrt. Beim Eintreten riefen wir „Good Morning!“ und „Hello!“, aber nichts und niemand rührte sich. Mittlerweile befanden wir uns im Salon der Suite. Die Tür zum Schlafzimmer stand sperrangelweit offen. Wir traten näher. In einem gold-grünen Rokoko-Bett sahen wir Mr. und Mrs. Lennon in tiefem Schlaf. Das schöne Gesicht von Yoko war von schwarzleuchtenden Haaren umrahmt, und ihre rechte Hand wirkte mit zwei ausgestreckten Fingern, als ob sie gerade im Traum einen Schwur leistete. Er, halb abgedeckt, trug einen blau-weiß gestreiften Pyjama, wie ein Häftling. Auf dem Nachtkästchen lag ein Buch des Dichters Allen Ginsberg und drauf die randlose Nickelbrille mit den runden Gläsern. Ich flüsterte zu Alfred Treiber: „Wecken wir sie mit der Bundeshymne.“ Er nickte und schon intonierten wir ,Land der Berge, Land am Strome‘. Bei dem Reimwort Dome fuhren die beiden mit Vehemenz in die Höhe. Sie stieß einen schrillen Schrei im japanischen Heimatidiom aus, und er, so banal es uns stets nach unsterblichen Aussprüchen legendärer Figuren Dürstende heute vielleicht auch anmuten mag, sagte mit belegter Morgenstimme nichts als: „Oh my God!“ Ich erklärte rasch, dass wir die vom Manager zum Frühstück Gebetenen seien. Dann verließen wir mit einigen Bücklingen, diskret die Schlafzimmertür hinter uns schließend, die Intimsphäre des Paares.

Eine Viertelstunde später brachten zwei Etagenkellner, vorsichtig geschätzt, etwa ein Viertel aller auf der Roomservice-Karte angebotenen Speisen und drapierten diese auf diversen Tischen und Servierwagen. Nach weiteren zehn Minuten erschien das „divine couple“. Nun aßen wir Ham and Eggs, Suppen, Sachertorte, Schnitzel und Porridge, gemischten Aufschnitt, Spaghetti und Obst in anarchischer Reihenfolge. Yoko öffnete bald die Fenster, um den Raum wegen des penetranten Essensgeruchs zu durchlüften. Zunächst ergab sich ein

Aus der Doku „John Lennon – Behind the music“

Gespräch über die vom Frühstückstisch gut sichtbare Staatsoper und über die Bedeutung der ebenfalls nahen Graphiksammlung Albertina. Yoko wollte daraufhin wissen, wie es um die zeitgenössische Avantgarde der bildenden Kunst in Österreich stehe, John, ob es in Wien eine ähnliche Rotlicht-Meile wie in Hamburg gebe. Dann baute Alfred Treiber sein Mikrofon und das Uher-Magnetophon auf, und das legendäre, fast eineinhalb-stündige Streitgespräch begann. Legendär ist es für Treiber und mich deshalb, weil es niemals gesendet wurde, und um die diesbezügliche Schande des ORF ins Chimborazohafte zu steigern, gingen auch im Laufe der Jahre die Tonbänder verloren oder irgendein Nebochant hat sie gelöscht. Aber dies ist eine andere Geschichte.

Soweit ich mich an Details erinnere, ereiferte John sich über Rüstungswahn, den Vietnamkrieg, Gier und die Ausbeutung der Dritten Welt. Er forderte auch mehr Rechte für die Frauen, und ohne Vorwarnung schrie Yoko zwischendurch immer und immer wieder, solange ihr trainierter Atem reichte: „Peeeeaaaaace!“ Ich empfand das Geschehen als weitaus weniger ungewöhnlich als etwa die Materialaktionen, die Otto Muehl und Günter Brus, einmal sogar im Keller meines Hietzinger Elternhauses, schon Jahre zuvor durchgeführt hatten, aber als John mir eine Fotografie seines Wohnzimmers zeigte, in dem es vom Stuhl bis zur Uhr und vom Klavier bis zum Wandbild ausschließlich sorgfältig halbierte Gegenstände gab, war ich doch beeindruckt. Anschließend halfen Alfred Treiber und ich dem Paar noch beim Kofferpacken, denn für den Nachmittag war ihr Abflug nach London gebucht.

letzte Adresse. John bewegte stumm die Lippen, als würde er zu sich selbst sprechen oder beten. Dann tänzelte er beinahe verlegen über den Kies und suchte mit den Augen die Umgebung ab. Plötzlich gab er mir einen sanften Boxhieb auf die Brust und wiederholte ungläubig die Namen, die im Umkreis von etwa zwanzig Metern an unterschiedlichen Grüften in Marmor gemeißelt waren: „Mozart, Beethoven, Hugo Wolf, Johann Strauß Sohn und Vater, Johannes Brahms, Christoph Willibald Gluck.“ Ich ergänzte: „Ein Stück weiter ist noch die Ruhestätte von Arnold Schönberg.“ „Was für eine aberwitzige Versammlung“, sagte er. „Ja“, antwortete ich, „in musikalischer Hinsicht ist hier am Tag der Auferstehung der Nabel der Welt.“ Dann bückte John sich, zog den Schnürsenkel aus seinem rechten Schuh und legte ihn mit der Bemerkung „statt Blumen“ auf Schuberts Grab. Eine dreiviertel Stunde später enteilte die Maschine mit der Fluxuskünstlerin und dem Beatle über das Rollfeld in den eisgrauen Himmel. Es war John Lennons erster und letzter Besuch in Wien.

André Heller KÜNSTLER

AUS DEM BUCH „WIENEREIEN“ VON ANDRÉ HELLER, ERSCHIENEN IM BRANDSTÄTTERVERLAG

Ich weiß nicht mehr, wie es kam, dass die beiden Liebenden getrennte Limousinen benutzten und John mich einlud, bei ihm einzusteigen, während sein Manager schützend Yoko begleitete. Nun geschah das für mich Unvergeßliche: Wir fuhren über die Simmeringer Hauptstraße in Richtung Flughafen. Als wir uns dem Zentralfriedhof näherten, erklärte ich, dass hier Franz Schubert, der wohl bedeutendste Liederkomponist vor Lennon – McCartney, liege. „Ich will ihn besuchen“, sagte John. Wir hielten am Tor 2 und liefen, weil die Zeit drängte, durch die Hauptallee bis zu jener Stelle auf der linken Seite, die den Blick auf ein Rondeau mit Ehrengräbern freigibt. Ich deutete auf Schuberts

„Bed-in“ 1969 – John Lennon und Yoko Ono geben eine ungewöhnliche Pressekonferenz im Hotel Sacher. Unter einer Decke versteckt beantworten sie die Fragen der Journalist:innen. © ORF

Eine Dunkelkammer ist ja ein besonderer Ort um Radio zu hören. Mit meinem Jugendfreund vergrößerte ich gerade SW-Photos, als zur vollen Stunde der Nachrichten-Gong ertönte. Aber anstatt dem üblichen Nachrichtensprecher folgten die ersten Takte von „Imagine“. Schlagartig wussten wir, dass etwas Außergewöhnliches geschehen ist. Es war der 8. Dezember 1980, John Lennon war in New York ermordet worden. Ich habe diese innere Aufregung immer noch in meinen Knochen, wenn ich diesen Song höre.

Weihnachtsmomente auf Ö3

Alle Jahre wieder kommt der 24. November. Tag X für die Operation Wham! Einen Monat vor dem Heiligen Abend fragt Weckermoderator Robert Kratky die Ö3-Gemeinde, ob sie heute schon „Last Christmas“ hören will. Und ja, die Antwort ist immer dieselbe: Eine überwältigende Mehrheit will. Sehr zur Freude von George Michaels Erben, denen der Song jedes Jahr zur Adventzeit aufgrund massiven Airplays und Streamings einen Geldsegen von rund neun Millionen Euro unterm Christbaum beschert. Zu Lebzeiten hat George Michael seine schönsten Weihnachten wohl im Jahr 2011 in seinem eigenen Zuhause in London gefeiert. Einige Woche davor hat der britische Superstar im Wiener AKH noch um sein Leben gekämpft. Dass er die schwere Lungenentzündung überlebt hat, hatte er den besten Spezialist:innen Europas zu verdanken. Beim erneuten Start der „Symphonica“-Tour sind die ersten Reihen in der Wiener Stadthalle für 300 Mitarbeiter:innen des AKH reserviert. Eingeladen von George Michael höchstpersönlich, der dann bei seinen Dankesworten auf der Bühne in Tränen ausbricht. In den Ö3 Austria Top 40 ist „Last Christmas“ ein Spätzünder: 2022 schafft es der Song erstmals an die Spitze. Bis dahin war Mariah Carey mit „All I Want for Christmas Is You“ die unangefochtene Queen of Christmas. Es ist in schwierigen Zeiten der Kriege und Krisen offenbar der gesteigerten Sehnsucht nach Geborgenheit, Familie und heiler Welt geschuldet, dass sich auch bei den jungen Menschen alte Weihnachtsklassiker zunehmend größter Beliebtheit erfreuen. Die letzte Wertungswoche des vorigen Jahres war ein einziger akustischer Adventkalender: Auf den ersten 24 Plätzen nur Weihnachtslieder, so viele wie nie zuvor. Weihnachten auf Ö3 ist aber nicht nur Pop. Am 24. Dezember versetzt „Radio Christkindl“ mit einem Mix aus traditonellem Liedgut und zeitgemäßen Weihnachtssongs das ganze Land in eine Vorfreude auf ein hoffentlich schönes und besinnliches Fest. Und am Ende jeder Stunde läuft dann immer verlässlich „Stille Nacht“, interpretiert von den unterschiedlichsten Acts aus den unterschiedlichsten Genres. Sorry Falco. „Stille Nacht, heilige Nacht“ ist der größte Welthit, der es je aus Österreich heraus geschafft hat. Die Komposition von Franz Xaver Gruber mit dem Text von Joseph Mohr, die 1818 in der römisch-katholischen Kirche St. Nikola in Oberndorf bei Salzburg ihre Uraufführung gefeiert hat, ist bei jedem Airplay ein Garant für Gänsehautmomente. Benny Andersson von ABBA, dem auch ein gewisses Gespür für große Melodien nicht abzustreiten ist, hat erst jüngst in einem Interview gemeint, dass er wünschte, er hätte dieses Lied geschrieben. Mit seiner Familie in Schweden singt er es jedes Jahr voller Freude unterm Weihnachtsbaum. So wie Millionen Menschen auf der ganzen Welt auch. A cappella oder aber gerne auch mit musikalischer Unterstützung aus dem Radio. In Österreich bieten sich da ganz besonders die Wiener Sängerknaben an. Die wohl schönste Version von allen. Und jedes Jahr auf Ö3 wieder ein besonders emotionaler Radiomoment zu Weihnachten. Verlässlich wie das Christkind.

24.12. 2020, 16h57. Weihnachten mit Ö1. Funkhaus Wien. Corona. Mittendrin.

Akkordeonist

Otto Lechner ist zu Gast und wird „Stille Nacht“ live spielen. Die Sache ist ein wenig aufregend, denn er soll rechtzeitig vor den Nachrichten fertig sein, punktgenau um 16h59′55″. Er sagt mir, er brauche genau 2 Minuten 30. Ich moderiere also genau bis 16h57′25″. Doch Otto Lechner fängt nicht gleich an zu spielen, sondern macht noch eine elaborierte Ansage! Und ich denk mir: Gut, geht sich’s halt nicht aus, dann blenden wir die Livemusik eben aus. Schade, aber nicht so schlimm. Doch Otto Lechner, der blinde Musiker, der auf keine Uhr schauen kann, der wohl auch nicht genau weiß, wie lange er jetzt gerade gesprochen hat, spielt, seelenruhig und seelenvoll, und am Schluss macht er sogar noch eine kleine Verzierung, und, keine Ahnung wie das geschieht, es geht sich auf die Sekunde genau aus. 16 Uhr, 59 Minuten und 55 Sekunden. 5 Sekunden Stille. Stille Nacht. Und dann die Nachrichten. Unvergesslich.

Das war ein Riesenerfolg, wie beim Fußball. Als hätten wir’s gewonnen. Wir waren mit „Baby Blue“ und „Hollywood“ über ein ganzes Jahr abwechselnd auf Platz eins und Platz zwei der Ö3-Hitparade. Kistenweise haben die Leute, damals noch per Postkarten-Voting, für uns abgestimmt. Das gibt’s heute gar nicht mehr. Manchmal treffe ich Leute beim Einkaufen, die zu der Zeit mitgeholfen haben und die noch immer stolz darauf sind, was wir erreicht haben. Das stärkt mich immer noch. Erst vor Kurzem habe ich im Auto den „Radio Holiday“Jingle auf Ö3 gehört, den wir vor 40 Jahren eingespielt haben. Sowas berührt mich dann einfach und ich bin dankbar, denn der ORF war für uns wie ein Lebensfaktor und hat uns wahnsinnig viel geholfen.

Am 21. Juli 1981 war ich den ganzen Tag aufgeregt. Plácido Domingo debütierte in der Titelrolle der Oper „Otello“ von Giuseppe Verdi bei den Bregenzer Festspielen. Ich war in Wien und konnte nicht nach Bregenz reisen. Alles hätte ich gegeben, um live dabei sein zu können. Und dank Radio konnte ich live dabei sein. Vor der Stereoanlage sitzend, die Kopfhörer am Ohr – unendlich begeistert. Ich erinnere mich sogar noch an das Pauseninterview. Bei jeder Übertragung der Bregenzer Festspiele aus dem Festspielhaus, die Premieren werden bis zum heutigen Tage live übertragen, denke ich beglückt an diesen Abend.

BREGENZER FESTSPIELE

Seit seiner Etablierung vor 100 Jahren ist das Radio über viele Generationen hinweg ein Tor zur Welt. Ich genieße es, dank des Radios weltweit an vielen Konzerten und Opernproduktionen teilhaben zu können, die ich persönlich aus zeitlichen Gründen nicht besuchen kann. Das Radio kann einen aber natürlich auch umgekehrt mit der Heimat verbinden: In Bayreuth aufgewachsen, freue ich mich jedes Mal, wenn eine Opernaufführung vom „Grünen Hügel“ übertragen wird. So kam es, dass ich zum Beispiel bei einem Radausflug auf der Donauinsel Christian Thielemanns „Lohengrin“-Interpretation hörte. Obwohl physisch in Wien, wo ich seit vier Jahren daheim bin, gingen meine Gedanken auf Reise – das Radio macht’s auf wunderbare Weise möglich!

Elisabeth Sobotka

Ich muss so um die 13, 14 Jahre alt gewesen sein, saß mit ausgestreckten Beinen auf meinem Bett in meinem Jugendzimmer in meiner Glockenhose (Zeichen von „ich will dabei sein“) und meinen langen Haaren (damals schwerer Protest gegen alles, was die Eltern empfahlen) und war todunglücklich. Ich hasste das Elitegymnasium, in das ich gehen musste, weil meine Großmutter es bezahlte, ich hasste den Schulweg, der zu Fuß gegangen werden musste, weil das schneller ging als die damaligen Straßenbahnverbindungen, und ich hatte keine Ahnung, was ich im Leben je werden sollte.

Neben meiner Verzweiflung lief Musik in irgendeinem ORF-Sender, ich weiß nicht, ob es Ö3 schon gab, und da sang plötzlich Frank Sinatra „Strangers in the night“, und obwohl ich nie ein besonderer Fan von Frankie Boy war, schoss es mir in dem Augenblick durch den Kopf „ich will Sänger werden“ – und von diesem Moment an begann mein Leben, irgendwie einen Sinn zu kriegen … und es ist ja nicht schlecht ausgegangen.

Ich könnte unzählige Lieder darüber schreiben, wie es war, meinen eigenen Song das erste Mal im Radio zu hören. Als ein Mädchen, das mit Radio aufwuchs, all ihre musikalischen Vorbilder auf Ö3 auf und ab hörte und selbst den Traum hatte, einmal mit dem eigenen Lied im Radio gespielt zu werden, war der 20. April 2020 einer der schönsten Tage meines Lebens. Kati Bellowitsch moderierte Ö3. Mama, Papa und ich saßen am Esstisch, unser Radio in der Mitte. Gerade als Julian Le Plays „1000 km“ zu Ende war, hörte ich Kati sprechen: Wenn Sie zwischen Homeoffice und Homeschooling bemerken, dass Ihr Kind nichts lieber tut als vor sich herzusingen, lassen Sie es. Genauso hat’s bei Anna-Sophie begonnen. In „Bad Habits“, dem erst 3 Tage alten Song, singt sie über Bindungsängste – na servas –  und über das Menschlich sein. Klingt nicht unspannend. Hör ma rein? – Doch! Hier ist Anna-Sophie auf Ö3. Mein Song spielte los und mir kamen die Tränen.

Liebes ORF-Team, danke, dass meine Musik Teil vom ORF-Radio sein darf. Danke, dass ihr meinen Kompositionen eine Plattform gebt. Ihr und alle Hörer:innen habt mein Leben um 180 Grad gedreht und zum schönsten Leben gemacht, das ich mir hätte wünschen können. Von ganzem Herzen, danke.

Das coolste Radioerlebnis, das ich bis jetzt hatte, das war, als ich mich das erste Mal im Radio singen gehört habe! Das war für mich unvergesslich, ich bin mit meiner Mama im Auto gefahren und plötzlich höre ich, wie ich angekündigt werde „… und jetzt kommt Chris Steger mit Zefix …“ Ich konnte nichts sagen und da dachte ich mir … Wahnsinn!!!

Neben uns fuhren Autos vorbei und ich habe überlegt: „Hören die jetzt auch den gleichen Sender, hören die mich jetzt auch singen?“

Das war ein unbeschreibliches Gefühl von „Ich kann es nicht fassen!“

Und Freude! Ich denke das war ein Moment, den ich nie vergessen werde.

Chris Steger
MUSIKER
Anna-Sophie
MUSIKERIN
Gert Steinbäcker
MUSIKER

Ernst-heiterer Modus

Den Radiohörer:innen der ersten Tage des Radioprogramms wurde 1924 eine bunte Mischung vorgespielt: Wagner vor Tango, Bizet neben Wiener Potpourri. Solche „Ernst-heiteren Nachmittage“, zwischen 16.10 und 18.00 Uhr ausgestrahlt, wurden von der Künstlerkapelle Silving aufgeführt. Bert(hold) Silving war ihr Gründer, ein umtriebiger Radiopionier, der 1923 mit dem Wiener Radio-Künstlerensemble „Silving Quartett“ in den Programmen von Radio Hekaphon, dem ersten Rundfunksender in Österreich, und ab 1924 in der neu gegründeten Radio-Verkehrs-Aktiengesellschaft (RAVAG) zu hören war. Diese etwas skurrile Mischung ergab Sinn, denn die RAVAG wurde ja ursprünglich „… im Zeichen der Bildung, der Aufklärung und der Unterhaltung in die weitesten Kreise des Volkes“ gegründet und diese Mission lässt sich insbesondere im Bereich der Musik ablesen. Der Jahresbericht von 1925 hält ferner fest, dass die „RAVAG“ sich vor einer dreifachen Aufgabe gestellt sah: „zu bilden und zu belehren, zu unterhalten und im Ausland für das geistige und kulturelle Niveau des heutigen Österreich und seiner Bewohner Propaganda zu machen.“ Auch

wenn die RAVAG keinen expliziten politischen Auftrag hatte, lassen sich schon früh Tendenzen erkennen, das Massenmedium Radio zum Instrument totalitärer Ideologien zu machen. Das Wort Propaganda schärft immer mehr seine Konturen. In diesem Sinne agierte Oskar Czeija, Gründer und bis 1938 Generaldirektor der RAVAG, der sich bald in die Kulturpolitik des „Ständestaates“ einfügte und, um den Heimatgedanken zu stärken, ab 1934 zunehmend volkskundliche Themen und Volksmusik in den Vordergrund rückte. Eine gefährliche Wende, bei der die symbolpolitische Kraft der Musik in die Privaträume aller Österreicher:innen eindrang. Ab 1938 – als der Reichssender Wien die RAVAG ablöste – wurde die sanfte Kombination ernst-heiterer Musik im ideologischen Sinne weiterausgebaut.

Susana Zapke

MUSIK UND KUNST PRIVATUNIVERSITÄT

DER STADT WIEN

Foto des Quartetts Berthold Silving, des ersten Musikensembles im Rundfunk in Österreich, Foto: Atelier Brühlmeyer, 1924, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

Nach dem Release von „Palmen aus Plastik 2“ hatte ich mich darauf gefreut, das ganze Album in den Ö3 Top 40 zu hören, weil es jeder Song in die Top 20 geschafft hatte. Das war ein beeindruckender und sehr besonderer Moment für mich, damals ein Meilenstein in meiner Karriere. Leider wurden daraufhin aber die Chart-Regeln geändert.

RAF Camora MUSIKER

Kadenz?

Es gab Arbeit am Samstag dieses Wochenendes im August 2008. Am Nachmittag ein starker Wolkenbruch, bloß ein halbe Stunde lang, aber dafür kräftig. Danach ein Routineblick hinunter ins Kellergeschoß, wo die Partituren und Orchestermaterialien des Orchesters lagerten. Schon beim Hinuntergehen auf der gewundenen Stiege fiel mir eine eigenartige schwebende Lichtreflexion an den Wänden auf. Der Grund dafür wurde am Ende der Stufen sichtbar. Das Archiv stand fast einen halben Meter unter Wasser. Eine Verbindung zur Argentinierstraße war undicht gewesen. Abgesehen von der internen Hektik, die dieses Unglück an diesem Samstagnachmittag auslöste, kann man sich vorstellen, was dieser Wassereintritt in Folge bedeutete. Die Orchestermaterialien und Noten der unteren Regale konnten nur noch entsorgt werden, die Mappen aller höheren Regale waren mehr oder weniger nass geworden, hatten aber allesamt Feuchtigkeit angezogen. Viele wertvolle Noten und Dokumente aus der frühen Zeit des Orchesters wurden damals vernichtet. Das Kellergeschoß musste geräumt werden und der gesamte Bestand wurde von einer Spezialfirma in Tschechien gefriergetrocknet. Nach einigen Wochen kam alles ungeordnet in Kisten zurück und es musste eine Auswahl getroffen werden, was davon noch brauchbar sein könnte. Die Feuchtigkeit hatte das Papier wellig gemacht, Seiten klebten aneinander, es hatte sich Schimmel gebildet. Bei wichtigen Partituren und Orchesterstimmen radierten wir den Schimmel mühsam weg. Wir verbrachten damals Wochen mit Spezialmasken, um den Schimmel nicht einzuatmen. Schließlich musste entschieden werden, was aufgehoben oder zu Makulatur wurde. Vieles musste ins Altpapier, weil es den praktischen Anforderungen des Orchesters nicht mehr genügte. Weil das Papier durch das Gefriertrocknen nicht nur wellig, sondern auch steif und brüchig geworden war, konnten viele Materialen, obwohl noch lesbar, nicht mehr aufgelegt werden, weil das Blättern für die Musiker nicht mehr lautlos möglich gewesen wäre. Jede Katastrophe hat jedoch auch ihre positive Seite. Da alles von Grund auf durchgesehen werden musste, bekam das Archiv eine neue Ordnung. Es war fast ein Neubeginn, und gleichzeitig für mich ein Sinnbild für den Wandel, den das ORF Radio-Symphonieorchester in diesen Jahren und in der Folge durchmachte. Ungefähr zu dieser Zeit begann nämlich ein langsamer Generationenwechsel, der klanglich mehr und mehr spürbar wurde. Junge Musiker:innen ersetzten altgediente und brachten

Es war 2017 und Ö1 schickte sich an, 50 Jahre alt zu werden. Um dem Sender ein neues, frisches Audiodesign zu geben, war der Musiker und Komponist Christian Muthspiel eingeladen, sämtliche Signations neu zu komponieren und damit Werner Pirchner nachzufolgen, der sich mehr als 20 Jahre zuvor dieser Aufgabe gestellt hatte. Muthspiel legte seine Kompositionen nicht nur als Miniopern mit der Ansage als eingebettetem Libretto an, sondern hatte auch den Ehrgeiz, all die Dutzenden Signations und Trenner ausschließlich analog mit dem ORF RSO Wien einzuspielen. Für die Webdokumentation dieses Projekts war ich bei so mancher Aufnahme im Großen Sendesaal des Wiener Funkhauses dabei. Bei der Einspielung der Journale-Signation erklomm Muthspiel federnden Schrittes das Dirigentenpult und motivierte das Orchester mit den Worten: „Sie denken, da kommen jetzt News, und wir hoffen, es sind gute News; also, nicht Mord und Totschlag, sondern ausnahmsweise mal was Schönes im ,Mittagsjournal‘.

Joseph Schimmer Ö1

neue Energie, neue technische Voraussetzungen mit. Man befand sich, fast möchte ich sagen, in einer Art Aufbruchsstimmung. Das Jahr darauf war ein bemerkenswertes. 2009 feierte das ORF RSO Wien sein 40-jähriges Jubiläum. Christian Scheib, damaliger Intendant des Orchesters, bat über 100 österreichische Komponisten, eine Orchester-Miniatur zu komponieren, die 40 Sekunden dauern sollte. 102 Komponisten sagten zu, und das Orchester spielte dieses Panoptikum unterschiedlichster Stile und Ideen sowohl im Konzert als auch auf CD ein. Nach diesem künstlerischen Höhenflug, Sinnbild für den Kulturauftrag des Orchesters, ein unerwarteter Dämpfer. Eine Beraterfirma schlägt dem ORF vor, das Orchester auszugliedern. Der Zerfall des Orchesters drohte. Er wurde knapp abgewendet. Das Orchester blieb bestehen. 2016 dann der Verkauf des Funkhauses. Alle Mitarbeiter werden nach und nach auf den Küniglberg übersiedelt. Das Orchester jedoch behält seine Arbeitsstätte im Funkhaus, den Sendesaal. Das Haus leert sich, die Kantine schließt, es gibt kaum mehr Instandhaltungsmaßnahmen. Der Haupteingang wird schließlich ebenso gesperrt, Zugang für das Orchester gibt es nur noch durch die Nebeneinfahrt. Die Auflösungstendenzen sind augenscheinlich und sichtbar. Aber das Orchester bleibt. Unverzagt, mit entschlossenem Blick nach vorne, erbringen die jungen Musiker:innen weiter künstlerische Höchstleistungen. Das Szenario der Ausgliederung sollte sich leider wiederholen. Im Jahr 2023 wird der Sparstift im Zuge der ORF-Reform erneut angesetzt. Die Diskussion ist wahrscheinlich allen noch im Gedächtnis. Bis 2026 muss ein Finanzierungsmodell gefunden werden. Es wird für das Orchester ein neues Schicksalsjahr werden. Der Archivbestand, der nach dem Wassereintritt gerettet werden konnte, ist jetzt, auch nach dem Verkauf des Funkhauses, in einem sicheren Raum untergebracht. Wünschen wir dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien, zur Zeit auf dem Höhepunkt seiner musikalischtechnischen Möglichkeiten, gleichermaßen, dass es in einen sicheren Hafen findet, in dem sich seine Einmaligkeit auch weiterhin in Ruhe entfalten und zu neuen Höhen emporschwingen kann.

Das neue Jahr einläuten

„Es kommt ja immer zu Silvester, die Pummerin, und mein Papa, als wir noch klein waren, hat er immer aufgedreht und gesagt: ‚Hör, das ist die berühmteste Glocke Österreichs‘. Ich habe mir dann gedacht, ja, das ist halt eine Glocke, aber jetzt mach ich das selbst. Ich dreh auf und will zu Silvester die Pummerin hören […].“ (Interview, 11.07.2016)

Dieser Auszug aus einem Interview, dass ich in Vorarlberg geführt habe, verdeutlicht bereits die Bedeutung des Radios und welche Symbolkraft Klänge haben können. Der Jahreswechsel wird in Österreich vielfach mit dem gleichen Klang-Ritual begangen. Österreichs größte Glocke, die Pummerin, läutet den Jahreswechsel ein und überall im ganzen Land wird sie gehört. Dass diese Glocke auch außerhalb von Wien wahrnehmbar ist, liegt daran, dass sie im Rundfunk (TV und Radio) übertragen wird.

Das Band der Pummerin

aus dem Programm zu Silvester. Es dauerte bis 1950, bis die Sendegruppe „Rot-Weiß-Rot“ zu Silvester Neujahrsglocken vom Stift St. Florian in Oberösterreich ausstrahlte, gefolgt von „An der schönen blauen Donau“. Zum Jahreswechsel 1953 war es dann so weit, Österreichs größte Glocke läutete zum ersten Mal den Jahreswechsel ein.

Die Stimmung zu Silvester war bis 23.30 Uhr feierlich. Dann fragte ich: „Auf welcher Maschine liegt die Pummerin?“ Den Toningenieur hob es aus den Sessel: „Jessas, die Pummerin! Wo ist die Pummerin!?“ Dann drückte er reflexartig auf einen Knopf. Es machte S-ss-s. Von einer Metallspule schoss ein Tonband hoch, schraubte sich in die Höhe, bildete einen braunen Kunststoffkegel, wickelte sich um den Mantel dieses Gebildes und riss. Peng! Der Ingenieur hatte die falsche Abspielstation gewählt. Ich sauste auf den Gang, rekrutierte zwei Mann aus dem Produktionsstudio, fing eine Sekretärin ab und hinderte zwei Reporter am Ausrücken. Die fünf Personen wurde zur Pummerin-Rettung verpflichtet. Sie sollten 500 Meter Bandmaterial über die Länge des Korridors spannen und händisch auf eine Spule aufwickeln. Natürlich war der Flur für derlei nicht ausgelegt. Aber das schadete nicht, weil der Knäuel ohnedies immer wieder durchschnitten werden musste. Mit Hilfe einer Schere galt es, die Pummerin zu fragmentieren und in aller Eile wieder zusammenzukleben. Die Glocke hielt. Sie dröhnte dumpf um Mitternacht. Allerdings zauderte das Geläut zweimal. Da stockte der Atem des Teams, die Bandmaschine zuckte kurz, erholte sich wieder und lief beruhigt weiter. Auf die Anfrage, warum die Glocke manchmal unrein schwebte, antworteten wir: „Wir haben, um Authentizität bemüht, eine Originalaufnahme aus dem Jahr 1952 zugespielt. Damals war man technisch noch nicht perfekt.“

Reinhardt Badegruber

RADIO WIEN

Glocken zu Silvester lassen sich bis in die Anfangsjahre des Radios zurückverfolgen. 1927 wurden erstmals zum Jahreswechsel Glocken ausgestrahlt. Nicht die Pummerin, sondern die Glocken der Schubertkirche in Lichtental im neunten Wiener Gemeindebezirk läuteten damals das SchubertJahr ein. Diese Übertragung wurde ein Jahr später wiederholt. 1929 war es ein Schlag von einer Turmuhr, der zu Mitternacht im Radio ertönte. 1931 wurde der Stundenschlag um Neujahrsglocken erweitert. Die erste Sendestation außerhalb von Wien, der Zwischensender Graz, übertrug 1932 die „Liesl“ vom Grazer Schlossberg. In den Folgejahren verschwanden die Glocken wieder

Die Pummerin wurde gegen Ende des Zweiten Weltkriegs durch einen Brand im Stephansdom zerstört. Ihr Neuguss im Jahre 1952 wurde als Symbol für das „Wiedererwachen“ Österreichs nach dem Krieg, aber auch als hilfreiches Mittel für die Vermittlung des Opfermythos verwendet. Bereits vor ihrer Zerstörung hat die Glocke nur zu besonderen Anlässen geläutet, was sie von Beginn an zu einem Identifikationssymbol machte. Diese besondere Bedeutung wurde durch den Rundfunk vermittelt und verstärkt. So war das Mikrofon der RAVAG dabei, als die Pummerin 1951 in der Glockengießerei St. Florian in Oberösterreich gegossen wurde und als sie im Jahre 1952 das erste Mal in Wien ertönte. Radio half dabei, die Pummerin als Symbol eines „Österreich-Bewusstseins“ zu etablieren. Die Pummerin ist ein Beispiel, wie Rundfunk als Vermittlerin eines nationalen Bewusstseins verstanden werden kann. Durch die kalendarische Wiederholung der Ausstrahlung wird die Glocke mit besonderer Bedeutung aufgeladen und hilft dabei, ein kollektives Bewusstsein zu erzeugen. Die Pummerin ist „unsere Glocke“ nicht nur für Menschen innerhalb ihrer Hörreichweite, sondern für ganz Österreich. Der Klang der Glocke wird durch die Übertragung verstärkt und kann überall dort wahrgenommen werden, wo ein Empfang möglich ist. Die Pummerin –  eine „Hör-Ikonografie“ Österreichs.

Felfer

Vom Fernsehen in die Kategorie „nicht gerichtetes Medium“ verdrängt, war es ursprünglich das tönende Zentrum, um das sich Familien versammelten und gezielt, zuhörten. Dabei – darf man alten Fotos trauen – manifestierten sich Bilder in den Köpfen, die, will man die Blicke der Hörerinnen und Hörer deuten, unverwandt in eine imaginäre Ferne gerichtet waren und signalisierten, dass die Erlebnistiefe über das Akustische hinausging. Es gab damals den Begriff ,Bilderradio‘. Martialische Reden zur politischen Lage, Interviews, Hörspiele und/oder Musik, zu der in den eigenen vier Wänden getanzt wurde.

Als ich mich selbst die ersten Male im Radio hörte, war ich erstaunlich ruhig, wenngleich auch hocherfreut, wusste ich doch, dass häufige Radiopräsenz die beste Voraussetzung war und ist, den Bekanntheitsgrad des eigenen Erzeugnisses zu steigern und ins funkelnde Licht des Hits zu rücken. Und damals wie heute bin ich ein erklärter Fan des Hörspieles, des Filmes im Kopf. Und heute? Heute gibt es Streamings, Downloads, Podcasts, aber all das ist nach wie vor Radio, und es holt nach wie vor Bilder aus unserem inneren Selbst hervor. Das Radio ist gekommen, um zu bleiben.

Joesi Prokopetz

MUSIKER UND AUTOR

Hundert Jahre Radio in Österreich. Dieses Jubiläum ist für die Musikwelt von großer Bedeutung, vermag doch das Radio das Erleben des Klanges in seinen vielfältigen Schattierungen und die Botschaft der Musik über die Konzertsäle hinaus an jeden Musikbegeisterten zu vermitteln. Die Einführung und die Verbreitung des Radios in Österreich und der damit verbundene Beginn eines neuen Medienzeitalters wirkten auch prägend auf die Geschichte der Wiener Philharmoniker. Radio und Orchester waren von Anfang an aufs Engste miteinander verbunden. Der Rückblick auf hundert Jahre Radiogeschichte zeigt, dass sich das Radio als unschätzbar wertvoller Partner für die Wiener Philharmoniker erwies. Das Radio bot die technischen und redaktionellen Voraussetzungen für die Übertragungen von Konzerten und Opernaufführungen unseres Orchesters, deren Hörerkreis schon bald die nationalen Grenzen sprengte. Es ist dem Österreichischen Rundfunk zu verdanken, dass durch die Übertragungen die österreichische Musikkultur, und insbesondere auch der Beitrag unseres Orchester in aller Welt in höchstem Maß geschätzt wird.

Daniel Froschauer

Orgelmusik im Sendeprogramm der RAVAG

5. Jänner 1951.

„Ein trüber, grauer Wintertag. Eine unübersehbare Menschenmenge wartet vor dem Rathaus, auf dem schwarze Fahnen der Trauer wehen. Sie alle sind gekommen, um den letzten Gruß zu entbieten, ihrem verehrten und geliebten Staatsoberhaupt, dem Vater des Vaterlandes, Dr. Karl Renner.“

So heißt es in dem Filmbeitrag der Austria Wochenschau über die Trauerfeierlichkeiten nach dem Tod des ersten Bundespräsidenten der Zweiten Republik. An dieser „Trauerfeier, wie sie Wien noch nicht sah“ (Arbeiter-Zeitung, 06.01.1951) nahm etwa eine Viertelmillion Menschen teil. Es war Orgelmusik, die den gewaltigen Trauerzug entlang der Ringstraße vom Rathaus bis zum Schwarzenbergplatz musikalisch begleitete. Die Programmdirektion der seit 1945 wiedererrichteten RAVAG

Während des von 113 Auslandssendern übertragenen Europäischen Konzerts aufgenommenes Foto, auf dem Franz Lehár dirigierend neben den Opernsänger:innen Adele Kern und Koloman von Pataky abgebildet ist.

Foto: Lothar Rübelt, 1931, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

hatte Karl Walter, den ehemaligen Domorganisten zu St. Stephan, damit beauftragt, den Leichenzug mit seinen Orgelimprovisationen musikalisch zu gestalten. So improvisierte Walter drei Stunden lang ohne Pause über Bach-Choräle und gregorianische Totenthemen. Seine Orgelmusik wurde mittels Lautsprecher auf die Ringstraße übertragen.

Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg war Orgelmusik ein wesentlicher Bestandteil des Musikprogramms der RAVAG. In den fast 14 Jahren, die zwischen deren Gründung und der Eingliederung in den deutschen Reichs-

rundfunk liegen, entwickelte sich in Wien eine vielfältige Szene von im Rundfunk auftretenden Organist:innen. Nachdem bereits am 10. August 1925 Johann Sebastian Bachs Fuge Es-Dur im Regionalsender Graz erklungen war, konnten am 22. Oktober desselben Jahres die Rundfunkhörer:innen österreichweit Bachs Toccata und Fuge F-Dur BWV 540, gespielt von Franz Schütz, live übertragen aus dem Großen Saal des Wiener Konzerthauses, hören. Genau ein Monat später fand der erste der nunmehr wöchentlich jeden Sonntagvormittag im Programm der RAVAG stattfindenden Orgelvorträge statt. An diesem Sonntag, 22. November 1925, um 10.30 Uhr improvisierte Karl Walter, der in den folgenden Monaten jede Woche im Rundfunk auftrat. Ab Beginn des folgenden Jahres 1926 fanden diese Orgelmusiksendungen nicht mehr jeden Sonntag, sondern alternierend mit Chorvorträgen des Wiener Kammerchors, später der Wiener Sängerknaben, statt. Die Programmdirektion der RAVAG bemühte sich, größere Vielfalt zu schaffen, indem man zunehmend auch andere Organisten einlud.

Bis März 1938 war Orgelmusik ein fester Bestandteil des Musikprogramms der RAVAG. In einem Bericht über eine Sitzung des Vollbeirates der RAVAG im Frühjahr 1926 heißt es sogar, dass „auf die Beibehaltung der Orgeldarbietungen besonderer Wert“ gelegt wurde. Die halbstündigen Orgelvorträge fanden bis Februar 1934 regelmäßig an Sonn- und Feiertagen vormittags statt. Anschließend wurde mit verschiedenen Sendezeiten experimentiert, im Dezember 1936 die Sendezeit auf 20 Minuten verkürzt.

In der Programmzeitschrift Radio Wien finden sich die Namen von 46 Organist:innen, die bei den insgesamt 423 Orgelkonzerten im Sendeprogramm der RAVAG zwischen November 1925 und März 1938 aufgetreten waren. Darunter finden sich bedeutende Organist:innen,

die nicht nur in Österreich, sondern auch international große Erfolge feiern konnten. Am häufigsten waren Franz Schütz (1892–1962), Professor an der Wiener Musikakademie, Karl Walter (1892–1983), Louis Dité (1891–1969), Hoforganist an der Wiener Hofmusikkapelle, Walter Pach (1904–1977), Organist der Votivkirche und Viktor Dostal (1893–1962) zu hören. Die Orgelvorträge im Rundfunk waren ebenso eine Gelegenheit für Meisterstudenten an der Wiener Musikakademie, sich über dieses Medium einem breiten Publikum vorzustellen.

Die Programme zeichnen sich durch eine sehr große Vielfalt abhängig von den jeweiligen Interpreten aus, wobei durchaus auch die zeitgenössische Orgelmusik ihren Platz fand.

In der Regel wurden die Orgelvorträge aus dem großen Saal des Wiener Konzerthauses gesendet. Das bespielte Instrument war die 1913 von der Firma Rieger-Jägerndorf fertiggestellte Orgel. Gelegentliche Bereicherung erfuhr das Programm durch Übertragungen von Orgelkonzerten aus verschiedenen Orten in ganz Österreich. Die berühmte „Bruckner-Orgel“ im Stift St. Florian war insgesamt elf Mal zu hören, zuerst im Juni 1928. Fünf Übertragungen erfolgten aus dem Konzertsaal des Mozarteums in Salzburg. Die sog. „Heldenorgel“ in Kufstein, zu dieser Zeit noch ein bescheidenes Instrument von 26 Registern auf zwei Manualen und Pedal, erklang 1931 und 1932 insgesamt sechs Mal im österreichischen Rundfunk. Außerhalb der regelmäßigen Orgelvorträge wurden Orgelweihen neu erbauter Instrumente übertragen.

Daniel Gottfried

MUSIK UND KUNST PRIVATUNIVERSITÄT DER STADT WIEN

Mein „Radiomoment“ liegt schon etwas länger zurück, trotzdem erinnere ich mich sehr genau daran. Gemeinsam mit meinem Kopf erinnert sich auch mein Körper – es ist ein sehr starkes, klares Gefühl, das mit dem Abrufen dieser Erinnerung in mir hochsteigt. So wie mich der Geschmack der „Orangeade“ – ein Sirup eines Diskonters, dessen Geschmack die Marketinexpert:innen der Orange zuzuweisen versuchten* – beim ersten Schluck in die Küche meiner Großmutter katapultiert (die hat ihn immer „kredenzt“, wie sie zu sagen pflegte), so versetzen mich die Klänge einer Oper, wenn sie aus einem Radiogerät kommen, auf die 1970er-Jahre-Couch meiner elterlichen Wohnung. Dort lag ich sehr oft am Samstagabend, ich war wohl im Volksschulalter, und lauschte den trällernden Stimmen, die aus dem Radioapparat kamen. Es war aufregend: An diesen Abenden durfte ich später als gewöhnlich ins Bett gehen. Oft bin ich wohl trotzdem eingeschlafen. Immer aber hatte ich die Klänge der Arien, die (mir) etwas unangenehmen Sopran- und Tenorstimmen, die (für mich wohltuenderen) Altstimmen und Bässe im Ohr. Die Geschichten schienen verworren, nur etwas für die Erwachsenen. Die Musik aber überwand die Barriere, die mein Alter darstellte, mühelos. Dieser samstägliche Moment begründete meine Liebe zur Musik. Und zum Radio. Die zweite hat Christine Nöstlingers Dschi Dsche-i Dschunior ausgelöst, 1979, im Jahr des Kindes. Aber das ist eine andere Radiomoment-Geschichte …

* Den gibt’s noch immer!

Ulrike Leitner
„Die Beatles woarn a net aus Wiener Neustadt“ – Die „Musicbox“ und die österreichische Popkultur

Die „Musicbox“ wurde zwischen 1967–1995, eine lange Zeit davon täglich von 15.03 bis 16.00, auf dem damaligen Jungendsender Ö3 ausgestrahlt. Die Sendung gilt als prägende Institution und Triebfeder für die Entwicklung der Popkultur in Österreich, insbesondere einer alternativen „Undergroundszene“, abseits des Mainstreams. Ein zentrales Anliegen der Sendung war Pop- oder Rockmusik bzw. gewisse Formen davon als Kunstform zu legitimieren, nicht selten stand dabei das Verhältnis zwischen „Kunst“ und „Kommerz“ zur Diskussion. Die Sendung wurde Mitte der 1990er eingestellt, als im Zusammenhang der Privatisierung der österreichischen Radiolandschaft Ö3 zum Formatradio umgewandelt wurde.

Regionalen Underground-Bands wie Chuzpe, The Vogue (Ronnie Urini), Minisex oder Rosachrom verhalf „die Box“ durch Airplay und Interviews zu medialer Aufmerksamkeit. Zahlreiche Persönlichkeiten, die ihre Karrieren als Redakteur:innen und Discjockeys in der Sendung begannen, prägen teils bis heute die österreichische (Pop-)Kulturlandschaft, egal ob als Journalist:innen, Musikverleger:innen oder Kunstschaffende (André Heller, Wolfgang Kos, Walter Gröbchen, Thomas Mießgang, Werner Geyer, Fritz Ostermeyer, Günter Brödl, Katharina Weingartner, Martin Blumenau u. a.).

Die Sendung ist aber nicht nur als Sprachrohr einer sich formierenden österreichischen Popszene zu verstehen, sondern auch als deren wichtige Inspirationsquelle in Form einer Kontaktzone zur internationalen (Pop-)Außenwelt. Internationale Größen der damaligen Popkultur, wie etwa Bob Dylan oder Pink Floyd, waren erst durch die „Musicbox“ erstmals auch für Hörer:innen in Österreich zu hören, zu einer Zeit – in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren –, als Wien oder andere Orte in Österreich noch nicht auf den Tourneeplänen jener internationalen Bands zu finden waren. Interessant ist, dass nicht einfach nur Musik vorgespielt wurde, sondern diese in Bezug auf ihre gesellschaftliche Funktion, ihren künstlerischen Anspruch und ihre emotionale Wirkung hin „erklärt“ (und dadurch als Kunst legitimiert) wurde. So widmet sich eine von Wolfgang Kos geschriebene Sendung vom 15.07.1973

„Leben und Liedern des Bob

Dylan“, welche zunächst, wenig überraschend, mit den Student:innenprotesten der 1960er in den USA in Verbindung gebracht werden. Bob Dylan als Leitfigur dieser Bewegung wird dabei als „Moralist“ und „Beinahe-Intellektueller“ bezeichnet. Als solcher stehe er „mit einem Fuß in der Welt alter Legenden und Folk-Lieder, mit dem anderen ganz vorne, Schneebretter lostretend, die oft zu Lawinen wurden, die dann die Landschaft veränderten […] auch die Innenlandschaft seiner Hörer.“ Internationale Musik stand aber in der „Musicbox“ nicht nur, wie hier, auf diskursiver Ebene im Mittelpunkt, sie fungierte auch als „Soundtrack“, wenn Themen diskutiert wurden, die nichts mit Musik zu tun hatten. In einer Folge aus dem Jahr 1979 begleiten Tracks von David Bowie eine relativ ungebrochen kulturpessimistische Kritik an der US-amerikanischen TV-Serie „Holocaust“, welche diese als Trivialisierung aburteilt. Diese Abwertung stand durchaus in Einklang mit dem damals etablierten Feuilleton in Österreich und Deutschland, aber auch mit tausenden von Beschwerdebriefen und Anrufen von Zuseher:innen aus Österreich und Deutschland, die sonst sicher nicht zum Stammpublikum der „Musicbox“ gehörten.

Abgesehen von der tragenden Rolle, die internationaler Popmusik auf unterschiedlichen Ebenen der „Musicbox“ einnahm, wurde auch die österreichische Popmusikszene regelmäßig gefeatured. In diesem Zusammenhang ist eine Episode aus dem Frühjahr 1983 besonders erwähnenswert, die dezidiert nach dem Stand der „neuen österreichischen Rockmusik“ fragt und es sich zur Aufgabe macht, dazu unterschiedliche Positionen zum Ausdruck zu bringen. Relativ zu Beginn bezieht Falco eindeutig Stellung: Er habe nie eine „österreichische Rockszene verspürt.“ Obwohl Falco die Existenz einer österreichischen Szene grundsätzlich in Frage stellt, fügt er paradoxerweise an, aus dieser alle zu kennen. Wolfgang Ambros und Georg Danzer schätze er persönlich, allerdings nicht unbedingt deren Musik, alle anderen könnten ihm sowieso gestohlen bleiben. Später stellt er dieser Ablehnung eine „nach europäischen Maßstäben durchaus passable Jazzstadt Wien“, sowie „die hochprofessionelle Kommerzszene“ (gemeint ist vermutlich die volkstümliche Musik) gegenüber, die aber, wie er anmerkt, wohl für die „Musicbox“ nichts sei. Falco hatte zu diesem Zeitpunkt

von seinem Hit „Kommissar“ aus dem Jahr 1982 weltweit bereits vier Millionen Platten verkauft. Die Nr. 1 in den USA mit „Rock Me Amadeus“ als größter – seither ungeschlagener – internationaler Erfolg eines österreichischen Interpreten seit Anton Karas’ „Dritter Mann“-Melodie, steht zu diesem Zeitpunkt noch drei Jahre bevor. Der sich in der Aufwärtsbewegung seines internationalen Höhenflugs befindende Falco wird in der Sendung nicht als Hoffnungsträger oder Motor für eine österreichische Popszene, sondern als deren Gegenteil und absolute Ausnahme dargestellt.

Falco selbst tritt mit seinen distanzierenden Aussagen innerhalb der Sendung zwar als besonders trotzig in Erscheinung, nimmt aber dabei keine Sonderstellung ein. Die befragten Musiker:innen und Plattenlabel-Mitarbeiter:innen sind sich dahingehend einig, dass es keine wirkliche Rockmusikszene in Österreich gäbe. In durchaus depressivem Grundtenor werden – vom musikalischen Unvermögen über mangelnden Ehrgeiz bis zur Beschaffenheit eines viel zu kleinen Marktes –unterschiedliche, auch selbstkritische Begründungen angeboten. Den Schlusspunkt setzt Chuzpe-Gitarrist

Robert Wolf. Die Band hatte in den vergangen Jahren einige Achtungserfolge errungen (u. a. Nr. 2 der „Ö3 Charts“ mit einer Coverversion des Joy-Division-Songs „Love Will Tear Us Apart“) und „grundelt“ nun laut Wolf „vor sich hin“. Er führt dies auf die eigene, ihn als Österreicher auszeichnende Bequemlichkeit und Laschheit zurück, die verhindere, eine „Härte aufzubringen, die nötig ist, um eine Band zu führen“. Schließlich befindet er, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein: „Die Beatles woarn a net aus Wiener Neustadt, sondern eben aus Liverpool.“

UNIVERSITÄT FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST MDW WIEN

„When the rain hit the roof with the sound of a finished kiss.“ – heißt es in dem mittlerweile fast vierzig Jahre alten Song „The Wrong Road“ der australischen Band „The Go-Betweens“. Wie schön und zugleich traurig diese Textzeile ist, begriff ich erst, als Werner Geier das Lied im Jahr 1986 in der „Musicbox“ anmoderierte, erst als er die Worte mit seiner unnachahmlichen weichen Stimme – deren Klang ich noch heute im Ohr habe – aussprach, erreichten sie direkt mein jugendliches Herz. Der legendäre Radiomoderator und die nicht minder legendäre Sendung retteten mir an manchen Tagen in einer oberösterreichischen Kleinstadt sprichwörtlich das Leben. In dieser knappen Stunde am Nachmittag, die ich über viele Jahre vor dem Radiogerät verbrachte, erlebte ich viele solche besonderen Radiomomente und damit die große Kraft eines Mediums, das mein Leben in gewisser Weise für immer geprägt hat.

Unser Apparat stand in den 50ern auf dem Küchenschrank ziemlich weit oben, entweder weil der Empfang dort besser war oder aus Platzgründen oder beides. Ich musste auf alle Fälle immer auf einen Stuhl steigen, um das Gerät einzuschalten. Eine ganz wichtige Sendung für die ganze Familie war am Sonntagnachmittag „Wer ist der Täter?“ Das war wie ein Pflichttermin, denn sowohl mein Vater als auch meine Mutter, mein großer Bruder und ich saßen unter dem Küchenschrank und hörten gespannt zu, wer denn nun der Verbrecher gewesen sein könnte. Ob die Auflösung am Schluss erfolgte oder man bis zum nächsten Sonntag warten musste, weiß ich nicht mehr. Die zweite Sendung, an die ich mich erinnern kann, war auch ein Pflichttermin, nämlich „Achtung Sprachpolizei“.

Und die dritte Sendung, die vor allem für mich ein Pflichttermin war, war in den 60er Jahren „Teenagerparty“.

Im Radio wurden immer schon Musiknoten gesammelt, und ich habe beruflich immer wieder dort stöbern können bzw. müssen. Eines Tages fiel mir der Klavierauszug der Oper „Harald, ein Norwegischer Wickingerfürst“ von Victor Heinisch auf. Ich habe neugierig in diesen handschriftlichen Noten geblättert – bis ich schließlich an eine Stelle kam, in der einige Zettel eingelegt waren. Bei genauerem Hinsehen konnte ich sie erkennen: Mehrere Briefe, unter anderem vom Dirigenten Felix Mottl, vom Volksliedforscher Eduard Kremser und – das ist wirklich faszinierend – ein von Gustav Mahler unterzeichneter kurzer Brief. Über diesen Fund habe ich dann auch eine Radiosendung gestaltet.

Hannes Heher Ö1

Weil meine Eltern vor meiner Geburt einige Jahre in Kanada gelebt und mir die englische Sprache und die Liebe zu Nordamerika mit in die Wiege gelegt haben, waren Casey Kasem und die „American Top 40“ für mich immer ein „Pflichtprogramm“ in Blue Danube Radio. Nach meinem ersten Aufenthalt drüben war mir auch die Bedeutung der „Long Distance Dedications“, also der Widmungen von Titeln an weit enfernte liebe Menschen klar … Die Sendung von Kasem bedeutete für mich ab dann eine gedankliche Flucht aus Österreich: eine Reise ohne wegzufliegen mit cooler Musik und jeder Menge toller Bilder im Kopf!

Karin Zierlinger

ORF OBERÖSTERREICH

1979: Man hatte gerade begonnen, das Programm für die allererste Ars Electronica, das neue Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft, zu entwickeln, als Hannes Leopoldseder, der damalige Intendant des ORF Oberösterreich, schon mit seiner nächsten Idee ankam: Die Ars Electronica, ein für die damalige Zeit ja doch sehr spezifisches Festival, bräuchte unbedingt auch ein breitenwirksames Event. Wie soll man Veränderung vorantreiben, wenn man nicht auch die Menschen erreicht, nicht nur Expert:innen, sondern möglichst alle? Die Idee war die „Linzer Klangwolke“ und mit Wolfgang Haupt fand Leo auch den passenden Künstler und Komponisten. Lichtshow, Laser und Feuerwerk taten ihr Übliches und die Klangwolke konnte eigentlich nur ein breiter Publikumserfolg werden. Doch was sie wirklich einzigartig und in einer besonderen Form auch sehr visionär machte, war die Begleitaktion von Radio Oberösterreich. Bereits Wochen vor dem Event wurde die Bevölkerung über Radio aufgerufen, zum Zeitpunkt der Klangwolke die Radiogeräte ins Fenster zu stellen und die Lautstärke ordentlich aufzudrehen, damit sich die live aus dem Donaupark übertragene Musik über ganz Oberösterreich zu einer riesigen Klangwolke ausbreiten konnte. Zieht man in Betracht, welche Sonderstellung Ende der 1970er Jahre Radio als Massenmedium noch hatte, kann man sich leicht vorstellen, dass Tausende von Menschen diesem Aufruf folgten. In Landgemeinden stellten lokale Bands ihr Soundequipment auf den Dorfplatz und übertrugen so nicht nur die Klangwolke aus Linz, sondern nutzten oft auch die Gelegenheit, danach gleich mit der eigenen Musik fortzufahren … heute würden wir Social Media dazu sagen.

Gerfried Stocker

ARS ELECTRONICA LINZ

„Volkstümliches“ im Radio nach 1945

Im Winter 1954/55 reiste der Wiener ORF-Reporter

Theodor Fischlein durch das ländliche Nachkriegsösterreich auf der Suche nach dem „Bauerndorf einst und heute“. So heißt die Folge in der Sendereihe „Volkstümliche Hörfolge“, in der er mit Bürgermeistern, Straßenwärtern, Seilbahningenieuren, Wirten und Passant:innen spricht und versucht, das Wesen des dörflichen Lebens im Angesicht der Moderne zu portraitieren.

Eine wichtige Rolle in dieser 40-minütigen Sendung, die sich als so eindrückliches Beispiel für die Repräsentation von Ländlichkeit erweist, spielt die musikalische Gestaltung. Blasmusik im Dreivierteltakt leitet den Beitrag ein, für die vier Zwischenspiele werden Ländler, Hausmusik mit Zither und Akkordeon und Bläserbesetzungen verwendet. Der Beitrag wird abgerundet von einer Blaskapelle mit Jagdhörnern. Außerdem erklingen, passend zu den gewählten Orten und den Gesprächspartner:innen des Reporters, Volkslieder über die Fuhrleute und Donauschiffer, begleitet auf dem Akkordeon.

Auch in anderen Radiobeiträgen der Nachkriegszeit spielt sogenannte Volksmusik immer wieder eine ähnliche Rolle: Sie dient als Zwischen- oder Hintergrundmusik, um den ländlichen Raum erlebbar zu machen, besingt die dargestellte Region in Liedern oder steht für lokale Bräuche. Dabei ist insbesondere auffällig, dass der Kontext der Musik unbekannt bleibt; es entsteht der Anschein, diese Musik habe keine:n Komponist:in, keinen Entstehungszeitraum – sie sei schon immer da gewesen. Es wird eine Geschichte vom beschaulichen und natürlichen Leben im Bauerndorf erzählt. Zusammen mit dem gesprochenen Wort, in dem die Ursprünglichkeit der Landschaft beschworen wird, die Spiritualität von Orten und das regionale Bewusstsein, entsteht eine trügerische Heile-Welt-Erzählung – und das so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg.

Der neuen „Volksmusik“ von Hubert von Goisern und Co., die in den vergangenen Jahrzehnten in Österreichs Radioprogrammen Einzug erhielt, gelang es schließlich, den Alleinanspruch nationalistischer Bewahrer:innen aufzuweichen. Österreichische Klänge jenseits von Austropop waren in den Charts vertreten und Wettbewerbe wie „Volxmusikpoprock“ oder die Sendung „Aufghorcht“ betonen das Potential von Volksmusik, Gemeinschaft zu stiften. Songs des Volksmusik-Genres wurden zu einer Ausdrucksform für Künstler:innen in Österreich, auch mit persönlichen Texten. Musiker:innen machten sich auf die Suche nach der Musik, die immer wieder für ihre Region stand – und wie sich daraus eigene, regionale Klänge entwickeln lassen.

Man kannte in den frühen Achtzigern nur Großraumcomputer. Sie wurden meist von Herren in weißen Mänteln bedient, und was die machten, war auch rätselhaft. In dieser Zeit gründete der ORF Oberösterreich unter Hannes Leopoldseder auf Basis einer Idee des Komponisten Hubert Bognermayr das Festival „Ars Electronica“. Ö1 übertrug am Beginn live. Frank Elstner, u. a. Moderator von „Wetten, dass..?“, moderierte im Brucknerhaus eine Präsentation von neuen Instrumenten, die alle etwas mit dem Computer zu tun hatten. Das Problem war, dass der wesentliche Musikcomputer keinen Ton von sich gab.

Frank Elstner ging von der Bühne ab und meinte, alles weitere werde Kollege Winkler erklären … Diese Panne war der Beginn: Die Computeranimation, die Musik, die Forschung, die Technik, sie alle kamen in Gestalt ihrer Protagonistinnen und Protagonisten seither nach Oberösterreich und ins ORF-Radio. Wendy Carlos, Otto Piene, John Lasseter, Isao Tomita, um nur einige zu erwähnen. Linz war der Mittelpunkt dieser neuen Welt.

Wolfgang Winkler

Eine meiner schönsten Radiomomente war, als im November 1997 Falco zu Besuch auf die Heiligenstädter Lände kam. Er stellte sein neuestes Album „Out of the Dark“ vor. Ich holte ihn vom Ö3-Empfang ab, der Sender war um 18.30 Uhr deshalb noch sehr gut besucht, alle warteten auf ihn. Er kam, hatte eine Nike-Baseballmütze auf, ich an diesem Tage eine Nike-Baskenmütze. Er schaute mich an, sofort „funkte es“, und er machte mir ein Kompliment: „Dir passt diese Kappe besser.“ Kurze Zeit später verstarb er leider tragisch, sein Album erschien posthum. Als junges Mädchen war dieser Moment als großer Fan unvergesslich.

27. Februar 1998

„Out of the Dark (Into the Light)“ ist das achte und vorletzte Studioalbum des österreichischen Musikers Falco, bei dem er noch mitgearbeitet hat. Es erschien am 27. Februar 1998, drei Wochen nach seinem Unfalltod.

Es war am Donauinselfest 2001, ich war als Reporter für Radio Wien unterwegs. José Feliciano sollte als Höhepunkt am Sonntag auf der Radio-Wien-Hauptbühne das Fest beschließen. Am Nachmittag bat ich ihn zum Interview, am Ende sagte ich zu ihm, wie sehr sich das Publikum schon auf „The Sound of Vienna“ freuen würde. Seine Antwort machte mich fassungslos: Er hatte das Lied gar nicht im Programm – anscheinend war der Song nur in Österreich so beliebt. Also erklärte ich ihm, dass die zigtausenden Menschen wohl sehr enttäuscht sein würden und dass ein mögliches Pfeifkonzert zum Abschluss des Festes drohe. Sowohl er als auch sein Manager haben das auch verstanden. Das Problem war nur, dass er den Text nicht mehr auswendig wusste! Also fuhr ich ins Funkhaus, um ihm den Text auszudrucken, und dann wieder zurück auf die Insel. Dort verbrachte der blinde José Feliciano die Zeit bis zu seinem Auftritt damit, sich vom Manager immer und immer wieder „The Sound of Vienna“ vorlesen zu lassen, bis er textlich wieder sattelfest war. Sein Konzert war dann ein voller Erfolg und bei „The Sound of Vienna“ sangen 100.000 Besucher:innen begeistert mit und gingen dann glücklich nach Hause.

Robert Jahn

RADIO WIEN

In den 80ern waren die Ö3-Moderatoren auch off air sehr gefragt. Am 21. Mai 1988 hatte ich in der Steiermark eine Discoveranstaltung in einem Festzelt. Die Nacht war lang und am nächsten Tag bin ich nach dem Auschecken im Hotel gleich direkt ins Funkhaus gefahren, um dann die Hitparade live zu präsentieren. Sendezeit war damals von 19.00 bis 21.00 Uhr. In den 20.00-Uhr-Nachrichten kam die Meldung, dass der Musiker Hansi Dujmic in Wien 15 tot in einem Kleinbus aufgefunden wurde. Der Hansi Dujmic, mit dem ich auch privat so manch gutes Gespräch geführt und mir Nächte mit ihm um die Ohren geschlagen hatte. Und nun der Treppenwitz dieser Geschichte. In der anschließenden Stunde war Hansi Dujmic erstmals in seiner Karriere in den Top 10 der Ö3-Hitparade. Genau auf Platz 10. Bei der Ansage hat es mich dann voll erwischt und ich habe die Tränen kaum zurückhalten können. Sein „Don’t Say No“ ist ein paar Wochen später sogar noch die Nummer eins von Ö3 geworden.

Udo Huber
ORF BURGENLAND

Ich habe im Funkhaus mit Künstlerinnen und Künstlern von György Ligeti bis Claus Peymann arbeiten dürfen. „FM4 Radiosessions“ mit Nick Cave, ihn am 08.04.2001, bis zuletzt Danger Dan mit dem RSO Wien betreut. Unvergessen bleibt mir Willi Resetarits mit all seinen Programmen, nicht zuletzt an dem einen Abend, an dem er und Georg Danzer mir Wienerisch erklärt haben. Ich freue mich auf viele weitere Begegnungen in den denkmalgeschützen Studios 2 und 3, und natürlich dem Großen Sendesaal des RadioKulturhauses.

Ich muss so vier oder fünf gewesen sein, ich erinnere mich an eine bestimme Radiosendung. Und zwar an die Sendung „Was gibt es Neues?“ mit Heinz Conrads. Ich weiß auch noch, wie es immer hieß: „am Klavier Gustl Zelibor oder Carl de Groof“. Für mich war die Anwesenheit des Radios als 1951 Geborener völlig selbstverständlich, ich wusste aber als kleines Kind noch nicht, was das Radio in meinem Lebensverlauf für eine große Bedeutung erlangen würde. Als Jugendlicher besuchte ich wieder einmal meine Großmutter, bei der ich bis zum zehnten Lebensjahr aufwuchs, und da war noch immer dieses Radio mit dem Pfauenauge zur exakten Einstellung des Senders, und plötzlich lief „Sunny Afternoon“, ein neuer Titel der Kinks. Ich weiß noch, dass ich wie hypnotisiert war und fasziniert dieser großartigen Nummer lauschte. Ein anderes Schlüsselerlebnis – Schulschikurs – ein Mädchen hatte ein Kofferradio dabei und wir saßen am Abend auf den Stockbetten und hörten Musik. Und dann kam „I feel fine“, ein neuer Titel der Beatles. Dieses Gitarrenriff hat mich unvorstellbar fasziniert. Was müssen diese elektrischen Gitarren für fantastische Instrumente sein, wenn man so unglaublich gute Musik damit machen kann. Die Geschichte der Popmusik hätte ohne das Radio nicht so stattfinden können, wie wir sie kennen. Das muss man sich einmal vorstellen. Keine breite Bekanntheit von Frank Sinatra, Elvis Presley, Beatles, Stones, nichts dergleichen hätte in dieser Größenordnung an Popularität ohne das Radio je stattfinden können. Und als ich dann eines Tages meine eigene Musik aus dem Radio hörte, war es ein Gefühl, als wäre es gar nicht wirklich wahr – surreal. Radio.

Als neunjähriger Knabe hatte ich mein erstes Interview für den Österreichischen Rundfunk mit dem legendären Kulturjournalisten Dolf Lindner. Damals war mir die Bedeutung des Radios natürlich noch nicht bewusst, mittlerweile ist es ein wichtiger und ständiger Begleiter, nicht nur für mich, geworden. Kein Medium war imstande, Menschen so stark zu beeinflussen wie das Radio, sowohl positiv als leider auch negativ. Ganz wichtig für mich aber ist die Bedeutung und Verantwortung der Kulturberichterstattung. Mit den Live-Übertragungen von Konzerten und Opern hat das Radio den Menschen Musik näher gebracht wie kein anderes Medium es in diesem Ausmaß zu tun imstande ist und ist daher konkurrenzlos und unersetzlich für uns alle. Ich kann nur bewundernd Unterhaltung, Erziehung, Bereicherung und Inspiration zu 100 Jahren gratulieren!

Ich gehöre einer Generation an, die nicht mit dem Fernsehen aufgewachsen ist. Aber mit dem Radio. Freilich, die schöne Adrienne mit ihrer Hochantenne war noch vor meiner Zeit! Das erste Radiogerät, an das ich mich erinnern kann, war der „Volksempfänger“ in der Küche meiner Mutter. Das war bereits in der Nazizeit, in Seewalchen am Attersee. Was hörte man da? Rosita Serrano, Zarah Leander, Johannes Heesters. Meine kleine Schwester und ich hörten diese Schlager der Zeit, ganz bestimmt nicht die Frontberichte. Vielleicht „Lili Marleen“, aber das weiß ich nicht mehr so genau. Meine andere kleine Schwester, Heidi, machte aus den Namen im Radio dann etwas ganz Besonderes: Zarita Zarano zum Beispiel, und wenn sie bei Zarah Leander mitsang, dann wurde daraus: „Ich steh im Regen und warte auf Schnee …“

Unvergesslich geblieben ist mir das Radio beim Gasthof Huber in Haining am Attersee. Es stand im Küchenfenster. Die Direkt-Übertragung von den Salzburger Festspielen: „Arabella“ (Anm.: rechts im Bild). Da saß die wunderbare Maria Reining inmitten einer Wiener Sommerfrischen-Gesellschaft aus Burg und Oper – Raoul Aslan zum Beispiel, Käthe Dorsch oder Fred Liewehr (später mein Lehrer, und noch später Doyen des Burgtheaters). Die Reining, mit einem Glas Wein in der Hand, hörte zu und sagte: „Ach, wie herrlich! Wie schön! Und ich hab’s hinter mir!“

Schon während meiner Zeit im ReinhardtSeminar war ich bei Aufnahmen fürs Radio dabei, bei Hans Nüchtern, dem RAVAG-Pionier. Und nach dem Seminar hab ich viele Aufnahmen gemacht, sehr, sehr oft im Studio in Wien, dann vor allem viele Jahre hindurch im Landesstudio Salzburg. Da kamen im Sommer während der Festspiele immer die tollsten Besetzungen für Hörspiele zusammen. Gerufen wurden sie von dem unerhört belesenen Regisseur Klaus Gmeiner, mit dem ich unzählige Aufnahmen gemacht habe, auch Romane in Fortsetzungen. Manches davon ist mittlerweile vom ORF auch auf CDs wiederveröffentlicht worden. Ich habe die Arbeit am Mikrofon immer sehr gerne gehabt. Die Phantasie hat da alle Möglichkeiten. Keine störenden Dekorationen, kein unnötiges Beiwerk, das vom Wesentlichen ablenkt – dem Text des Dichters! Das Radio ist ganz bestimmt das intimste Medium.

Von meinen frühen Erfahrungen im Studio sind mir vor allem die Begegnungen mit kostbaren Kollegen und Kolleginnen in Erinnerung geblieben: Liesl Karlstadt, Alma Seidler, Kurt Sowinetz. Und die Erinnerung an unser Lachenkönnen miteinander!

Manchmal hatte ich mit lebenden Autoren zu tun: Alexander Lernet-Holenia, Friedrich Torberg oder Herbert Rosendorfer. Und wenn die mir dann sagten, sie hätten in ihren Arbeiten durch mich Dinge entdeckt, von denen sie zuvor gar nichts gewusst hätten, dann war das natürlich ein Ritterschlag!

Dass ich immer wieder eingeladen worden bin, Hörbücher aufzunehmen, etwa die unermesslich herrlichen Romane von Joseph Roth (allein den „Radetzkymarsch“ habe ich dreimal in verschiedenen Produktionen „eingelesen“), hat bestimmt auch mit meiner Präsenz im Medium Radio zu tun. Dafür bin ich dankbar. Denn die Beschäftigung mit Literatur stand für mich am Beginn des Berufs und blieb das ganze Berufsleben hindurch der Mittelpunkt.

Jetzt füge ich noch ganz rasch hinzu: Ich bin treuer, begeisterter Hörer von Ö1. Durch meinen Beruf bin ich sehr weit herumgekommen. Nirgendwo habe ich einen Radiosender erlebt, der sich auch nur annähernd mit Ö1 messen kann! Das musste sein!

Michael Heltau

SCHAUSPIELER UND CHANSONNIER

Gänsehaut kann man hören

Eines meiner emotionalsten Radioerlebnisse hatte ich im Frühling 2018. Ich hab den ABBA-Song „The Winner Takes It All“ anmoderiert. Dabei bin ich auf den tieftraurigen Text eingegangen. Es geht ja um eine Frau, die ihren Partner an eine Andere verliert. Sie möchte der neuen Liebe nicht im Weg stehen und gibt sich mit den Worten „Der Gewinner nimmt sich alles“ geschlagen. Ich war selbst so berührt von der hochemotionalen Situation, dass ich während der Moderation Gänsehaut bekommen hab. Die hab ich mir weggewischt und den Song gestar-

tet. Etwa eine Woche später hab ich einen handgeschriebenen Brief von einer Hörerin bekommen. Darin schildert sie, dass sie durch ein medizinisches Missgeschick seit Jahren im Rollstuhl sitzt. Die meiste Zeit ist sie daheim in ihrer Wohnung und hört Radio – am liebsten Radio NÖ. Sie hat auch meine ABBA-Moderation gehört. Nicht nur die Worte, sondern vor allem auch das Geräusch, als ich mir meine Gänsehaut von den Armen gewischt habe. Das hat sie dermaßen berührt, dass sie noch lange daran denken musste und dabei jedes Mal ein Lächeln im Gesicht hatte. Und weil das so ein nachhaltiges Erlebnis war, hat sie zu einer Füllfeder gegriffen und mir diesen wunderschönen Brief geschrieben, worin sie beschreibt, wie man Gänsehaut hören kann.

Clemens Krautzer

RADIO NIEDERÖSTEREICH

Ihre Geschichte begann am 26.11.1968, sie hieß u. a. einmal „Disc Parade“, „Die Großen 10 von Ö3“, „Hit wähl mit“ oder „Ö3 Top 30“: Die Charts von Ö3, die die beliebtesten, mitunter die meistgewünschten, meistabgerufenen oder meistverkauften Songs der Woche ausstrahlte. Die Sendung wurde einmal eingestellt, weil die Rangliste über Hörerwünsche – und damit von starken Fanclubs zu – sehr beeinflusst wurde; angeblich wären „Waterloo und Robinson“ sonst jahrelang Nummer eins gewesen … Moderiert haben Ernst Grissemann, Rudi Klausnitzer, Hans Leitinger, Udo Huber, Martina Kaiser, Matthias Euler-Rolle, Gustav Götz, Elke Rock, Tarek Adamski und heute – unter dem Titel „Ö3 Austria Top 40“ – Jana Petrik und Martin Ziniel. Die Karte zeigt die Geburtsorte von Künstlerinnen und Künstlern, die in der Ö3-Hitparade besonders erfolgreich waren.

19

RAF Camora (19 Nummer-eins-Hits seit 4. Mai 2018)

Vevey, Schweiz 1

18

Capital Bra (18 Nummer-eins-Hits seit 11. Mai 2018)

Sibirien, Russland 2

11

Bonez MC (11 Nummer-eins-Hits seit 14. September 2018)

Hamburg, Deutschland 3

9

The Beatles (Neun Nummer-eins-Hits seit 15. Oktober 1966) Liverpool, England, UK 4

6

Boney M. (Sechs Nummer-eins-Hits seit 15. September 1976)

Kirn, Deutschland 5

Eminem (Sechs Nummereins-Hits seit 17. Dezember 2000)

St. Joseph, Missouri, USA 6

Samra (Sechs Nummereins-Hits seit 20. Juli 2018) Berlin, Deutschland 7

Diemeisten Nummer

Interpret:innen

152

Madonna Bay City, Michigan, USA 8

152

Rainhard Fendrich Wien, Österreich 9

145

Shakin’ Stevens Ely, Cardiff, Wales, UK 10

144

Queen Freddie Mercury: Stone Town, Sansibar, Tansania 11

138

Michael Jackson Gary, Indiana, USA 12

18 Wochen

Elton John – Something About the Way You Look Tonight / Candle in the Wind ’97 (28. September 1997 –  31. Jänner 1998)

Pinner, Harrow Urban Distric, London, UK 13

17 Wochen

The Archies – Sugar, Sugar (15. November 1969 – 14. März 1970)

Don Kirshner: New York, USA 14

Boney M. – Daddy Cool (15. November 1976 – 14. März 1977)

Frank Farian: Kirn, Deutschland 5

Boney M. – Rivers of Babylon (15. Mai – 14. September 1978)

Frank Farian: Kirn, Deutschland 5

16 Wochen

Luis Fonsi feat. Daddy Yankee – Despacito (28. April – 17. August 2017) San Juan, Puerto Rico 15

Mariah Carey – All I Want for Christmas Is You (4. Jänner – 10. Jänner 2019, 3. Jänner – 9. Jänner, 11. Dezember – 31. Dezember 2020, 8. Jänner – 14. Jänner 2021, 10. Dezember – 30. Dezember 2021, 29. November – 26. Dezember 2022, 12. Dezember – 25. Dezember 2023, 2. Jänner – 8. Jänner 2024) Huntington, Long Island, USA 16

Ausgeschaltet

Wer Nachrichten kontrolliert , kann Gesellschaft beherrschen . Deswegen zerstört die Regierung unter Engelbert Dollfuß die Demokratie auch, indem sie bestimmt, was in der RAVAG zu hören ist – und was nicht. Deswegen versuchen österreichische Nazis in einem Putsch 1934, zuerst das Radio zu besetzen. Deswegen übernimmt die NS-Herrschaft 1938 rasch das eben fertig errichtete Wiener Funkhaus und sendet gezielt Falschinformation, Propaganda, Hetze . 1939 beginnt der Zweite Weltkrieg. Doch selbst während der Kriegsjahre gibt es das freie Österreich – in der Heimat allerdings nur unter der Androhung der Todesstrafe – weiterhin zu hören: Landsleute gestalten Programm in den Sendern der Alliierten.

Die NS-Propaganda versuchte erfolgreich, ihre Propaganda in jeden Winkel des privaten Raums zu bringen. Dazu wurden extrem billige Radiogeräte wie der „Volksempfänger“ oder hier der „Deutsche Kleinempfänger DKE38“ produziert. Herstellungsjahr: 1938, Objekt: Haus der Geschichte Österreich, Foto: David Tiefenthaler, 2024

Nation Österreich?

Wer Menschen aus Österreich um 1930 nach ihrer Nationalität fragte, bekam in der Regel „deutsch“ als Antwort. Genau dazu passte auch das Geschichtsbild, das der österreichische Bundeskanzler Schober im Februar 1930 als Staatsgast im Berliner Radio vermittelte. Die dortigen Mitarbeiter entschieden sich dazu, seine Rede aufzuzeichnen und zu archivieren – als eine der ersten Aufnahmen, die es vom deutschen Radio überhaupt gibt. Schobers Botschaften stellten die österreichische Vergangenheit als Teil einer deutschen Nationalgeschichtedar: Das „heutige Österreich“ sei eigentlich die „alte Ostmark“ mit einer „niemals abgerissenen“ „geistigenVerbindung“ in den Norden – über Literatur, Musik und Kunst.

Den Erwartungen der meisten Hörer:innen der staatlich lizenzierten Radioanstalt RAVAG dürfte das gefallen haben. Wesentliche Zielgruppe dieses neuen Mediums war die bildungsbürgerliche Elite, die in Österreich vor Ort jeweils tonangebend war – von den kleinen Marktgemeinden bis zu den Landeshauptstädten. Ideologisch war diese Bevölkerungsgruppe meist streng deutschnational eingestellt und sah in Musik und bildender Kunst aus Österreich einen Beweis für die angebliche Überlegenheit der „deutschen Nation“.

Putschversuch durch Fake-News

Am Nachmittag des 25. Juli 1934 wurde aus den Nachrichtenstudios der staatlich lizenzierten Radioanstalt (RAVAG) in der Wiener Johannesgasse eine dramatische Meldung gesendet: Die österreichische Regierung sei zurückgetreten.

Verantwortlich dafür waren illegale Nationalsozialisten, die – als Soldaten des Bundesheeres verkleidet –  die Radiostudios gestürmt hatten. Ihr Ziel gleicht den Strategien von Desinformation in der Gegenwart: Radio war als Massenmedium ideal, um mit einer erfundenen Nachricht scheinbar Fakten zu schaffen oder wenigstens Verwirrung zu stiften, die ausgenützt werden kann.

Die Menschen vor den Radiogeräten 1934 waren Zeug:innen eines Versuchs geworden, wie österreichische Putschisten die Macht im Staat übernehmen wollten, indem sie Diktator Engelbert Dollfuß und seine Regierung zu Fall bringen. Die erfundene Meldung sollte Nationalsozialist:innen in den anderen Bundesländern als Signal zum Aufstand gegen Exekutive und Behörden dienen – in einigen Regionen hatten sie damit auch Erfolg.

Einheiten der Exekutive vor dem von SS-Mitgliedern besetzten

RAVAG-Gebäude während des „Juliputsch“, Foto: Albert Hilscher /  Leo Ernst, 1934, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

Innerhalb von wenigen Stunden gelang es der Wiener Polizei jedoch, die Kontrolle zurückzuerlangen und das RAVAG-Gebäude zu räumen. Viel dramatischer war die Situation zu diesem Zeitpunkt im Bundeskanzleramt, in dem die Bundesregierung gewaltsam festgehalten werden sollte. Im Zuge dieses Überfalls wurde Bundeskanzler Dollfuß so stark verletzt, dass er noch vor Ort verstarb. Dass neben dem Ballhausplatz als Zentrum der politischen Macht die staatlichen Radio-Studios als Ziel des NS-Angriffs gewählt wurden, macht deutlich, wie wichtig das Medium schon zehn Jahre nach seiner Einführung für die Verbreitung von Botschaften geworden war. Nur der Rundfunk ermöglichte es, große Teile der Bevölkerung in vielen Teilen Österreichs tatsächlich zeitgleich zu erreichen.

Der gescheiterte Putschversuch wurde von der Propaganda dieser Diktaturen als sinnstiftender Moment umgedeutet – sowohl von der Dollfuß-SchuschniggDiktatur als auch von der NS-Bewegung. Beide Seiten stellten die Getöteten als Märtyrer dar. Der gewaltsame Tod des „Heldenkanzlers“ Engelbert Dollfuß, der sich für Österreichs „Freiheit“ „geopfert“ hätte, bot eine Gelegenheit: Mit seinem Tod wurde er erst recht zum Symbol der Diktatur. Der neue Slogan musste daher lauten: „Ein Toter führt uns an“. Das Lied durfte bei keiner Massenkundgebung fehlen und wurde zum Soundtrack der Diktatur – auch durch das Radio.

Die Texte in diesem Kapitel stammen, wenn nicht anders angegeben von:

Stefan Benedik und Johannes Pötzlberger HAUS DER GESCHICHTE ÖSTERREICH

Kulturimperialismus auf der Kurzwelle

Im Jänner 1935 sendete die RAVAG zum ersten Mal das Programm „Ruf der Heimat“. Kurz darauf meldete sich der Direktor der Programmleitung, Erich Kunsti, in den Tageszeitungen zu Wort. „Die erste Sendung für die Österreicher im Ausland“ sei ein großer Erfolg gewesen. Immerhin habe die RAVAG „viele Hunderte von Briefen“ von österreichischen Migrant:innen erhalten, die „von einem tiefen Gefühl der Heimatliebe und des Heimwehs erfüllt“ gewesen seien. Bis März 1938 ließ die RAVAG regelmäßig einmal im Monat den „Ruf der Heimat“ erklingen. Während Migrant:innen die Sendung offenbar schätzten, um Sehnsucht nach der Heimat zu stillen, hegte das Dollfuß-Schuschnigg-Regime andere Pläne. Das Programm war hochpolitisch: Neben „Volksweisen aus Österreich“ oder als „österreichisch“ bezeichneter, klassischer Musik waren Ansprachen der Regimeelite fixe Bestandteile: Sie nützte das Radio, um die Auslandsösterreicher:innen auf die Diktatur einzuschwören. Vor diesem Hintergrund ist der Radiomoment, dem sich dieser Essay widmet, keineswegs außergewöhnlich, er markiert keine Zäsur, thematisiert kein wichtiges Ereignis. Stattdessen öffnet er einen neuen Blick auf das autoritäre Regime, das seinen Herrschaftsanspruch keineswegs nur auf Österreich beschränkt sah, sondern sich als globalen Player verstand.

Die Radioansprache Friedrich Stockingers, Freund Engelbert Dollfuß’ und Handels- und Verkehrsminister von 1933 bis 1936, vom 24. September 1935 im „Ruf der Heimat“ strotzt vor diesem neuen Selbstverständnis: Er stellt Österreich in Kunst, Kultur und landschaftlicher Schönheit der übrigen Welt überlegen dar. Überdies habe „die Trachtenmode den Siegeszug um den weiten Erdball angetreten“, sodass die „lieben Landsleute im Ausland [sich] wieder stolz [zum] Vaterland bekennen“ könnten und „der Oesterreicher […] wieder in der Welt“ gelte. Weshalb sie dies zuvor nicht konnten, verschwieg der Redner; er spielte aber wohl auf den Bürger:innenkrieg und „Juliputsch“ 1934 und das Heilsversprechen an, dass das „neue“, also autoritär regierte Österreich vor einer strahlenden Zukunft stehe. Die Hörer:innen im Ausland sieht Stockinger „auf vorgeschobenem und verantwortungsvollem Posten“, da sie doch in der Lage seien, „besonders wirkungsvoll für die Heimat zu werben“. Er fordert sie auf, sich zum neuen Staat zu bekennen, seine

Auslandsösterreicher:innen präsentieren sich vor ihrem neuerrichteten Haus in der österreichischen Kolonie Dreizehnlinden in Brasilien (Bilder unbekante:r Fotograf:innen aus dem Buch: Andreas Thaler, Die österreichische Siedlung Dreizehnlinden in Brasilien, 3. Aufl., Linz 1936, S. 19).

Politik und Exporte bei jeder Gelegenheit zu fördern, um auch von seiner behaupteten globalen Beliebtheit zu profitieren.

Das in der Ansprache artikulierte Sendungsbewusstsein verbunden mit Vorstellungen von Überlegenheit und Stärke war wichtiger Bestandteil der Staatsideologie der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur. Als christlicher, deutscher Staat sei Österreich nicht nur NS-Deutschland überlegen, sondern auch verpflichtet, eine führende Rolle in der Welt zu spielen, um die christliche Sphäre gegen Kommunismus und Liberalismus zu schützen. Die Radiosendung kann als Versuch gelesen werden, österreichische Migrant:innen in dieses kulturimperialistische Projekt einzubinden.

Markus Wurzer UNIVERSITÄT GRAZ

„Ich betrachte es als ein Symbol unserer nationalen Zusammengehörigkeit , dass ich mich von der Metropole des Deutschen Reiches aus an die deutschen Radiohörer in ganz Europa wenden kann.“

DIE ÄLTESTEN ARCHIVIERTEN RADIOWORTE ÖSTERREICHS WURDEN AUS BERLIN GESENDET: REDE VON BUNDESKANZLER SCHOBER AM 23.02.1930

Der zentrale Satz der Zeitgeschichte ist ein Radiomoment

„Gott schütze Österreich“ – das für die Erinnerungskultur ikonisch gewordene Zitat stammt aus der Abschiedsrede von Kurt Schuschnigg, dem diktatorisch regierenden Bundeskanzler. Dabei war eigentlich der gesamte „Anschluss“ eine Serie von Radioereignissen: Am 12. Februar 1938 vereinbaren NS-Deutschland und Österreich die Übertragung einer Hitlerrede. Am 20. Februar wird diese gesendet und setzt eine Kette an unumkehrbaren Reaktionen in Gang. Für die zahlreichen Nationalsozialist:innen wird sie zum lange erwarteten Signal, vor allem in Kärnten und der Steiermark übernehmen sie vielerorts schon in dem Moment die Kontrolle. Sie besetzen Behörden und misshandeln Menschen, die sie als Jüdinnen/Juden oder politische Feind:innen betrachten. Kurt Schuschnigg ist sich der zentralen Bedeutung des Radios bewusst und versucht die Bevölkerung über eine Gegenrede zu gewinnen. Entgegen seiner Beschwichtigungsversuche in Deutschland schwört er sein Publikum am 24.02.1938 noch auf eine kämpferisch-kompromisslose Parole ein: „Bis in den Tod: Rot-weiß-rot!“. Nur zwei Wochen später übergibt er im Radio am 11. März offiziell an die NS-Führung und begründet das mit einer deutschnational-rassistischen Gleichsetzung der österreichischen und deutschen Soldaten: „Auch in dieser ernsten Stunde [sind wir nicht gesonnen], deutsches Blut zu vergießen.“

Dass von all diesen Reden ausgerechnet diese letzte berühmt wurde, ist vielsagend: Die Stimme eines Diktators wird verwendet, um die Stimmung in ganz Österreich zu illustrieren. Schuschniggs Schlusssatz „Gott schütze Österreich!“ gibt der Rede einen emotionalen Höhepunkt und bringt den Mythos von Österreich als unbeteiligtem Opfer des Nationalsozialismus auf den Punkt. Nach dem Ende der NS-Herrschaft wurde das Zitat zum Fixpunkt in Kino, Fernsehen und Schulbüchern, weil es die Konflikte um die österreichische Mitverantwortung unangetastet ließ.

Dass viele Hörer:innen die Rede Schuschniggs nicht trauernd, sondern jubelnd aufgenommen haben, wird selbst bis heute noch ausgeblendet. In einer Doku des ORF 2014 bekam diese Ansprache das dazu passende Bild: Eine Spielszene aus einer Kino-Doku der 1950er Jahre wurde wiederbelebt, in der eine völlig verzweifelte vierköpfige Familie vor einem Radiogerät zu sehen ist. In der ursprünglichen Version war dazu ein preußischer Marsch zu hören, 2014 wurde stattdessen Schuschniggs Abschiedsrede hineingeschnitten: Die Familie symbolisiert die österreichische Bevölkerung als Schuschniggs ideales Publikum – in Schock und Trauer. Erst in einer Produktion der Wiener Volksoper aus dem Jahr 2023 („Lass uns die

24.02.1938: Kurt Schuschnigg gibt seine martialische Parole „Bis in den Tod – Rot-weißrot!“ aus (Foto: Sammlung Albert Hilscher, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung)

11.03.1938: Tiroler Nationalsozialisten hören in einem Gasthaus in Innsbruck die Rücktrittsrede von Kanzler Schuschnigg im Radio (Foto: Lothar Rübelt, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung)

Das Mikrofon, in das Kurt Schuschnigg gesprochen haben soll, wurde über Jahrzehnte aufbewahrt, um es 2017 dem Haus der Geschichte Österreich zu übergeben (Foto: Markus Guschelbauer).

Welt vergessen. Volksoper 1938“) wurden die Worte Schuschniggs aus dem Radio dazu genutzt, die Vielfalt der Reaktionen auf die Machtübernahme der Nationalsozialist:innen zu zeigen. Damit wurden auch Euphorie und Gewaltlust sichtbar, die bislang von der tragischen Figur des gescheiterten Bundeskanzlers vor dem Mikrofon verdeckt worden waren. Das Beispiel von Schuschniggs Rede macht letztlich auch klar, dass die Macht des Radios nicht dann zu Ende ist, wenn der Ton sprichwörtlich versendet ist, und damit verschwunden: Der Diktator konnte die Gegenwart nicht mehr kontrollieren, er versuchte es daher mit der Deutung in der Zukunft – erfolgreich.

Ins Gedächtnis gebrannt

Anton Fellner stand vor einem Mikrofon am Balkon des Linzer Rathauses und hetzte die Menschen auf. Es war am Abend des 12. März 1938. Er hatte die Zeit bis zur späten Ankunft Hitlers zu überbrücken und machte das gekonnt – ganz im Sinne der neuen Machthaber. Fellner war bis dahin „Illegaler“, ein Gestapo-Verbindungsmann.

Mein Vater hörte ihm zu. Er war neugierig auf das Spektakel am Linzer Hauptplatz. Gegen den Willen seines Vaters schlich er aus der nahegelegenen elterlichen Wohnung. Für die Recherchen zu meinem Buch „Berlin – Linz“ erzählte er mir etwa 60 Jahre später davon. Ihn irritierte das Verächtlichmachen jenes Schreibwarenhändlers, bei dem gewöhnlich eingekauft wurde. „ ‚Beim Pick pickt man immer noch‘, schrie der Mann vom Balkon“, erzählte er. „Was ist denn mit dem Pick, pickt der immer noch. Warum gibt’s keine Beleuchtung?“, gab mein Vater wider. Es war die Kritik Fellners daran, die Fenster als Kulisse für den Einzug des Führers nicht erleuchtet zu haben.

hetzerische Vorprogramm Fellners. Erstmals war es wieder genau 80 Jahre später, im Zuge einer ORF-Radiosendung zum Gedenkjahr, zu hören. „Schön ist das Bild, soweit es halt lauter Arier sind. Beim Herrn Pick, da pickt man halt noch. Was ist denn mit dem Herrn Pick da drüben, pickt er denn noch immer? Was ist mit die Lichter (sic), mach ma Kerzen, oder mach ma elektrisches? (Gelächter) Die Spannung wächst ungeheuer.“

Als ich das im Radio hörte, lief mir ein Schauer über den Rücken. Nicht nur, dass das Original plötzlich auch die verhetzte Masse im Hintergrund hörbar

Das Mikrofon, das vor Fellner auf dem Rathausbalkon stand, verstärkte dessen Worte nicht nur für die Masse am Hauptplatz, es übertrug sie via „Rundfunksender Linz“. An diesen angeschlossen war, wie man das damals nannte, der „Reichsdeutsche Rundfunk“. Der sogenannte Anschluss wurde radiotechnisch also – umgekehrt –  kurzfristig vorweggenommen. Nicht nur Hitlers darauffolgende Rede wurde aufgenommen, auch das lange

Der Heldenplatz liegt im Äther

Auch die nationalsozialistische Machtübernahme in Österreich fand also im Radio statt und macht die Ereignisse, die unter „Heldenplatz“ zusammengefasst werden, zu einem akustischen Phänomen. Erstens durchbrachen die Emotionen etablierte Schranken: Die ungekannte Masseneuphorie und -hysterie konnte nur durch das Hören nachempfunden werden. Die Entgrenzung, die in diesem Taumel und Begeisterung steckt, ist nicht zu trennen von den ersten Pogromen überhaupt im NS-Einflussbereich, die im Schatten des Heldenplatzes stattfanden und deren Gewalt nach 1945 oft als „Hetz“ und als Teil einer „Heurigenstimmung“ verharmlost wurden. Überhaupt versteckte die NS-Propaganda Terror und Verfolgung nicht, sondern stellte sie als Grundlage gerechter, weil in der angeblichen Natur „rassisch“ begründeter Herrschaft dar. Zweitens setzte die deutsche Propaganda auf eine

von August Eigruber, Adolf Hitler und Arthur Seyß-Inquart bei der ersten Radioübertragung zur nationalsozialistischen Machtübernahme in Österreich vom Balkon des Alten Rathauses am Linzer Hauptplatz, Foto: Albert Hilscher, 12.03.1938, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

machte und einen Eindruck des Taumels vermittelte. Es war noch mehr mein Staunen, wie sich gerade diese Worte –  und nicht die Geschichte machenden Hitlers, kurz darauf – fast wörtlich ins Gedächtnis meines Vaters gebrannt haben. Was für ein Glück, dass sie den jungen Buben ein Stück weit gegen die Ideologie immunisiert haben.

Tarek Leitner ORF NEWS

Adolf Hitler während seiner Rede in Linz (oben); das Mikrofon, in das er vermeintlich sprach (links). Objekt: Haus der Geschichte Österreich, Foto: Markus Wörgötter

Anknüpfung an die Geschichte, um die nationalsozialistische Machtübernahme zu rechtfertigen: Der Sprecher der RadioReportage verstärkte die Begeisterung, um eine scheinbar demokratische Mehrheitsentscheidung vorzuspielen. Als Hitler die Hofburg betrat, kündigte ihn der Kommentator mit den folgenden Worten an: „Der Führer ist jetzt die Stufen herauf in das Innere des Neuen Traktes der Hofburg geschritten. Er ist sichtlich bewegt. Sein großes Werk hat ja jetzt die Krönung erfahren. […] Und unser Vertrauen auf den Führer, unsere Liebe zu ihm, der Glaube, der uns durch fünf Jahre kummervoller Bedrängnis aufrechterhalten hat, der ist jetzt zur Wahrheit geworden.“ Die Worte, der Ort (stets als „kaiserliche Residenz“, „alte Kaiserstadt“, „Zentrum des alten Reichs“ bezeichnet) und die Musik stellten Hitler als neuen „deutschen“ Imperator, als neuen Herrscher in der Hofburg dar. Das Regime des Nationalsozialismus sollte damit als eine gerechtfertigte Fortsetzung erscheinen, nicht als Bruch. Der Marsch, der vor Hitlers Rede gespielt wurde und im Radio übertragen wurde, ist nicht preußisch-deutsch, sondern einer der wichtigsten Traditionsmärsche der Habsburgermonarchie, der Wagramer Grenadiermarsch.

Foto

„Mein Führer, wie immer der Weg führt, wir folgen nach. Heil mein Führer!“ schreit der österreichische Kurzzeitkanzler Arthur Seyß-Inquart am 15. März 1938 in das Mikrofon. Kurz darauf betritt auch Adolf Hitler den Balkon der neuen Burg am Wiener Heldenplatz.

Zu hören ist das Schauspiel nicht nur am Heldenplatz, sondern auch im ganzen Deutschen Reich und der Ostmark –  inszeniert über das Radio.

Das Radio im Zweiten Weltkrieg

Welche Massenwirksamkeit das junge Medium hat, ist allen voran Propagandaminister Joseph Goebbels bewusst. Im März 1933 hält er in einer Rede vor den Rundfunkintendanten fest: „Ich halte den Rundfunkt für das allermodernste und für das allerwichtigste Massenbeeinflussungsinstrument, das es überhaupt gibt.“ So macht er ihn auch zum Hauptpropagandainstrument der nationalsozialistischen Bewegung. Durch das Radio wird ein unmittelbares und ortsunabhängiges Gemeinschaftsgefühl erzeugt. Dieses nutzen die Nazis für sich und instrumentalisieren es für ihre menschenverachtenden Ziele.

Das Radio wird im Laufe der 1930er Jahre zum Massenmedium. Zunächst sind Radiogeräte noch sehr teuer. Durch die Einführung des Volksempfängers und Deutschen Kleinempfängers werden die Geräte erschwinglicher. „Ganz Deutschland hört den Führer – mit dem Volksempfänger“ lautet ein damals üblicher Werbeslogan. Technische Einsparungen und Subventionierung

senken die Preise. Dadurch können die Radiogeräte beispielsweise keine ausländischen Sender empfangen. Dies kommt den Nazis allerdings nicht ungelegen. Nach dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich sind diese billigen Radiogeräte auch in der Ostmark erhältlich. Im Jahr 1939 gab es im gesamten Deutschen Reich 12,5 Millionen Radioanmeldungen, fünfmal mehr als noch im Jahr 1934.

Der vorgetäuschte und durch die SS inszenierte Überfall auf den Rundfunksender Gleiwitz dient Adolf Hitler als propagandistischer Vorwand für den Überfall auf Polen. Damit beginnt der Zweite Weltkrieg. Neben Hass und Hetze, wie bereits vor dem Krieg, begleitet das Radio ab diesem Zeitpunkt die Bevölkerung mit Wunschkonzert und Kriegspropaganda durch die zunächst erfolgreichen Feldzüge des Blitzkrieges. Mit der zunehmenden Verschlechterung an den Fronten werden vermehrt Falschmeldungen über den Kriegsverlauf oder Ansprachen mit Durchhalteparolen gesendet. Diese Reden werden meist im Vorhinein aufgezeichnet und erst später im Rundfunk ausgestrahlt.

Foto eines NS-begeisterten Amateurs von den Vorbereitungen zu Hitlers „Anschluss“Rede am Altan der Neuen Burg am Wiener Heldenplatz, 15. März 1938

Foto: Herbert Glöckler, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

Propagandafoto von Wehrmachtssoldaten, die rund um einen Kofferradio gruppiert sind, der sich auf der Sitzfläche eines Autos befindet. Die Aufnahme wurde am 5. Oktober 1939 während des Angriffskriegs auf Polen angefertigt.

Foto: Weltbild, 1939, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

Live-Übertragungen werden mit zunehmender Überlegenheit der alliierten Luftstreitkräfte immer gefährlicher. Es wäre beispielsweise wohl eine durchführbare Mission gewesen, den Sportpalast in Berlin zu attackieren. Hier ruft Joseph Goebbels am 18. Februar 1943 zum „Totalen Krieg“ auf. Seine Rede dauert 108 Minuten. Viel Zeit für einen gezielten alliierten Bomberangriff. Apropos Alliierte –  wer die Wahrheit über den Kriegsverlauf hören will, muss sogenannte „Feindsender“ wie etwa die BBC hören. Dies gelingt durch leistungsstarke Radios wie etwa den Großempfänger oder den Umbau eines Volksempfängers. Für das Abhören ausländischer Sender werden schwere Strafen verhängt. Auch Hinrichtungen werden vollzogen. Dennoch wagen es viele. Die BBC führt etwa bereits Ende September 1938 einen deutschsprachigen Dienst ein. Im Programm gibt es auch eigene Sendungen für Österreich. In Nazideutschland gibt es den Flüsterwitz: „Beim Volksempfänger hört man Deutschland über alles, beim Großempfänger hört man alles über Deutschland!“

Gegen Ende des Krieges kommt dem Radio eine zusätzlich unheilvolle Rolle zur Aufgabe. Luftwarnungen werden über den Rundfunk verlautbart. Der Reichssender Wien warnt durch das Senden des „Kuckuck“ vor anstehenden Fliegerangriffen oder Angriffen durch alliierte Bombergeschwader. Die Bevölkerung wird aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen.

Als das Deutsche Reich kurz vor seiner Niederlage steht, entzieht sich sein Führer durch Selbstmord allen eventuellen Konsequenzen. Am 1. Mai 1945 wird im Radio gemeldet, dass „[…] Adolf Hitler heute Nachmittag in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei bis zum letzten Atemzuge gegen den Bolschewismus kämpfend für Deutschland gefallen ist.“ Wie die Bevölkerung damals schon vermutet, stimmt auch diese über den Großdeutschen Rundfunk verlautbarte Information nicht. Am

Mehr zur Vergangenheit des Radios: www.hdgoe.at/radio

9. Mai 1945 verkündete der Reichssender Flensburg die Kapitulation. Danach folgen drei Minuten Funkstille. Dann ist der Nazi-Spuk vorbei. Die Alliierten übernehmen den Sendebetrieb.

Der von Seyß-Inquart am Wiener Heldenplatz angekündigte Weg der bedingungslosen Treue gegenüber Adolf Hitler führt bis nach Stalingrad und wieder zurück. Millionen Menschen werden umgebracht, in Konzentrationslagern, in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau und auf der Todesstiege im Steinbruch bei Mauthausen. Zwischen Männern, Frauen und Kindern wird nicht unterschieden. Das von den Nazis instrumentalisierte Radio trägt seinen Teil zu all dem bei.

Andreas Reischek und Eldon Walli: Geschichten einer Freundschaft

Am 19. Februar 1939 berichteten Andreas Reischek und Eldon Walli, die „beiden illustren Vertreter der Ätherwelle“, live für den Reichssender Wien vom großen Faschingsumzug. Wie Sportmoderator:innen ihre Großereignisse, so kommentierten die beiden bekannten Radiomoderatoren hier das Treiben. Tatsächlich war der Wiener Fasching 1939 als zentrales Propagandaereignis in seiner Inszenierung mit sportlichen Großveranstaltungen vergleichbar: Im gemeinsam zelebrierten Faschingsfest sollten ein Jahr nach dem „Anschluss“ „Altreich“ und „Ostmark“ zueinanderfinden, ganz gemäß dem Motto der mitveranstaltenden NS-Parteiorganisation „Kraft durch Freude“. Zwanzig Tage lang wurde gefeiert, der Höhepunkt war der durchchoreographierte Umzug am Faschingssonntag. Teil dieser Inszenierung war der erwähnte Radio-Live-Kommentar von Eldon Walli und Andreas Reischek, für all jene, die nicht direkt in den geschmückten Straßen dabei sein konnten. Nicht umsonst wurden gerade diese Moderatoren eingesetzt, beide waren Publikumslieblinge. Reischek war Rundfunk-Pionier der ersten Stunde, bereits kurz nach Beginn der ersten Sendungen im Jahr 1924 arbeitete er für die RAVAG. Mit seinen populären Brauchtumssendungen wurde er zum „Star der Radioreportage“ und zu einem Pionier dieses Formats. Seine langjährige Rundfunkarbeit setzte er bis in die Nachkriegsjahre nie aus, nicht einmal mit dem „Anschluss“: Den ganzen März 1938 über wurden seine Brauchtumssendungen ausgestrahlt, zur „Volksabstimmung“ im April moderierte er Gespräche

mit österreichischen Schriftstellern, die die Machtübernahme der Nationalsozialist:innen begrüßten. Zu dieser Zeit stieß auch Eldon Walli zu Reischeks damaliger Sendeanstalt, dem Reichssender Wien. Walli konnte zwar keine lange Radio-, dafür aber eine ansehnliche NS-Karriere vorweisen: Als 14-Jähriger war er 1927 der Hitler-Jugend beigetreten, die gleichzeitige Aufnahme in die NSDAP und SS erfolgte 1931. Immer wieder stand er vor Gericht: „Wegen Sprengung einer jüdischen Kinovorstellung“, weil er „mit seinem Radioapparat in einem Gasthause eine österreichfeindliche Rede aus München im Lautsprecher übertragen hatte“, wegen eines versuchten Attentates auf die Badner Bahn. Wie viele NS-Funktionäre nach Deutschland emigriert, wurde er 1937 in München bei der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG) angestellt, am 12. März 1938 marschierte er als Reporter der RRG mit einer Vorhut der Wehrmacht in Kufstein ein. Noch im März 1938 begann er seine Mitarbeit beim „Zeitfunk“, für den er am 10. November live die Zerstörung des Leopoldstädter Tempels illustrierte und rechtfertigte.

Die auf dem gesamten Gebiet des NS-deutschen Reichs, also auch in Österreich, organisierten Pogrome wurden in der Presse, durch offizielle Weisung des Nachrichtendienstes, eher als Randnotiz auf den hinteren Seiten thematisiert und als spontaner Racheakt des Volkes dargestellt. Im Vergleich zu diesen knappen Zeitungsmeldungen werden in Wallis Radio-Reportage das Ausmaß der Zerstörung und die daran gekoppelten Emotionen des Reporters und „der Wiener Bevölkerung“ deutlich anschaulicher und eindringlicher thematisiert. Walli steht mit seinem Mikrofon vor der brennenden Synagoge und erklärt, dass es sich „die erbitterten Einwohner […] nicht haben nehmen lassen, auch hier ihren abgrundtiefen Hass gegen das Judentum zu bezeigen.“ Trotz seines ruhigen Tonfalls lässt Walli keinen Zweifel an seiner Sympathie für diese Zerstörungen, die er im Verlauf der Reportage als gerechtfertigte Strafe für das Verhalten der Jüdinnen und Juden Wiens erklärt.

Aufzeichnung einer Radioreportage für die Rundfunkgesellschaft RAVAG aus dem Parlament: der spätere Bundespräsident Adolf Schärf (als Parlamentsmitarbeiter ganz links) mit Reporter Andreas Reischek (vor dem Mikrofon)

Foto: Lothar Rübelt, 1932, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

Nur ungefähr ein Jahr später wird Walli zum Kriegsdienst einberufen. Als Kriegsberichterstatter steigt er in den Rängen der SS bis zum Hauptsturmführer auf. Bei Radio Rot-Weiß-Rot setzten Reischek und Walli ihre Radiokarrieren fort: Reischek machte als Programmdirektor nun im vierten politischen System die gleichen Brauchtumssendungen, Walli wurde in einem Musik-Unterhaltungs-Doppelgespann namens „Balduin und Genoveva“ bekannt und beliebt. In der Oberösterreichischen Zeitung schrieb er regelmäßig Kommentare. Die von Walli selbst angegebene Biografie scheint frei

Seite eines Fotoalbums „Aus meiner Pettauer Zeit“ mit der Beschriftung „Mit dem Reichssender Wien in der Kollos“, gefertigt von einem lokalen NS-Funktionär in Ptuj / Pettau, Andreas Reischek ist die mittlere Person am Foto, 1942 KARMA, cc-by nc 4.0

erfunden: „Vor 1938 war ich bei der RAVAG, später in Deutschland an Theatern als Schauspieler und Regisseur tätig. 1942 eingerückt und 1948 erst aus der Kriegsgefangenheit zurückgekehrt.“ Ab Februar 1950 wurde immer lauter die Kritik geäußert, dass Wallis Sendung „Propaganda gegen Österreich“ betreibe. Wallis „Witze“ seien nicht nur „demokratiezersetzend“, sie „haben einen Bart, einen Hitler-Bart.“ Am 21. Februar 1950 wurde Wallis tatsächliche Biografie in der Zeitung der oberösterreichischen KPÖ, „Neue Zeit“, in Teilen offengelegt (im Ganzen passiert das erst durch die Recherchen von Fritz Hausjell in den 1980ern), im April und Mai tourte das Duo dennoch durch ganz Österreich. Schließlich tauchten aber Augen-Zeug:innen auf, die berichteten, dass Walli nicht nur für die zynische Radioübertragung der Pogromnacht verantwortlich gewesen sei, sondern dass er jene Juden und Jüdinnen, die er vorher zum Sendewagen geschleift hatte, um sie zu interviewen, nach dem Abschalten des Mikrofons misshandelt hätte. Und so verschwindet Walli im Frühsommer 1950 stillschweigend aus dem Radio, lange noch finden sich in den Zeitungen aber Leser:innenbriefe, die seine Rückkehr fordern. Im November 1950 wird schließlich berichtet, dass Walli – erneut – vor Gericht stehen werde, und zwar aufgrund einer Anklage wegen Verstoß gegen das Kriegsverbrecher- und das Verbotsgesetz. Was in den Jahren danach passierte, ist noch nicht erforscht.

Andreas Reischek starb 1965 in Wien. Eldon Walli betrieb Mitte der 1960er Jahre ein Schallplattengeschäft am Wiener Graben und starb 2003.

Meiner Vaterstadt Wien wurde die Freiheit wiedergegeben!

So verkündete mein Vater am 14. April 1945 das Nahe Ende des Krieges in ein Mikrofon der BBC. Eric Derman war von 1943 bis Kriegsende bei der österreichischen Abteilung des Widerstandssenders der Vereinten Nationen bei der BBC, die nur aus sechs Mitarbeitern bestand. Seine Sendungen umfassten unter anderem Aufrufe an die österreichischen Frauen, Auseinandersetzungen mit den führenden Männern der deutschen Wehrmacht und der Partei und zahlreiche Kommentare. Der Leitspruch des Senders, der zu Beginn jeder Sendung erklang, hieß „Wir rufen Österreich!“. Eric(h) Derman wurde nach dem Novemberpogrom nach Dachau deportiert und 1939 „freigekauft“. Das Vermögen der Familie wurde durch „Arisierung“ geraubt, dann gelang ihm die Flucht über Italien nach Frankreich. Dort wurde er vom Vichy-Regime verhaftet und in ein KZ in die algerische Wüste deportiert, wo er von der Britischen Armee 1943 befreit wurde. Nach dem Krieg kam er als britischer Besatzungssoldat nach Österreich zurück und war mitverantwortlich für den Aufbau eines unabhängigen Rundfunks – konkret des Senders „RotWeiß-Rot“. Für Ihn zählte der Tag seiner Wiederkehr in seine Heimat zu den bewegendsten Momenten seines Lebens, so erzählte er es mir viele Jahre später.

Erich und die stummen Sender

Kästners Tiroler Radiomomente im April / Mai 1945

Mayrhofen, 30. April 1945

„Es war ein stummer Tag“, schreibt Erich Kästner in sein Tagebuch. Ein historisches Datum. Davon weiß er noch nichts. Vor allem eines beschäftigt ihn: die merkwürdige Stille, die aus dem Radio kommt. „Nicht nur der Münchner Sender hielt den Mund“, fährt er fort. Kästner ist in Tirol. Einen eigenständigen Rundfunk gibt es hier nicht. Der Sender Innsbruck ist der bayrischen Hauptstadt angeschlossen. Regionale Unabhängigkeit? Nicht im NS-Funk. „Auch die ausländischen Stationen schwiegen sich aus.“ Es wird leise.

Seit Mitte März ist der in Dresden geborene Autor von „Das fliegende Klassenzimmer“ oder „Emil und die Detektive“ in Mayrhofen im Zillertal. Jahre zuvor haben die Nazis seine Bücher verbrannt. Der kritische Geist ist trotzdem im Reich geblieben. „Ich klebe hier fest wie eine Fliege an der Leimtüte“, schreibt er noch am 9. März in Berlin in sein Journal. Jetzt ist die Fliege in Tirol. Als Teil einer Filmcrew. Als Drehbuchautor wirkt Kästner bei der Produktion im gebirgigen Gau mit. An die 60 Leute sind hergekommen. Regisseur, Assistenten, Kameramann, Schauspieler. Und der berühmte Schriftsteller.

Der Titel des Streifens: „Das verlorene Gesicht“. Der gesamte Stab ist unterwegs in der Zillertaler Landschaft. Das Treiben sorgt für Aufsehen und schiefe Blicke. „Wer vom Fremdenverkehr lebt, kann die Fremden nicht leiden“, schreibt Kästner über die Einheimischen. Sie sind dem Filmteam nicht gerade wohlgesonnen. In den turbulenten Kriegstagen einen Film drehen? Unverständnis. Preußische Überheblichkeit, denken manche. Was kaum jemand im Ort weiß: die Kamera ist leer. Filmkassette gibt es keine. Auch kein Filmprojekt. Das eigentliche Projekt lautet: Schutz vor dem Bombenhagel suchen, raus aus der Großstadt. Die Täuschung geht auf.

Kästner wohnt bei Familie Steiner. Freundliche Leute. Der Vater ist Bauer, die Mutter Hebamme. Sie haben zwei Söhne. Einer ist bereits im Kampf gefallen. Der andere irrt noch im Kriegseinsatz umher. Tochter Viktoria arbeitet im Haushalt mit. Im Osten der Ostmark heißt die Ostmark wieder Österreich. Der Krieg ist vorbei. In Wien wird die Republik ausgerufen. In Tirol brechen die entscheidenden Stunden an. Die US-amerikanischen Streitkräfte rücken vor.

In seiner Unterkunft wird Kästner Zeuge familiären Leids. Die Steiners ereilt eine traurige Nachricht: Der zweite Sohn ist gefallen. Die Mutter bricht in Tränen aus. Sie will das Porträt des Führers entsorgen. Der einstige Heiland ist jetzt das große Unheil. Kästner macht Spaziergänge, kehrt im Waldcafé ein und beobachtet

Kondensstreifen von US-Bombern am Himmel in Osttirol.

Foto: Franziska Baptist, Lienz, 1944

Sammlung Foto Baptist – Tiroler Archiv für photographische Dokumentation und Kunst (TAP)

ankommende Flüchtlinge. Dazwischen lauscht er dem Radio. Nicht gerade verlässlich, aber dennoch unentbehrlich. Er verfolgt Wehrmachtsberichte und den Vorstoß der alliierten Kräfte. Zwei Welten prallen aufeinander. NS-Radio gegen US-Funk. „Der Krieg im Äther wird zum Guerillakrieg, unübersichtlich und täglich rüder“, notiert er am 3. April. Die Alliierten senden in deutscher Sprache. Sie schlagen an der unsichtbaren Front zurück. Und liefern sich Wortgefechte im Nachrichtenhagel. Bis die Sender langsam verstummen.

29. April

„Heute über Tag war der Münchner Sender stundenlang still“, bemerkt Kästner. „Es war, als sende er Schweigen.“ Erst am Abend flackern wieder Signale auf. Kein Sprecher zu hören. Nur Musik. Jazz. Ungewöhnlich. Der gilt im Deutschen Reich doch als „undeutsch“. Merkwürdig. Was ist passiert? „Liegt der Münchner Sender im Niemandsland? Liebt der Nachtportier amerikanische Platten?“, sucht er nach einer Erklärung.

30. April

Das historische Datum. Die Sender schweigen erneut. „Was hatte ihnen, in den verschiedensten Sprachen, die Sprache verschlagen?“, fragt er in sein Tagebuch hinein. Es antwortet ihm nicht. „Lügen im Funk, die gröbsten und die feinsten, kann man interpretieren, das große Schweigen gibt Rätsel auf.“ Der Münchner Muttersender entschläft gewaltsam. Die Innsbrucker Tochterstation lebt auf. Gauleiter Franz Hofer meldet sich aus dem Landhaus, der Machtzentrale der Nazis im Gau. Durchhalteparolen und letzte Ansprachen.

3. Mai

Das Kriegsende ist da. Die Amerikaner befreien Tirol. Die Waffen ruhen. Mittlerweile ist klar: Der 30. April ist historisch. Hitlers Todestag. Patrioten übernehmen den Innsbrucker Sender. Plötzlich gibt es keine Nazis mehr. Alles treue Österreicher. Kästner entgeht nichts. Die Wendehälse drehen sich schnell. Wie schon 1938.

7. Mai

Wieder Sendepause. Die Alliierten sorgen für Ordnung. Sie reißen das Radio an sich. Das Monopol der Besatzung macht die Mauer. „Jetzt schweigen die Sender“, beobachtet der Chronist. Der Lärm des Krieges weicht dem sanften Klang des Friedens. „Es ist still im Haus. Nur die Maikäfer, die kleinen gepanzerten Flieger, stoßen mit den Köpfen gegen das erleuchtete Fenster.“

END U NGE 1 0 0 Kapitel

Die Medaille wurde an die Teilnehmer:innen einer Frauenrennfahrt zwischen Wien und Baden im Rahmen der Weltrekord-Radiosendung „Autofahrer unterwegs“ 1965 vergeben. Objekt und Foto: Dokumentationsarchiv Funk

Radio, das ist für viele Struktur für den Tag . Die Nachrichten kommen pünktlich zur vollen Stunde, die Sendungen haben eine eindeutige Beginn- und Endzeit. Profis malen exakte „Radiouhren“, die genau verzeichnen, wann Musikstücke beginnen und wann Wortstrecken. Zwar sind viele Sender als „Formatradio“ gebaut, definieren sich also über musikalische oder inhaltliche Schwerpunkte, sodass kurze Sendungen zu Gunsten von längeren durchhörbaren Zeitzonen auf der Strecke bleiben, aber trotzdem setzen sich manche Shows durch und sind bzw. werden Klassiker.

100 Jahre Radio, das ist nicht nur die Geschichte einzelner Menschen , von Moderator:innen und Musiker:innen, das ist auch die Geschichte von Hörstrecken , die von vielen unterschiedlichen Teams über Jahre und Jahrzehnte hinweg gestaltet werden – im Folgenden eine breite Auswahl verschiedener Sendungen aus einem Jahrhundert.

ARadio Wien

Achtung Sprachpolizei

MODERATION:

KARL HIRSCHBOLD

Samstag, 17.10–17.30 Uhr

In 475 Folgen wurde auf humoristische, aber leicht autoritäre Art „schludriger“ und inkorrekter Umgang mit der deutschen Sprache kritisiert. 1952–1978

Ö1

Ambiente – von der Kunst des Reisens

MODERATION: RAPHAEL SAS

Sonntag, 10.05 Uhr

Das Besondere im Alltäglichen aufspüren und den Alltag in der Ferne erfahren. Ursula Burkert ist Mitbegründerin und Aufnahmeleiterin des Ö1-Reisefeatures seit 1987

Ö1

Apropos Klassik

Samstag, 15.05 Uhr

Bedeutende Konzert- und Festspielmitschnitte aus dem ORF-Archiv u. a. von den Salzburger und Bregenzer Festspielen sowie kreativ zusammengestellte musikalische Themensendungen am Samstagnachmittag.

FM4

Auf Laut

MODERATION: ELISABETH

SCHARANG, CLAUS PIRSCHNER, LUKAS TAGWERKER, RAINER SPRINGENSCHMID, ALI CEM DENIZ UND CONNY LEE

Dienstag, 21.00–22.00 Uhr

Was brennt uns unter den Fingernägeln? Was regt auf oder an und welches Thema hat es verdient, ein größeres Forum zu bekommen? Worüber man nicht schweigen kann, darüber muss man diskutieren! Jede Woche eine Stunde lang live über aktuelle Themen, Trends und Krisen. seit 2014

Ö Regional

Autofahrer unterwegs

MODERATION: WALTER NIESNER, ROSEMARIE ISOPP, MICHAEL SCHRENK, LOUISE MARTINI UND EMIL KOLLPACHER täglich, 11.30 Uhr

„Autofahrer unterwegs“ stand 1987 im „Guiness Buch der Rekorde“ als „älteste noch bestehende täglich ausgestrahlte Rundfunksendung der Welt“ 1957–1999

BÖ1

Betrifft: Geschichte

MODERATION:

ROSEMARIE BURGSTALLER, MICHAEL LIENSBERGER, HANNA RONZHEIMER, ROBERT WEICHINGER

Montag–Freitag, 15.55 Uhr

Große Universalgeschichte in Form von „Kurzgeschichten“. Über- und Einblicke in die Geschichte anhand historischer Entwicklungen, kollektiver Schlüsselereignisse und einzelner Schicksale. seit 03.01.2005

BDR

Blue Danube Radio

VERSCHIEDENE

MODERATOR:INNEN, U. A. STUART FREEMAN, PAUL BRENNAN UND JOANNA BOSTOCK 24 Stunden täglich

„Blue Danube Radio“ war von 1979 bis zur FM4-Gründung zuerst einige Stunden täglich, später als Vollprogramm zu hören und sendete auf Englisch. Leiterin des Programms war Tilia Herold. 1979–2000

Rot-Weiß-Rot (RWR) Brettl vorm Kopf

MODERATION:

HELMUT QUALTINGER, CARL MERZ, GERHARD BRONNER

Das Programm setzte sich mit aktuellen gesellschaftlichen und politischen Ereignissen satirisch auseinander, wobei verschiedene ideologische Richtungen angegriffen werden. 1953–1955

RAVAG

Bunter Abend

Sonntag, 20.00 Uhr

Kabarett, Conférence, Lieder & Einakter ab 1924

DRAVAG

Das wandernde Mikrophon ab 1929 auch Wandermikrophon

MODERATION:

U. A. ANDREAS REISCHEK

Die Übertragung aktueller Ereignisse und die Durchführung von WandermikrophonÜbertragungen stellten in technischer Hinsicht beträchtliche Anforderungen und führten zu einer bedeutenden Erweiterung der transportablen Verstärkereinrichtungen.

1929–1938

Ö1

Der Guglhupf

MODERATION: GERHARD BRONNER, PETER WEHLE, KURT SOBOTKA, LORE KRAINER UND PETER FRICK HERBERT PRIKOPA, CHRISTIAN FUTTERKNECHT, ANDREAS STEPPAN, OLIVER VOLLMANN UND WALTER GALLA

Sonntag, 9.00–10.00

Tragendes Element der Kabarettsendung war eine Doppelconférence (anfänglich von Bronner und Wehle, dann von Krainer und Prikopa) zu hauptsächlich tagespolitischen Themen, die durch den Schönfärber, die Rosinen Gugl und Hupfi, den Zitateschleuderer, den Herrn Pfneudl, den Frageonkel, den Klugbeißer, den Consulter, Anderl Speckknödlinger (Botschafter aus Tirol), die Herren „Grüneis und Veigerl“ (zwei Fußballfans zweier rivalisierender Wiener Fußballvereine), den Dr. Sigismund und andere unterbrochen wurde. 1978–2009

Radio Steiermark

Der Radio Steiermark-Wurlitzer

VERSCHIEDENE

MODERATOR:INNEN

Samstag, 13.00–15.00 Uhr

Von einer Veranstaltung am Ort des Geschehens: Hörer:innen melden sich live zu Wort, Radio Steiermark erfüllt Musikwünsche. seit 2008

Ö3, Ö1

Der Schalldämpfer

MODERATION: AXEL CORTI

Sonntag

Ursprünglich als satirische Sendung konzipiert, entwickelte sie sich zu einem Radiofeuilleton, das Themen von Alltagsbeobachtungen über Filmproduktionen bis zur politischen Kultur in Österreich behandelte. Cortis sonore Stimme und die jazzige Kennung, komponiert von Bert Breit, prägten die Sendung. 1969–1993

Ö1

Diagonal – Radio für Zeitgenoss:innen

GRÜNDER: WOLFGANG KOS

UND MICHAEL SCHROTT

Samstag, 17.05–19.00 Uhr

Das Ö1-Feuilleton als Wochenend-Beilage. Die Sendung pirscht sich in einem breiten Assoziationsfeld von unterschiedlichen Seiten an jeweils ein Thema, eine Person oder eine Stadt heran. seit 19.05.1984

Rot-Weiß-Rot

Die große Chance

MODERATION: MAXI BÖHM

Die Kennmelodie „Die große Chance, die große Chance, sie klopft an deine Tür …“ wurde von Gerhard Bronner komponiert. Als Klavierbegleiter fungierte Norbert Pawlicki. Das Format stammte von der amerikanischen Radioquizsendung „Take It or Leave It“ (CBS 1940–1947), später weitergeführt als The $64 Question (NBC, 1950–1952). Die Kandidaten hatten Fragen mit wachsendem Schwierigkeitsgrad zu beantworten. 1951–1955

RAVAG

Die

Kinderstunde

MODERATION:

HILDE SOUKUP U. A.

Dienstag, 17.30–18.00 Uhr

Außer der Stunde „Märchen für die Kleinen“, die für die jüngsten Hörer:innen bestimmt waren, wurden „Märchen für Groß und Klein!“ und in einem Zyklus „Märchen der Weltliteratur“ zum Vortrag gebracht, die sich an das ältere Kind und die heranwachsende Jugend richteten, aber auch bei erwachsenen Hörer:innen Anklang fanden. Ab 1931 wurden Kasperlaufführungen und Turnübungen gebracht. ab 1925

Ö1

Die Ö1 Kinderuni

VERSCHIEDENE

MODERATOR:INNEN

Nach fast 800 Sendungen war Schluss. KinderuniReporter:innen gingen dem „Wie?“ und „Warum?“ von Wissenschaft und Forschung auf den Grund. Die unbefangenen Fragen der 7- bis 12-Jährigen erschlossen wissenschaftliche Themen in reizvoller und verständlicher Form für alle Generationen. 1997–2024

RAVAG / Radio Wien

Die Radiobühne

MODERATION: HANS NÜCHTERN (REGISSEUR) meist nach 20.00 Uhr

Theaterstücke, die unter der Leitung von Hans Nüchtern als Hörspiel inszeniert wurden.

Die „Radiobühne“ war der literarischen Abteilung unterstellt, was sinnbildlich für die Ausrichtung des Radiospiels dieser Zeit ist. Der Fokus lag auf dem Schauspiel und nicht auf dem Einsatz von neuen technischen Apparaturen oder Geräuschen und Klängen. Aylin Basaran bemerkt dazu in ihrer Arbeit „Die frühe Radiobühne der RAVAG im Spiegel der Zeit“: „In Abgrenzung zu experimentelleren Formaten betont Nüchtern, der selbst dem schreibenden Handwerk statt einer performativen oder inszenatorischen Praxis entstammte, es bedürfe einer wahren Radiodichtung und ‚nicht des Bluffs konstruierter akustischer Filme und Geräusche.‘“ 1924–1955

RAVAG

Die Radio-Volkshochschule

MODERATION: VERSCHIEDENE VORTRÄGE

Montag–Samstag, ab ca. 17.50 bis ca. 20.00 Uhr

Sprachkurse für Französisch. Englisch, Esperanto; Musikkurse; Elektrotechnische Kurse; Stunde der Landwirtschaft

1926

Ö1

Digital.Leben

MODERATION: FRANZ ZELLER

Montag–Donnerstag, 17.55 Uhr

Sprechende Maschinen, datensammelnde Konzerne, laute soziale Medien oder menschenähnliche Roboter verwandeln unseren Alltag. „Digital.Leben“ fragt nach, was die Digitalisierung mit uns macht und wie Technologien unsere Gesellschaft verändern. seit 2008

Ö1

Dimensionen

MODERATION: VERSCHIEDENE GESTALTER:INNEN

Montag–Donnerstag, 19.05 Uhr

Die Sendung nimmt sich Zeit, um den Gedanken Raum zu geben. Mit Reportagen, Features, Recherchen, Porträts und Gesprächen aus den Bereichen Wissenschaft und Kunst, Politik und Wirtschaft, Natur und Technik.

Rot-Weiß-Rot und Ö1 Du holde Kunst

MODERATION: VERSCHIEDENE SCHAUSPIELER:INNEN

Sonntag, 8.10 Uhr

Lyrik- und Musiksendung: Die schönste Lyrik deutscher Sprache sowie bedeutende internationale Lyrik in hochwertigen Nachdichtungen, gesprochen von den großen Stimmen des Theaters. Dazu Kammermusik aus ausgewählten Aufnahmen. Die älteste noch existierende Radiosendung Europas. Sprecher der ersten Sendung waren Martha Marbo und Helmut Janatsch. Inhalt des zunächst als Live-Sendung ausgestrahlten Programms sind von bekannten Schauspielern und Schauspielerinnen (teils auch in Archivaufzeichnungen von z. B. Axel Corti, Albin Skoda, Peter Matić oder Paula Wessely) gesprochene lyrische Texte, die sich unter ein Thema einreihen lassen, etwa Jahreszeiten und andere wiederkehrende Ereignisse. seit 1945

EÖ1

Erfüllte Zeit

MARTIN GROSS, BRIGITTE KRAUTGARTNER UND MARKUS VEINFURTER

Sonntag und Feiertags, 7.05–08.00 1990–2017

MODERATION: NADJA HAHN, STEFAN KAPPACHER Donnerstag (einmal monatlich), 18.25 Uhr

Wie ticken die Medien und wie stehen sie zur Politik? Verhaberung, Inserate, Abhängigkeiten. Das Ö1-Medienmagazin klärt auf und deckt auf. seit 2017

Anfang der 1990erJahre beauftragte mich der neue Leiter der ORF-Radio-Abteilung „Religion“, Hubert Gaisbauer, eine Sendereihe zu gestalten, die in der Mitte der Nacht zum anbrechenden Feiertag führen sollte. Texte von Dichtern und Dichterinnen, begleitet von Musik großer Komponisten, sollten auf das Ausbrechen aus dem Alltäglichen und das Eintauchen in das Besondere einstimmen.

„Erfüllte Zeit“ war der Titel der Reihe, die später in einer Sonn- und Feiertagmorgensendung aufging und heute „Lebenskunst“ heißt. Der Anspruch: ein Ohr zu suchen und zu finden, eine grenzenlose Heimat, offen für die heilige und nährende Unberechenbarkeit kluger, weiterführender Gedanken.

Doris Appel ORF RELIGION & ETHIK

Ö1

Ex libris

MODERATION: VERSCHIEDENE GESTALTER:INNEN

Sonntag, 16.00 Uhr

Das Ö1-Literatur-Magazin informiert über die Welt der Literatur – Neuerscheinungen, Kritiken, Texte sowie Autor:innen im Porträt. Initiiert vom Kulturredakteur Volkmar Parschalk.

FRot-Weiß-Rot Faß das Glück

MODERATION: HEINZ CONRADS Freitag, 19.00–19.45 Uhr

Rätselrevue live aus dem Restaurant Schwechater Hof. Österreichs erste Radio-Werbesendung aus der Schwechater Brauerei bzw. dem Wiener Konzerthaus. bis 1955

Radio Vorarlberg

Focus – Themen fürs Leben

MODERATION: GEORG FABJAN, FRANZ-JOSEF KÖB, MARION FLATZ-MÄSER, JOHANNES SCHMIDLE

Samstag, 13.00–14.00 Uhr

Bei „Focus“ hören Sie renommierte Referentinnen und Referenten mit vertiefenden Betrachtungen, Impulsen und Anregungen rund um das Leben und die Zeit, in der wir leben. seit 1989

Radio Oberösterreich / Ö3 Folk mit Jack

MODERATION: JACK GRUNSKY wöchentlich

Der austro-kanadische Musiker Jack Grunsky moderierte die legendäre Radioserie „Folk mit Jack“, die im Landesstudio OÖ produziert und aufgenommen wurde. 1971–1974

Radio Oberösterreich / Steiermark / Salzburg Forchers Zeitmaschine

MODERATION: EBERHARD FORCHER

Samstag, 19.00–21.00 Uhr

Das Radio-Urgestein Eberhard Forcher präsentiert jeden Samstag auf Radio Salzburg, Radio Steiermark und Radio Oberösterreich die größten Schätze aus seinem Musikarchiv – vier Jahrzehnte Pop- und Rockgeschichte, garniert mit den Geschichten zu den Stars. seit 2019

Ö3

Frag das ganze Land

MODERATION: TINA RITSCHL, PHILIPP BERGSMANN, PHILIPP HANSA, GABI HILLER

Samstag, 16.00–19.00 Uhr

Populäres Radio-Phone-in: Die Hörer:innen erzählen von einem persönlichen Problem und die Ö3-Community gibt Ratschläge und Einschätzungen dazu. seit 2014

RAVAG

Frauenstunde

MODERATION: ELLY REININGER U. A. unterschiedliche Tage & Uhrzeiten

Informationen über Frauen in der Literatur und damals für solche gehaltene „Frauenthemen“ wie Kindererziehung. ab Oktober 1930 – Ende der RAVAG

Ö3

Frühstück bei mir

MODERATION: CLAUDIA STÖCKL Sonntag, 9.00–11.00 Uhr

Musik und dazu ein langes Interview mit einer Person des öffentlichen Interesses. seit 1997

Radio Niederösterreich Für Freunde der Blasmusik

MODERATION: MANFRED STERNBERGER, SONJA WURM, GERHARD SCHNABL

Mittwoch und Donnerstag, 20.35–21.00 Uhr

Die wöchentliche Sendung für alle Freunde traditioneller Klänge, von kleiner Hausmusik und großen Chören bis zu Blasmusik-Gruppen aus dem ganzen Land.

GRadio Wien Goebel am Samstag/Mittwochabend mit Alexander Goebel

MODERATION: ALEXANDER GOEBEL Samstag/Mittwoch, 19.00–21.00 Uhr

Auf Radio Wien diskutierte er jeden Mittwochabend in seiner Show über Ereignisse und Themen, die die Wiener:innen bewegen.

1993–1996 bzw. 2005–2018

Ö3, ORF Regionalradios Günther Schifters Schellacks/ Music Hall

MODERATION: GÜNTHER „HOWDY“ SCHIFTER

Mit seiner einprägsamen Stimme und seinem „Geschichtsunterricht“ – er lieferte zu jedem Entstehungsjahr der gespielten Titel eine launige Geschichte und erzählte vom Tagesgeschehen jener Zeit – war „Howdy“ beim Publikum sehr beliebt. 1967–1999

Ö3

Gut aufgelegt

MODERATION: EVAMARIA KAISER 18.00 Uhr

In ihrer in den 1960er Jahren sehr erfolgreichen Plattensendung „Gut aufgelegt“ spielte Kaiser nicht nur internationale Hits der Popmusik, sondern strebte auch danach, heimische Talente zu fördern. bis 1975

HÖ3 / Ö1 help – das Konsumentenmagazin

VERSCHIEDENE

MODERATOR:INNEN

Samstag, 11.40–12.00 Uhr

Recht als Konsument:in, Tipps für Verbraucher:innen, Nachhaltigkeit, Konsum und Gesellschaft seit 1975

Radio Oberösterreich Hoamatsound

MODERATION: LOUCAZ STEINHERR

Sonntag und feiertags, 19.00–20.00 Uhr

Seit Oktober 2015 gibt es für lokale Bands und musikalische Newcomer eine Plattform, sich und ihre Musik vorzustellen. Musikerinnen und Musiker, alleine und mit Band, verschiedene Stilrichtungen mit starker Verbindung zu Oberösterreich sind jeden dritten Sonntag im Monat in diesem Musikmagazin zu hören. seit 2015

FM4

Homebase

MODERATION: HEINZ REICH, CHRISTOPH SEPIN, GERLINDE LANG, CHRISTIAN LEHNER

Montag und Dienstag; Mittwoch, 19.00–21.00; 20.00–22.00 Uhr

Je später die Stunde, umso mehr Zeit für Konkretes! Die älteste Sendung auf FM4 ist nach wie vor die spezielle Drehscheibe, wenn’s um Musik, Film und Kunst im Besonderen geht.

Ö1

Hörbilder seit 1995

MODERATION: RICHARD GOLL, ALFRED TREIBER, BERT BREIT, ROBERT WEICHINGER UND PETER KLEIN (FEATUREREDAKTEURE DER 1. STUNDE); ELISABETH STRATKA UND EVA ROITHER

Samstag; feiertags, 9.05–10.00; 10.05–11.00 Uhr

Die Sendung „Hörbilder“ ist die prominenteste Sendefläche der Feature-Redaktion von Österreich. Aufwühlend, investigativ, relevant –  oder einfach nur schön. Feature seit 1977, „Hörbilder“ seit 1995

FM4

House of Pain

MODERATION: CHRISTIAN FUCHS, PAUL KRAKER, MEDINA REKIC, DAVID PFISTER; ALEXANDRA AUGUSTIN, RAINER SPRINGENSCHMID UND CHRISTOPH SEPIN Mittwoch, 22.00–0.00 Uhr

Schöner, süßer Schmerz: Schwere Gitarren, düstere Sounds und Disharmonien für die verkaufte Seele. seit 1995

Ö3 / Radio Niederösterreich

100.000 Schilling Quiz

MODERATION: PETER KNICZA, BRIGITTE XANDER

Sonntag, 12.05–13.00 Uhr

Die Sendung war ein Mittagsritual: Man konnte den Fragen lauschen und mitraten, während Kandidat:innen noch rätselten.

1984–2000

IÖ1

Im Brennpunkt

MODERATION: DOLORES BAUER, HELLFRIED BRANDL Donnerstag

Die Ö1-Sendereihe „Im Brennpunkt“ gehörte zu den Glanzleistungen des österreichischen Journalismus. 1968–1988

Ö1

Im Gespräch

MODERATION: PETER HUEMER, MICHAEL KERBLER, RENATA SCHMIDTKUNZ

Freitag, 16.05 Uhr

Begegnungen mit interessanten und berührenden Menschen und immer wieder neue Einsichten und Gedanken jenseits des Tagesjournalismus. seit 1999

FM4

Im Sumpf

MODERATION: THOMAS

EDLINGER, FRITZ OSTERMAYER, KATHARINA SEIDLER

Sonntag, 21.00–23.00 Uhr

Im Morast nach popkulturellen Perlen tauchen. Wenn es einen Underground für den Underground gibt, dann sind Thomas Edlinger, Fritz Ostermayer und Katharina Seidler die richtigen Ansprechpartner:innen seit 1995

JÖ3

Jazzprofile

MODERATION: ERICH KLEINSCHUSTER

„Jazzprofile“ und „Jazz mit Erich Kleinschuster“ waren die Titel von zwei jahrlang auf Ö3 gesendeten wöchentlichen Radioprogrammen, in denen ORF-Studioproduktionen des KleinschusterSextetts, häufig kombiniert mit prominenten Gastsolisten, eingesetzt wurden.

1967–1971

Ö1

Journal-Panorama

MODERATION: RUDOLF NAGILLER, ELISA VASS, CORNELIA KREBS, ASTRID PLANK, MONIKA FELDNERZIMMERMANN, MICHAEL FRÖSCHL U. A.

Montag–Donnerstag, 18.25 Uhr

Hintergrundinfo zu Themen aus aller Welt. seit 1984

Einer meiner Radiomomente hängt mit dem 7. Juni 2018 zusammen. Da lief mein Ö1- „Journal Panorama“ zum Thema „Konzentration als Kraftakt“, eine Sendung über ADHS. Ein halbes Jahr danach bekam ich eine E-Mail: „Ich danke Ihnen für ihre Sendung zum Thema ADHS, denn sie hat mein Leben verändert. Ich bin 47 Jahre alt und habe ich mich nie näher mit dieser Krankheit befasst. Doch als ich die Schilderungen von Betroffenen in ihrer Sendung hörte, ist mir

schlagartig klar geworden, dass ich ADHS habe. Ich habe mittlerweile eine Diagnose und mit der Therapie begonnen. Mein

Leben ist jetzt viel weniger anstrengend.“ Radio kann Leben ändern. Und als Journalistin schaue ich gerne dorthin, wo viele nicht hinschauen. Mich reizt die Gratwanderung zwischen Information, „Aufdecken“ und „Offenlegen“ auf der einen, sowie „Einfühlung“, „Verständnis für Menschen, die sich öffnen“ und „Behutsamkeit“ auf der anderen Seite.

Ursula Theiretzbacher ORF NEWS

KRadio Kärnten Katholischer Gottesdienst

MODERATION/PRODUCING: MARTIN GROSS, THOMAS BOGENSBERGER

Sonntag, 10.00–11.00 Uhr

Die ORF-Regionalradios übertragen jeden Sonntag und an den meisten Feiertagen um 10.00 Uhr römisch-katholische Gottesdienste, an hohen Feiertagen auch evangelische (am Reformationstag und am Karfreitag in Ö1).

Radio Salzburg Kultursonntag

MODERATION: KARIN BUTTENHAUSER, SARAH

MARISA GRUBER

Sonntag, 19.00–20.00 Uhr

Sonntagabend ist in Radio Salzburg eine Stunde ganz der Kultur gewidmet. Seit März 2024 lädt

die Kulturredaktion von Radio Salzburg jeden ersten Sonntag des Monats zum „Kultursonntag im Gespräch“ ein, um aktuelle Entwicklungen in der Salzburger Kulturszene zu besprechen, zu beleuchten und mit Gästen zu diskutieren.

LÖ1

Le week-end

MODERATION:

ELKE TSCHAIKNER, CHRISTIAN SCHEIB

Samstag, 13.00 Uhr

Wo Mozart auf Duke Ellington und John Cage auf Felix Mendelssohn-Bartholdy trifft. seit 2010

Ö1

Leporello

MODERATION: ELISABETH HESS, JAKOB FESSLER, CHRISTINE SCHEUCHER, SABINE NIKOLAY, HANNAH BALBER U. A.

Montag–Freitag, 7.52 bis 8.00 Uhr

Die Sendereihe erforscht die Welt mit den Augen der Kultur und zeigt dabei keinerlei Berührungsängste. Die Sendereihe besteht aus jeweils ein bis zwei Beiträgen in Form von Kurzreportagen zu „Entwicklungen, Moden oder Trends in Kultur, Alltag und Gesellschaft“ und deren „Rand-Bereichen“.

Ö3

Lieben Sie Jazz? / Jazz-Casino

MODERATION: FATTY GEORGE Freitag; Samstag 20.20–21.00 Uhr

„Lieben Sie Jazz?“ war die erste Sendung von Fatty George auf Ö3. Nachdem die Sendung Ende der 1960er abgesetzt wurde, erhielt Fatty George auf Ö3 das Format „Jazz-Casino“. Der neue Sendeplatz lautete Samstag 19.30–20.00. Nach Fatty Georges Tod im März 1982 wurde die Sendung noch bis Mai 1982 weitergeführt. 1967–1982

Radio Oberösterreich

Linzer Torte

MODERATION: HAYMO

POCKBERGER, JUTTA MOCUBA, MARIA THEINER UND JOE

DAXBACHER

Sonntag, 8.00–10.00 Uhr

Personen öffentlichen Interesses im Interview. seit 1960

MÖ3 Mahlzeit

MODERATION: OLIVER BAIER, BERNHARD BAUMGARTNER

Montag–Freitag, 12.00–14.00 Uhr

Tägliche Comedy-Show zur Mittagszeit auf Ö3. Oliver Baier und Sidekick Hr. Alois (Bernhard Baumgartner) 1996–2003

Radio Burgenland Mahlzeit Burgenland

MODERATION: NICOLE AIGNER, SILVIA SCHERLEITNER UND GEORG PRENNER, MARTHA WEDRAL, DORIS WAGNER, NICOLE AIGNER, BARBARA MARAS-EGERMANN UND MARIN

BERLAKOVICH

Montag–Freitag, 11.04–13.04 Uhr

„Mahlzeit Burgenland“ ist seit mehr als 20 Jahren Treffpunkt von Prominenz aus Kultur, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft und eine der beliebtesten Sendungen von Radio Burgenland. Dazu serviert man Rezepte aus Österreich und aller Welt. seit 1999

RAVAG / Radio Wien

Märchenstunde

MODERATION: DORA MIKLOSICH

Dienstag/Donnerstag, ca.17.15 Uhr

Fräulein Dora Miklosich erzählte den Kindern Märchen. Dazu waren Musikeinlagen zu hören, gespielt von einem Kinder-Trio. erstmals 1924

Ö2 Mittagsglocken

MODERATION: KEINE

Täglich, 12.00–12.02 Uhr

Für alle diejenigen, die die Mittagsglocken während des Tages nicht hören können, übertragen die ORF-Regionalradios außer Radio Wien um 12.00 Uhr Geläut aus einer der zahlreichen Kirchen in Österreich. seit 1957

Ö1

Mittagsjournal

MODERATION: VERSCHIEDENE

REDAKTEUR:INNEN Montag–Samstag, 12.00 Uhr

Nach der Rundfunkreform 1967 wurde mit den Journalen eine neue Form der Nachrichtensendung eingeführt. Eine zentrale Rolle nahm (und

nimmt bis heute) dabei das „Mittagsjournal“ ein, eine einstündige Sendung mit ausführlichen Informationen zum tagesaktuellen Geschehen. seit 1967

Ö1 Moment

MODERATION: MICHAEL KÖHLMEIER, HERBERT GAISBURGER, ALEXANDER BACHL (GESTALTETEN BEITRÄGE DER ERSTEN SENDUNG)

Montag–Freitag, 15.30 Uhr

Das Leben in seiner ganzen Vielfalt, der normale Alltag als großes Abenteuer, das es täglich neu zu bewältigen gilt. Nach dem Vorbild des damaligen Teils „Leben“ der Wochenzeitung „Die Zeit“ entstand 1987 eine Sendereihe, die sich dem vermeintlich ereignislosen Alltagsleben widmet. seit 1987

RAVAG, Reichssender Wien Morgenturnen

MODERATION: KÄTHE HYE, WALTER WEIHS

Montag–Samstag; Sonntag, 6.40–7.00; 8.05–8.25 Uhr

Tägliche Turnstunde meist mit Käthe Hye. Die Abbildungen zu den dazugehörigen Übungen waren in der Programmzeitschrift von Radio Wien abgedruckt.

1931–1939

Ö3

Musicbox

MODERATION: FRANK ELSTNER, HANS MAITNER, DIETMAR BRUNNBAUER, WOLFGANG KOS, WERNER GEIER

täglich (bis 1972); täglich außer Samstag bis 1977; Montag–Freitag bis 1995, 15.05–16.00 Uhr

Die „Musicbox“ war in den Anfangsjahrzehnten des österreichischen Radiosenders Ö3 für viele junge Menschen das prägende Radiomagazin. Sie hat das Ö3-Publikum lange Zeit in zwei Hörergruppen geschieden: jene, die Ö3 nahezu ausschließlich zwischen 15.05 und 16.00 Uhr hörten und jene, die den Sender zu dieser Sendezeit abdrehten.

1967–1995

Ö3

Musik aus Lateinamerika

MODERATION: ERICA VAAL 10.03–11.03 Uhr

„Musik aus Lateinamerika“ ging 25 Jahre lang auf Sendung. Für ihre inhaltliche Recherche reiste Vaal häufig nach Lateinamerika und auf die karibischen Inseln. Sie erfasste und dokumentierte die Mentalität der Menschen, ihre Bräuche, ihre Musik und ihre Religionen bis ins Detail. Ihre Radiosendung machte sie zur inoffiziellen

Koordinatorin und Kulturrepräsentantin der meisten spanischsprachigen Länder in Österreich bis Ende 1980er

RAVAG

Musikalische Kinderstunde

MODERATION: MARIANNE KURANDA

Während des Spielplans 1927/28 wurden 27 „Musikalische Kinderstunden“ gesendet. „Liedworte“ waren der Programmzeitschrift von Radio Wien zu entnehmen. erstmals 1927

Radio Tirol

Musiktruch’n

MODERATION:

ALEXANDER WEBER Mittwoch, 19.00–20.00 Uhr

Schlager und volkstümliche Hits in Radio Tirol.

NRadio Vorarlberg Neues bei Neustädter

MODERATION:

MATTHIAS NEUSTÄDTER

Montag–Freitag, 13.00–14.00 Uhr

Die Sendung zum Mitdiskutieren über Themen, die das Land bewegen. seit 2012

OÖ3 Ö3 Freizeichen

MODERATION: U. A. CHRISTIAN LUDWIG, NORA FREY, MONIKA BRASS, INGRID THURNHER, HANNO SETTELE

Montag–Freitag bzw. Samstag, 14.00–15.00 Uhr

Call-In-Sendung mit Gast

Ö3 Ö3-Wecker

MODERATION U. A. ROBERT KRATKY, PHILIPP HANSA, RUDI KLAUSNITZER, ROLAND GUGGANIG, HARY RAITHOFER Montag–Freitag, 5.00–9.00 Uhr

Zwei Millionen Österreicher:innen stehen täglich mit dem „Ö3-Wecker“ auf. Viel Musik, die Themen des Tages („worüber Österreich heute noch sprechen wird“) gewürzt mit Comedy, wie zum Beispiel dem Ö3-Mikromann, machen den „Ö3Wecker“ zur beliebtesten Morgensendung des Landes und das Wecker-Team rund um Robert Kratky und Philipp Hansa zu den bekanntesten Stimmen Österreichs. seit 1968

Ö3

One o’clock

MODERATION: OLIVER BAIER UND CLAUS HÖRR Montag–Freitag, 13.00 Uhr

Beabsichtigte Unsinn hatte einen Namen. 1991–1993 in den Sommerferien

Radio Wien

Österreicher über Österreich

MODERATION: WALTER NIESNER, BRIGITTE NEUMEISTER

Am Sonntagabend gab es die „Österreich Rallye“, eine Quizsendung in „Österreich Regional“, wie das damals hieß. In jedem Bundesland gab es ein Rateteam, das alle neun Wochen eine virtuelle RadioRatereise durch Österreich unternahm und Fragen aus einem anderen Bundesland beantworten musste. Da bekam man ein Gefühl für die österreichischen Regionen, man lernte die Radiogötter der anderen Landesstudios akustisch kennen –

Herbert Suchanek in Wien, Günter Polanec in Vorarlberg, Arno Batscheider in Kärnten,

Haymo Pockberger in Oberösterreichs …

Und ich war infiziert vom Radiovirus.

CHEFSPRECHER DES OR F

PÖ1 Pasticcio

MODERATION: IRENE SUCHY, HELMUT JASBAR, EVA TEIMEL, PHILIPP WEISMANN, WOLFGANG SCHLAG, CHRISTOPH WAGNERTRENKWITZ, KATHARINA HIRSCHMANN U. A.

Montag–Samstag, 8.20 (Sa 8.15) Uhr

Die musikalische Visitenkarte von Ö1 in der morgendlichen Primetime ab 1980

Ö1

Patina – Kostbares aus dem Archiv

MODERATION: ROLAND KNIE

Sonntag, 9.05 Uhr

Sonntägliche Sendereihe zur österreichischen Theater-, Radio- und Literaturgeschichte mit ausgewählten Hörproben aus dem Archiv 1997–2011

Ö3

Pleiten-, Pech- und Pannendienst

MODERATION: HARY RAITHOFER, ANGELIKA LANG; BLONDINE VOM DIENST: KONRAD MITSCHKA

Samstag, 13.00–16.00 Uhr

Wer am Wochenende ein Problem hatte, konnte anrufen; helfende Hörerinnen und Hörer wurden vermittelt.

02.07.1994–2003

Ö3

Popmuseum

MODERATION: WOLFGANG KOS, WOLGANG HÜBSCH

Samstag, 15.05–16.00 Uhr

Zunächst sollte die Sendereihe eine „Bestandsaufnahme der Popmusik und aller Popgrößen von 1953 bis 1969“ bieten. Das

bestimmende Motto der Themen- und Musikauswahl der wöchentlichen „Popmuseums“Ausstellungen war, Klassiker und Raritäten, aber keine sogenannten „Oldies“ zu spielen. 1970–1972; 1974–1987 (mit Unterbrechung)

Ö1

Praxis – Religion und Gesellschaft

MODERATION: ALEXANDRA

MANTLER, JUDITH FÜRST Mittwoch, 16.05–16.40 Uhr

Ethische Bruchlinien und gesellschaftspolitische Diskurse stehen im Fokus. Reportagen, Hintergrundberichte und Analysen beleuchten die bisweilen engagierte, oft aber auch umstrittene Rolle von Religionsgemeinschaften. Reportagen, Analysen und Diskussionen zur gesellschaftspolitischen Relevanz der Kirchen und Religionsgemeinschaften inner – und außerhalb Österreichs. Nachfolgesendung „Im Fokus – Religion und Ethik“. 1993–2024

RRadio Niederösterreich

Radio 4/4 oder Radio NÖ am Wochenende

MODERATION: HANNES

WOLFSBAUER, INGRID

AMON, ANDREAS ZIMMERL, JÜRGEN MAIER, THOMAS

SCHWARZMANN, BIRGIT PERL Samstag, 15.00–16.00 Uhr

Einige Male im Jahr ist Radio NÖ zu Gast im Land und sendet live aus einer niederösterreichischen Gemeinde. Zwei Live-Bands bringen Stimmung aus den Orten zu allen „Radio 4/4“-Hörerinnen und -Hörern. seit 1979

Ö3

Radio Holiday

MODERATION: INES

SCHWANDNER U. A.

Montag–Donnerstag, 15.00–18.00 Uhr seit 1979

Mein Radiomoment fand in den 80er Jahren statt. In den Sommerferien, wenn das Programm von Ö3 mit der berühmten Feriensignation

begonnen

hat. Wenn der charakteristische Gong am Beginn der Signation ertönt ist, dann habe ich – ganz egal, ob es gestürmt oder geregnet hat – augenblicklich flirrende Hitze auf der Haut gespürt, dazu das Sirren der Gelsen im Ohr und den Geruch von Kokos-Sonnenmilch in der Nase. Das funktioniert bis heute.

Ursula Köhler

RADIO NIEDERÖSTERREICH

Ö1

Radiodoktor – das Ö1 Gesundheitsmagazin

MODERATION: WOLFGANG

ENENKEL, MANFRED GÖTZ, KARIN GUTIÉRREZ-LOBOS, MARKUS HENGSTSCHLÄGER UND CHRISTOPH LEPRICH Montag, 14.05 Uhr

Neue Therapien und Forschungsergebnisse –  analysiert und eingeordnet. Die Medizin der Zukunft. Gesundheitsinitiativen und Selbsthilfegruppen. Nach einem Konzept der Ö1-Journalistin Helly Ladansky „ordinierte“ Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Enenkel erstmals 1990 in Ö1. Der international renommierte Kardiologe war bis 2000 der einzige Moderator der Sendung. Folgesendung seit 2024: „Am Puls“ 1990–2024

Ö1

Radiogeschichten

Große Stimmen lesen bekannte Texte der Weltliteratur.

Montag–Freitag, 11.05 Uhr Seit 1987

Eine Aufnahme vom 31.7.2001, gehört 2020: Ignaz Kirchner liest unter freiem Himmel im Ohlsdorfer Vierkanter von Thomas Bernhard den Schauspielermonolog aus

dessen Stück „Minetti“. In seine gewichtigen Pausen hinein zirpen junge Schwalben aus ihren unter dem Hofdach klebenden Nestern. „Und dann sterben wir“, sagt Minetti mit der Stimme des toten Kirchner. Radio! Man fühlt die schmerzhafte Schönheit eingefrorener Gegenwart. Auch die jungen Schwalben sind längst nicht mehr am Leben, aber ihr Zirpen erscheint keineswegs eingefroren, es geht ins Ohr, als würde es geradewegs aus dem heutigen Tag kommen. Kunst und Natur – zwei sehr verschiedene Kontinuitäten …

DIESE IN VIELERLEI HINSICHT BEMERKENSWERTE AUFNAHME DURFTE ICH FÜR DIE Ö1„RADIOGESCHICHTEN“ AM 16.07.2020 BEARBEITEN.

Gudrun Hamböck Ö1

Ö1

Radiokolleg

MODERATION: INA ZWERGER, ULRIKE SCHMITZER, MONIKA KALCSICS, ASTRID SCHWARZ, MANFRED JOCHUM, NORA ASCHACHER Montag–Donnerstag, 9.05–10.00 Uhr

Serien zu relevanten Wissensthemen aus allen Lebensbereichen – breitgefächert, vertiefend und orientierend. Die Autorinnen und Autoren verbinden Expertise mit Alltagserfahrung, sowie Hintergrundwissen mit Reflexion. Das „Radiokolleg“ ersetzte den „Schulfunk“. seit 1984

Rot-Weiß-Rot Radioparlament

MODERATION: DANIEL BRIER

Dienstag, 16.30–17.00 Uhr

Diskussionssendung mit bekannten Fachleuten und Publikumsbeteiligung. Thema zum Beispiel am 27.04.1954 „Warum vegetarisch leben?“ 1949–1955

Radio Kärnten Ratschbergpost

MODERATION: IDA WEISS, LISBETH RICHTER, ARNO PATSCHEIDER, HUBERT REPNIG, FRITZ HOFMEISTER Sonntag

1970er–1990er

Meine Eltern haben mit uns Kindern Sonntags sehr oft einen Ausflug gemacht. Die Anreise erfolgte mit dem Auto. Im Radio lief da immer die „Ratschbergpost“, ein Hörspiel in Radio Kärnten. Es hat den Klatsch und Trasch der damaligen Zeit verbreitet. Und der Redakteur Rasantschnig war federführend …

Jeden Sonntag, so hörte ich später, saßen viele Menschen vor dem Funkhaus, um zuzuhören. Jahrzehnte später war ich eine der Stimmen in der Sendung und mächtig stolz darauf!

Marco Ventre ORF KÄRNTEN

Radio Wien

Russische Stunde

MODERATION: HERTHA KRAUSS, RUDOLF BERGER, EMMERICH SCHRENK

Verschiedene Tage & Uhrzeiten

Hier mussten Nachrichten verlesen werden, die der russische Informationsdienst verfügt hatte. Nicht selten dementierten die Radiosprecher:innen gleich anschließend an die Sendung. 1946–1953

SFM4 / Ö3

Salon Helga

MODERATION: DIRK STERMANN, CHRISTOPH GRISSEMANN Freitag, 20.15–21.30 Uhr

Tragikomische Kurzgeschichten, Telefonscherzanrufe und Parodien auf andere Medien (beispielsweise die Alpensaga Wurzel, Tunten testen Jausenstationen oder die Castingshow Philomania) waren Hauptbestandteile der Sendung.

1989–1994 (Ö3); 1995–2014 (FM4)

Als deklarierter Fan des „Salon Helga“ war meine Begeisterung besonders groß, als die beiden am 22.02.1997 zur Vernissage der von mir kuratierten Ausstellung „the medium – the message“ kamen. Schauplatz der Ausstellung, die Arbeiten von zeitgenössischen Künstler:innen präsentierte, war die ehemalige Alpenmilchzentrale im 4. Wiener Gemeindebezirk. Stermann und Grissemann erschienen in weißen Anzügen mit Federboa und machten

die extrem gut besuchte Veranstaltung zu einem besonderen Ereignis.

Hans-Peter Wipplinger

LEOPOLD MUSEUM

Ö1

Salzburger Nachtstudio

MODERATION: PAUL BECKER, OSKAR SCHATZ, HANS SPATZENEGGER, ELISABETH J. NÖSTLINGER, MARTIN HAIDINGER

Mittwoch, 21.00–21.55 Uhr

War die älteste Wissenschaftssendung auf Ö1. Wissenschaft im Brennglas! Die relevanten Fragen zur Zeit und ihre verblüffenden Hintergründe. Packende Debatten und spannende Kontroversen. 1956–2024

Radio Kärnten

Servus, Srečno, Ciao

VERSCHIEDENE

MODERATOR:INNEN

Montag–Freitag, 16.03–17.00 Uhr

Der Name des Programms „Servus, Srečno, Ciao“ ist nicht nur ein Synonym für die informelle Grußbotschaft auf Deutsch, Slowenisch und Italienisch, sondern ist zum Synonym für die enge Verbundenheit der Nachbarregionen des AlpenAdria-Raums geworden.

seit 2000

Ö1

Spielräume – Musik aus allen Richtungen

MODERATION: U. A. JOHANN KNEIHS, MIRJAM JESSA, XAVIER PLUS, ALBERT HOSP

Montag–Freitag, 17.30–17.55 Uhr

Ein Hörfenster für Klänge abseits der klassischen Musik, ein vielbesuchter und hochgeschätzter Hörort für Jazz, Blues, World, Pop und traditionelle Musik. seit 1995

Ö1 Synchron

MODERATION: HANS

LANGSTEINER, WOLFGANG POPP, ARNOLD SCHNÖTZINGER

Donnerstag, 16.40–16.55 Uhr

Lust auf Kino? Wenn nicht, dann spätestens nach „Synchron“. Hier hörte man Neues und Wissenswertes rund ums aktuelle Filmgeschehen. 2000–2021

TÖ1

Technische Rundschau

MODERATION: HUGO KIRNBAUER

Samstag, 16.50 Uhr

Hugo Kirnbauer gestaltete und moderierte von 1947 bis 1997 eine im Rundfunk in Österreich allwöchentlich ausgestrahlte Radiosendung. Er bekam noch in der Besatzungszeit im November 1947 von der damaligen Sendegruppe RotWeiß-Rot den Auftrag, eine Sendung „Für den Radiobastler“ zu machen. Sie wurde jeden Samstag mit 15 Minuten Länge gesendet.

Ab 1955 mit dem Werden des Österreichischen Rundfunks wurde sie auf „(Die) Technische Rundschau“ umbenannt und beinhaltete populärwissenschaftlich in prägnanten Kurzbeiträgen aktuelle technische Innovationen. Ab 1967 wurde die „Technische Rundschau“ in Ö1 gesendet. Die Zielsetzung der Sendung bestand darin, „laufend über alle aktuellen technischen Entwicklungen und Ereignisse allgemein verständlich und dabei doch wissenschaftlich exakt zu berichten“.

1967–1997

Ö1 Tonspuren

MODERATION: PETER KLEIN, ALFRED KOCH, JULIA REUTER Montag–Freitag, 16.03–17.00 Uhr

Kunstvoll gestaltete Schriftsteller:innen-Porträts, Einblicke in den Literaturbetrieb und neue Perspektiven auf literarische Werke. seit 1987

Am 1. Mai 1994 sollte ich für Ö1 im nigerianischen Lagos Akinwande Oluwole Soyinka treffen. Er war 1986 der erste schwarze Schriftsteller, der den Literaturnobelpreis gewonnen hatte. Doch schon bei der Einreise hielt mich die Militärpolizei hinter Gittern fest. Nahm mir Pass und Flugticket ab. Unmittelbar danach wurde ich des Landes verwiesen. Exakt

ein Jahr später machte der Schriftsteller für einen Tag in Wien Station. Ich konnte ihn endlich interviewen! Das Porträt des Akinwande Oluwole Soyinka lief dann am 28.6.1996 in der Ö1Sendereihe „Tonspuren“ und in diversen deutschen Stationen – inklusive meiner Nigeria-Geschichte und der Kommentare darauf von Soyinka selbst.

Peter Waldenberger Ö1 Ö3 Treffpunkt Ö3

MODERATION: THOMAS AIGNER, DOMINIC HEINZL, TAREK ADAMSKI

Montag–Freitag, 22.00–0.00 Uhr

Der „Treffpunkt Ö3“ hat alles, was die letzten Stunden des Tages brauchen. Guten Sound, gute Laune und eine gute Portion Sexappeal.

Radio Wien

Trost und Rat

MODERATION: WILLI RESETARITS

Sonntag, 19.00 Uhr

„Trost und Rat“ war eine von Willi Resetarits gestaltete, moderierte und auf Radio Wien ausgestrahlte Sendung. Resetarits führte dabei in bewusst improvisiertem und „schrulligem“ Stil durch das Programm und begrüßte Studiogäste, darunter zahlreiche Musiker:innen, mit denen er auch live sang und musizierte, Schriftsteller:innen und andere Kulturschaffende, sowie Personen der Zeitgeschichte. 1995–1998; 2006–2012

VÖ Regional

Verachtet mir die Meister nicht

MODERATION: WALTER

NIESNER, FRITZ RIHA

Dienstag, 17.00–18.00 Uhr

Sponsorensendung der Volksbanken Österreich zum Handwerk. Man stellte verschiedene handwerkliche Berufssparten vor und ließ sie von den „Fachleuten“ spitzzüngig begutachten.

Volksgruppenradio

Der ORF sendet nicht nur auf Deutsch: Im Burgenland gibt es wöchentlich Hörfunk-sendungen in Kroatisch, Ungarisch, Tschechisch, Slowakisch und Burgenlandroman und in Wien in Kroatisch, Ungarisch, Tschechisch, Slowakisch und Burgenlandroman. In Kärnten und der Steiermark gibt es täglich Programmstunden in slowenischer Sprache in ORF und auf Radio AGORA.

Ö1

Von Tag zu Tag (Seit 2017 „Punkt eins“)

VERSCHIEDENE

MODERATOR:INNEN

Montag–Freitag, 14.05 Uhr

Die Call-in-Sendung bringt täglich Expert:innen und Hörer:innen miteinander in Diskussion. seit 1977

WRadio Rot-Weiß-Rot Was gibt es Neues?

MODERATION: HEINZ CONRADS

Sonntag, 8.30–9.15 Uhr

Die Sendung wurde live aus dem Großen Sendesaal des Wiener Funkhauses in der Argentinierstraße ausgestrahlt. Fixpunkte der Sendung war die von Conrads stets live gesungene und meist von seinem Mitarbeiter Gustav Zelibor am Klavier begleitete Kennmelodie: Was gibt es Neues, was gibt es Neues, was alle Menschen interessiert in unserer Zeit?

1946–1986

Ö1, Radio Steiermark Wer ist der Täter?

MODERATION: HANS DOLF ALS „KOMMISSAR LEITNER“

Kriminalrätselserie nach einer Idee von Herta Schlemmer. 1946–1967

Radio Wien

WOW

MODERATION: ROBERT STEINER, ROLF RÜDIGER

Sonntag, 8.00–10.00 Uhr

Die Radio-Wien-Rätselshow für Kinder und Erwachsene mit Robert Steiner und Ratte Rolf Rüdiger

RAVAG

Wunschkonzert

Das „Wunschkonzert“ gab es schon bei der RAVAG. Im NS-Radio war es dann als Musiksendung für Wünsche von und an Soldaten ein zentrales Instrument der Propaganda. Geprägt wurden damit auch die Erwartungen der Hörer:innen an das Radio für die kommenden Jahrzehnte. ab 1931

ZÖ3

ZickZack

MODERATION: ELISABETH SCHARANG, MARTINA RUPP, MONIKA HALKORT

Montag–Freitag, 19.30–20.00 Uhr

Jugendsendung mit kritischen Reportagen 1979–1995

FM4

Zimmerservice

MODERATION: MARTIN BLUMENAU, ALICA OUSCHAN, MARTIN PIEPER

Sonntag, 19.00–20.00 Uhr

In dieser Sendung werden Wünsche erfüllt – die gelegentliche bizarre Abschweifung in popmusikalische Randbereiche sei dabei gestattet. Das Motto der Sendung: Höflichkeit ist das neue Schwarz

Das „FM4 Zimmerservice“ hat einen speziellen Platz in meinem Herzen: Als Jugendliche war diese

Sendung fester Bestandteil meines Sonntagabends. Ich habe sehr gerne Martin Blumenau zugehört. Ein wortkarger Liedwunsch wurde eher nicht erfüllt, wenn jemand eine Geschichte zum Lied hatte oder den Musikwunsch einer Person widmete, wurde das Lied gespielt. Sozialisierung mit Musik, Martin Blumenau interessierte sich für sein Gegenüber. Der Austausch mit den Hörer:innen konnte direkt, neckend oder berührend sein, unpersönlich war er nie. Als Moderator war Martin Blumenau nahbar, er hat über seine Lieblingsmusik erzählt und was diese in seinem Leben bedeutet. Vielfältige Musik wurde vorgestellt und kommentiert, die Reihe „49 Songs“ bleibt mir in schöner Erinnerung, so habe ich unter anderem die Musik von Joni Mitchell kennengelernt. Martin Blumenau ist 2021 leider früh verstorben, das „FM4 Zimmerservice“ gibt es mit Martin Pieper und Alica Ouschan weiterhin, Zuhören lohnt sich.

Es ist der Radiosportmoment schlechthin: Anlässlich des 3:2 gegen Deutschland bei der Fußball-WM in Argentinien schreit Edi Finger sen.

„I wer’ narrisch!“ ins Mikrofon. Aber Radio mit seinen Skiübertragungen, regionalen Sportberichten oder Fußballkommentaren schafft viele „sportliche“ Erinnerungen. Eine Auswahl.

Sport-momente

05.09. 1970 – ein in meiner Erinnerung wunderschöner, „goldener“ Spätsommertag neigt sich seinem Ende zu. Plötzlich Aufregung unter den Erwachsenen – aus dem Autoradio kommt die „Eilmeldung“, dass der österreichischen Auto-Rennfahrer Jochen Rindt beim Formel-1-Rennen in Monza tödlich verunglückt ist; in der berüchtigten „Parabolica“-Kurve in die Leitschiene gerast.

Jochen Rindt – der 28-jährige, österreichische „Komet“ in der Welt der Formel 1, am Weg zum Weltmeister, jung verheiratet und Vater einer zweijährigen Tochter. Idol für eine ganze Generation, auch meine beiden älteren Schwestern himmeln ihn an, sammeln alle Zeitschriftenartikel und Fotos, die sie finden können. In diesen lebenden Mythos bricht die Realität mit aller Härte ein – im Moment der Radiomeldung und in der folgenden Fassungslosigkeit bei allen Zuhörenden. Über den strahlenden Sommerabend legte sich ein düsterer Schleier. Auch ich erlebte als Achtjähriger in diesem Augenblick wahrscheinlich zum ersten Mal die Tatsache, dass es im Leben Endgültigkeiten gibt, die nicht diskutierbar und nicht veränderbar sind.

Eishockey hat mich schon vor dem Teenager-Alter in seinen Bann gezogen. Abende, an denen mein Vater oder der Vater meines Freundes mit uns Buben in Klagenfurt in die Eishalle gegangen sind, waren absolute Höhepunkte. Für Abende ohne Eishalle war das Radio da – ich hatte nämlich das „Radio Kärnten Eishockeymagazin“ entdeckt – damals mit Livestimmen wie Willy Haslitzer, Tono Hönigmann und Gustav Rainer. Schnell wurde das Magazin zur Lieblingssendung. Unser Radio wurde fallweise sogar im Badezimmer „aufgebaut“, damit meine Schwester und ich an den Abenden vor dem Schlafengehen nichts versäumt haben.

Irgendwie reifte viel später dann der Wunsch, es in diese Richtung zu versuchen. Irgendwann 2012 war es dann so weit – aus Linz ging ich erstmals im Eishockeymagazin live auf Sendung!

Johannes Orasche ORF KÄRNTEN

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30.04.1977. Österreich spielt gegen Malta. Der ORF überträgt das Spiel nur im Radio live. Im Fernsehen wird es später eine Aufzeichnung geben. Wir sind mit dem Auto unterwegs. Mein Vater ist ein Sportnarr, er möchte das Match im Fernsehen genießen. Aber er will sich die Spannung behalten, also ist das Autoradio stumm. Vor einer roten Ampel müssen wir anhalten. Auch auf der Nebenspur bleibt ein Auto stehen, da hören wir aus dessen Lautsprecher: 6:0 für Österreich! Mein Vater war wütend über die ungewollte Information und hat sich das Spiel im TV gar nicht mehr angesehen. Ich aber hab mich über den Sieg Österreichs gefreut!

Sascha Schrems ORF NEWS

„I wer’ narrisch!“

Córdoba (Argentinien)

Mein größtes Erlebnis als Ö3-Sportreporter hatte ich 1999 – so blöd es klingt beim 0:9-Debakel der österreichischen Nationalmannschaft in Spanien. Der schwärzeste Tag in der Fußball-Geschichte wurde zur echten Geburtsstunde des Ö3-Duos Adi & Edi. Ein Gag hat den nächsten gejagt. Wir waren im Gegensatz zu den Fußballern in Höchstform. Am nächsten Tag haben einige Zeitungen (z. B. der „Kurier“) unsere Einstiege auf Ö3 wortwörtlich abgedruckt. So etwas hat es noch nie gegeben. Ein echtes Erlebnis. Das hat einer Werbeagentur so gut gefallen, dass wir zu Werbetestimonials geworden sind. 14 Jahre lang! Radio macht Bilder im Kopf und dass ich selbst einmal Reporter werden durfte, war für mich ein Kindheitstraum.

Adi Niederkorn ORF SPORT

25.06.2008: Am späten Abend ist ein Spiel der Fußball-EM in Wien am Laufen. Da nähert sich ein massives Gewitter mit starken Sturmböen Wien. In der Ö3-Wetterredaktion war uns schnell klar: Das wird ein Volltreffer. Auf allen Kanälen des ORF versuchten wir noch rechtzeitig zu warnen. Die Veranstalter und Verantwortlichen reagierten prompt, mehr als 30.000 Menschen wurden sicher aus der Fan-Zone begleitet. Nur wenig später fegte das Gewitter mit starkem Regen und Sturmböen über 100 Kilometer pro Stunde über die Stadt. Die Fußball-Begeisterten waren da schon in Sicherheit, niemand wurde verletzt.

ORF WETTER

4 Valencia, Spanien
2 Linz, Österreich 5 Wien, Österreich
1 Monza, Italien
3 Malta

Ein Mikrofon wandelt Töne in elektrische Signale um. Ein Modulator setzt diese auf elektromagnetische Wellen, die ein Sender ausstrahlt und eine Antenne empfängt. Das Gerät mit Antenne  – ein Radio – verstärkt das Tonsignal so intensiv, dass die Membran eines Lautsprechers zu schwingen beginnt und so wieder Schallwellen erzeugt. So ein Gerät lernten viele Menschen in den Zwanzigern des letzten Jahrhunderts selbst zu basteln. Die Technik wird über ein Jahrhundert lang verfeinert. Man nimmt Töne auf Magnetbänder auf, auf Schallplatten, schließlich auf Compact Discs . Man installiert große Apparate in Wohnzimmern, erfindet Empfangsgeräte fürs Auto und tragbare Radios, später „Walkmen“, die Musik und Vergnügen (fast) egal wo ermöglichen. Heute funktioniert vieles ausschließlich digital, das Mobiltelefon empfängt unter anderem SOUND . Was über die Jahrzehnte geblieben ist, sind die Begeisterung für die Technik – und die Hoppalas, die Menschen mit ihr passieren können. Für Radiopirat:innen waren Sender das höchste und wichtigste Gut, das in Österreich jedoch nicht legal zu beschaffen und durch Beschlagnahmungen leicht zu verlieren war. Dieses Gerät war in den 1980er Jahren ein Geschenk befreundeter Aktivist:innen aus der Schweiz als Beitrag zur Medienliberalisierung in Österreich. Objekt: Haus der Geschichte Österreich / Schenkung Helmut Peissl, Foto: David Tiefenthaler, 2024

Von Radio Hekaphon bis zur RAVAG

„Hallo, hallo, hier Radio Hekaphon auf Welle 600!“, so meldete sich im April 1923 der erste österreichische Rundfunksender. Ein Sender, der von einem einzigen Mann, Ing. Oskar Koton, erdacht, erbaut und über anderthalb Jahre allein betrieben wurde. Die Sendestation wurde im Radiolaboratorium des Technischen Gewerbemuseums in der Währinger Straße errichtet und auf die Kosten der Firma „Telegrafenfabriks AG. Czeija, Nissl & Co.“ betrieben. Die Anlage war in drei Räumen untergebracht: das Studio, Sender- und Musikraum und Maschinenraum. Das erste Studio verfügte nur über ein Grammofon mit einem riesigen, braungestrichenen Trichter und ein Mikrofon. Kurz darauf kamen ein Klavier und eine Harmonie hinzu.

Die Hauptrolle in dieser Pionierarbeit spielte nicht nur die Technik, sondern auch ihr Ausführender, Ingenieur Koton. Er vereinte in seiner Person den technischen Direktor, den Programmdirektor, den Klavierspieler und den Sprecher. Seine Stimme war allgegenwärtig und vertraut, und die Hörer:innen warteten gespannt auf seine Ansagen und Moderationen. Ing. Koton richtete zudem einen technischen Fragekasten ein, in dem Anleitungen für Bastler gegeben wurden. Er beantwortete geduldig alle Fragen rund um das neue Medium „Radio“, wie zum Beispiel, ob man Radio auch bei geschlossenen Fenstern hören kann. Durch all diese Rollen erlangte er über viele Jahre hinweg als „Radio-Onkel“ große Popularität. In Briefen wurde er wiederholt gebeten, sein Profilfoto zu veröffentlichen, da das Publikum wissen wollte, ob die Vorstellung vom Radio-Onkel als älterem, bärtigem Mann zutraf. Zu dieser Zeit war Oskar Koton jedoch erst 24 Jahre alt. Nach einem halben Jahr veröffentlichte Koton

Der Senderaum von „Radio Hekaphon“, Foto in der Zeitschrift Radiowelt 24.08.1924, Bildarchiv Austria (picturemaxx.com)

das Programm von Radio Hekaphon in den Zeitungen.

Trotz kontinuierlicher Verbesserungen in der Übertragungstechnik blieb die Eintönigkeit der musikalischen Darbietungen ein Problem. Die Melodien des elektrischen Klaviers waren den Hörer:innen bald vertraut, und auch das Grammofon bot keine Abwechslung. Dann jedoch traten unerwartet aber mit großer Begeisterung Bert Silving und sein Quartett auf den Plan. Zunächst ohne Honorar stellten sie sich der damals noch wenig populären Radiotechnologie zur Verfügung. Dank Bert Silving erreichten die Übertragungen ein neues Niveau. Innerhalb weniger Monate gelang es Silving, renommierte Künstler:innen für das Radio zu finden und zu gewinnen. Die ersten, die sich vor ein Mikrofon wagten, waren Richard Mayr, Raoul Aslan, Blanka Glossy und Paul Pranger. Für die Künstler:innen war das Auftreten ohne die gewohnte Theateratmosphäre und das Publikum, sondern in einem Senderaum mit schweren Vorhängen und schalldämpfenden Teppichen, sehr außergewöhnlich. Die fehlende Theateratmosphäre und der

Ein Blick in die Sendestation, Foto in der Zeitschrift Radiowelt 24.08.1924

Leitung der Sendestation Radio Hekaphon. Von links nach rechts: Leitender Ingenieur Koton; Direktor Dr. Neuburger; Musikdirektor Silving, Chefmechaniker Swoboda, Foto in der Zeitschrift Radiowelt, 07.09.1924

Radioprogramm, Quelle: Radiowelt 20.04.1924

Radiofieber

Mehr zur Geschichte des Radios: dokufunk.org

persönliche Kontakt störten nahezu jeden Künstler. Um diesen Mangel zu mildern und die Nervosität zu verringern, wurden die Räumlichkeiten so weit wie möglich für ein Publikum geöffnet.

Am Abend des 29. August 1924 versammelte sich eine besondere Abschiedsgesellschaft im großen Saal „Zum Auge Gottes“. Ingenieur Koton hatte alle Amateur:innen zur „intimen“ Abschiedsfeier von Radio Hekaphon eingeladen, jedoch hätte niemand erwartet, dass dieser drahtlose Aufruf mehr als tausend Hörer:innen anlocken würde! Das Erstaunen war entsprechend groß, als so viele begeisterte Radiofreund:innen den Riesensaal bis auf den letzten Platz füllten. Aus den Hörern:innen waren Zuschauer:innen geworden!

Im Herbst 1924 musste Radio Hekaphon seine Übertragungen einstellen. Die neu gegründete RAVAG übernahm die Sendungen mit einem 500-Watt-Sender des Kriegsministeriums. Der Pionierarbeit von Radio Hekaphon ist es zu verdanken, dass am 01. Oktober 1924 rund 11.000 Hörer:innen sich zur Teilnahme bei der RAVAG anmeldeten. Diese beträchtliche Zuhörerschaft verdeutlicht den Einfluss und die Bedeutung der frühen Radiobemühungen von Radio Hekaphon.

Als Jugendlicher in den 1980er Jahren fiel mein Blick eines Tages hinter die Rückwand eines Minerva-Radioapparates der 1950er Jahre. Unbedingt wollte ich wissen, was da drin steckt, damit Musik aus dem Lautsprecher kommt. Dieses Radio besaß noch Elektronenröhren. Daher war nach dem Einschalten rund eine halbe Minute lang nichts zu hören, obwohl die Lämpchen der Skala schon erkennen ließen, dass das Radio eingeschaltet war. Ich hab’ in meinem Jugendlexikon nachgeschaut: Die Beschreibung der glühenden Kathode und der Elektronen, die von ihr ausgesendet werden und anschließend durch das Vakuum wandern, um von einem Gitter gesteuert zu werden, hat mich absolut fasziniert! Im Laufe der Zeit bekam ich das eine oder andere Radio von Verwandten oder beim Altwarenhändler und meine Radiosammlung wuchs. Ein lieber Bekannter, Leopold Pribyl, zeigte mir die ersten Schritte für eine Radioreparatur: Wie mir ein Schaltplan hilft, was welches Bauteil macht und wie ich einfache Fehler finden und beheben kann. Später bin ich auch einer der ersten Radiobastlerinnen Österreichs begegnet. Zu Beginn, in den 1920er Jahren, war die Radiotechnik eine Männerdomäne. Eine Frau wagte jedoch den Einstieg in dieses Terrain: Lotte Kratochvil. Wie sie mir persönlich stolz erzählte, war sie die erste Frau in Österreich, die die Prüfung zur „Radiomechanikerin“ erfolgreich absolvierte. Danach war Frau Kratochvil bei namhaften Firmen wie Tungsram, Siemens-Österreich (WSW – Wiener Schwachstrom Werke), Elektrohansa und zuletzt – bis zu ihrer Pension – bei der Firma Kapsch angestellt. Auch im beruflichen Ruhestand ist Lotte Kratochvil der Radiotechnik treu geblieben. Immer wieder war sie zu Besuch beim sogenannten „Radiostammtisch“ – einem Treffen Gleichgesinnter – sowie im ehemaligen Radiomuseum Eisvogelgasse in Wien, wo eifrig gefachgesimpelt wurde. Auch an Radioflohmärkten in Breitenfurt nahm Frau Kratochvil regelmäßig teil. Sie mietete stets einen eigenen Stand, um die von ihr reparierten Radios zum Verkauf anzubieten. 2009 ist Lotte Kratochvil von uns gegangen. Unser gemeinsames Hobby aber ist geblieben. Auch heute noch, nach ein paar Jahrzehnten, ist mir das Hobby nicht langweilig. Nicht nur das Sammeln alter Radiogeräte, sondern vor allem die Restaurierung sowie die Geschichte der ehemals bedeutsamen österreichischen Radioindustrie und dazu passende technische Beschreibungen und Werbungen begeistern mich. Darüber hinaus profitiere ich von meinen Erfahrungen, da ich gemeinsam mit einigen Kolleg:innen das Elektronikmuseum der HTL Donaustadt betreue und ehrenamtlich verantwortlicher Redakteur der Fachzeitschrift „Radiobote“ bin.

„RADIOBOTE“

Übertragungswagen bei der ersten Live-Reportage der RAVAG „Besuch in Wien“ mit Willy Schmieger und Alfred Braun vor dem Burgtheater, Foto: Lothar Rübelt, 1931

Radioübertragung aus einem unbekannten Schwimmbad, Foto: Lothar Rübelt, undatiert, ca. 1927

Technische Überprüfung eines Radioapparates in der Fabrik der Firma Philips in Wien, Foto: United States Information Service (USIS), 1951

Kurzwellenempfänger der Marke „NeutroBaby“, Foto: United States Information Service (USIS), 1951

Frauen mit Kopfhörern beim Hören über ein 3-RöhrenSteilpult- Radiogerät, ab 1924 hergestellt, Fotograf:in unbekannt

Burgtheaterdirektor Raoul Aslan bei der Vorbereitung für eine Radioaufnahme, Foto: Otto Croy, 1946

Kind vor einem Radiogerät, Foto: Karl Winkler, undatiert

Philips Präludio

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Radiogerät, Foto: Scheidl, 1956

Kleinbus, unter dessen Seitenfenster der Schriftzug „Österr. Radioverkehrs A.G.“ angebracht ist. Rechts im Bild sind Uniformierte zu erkennen, die versuchen, den Bus von der Menschenmenge abzuschirmen. Am Bildrand rechts unten ist der hintere Körperteil eines Pferdes zu sehen, das vor dem Bus steht, Foto: Lothar Rübelt, 1931

Übertragungswagen der RAVAG am Flugfeld Aspern, um die Ankunft der Fliegerin Elly Beinhorn live im Radio senden zu können, Foto: Lothar Rübelt, 1930

Radiohörerin mit dem neuen Horny-Radiomodell, Foto: Scheidl, 1957

Autobus mit Werbung für das Radiohören. Die Aufschrift lautet „GEFRA Radio-Werbefahrt. Radio unterhält u. belehrt täglich durch 3 Stunden. Werdet Teilnehmer“, Foto: Lothar Rübelt, 1927

Alle
Fotos:

Als ich 2006–2008 Interviews zu musikalischer Alltagskultur im 20. Jahrhundert führte, fiel mir sofort auf, wie sehr das Radio die Biografien prägte. Die 1936 geborene Helga Kerschbaumer ist dafür ein gutes Beispiel. Sie wurde in eine alteingesessene Gasthausfamilie im steirischen Oberzeiring hineingeboren. Sie erzählt, wie das frühe Radioprogramm einen Generationenkonflikt zwischen ihrer jungen Mutter als Jugendliche und ihrem Großvater auslöste. Dabei erhitzten sich die Gemüter darüber, welche Art von Unterhaltung und Musik erwünscht und erlaubt sei: Während die Töchter nach Meinung des Großvaters die Gäste des Wirtshauses mit Livemusik unterhalten sollten, waren diese beiden Mädchen vor allem interessiert am Musikprogramm des neuen Mediums Radio. Dass der Wirt dabei selbst gar kein Radiogerät anschaffen ließ, hielt seine Töchter nicht davon ab, sich mit einer technischen Lösung zu behelfen:

„Der Matzner Walter, [der Richter des örtlichen Bezirksgerichts], der wor da erste [bei uns] in Zeiring mit einem Radio – die haben da oben, [auf der anderen Seite der Straße] gewohnt. Und meine Mutter, die hat da bei dem Fenster ein Kabel [quer über die Straße] herübergelegt und dann haben unsere herüben auch Radio hören können. Und sie haben dieses Kabel da herinnen herüber-

Aufnahme eines Festzugwagens beim deutschnationalen Sängerbundfest in der Schönbrunner Straße 69–71, der ein einmaliges Wunschkonzert der RAVAG bewirbt. Der Schriftzug „Hallo! Hallo!“ verweist auf die bekannte Durchsage „Hallo, hallo, hier Radio Wien“ zu Sendebeginn. Foto: Lothar Rübelt, 1928, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

gezogen und bei uns beim Dachfenster herein, und dann haben unsere da auch eine Musik gehabt herüben. Und eine Hetz haben sie gehabt, bis der Großvater einmal draufgekommen ist. Dann haben sie es müssen verschwinden lassen. Das hat meine Mutter oft erzählt, auf diese Idee [muss man erst kommen]. [Mein Großvater war so gegen das Radio], ja weil die Mädchen, hat er gesagt, die ganze Nacht da Radio hören [obwohl sie] in der Früh heraus müssten und arbeiten. Dass sie da oben Musik spielen, also, da war er entsetzt! Die Mädchen sollen gescheiter heruntergehen [in die Gaststube des Wirtshauses], Zither spielen. [Aber stattdessen] haben sie oben nur Radio gehört. Da hat er immer geschimpft: ‚Die müssen heruntergehen Zither spielen und nicht da obn Radiohören!‘“

Meine Großmutter Xenia lebte in Kotor, einer alten altösterreichischen Handels- und Hafenstadt an der Adria. Sie erzählte mir gerne vom Meer und auch von den Schiffen, die kurz nach der Jahrhundertwende mit schweren Radio-Apparaten ausgestattet wurden. Die Matrosen sollen ganz aus dem Häuschen gewesen sein. Vor einigen Jahren habe ich ihr mein Handy gegeben, mit dem sie erstmals Radio streamte. Da war sie es, die ganz aus dem Häuschen war. In jenem Moment wurde mir bewusst, dass sie ein Jahrhundert Entwicklung und Transformation in ihrer kleinen, alten Hand hielt. Und jedes Mal, wenn ich mein Radio mit einer Selbstverständlichkeit einschalte, muss ich an Oma Xenia denken. Sie wurde 105 Jahre alt.

Mein Großvater Ing. Rudolf Blahak war Hörer der ersten Stunde und hat das erste Radio selbst gebaut. In Bernhardsthal damals in den 20ern eine Sensation! Er hat auch ein Foto seiner kleinen Nichte an das Radio nach Wien geschickt. Das Foto wurde in der Radiozeitschrift gedruckt – und ganz Bernhardsthal war stolz, in einer Zeitung erwähnt zu werden. Die Liebe zum Radio und zur Radiotechnik hat er uns vererbt: Meine Mutter Anneliese war eine der ersten Tonmeisterinnen des ORF, ich selbst bin begeisterte Amateurfunkerin – und auch wenn es heute weit modernere Technik, das Handy, die KI, gibt – das analoge Bedienen der Funkwellen, der Kontakt, den das ermöglicht, die intensive Berührung lässt mich nicht los.

Der Radioapparat meiner Großmutter hatte ein Auge. Wenn man ihn einschaltete, blieb er zunächst stumm. Nur in seinem Auge geschah etwas: Es veränderte langsam die Farbe. Einige Sekunden später begann der Apparat zu rauschen. Und erst danach schälten sich Musik und Stimmen heraus, um schließlich deutlicher, aber niemals völlig klar zu werden, sondern immer die Aura des sogenannten Äthers mit sich zu tragen. Damals empfand man Radio noch als das, was es im Wesentlichen tatsächlich ist: ein Wunder. Für mich als Kind war das so und für meine Großmutter erst recht. Doch dieses Wunder wurde mit der Zeit alltäglich, wie auch das Fliegen mit der Zeit alltäglich geworden ist. Mit der Zeit nutzen

sich selbst Wunder ab, verlieren die Aura des Äthers, werden klar und selbstverständlich. Das ist schade. Aber nicht der Alltag zerstört das Wunder (der Alltag ist Teil davon), sondern die Selbstverständlichkeit zerstört das Wesen des Alltags. Ich möchte deshalb eine Lanze für das Wundervolle im Alltäglichen brechen und stellvertretend eine Lanze für das Radio: Es vereinigt nicht nur beides, es verhilft dem einen sogar zum anderen – dem Wunder zum Alltag und dem Alltag zum Wunder – im besten Fall. Nicht mehr und nicht weniger.

SCHAUSPIELER & REGISSEUR

In den sechziger Jahren hat das Radio wieder an seine friedlichen Wurzeln angeknüpft und wurde zum Begleiter auch meiner Kindheit, am späteren Abend der Hörfunkkrimi „Gestatten, mein Name ist Cox“ unter der Bettdecke (noch ohne Kopfhörer) oder Übertragungen von Schirennen während der Schulstunde – dann schon mit Kopfhörern. Ich kann mir nicht erklären, warum die erinnerlichsten Augenblicke des Radio-Hörens in der Kindheit verborgen und versteckt waren. Das Radio war aber auch raffiniert, meine Großmutter rief verzweifelt einen Techniker „das Radio funktioniert nicht mehr“, er fand bald die Quelle des Problems und erklärte ihr höflich „Sie haben den Sender verstellt.“ Die heutigen Gespräche mit dem Help-Desk, weil „das WLAN nicht funktioniert“, sind ähnlich hilflos.

Rudolf Scholten WIENER FESTWOCHEN

Als Bub – ich glaube ich war neun oder zehn Jahre alt –hatte ich nur den einen Wunsch, mir Kassetten selbst zu machen, nur mit meinen Lieblingsliedern, die ich in der Hitparade von Ö3 mit Udo Huber sehnlichst erwartet und gehört habe. Daher habe ich mir eine Fisher-Musikanlage zu Weihnachten gewünscht, mit einigen Leerkassetten. Ich habe ein Jahr warten müssen, um die Anlage zu bekommen. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich endlich mein eigener DJ sein.

RADIOKULTURHAUS & ORF RSO WIEN

Mobiles Radiohören ist schon fast immer möglich gewesen – vom Autoradio in den 1920er Jahren in den USA, über das Transistorradio ab den Fünfzigern, von Walkman und Ghettoblaster in den Achtzigern über den iPod in den 2000ern bis zum jetzigen Smartphone.

Das mobile Radiohören war immer „in“, man wollte ja auf dem Laufenden gehalten bleiben. Und wir, wir wollten vielleicht nicht am Laufen, aber am Gehen halten:

Es war zu Pfingsten 2002, als wir uns auf ein Wanderwochenende mit Freunden in Kärnten freuten. Mitsamt deren Kindern, die tief in der Pubertät angekommen waren. Eine Wanderung auf einen Berg war definitiv nicht auf deren Wunschliste (was haben die Eltern den Kindern wohl versprochen, damit sie überhaupt mitfuhren?). Eine vorzeitige Abreise per Zug zu den Großeltern stand drohend im Raum. Wir konnten sie immerhin dazu überreden, zumindest eine Wanderung mitzumachen. Der Deal zwischen Kids und Erwachsenen war, dass sie den iPod mitnehmen und benützen durften. So gingen wir zu acht auf den Berg, immer begleitet von Oliver Baiers fröhlicher Stimme in seiner damaligen Radio-Mittags-Sendung „Mahlzeit“ auf Ö3. Wir waren Oliver Baier sehr dankbar, denn die Burschen bemerkten den steilen Aufstieg dadurch nicht. Mehr noch: Sie blieben letztendlich das ganze Wochenende in Kärnten und wanderten jeden Tag mit! – Radio keeps things moving!

ORF HUMANITARIAN BROADCASTING

Wir hatten damals kein Internet, kein Handy. 1989. Informationen bekam man aus der Zeitung oder eben aus dem ORF-Radio, Privatsender gab es noch keine in Österreich. So war das. Ich war beim Bundesheer. 10. November. 6.00 Tagwache! Wir springen aus den Stockbetten. Ein Mannschaftszimmer für 12 junge Soldaten. Hinein in den grünen Trainingsanzug – Morgensport. Auf dem Fensterbrett: unser silberfarbenes Radiogerät. Wir binden die schwarzen Turnpatschen und hören die ORF-Weltnachrichten. Und plötzlich hält einer nach dem anderen inne, niemand schlägt mehr mit den lauten Blechtüren der Spinde – es wird leise, denn wir wollen zuhören und können nicht glauben, was da berichtet wird: Die Berliner Mauer ist über Nacht „gefallen“. Tausende Ostberliner sind am Abend und in der Nacht nach Westberlin geströmt, um auszuprobieren, ob es nun tatsächlich keine Ausreisebeschränkungen mehr gibt. Berlin tanzt und fällt sich um den Hals! Wir, die wir in der Schule noch Deutschlandkarten mit einem dicken Grenzstrich in der Mitte studierten, wir, die wir aufgewachsen waren mit dem „Eisernen Vorhang“ im Kopf, wir waren irgendwie geschockt, ungläubig, froh für die Menschen im Osten. Uns war bewusst, dass das ein denkwürdiger Tag werden würde, der in die Geschichte eingeht. Und es war unser lausiges Radiogerät auf dem Fensterbrett, das uns diese weltverändernde Nachricht brachte. Ein bewegender Radiomoment. An den Morgensport kann ich mich nicht mehr erinnern.

Thomas Arbeiter

ORF TIROL

Ein paar Jahre meiner Kindheit verbrachte ich in Brasilien. Ich wohnte mit meiner Familie in einem Hochhaus im Stadtteil Gávea in Rio de Janeiro. In der Garage, in der wir gerne Verstecken oder Fangen spielten, saß der Garagista, dessen Namen ich vergessen habe, und passte auf unsere Autos auf. Wenn wir bei ihm vorbeikamen, sagten wir höflich „Bom dia“ (Guten Tag!) und „Como vai o Senhor?“ (Wie geht es Ihnen?). Das, was mich an diesem Mann am meisten faszinierte, war sein Transistorradio. Das stand immer in Ohrhöhe auf dem Mäuerchen neben ihm, und zu hören waren (in meiner kindlichen Erinnerung ständig) Übertragungen von Fußballspielen, mit Reportern, die scheinbar nie zu atmen brauchten. Den minutenlangen Torruf „Gooooooooooooooooooal!“ hörten wir bis in die letzten Ecken der Garage. Der Garagista war Fan der Mannschaft von Flamengo, das war damals die coolste Mannschaft. Auch ich war selbstverständlich FlamengoFan. Meine Leidenschaft für Fußball ist mittlerweile abgeflaut, die fürs Radio nicht, im Gegenteil.

Uli Jürgens

Foto einer Radiohörerin mit einem Kofferradio, Fotograf:in unbekannt, 1950, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

Bandsalat

Hörfunkbeiträge werden auch heute noch geschnitten. Das sieht so aus, dass man die auf einem Bildschirm graphisch dargestellte Aufnahme mit der Maustaste markiert, also eine Anfangs- und Schlussmarke setzt, und den dazwischen liegenden Teil löscht.

Ähnlich war das in früheren Zeiten, als man noch mit richtigen Tonbändern arbeitete, nur dass man die auch wirklich mittels Schere auseinanderschnitt und mit einem Klebeband wieder zusammenfügte. War man geschickt, ging das recht gut. Wenn irrtümlich herausgeschnittene Passagen wiederherzustellen waren, gab es allerdings ein Problem. Die Schnipsel lagen ja schon im Abfallkübel, und man musste sie oft einzeln händisch am Tonkopf vorbeiziehen, um den richtigen wiederzufinden.

Rundfunktonbänder konnten außerdem für alptraumhafte Situationen sorgen. Sie waren ja nicht wie die Tonbänder der Heimgeräte auf Spulen gewickelt, sondern einfach frei auf einem Kern, einem sogenannten Bobby. Wenn das Band nicht straff genug gewickelt war und man das Ganze auch noch ungeschickt anhob, fiel es gerne wie eine Faschingsgirlande durch. Zurück blieb dann ein Bandsalat, der kaum mehr zu entwirren war.

So eine Notsituation habe ich einmal im Wiener Funkhaus aus nächster Nähe miterlebt. Das Band war durchgefallen, wenige Sekunden bevor es in einer Livesendung abgespielt werden sollte. Was machte der Tontechniker? Er fädelte den Anfang in die Tonbandmaschine ein und startete die Wiedergabe. Ein anderer, schnell herbeigerufener Kollege nahm den Rest des Bandes locker in seine Arme und lief damit den ganzen Gang des Funkhauses entlang, während sich das Band aus dem haltlosen Durcheinander von selbst löste. Die Bandmaschine bekam immer gerade so viel Futter, als sie zum Abspielen brauchte. Das Kunststück gelang. Wie ich später hörte, hatten frühere Tontechnikergenerationen für solche Notfälle noch drastischere Methoden parat. Sie hielten ein Bandende fest und warfen den Rest einfach aus dem Fenster. Auch das gelang (meistens).

Peter Meissner RADIO NIEDERÖSTERREICH

Objekt: ORF, Foto: David Tiefenthaler, 2024

Der „Gmundner Sommerkarneval“ war ein bedeutendes Sommerfest in Österreich. In den 1990er Jahren versammelten sich Zehntausende Menschen im malerischen Toscana-Park direkt am Ufer des Traunsees, um ausgelassen zu feiern. Viele von ihnen waren bunt kostümiert und ließen sich vom brasilianischen Karneval inspirieren. Das Fest war stilvoll und dennoch ausgelassen.

1997 sollte eine Reportage für den Ö3-Wecker entstehen, die die hedonistische Atmosphäre dieses Großereignisses im Salzkammergut einfangen sollte. Doch das Ergebnis war überraschend anders.

Der Plan war vielversprechend: Ein Fallschirmspringer sollte „fast live“ im Park landen und die anwesenden Gäste mit einem himmlischen Frühstück überraschen. Ich begleitete die Vorbereitungen am Flugplatz und zeichnete einen Probesprung auf – inklusive Geräuschen vom Start des Flugzeugs bis zum Countdown zum Absprung.

Am nächsten Morgen, kurz vor der Live-Sendung, fügte ich die Landung des Springers samt dem Auspacken des Frühstückskorbs und dem ersten Biss ins knusprige Semmerl hinzu. Die Radioreportage war ein Meisterwerk aus Emotion und Action, und die Ö3-Hörer:innen wurden für ihre Treue belohnt.

Jedoch bemerkte ich noch ein Detail: Wir hatten viele Geräusche aufgenommen, aber die idyllische Parkatmosphäre fehlte – kein Vogelgezwitscher, keine zirpenden Grillen. Unsere Techniker hatten jedoch eine geniale Idee: Während des Live-Zuspiels in den Ö3-Wecker wollten sie Vogelgezwitscher von einer Tierstimmen-CD dazumischen.

Doch dabei passierte das Unglück: Während ich gerade die Worte „Unsere Ö3-Hörer:innen lassen sich das Frühstück gut schmecken …“ sprach, wechselte der CDPlayer auf den nächsten Cut „Lautes Schweinegrunzen aus einem Innviertler Saustall“. Ein Schock im Ü-Wagen, ein tobender Ö3-Chef am Telefon – aber die Hörer:innen fanden es lustig. Und so rettete dieser „Gag“ meinen Job als junger Reporter.

Gernot Hörmann

ORF OÖ

Ein Moment, den ich im Radio gehört habe, hat mich als Chef vom Dienst sehr nervös gemacht, aber Gerlinde Lang, eine 2021 viel zu früh verstorbene Kollegin, hat die Panne so charmant moderiert, dass ich sie fast genießen konnte. Es war am 18.01.2007 kurz vor 15.00 Uhr, Zeit für die Nachrichten. Die Schlagzeilen vor den News zu lesen war Gerlindes Aufgabe als Moderatorin. Da sie, wie wir alle, auf genaues Backtiming und den pünktlichen Beginn der News eingestellt war, hatte sie nicht damit gerechnet, dass sie die Schlagzeilen nicht rechtzeitig bekommen würde und die News-Redakteurin noch nicht auf ihrem Platz im News-Studio war. Der Song war zu Ende, es war Punkt 15.00 Uhr, Gerlinde wartete immer noch auf die Kollegin und musste die Zeit überbrücken, sie summte, sie erzählte, wie das normalerweise abläuft, sie lachte charmant, sie erklärte die Schlagzeilen zu den frischesten, die es nur gibt, „deswegen liegen sie noch im Drucker“, sie witzelte „ihr hört FM4, den Sender mit den ausführlich einmoderierten Nachrichten“, bis dann alles ready war. Ich denke noch immer an sie. Und das nicht nur dieses Moments wegen.

Claudia Czesch FM4

Meine Sternstunde war am 28.01.1986 – da hab ich Ferry Porsche fürs „Journal Panorama“ interviewt. Er kritisierte die „schlechte Erziehung“ aggressiver Autofahrer und sah die Zukunft in ruhigeren Fahrern und kleinen, sparsamen Autos. Mit einer anderen Autogröße hatte ich eine technische Panne: Das Interview mit Nicolas Hayek, dem Erfinder des „smart“, zur Werkseröffnung am 27.10.1997 sollte via Leitung der Post durch Frankreich und Deutschland bis nach Wien überspielt werden. Geklappt hat nur die Fernsehleitung – und das nur bis zum Küniglberg zum TV, zum Radio ins Funkhaus in der Argentinierstraße hat es der Beitrag nicht mehr geschafft … Besser war es vom K2. Von dort habe ich 1989 für Ö3 und Radio Oberösterreich von einer Himalaya-Expedition übertragen. Fünf von insgesamt rund 80 Trägern schleppten im Juni das Satellitentelefon, die Spiegelantenne, den Stromgenerator und das Benzin rund eine Woche lang ins Basislager unter dem „K 2“ in 5.000 Meter Höhe. Die Leitungen via Fernamt, Erdfunkstelle und Nachrichtensatellit funktionierten. Die Expedition aber endete tragisch: Schlechtes Wetter verhinderte das Erreichen des Gipfels – und ein Teilnehmer verunglückte tödlich.

Gerlinde Lang moderierte „Connected“, „Homebase“ sowie die „FM4 Charts“. © ORF / FM4 / Pamela Rußmann

Im Jahre 1993 entsandte der ORF ein etwa 40-köpfiges

Team in die Arktis, um Material für Radio und Fernsehen zu generieren. Anlass war die Entdeckung des KaiserFranz-Josefs-Lands durch Österreich 120 Jahre davor. Nahe beim Nordpol konnten wir die damals üblichen Tonband-Aufnahmegräte nur durch regelmäßiges Föhnen in Betrieb halten – aber das ging gut. Aber der Abtransport am Ende! Eine dichte Nebelbank verhinderte das korrekte Ansteuern der Landepiste in Sibirien, der Hubschrauber war 30 Jahre alt. Wir schützten die wertvollen Rollen und Kassetten mit den TV- und Radioaufnahmen teilweise mit unseren Körpern. Nach mehreren erfolglosen Versuchen fielen wir sehr schnell dem Boden entgegen, prallten dort auf und der Hubschrauber kippte um und weiter auf das Dach, wobei die Rotorblätter abrissen und sich viele Meter entfernt in den Boden rammten.

Das Heck brach ab und nahm einen Kollegen mit. Wir wurden im Hubschrauber durcheinandergewirbelt und erst nach einigen Minuten kam das Wrack zum Stillstand. Wie durch ein Wunder überlebten alle Passagiere den Absturz …

Roman Meßmer

Meinen Radiomoment erlebe ich immer wieder dann, wenn ich mir bewusst mache, dass es der ORS jeden Tag aufs Neue gelingt, nahezu alle österreichischen Haushalte mit Radio zu versorgen – ausfallsicher und in höchster Qualität. Im Vergleich zu den Tagen der Radiobastler:innen vor 100 Jahren ist das heute nämlich um einiges komplizierter geworden.

Damit ganz Österreich rund um die Uhr Radio hören kann, braucht es ein flächendeckendes Sendernetz mit rund 275 Sendestationen vom Wiener Kahlenberg bis zum Pfänder in Bregenz. Mit dieser umfassenden analogen Infrastruktur kann die ORS 98 Prozent der heimischen Haushalte mit Radiosignalen versorgen. Rund 15 Millionen UKW-Radios in Österreichs Wohnzimmern und Fahrzeugen werden so mit mehr als 20 UKW-Programmen bespielt. Zusätzlich zur UKW-Übertragung verbreitet die ORS ein digitales Radioangebot, das mittlerweile 15 österreichweite und 17 regionale Radioprogramme umfasst. Mit dem jüngsten Ausbau der technischen Reichweite im heurigen Jahr können bereits 84 Prozent der Bevölkerung erreicht werden.

Immer mehr Radioprogramme sind auch über das Internet abrufbar. Ob Livestreaming von Radioprogrammen oder Online-Mediatheken, die Sendungen nachträglich abrufbar machen – die ORS setzt erfolgreich Radio-Streaming-Lösungen um und ermöglicht so den einfachen Zugang zum öffentlich-rechtlichen Radioangebot über das Internet.

ORS

Hubschrauberabsturz 1993, Foto: Roman Meßmer

Mein erster großer Radiomoment ist schon 42 Jahre her. Ich hatte als 17-jähriger Schülerzeitungsredakteur meine ersten Beiträge für die damalige Ö3-Jugendsendung „ZickZack“ gestaltet und daraufhin fast täglich diese Sendung auch angehört. An diesem Tag stand eine Phone-in-Sendung auf dem Programm, wie wir Radiomacher sagen; Hörer:innen wurden aufgerufen, zu einem bestimmten Thema anzurufen und ihre Erlebnisse zu erzählen. Die Moderatorin war die damals 23-jährige Martina Rupp, die ich seit damals bis zu ihrer letzten Sendung bei Ö3 am 25. Juli 2021 sehr bewundert habe. Martina stellt einfühlsame Fragen, die Hörerin erzählt, als würde „da draußen“ niemand zuhören. Martina vergisst anscheinend auch gerade, dass sie auf Sendung ist, „on air“ wie wir Radiomacher sagen. Martina ist von dem, was die Hörerin erzählt, so bewegt, dass sie mitweint. Der Moment ist keine Sekunde peinlich, nur authentisch, menschlich, sympathisch. Ich weine auch mit und spüre in diesem Moment, wie Radio berühren kann.

Mein letzter großer Radiomoment ist noch nicht so lange her; ich war sehr berührt und konnte mich nach der einstündigen Sendung (Ö1-Hörbilder, 23. März 2024, 9.00 Uhr) kaum beruhigen. Ich schreibe dem Redakteur, den ich kenne, unmittelbar nach der Sendung eine E-Mail: „Lieber Bernt! Das war wahrscheinlich das beste Ö1-Feature, das ich jemals gehört habe, so vielschichtig, so viele Erzählstränge, so aufwendig recherchiert; dazu Dein persönlicher Bezug. Du mit Deiner Sachlichkeit und Präzision, die Sprecher:innen mit so viel Know-how ausgesucht … Hochgradig preisverdächtig! Werden wir jetzt bei SOUND auf Platz 1 stellen.“ Bernt Koschuh, sonst Redakteur in der aktuellen Berichterstattung, hat ein Feature mit persönlichem Bezug gestaltet. Er hat die Nazivergangenheit seines Großvaters, eines SS-Obersturmbannführers, penibel aufgearbeitet. Er hat dazu alle ihm zugänglichen Archive, auch in Russland, besucht. Und er lässt in einem weiteren Erzählstrang alle seine Verwandten, auch seine Eltern, vorkommen. Er beschönigt nichts und er nimmt seinen Großvater nicht in Schutz. Er verheimlicht aber auch nicht, dass er hofft, in den Archiven möglichst wenig Gräueltaten zu finden. Dank der Nazi-Bürokratie lässt sich anhand der Dokumente, die bisher niemand kannte, vieles belegen und beweisen. Mehr als sieben Jahrzehnte lang haben die Kinder und Enkel des SS-Obersturmbannführers Friedrich Polte nämlich so gut wie nichts über ihren Großvater gewusst, auch nicht die Gründe für seine Hinrichtung nach Kriegsende. Selbst ob es ein Urteil gab, war ihnen nicht bekannt. Sein Enkel Bernt Koschuh hat sich drei Monate auf Spurensuche begeben, entstanden ist die beste Radiosendung, die ich bisher gehört habe.

Dank ORF SOUND konnte man diese Sendung 31 Tage lang nachhören. Die Sendung hatte nämlich Wellen geschlagen.

Es hat sich herumgesprochen, dass hier etwas Besonderes entstanden ist. Die Sendung war nicht, so – wie früher – versendet, und damit so vergänglich und flüchtig wie Radio eben ist. Ö1-Sendungen wollten so manche Hörer.innen schon vor vielen Jahren aufheben, sich ins Bücherregal stellen. Es gab das sogenannte „ORF Audioservice“, wo man kostenpflichtig (zum Selbstkostenpreis) eine Audiokassette der Sendung bestellen konnte. Meine Eltern haben das oft gemacht und so sind am Ende manche Radiomomente auch in meinem Bücherregal gelandet, für die Ewigkeit vererbt.

Sendung größtenteils zeitversetzt angehört, während sie noch läuft. Die Gewohnheit, sich das Ö1-„Mittagsjournal“ anzuhören, ist noch weit verbreitet, aber dank ORF SOUND haben auch ältere User:innen gelernt, dass sie nicht pünktlich einschalten müssen. Wer zu spät dran ist, kann die Sendung auch fünf Minuten nach zwölf komplett anhören und hat beim Gassigehen mit dem Hund keine Eile.

Meine Kinder hören leider aus eigenem Antrieb nicht Radio. Mit dem Handy aufgewachsen, sind sie anders sozialisiert, alles, was sie interessiert, ist am Smartphone zu finden, auch die Musik, die für die Jugend so prägend ist. Die Vision der Audio-App des ORF, ORF SOUND, ist daher, auch diese Generation, trotz der Übermacht von Spotify & Co., mit den Inhalten des linearen Radios zu erreichen, auf ihrem Handy, das sie gefühlt ohne Unterbrechung in Händen halten. Dank ORF SOUND kann man alle Sendungen anhören, wann man möchte. Diese Generation kennt das gar nicht anders.

Wie will da der ORF mit seinen öffentlich-rechtlichen Audio-Inhalten punkten? Die Antwort ist ORF SOUND. Hier wird alles, was das ORF-Radio zu bieten hat, in einer völlig neuen Form dargeboten. SOUND folgt nicht der linearen Logik eines Radiosenders, wo Inhalte einem Sendeschema folgend nacheinander dargeboten werden, sondern funktioniert wie eine Plattform. Alles ist gleichzeitig verfügbar.

Eine Redaktion kuratiert die tausenden Stunden Radio und stellt bestimmte Beiträge in die Auslage, auf die Startseite, wie wir Onlineredakteure sagen. Diese Radiomomente werden attraktiv bebildert und nach Themen geordnet angeboten. Die Sendermarken treten ein wenig in den Hintergrund, verschwinden aber nicht ganz, weil die besonders starken ORF-Radiomarken Orientierung liefern, den älteren User:innen noch mehr als den jüngeren. Die User:innen wissen genau, was sie von „Ö1“, „Hitradio Ö3“ oder „FM4“ erwarten dürfen.

Die Anordnung der Audiobeiträge auf SOUND ist dennoch inhaltsgetrieben. Eine Themenleiste etwa zum Klimawandel enthält Beiträge aller ORFRadios. Zu den großen Themen des Tages wird auch der „Runde Tisch“ aus dem Fernsehen oder das Studiogespräch aus der „ZIB 2“ angeboten. Ohne Bild selbstverständlich. Dieses Userbedürfnis wurde schon in der Entwicklungsphase von SOUND berücksichtigt. Wer mit dem Rad zur Arbeit fährt, möchte das am Abend versäumte Studiogespräch aus der „ZIB 2“ nachhören. Er muss die Gäste nicht zwingend sehen, weil er die Gesichter ohnehin kennt. Ein Großteil der Radiobeiträge, die zeitversetzt angehört werden, ist nur wenige Stunden alt. Das betrifft besonders das Ö1-„Mittagsjournal“. Hier wird die

Apropos Ö1-„Journal“. Diese Sendung spielt auch bei den jüngeren Hörer:innen, für die SOUND geschaffen wurde, eine große Rolle. Bei der Befragung nach den Userbedürfnissen in der Entwicklungsphase sind uns wiederholt sehr junge Menschen begegnet, die angeben, Musik vorwiegend über Musik-Streaming-Dienste wie „Spotify“ zu hören, die wenig Radio hören, aber sich zumindest einmal am Tag das das Ö1-„Mittagsjournal“ anhören („reinziehen“ wie es eine Userin formuliert hat), genau dann, wann sie dafür Zeit haben. Das tun sie heute mit der App ORF SOUND.

Diese Studie bestätigt auch, dass das Interesse an seriöser und seriös aufbereiteter Information, an öffentlichrechtlichen Inhalten weiterhin besteht, auch bei den Jungen. Den mit Abstand erfolgreichsten Podcast im ersten Jahr von SOUND haben sich der ZIB-2-Anchor Armin Wolf und der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier einfallen lassen. Sie haben sich für SOUND im Radiostudio vom FM4 getroffen, um einmal ohne Sakko, dafür ganz grundsätzlich über Politik zu reden. An diesen Erfolg wollen Inka Pieh und Chistophe Kohl mit ihrem Podcast „Inside Washington“, unmittelbar vor der US-Wahl herankommen. Schon nach den ersten beiden Folgen des Podcasts war dieser in allen gängigen Podcast-Charts in den Top 10, wenn nicht gleich auf Platz 1. Es gibt also anscheinend doch ein Erfolgsrezept für Podcasts: Top-Personalitys, Top-Content, weil wirklich fundiert und aus erster Hand, und Bewerbung auf allen ORF-Kanälen.

Auch, wenn der Podcast bewusst auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist, nützt dieser Erfolg auch der ORF-eigenen Audiothek, nämlich ORF SOUND. Der Podcast erzeugt Aufmerksamkeit und damit Zugriffe und App-Downloads.

Ist SOUND auch ein Angebot für Junge, die Musik hören wollen? SOUND ist natürlich kein Musikstreamingdienst, SOUND bietet aber eine Fülle von Musikstrecken aus dem Radio mit dem klaren Vorteil, dass hier die Musik nicht vom Algorithmus vorgeschlagen wird, sondern von den besten DJs und Musikredakteur:innen des Landes, die dazu auch etwas zu sagen haben. Wer Musikstreamingdienste nutzt, beklagt nach anfänglicher Euphorie oft, dass hier etwas fehlt – nennen wir es die Wärme und Intimität des Radiostudios, von der hier bei meinem ersten großen Radiomoment schon die Rede war.

Albert Malli Ö3

Radio ge sich ter * * < Kapitel7

Wer ihn gehört hat, wird ihn nie vergessen: Oskar Werner hatte eine so schöne Stimme , dass auf Ö1 namhafte

Redakteur:innen noch Jahre nach seinem Ableben zu ergründen versuchen werden, was die Strahlkraft seines Organs ausgemacht hat. Oskar Werner war oft im Radio zu hören, moderiert hat er nie. Doch auch anderer Menschen Bänder erzeugen schöne Klänge . Legendär wird Axel Corti, beliebt Rosemarie Isopp, bewundert Ilse Buck. Manche der Sprecherinnen und Sprecher des österreichischen Radios erlangen über ihre Scherze Berühmtheit, manche durch Gesang, wieder andere auch durch journalistische Kompetenz. Einige sind umstritten, viele allseits anerkannt. Und fast allen ist eines gemein, das Filmstars nicht haben: Weil viele Menschen nur ihre Stimme kennen , ist das Äußere der Radiomoderator:innen Gegenstand vieler Phantasien. Mitunter lassen sich diese nicht einlösen –  Radiomenschen „Radiogesichtern“.

Es gibt Stimmen, die prägen sich ins Gedächtnis ein. Manche wohltuend, manche irritierend. Oskar Werners Stimme, zum Beispiel, war geradezu magisch und magnetisch – man konnte nicht umhin, ihm zuzuhören. Und ich vermute, beinahe alle Menschen, die ihn auf der Bühne, bei Lesungen oder im Fernsehen gehört haben, empfanden seine Stimme als „schön“.

Was macht eine Stimme einzigartig? Was erzeugt das Wohlgefühl, das man manchmal spürt, wenn man eine Stimme im Film, im Fernsehen oder im Radio – oder auch im privaten Umfeld – hört?

Untersuchungen zeigen, dass die Einschätzung einer Stimme und die Vermutung, welche Person da spricht, intuitiv stattfinden, also auf der Gefühlsebene. Tiefe Stimmen bei Männern lassen auf eine große Person schließen, und das kommt bei den Menschen gut an, die sich gerne in einem sicheren Umfeld wähnen. Hohe, aber nicht zu hohe Damenstimmen wiederum gefallen mehrheitlich den Männern, und das besonders dann, wenn diese Stimme auch hauchig und zart klingen kann. Generell werden zarte Stimmen als wenig bedrohlich empfunden, harsche Klänge hingegen stoßen ab und sorgen – ob gewollt oder ungewollt – für Distanz.

Dass große Männer eher tief sprechen und kleine eher hoch, ist übrigens kein Klischee, sondern eine Folge der Statur. Wenn man Opernsänger anhand ihrer Größe aufstellt, dann ist die Zahl der Bässe bei den Großgewachsenen tendenziell hoch, bei den

kleineren finden sich dann mehrheitlich Tenöre. Tendenziell und mehrheitlich – es gibt natürlich Ausnahmen. Und wenn man bei den Allzeitgrößen der österreichischen Radio- und Fernsehgeschichte hinhört – was kann man da feststellen?

Heinz Conrads helles Organ gefiel, weil er damit Fröhlichkeit und Optimismus in den schwierigen Nachkriegsjahren verbreitete. Elfriede Ott wiederum behielt ihre mädchenhafte Stimme bis ins hohe Alter, und ihre Fans dankten es ihr. Speziell war und ist Chris Lohner, einprägsam und sympathisch. Die Entscheidung der ÖBB, sie alle Ansagen in den Bahnhöfen einsprechen zu lassen, war eine goldene Marketingentscheidung. Und in gewisser Weise auch eine kulturelle Tat, weil damit eine Stimme der Mediengeschichte präsent bleibt. Rainhard Fendrich war das Lausbubenhafte nicht nur äußerlich anzusehen, auch sein stimmlicher Ausdruck entsprach diesem Image. Und seine beiden kongenialen Kameraden der legendären „Austria 3“-Formation, Wolfgang Ambros und Georg Danzer, klangen so, wie die meisten ihrer Songtexte: rauchig und brüchig der Wolferl, elegant und intellektuell der Schurli. Was diese Beispiele verbindet: Idealerweise liegen Person, Aussage und Stimme „auf einer Linie“, sind also authentisch. Geradezu ideal ist das bei einem Publikumsliebling wie Michael Heltau der Fall, wovon man sich regelmäßig bei seinen Rezitationen im Rahmen der Sendereihe „Du holde Kunst“ in Ö1 überzeugen kann.

Haimo Godler

CHEFSPRECHER DES ORF

Ich wurde im Sommer 2000 zum ersten Mal „radioaktiv“. Im Rahmen eines Praktikums durfte ich mich als Reporterin versuchen. Für mich das damals Aufregendste: Bevor es richtig losging, musste ich einen Sprechtechnik-Kurs absolvieren, der von einer der damals bekanntesten Radiostimmen Österreichs geleitet wurde. Zum ersten Mal konnte ich also ein „echtes“ Radiogesicht kennenlernen. In der Zeit vor Google & Co, wo man nicht einfach den Namen ins Internet eingeben konnte und das passende Foto zum Namen fand, stellte ich mir also einen seriösen Mann vor, der – natürlich wie alle Nachrichtensprecher, so dachte ich es mir zumindest – in Anzug und Krawatte kommen würde. Wie am ersten Kurstag die Tür aufgeht und ein lautes „Servas“ durch den Raum hallt, hatte ich dann meinen ersten Radiomoment, denn: Statt Anzug und Krawatte trug unser Trainer Ruderleiberl und Sandalen. Und statt ernster Nachrichtenmiene grinste uns ein unglaublich freundlicher Mann entgegen, der uns mit viel Humor in die Radiowelt einführte. Meine erste Lektion hatte ich da also gleich am Anfang gelernt: Radiomenschen tragen nur selten formelle Kleidung, sind abseits des Mikros keinesfalls so ernst, wie man es vermuten könnte, und transportieren mit ihrer Stimme oft ein anderes Bild, als wir Hörer:innen es im Kopf haben.

Doris Bachler RADIO WIEN

Frauenlos war der Hörfunk nie. Frauen waren beim Radio immer aktiv – als Sprecherinnen, oft in der Administration. Über lange Zeit war das Los der Moderatorinnen und Gestalterinnen allerdings, sich inhaltlich auf Themen zu beschränken, die der zeitgenössischen Vorstellung weiblicher Rollenbilder entsprachen. Schon die ersten für das weibliche Publikum konzipierten Sendungen der RAVAG („Stunde der Frau“ ab 1925, „Frauenstunde“ ab 1930) wurden rund um die Bereiche Haushalt, Kindererziehung, Gesundheit/Pflege, Mode und Kosmetik ausgerichtet, mitunter wurde über Literatur und Wissenschaft berichtet. Dass es in einem inhaltlich klar definierten Feld aber auch gewisse Aufstiegschancen gab, bewies Marga Frank, die als Stenotypistin bei der RAVAG begann, ab 1946 bereits ein Kinderprogramm für Radio Wien gestaltete und ab 1955 den „Kinderfunk“ leitete. Die von ihr konzipierte Sendung „Das Traummännlein kommt“ zählte über Jahrzehnte zu den meistgehörten Programmen des ORF.

cherin beim Hörfunk tätig war, wurde schließlich die erste ZIB-Moderatorin. Barbara Coudenhove-Kalergi berichtete ab den 1970er Jahren im Radio – später auch im TV – über die politische Lage in Osteuropa. Und auch die Ö1-Nachrichtenjournale prägten nun Redakteurinnen wie Christl Reiss, die als weibliche Leitfiguren neue berufliche Perspektiven für Frauen eröffneten und vorlebten.

Frauenlos?Frauen los!

In den 1950er und 1960er Jahren sollten „Special Interest“-Formate die vermeintlichen Bedürfnisse der Hörerinnen abdecken, wie der „Hausfrauen-Nachmittag“ auf Rot-Weiß-Rot, wo Heinz Conrads, zwischen Live-Musik und Kabaretteinlagen, Alltagswaren für den Haushalt (vor allem Putzmittel) verloste. Ab und zu gewährte das „Hausfrauenmagazin“ auch einen Blick in „die weite Welt“: Beiträge aus den USA vermittelten ein etwas moderneres und selbstbewussteres weibliches Selbstverständnis und forderten u. a. eine aktive Beteilung der Frauen bei Fragen des Konsums, aber auch in politischen Belangen ein.

Starke weibliche Stimmen waren aber immer zu hören. Louise Martini war bereits eine zentrale vertraute weibliche Stimme, als im Zuge der ORF-Reform eine Reihe von Frauen beim neuen Radiosender Ö3 regelmäßig on air gingen. Martini konnte hier ihre Sendungen „Mittags-Martini“ und „Martini-Cocktail“ frei gestalten. Brigitte Xander wurde zu der weiblichen Stimme des „Ö3-Wecker“ und Erica Vaal eröffnete mit „Musik aus Lateinamerika“ eine neue Klanglandschaft, die sie mit kulturhistorischem Hintergrundwissen erweiterte.

1975, anlässlich des „Internationalen Jahres der Frau“, vermeldete der ORF, dass durch den Einsatz von Frauen als Nachrichtensprecherinnen und Moderatorinnen sowie als Verwaltungsmitarbeiterinnen mit höherer Verantwortung ein Beitrag zur Emanzipation der Frau in der Rundfunkgesellschaft geleistet werde. Auch würden sich für Frauen konzipierte Sendungen nicht mehr ausschließlich mit der Stellung der Frau in der Familie befassen. Tatsächlich hatten sich durch die Reformen der Ära Kreisky die rechtlichen Rahmenbedingungen speziell für Frauen geändert. Diese forderten nun zusehends ihre Gleichstellung ein und wurden sichtbzw. hörbarer. Annemarie Berté, die als Nachrichtenspre -

Im aktuellen Dienst, in Wissenschafts-, Kulturoder in Diskussionssendungen brachten Gestalterinnen neue erweiterte Perspektiven ein und machten Frauenrechte zum Thema. Dabei zeigte sich gerade in Talkradio-Formaten, die uns gegenwärtige Stimmungen und Meinungen offenbaren, dass sich der Wandel von Rollenbildern im gesellschaftlichen Bewusstsein nur langsam vollzog. 1983 war die Regisseurin Käthe Kratz zu Gast in der Sendung „Von Tag zu Tag“, sie erzählte über die Arbeit an der Filmreihe „Lebenslinien“. In dieser letztlich fünfteiligen Serie steht der Alltag von vier Frauen über vier Generationen (1900–1968) im Fokus. Teil drei war gerade im ORF gelaufen, als nun Anruferinnen Käthe Kratz einerseits gratulierten, andererseits aber teilweise noch immer dafür plädierten, dass Frauen zugunsten der Männer Verzicht üben sollten, speziell in Krisenzeiten. Mit dem Schlagwort „Doppelverdienertum“ war ein alter konservativer Kampfbegriff der Zwischenkriegszeit noch immer existent. Käthe Kratz beharrte mit Nachdruck auf ihrer Meinung: Das Recht auf Arbeit gilt für Frauen und Männer gleichermaßen!

Die öffentlich-rechtliche Ausrichtung des ORF verlangt nach einer entsprechenden Vorbildwirkung, die auch die Gleichstellung von Frauen und Männern einschließt, übrigens auch auf der Führungsebene.

1989 hatte mit Andrea Seebohm erstmals eine Frau die Leitung der Hauptabteilung Musik im Radio übernommen, später leitete sie zudem das Radio-Symphonieorchester.

Mit Haide Tenner und Angelika Möser folgten ihr wiederum Frauen in dieser Position. Monika Eigensperger hat als langjährige Chefin von FM4 einen modernen Jugendkultursender aufgebaut, 2016 wurde sie Radiodirektorin.

Mit Ingrid Thurnher folgte ihr eine erfahrene Nachrichtenjournalistin, ZIB-Moderatorin und Chefredakteurin als Leiterin des ORF-Hörfunks nach. Das in 100 Jahren sehr lange männlich dominierte Radio hat seit geraumer Zeit starke, erfahrene und hochqualifizierte Frauen an der Spitze. Das „schicksalhafte Los“ ist endlich zu einem Relikt geworden. Frauen sind heute nicht nur sicht- und hörbar, sie können den Rundfunk auf unterschiedlichsten Ebenen gestalten und mitbestimmen. Die neue Devise lautet demnach: „Frauen los!“

Karin Moser

UNIVERSITÄT WIEN

In den Augen des Publikums war er König des Radios: Der Schauspieler und Kabarettist Maxi Böhm wurde in den Anfangsjahren der Zweiten Republik zum Liebling der Hörer:innen. 1952 wählten sie ihn etwa zum beliebtesten Moderator und Entertainer. Seine Tätigkeit für den Rundfunk begann 1945 in Linz, als Maxi Böhm gemeinsam mit einem befreundeten Schauspieler das Kabarett „Eulenspiegel“ gründete. Die amerikanische Sendergruppe Rot-Weiß-Rot (RWR) warb ihn als Moderator legendärer QuizSendungen wie „Die große Chance“ oder „Schach dem König“ an. Die meisten dieser Formate wurden vor Publikum aufgezeichnet, was Maxi Böhm die Gelegenheit gab, als Conférencier auch mit seinem gesanglichen und schauspielerischen Talent zu überzeugen. Nach dem Ende des Senders Rot-Weiß-Rot brillierte Maxi Böhm in unzähligen Rollen im Kabarett Simpl oder im Theater in der Josefstadt.

Johannes Pötzlberger HAUS DER GESCHICHTE ÖSTERREICH

Maxi Böhm

Der König der Radiounterhaltung in den Fünfzigern.

Foto von Maxi Böhm vor dem Mikrofon als Conferencier der Rätselsendung „Schach dem König“ im Schwechater Hof in Wien. Foto: United States Information Service (USIS), 1950, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

„Was gibt es Neues?“ – das wusste er immer ganz genau. Als Conférencier, der über Jahrzehnte wöchentlich in Radio und TV zu hören und zu sehen war, brach er Rekorde.

Heinz Conrads

Schauspieler, Kabarettist, Moderator, Quizmaster und Seelentröster – all das war Heinz Conrads (1913–1986), der über Jahrzehnte hinweg den österreichischen Rundfunk prägte. Seine Radiokarriere begann er 1946 bei Radio Wien. Im Nachkriegsradio waren Programme mit „patriotisch-österreichischer Note“ gefragt. Heinz Conrads volkstümlicher Humor und seine wienerischen Gesangseinlagen passten in dieses Konzept. Ab 1951 war Conrads auch für den populären amerikanischen Besatzungssender Rot-Weiß-Rot tätig, wo er Quizformate wie „Zum Kopfzerbrechen“ und „Faß das Glück!“ moderierte. Das Publikum konnte dabei heimische Produkte gewinnen. Seine Sonntagmorgen-Sendung „Was machen wir heute?“, die später in „Was gibt es Neues?“ umbenannt und in den späten 1950er Jahren adaptiert in das TV-Programm aufgenommen wurde, sprengte alle Rekorde. Die Sendung erreichte während der gesamten Laufzeit meist über eine Million Hörer:innen und wurde als die am längsten existierende Radioshow der Welt ins Guiness-Buch der Rekorde aufgenommen.

Sie war die Sportlehrerin der Nation, lange bevor es Aerobic gab. Ihre isometrischen Turnübungen kannte zwischen 1965–1998 das ganze Land auf Ö3, Ö2 und Ö1.

Ein bisschen Oberlehrerin, ein bisschen Grande Dame – über Jahrzehnte war Ilse Buck mit ihrer „Morgengymnastik“ ein Fixstern in der österreichischen Radiolandschaft. Deshalb hab’ ich mich sehr gefreut, als ich in den Achtzigern als junger Tontechniker einmal zu einem Aufnahmetermin mit Frau Buck eingeteilt wurde. Dabei ist mir dann auch klar geworden, warum Ilse Buck bei ihren Übungen nie außer Atem war – sie hat (natürlich!) nicht selbst geturnt, sondern wurde von einem jungen Mann begleitet, der die Übungen vor ihren Augen ausführte. Dadurch ist sie einerseits immer perfekt vor dem Mikro gestanden und konnte andererseits immer das richtige Tempo für die Übungen vorgeben. Ihre sonore Stimme, ihre akkurate Sprechweise, mit der sie „Wiederholen Sie das fünf Mal“ sagte, wird mir immer im Gedächtnis bleiben.

Ilse Buck

Axel Corti

Von 1969–1993 moderierte Axel Corti die Sendung „Der Schalldämpfer“ zuerst auf Ö3, später auf Ö1. In dieser „Radioglosse“ griff er am Sonntagnachmittag alles auf, was die Menschen bewegte, und suchte seinen ganz eigenen Zugang dazu.

Meine Liebe zum Radio ist wie eine Perlenkette: Das Ritual meiner Mutter, am Sonntag Vormittag den „Sonntagsroman“ auf Ö1 zu hören, prägte mich als Kind. Mit acht bis zehn Jahren verstand ich die Inhalte nicht vollständig, doch die Stimmen der Sprecher:innen und die Atmosphäre des konzentrierten Zuhörens meiner Mutter hüllten mich in eine heilige Stille, die mich verzauberte. Ich saß auf der Eckbank in unserer Küche und sah zu, wie sich die Wortlosigkeit meiner Mutter mit den Radiostimmen zu einer magischen Zwischenwelt verwob. In den Jahren 1977–1980 war Alfred Komareks „Melodie exklusiv“ nachts das Lebenselixier meiner pubertierenden Seele. Diese wundervollen Texte gepaart mit den besten Liedern meines damaligen (und heutigen) Geschmacks waren unverzichtbar. Es war eine Katastrophe, wenn ich eine Sendung verpasste oder einschlief, denn „Nachhören“ war damals nicht möglich. Ein weiterer Meilenstein war Axel Cortis „Schalldämpfer“: diese Gedanken, diese Stimme! Auch Michael Köhlmeiers „Der Peverl Toni und seine abenteuerliche Reise durch meinen Kopf“, vom Autor selbst gelesen, fesselte mich nachhaltig. Diese Erinnerungen rufen eine tiefe Sehnsucht in mir hervor, ein wehmütiges „Verweile doch, du bist so schön“…

Dirk Stermann

Christoph Grissemann

Das satirische deutsch-österreichische Duo trat von 1991–1995 im „Salon Helga“ auf Ö3, dann auf FM4 auf. Absurde Geschichten, Parodien und freche Anrufe zeichneten sie schon damals aus. Ab 1995 moderierten sie auf FM4 die Live-Datingshow „Radio Blume“, in der Anrufer einen weiblichen Gast umwarben. 1995–2002 kommentierten sie auf FM4 live den Eurovision Song Contest in komisch-brachialer Art.

Mein schönster Radiomoment war ein illegaler. Anfang der 90er Jahre sind Stermann und ich des Nachts gegen 2 Uhr früh ins Studio geschlichen und haben dort die ersten „Salon Helga“-Fragmente aufgenommen. Es waren anarchische, hysterische Stunden. Selbstverständlich alkoholbeflügelt. Heute undenkbar. Schön war’s.

Mein schönstes Radioerlebnis war in der Nacht, während ich „Talkradio“ auf Ö3 moderierte. Die Tür ging um fünf vor eins in der Nacht auf, während ich mit einer Anruferin sprach. Es war der Nachrichtensprecher. Sein Studio war wohl defekt. Er setzte sich neben mich und übte, während ich moderierte, laut die Nachrichten, die er dann um 01.00 Uhr noch einmal laut las. Ich unterbrach ihn nicht, während er las. Nach dem Wetter nickte er mir zu und verschwand in die Nacht.

Dirk Stermann „WILLKOMMEN ÖSTERREICH“

Christoph Grissemann „WILLKOMMEN ÖSTERREICH“

Heller gehörte 1967 zu den neuen Stimmen des modernen Popsenders Ö3, wobei er zuerst die Sendung „Musicbox“ moderierte. Dabei landete er u. a. bei einem Sit - in mit John Lennon und Yoko Ono.

André Heller

Ö1 war schon immer ein Labsal und gleichzeitig auch Inspiration. Wann immer ich den Faden von Ö1 aufnehme, empfinde ich den Sender als wertvoll. Es ist überhaupt der einzige Radiosender, den ich höre. Ich halte diese Bevormundung bei anderen Sendern, welche Musik meinen Ohren zugemutet wird, nicht aus. Ö1 hat eine absolut verlässliche Mindestqualität. Das ist eine Rarität. Derlei bietet weder das Theater noch ein Konzert. Sonst fällt mir nur der Wald ein, der das garantiert. Und meine Enkel. Bei Ö1 ist es wie bei allem anderen auch: Auf die Zwischentöne kommt es an.

Ich hab’s übrigens als eine sehr schöne Arbeit empfunden, damals das RadioKulturhaus auf Einladung von Alfred Treiber mit zu konzipieren. Ö1 hat dadurch einen Ort bekommen, der den Sender in der Stadt sichtbar gemacht hat.

„The Voice“ war erstmals 1954 beim französischen Sender „Sendergruppe West“ zu hören. Er war aktiv am Aufbau des Senders Ö3 beteiligt und hatte mehrmals die Funktion des HörfunkIntendanten inne.

„Ö1 ist das einzige Medium, das sich über die Jahrzehnte treu geblieben ist.“

Der Unterschied zwischen den Gruppengesprächen im „Club 2“ – den ich zehn Jahre geliebt hatte! – und den Einzelgesprächen im Radio: Im „Club 2“ waren wir immer einer schwer kalkulierbaren Gruppendynamik innerhalb der Runde ausgesetzt, die den Verlauf entscheidend mitbestimmte. Bei den Gesprächen im Radio mit nur einem Gegenüber jedoch lag die Verantwortung – und das habe ich geliebt – für Gelingen und Misslingen ausschließlich bei mir: in der Entscheidung, mit wem ich rede, in der gründlichen Vorbereitung, in der Gesprächsführung.

Und was im Radio möglich ist: Langsamkeit! Zwei Menschen denken über ein Problem nach, gründlich und oft auch kontrovers. Und sie lassen sich Zeit dabei. Welcher Luxus und welche Freude für interessiert Zuhörende! Und welcher Kontrast zu jenen Medien, die immer schneller werden bis hin zur verheerenden Atemlosigkeit digitaler Jugendmedien. Diese Qualität darf Radio für Anspruchsvolle in seinen Wortsendungen nie verlieren: das Nachdenken und die Langsamkeit.

„IM GESPRÄCH“

Peter Huemer

Der studierte Historiker Peter Huemer moderierte ab 1987 für 14 Jahre die Sendung „Im Gespräch“ auf Ö1. Davor war er schon als Leiter der TV-Diskussionsreihe „Club 2“ bekannt.

Seit einem halben Jahrhundert fürs ORF-Radio tätig, wurde Udo Huber ab 01.11.1981 für mehr als 15 Jahre „Mr. Hitparade“ auf Ö3. Er moderierte die Charts zwischen 1982 und 1993 aber auch im TV in der Sendung „Die großen 10“. 2012 moderierte er den „Hitsonntag“ auf Radio Wien, heute ist er auf Radio Burgenland zu hören.

Über mehr als 30 Jahre hinweg war Rosemarie Isopp die weibliche Stimme der Erfolgssendung „Autofahrer unterwegs“.

Udo Huber

Meine Momente kommen nicht aus der Hitparade! Es war schon ein seltsames Gefühl, 1994 einmal unter Polizeiaufsicht im Ö3-Studio zu moderieren. Vor der Studiotür war ein schwer bewaffneter Beamter mit Polizeihund positioniert. Im Rahmen der Franz-Fuchs-Attentate gab es offensichtlich auch Drohungen gegen den ORF. Das Ö3-Sendestudio war das bestbewachte, weil es vorrangiges Ziel von Putschisten, Terroristen und anderen Verrückten gewesen wäre. Das gibt’s nur einmal? Typischer Fall von denkste. Auch diese Geschichte hat sich wiederholt. Im Jänner 2021 im Landesstudio Burgenland, wo ich noch immer on air bin. Weil der ORF im Rahmen der Corona-Impfkampagne diverse Spots sendete, drohten Impfgegner, das Landesstudio zumindest zu blockieren und niemanden rein oder raus zu lassen. Vorher hatten sie einen selbst gebastelten Totenkopf, der aus Schutzmasken bestand, vor dem Landesstudio deponiert.

Rosemarie Isopp

Die Sendung „Autofahrer unterwegs“ (1962–1999) hat sich fest im auditiven Gedächtnis der entsprechenden Generationen verankert, wurde sie doch nicht weniger als 15.153-mal ausgestrahlt. Die im Titel angesprochenen „Autofahrer“ als wachsende Gruppe waren dabei mit den in der Mehrzahl vor den jeweiligen Geräten zuhörenden „Daheimgebliebenen“ vereint, dazu kam ein im Großen Sendesaal des Österreichischen Rundfunks anwesendes Publikum. Die Sprecher:innen wurden zu Radiostars, hier vor allem Rosemarie Isopp, die mehr als 30 Jahre lang über 3.000 Ausgaben moderierte, und Walter Niesner, der die Sendung von 1962 an 20 Jahre lang leitete. Die täglich eingeblendeten „Mittagsglocken“ aus unterschiedlichen Gemeinden waren ein Abbild und zugleich ein Referenzpunkt für die Regionen des Landes.

Cornelia Szabó-Knotik

UNIVERSITÄT FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST WIEN

Evamaria Kaiser

Von „Musicbox“ über „Popmuseum“ bis „Diagonal – Radio für Zeitgenossen“ – all diese Sendereihen tragen auch seine Handschrift.

Wolfgang Kos ist vielen vor allem als ehemaliger langjähriger Direktor des Wien Museums bekannt. Dass der studierte Historiker und Politikwissenschaftler ab den späten 1960er Jahren prägender Gestalter des österreichischen Radios war, ist wohl ein wenig aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Für den Radiosender Ö3 entwickelte er – gemeinsam mit Alfred Treiber, André Heller, Michael Schrott, Richard Goll und anderen – die legendäre Sendereihe „Musicbox“, die sich von 1967 bis 1995 der Popkultur abseits des Mainstreams widmete. 1980 übernahm er die Leitung der Sendung. Parallel dazu konzipierte und gestaltete er gemeinsam mit Michael Schrott für den Sender Ö1 die Feuilletonsendung „Diagonal“, die sich jeweils einer Person, einem Thema oder einer Stadt widmet. Die Sendung wird seit 1984 jeden Samstag ausgestrahlt und wurde vielfach ausgezeichnet. Seit seiner Pensionierung im Jahr 2015 widmet er sich wieder dem Medium Radio, etwa in Ö1-Neuauflagen der in den 1970er-Jahren von ihm für Ö3 ins Leben gerufenen Radio-Reihe „Popmuseum“.

Karoline Mayer

HAUS DER GESCHICHTE ÖSTERREICH

Sie war die Mutter des „Austropop“ und eine legendäre Mentorin junger Musiktalente.

Evamaria Kaiser war seit den 1950er Jahren für den ORF tätig. In den 1960er Jahren moderierte sie die sehr erfolgreiche Plattensendung „Gut aufgelegt“, in der sie nicht nur internationale Popmusik spielte, sondern außerdem gezielt österreichische Talente förderte. Evamaria Kaiser war es auch, die den Begriff „Austropop“ erfand. Als Ö3, der neue moderne Musik- und Informationssender, 1967 durchstartete, war Kaiser im Team der Jugendredaktion tätig. Sie galt als die zentrale Stimme der Sendungen „Ö3-Showchance“ und „Talente 70“, wo junge heimische Musiker:innen auf ihre Entdeckung hofften. Nicht selten arrangierte Kaiser für die Künstler:innen später auch Auftritte. Evamaria Kaiser nahm letztlich eine wichtige Rolle bei der Modernisierung des ORF und seiner Programmgestaltung und Rezeption ein. 1975 bis 1986 war sie in der Kinderabteilung des Fernsehens tätig. Sie war Mitbegründerin und Leiterin der Clowngruppe Kaikukas, die oft in der Kindersendung „Am Dam Des“ auftrat.

WolfgangKos

Klausnitzer war Mitbegründer von Ö3 und erfand 1968 mit dem „Ö3-Wecker“ die erfolgreichste Radiosendung Österreichs. Von 1979–1986 leitete er den Sender.

Radio hat mich mein ganzes Leben begleitet. Schon in meiner Schulzeit nahm ich an Jugendsendungen von Radio Oberösterreich teil und als Ö3 gegründet wurde, war für mich klar, dass ich da gerne dabei sein würde. Also setzte ich mich hin und bastelte auf einem Tonbandgerät (heute nur mehr in Museen zu betrachten) meines Onkels eine 20-Minuten-Version einer Sendung, wie ich sie mir vorstellte. Dieses Tonbandgerät, ein kleiner Plattenspieler und ein Mikrofon waren mein „Studio“. Ich kaufte mir damals auch eine „Geräuschschallplatte“, weil ich unbedingt einen „Studiohahn“ mit dabeihaben wollte und taufte ihn „Otto“.

Heute geht das alles am Handy ganz einfach mit einer App, die sogar das Mischpult enthält, damals war es noch etwas komplizierter. Aus diesem 20-MinutenBand wurde über viele Jahrzehnte dank der Mithilfe vieler Ö3-Teams und Moderator:innen die erfolgreichste

Rudi Klausnitzer

österreichische Radiosendung. Ich bin den Vielen, die da mitgeholfen haben, allen voran damals Gerd Bacher und Ernst Grissemann, aber auch dem Ö3-Wecker-Team der letzten Jahre ungeheuer dankbar. Es ist für mich ein schönes Gefühl jeden Morgen miterleben zu dürfen, wie sich diese Sendung über die Zeit entwickelt hat und auch heute Beweis für „Das Wunder Radio“ ist. Ein Freund und Begleiter der Menschen durch den Tag und durch eine Welt, die sehr komplex geworden ist. Und das mit im Grunde einfachen Mitteln: ein Mikrofon, gute Musik und ein Gefühl, was die Menschen an diesem Tag bewegt. Kein anderes Medium kann das in dieser intimen Form. Deswegen liebe ich Radio!

Andi Knoll

Andi Knoll ist seit 1994 bei Ö3 tätig. Von 2011–2014 moderierte er die Ö3-Mittagscharts, bis 2015 den „Ö3-Wecker“. Seit 2015 führt er durch die Ö3-Vormittagsshow. Seit 1999 kommentiert er im TV den Eurovision Song Contest.

Seit den 1990er Jahren ist Kratky bei Ö3 tätig. Das Jugendmagazin „ZickZack“ führte ihn bald zum Ö3-Wecker, wo er seit 1991 als Chefautor, Producer, Reporter, Produzent und Gestalter tätig ist. Mit Comedy-Figuren wie der „Vignettenman“ oder „Oma Raithofer & Opa Kratky“ bewies er sein komödiantisches Talent.

Stellvertretend für alle erinnerungswürdigen Momente aus drei Jahrzehnten denke ich besonders gerne an jenen, als Gabi Hiller, Andi Knoll und ich am 24. Dezember 2023 live im gläsernen Studio in Bad Ischl zum letzten Mal als Team das Finale des „Ö3 Weihnachtswunders“ moderieren durften. Eine Sendung, die in den zehn Jahren, die wir sie, zuerst als Radio-„Revolution“, später als echte Tradition präsentierten, gemeinschaftlich mit der Ö3-Gemeinde über 30 Millionen Euro für Menschen in Not in Österreich gesammelt hat. Dieser eine Moment an diesem Weihnachtsmorgen, inmitten unzähliger Zuhörer und Zuseherinnen, im Radio, online und auch vor Ort … er wird mich wohl für immer daran erinnern, warum ich mich dereinst so unsterblich in das Radio verliebt habe: Es ist von Menschen für Menschen gemacht. Und wenn man es aus ganzem Herzen tut, dann wird daraus ab und zu die Erinnerung an die Magie des Wesentlichsten, das uns mit den Hörerinnen und Hörern verbinden kann: das Gefühl, mit Radio niemals alleine zu sein … sondern eine Gemeinschaft.

Robert Kratky

Von den 100 habe ich tatsächlich auch schon 30 Jahre am Buckel, wobei der Buckel wahrscheinlich einer der wenigen Körperteile ist, die man für Radio nicht wirklich braucht, und nachdem wir ja seit ca. 20 Jahren beim Radio im Stehen moderieren, bleibt er auch gesund. Den EINEN Radiomoment zu benennen, ist nach so einer langen Zeit unmöglich. Für mich ist das Faszinierende am Radio vor allem die Tatsache, wie sehr Radio und im Speziellen Ö3 für Menschen in diesem Land zum Alltag gehört. Es ist einfach ein wahnsinnig schönes Gefühl, dass man als Medium fast sowas wie ein Familienmitglied ist. In der Früh steht man mit uns auf, in der Arbeit lässt man sich von uns motivieren oder ein bisschen zerstreuen, Radio informiert, unterhält und hilft einem, nicht in den Stau zu fahren. Kein anderes Medium ist so nah dran und so schnell. Am allerschönsten sind für mich immer die 120 Stunden des „Ö3Weihnachtswunders“. Da kommt dann zur Begleitung und dem Fakt, dass Radio fast immer live ist, auch noch die Tatsache dazu, dass Radio ein ganzes Land bewegen und motivieren kann, über 30 Millionen Euro für Familien in Not zu sammeln. Also von mir aus mach ich Radio auch sehr gern nochmal ca. 100 Jahre.

Robert Kratky

© Franz Helmreich
Andreas Knoll Ö3

1996-1998 war der Goleador Hans Krankl erstmals als „Der Nachtfalke“ auf Radio Wien zu hören. 2023 wurde die Sendung wieder ins Programm aufgenommen. Wieder begleitet Krankl mit seiner vielfältigen Musikauswahl die Hörer:innen durch die „dunklen Stunden“.

Hans Krankl

Tausende Interviews mit Musikerinnen und Musikern haben sich in den vergangenen 35 Jahren im Zuge meiner Arbeit als Musikjournalist angesammelt. Natürlich sind da so einige vor allem persönlich denkwürdige KünstlerGespräche darunter, die entweder an außergewöhnlichen Orten passiert, oder einfach nicht alltäglich gewesen sind.

Mit B.B. King waren’s 40 Minuten im Flieger auf 10.000 Meter Höhe. Mit Isaac Hayes in einem Eisenbahnwaggon, mit Joe Sample in Unterhose oder mit Dennis Edwards, er jetlagig-verschlafen im Zwei-Zimmer-Appartement, auf einem Sessel voller Damenunterwäsche.

Und last but not least steht in meinem Radio(Wien-)Lebenslauf auch Geflügeltes: „Der Nachtfalke“, eine Musik-Sendung mit Fußball-Legende („Goleador“) Hans Krankl alias „Johann K.“, die ich ab 1996 als Redakteur begleitet habe (und nun wieder begleite). Als wir damals im Vorfeld der Sendung das erste Mal in der Funkhaus-Kantine einander vorgestellt worden sind, hat es keine fünf Minuten gedauert, da hat Hans eine CD von Miles Davis auf den Tisch geknallt. Nämlich das Album „Kind Of Blue“. Er: „4. Cut … des wird unsa Signation (gemeint ist das Stück „All Blues“) “. Hab’ ich gekannt und ihm einen Tag später gesagt: „Tolle Nummer, aber keine Signation für diese Sendung“.

Krankls Reaktion darauf: „Wos?! Ka Miles Davis?!“ und zwei Sekunden später: „Ka Miles Davis ka Sendung!!!“ Man muss wissen: H.K. ist auch ein Fan von Al Pacino … und so hab ich ihm – in Sachen „Nachtfalke“Signation – doch noch mit einem Musik-Stück aus einem Film seines Idols überzeugen können. „Guat, könn’ ma nehmen! (… oba da Miles is trotzdem bessa).“

Tommy Vitera

RADIO WIEN

„Mein schönster Radiomoment war als ich die erste Sendung vom Nachtfalken moderieren durfte.“

Angelika Lang

Lang ist seit 1986 beim Radio tätig, bei Ö3 u. a. bei „Treffpunkt Ö3“, „Nachtexpreß“, „Radio Holiday“, „Freizeichen“ und „Radio drom“. Sie ist Mitbegründerin des Senders FM4. 2007-2023 moderierte sie auf Radio Wien die Sendungen „Gut gelaunt in den Tag“ und „Der Mittwoch Abend“.

Der Kaugummi-Moment, einer jener Momente, die im Moment gar nicht wahrgenommen werden und erst mit den Jahren dank Social Media wachsen und wuchern, bevor sie wieder verschwinden werden: Vor den ersten Worten auf FM4 hat noch ein Kaugummi meinen Mund verlassen, jener Kaugummi, der übrigbleiben wird von meinem Radioleben. Wäre dieser Moment nicht zufällig dokumentiert und würde alle Jahre wieder rund um den 16. Jänner viral gehen, ich wüsste ihn nicht mehr. Nächstes Jahr, am 16. Jänner 2025, ist dieser Moment 30 Jahre alt – wie FM4. Tatsächlich war ich damals mit zwei Babys schwanger, FM4 habe ich allerdings etwa vier Monate vor Max zur Welt gebracht. Der Vater von Max tut in diesem Zusammenhang nichts zur Sache, der Vater von FM4 heißt Martin Blumenau. Heißt, nicht hieß, denn ich weiß, dass er an der Milchstraße Nr. 5 gerade das beste Radio des Universums macht. Als mir im November 1994 der

damalige Ö3-Chef Edgar Böhm das Window of Opportunity öffnete, einen „Jugendsender“ zu konzipieren, holte ich mir Martin für eine Nacht lang als „Partner in Crime“. Mit Tagesanbruch stand der Sender, die darauffolgenden drei Monate standen unter dem Leitmotiv der sich sammelnden guten Kräfte aus „Musicbox“, „ZickZack“ & „Treffpunkt Ö3“. Werner Geier schmiedete, hämmerte und goss das Sounddesign, Mischa Zickler war mit FM4 Taufpate und jede und jeder, die und der dabei war damals, weiß um ihren bzw. seinen Krafteinsatz bis zum Sendestart im Jänner 95. Warum die Gänsefüßchen bei „Jugendsender“? Weil Jugend „kein Lebensabschnitt ist, sondern Geisteshaltung, Ausdruck des Willens, der Phantasie und der Gefühle, – sie ist der Sieg des Mutes über die Mutlosigkeit, der Sieg der Abenteuerlust über die Bequemlichkeit.“ (Marc Aurel, 2. Jh. n.Chr.) Ich bin 1986 zum Radio gegangen, weil ich Radio machen wollte, wie ich es hören wollte. Knapp 30 Jahre nach dem KaugummiMoment pickt FM4 noch immer in der österreichischen Radiolandschaft und das ist zumindest ein Beleg für Vielfalt – denn was ist das Gegenteil von Vielfalt? … Genau.

Lang

FM4-MITGRÜNDERIN

Von 1967-1987 moderierte Walter Richard Langer auf Ö3 die Sendung „Vokal, Instrumental, International“, die er mit der Aufforderung „Keep Swinging“ beendete. Hauptberuflich war er als ZIB-Sprecher tätig.

Walter Richard Langer

VII: Vokal – Instrumental – International. Donnerstag Nacht, 22.05 Uhr auf Ö1. Walter Richard Langers wunderbare Stimme, seine Begeisterung, sein Engagement, und die wunderbare Musik … Ich ging sogar als Dreizehnjährige gerne und freiwillig ins Bett, lag mit dem Radio unter der Decke und lauschte. Später lernte ich Walter in einem Jazzclub kennen. Er war Rotweintrinker, Kettenraucher und sehr großzügig, was das Trinkgeld betraf.

Als Walter am 21. Mai 1995 live on air seinen letzten Satz sagte, saß ich am Empfangsgerät. Und dann war Stille – eine schreckliche Stille. Er war im Wiener Funkhaus mit 58 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben. Genau 20 Jahre später, als ich nach dem Tod meiner Mutter deren Wohnung ausräumte, holte ich mir das alte Radio meiner Mutter. Ein länglicher Kasten, rechts die Bedienungsfläche mit Senderanzeige hinter schwarzem Glas, in dem das berühmte grüne Licht leuchtete, links das Geflecht aus Stoff, hinter dem der Lautsprecher versteckt war. Zwei Drehknöpfe – einer für Mittelwelle, einer für UKW. Ich hatte meine Mutter öfter gefragt, ob sie das Radio noch verwendete – sie sagte nein, es funktioniere nicht mehr.

Zu Hause steckte ich es an. Es war der 21. Mai, Walters 20. Todestag, die Balkontüre stand offen und von einem nahen Teich waren balzende Frösche zu hören. Dann schaltete ich den Apparat ein – er brummte ein wenig, das grüne Licht begann wider Erwarten zu leuchten – und es ertönte eine instrumentale Jazznummer, etwas altes, Cole Porter. Ich hörte zu wie verzaubert. Ein Moment, der mich mit meinem Vorbild Walter Richard Langer ebenso verband wie mit meiner Mutter, die ich so schmerzlich vermisste. Der Song verklang, ein dumpfes „Plopp“ war zu hören. Das grüne Licht ging aus. Auch die Beleuchtung der Sendernavigation erlosch – und das Radio schwieg wieder und schweigt seither.

Sabine Nikolay Ö1

Christian Ludwig mit Christa Kurt in den 1980ern.

Christian Ludwig

Christian Ludwig ist seit Ende der 1970er Jahre beim ORF tätig. Seine einprägsame Stimme war schon beim „Ö3-Wecker“, bei der „Hitparade“, beim „Treffpunkt Ö3“ und im Talk-Format „Leute bei Ludwig“ zu hören.

Radiomomente hatte ich wohl reichlich – nach fast einem halben Jahrhundert. Einer aber ist mir als ZeitgeschichteInteressiertem besonders in Erinnerung geblieben: September 1989, viele damalige DDR-Bürger:innen sind über Ungarn nach Österreich geflüchtet. Zwei junge Magdeburger Brüder saßen, ganz aufgeregt, mit mir im Studio von „Ö3 Freizeichen“, zu jener Zeit eine vielbeachtete Call-in-Talkshow, geleitet von Monika Brass,

im Sekretariat Elisabeth Bledl. Nach einem kurzen Telefonat mit ihrer Mutter (in Angst, die Stasi könnte ja mithören), schilderten die beiden Geflüchteten ihre Erlebnisse in den letzten Tagen und Wochen. Unser Publikum war sehr ergriffen. Übrigens haben RadioMitarbeiter:innen bis zu ihrer Abreise am Abend in die BRD rund 7.000 Schilling gesammelt (heute ca. € 500), als kleine Starthilfe im Westen. Damals war das viel Geld und heute noch finde ich das ziemlich ergreifend. Emotion und Gänsehaut beim Publikum – und bei mir im Studio. So ganz ohne Internet, diesen Radiomoment habe ich nie vergessen.

Christian Ludwig RADIO WIEN

Noch ehe Louise Martini als Schauspielerin und Kabarettistin tätig war, konnte man sie schon als junge Frau im Radio hören. Über 17 Jahre lang moderierte sie die Formate „Mittags-Martini“ und „Martini-Cocktail“ auf Ö3.

Louise Martini hatte diese Stimme, diese unglaubliche Stimme, die Weltläufigkeit, Souveränität und ein bisschen Verruchtheit vermitteln konnte, dazu die Musik ihrer Sendung, die das alles noch verstärkte. Es war die Zeit, als Persönlichkeiten mit eigener Geschichte und selbst erlebten Geschichten das Radio prägten, die Zeit vor dem Formatradio. Die Sendungen hatten Titel, aber über sie hat man nur mit den Namen der Gestalter gesprochen: man hörte „die Martini“, „den Corti“, „den Walter Richard Langer“, „den Schifter“, und wie sie alle hießen. Bei ihnen allen, vor allem aber bei der Martini, fühlte man sich zu Hause, Teil eines großen Ganzen, in all seiner Vielfalt, mit der wichtigen Prise Ironie und Augenzwinkern. Es war mir eine große Freude, Louise Martini am 10.11. 2006 mit dem Goldenen Ehrenzeichen des Landes Wien zu würdigen.

Andreas Mailath-Pokorny

MUSIK UND KUNST

Alfred Roth-Limanowa war der erste Sprecher der RAVAG. Seine erste Begegnung mit dem Mikrofon bezeichnete er selbst als „ein Wunder“. Das Team hatte keinerlei Erfahrung und man wusste nie, ob man gehört wird oder nicht. Die zahlreiche schwärmerische Leserpost, die er erhielt, bewies, dass der Empfang funktionierte.

AlfredRoth

Erster Radiosprecher Österreichs. Im Jubiläumsheft „25 Jahre Österreichischer Rundfunk“ sagt er: „Heute weiß natürlich jeder Schulbub, was ein Mikrofon ist – damals kannten wir diese Dinge nicht einmal vom Hörensagen. Es war ein Wunder, vor dem man stand und das man sich selbst nicht erklären konnte. Wir hatten keinerlei Erfahrung, wir wußten nicht, ob man uns hört, wie man uns hört, ob man uns versteht.“ Mein Onkel Fredi hat gern dem Rotwein zugesprochen. Und so begab es sich, dass er eines Tages im Wetterbericht auf etwas Besonderes aufmerksam gemacht wurde: den verstärkten Aufzug von Wolken über dem Alpeno-Strand.

MartinaRupp

Zu Weihnachten 1979 war Martina Rupp erstmals auf Ö3 in der Sendung „ZickZack“ zu hören. Sie moderierte „Treffpunkt Ö3“, den „Ö3-Wecker“ und 2015–2021 „Guten Morgen am Sonntag“.

Der 11. November 2000 ist ein Samstag und auf Ö3 heißts: „Raus aus dem Novemberblues!“ Es gibt Karibikreisen zu gewinnen. Während ich die Regeln des Spiels erkläre, erhält unser Nachrichtenredakteur einen Anruf aus Salzburg: In der Standseilbahn, die auf den Kapruner Gletscher führt, sei ein Brand ausgebrochen, zahlreiche Skifahrer könnten betroffen sein, die Lage sei noch unklar, es sehe aber leider gar nicht gut aus. Nach dieser Katastrophenmeldung mit fröhlicher Reggae-Music fortzufahren, wäre absurd, aber wir erreichen den im Wochenende befindlichen Senderchef nicht, um uns abzustimmen. Oliver Baier und ich kippen das Programm: An diesem Tag wird niemand eine Reise gewinnen. Wir spielen neutrale Musik. Werden zum Sprachrohr des Kapruner Einsatzdienstes, der den Ansturm besorgter Angehöriger akut nicht bewältigen kann, und bitten umgekehrt jene, die in der Gegend Ski fahren, ihre Lieben anzurufen, wenn sie safe sind. Dazwischen berichten unsere Reporter live von der Unglücksstelle. Dieser für so viele Menschen schwarze Tag hat mich geprägt: Natürlich steht Ö3 für gute Stimmung, die uns durch den Tag begleitet. Aber wenn etwas passiert, wissen wir verlässlich, was zu tun ist.

Martina Rupp Ö3

Schifter begann seine Radio-Karriere beim Sender Rot-Weiß-Rot. Jazz und Swing waren seine große Liebe und standen immer im Zentrum seiner Sendungen. Ab 1968 moderierte er 32 Jahre lang die Sendung „Music Hall“ (später „Günther Schifter Schellacks“, „Günther Schifter“) auf Ö3, dann auf Radio Niederösterreich.

Günther „Howdy“ Schifter

Da ich gerade an einer Sammlung akustischer Briefe auf analogen Tonträgern von 1900 bis in die 2000er Jahre arbeite, höre ich oft, wie das Genre Radio dem gesprochenen Brief als Vorbild dient, wie An- und Abmoderationen, der Charakter von Hörspielen und Features, aber auch der Einsatz von Musik – entweder selbst dargeboten oder eingespielt – in privaten Sprachnachrichten imitiert werden. Und auch umgekehrt war der private Gruß im Radio sehr früh präsent, bot sich das Radio neben der Post und dem Telefon als Übermittler privater Nachrichten an. Für Personen, die aufgrund politischer Ereignisse keinen Kontakt

zu ihren Liebsten hatten, konnte es die einzige Möglichkeit sein, sich übers Radio wieder zu finden, sich private oder politische Nachrichten zu übermitteln, sich zu sagen, dass es einem gut gehe und man an den anderen denkt. Die BBC sandte solch persönliche SOSBotschaften seit 1923 über 70 Jahre lang. Während des Golfkriegs übertrug die Deutsche Welle Grüße an Personen, die sich in den Krisenregionen befanden. Da hieß es: „Herzliche Grüße aus S. an meinen Jungen. In Liebe: Deine Fee“ oder: „Halte durch! Du kommst bald wieder!“ Von weniger existenzieller Not geprägt war die Sendung „Ein Gruß an Dich“, die viele Jahrzehnte im österreichischen Radio zu hören war: „Lieber Leopold, zu deinem 41. Geburtstag wünschen Dir alles Gute, von ganzem Herzen, dein Herzpinkerl Poldi und seine Gattin. Und Dir lieber Schwager Franz, deiner Gattin und Tochter Friedi, zum Namenstag alles Gute von Leopold und Finni, Vater Aigner, Rella, Familie Huber, Mitzi und Richi.“ Weil solche Grüße nicht selten an Oma und Opa gerichtet waren, wurde dieses Format auch abschätzig als „Erbschleichersendung“ bezeichnet. Abgesehen vom Spott ist darin aber auch die Vorstellung enthalten, dass sich jemand über die Grüße der Familie sehr freuen konnte und diese sehr emotional und wirkungsvoll waren. Zuletzt gab es aber auch gesprochene Briefe an Radiostationen selbst – wie der Kassettenbrief von Franz H. zeigt, der sich damit im September 1984 an Günther Schifter wandte, dessen Schellack-Sendung „Music Hall“ er sehr verehrte. Franz H. erzählt in dem 17-minütigen Brief von seinem Leben, summt die Melodie einer Platte, die er in Warschau 1939 gehört hatte und nicht vergessen kann. Ob Günther Schifter die Platte kenne und in seiner Sendung abspielen könne? Und er beschreibt, wen er vor sich sieht, wenn er Herrn Schifters liebenswürdige und sympathische Stimme hört: einen „sehr gut aussehenden, sprich eleganten Herrn in den besten Jahren, groß, kräftig  – im Gegensatz zu mir – der frühmorgens seine famose Wohnanlage verlässt und zu Fuß durch das Gewühl von Menschen, verkehrsreichen Straßen, den Wiener Wald und Prater seine so kostbaren Schellacks ins Funkhaus schleppt.“ Die Kassette von Franz H. ist ein Produkt der Verehrung. Sie thematisiert die Wirkung der Stimme, die Phantasie, die eine Stimme auslösen kann und zeigt, wie vertraut uns eine Stimme aus dem Radio werden kann.

WillySchmieger

Live-Sportübertragung für das Radio mit Willi Schmieger vor dem Mikrofon, evtl. auf der Hohen Warte. Schmieger war nicht nur Journalist, sondern auch Präsident und Ehrenkapitän des „Wiener Sportclubs“. Dieser galt schon früh als antisemitischer Klub und nahm inoffiziell keine jüdischen Mitglieder auf. Den „Anschluss“ 1938 beschreibt Schmieger als freudiges Ereignis und 1941 wurde er rückwirkend als NSDAP-Mitglied aufgenommen.

Foto: Lothar Rübelt, ca. 1928, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

Der Sportreporter des Wunderteams prägte die Radio-Sportberichterstattung maßgeblich. Zugleich war er als „Herr Karl“ des Sportjournalismus ein politischer Opportunist, der auch die Nähe zum NS-System nicht scheute.

Vor allem durch seine emotionalen Kommentare der zahlreichen Erfolge bei den Fußball-Länderspielen des legendären „Wunderteams“ wurde Willy Schmieger der bekannteste Sportreporter aus der Anfangszeit des Rundfunks in Österreich. Ab Oktober 1928 kommentierte er Sportveranstaltungen wie Fußball-Länderspiele oder Übertragungen von Olympischen Spielen im Programm der RAVAG. Nach der NS-Machtübernahme 1938 berichtete Schmieger als Chefredakteur der „Illustrierten Kronen Zeitung“ über das „Anschluss-Spiel“ zwischen der Fußball-Mannschaft aus dem Deutschen Reich und einer Auswahl von Spielern aus der nunmehrigen „Ostmark“ – ganz im Sinne der NS-Propaganda als „Festtag des deutschen Sportes“. Als Schmieger im Jahr 1941 die Aufnahme in die NSDAP beantragte, betonte er, dass er sich bereits als Reporter der Olympischen Winterspiele 1936 positiv über den Nationalsozialismus geäußert hätte. Nach Kriegsende verhinderte Willy Schmieger aber erfolgreich alle Registrierungen als NS-Sympathisant. Er behauptete, nur unter Druck der NSDAP beigetreten zu sein. Weit über seinen Tod 1950 hinaus prägte er den Stil von Sportreportagen in Radio und Zeitungen – bis heute gilt er als Gründervater des Sportjournalismus in Österreich.

Johannes Pötzlberger HAUS DER GESCHICHTE ÖSTERREICH

Schrenk begann seine Radiolaufbahn in der Sportredaktion des Hörfunks und war später auch in der „Musicbox“ von Ö1 tätig.

Von 1972–1999 moderierte er die Sendung „Autofahrer unterwegs“, im TV war er das Gesicht des Gesellschaftsmagazins „Wir“.

Ich hatte viele zu Gast in der Sendung, Peter Alexander, Mireille Mathieu, Karel Gott oder Daliah Lavi – auch den begeisterten „Rasch“-Fahrer Bruno Kreisky … Aber besonders ist mir in Erinnerung geblieben, wie sich einmal die Polizei bei einem Unfall mit Fahrerflucht an uns wandte. Das Auto war ein seltener Vauxhall Ventora. Ich habe dann die Werkstätten aufgerufen, dass sie sich melden sollen, falls ein solches Auto zur Reparatur kommt. Das wiederum hat der flüchtige Fahrer im Radio gehört, bei uns angerufen und gemeint: „Sie haben mich so umzingelt, ich gebe auf und stelle mich.“ Das hat mich mehr gefreut als die vielen Interviews mit den Stars …

Von Radio CD führte ihr Weg zu Ö3. Dort war sie Redakteurin u.a. in der Programmgestaltung und moderierte „Sonja am Wochenende“. Seit 2008 ist sie bei Ö1 – als Gestalterin der Reihe „Moment-Leben heute“ und als Moderatorin.

„Sie hören Ö3 am 11.08. um genau 12 Uhr 39. In dieser Minute beginnt die totale Sonnenfinsternis über Österreich (…) Schweben Sie mit Ö3 durch achteinhalb Minuten eines gewaltigen, fantastischen Schauspiels.“ So sprach eine hörbar gerührte Moderatorin Martina Rupp die Anmoderation eines „Beitrages“, der damals sämtliche Vorgaben eines Formatradios aufs Wildeste sprengte, und wohl als ein „Gänsehautmoment“ in die Radiogeschichte eingegangen ist. Es folgten achteinhalb Minuten mit der Stimme des „Universum“-Sprechers Otto Clemens, der Adalbert Stifter zitierte, und dessen ergriffen niedergeschriebene Wahrnehmung der Sonnenfinsternis im Jahr 1842. Zu sphärischen, kultigen Klängen aus Kruder & Dorfmeisters legendären „K&D Sessions“, grenzgenial gemischt mit Johann Sebastian Bachs „Air“ aus der Suite No. 3 BWV1068. Und dazu kamen noch die Stimmen von Fred Schreiber und mir, wie wir (im Vorfeld minutiös ausgerechnet!) die aktuell sich gerade verdunkelnden Orte in Österreich ansagten („Im Kernschatten: Windischgarsten … Liezen … Großraming …“). Als Projektleiterin für Ö3 durfte ich das Ereignis gut schutzbebrillt in Gmunden erleben und erinnere mich noch daran, alle Freunde und Freundinnen dort damit genervt zu haben, dass sämtliche Autoradios ab 12.39 Uhr volle Lautstärke zu spielen hatten …

Sonja Watzka Ö1, Ö3

Von 1969-1996 half Xander mit ihrer positiven schwungvollen Moderation im „Ö3-Wecker“ Generationen von Österreicher:innen aufzustehen und in dem Tag zu kommen. Im Sommer machte sie in „Radio Holiday – Die Ferienwelle von Ö3“ Lust auf Urlaub. Ab 1995 war sie in der Sendung „Autofahrer unterwegs“ auf Ö2 zu hören. Xander war auch Moderatorin zahlreicher TV-Sendungen.

Es war an einem Donnerstagabend im Jahr 1978. Wie jede Woche saß ich mit meiner Mutter auf der sandfarbenen Couch in unserem Wohnzimmer, gemeinsam warteten wir auf den Beginn der ORF-Fernsehkochsendung „Bitte zu Tisch“. An diesem Abend hatte Moderator Herbert Hauk „zwei Rundfunkbekanntheiten“ bei sich zu Gast, wie er Chris Lohner und Brigitte Xander damals bezeichnete, und merkte an, mit den beiden „etwas unkonventioneller plaudern zu können als mit anderen Gästen“. Während er Frau Xander fragte, wie gut sie in deutscher Grammatik sei, bezeichnete er Chris Lohner als „Bildschirmvamp“. Die rothaarige Schönheit versuchte daraufhin ihre Mimik zwar in Zaum zu halten, man konnte ihr aber ansehen, dass sie dem Gastgeber dafür gerne ans Schienbein getreten hätte. Dann kam das, was ich am liebsten hatte: die kurzen Vorstellungsfilme der Promiköche. „Wir haben“, sagte Herbert Hauk, „Brigitte Xander begleitet, wie sie zum Ö3-Wecker läuft“. Und dann hörte man einen Wecker ticken (die allererste Kennmelodie des „Ö3-Weckers“) und aus dem Dunklen tauchten am Fernsehschirm zwei Autoscheinwerfer auf. Brigitte Xander lief nämlich nicht zur Sendung, sondern düste mit enormer Geschwindigkeit in ihrem dunkelblauen VW-Golf die Wiener Argentinierstraße hinunter, bremste genau vor dem Haupteingang des Funkhauses, stieg aus, griff nach einem großen Paket Schallplatten, lief 7 Minuten vor 5 am Portier vorbei, warf ihm ein freundliches „Guten Morgen“ zu, erklomm die Freitreppe in den ersten Stock, in dem sich die Radiostudios befanden, und betrat jenes von Ö3. „Schau Sepperl“, sagte sie zum Tontechniker Josef Relinger, „da hamma die Signation und die erste Platte, ich sause rüber ins Studio“. Die Uhr zeigt 5 Uhr 05. Die Signation war schon fast zu Ende, Brigitte Xander setzte sich die Kopfhörer auf, das Rotlicht ging an und sie begrüßte „die Hörer im In- und im Ausland recht herzlich!“. Da plötzlich schnellte ihre rechte Hand in die Höhe, die Rundfunkbekanntheit streckte den Zeigefinger nach oben und begann Kreise in die Luft zu zeichnen. Das ist auch heute immer noch das Zeichen für den Techniker, die Platte unter der Moderation zu starten. Das war damals 1978 jener Moment – ich war sechs Jahre alt – in dem mir klar wurde, dass ich – wenn ich einmal

Sonja Watzka

groß bin – genau das machen möchte, nämlich den „Ö3-Wecker“ zu moderieren. Das war auch jener Moment, ab dem ich alles über Brigitte Xander zu sammeln begann, Interviews aus Zeitungen schnitt und alle ihre Radiosendungen ( „Ö3-Wecker“, „Radio Holiday“, das „100.000 Schilling Quiz“, das „Turnier auf der Schallburg“ etc. ) aufnahm, jeder Auftritt im Fernsehen ( „Bitte zu Tisch“, „Dalli Dalli“, „Musikantenstadl“ und „Die Rose von Montreux“, usw. ) war für mich ein Pflichttermin. Die Frau mit der markanten Pagenkopffrisur war damals ein richtiger Star und hatte in Österreich einen Bekanntheitsgrad von 99 Prozent. 1984, mit zwölf Jahren, begann ich mich bei Ö3 vorzustellen, mit 15 durfte ich meine erste Sendung moderieren, mit 16 sah ich Brigitte Xander das erste Mal in der Kantine des Funkhauses. Danach konnte ich vor Aufregung drei Nächte nicht schlafen. Einige Jahre später wurden wir Kollegen, dann tatsächlich Freunde. Sie war quirlig, lustig und neugierig, das Moderieren bereitete ihr bis zu ihrem letzten Arbeitstag den größten Spaß. Wenn sie einmal nicht arbeitete, mochte der Radiostar am liebsten zu Hause besucht werden. Dann wurde gemeinsam mit Ehemann Fred Uno gespielt. Das konnte

BrigitteXander

bis in den frühen Morgen dauern und sie verkündete die erspielten Punkte jedes Einzelnen in genau dem gleichen Tonfall wie damals als Jurorin in „Dalli Dalli“. Und um ihrer Katze Philo ein wenig Spaß zu bescheren, setzte sie sich diese beim Abschied auf ihre Schulter und so begleiteten die beiden den Besucher von der Wohnung im 7. Stock bis zum Taxi, das nach solchen Abenden vor dem Haustor in der Wiener Billrothstraße wartete. Alles, was ich in meinem Beruf benötige, habe ich von ihr gelernt: Authentizität, Disziplin, Genauigkeit und dabei trotzdem den Spaß nicht zu kurz kommen lassen. Das Allerwichtigste aber ist der Respekt vor dem Medium Radio. „Es geht“, zitierte Brigitte Xander immer wieder in Gesprächen ihren Leitsatz „vorrangig um Inhaltsvermittlung und um Unterhaltung. Nur durch unsere Professionalität werden wir als Stimmen wahrnehmbar“.

RUND FUNK

Kapitel

poli tik

„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Medien. “ Wer dem Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann glaubt, versteht, warum Medien wie das Radio abgeben, das von Menschen aller Couleurs beackert wurde und wird. Manche wollten den Schulfunk beeinflussen, manche statt Nachrichten Kundmachungen ausgestrahlt wissen, dritte ausländische Regierungen übergehen. Piratinnen wollten endlich selber senden, kommerziell Interessierte Geschäft machen und Volksgruppen hörbar sein. Schließlich gab es auch Menschen, die den Rundfunk durch ein Volksbegehren entpolitisiert haben. Die Radiovielfalt von heute mit öffentlichrechtlichen, kommerziellen kommerziellen privaten Sendern ist ein Ergebnis langjähriger demokratischer Prozesse.

Mit dem „Übertragungsfahrrad“ von Radio Orange konnte man vor allem von Demos begleitend berichten. Objekt: Haus der Geschichte Österreich/Schenkung Helmut Peissl, Foto: David Tiefenthaler, 2024

Radio „unter Kontrolle“

1945–1955

Die erste Radioübertragung nach der Befreiung Wiens war bereits von staatstragendem Charakter: Über einen Behelfssender wurde über die Bildung der Provisorischen Regierung unter Karl Renner am 29. April 1945 berichtet. Das Radio galt damals als ein Primärmedium. Als einziges Live-Nachrichten-Medium verfügte der Hörfunk über ein Alleinstellungsmerkmal. Für die Alliierten war es demnach von strategischer Bedeutung, sich des Radios zu bedienen. Sie gründeten in ihren vier Besatzungszonen eigene Sendergruppen und dezentralisierten somit den Rundfunk in Österreich. Die Amerikaner betrieben den Sender „Rot-Weiß-Rot“, die Franzosen die „Sendergruppe West“ und die Briten die „Sendergruppe Alpenland“. Die Sowjets unterstellten als einzige Macht ihr Sendergebiet von Beginn an der öffentlichen Verwaltung in Wien. Über die „Sendergruppe Wien“ (bzw. RAVAG, Radio Wien) liefen mit der „Russischen Stunde“, den TASS-Nachrichten oder einzelnen Beiträgen des Schulfunks abgegrenzte und gekennzeichnete Sendungen mit sowjetischer Ausrichtung. Zu Beginn trafen sich die Ziele der Alliierten in zwei Punkten. Einerseits sollte der Nationalsozialismus öffentlich verurteilt und bekämpft werden. Diverse Platten mit NS-Inhalten wurden etwa sofort aus dem Verkehr gezogen. Andererseits sollte sich die österreichische Bevölkerung mental endgültig von Deutschland trennen und ein eigenständiges Österreichbewusstsein entwickeln. Während die Idee der österreichischen Kulturnation zehn Jahre lang Programm blieb, trat die Entnazifizierung angesichts des Kalten Krieges schon Ende 1946 in den Hintergrund. Das Radio wurde von West und Ost vielmehr dazu genutzt, um über speziell konzipierte Formate die Bevölkerung für das jeweils eigene gesellschaftspolitische System zu gewinnen. Zu Zensureingriffen kam es übrigens bei allen alliierten Sendern; die Sowjets kontrollierten vor allem die Nachrichten. Sie waren letztlich die einzige Macht, die bis Ende August 1953 uneingeschränkt Zensur ausübte.

aus Oper und Konzertsaal, Unterhaltungsmusik des Funkorchesters, Volksliedbeiträge, adaptierte Bühnenstücke, Lesereihen österreichischer Dichter:innen, Literatursendungen, aber auch Kabarettprogramme und Quizsendungen waren auf Radio Wien zu hören. Zum beliebtesten Sender der Kontrollzeit avancierte aber „Rot-Weiß-Rot“. Junge Künstler:innen wie Ingeborg Bachmann, Jörg Mauthe, Peter Weiser oder Helmut Qualtinger entwarfen und gestalteten populäre Sendungen. Die Programme vermittelten ein neues Lebensgefühl von Freiheit und Wohlstand und sollten bei diversen Diskussionsformaten auch ein Stück Demokratie nach Österreich bringen.

Mehr
Neuigkeiten aus der Vergangenheit des Radios entdecken:

Viele Moderator:innen und Gestalter:innen, die über Jahrzehnte das Programm des ORF prägen sollten, starteten ihre Karriere bei Besatzungssendern: Axel Corti und Ernst Grissemann waren bei der „Sendergruppe West“ im Einsatz. Edi Finger senior versuchte sich beim englischen Soldatenradio „British Forces Network“ erstmals als Sportreporter. Und Marcel Prawy gab über den Soldatensender „Blue Danube Network“ den US-amerikanischen GIs Deutschstunden. Für das vielfältige und gerade bei der österreichischen

Jugend beliebte Musikprogramm in Sendungen wie „Cool Corner“ oder „Swing Time“ waren damals aber noch US-Diskjockeys zuständig.

Zum offiziellen Sprachrohr der österreichischen Regierung wurde Radio Wien. Das Programm der RAVAG griff inhaltlich und personell auf die Zwischenkriegszeit zurück. Volksbildnerische Sendungen, klassische Musik

Während auf der einen Seite der „American Way of Life“ populärer wurde, waren die Senderverantwortlichen bemüht, das österreichische Selbstverständnis per Rundschaltung über alle alliierten Sender zu stärken, etwa durch Übertragungen von den Salzburger Festspielen oder über Brauchtumsbeiträge aus den Bundesländern. 1953 konnte erstmals ein gesamtösterreichisches Programm über UKW ausgestrahlt werden. Eine Vereinheitlichung des Rundfunks, für den sich die Bundesregierung über Jahre hinweg stark gemacht hatte, gelang erst nach Rückgabe aller Sender im Verlauf des Jahres 1954. Widerstand gab es allerdings in Tirol und Vorarlberg, wo man den regionalen Sendebetrieb („Sendergruppe West“) beibehalten wollte. Der Verfassungsgerichtshof fällte jedoch ein klares Urteil: Das Rundfunkwesen liegt in der Zuständigkeit des Bundes, der Sender musste der öffentlichen Verwaltung übergeben werden. Nun konnte ein österreichweites Sendernetz errichtet werden. 1957 wurde schließlich die Österreichische Rundfunk Ges.m.b.H. gegründet.

Kathedrale des SchulfunkWissens.in der Nachkriegszeit

Rudolf Henz (siehe nächste Seite) kreierte den Schulfunk als wissenschaftlicher Direktor der RAVAG 1932. Im Jahr darauf feierte eine Ausstellung im Wiener Messepalast die freudige Resonanz dieser Sendereihe, die stark im Bauerntum verwachsen war. Nach dem „Anschluss“ gab es für Kinder in Österreich nur mehr Radiobeiträge, die von der HJ gestaltet wurden.

Rudolf Henz kehrte 1945 als Programmdirektor in die RAVAG zurück. Dazu trat das Bundesministerium für Unterricht auf den Plan. Im besetzten und von den vier Alliierten zur Pflege demokratischen Handelns verpflichteten Österreich wurde dem Föderalismus gehuldigt. Die Landesschulinspektoren aller neun Bundesländer erhielten die Order, Lehrer und Lehrerinnen zu begeistern, ihr geistiges und pädagogisches Potenzial für die Gestaltung von Schulfunksendungen aufzubieten, in den Dienst einer neuen Sendeliste zu stellen, um ein Band des Vertrauens zum „Rundfunkwesen“ zu knüpfen. Eine eigene Kommission erhielt die Aufgabe, programmtechnische Grundlagen des Schulfunkprogramms zu schaffen.

Die ersten Schulfunksendungen wurden 1946 ausgestrahlt, 30 Minuten lang, ab 10.20 Uhr, ab 14.20 Uhr am Nachmittag wiederholt, später ab 15.05 Uhr. Wie viele Kinder in den Genuss von Schulfunksendungen kamen, wurde österreichweit nicht erfasst. In manchen Volksschulen gab es bis weit in die 1950er Jahre hinein ja nicht einmal ein Radiogerät. Besser scheint es Kindern in Gymnasien gegangen zu sein. Es soll in Wien ein Gymnasium gegeben haben, das einmal pro Woche im Unterricht eine Schulfunksendung anbot.

Das Programm der Schulfunksendungen führte zum Schlagwort „Kathederale des Wissens“, streng kontrolliert vom Unterrichtsministerium. Die Sendemanuskripte mussten approbiert werden, gleich wie Bücher, die zum Unterricht zugelassen wurden. Herzstücke des damaligen Bildungskanons wurden offeriert, zelebriert: Erzberg, Pfahlbauten, Keltenstadt auf dem Magdalensberg, Pestzeit (Der „Liebe Augustin“), Forum romanum, Türkenbelagerung 1683, das „Donauweibchen“, Richard Löwenherz und Blondel, Suezkanal, Parndorfer Heide, Aluminiumwerk Ranshofen, Galilei, Rosegger, Minnesänger. Aus eigenen Erlebnissen und Erfahrungen, mit Gleichaltrigen geteilt, war nachmittäglicher Schulfunk in der langen Nachkriegszeit, die bis zur Ära des „Wirtschaftswunders“ dauerte, stets und immer wieder von

Heinz Conrads vor dem Mikrofon im Wiener Studio des Radio „Rot-Weiß-Rot“, Foto: United States Information Service (USIS), 1952, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

Neuem ein frischer Quell der Freude und Spannung, ein Abenteuer, beliebter im Frühling als in den Sommerferien, da Spiele im Park, auf der Wiese oder im Wald lockten. Für Kinder auf dem Land bedeutete Schulfunk am Nachmittag mehr als für Sprösslinge in Wien, wo ein abwechslungsreicheres Freizeiterleben – Kasperltheater, Kino und Prater – angeboten wurde.

Schulfunk am Nachmittag, eine heimelige Stätte. Eingewoben zwischen der Sendung „Gruß an Dich“, im Volksmund „Erbscheichersendung“, was Kindern nicht ganz verborgen blieb, und der „Kinderstunde“. Für manche verschmolzen diese drei Sendungen zu einem Ganzen, im Ohr den „Schneewalzer“ oder „Drunt’ im Böhmerwald“, beliebte Klänge im „Gruß an Dich“.

Schulfunk am Nachmittag. Ein buntes Kaleidoskop, Emotionen weckend, ein farbenfroher Strauß, fortwährend Lust auf die nächste Sendung weckend, Lachen, Zauber, Fantasiedenken anregend, würzend, Märchen, Sagen, Hören betörender als Lesen. Stille unter Geschwistern, Freunden, Freundinnen auf dem Land, im Wohnzimmer, wo das Radio stand, wenn die Tage kürzer wurden und es sacht zu dämmern begann, glitzernde Vorfreude auf Weihnachten, wenn leise erster Schnee taumelte. Schulfunk am Nachmittag. Entrückt vom Alltag und von der Welt.

Wolfgang

Der SCHULFUNKER

Über mehr als drei Jahrzehnte hinweg – die Jahre von 1938 und 1945 ausgenommen – hat der katholische Schriftsteller, Radiopionier und Kulturpolitiker Rudolf Henz (* 10.5.1887 Göpfritz a. d. Wild, † 12. Februar 1987 Wien) die Geschichte und Geschicke des österreichischen Rundfunks nicht nur miterlebt, sondern dessen programmatische und ideologische Entwicklung selbst entschieden mitgeprägt. Seine Biografie steht damit exemplarisch für den maßgeblich von personellen und inhaltlichen Kontinuitäten beeinflussten Österreichischen Rundfunk zwischen Erster und Zweiter Republik.

Als Offizier der k.u.k.-Armee kam er nach dem Krieg für sein Studium (Hauptfach Germanistik, Nebenfach Kunstgeschichte) nach Wien, wo er neben seiner Tätigkeit bei der Post sparkasse als freier Mitarbeiter für die christlich-soziale Zeitung „Reichspost“ arbeitete. In diese Zeit fiel auch die Gründung der RAVAG (Radio-Verkehrs-AG), die am 1. Oktober 1924 ihren täglichen Sendebetrieb aufnahm. Henz wird Referent und später Leiter der Bildungsstelle im „Volksbund der Katholiken Österreichs“, einem „Stoßtrupp der Christlichsozialen Partei“, wobei er schon früh das Radio und die Technisierung als Mittel der katholischen Volksbildung erkannte. In dieser Funktion wird er als Delegierter des konservativen Österreichischen Radiobundes 1929 in den Radiobeirat der RAVAG entsandt. Viele der von Henz während dieser Zeit gefestigten Bildungsvorstellungen und -ziele werden später im Konzept der „Vaterländischen Front“ aktualisiert.

In Zeiten politischer Krisen positionierte sich Henz klar auf Seiten seines ehemaligen Schulkollegen Engelbert Dollfuß: Der Rundfunk habe einen Dienst am Volk zu verrichten, vorgegeben und angeleitet durch eine eindeutige politische Linie „von den Vorkämpfern des Vaterlandes“. Unter ihm wurden Sendungen wie „Die Stunde der Heimat“ oder die „Vaterländische Gedenkstunde / Geistliche Stunde“ eingeführt, um das „Leben und die Kämpfe des Volkes“ zu erfassen und den österreichischen Charakter der RAVAG zu unterstreichen. Die Angleichung der RAVAG an das Programm der nunmehr diktatorisch regierenden „Vaterländischen Front“ unter Engelbert Dollfuß erfolgte, nicht wie in Deutschland, über ein zentrales Propagandaministerium, sondern wurde vielfach von einzelnen Programmverantwortlichen innerhalb des Rundfunks getragen –

Rudolf Henz tat sich hier besonders hervor und nahm auch in der Rundfunk- und Kulturpolitik der Partei (unter anderem als Dichter des „DollfußLiedes“) eine Schlüsselrolle ein.

Zunehmend in den medien- und bildungspolitischen Kulturkampf der beiden Lager der Zwischenkriegszeit verwickelt übernimmt Henz zwei Jahre später die Funktion Leopold Richteras und seines gescheiterten Nachfolgers Wilhelm Wolf (später Außenminister im Austrofaschismus) als Leiter der wissenschaftlichen Abteilung der RAVAG. Am 12. März 1931 wird er in seiner neuen Funktion dem Vollbeirat vorgestellt, wobei er sich an das Plenum richtet, um seine Ideen und Auffassungen zur zukünftigen Gestaltung des wissenschaftlichen Programms auszuführen: Als selbsternannter „RAVAGkritiker“ und „Volksbildner“ stelle er sich vor allem die Frage, ob und wie der „wissenschaftliche Rundfunk ein Volksbildungsmittel“ sei. In dieser Funktion führt er unter anderem 1932 den von ihm als besonders wichtig erachteten „Schulfunk“ ein.

Nach dem „Anschluss“ 1938 wird die RAVAG vollständig in den nationalsozialistischen Propagandaapparat eingegliedert. Rudolf Henz wird abgesetzt und ist während der nächsten sieben Jahre als Glasmaler und Restaurator tätig, 1939 wird er als freier Schriftsteller Mitglied der Reichsschrifttumskammer. Nach Kriegsende kehrt er zum ehemaligen Generaldirektor der RAVAG Oskar Czeija, der von der sowjetischen Besatzungsmacht zum Wiederaufbau des Rundfunks in Form des Senders „Radio Wien“ beauftragt wurde, zurück. Für Henz „würde (…) die Arbeit dort einsetzen, wo sie 1938 geendet hatte“: Die Kulturaufgabe des Rundfunks steht an oberster Stelle, man wolle den Hörer „auf eine geistig höhere Ebene heben“. Immer wieder kam es dahingehend zwischen Henz und den kommunistischen Mitarbeitern des Senders zu Differenzen. Das Programm der einstigen RAVAG – Musik, davon viel Oper und Theater, Literatur- und Bildungssendungen, Vorlesungen in Form einer Radiohochschule und ab 1946 der Schulfunk – wurde schließlich fortgesetzt, wobei die Zuhörerschaft nicht mit Kritik an diesem sparte. Gefordert wurde mehr Unterhaltung und „Zerstreuung“ –  „neumodischen Einflüssen“, insbesondere mit Blick auf die Sendegruppe Rot-Weiß-Rot in der US-amerikanischen Besatzungszone, verwehrte sich Henz jedoch vehement.

Das „neue“ Österreich im Radio der Nachkriegszeit

„Aber wir Österreicher lassen uns nimma mehr entmutigen. Wer gleichsam von den Toten auferstanden, und das ist unsere Republik, wer wie unser Volk aus den Ruinen des letzten Weltkrieges sich in so erstaunlicher Weise heraus gearbeitet hat, der glaubt an das Leben, vertraut auf die Zukunft, und hegt vor alldem die Zuversicht, dass die Menschheit aus dem zeitlichen Wirrsal den Ausweg zu einem gerechten und darum dauernden Frieden finden wird. Darum, Österreicher: Mit neuem Mute und mit froher Zuversicht, wieder an die Arbeit! Denn unser ist das Recht und die Vernunft!“

Renners Ansprache vom 1.1.1946, also in der ersten Neujahrsrede nach dem Krieg, wird das Jahr 1945 zum Osterfest der österreichischen Nation erklärt, und damit als Wiedergeburt in christlich-katholischer Tradition gezeichnet. Von den Alliierten ist nicht einmal als „GeburtsHelfer:innen“ die Rede. In Renners letzter Neujahrsansprache, die am 31.12.1950 – kurz vor seinem Tod – aufgezeichnet und am 1.1.1951 ausgestrahlt wurde, taucht

(KARL RENNER IN SEINER LETZTEN NEUJAHRSANSPRACHE, AUSGESTRAHLT NACH SEINEM TOD, AM 1.1.1951)

Es war das Radio, mit und in dem die „neue“ österreichische Nation nach dem Zweiten Weltkrieg formiert wurde. Ein stimmiges, akustisches Bild zu entwickeln war aber vor dem Hintergrund der unmittelbaren Vergangenheit nicht einfach: Es galt, Österreich nicht nur als eigenständigen Staat, sondern gleichzeitig als alte, traditionsreiche und „neue“ Nation zu begründen. Besonders gut hörbar ist dieser Versuch in den Neujahrsansprachen der Nachkriegszeit. Dieses Radioformat inszeniert zum einen per se das Ritual eines Übergangs vom „Alten“ zum „Neuen“, zum anderen konnten sich Amtsträger direkt an „ihre“ Bevölkerung richten. In diesen Reden zum Jahreswechsel erscheint ein Sprachbild besonders häufig: die Wiedergeburt. Bereits in Karl

Im nächsten Jahr, 1952, übernimmt der neue Bundespräsident, Theodor Körner, das Zitat Renners zur Auferstehung Österreichs wortwörtlich in seine erste Neujahrsansprache. Einleitend kommentiert er allerdings ein „Wiedererstehen“ anderer Art ein: Er beschreibt, wie Renner im Vorjahr dank der neuen Technologie des Radios aus dem Grab heraus sprechen konnte. Raum und Zeit anhand des Radios durchkreuzend kann sich der Staatschef – eben sogar aus dem Jenseits – direkt an „seine“ Bevölkerung wenden, in den Privatraum eindringen und eine einende Erfahrung der Ko-Präsenz erzeugen, die es in diesem Ausmaß bis zur Einführung des Rundfunks nicht gab. Eine ähnliche Zeitlichkeit steckt auch in dem Bild der Wiedergeburt – und vielleicht eignet es sich gerade deshalb so gut für die „Beschwörung“ nationaler Einheit. Denn die Idee der Nation basiert unter anderem auf dem Mythos einer Kontinuität: Die Nation war „immer schon da“ und sie wird „immer da bleiben“. Mit dem Bild der Wiedergeburt können solche überzeitlichen Kontinuitäten gerade über gravierende Brüche hinweg hergestellt werden. Besonders hilfreich ist dazu ein christlich-katholisch gefärbtes Wiedergeburts-Bild, wie es in der Nachkriegszeit oft auftaucht: Der schwierige Widerspruch von Bruch und Kontinuität kann so in klaren, durch religiöse Rituale und Symboliken vorgegebenen Bahnen verhandelt werden, und die damit verbundene sakrale Gefühlslage überträgt sich auf das „wiedergeborene“ Österreich.

BIRGIT Haberpeuntner

UNIVERSITÄT WIEN

Bundespräsident Karl Renner während einer Rundfunkansprache im Studio Wien des Senders Radio „Rot-Weiß-Rot“. Foto: United States Information Service (USIS), 1950, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

Ein Privileg von Archivar:innen ist, dass sie auch dann Radiodokumente zu ihren persönlichen Radiomomenten machen können, wenn das Ereignis weit in der Vergangenheit liegt.

In der Österreichischen Mediathek finden sich zahlreiche „Ikonen“ der Radiogeschichte und damit des historischen Gedächtnisses des Landes, darunter die Reportage anlässlich der Unterzeichnung des Staatsvertrages am 15. Mai 1955. Heinz Fischer-Karwin und Hellmuth Bock berichten minutiös von den Ereignissen im Belvedere für eine Zuhörerschaft, die vor der Einführung des Fernsehens die Bilder noch im Kopf entstehen lassen musste. Dadurch kommt es zu einer ganz eigenen Qualität und Emotionalität der Berichterstattung, die uns heute noch anspricht – auch wenn Sprachmelodie und Sprachduktus schon etwas antiquiert erscheinen.

Zwanzig Jahre nach dem Staatsvertrag von 1955 brachte eine Plattenfirma die Rede Leopold Figls sogar als eigene Schallplatte heraus. Auch hier suggeriert der Titel über der Aufnahme des Parks im Belvedere, dass der Außenminister das berühmte Zitat im Freien gesprochen hätte.

Objekt: Haus der Geschichte Österreich, Foto: David Tiefenthaler, 2024

Mehr auf der Webseite der Österreichischen Mediathek

Anhand dieser Aufnahme wird deutlich, wie sehr nicht nur das kollektive Gedächtnis, sondern auch persönliche Erinnerungen durch das Radio beeinflusst werden – und wie fehlerhaft diese Erinnerungen mit der Zeit werden. Zahlreiche Zeitzeug:innen vermeinen die berühmten Worte „Österreich ist frei!“ des damaligen Außenministers Leopold Figl im Garten des Belvederes gehört zu haben, als er den Staatsvertrag der jubelnden Menge präsentierte. Tatsächlich wurden sie noch im Marmorsaal des Belvederes gesprochen – und die Erinnerung wurde zu einer Vermischung aus persönlichem Erleben und einem ikonischen Radiodokument, das – auch dank der Arbeit von Archiven – immer wieder reproduziert werden kann.

Gabriele Fröschl ÖSTERREICHISCHE MEDIATHEK

Wenn ich mir heute historische politische Belangsendungen anhöre – das waren gesetzlich verankerte Werbeeinschaltungen für Parteien und Interessensvertretungen im öffentlichen Radio – entsteht für mich vor meinem geistigen Auge ein Erinnerungsbild aus meiner Kindheit: Bundespräsidentschaftswahlkampf 1986. Lange Diskussionen und viele Fragen an meine Mutter sowie eine von mir verlorene Wette um ein Cornetto, ob Kurt Waldheim oder Kurt Steyrer die Wahl gewinnen würde. Das sind wichtige Bestandteile meiner frühen politischen Sozialisation. Wenn ich als Medienarchivar die Belangsendungen aus diesem Wahlkampf nachhöre *, entsteht auch ein sehr plastischer Eindruck über die Art und Weise, Politik zu kommunizieren. Politische Belangsendungen können somit als sehr „zeithaltig“ beschrieben werden. Damit meine ich, dass wir als Zeitgenoss:innen sofort hören, aus welcher Zeit sie stammen und vor allem: Wir erinnern uns, sie evozieren Bilder. Die inhaltlich zugespitzten und auf ein Massenpublikum ausgerichteten, möglichst direkten Botschaften enthüllen mit der zeitlichen Distanz oft mehr über die dahinter liegenden Ideologien und Gesellschaftsbilder als vermutlich ursprünglich von den Produzent:innen beabsichtigt. Charakteristisch für das Genre der Belangsendung ist auch der Versuch, teilweise mit mehr oder weniger bekannten Radiostimmen Radioinformation quasi zu imitieren, um die Anliegen der Partei oder Interessensvertretung möglichst hegemonial erscheinen zu lassen. Auch die Kritik bzw. fallweise Schmähung der gegnerischen Fraktionen ist bei historischen Belangsendungen wichtiger Teil des Programms.

Im Wahljahr 2024 sind Belangsendungen jedenfalls im Radio etwas aus dem Fokus geraten. Politische Werbung hat aktuell andere Kanäle gefunden, die im

Die auch für Medien zuständige Wissenschaftsministerin

Hertha Firnberg vor dem Mikrofon bei einem Symposium des Europarates, Fotograf:in unbekannt, 21.4.1975, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

Politische Belangsendungen im Radio

Werben um Wählerinnen- und Wählerstimmen erfolgversprechender scheinen. In früheren Jahrzehnten wurde in Radio-Belangsendungen ungleich mehr an Ressourcen investiert als heute.

Aus archivarischer und historischer Sicht können Belangsendungen jedenfalls interessante und aufschlussreiche Forschungseinblicke in die Alltäglichkeiten und Veränderungen eines Jahrhunderts politischer Werbung im Radio liefern.

Im Archiv selbst sind Belangsendungen manchmal schwer zu finden, da sie – wenn sie nicht gleich als Sendereihe institutionalisiert wurden, wie z. B. „Die Sendung mit dem Landeshauptmann“ – oftmals gar nicht im Radioprogramm vermerkt wurden. So kommt man beim archivarischen Sichten von Radiosendungen manchmal auch zu einem etwas überfallsartigen Hörgenuss. Zudem wird es dadurch auch in den nächsten Jahren hoffentlich noch einige historische Belangsendungen geben, die archivarisch „wiederentdeckt“ werden und die hoffentlich unsere Erinnerungen, Vorstellungen, Bilder und Konzepte der historischen politischen Praxis bereichern können.

* Die Österreichische Mediathek archiviert die Belangsendungen aus dem Bundespräsidentschaftswahlkampf 1986 von ÖVP, SPÖ und FPÖ; Die Grünen waren damals noch nicht im Parlament vertreten, somit waren sie im Radio belangsendungsmäßig auch noch nicht zu hören.

Das „Rundfunkvolksbegehren“ als Meilenstein österreichischer Demokratiegeschichte

Als zwischen dem 05.10. und 12.10.1964 das erste Volksbegehren der österreichischen Geschichte abgehalten wurde und sich 832.353 Personen den zentralen Forderungen anschlossen, wurde nicht nur ein Meilenstein österreichischer Mediengeschichte, sondern auch österreichischer Demokratiegeschichte gesetzt. Das „Rundfunkvolksbegehren“ steht sowohl symbolisch als auch realpolitisch für den Widerstand gegen den parteipolitischen Proporz und gegen die Kontrolle des ORF. Wenngleich der ORF von seiner Gründung bis zur ersten Reform 1967 massiv von der Vergabe von Redezeiten und Posten auf Basis parteipolitischen Proporzes sowie der Einflussnahme auf die gesendeten Inhalte geprägt war, regte sich erst rund um das Jahr 1962 erster interner und zivilgesellschaftlicher Widerstand gegen dieses System. Als 1963 ein Geheimabkommen der ÖVP / SPÖ-Regierung publik wurde, das die Situation der politischen Einflussnahme auf den ORF noch weiter verschärft hätte, positionierten sich vor allem die Chefredakteure Hugo Portisch (Kurier), Bruno Flajnik (Wochenpresse) und Fritz Csoklich (Kleine Zeitung) gegen die Vorhaben der Koalitionsregierung. Unter der Headline „Gegen das Rundfunkdiktat“ begann der Kurier ab dem 23. März 1963 mit der Sammlung informeller Unterstützungsunterschriften. Trotz des Schweigens des ORF und der Parteimedien über diese Initiative konnten so über 370.000 Unterschriften gesammelt werden.

österreichischen Zeitungen dem Aufruf zum „Rundfunkvolksbegehren“ anschlossen. Als die große Koalition 1966 in die Brüche ging und die ÖVP bei den Nationalratswahlen eine absolute Mehrheit erreichte, war diese bereit, die Forderungen in Form des Rundfunkgesetzes von 1967 umzusetzen.

Dies führte schließlich zu einer Einladung Hugo Portischs ins österreichische Parlament durch die Bundesparteiobmänner Bruno Pittermann (SPÖ) und Alfons Gorbach (ÖVP), um die Bedingungen der Beendigung der Initiative zu verhandeln. Die zentrale Forderung Portischs und seiner Mitstreiter:innen waren neben einer Annullierung des Geheimabkommens und der „Entparteipolitisierung“ des ORF vor allem der Beschluss einer Durchführungsbestimmung für die Abhaltung von Volksbegehren durch das österreichische Parlament.

Nach dem der NR-Abgeordnete Fiedler (ÖVP) am 18. April 1963 verkündete, einen Entwurf für ein neues Volksbegehrensgesetz vorzulegen, wurde dieses am 10. Juli schließlich auch verabschiedet. Da eine Reform des ORF jedoch ausblieb, initiierte Hugo Portisch ganz offiziell das erste Volksbegehren der österreichischen Geschichte, wobei sich mit Ausnahme der Parteimedien beinahe alle

Dieses Gesetz etablierte moderne und entpolitisierte Strukturen im ORF, wie etwa die Rolle des Generalintendanten bzw. der Generalintendantin, die Zusammensetzung des Aufsichtsrates, finanzielle und organisatorische Programmreformen sowie Kriterien für die Besetzung von Posten, auf Basis öffentlicher Ausschreibungen und fachlicher Eignung. Das Rundfunkvolksbegehren führte nicht nur zu einem Anstieg von journalistischer Qualität und Vielfalt im ORF, sondern förderte auch Transparenz und Unabhängigkeit in den Strukturen des Rundfunks. Insbesondere auch im Radio: Ö3, Ö1 und die Regionalprogramme wurden geschaffen, neue und kritische Sendungen etabliert. Ein Blick auf die seit 1967 durchgeführten Volksbegehren zeigt, dass durch das Rundfunkvolksbegehren ein Instrument direkter Demokratie erschlossen wurde, das sich bis heute durch große politische Partizipation der wahlberechtigten Bevölkerung und eine breite Themenvielfalt auszeichnet. Hugo Portisch selbst meinte dazu in „Medien und Zeit“: „Der Aufruf zur Reform des Rundfunks war damit auch die Geburtsstunde aller nachfolgenden Volksbegehren und Volksbefragungen bis zum heutigen Tag.“

Wenngleich die realpolitische Wirkung von Volksbegehren durch ihre nicht bindende Natur ambivalent betrachtet werden kann, zeigt das Rundfunkvolksbegehren eindrücklich zwei Aspekte auf. Einerseits macht es deutlich, inwiefern zivilgesellschaftliches Engagement zu tiefgreifenden politischen Veränderungen führen kann. Andererseits unterstreicht es die Bedeutung eines unabhängigen öffentlichen Rundfunks als Säule unserer Demokratie.

Ihm zu Ehren ist heute die Gasse benannt, an der der ORF-Mediencampus liegt: Hugo Portisch im Studio.

Privatradio in Österreich

Der 1. April 1998 ist ein sonniger Montag. Frühmorgens sitzen in ganz Österreich Moderator:innen und Nachrichtenredakteur:innen in ihren brandneuen Sendestudios und warten nervös darauf, die Regler erstmals aufzudrehen. Denn heute beginnt ein neues Radiozeitalter in Österreich: Privatradio geht flächendeckend an den Start. Nach fast 75 Jahren Radiomonopol des ORF bzw. seiner Vorläuferin RAVAG ist die Zeit endlich reif für mehr Vielfalt und Programmfarbe im österreichischen Radiomarkt.

Kaum ein anderes europäisches Land ließ sich mit der Liberalisierung des Radiomarkts so viel Zeit wie Österreich. Tatsächlich bedurfte es einer Verurteilung der Republik Österreich durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 1993, damit der Gesetzgeber privates Radio in Österreich erlaubte. Trotz einiger legistischer Hürden und ausgesprochen widrigen Rahmenbedingungen in der Anfangsphase wurde Privatradiovielfalt schließlich auch in Österreich zur Normalität.

Heute gibt es dank der privaten Radiosender Programme für jede Altersgruppe und für nahezu jeden Geschmack – von aktuellen Hits über klassische Musik, Jazz oder Dance bis hin zu Volksmusik oder Rock. Diese Vielfalt schätzen die Menschen: Radio ist hierzulande das am intensivsten genutzte Medium: Weit mehr als drei Stunden täglich wird in Österreich im Durchschnitt Radio gehört, drei Viertel der Österreicherinnen und Österreicher schalten täglich das Radio ein.

Woran liegt es, dass Radio in Österreich auch heute noch so eine wichtige Rolle innehat, obwohl das Internet das Medienangebot hat explodieren lassen? Die Antwort ist einfach: Es liegt an der Relevanz der Inhalte. Live-Sendungen, aktuelle Nachrichten und Informationen aus Politik, Gesellschaft, Sport, Wetter und Verkehr und der regionale Bezug sind die entscheidenden Einschaltfaktoren.

Bis heute erfüllt das Radio seine Kernfunktionen in hervorragender Weise: Qualitätsvolle und redaktionell gesicherte Inhalte ermöglichen es den Hörer:innen, sich jederzeit über regionale, nationale oder internationale Ereignisse zu informieren. Gleichzeitig ist das Radio der unterhaltsame Tagesbegleiter, häufig mit

1995 ging mit „Antenne Steiermark“ das erste Privatradio in Österreich on air. Dieser frühere Start war durch eine Einigung mit dem Freien „Radio Helsinki“ möglich, das auf der gleichen Frequenz einmal wöchentlich fünf Stunden sendete. Objekt: Haus der Geschichte Österreich, Foto: David Tiefenthaler, 2024

gezieltem Bezug zu den kulturellen und sozialen Besonderheiten der jeweiligen Region. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich dies auch in den Vertrauenswerten widerspiegelt: Radio ist das Medium, dem die Österreicherinnen und Österreicher am meisten vertrauen, sogar noch vor Printmedien, und weit vor OnlineMedien und Sociall Media.

Aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive sind relevante und qualitätsvolle Medien ein tragender Pfeiler unserer demokratischen Gesellschaftsstruktur. Qualität und Vielfalt schützen wirksam vor Desinformation, Hassrede und Polarisierung. Die Möglichkeit zur Manipulation der öffentlichen Meinung durch gezielte Verbreitung von Falschnachrichten in sozialen Medien ist zu einer realen Gefahr für das Funktionieren von Demokratien geworden. Dem Medium Radio kommt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zu: Durch die Bereitstellung von faktenbasierter und leicht zugänglicher Information schafft es die Basis für eine breite und gesicherte Meinungsbildung und für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Angesichts der gesellschaftlichen Bedrohungen, die von den großen Social-Media- und Online-Sharing-Plattformen ausgehen, ist der Schutz und die gezielte Förderung von Medienvielfalt und Qualitätsjournalismus die zentrale medienpolitische Herausforderung der Zukunft. Privatradio ist heute ein etablierter und nicht mehr wegzudenkender Teil der österreichischen Medienlandschaft. Angesichts der enormen Hürden in der Anfangsphase ist das fast schon ein Wunder. Ohne das große Engagement, die Kreativität, die Hartnäckigkeit und den Innovationsgeist der Privatradiomacher:innen wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen.

Apropos Innovationen: Hier sind Österreichs Privatradios besonders aktiv. Sie waren es, die digitalterrestrisches Radio (DAB+) in Österreich eingeführt haben. Und sie waren es, die die gemeinsame Radioplattform „Radioplayer“ ins Laufen gebracht und groß gemacht haben. Und sie sind es, die gerade erst 28 neue Privatradiosender über DAB+ on air gebracht haben.

Die Entwicklungsgeschwindigkeit wird sich nicht zuletzt durch die Möglichkeiten, die sich aus der Nutzung von „Künstlicher Intelligenz“ ergeben, in Zukunft noch weiter erhöhen. Radioprogramme werden sich noch spezifischer für die jeweilige Zielgruppe gestalten lassen, u. a. mit Hilfe von Text-to-Speech-Applikationen.

Dieser Innovationsgeist und die Flexibilität werden den erfolgreichen Weg des Privatradios in Österreich auch in Zukunft bestimmen.

Wir wollten nicht mehr schweigen. Radiopiraterie in Österreich

Neben Albanien war Österreich das letzte Land in Europa, in dem Anfang der 1990er Jahre noch ein Rundfunkmonopol bestand. Vielen Menschen war dies unverständlich, aber nur wenige unternahmen aktiv etwas gegen die Einschränkung der Meinungsfreiheit im audiovisuellen Bereich. Diese wenigen Personen bildeten ab Ende der 1980er Jahre drei Wellen von wahrnehmbarer Radiopiraterie – 1979/1980 die Initiative „Ö-Frei“ in Graz und Wien. Von 1987 bis 1989 sendete Radio Sozialfriedhof (und Folgesendungen) in Wien, Linz und in der Obersteiermark und damit verflochten begannen Teile der Gruppe in Italien an der Grenze zu Kärnten zweisprachiges Programm in Deutsch und Slowenisch auszustrahlen (Radio UFO – Unabhängiges Funk Objekt und Drugacen radio za Korosko / Das andere Radio für Kärnten). Von 1991 bis 1993 gab es schließlich die größte Radiopirat:innenwelle in Wien, weiteren Landeshauptstädten und auch in ländlichen Regionen. Wir haben das eigentlich als Aktionismus begriffen, meinte ein damaliger Radiopirat. Er gründete 1991 innerhalb der bunten Radiopiraterie ein ganz besonderes Radio – nämlich Radio Filzlaus. Es war das erste Schwulenradio in Österreich. Die damaligen Erlebnisse waren im Rückblick sehr widersprüchlich. Da gab es einerseits die Unterdrückung und Verfolgung der Radiopiraterie durch die Staatsgewalt mit Hubschraubereinsätzen, Senderbeschlagnahmungen und Hausdurchsuchungen und andererseits unerwartete Unterstützung wie etwa von einer Dame im ersten Bezirk, die ihren

Dachgarten fürs Senden zur Verfügung stellte oder die unzähligen Besucher:innen von Kabarett- und Konzertveranstaltungen, die bereitwillig eine kleine Spende, die sogenannte „Piratensteuer“ (meist 10 Schilling), beim Eingang in die Sammelbüchse warfen. Wie vielschichtig, wie plural das Leben eigentlich ist und wie immer wieder versucht wird, es zu monopolisieren, in diesem Fall im Bereich des Hörfunks, wurde dem erwähnten Radiopiraten damals bewusst. Aber in seinem Fall hatte die Wahrnehmung noch eine zusätzliche Komponente. Anfang der 1990er Jahre fand auch der Ausbruch von Aids durch das HIV-Virus statt und unzählige Menschen starben an der relativ unbekannten und wenig erforschten Viruserkrankung, die zudem noch stark stigmatisiert und tabuisiert war: Ich habe viele Menschen verloren, die mir sehr am Herzen lagen und es war gleichzeitig ein Kampf gegen die brutale und gemeine und aggressive Art, wie damals mit HIV-positiven Menschen umgegangen wurde. Ich hatte als schwul identifizierter Mensch eine vollkommen andere Realität als viele meiner Radio-Kolleg:innen. Ich habe erlebt, wie Machtpolitik konkret umgesetzt wird, was heteronormativ eigentlich bedeutet. Es war nicht nur ein akademisch schöner Begriff. Der Hass von den Eltern, den Familien dieser Infizierten, diese ganzen ungeschriebenen, unaussprechbaren Leidensgeschichten und die Brutalitäten, die diese Menschen erlebt haben, das war ein tiefer Schock. Beim Senden bin ich in den Weinbergen vor der Polizei und Funküberwachung davongerannt und später dann im Krankenhaus am Bett eines an Aids erkrankten, sterbenden Menschen gesessen. Es ging darum, etwas aufzuzeigen, in der Hoffnung etwas aufzubrechen, vielleicht anzustoßen und zur Sprache zu bringen, was sonst nicht gehört wurde. Wir wollten nicht mehr schweigen.

RADIO ORANGE 94.0

Mehr Informationen zur Radiopiraterie auf der Projektwebsite: https://schallspuren.o94.at/

Radiopirat:innen sendeten vor allem voraufgezeichnetes Programm. Audio-Kassetten und mobile Sender erschwerten der Funküberwachung das Aufspüren. Die Videokassetten wiederum zeigen, dass sich manche Pirat:innen auch bewusst waren, dass sie hier Mediengeschichte schrieben.

Objekte: Haus der Geschichte Österreich / Schenkung Helmut Peissl, Foto: David Tiefenthaler, 2024

Als vor rund 100 Jahren das neue Medium Radio aus der Kriegstestphase in die Alltagskultur wechselte, war der Do-it-yourself-Modus anfänglich nichts Ungewöhnliches. Empfangsgeräte wurden von begeisterten „Radioten“ gebastelt und in Hörgemeinschaften internationale Wellen empfangen. Die Sehnsucht nach Friede und Völkerverständigung durch Kulturaustausch prägte die Anfangszeit des Radios der 20er Jahre, bevor es zu dem geschlossenen Apparat wurde, der die autoritäre Wende der 30er Jahre medial begleitete. Das akustische Erkennungsmerkmal ist wohl die schreiende männliche Schnarrstimme, mit schnöseliger Theatralik im Unterton. Der Volksempfänger kam, der Faschismus hatte sein Leitmedium, das über hohe persuasive Macht verfügte. Genau diese zugewiesene Medienmacht verhinderte in Österreich lange ein kommerzielles Radiogeschäft, das auf Werbung, Musikteppichen und flotter Moderation beruhte, wie in vielen westeuropäischen Staaten bereits praktiziert. Die Kritik am Rundfunkmonopol formulierten nicht nur Printunternehmer und Zeitungsherausgeber seit den 60er Jahren, sondern kam auch ab den 70er bis Anfang der 90er Jahre durch Radiopirat:innen und Störfunker (siehe Margit Wolfsbergers Beitrag auf der linken Seite) praktisch zum Ausdruck. Bis zur Genehmigung Freier nichtkommerzieller Radios und dank des Einsatzes von vielen Aktivist:innen österreichweit kam es endlich 1998 zum lange vorbereiteten Sendestart von Radio Agora / Klagenfurt, Radiofabrik / Salzburg, Freies Radio Oberösterreich / Linz und nicht zuletzt ORANGE 94.0 / Wien. Radio Helsinki / Graz startete mit einer geteilten Frequenz mit Antenne Steiermark bereits im Jahr 1994 mit einigen Stunden regelmäßigem Radioprogramm. Seitdem senden mittlerweile 14 Freie Radios in gesamt Österreich ein werbefreies Radioprogramm unter ehrenamtlichen Beteiligungen von rund 2.800 Radiomachenden (Datenerhebung 2023 Verband Freier Rundfunk Österreich).

30 Jahre Community Radios in Österreich –Praxis einer redaktionellen

Gesellschaft

Jedes Freie Radio klingt anders, denn der Lokalbezug ist hörbar: In den Dialekten, in der Musikauswahl, in der Berichterstattung zu regionalen Kulturinitiativen, lokalen politischen Themen und Konflikten. So wie das Brummen des Dieselaggregats, wenn von einer Demo berichtet wird, die in anderen Medien nicht präsent ist, wie die flammende Rede der NichtPromis, Menschenrechts- und Umweltberichte von Ecken der Welt, die kaum in den öffentlichen Fokus gerückt werden. Community Radio ist eine Praxis des Empowerments und Demokratie: JedeR kann ihre Stimme hören und einsetzen, Beiträge ins Cultural-Broadcasting-Archiv zeit- und ortsunabhängig speichern und als Podcast gezielt nachhörbar machen. Auch wenn Freie CommunityRadios in Österreich so spät realisiert wurden, so wesentlich sind sie heute als Kulturinitiativen durch die Heterogenität ihrer Zielgruppen und die damit verbundene Medienkompetenz von unten: breite Beteiligung von Schüler:innen, Studierenden und engagierten Menschen aller Altersgruppen und Muttersprachen. In Wien werden daher auch Dialekte und mehrsprachige Sendeformate gepflegt und gefördert. Radio ORANGE 94.0 ist seit Jahren das größte Community Radio im deutschsprachigen Raum gemessen an der Anzahl der Beteiligten am Radioprogramm. Mehr als 200 Sendungen unter der Beteiligung von rund 500 Radiomachenden gestalten hier mit. Community Radios sind „Alte Soziale Medien“, die nicht überwachen, einen echten realen, sozialen Ort des Lernens bieten. Wo es Spaß und Sinn macht im Ehrenamt Sendungen zu gestalten und im öffentlichen Raum on air zu gehen. Wären die Community Radios nicht schon 25 Jahre alt, müssten wir sie erfinden. Denn in dieser Praxis wächst eine konkrete redaktionelle Gesellschaft statt der aktuellen Aufregungsbewirtschaftung und Eskapismus in Konkurrenz um Werbekapital und Quoten.

Was ist das Besondere an Community Radios? Sie sind werbefrei. Der Radiocontent wird im Offenen Zugang produziert: JedeR mit Radioideen und der Bereitschaft, Medienrecht und Radiogestaltung zu erlernen, kann Radio machen, wenn die Inhalte der geplanten Sendung der Charta der Freien Radios entsprechen. Mehrsprachigkeit und heterogene Zugänge zu Themen, breite Musikauswahl und Beteiligung von Menschen, die wenig privilegiert sind, stärken den demokratischen Medienpluralismus.

Ulli Weish

VERBAND FREIER RUNDFUNK ÖSTERREICH UND RADIO ORANGE 94.0

Demonstrant:innen während der Niederschlagung des „Prager Frühlings“, 1968, ORF / Historisches Archiv

Radio aus Österreich für eine demokratische Welt:

„Ivan Medek, HlAs Ameriky, Vídeň“

Während internationale Fernsehprogramme häufig mit Störsendern blockiert wurden und schon der Besitz von „westlichen“ Zeitungen ein Verstoß war, konnte auch die stärkste Zensur die Radiowellen nicht stoppen. Für viele Menschen in Ungarn und der Tschechoslowakei gehörten während der staatssozialistischen Diktaturen in den Jahren des „Kalten Krieges“ internationale Rundfunkprogramme zu den wichtigsten Quelle von Informationen, die sich von den heimischen Jubelmeldungen unterschieden. Besonders häufig aufgedreht wurde „Voice of America“, das vom US-amerikanischen Kongress initiiert wurde. Der Prager Dissident Ivan Medek trug als dessen Korrespondent im Wiener Exil durch das Radio entscheidend zum Fall des tschechoslowakischen Regimes bei. Er ermutigte die Bürger:innen auf Tschechisch, die Forderungen nach mehr Demokratie für ihr Land im Stillen oder öffentlich zu vertreten – von den Zielen und dem Ausmaß der Oppositionsbewegung erfuhren sie vor allem hier. Medeks Abmoderation „Ivan Medek – Hlas Ameriky – Vídeň” („Ivan Medek – Die Stimme Amerikas –  Wien“) wurde zu einem Symbol für die (Meinungs-)Freiheit.

Um sein Land über die lange Durststrecke von der Veröffentlichung der „Charta 77“ zur „Samtenen Revolution“ zu helfen, war der Radiomacher Ivan Medek auch aus einem anderen Grund entscheidend: Er war

eine Drehscheibe für das tschechoslowakische Exil in Österreich, das von hier aus in vielerlei Hinsicht an der Demokratisierung des Nachbarlandes arbeitete. Schließlich verschaffte er den oft in Österreich auch argwöhnisch beäugten „kommunistischen Emigranten“ eine gewisse Anerkennung und überlebensnotwendige Netzwerke. Mehr als zehn Jahre verbreitete er beharrlich die Botschaften der „Charta 77“: Der tschechoslowakische Staat hätte sich in vielen juristisch bindenden Dokumenten zur Einhaltung von Menschenrechten und politischen Freiheiten verpflichtet, er müsse das auch tatsächlich umsetzen. Es ist nur ein scheinbarer Mangel, dass seine Radioberichte aus Wien selten kämpferische Aufrufe sind. Seine Zeit on air widmete Medek wohlüberlegt meist detaillierten Informationen zu Polizeiaktionen und Repressalien gegen Oppositionelle. Wenn deren Freund:innen und Angehörige auf diesem Weg Informationen und Gewissheit zum Schicksal Verhafteter bekamen, stärkte das die Demokratiebewegung insgesamt.

Demonstration gegen das gewaltsame Ende des „Prager Frühlings“ in der Prager Neustadt, 1968, ORF / Historisches Archiv

Ein Panzer der Warschauer-Pakt-Truppen, Sitzstreik am Wenzelsplatz (Václavské Naměstí) und Alexander Dubček, führender Politiker des „Prager Frühlings“, 1968, ORF / Historisches Archiv

Aber nicht nur die USA spielten eine entscheidende Rolle im Informationskrieg jenseits des „Eisernen Vorhangs“. Beinahe 25 Jahre lang hatte auch der ORF gezielt professionelle journalistische Nachrichten in die Tschechoslowakei gebracht. Am Anfang dieses Engagements stand ein entscheidender Moment des Radiojournalismus, als im August 1968 Panzer aus der Sowjetunion und anderen kommunistischen Staaten in der Tschechoslowakei einrollten. Nicht nur waren österreichische Journalisten vor Ort, als damit gewaltsam die Demokratiebewegung des „Prager Frühlings“ niedergeschlagen wurde. Der österreichische Sender nahm auch die letzten Minuten des offiziellen tschechoslowakischen Radiosenders auf, in denen noch demokratisch gesinnte Journalist:innen berichten konnten. Deren Wiener Kolleg:innen bauten diese unmittelbar in die allererste Ausgabe der Nachrichtensendung „Morgenjournal“ im neuen Sender Ö1 ein. Direkt an den Anfang stellten sie die tschechische Originalaufnahme – gut zu hören und zu verstehen, mit deutlich verzögert einsetzender deutscher Übersetzung. Von da an versorgte das ORF-Radio die Bürger:innen der Tschechoslowakei mit unabhängigen Informationen, bis nach dem Ende der Diktatur 1989 wieder Medienfreiheit im Nachbarland herrschte.

Die Sowjetunion verstand das Verhalten des öffentlich-rechtlichen Senders 1968 übrigens als Verletzung der Neutralität, zu der sich Österreich im Staatsvertrag 1955 verpflichtet hatte. Sie reagierte verärgert auf dieses neue Verständnis des ORF als kritisches Medium, das sich journalistischen Standards verpflichtet sah.

Meine Kindheitserinnerungen sind geprägt von RadioMomenten. Nachdem meine Eltern sich erst in den späten 1960er Jahren zum Kauf eines Fernsehers durchringen konnten, war das Radio neben den Zeitungen unsere Informationsquelle. Für meine Eltern, die sehr am politischen Geschehen interessiert und selbst engagiert waren, stellte diese Partizipation eine Selbstverständlichkeit dar. Information über das Zeitgeschehen spielte bei uns zu Hause daher eine große Rolle. Mein Interesse an der politischen Berichterstattung rührt demgemäß schon aus meiner unmittelbaren Kindheit. Ein dramatisches Erlebnis hat sicherlich diese Hinwendung zum Journalismus verstärkt: der Prager Frühling. Kurz nach meinem 11. Geburtstag reisten wir als Familie zu Verwandten in die Tschechoslowakei, damals ČSSR = Tschechoslowakische Sozialistische Republik. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht ahnen, dass wir Zeugen eines historischen Ereignisses werden sollten. Am 21. August 1968 marschierten eine halbe Million Soldaten der Warschauer-Pakt-Staaten in die ČSSR ein und setzten den Reformversuchen der kommunistischen Partei ein gewaltsames Ende. Zeitig in der Früh wurden wir durch laute, durchdringende Geräusche geweckt und eilten zu den Fenstern. In meiner Erinnerung waren es unzählige mächtige Panzer, die an den Häusern vorbeirollten. Die Angst, die Unruhe, die Nervosität waren deutlich spürbar, eine Stimmung, die ich nicht vergessen werde. Für uns bedeutete es, hastig aufzubrechen. Meine Mutter schlug sich mit uns Kindern bis zur Grenze nach Österreich durch, auf dem Weg begegneten uns ständig Soldaten und Panzer. Die gesperrte Grenze überquerten wir zu Fuß. Meinen Vater hatten wir verpasst. Er hatte einen Weg gefunden, doch in die ČSSR zu gelangen, um uns abzuholen. Durch die mangelnde Kommunikation wussten wir nicht, dass er zu uns kommen wollte, und er nicht, dass wir bereits aufgebrochen waren. Nach einer Odyssee kamen wir endlich in Wien an. Dass wir die nächsten Tage am Radio verbrachten, war klar. Der ORF nahm mit seiner Berichterstattung damals eine entscheidende Rolle ein und wurde zu einer Informationsquelle für die Welt. Das waren meine „Radiomomente“, einen Teil davon habe ich live erlebt. Momente, die tief in meiner Erinnerung geblieben sind.

Österreich

RadioKulturhaus, WIen

Entstanden ist die Reihe „Auf eine Melange mit Musalek“ während des ersten Corona-Lockdowns.

Thomas Wohinz, Leiter des RadioKulturhauses, meinte damals, dass auf die Menschen vergessen wird, darauf, in welcher psychischen Ausnahmesituation wir sind. Also beschlossen wir, öffentlich darüber zu reden. Und dann habe ich mich alleine auf die Bühne des leeren Großen Sendesaals gesetzt, um im Zwiegespräch mit Haimo Godler von Ö1, der das Publikum im Saal repräsentierte, wöchentlich über Krisen in allen Facetten zu sprechen und Strategien aufzuzeigen, damit umzugehen. Es war eine einmalige Chance, für viele Menschen in einer so isolierten Zeit über das Radio und über den Video-Livestream da zu sein. Jetzt beschäftigte ich mich in der Reihe monatlich mit unterschiedlichen psychischen Themen und beantworte Fragen der Zuhörer:innen und des Publikums im RadioKulturhaus live, im Video-Stream, auf Ö1, in ORF III und als Podcast.

Als Kind der frühen 80er in einem kleinen Dorf in Oberösterreich lässt Radio mich die Welt erleben: in Wort, Musik und Emotion. Irgendwo zwischen der Atom-Katastrophe von Tschernobyl, der Morgengymnastik mit Ilse Buck, den Ö1-Journalen, der Comedy im Ö3-Wecker mit Hary Raithofer und Robert Kratky, Kassettenaufnehmen und Blue Danube Radio (später FM4) bin ich erwachsen geworden und selbst beim Radio gelandet. In Erinnerung geblieben ist mir unter anderem das Gefühl der Sinnhaftigkeit und Gemeinschaft, als ich mich zu Beginn der Corona-Pandemie für das „Ö3-Isolations-Team“ melde. Getestet leben, schlafen und senden wir in ununterbrochenen Zwei-Wochen-Schichten aus der Quarantäne am Sender, um unsere Hörer:innen bestmöglich durch diese schwierige Zeit zu begleiten, sie zu informieren und sie zu unterhalten. Für andere da sein dürfen. Auch das ist Radio.

Es muss im Juli 1996 gewesen sein. Ein stressiger Tag in der Ö3-Verkehrsredaktion. Verkehrsaufkommen in den Sommermonaten – wie immer stark – viele sind in den Urlaub unterwegs. Und es ist wieder jener Moment –  wo jedes Zahnrad perfekt in das andere greifen muss –  einem Präzisionsuhrwerk gleichend – jede Sekunde zählt. Das Landesgendarmeriekommando Niederösterreich ruft an – Geisterfahreralarm auf der Südautobahn bei Seebenstein. Die Meldung ist geistig notiert und ab ins Sendestudio. Das Ö3-Programm wird sofort unterbrochen –  die Geisterfahrerwarnung gelesen. Raus aus dem Studio –  kurze Entspannung. In der Ö3-Verkehrsredaktion läutet wieder das Telefon – ein Hörer ruft an, seine Stimme ruhig und gefasst: „Ich danke ihnen aus ganzem Herzen. Ich habe ihre Geisterfahrermeldung gehört und wollte gerade überholen. Ein Dankeschön auch von meiner Tochter Lena –  sitzt hinten auf der Rückbank und ist sieben Jahre alt.“

Thomas Ruthner ORF-VERKEHRSREDAKTION

Ö3 hilft so oft: Das „TEAM ÖSTERREICH“ unterstützt bei Naturkatastrophen, die „Tafel“ hilft Bedürftigen, und das „Ö3-Weihnachtswunder“ sendet 120 Stunden live für Familien in Not. Und dazu kommt: 2009 hat Ö3 am Muttertagswochenende das Geld für den Bau eines Mutter-Kind-Hauses für 60 Mütter und Kinder in Not gesammelt. Innerhalb eines Wochenendes wurden 500.000 Euro gespendet – nie hätten wir damit gerecht! Es war nur möglich dank des unglaublichen Engagements der Ö3-Hörer:innen. Dass sich so viele Menschen und auch Unternehmen auf den dringenden Hilfsappell gemeldet haben und einen so wertvollen Beitrag für wohnungslose Mütter und Kinder geleistet haben, war wunderbar und für mich: Es war eine Ehre, Teil dieses Projektes zu sein.

„Vor wenigen Tagen hat Sahar Geburtstag gehabt. Ich weiß nicht einmal genau den wievielten, nur, dass sie circa in meinem Alter ist: Anfang 40.“ So beginnt mein persönlicher Radiomoment am 7. August 2014. Ich hatte Sahar ein Jahr zuvor kennengelernt, als ich sie in Mosul interviewt habe. Sahar ist chaldäische Christin und hat damals an der Universität in Mosul Pharmazie gelehrt. Wir waren einander auf Anhieb sympathisch, nach dem Interview haben wir Facebook-Adressen ausgetauscht, weil wir in Kontakt bleiben wollten. Doch dann kam der IS, eroberte Mosul und seitdem hatte ich nichts mehr von ihr gehört. Ich schreibe ihr trotzdem einen kurzen Geburtstagswunsch und zu meiner Überraschung reagiert sie. Sie sei im Juni mit ihrer Familie in die christliche Enklave Karakosh geflüchtet. Jetzt sitze sie dort in einer hoffnungslos überfüllten Schule fest und habe wahnsinnige Angst. Ob sie mir ein Interview geben würde, frage ich Sahar. Ja, am nächsten Morgen. Doch unter der Handynummer, die sie mir gegeben hatte, kann ich sie am Tag darauf nicht mehr erreichen. In den Agenturen lese ich an diesem Tag: Kurdische Truppen hätten sich in der Nacht aus Karakosh zurückgezogen und die Gebiete stünden nun unter der Kontrolle des IS. Die Bewohner:innen sind auf der Flucht, wahrscheinlich auch Sahar. Kurz darauf stehe ich im Büro meiner Chefin Doris Appel und erzähle ihr die ganze Geschichte, von der ich persönlich betroffen bin wie zuvor noch nie. „Ich habe auch kein Interview“, sage ich, „aus dem Beitrag wird also nichts.“ „Dann erzähle doch die ganze Geschichte. Selbst. In der Sendung“, sagt Doris. Und das tue ich dann. Noch nie hat sich ein Moderationstext so von selbst geschrieben und war gleichzeitig so schwer zu formulieren. Sahar ist die Flucht gelungen. Sie lebt heute mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in Marseille. Wir gratulieren einander noch immer jedes Jahr zum Geburtstag.

Am 24. März 1999 begannen NATO-Streitkräfte, die Bundesrepublik Jugoslawien zu bombardieren. Damit unabhängiges Programm hörbar sein konnte, übertrug das ORF-Mittelwellentradio 1476 ab 26. März Programm des unabhängigen Belgrader Senders B92. Die Journale von 45 Minuten Länge gab es auf Englisch und Serbisch.

Es war kurz vor Weihnachten 1991. Eine Hörerin aus Lustenau hat uns auf die schlimmen Zustände in Russland aufmerksam gemacht. Besonders in den Kinderspitälern fehle an allem. Wir haben einen Spendenaufruf gestartet. Zusammengekommen sind zwölf Tonnen Hilfsgüter wie Decken, Babyartikel, Spielsachen, Hygieneartikel und Plüschtiere. Die Fahrt nach Moskau war abenteuerlich. Irgendwann hatten wir das Gefühl, dass uns gleich das Benzin ausgeht. In Weißrussland keine Seele weit und breit, und natürlich auch keine Tankstelle. Aber wir haben es dann doch geschafft. In Moskau haben wir mit der Verteilung der Hilfsgüter begonnen. Kinder hatten Tränen der Freude in ihren Augen. Weihnachten konnte doch noch ein schönes Fest werden. Nachdem unser Team alles verteilt hatte, wollten wir noch ein bisschen um die Häuser ziehen, was uns aber verboten wurde. Moskau bei Nacht sei einfach zu gefährlich. Untergebracht waren wir in einer zum Hotel umfunktionierten Kaserne. Und mit einem Dosenbier verbrachten wir den Heiligen Abend.

Moskau, Russland
Mossul, Irak
Belgrad

Als die Stimme Österreichs

verstummte

Das Jahr 1924 war nicht nur das Geburtsjahr der RAVAG, der Österreichischen Radio-Verkehrs-Aktiengesellschaft. Es gilt auch als das Geburtsjahr des Kurzwellen-Rundfunks weltweit. Schon 1925 begannen Radio Vatikan, die BBC und Radio Moskau mit dem regulären Sendebetrieb. Drei Jahre danach ging auch der erste österreichische Kurzwellensender in Betrieb. Das Interesse war damals enorm. Und da fast mit jedem Radiogerät auch Kurzwellen-Sender zu empfangen waren, drängte der Elektrohandel, der die neuen Radios verkaufte, die RAVAG, zur Wiener Frühjahres-Messe 1928 mit einem eigenen Kurzwellenprogramm auf Sendung zu gehen. Diesen Wunsch erfüllte die RAVAG, die dafür einen zunächst für mobile Einsätze konzipierten 40-Watt-Sender einsetzte. Übrigens: Damals strahlten weltweit bereits siebzehn Kurzwellen-Sender mehr oder weniger regelmäßig Radioprogramme aus.

Ab 1932 sendete die RAVAG täglich auf Kurzwelle Beiträge aus dem Programm von Radio Wien, die mit Schallplattenmusik ergänzt wurden. Die Ansagen erfolgten in deutscher, englischer und französischer Sprache. Da das Interesse an Radiosendungen aus Österreich über allen Erwartungen lag, wurde binnen zweier Jahre die Senderleistung verdoppelt. Der Wert der RAVAG-Kurzwellensendungen wurde von der Politik erst mit den zunehmenden politischen Pressionen und Drohgebärden aus Berlin durch das NS-Regime unter Führung von Adolf Hitler erkannt. Wohl auch deshalb wurden im AuslandsRadio aufsehenerregende Großreportagen, nicht nur von den Salzburger Festspielen, sondern auch spektakuläre, weltumspannende Programmübernahmen gesendet. Und es wurde der Bau eines neuen 50-Kilowatt-Senders beschlossen, der aber nicht mehr verwirklicht werden konnte. Denn mit dem Einmarsch deutscher Truppen am 11. März 1938 endete die Selbstständigkeit Österreichs. Und damit auch jene des Rundfunks. Es sollte bis 15. Februar 1955 dauern, dass sich der Österreichische Rundfunk – mit einem Motiv aus Franz Schuberts Streichquintett – wieder mit seinem offiziellen Programm auf Kurzwelle melden konnte.

Von diesem Zeitpunkt an konnten dem Publikum dies- und jenseits der österreichischen Grenzen vom Inlandsprogramm unabhängig produzierte Sendungen auch in Fremdsprachen angeboten werden.

Auch der Abschluss des österreichischen Staatsvertrages am 15. Mai 1955 wurde über Kurzwelle den Hörer:innen im Ausland vermittelt. Die Senderreichweiten wurde verbessert und vergrößert. So konnte die Weihnachtsansprache 1956 des damaligen Bundeskanzlers Julius Raab in Nord- und Südamerika empfangen werden.

Der Kurzwellendienst des Österreichischen Rundfunks, das belegt die Hörerpost dieser Jahre, bildete eine wichtige Direktverbindung zur alten Heimat.

Das Rundfunkgesetz des Jahres 1966 verpflichtete den Österreichischen Rundfunk „im Auftrag und auf Rechnung der Bundesregierung ein ausreichendes Programm auf Kurzwelle“ zu erstellen. Damit waren die rechtlichen und finanziellen Grundlagen, einen modernen ORF-Auslandsdienst zu schaffen, gegeben. Generalintendant Gerd Bacher, ab 1967 im Amt, war der Auslandsrundfunk ein besonderes Anliegen. Das Informationsangebot wurde deutlich erweitert. Anfangs wurden die täglichen Nachrichtensendungen in Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch – später auch in arabischer Sprache – um Wirtschafts- und Kulturberichte ergänzt. Schließlich gingen eigene Journalsendungen mit aktuellen Berichten aus Sport, Wissenschaft, Kultur, Literatur auf Sendung. Ein wesentliches Datum für das Auslandsradio war der 4. Mai 1983: Das neue Sendezentrum – Investitionskosten: 100-Millionen-Schilling – wurde in Betrieb genommen. Es ermöglichte den weltweiten Empfang von ORF-Kurzwellensendungen. Mit der neuen drehbaren Hochleistungsantenne konnten die Sendungen des ORF-Auslandsdiensts in bis zu 18.000 km entfernten Gebieten empfangen werden.

1985 erfolgte die Namensänderung in Radio Österreich International (RÖI). Satellit und Kabel, Internet und Digitalradio eröffneten RÖI neue Möglichkeiten. Im Herbst 1998 wurde auf Digitalproduktion umgestellt. Ab März 1999 war RÖI nicht nur über Kurzwelle und Satellit, sondern auch über Internet zu empfangen, und zwar live 24 Stunden täglich in ausgezeichneter Empfangsqualität.

Das Jahr 2000 war in Österreich, aber auch in der EU durch die Bildung der schwarz-blauen Regierung geprägt. Am 31. Jänner beschlossen die damaligen 14 EUPartner wegen der Regierungsbeteiligung der von Jörg Haider geführten FPÖ „bilaterale Maßnahmen“ gegen die schwarz-blaue Koalition unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP). Die Regierung reagiert scharf und sprach von „Sanktionen“ und von „Einmischung aus dem Ausland“. Just in dieser Zeit, in der angenommen werden konnte, dass Österreich in der EU Überzeugungsarbeit leisten wollte, entschied die Regierung aus der jahrzehntelangen Verpflichtung auszusteigen, das Auslandsradio zu finanzieren. Jörg Haider wurde damals mit dem Satz „Wir brauchen das Ausland nicht“ zitiert. Außenministerin Benita Ferrero-Waldner intervenierte persönlich bei Kanzler Schüssel. Erfolglos. Auch zahlreiche Persönlichkeiten und Institutionen, darunter die Journalistengewerkschaft, appellierten an die Regierung, die Stimme Österreichs im Ausland nicht verstummen zu lassen. Vergeblich. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schrieb damals: „Als Medien, die der weltweiten Selbstdarstellung eines Landes dienten, wurden Kurzwellensender häufig staatlich finanziert; nicht so in Österreich, dessen Regierung RÖI an den ORF abgetreten habe, um sich so eines Ausgabenfaktors entledigen zu können.“ Erste Sparpläne wurden umgesetzt, langjährige Mitarbeiter:innen mussten

gekündigt werden, einige wurden im ORF-Hörfunk weiterbeschäftigt. Am 5. Juli beschloss der Nationalrat eine Novelle zum Rundfunkgesetz mit der ab 1. Jänner 2002 „die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang der ORF einen Auslandsdienst betreibt, nicht mehr bei der Bundesregierung, sondern bei den zuständigen Organen des ORF“ lag. Die Regierung entledigte sich damit ihrer Budgetierungspflicht – nach mehr als vierzig Jahren Auslandsradio im Dienst der Republik Österreich.

Übrigens: am 21. März 2003 wurde RÖI vom „Presseclub Concordia“ mit dem Concordia-Publizistikpreis ausgezeichnet: „Radio Österreich International vermittelt …  seit mehr als drei Jahrzehnten gelebte Informationsfreiheit. In Regionen mit staatlich gelenkten Medien bietet der Sender die einfachste, billigste und oft einzige Möglichkeit, sich unabhängig zu informieren.“

Vier Tage danach votierte der ORF-Stiftungsrat für die Schließung des zehnten Landesstudios, wie RÖI intern oft genannt wurde. Mit 30. Juni 2003 stellte Radio Österreich International seinen Sendebetrieb ein.

78 let slovenska beseda v koroškem etru

Na pobudo britanske zasedbene oblasti so 6. januarja 1946 začele oddajati slovenske radijske oddaje na Koroškem. Na ta dan je bil prvi prenos, in sicer recitacije Helmuta Hartmana pesmi in prozo Ivana Cankarja v Borovljah. Kmalu zatem se je v okviru ORF izoblikovalo samostojno uredništvo za pripravo radijskega sporeda v slovenščini. Od prvih občasnih krajših informativnih oddaj (dve uri do tri na teden) se je postopoma oblikoval redni dnevni radijski program.

Oddajali iz nekdanjega bunkerja pod Križno goro

Helmut Hartman, pionir slovenskega radia, je na Koroško prišel kot borec 8. angleške armade, nato pa je vodil slovenske oddaje celovškega radia celih 38 let. V prvem studiu v nekdanjem bunkerju pod Križno goro so že od vsega začetka gostili kulturnike, politke in dejavne zbore. Slovenski spored pa je vse od povojnih let sestavni del radijske ponudbe Avstrijske radiotelevizije. Seveda so se v teku desetletij spreminjali oddajni časi. Junija 2023 smo praznovali 70-letnico novega sodobnega poslopja

Konservendosen von „Radio Agora“, 1997/98

Objekt: hdgö, Schenkung Helmut Peissl, Foto: M. Guschelbauer

Post Scriptum. Der letzte Intendant von ROI, Roland Machatschke, hat in einem Interview am 23. Mai 2022 zu bedenken gegeben: „Den meisten Mitarbeiter:innen bei ROI war klar, dass das Internet das Zukunftsmedium sein wird, allerdings ohne die Kurzwelle als solche zu vernachlässigen. Denn die hat immer noch eine Bedeutung. Eigentlich will man nicht daran erinnern: aber in Zeiten des Krieges kann die Kurzwelle ein wichtiges Informationsmedium sein. Wichtiger als das Internet! Denn wie wir wissen, lässt sich die Nutzung relativ leicht stören, einschränken oder sperren. Das kann auch in Diktaturen geschehen. Da ist die Kurzwelle im Vorteil, die lässt sich nicht so einfach stören, denn dazu braucht man Störsender. In Krisenzeiten hat die Kurzwelle sicherlich eine Bedeutung.“

Michael Kerbler

RADIO ÖSTERREICH INTERNATIONAL

Slovenska beseda segla v vsako vas Hartman se je tudi po upokojitvi rad spominjal časov kot prvi vodja in rad pripovedoval o mali slovenski radijski družini, ki je postala pojem v kulturnem ustvarjanju koroških Slovencev. Ker je s tem medijem slovenski jezik dosegel tudi odročne vasice. Nepozabna je oddaja voščil, s katero starejša generacija povezuje Faniko Hartman. Mira Pehani je ostala mnogim v spominu kot stroga voditeljica pri snemanjih v studiu. Skrb za lep jezik pa je, poleg uredniškega dela, imel France Vrbinc.

Razširitev na celodnevno radijsko oskrbo v materinščini

22. decembra 2003, so avstrijska radiotelevizija ORF in zasebni radijski postaji slovenske narodne skupnosti na Koroškem podpisali pogodbo o sodelovanju, kar je omogočilo razširitev radijske ponudbe od 50 minutne oddaje na deželni frekvenci na celodnevno oskrbo slovenske narodne skupnosti na Koroškem z radijskim sporedom v materinščini. Celodnevni slovenski radijski program, kakršen je danes, je zaživel 21. marca 2004. Pri tem slovensko uredništvo ORF pod vodstvom Marijana Velika pripravlja osem ur programa na dan. Od 2009 pa je z razširitvijo ponudbe slovenski spored ORF slišen tudi na južnem Štajerskem. Štajerski Slovenci, ki kot avtohtona manjšina živijo predvsem v tako imenovanem radgonskem trikotniku in na območju Sobote so s tem dobili preko avstrijskega radia ORF redno medijsko oskrbo v materinščini.

Niko Kupper ORF KÄRNTEN

Hundert Jahre Radio sind eine Geschichte des Erfolgs. Hat man 1924 noch 113 Stunden pro Monat gesendet, sind es allein im ORF ein Jahrhundert später 8.784 auf Ö1, Ö3, FM4 und den neun Bundesländerradios. Die Beliebtheit des Mediums ist ungebrochen: Täglich hören mehr als sechs Millionen Menschen Radio.

Radiozahlen 1924–2024

RAVAG-Programm / Monat 1924

1,8 % Märchen

15 % Sonstiges

37,2 %

Opern & Ernste Musik

Verteilung der Kategorien

46 % Leichte Musik

11.000

Hörer:innen

P r o g r a m m stunden

Hörfunksender

1924

113

Stunden Programm gesamt

1

Radiodirektor:innen bzw. -intendanten

Oskar Czeija 1924–1938

Franz Pesendorfer 1938 (er übernimmt nach dem „Anschluss“; 1938 wird die RAVAG aufgelöst)

Heinrich Glasmeier 1938–1941

Franz Huber 1941–1945 („Reichssender Wien“)

Oskar Czeija 1945 (nach Kriegsende erneuter Aufbau der RAVAG 1945)

nationalsozialistischer Rundfunk

Alfons Übelhör 1954–1960

Sigmund Guggenberger 1945–1954

Alfred Hartner 1967–1974

Josef Scheidl 1960–1967

6.106.000

durchschnittliches

ORF-Radioprogramm / Monat 2024 (Wort-/Musikanteil exkl. Werbung)

1,4 %

Familie /  Gesellschaft 2,3

Wissenschaft / Bildung

Oldies / Evergreens

4,7 %

Service / Verkehr / Wetter

5,5 %

Unterhaltungsmusik / Schlager

Programmstunden

.784 auf Ö1, Ö3, FM4 und den neun Bundesländerradios.

6,5 % Kultur

7,9 % Information

Volksmusik /  Weltmusik

Verteilung der Kategorien

Zu kun ft…

KAPITEL 9

Ausbreitung von Falschnachrichten vor allem in sozialen Medien, Dominanz weniger kommerzieller Konzerne über die Geräte vieler, Zunahme der Informationsflut im Digitalen, während Zeitungen sterben, persönliche Daten kapitalisiert und öffentlich-rechtliche Medien politisch bedroht werden.

Wer Medien über Medien nutzt, bekommt besorgniserregende Informationen. Wie kann, wie soll in diesem Umfeld die Radiostory weitergehen? 100 Jahre Erfolg sind ein Auftrag für die Zukunft.

Bloß: Welcher?

Bloß: Welcher?

Kontinuität, Resilienz und Anpassungsfähigkeit

Seit vielen Jahrzehnten steht das Radio in einem Konkurrenzverhältnis zu anderen Medien und hat jetzt tatsächlich – seit ca. 20 Jahren – durch Podcasts noch weitere Konkurrenz erhalten. Mit relativ wenig Mitteleinsatz und vergleichsweise geringem technischen Aufwand können Menschen unterschiedliche Inhalte aufbereiten und den Rezipient:innen aus den unterschiedlichsten Motivationen zur Verfügung stellen. Das Hören wird immer mehr individualisiert und es besteht „ein Hunger nach Geschichten“ (Lauer, 2020), auch wenn dies in den digitalen Welten vor dem Hintergrund von Fake News, Populismus und Propaganda mitunter negativ konnotiert werden kann.

Die Hörgewohnheiten verändern sich, weil sich die Hörmöglichkeiten ausweiten. Es kann immer und überall gehört werden. Manche Genres boomen im Podcast-Bereich besonders und dies vor allem bei jungen Menschen: True-Crime-Podcasts. Man kann hören, wann man will und was man will.

Was verdeutlicht dieser Befund? Ganz einfach, dass wir in einer oralen Gesellschaft leben, und dass der Wunsch zu Hören nach wie vor ein wichtiger Mediennutzungsfaktor im Alltagsleben von Menschen ist. Dies ist auch der Anknüpfungspunkt, der für das Radio bzw. den Hörfunk relevant ist. Das Radio, wenn man es denn als Person sehen darf, muss verstärkt seine Stärken in den Vordergrund stellen: Live sein, vor Ort sein, ins Gespräch mit den Menschen kommen. Die Interaktionsbeziehungen mit dem Publikum intensivieren.

Und auch wenn es richtig ist, dass sich die Hörer:innen „ihr“ Programm allein und selbstständig zusammenstellen können, so sollte das Radio seinen Lean-BackCharakter nie in Frage stellen. Denn Radioprogrammen zu folgen, bedeutet ja auch, dass Menschen nicht immer überlegen wollen, was sie hören wollen, sondern sich darauf verlassen wollen, dass zu bestimmten Zeitpunkten z. B. Nachrichten ausgestrahlt werden, dass Informationssendungen verschiedene Themen aufbereiten, mit denen man vielleicht als Zuhörer:in nicht gerechnet hat, dass man durch kluge Auswahl auch von Musikstücken den Erfahrungshorizont ohne viel Eigenleistung erweitern kann. Das gilt genauso für Magazin- oder Musiksendungen, wenn Menschen zu Wort kommen, die nicht den Erwartungshaltungen des Publikums per se entsprechen. Die Zuhörer:innen können mit Inhalten überrascht werden, können Dinge erfahren, die sie noch nicht gewusst haben, können Anregungen erhalten, ihre Neugierde befriedigen und sich einer Community zugehörig fühlen, die zeitgleich ähnliche Interessen befriedigen kann.

Eine der zentralen Fragen für das Radio in Zukunft ist, wie die unterschiedlichen Interaktionsmöglichkeiten genutzt werden können. Inwiefern können Beiträge, die einem nicht gefallen, übersprungen werden, Musiktitel ausgetauscht werden, wie kann man intensiver in Inhalte eintauchen, die einen interessieren. Dies bedeutet, dass Radiosender viele Entscheidungen treffen müssen: Wer soll wie erreicht werden? Soll es ein kuratiertes Programm geben? Was soll und kann wie automatisiert werden? Welche Perspektiven haben menschliche Moderator:innen? Wie sind sie von KI-generierten Kolleg:innen zu unterschieden? Sicher nicht dadurch, dass sie immer die ewig ähnlichen Marketingphrasen in den Äther senden, wie man früher gesagt hat.

Das Radio hat eine lange Tradition und ist ein Medium, das sich immer wieder neu erfunden hat. Auch in Zukunft wird das Radio durch seine flexiblen Möglichkeiten und Qualitätsansprüche Menschen erreichen und relevant bleiben. Denn es bietet eine intime und unmittelbare Form der Kommunikation, die sich vor allem durch Live-Übertragungen, lokale Nachrichten und personenorientierte Inhalte auszeichnet. Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten für interaktive Formate und On-Demand-Inhalte, wodurch das Hörerlebnis noch individueller und flexibler wird. Trotz der Konkurrenz durch Streaming-Dienste und Podcasts bleibt das Radio durch seine Vielseitigkeit, Anpassungsfähigkeit und die Fähigkeit, Publikums-Communities zu schaffen, ein unverzichtbarer Bestandteil der Medienlandschaft. Das Radio spielt nach wie vor eine zentrale Rolle in der Resilienz von Gemeinschaften, indem es wichtige Informationen in Krisenzeiten schnell verbreitet und sogar Möglichkeiten zu solidarischem Handeln eröffnet. Als Plattform für den Austausch von Nachrichten und auch Ratschlägen, kann das Radio zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts beitragen, so wie es durch den Zugang zu vertrauenswürdigen Informationen und deren Verbreitung hilft, Unsicherheiten zu reduzieren und sich besser in der Welt orientieren zu können. Wenn glaubwürdige Institutionen hinter diesem Informationsangebot stehen, kann Radio ein dringend notwendiges Gegengewicht zu populistischen, sensationalistischen und hetzerischen Kampagnen in den sozialen Medien sein, weil es durch die kumulierte Reichweite für unterschiedliche Publikumssegmente an grundsätzlicher Information und nicht an emotionalisierter Zustimmung orientiert ist. Auch hier ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk gefragt, nicht nur, um verlässliche Radioinformationen und Magazinbeiträge zu gewährleisten, sondern um Formate kontinuierlich weiterzuentwickeln und ein Gegengewicht zu Desinformationen, Clickbaits und technologiebasierter Manipulation zu bieten.

Das Radio lässt bei seinem Publikum individuelle Bilder entstehen, deshalb sollte es, wenn es eine seriöse Zukunft haben soll, Bilder entstehen lassen, die auf Fakten basieren oder deklariert einen künstlerischen

Hintergrund haben, aber nicht die einzelnen Erzählungen zu einem wirren Mischmasch von Fake und Fakt verbinden, das einen klaren Blick eintrübt.

Das Radio liefert noch immer – wie es bereits der Medientheoretiker Rudolf Arnheim vor mehr als

80 Jahren formuliert hat – Klänge ohne Bilder, die damit „einem echten menschlichen Bedürfnis“ entgegenkommen. Unser Leben – um es vielleicht etwas pathetisch zu formulieren – ist von Erzählungen geprägt und diese liefert auch das Radio. Der Mensch ist ein kommunikatives Wesen und ohne Kommunikation können wir weder leben noch überleben – und eine dieser Kommunikationsmöglichkeiten ist seit einem Jahrhundert das Radio.

Vom Ohr ins Herz

13. Juni 2024. 12:30 Uhr.

Das Hotel „Jo & Jo e “ in Wien.

Das Jetzt.

Es gibt bei Events immer diesen einen Moment. Der Moment, genau vor „Open Doors“. Wo Hocker in perfektem Abstand arrangiert sind, das Team angespannt auf die ersten Gäste wartet und die Licht- und Tontechnik fertig aufgebaut ist. Wo die Arbeit der letzten Monate, wie eine geschüttelte Champagner-Flasche, in einen Reigen aus Eindrücken, Geräuschen und Momenten explodiert. Wo sich zeigt, ob eine Idee auch in der Realität funktioniert. Sechs Stunden nonstop Programm später hatte das Ö3-Podcast-Festival die meisten Besucher:innen seit dem Start vor drei Jahren. 26 Speaker:innen teilten ihr Wissen in 18 Sessions. Hunderte Postings auf Social Media brachten das Festival von der Bühne in die Welt. Mit einem Mix aus Entertainment und Information brachte das Ö3-Podcast-Festival einige der bekanntesten Persönlichkeiten der Podcast- und Kreativszene aus Österreich und Deutschland auf die Bühne. Im Publikum: Podcaster:innen, Agenturen aus dem Bereich Kreativbranche, Media, Podcast und PR, Vertreter:innen der populärsten Brands, Digital Natives und Influencer:innen. Die Themen: digitale Trends, Podcasts und Audio, die Zukunft und in welche Richtung sich diese Themen entwickeln (könnten). Das Festival setzt dabei ein beeindruckendes Zeichen, wie Ö3 als Marke Menschen zusammenführen kann und zu einer Vernetzung zwischen On Air, Online und Kreativszene führt.

Vor drei Jahren.

Doch vor dem Festival war der Ö3-Podcast-Award. Seit 2021 steht der Jänner bei Hitradio Ö3 im Zeichen der Podcasts. Um genau zu sein: der Lieblingspodcasts der Ö3-Hörer:innen. Diese können ganz einfach auf der

Ö3-Homepage nominiert werden. Die Anzahl der Nominierungen, sowie die Wertung der Ö3-Redaktion, wie auch einer namhaften externen Jury, lässt dann die Top-20Liste entstehen. Die Nominiertenliste war jedes Mal ein Spiegelbild der Gesellschaft und zeigt, welche Themen die Menschen im Land bewegen. In den bisher vier Runden wurde knapp 130.000-mal abgestimmt.

Die Trophäen sind in der Podcasterszene heiß begehrt, denn eine Topplatzierung hat neben dem medialen Echo auch Auswirkungen auf den Erfolg der Podcasts. Andreas Sator, Gewinner des ersten Ö3-Podcast-Awards sprach sogar von einem „Ö3-Effekt“, als sich seine Hörer:innen-Zahlen nach dem Sieg verdoppelten. Ein Feedback, welches von allen Gewinner:innen geteilt wird, unter anderem auch beschrieben als „explodierendes Interesse“ an den jeweiligen Formaten. Eine Platzierung bei den Ö3-Podcast-Awards ist in der Branche mittlerweile ein Qualitätssiegel geworden.

Vor vier Jahren.

2020 – mitten in der Corona-Epidemie – entstand die Idee, einen Podcast-Award ins Leben zu rufen. Ein Grobkonzept, zwei A4-Seiten lang. Und Kritiker sagten, dass Radio und Podcasts eigentlich in Konkurrenz stehen. Eine simplifizierte Darstellung, welche ein Problem widerspiegelt, das uns in der Branche oft begleitet: uns eher darauf zu fokussieren was uns trennt, anstatt zu erkennen was uns eint. Denn wir sind Audio! Und gemeinsam stärken wir die Audio-Revolution, indem wir uns gegenseitig pushen.

Der Gedanke hinter der Idee war dabei ein simpler: Ö3 ist seit 1967 die größte auditive Bühne des Landes. 2020 wurde erstmals der deutsche Podcast-Preis mit breiter Beteiligung der Medienbranche verliehen. In Österreich gab es zu diesem Zeitpunkt noch keinen vergleichbaren Preis in der öffentlichen und medialen Wahrnehmung. Wer wäre daher besser geeignet, um den Podcaster:innen des Landes eine Bühne zu bieten, als Ö3? Eine Chance für Podcaster:innen, der breiten Masse zu begegnen und so mediale Aufmerksamkeit zu erhalten. Gleichzeitig aber auch die

DANUTA LANG Ö3

Möglichkeit zu einer erhöhten Sichtbarkeit der Marke Ö3 im Onlinebereich, bei bisher noch nicht erschlossenen Nutzer:innengruppen. Eine Aktion, welche den Zusammenhalt der Familie „Audio“ in den Vordergrund stellt und Wertschätzung für die starke Arbeit der Podcaster:innen Österreichs in den Fokus bringt.

Die Zukunft.

Wohin die Reise geht, das kann man nur erahnen. Bereits seit 100 Jahren entwickelt sich das Medium Radio kontinuierlich weiter. Sind Podcasts nun ein Wegbegleiter,

Drei Bedingungen

eine andere Form des Radios oder ein komplett neues Medium? Kann jemand diese Frage mit 100%iger Sicherheit überhaupt beantworten? Wichtig ist nur, dass man sich von Unsicherheiten nicht einschränken lässt und einer Vision folgt. Ö3 hat sich entschieden, die Welten von Radio und Podcast zu verbinden, und damit bewiesen, dass aus einem Miteinander wahrlich Großes entstehen kann! Genau diesen Zugang werden wir auch bei zukünftigen Entwicklungen wählen. Denn sich FÜR etwas zu entscheiden, heißt auch ein Risiko einzugehen. Etwas NEUES zu erschaffen, heißt auch mit Misserfolg zu rechnen. Auf die gemeinsame Zukunft! Sie wird hörbar sein.

KONRAD MITSCHKA ORF PUBLIC VALUE

Drei Bedingungen

Die einen wollen hören, wo, was und wann sie wollen. Wissenschaftliche Podcasts beim Laufen, Literatur im Auto, musikalische Playlist während des Kochens. Die anderen schätzen Töne als Begleitung ohne Auswahlstress. In der Früh als aufschlussreicher Motivator, während des Tages beschwingend im Hintergrund, zu gebotener Zeit informativ. Die Technik macht beides möglich. Im Gegensatz zu früher ist Radio nicht mehr nur der eine Sender, dessen Akustikangebot nach Ausspielen für immer im Äther verschwindet. Radio ist live oder nachhörbar, wird als Programm oder in Teilen offeriert, man hat die Wahl zwischen Musik, Wort oder beidem. Menschen schätzen, was sie da bekommen können: Drei Viertel aller, die älter als zehn sind, hören täglich Radio. Und das im Schnitt drei Stunden und 22 Minuten lang. Eine Erfolgsgeschichte, die sich allen Unkenrufen zum Trotz – die digitalen Möglichkeiten lassen heute manche wie schon zur Zeit, als Fernsehen neu war, das Ende des Radios predigen – fortsetzen lässt. Unter drei Bedingungen.

Die Zukunft des Radios ist zwischenmenschlich.

Menschen hören gerne zu. Aber: nicht beliebig. Denn zuhören ist in Verbindung treten; man lässt sich von Musik in Stimmung bringen, von Wetter und Verkehrsnachrichten durch den Tag geleiten, durchs akustische Erfahren der Ideen, Probleme und Erfolge anderer fürs eigene Leben anregen – aber man tut das im Vertrauen darauf, dass am anderen Ende ein anderer Mensch ist. Von seelenlosen Bits und Bytes fühlte man sich letztendlich nur hintergangen. Wer z. B. auf KI-generierte Stimmen setzt, mag kurzfristige kommerzielle Erfolge feiern. Wer algorithmisch generierte Information sendet, kann vielleicht durch personelle Einsparungen Gewinne steigern. Umso mehr sind gemeinwohlorientierte Medien

gefordert. Denn zukunftsträchtig bleibt nur eine zwischenmenschliche Beziehung von Wert. Zu einer kompetenten Moderatorin, einem kompetenten Moderator, zu seriösen Journalistinnen und Journalisten, zu Menschen, die es ernst meinen, aber meist leicht klingen. Die akribisch den Gehalt vermittelter Information prüfen, ohne überfordert zu wirken. Die humorvoll unterhalten, aber nicht respektlos abwerten. Die man anrufen kann oder zumindest könnte, wenn man ein Problem hat. Das trifft nicht nur auf Programme zu, sondern auch auf Podcasts.

Die Zukunft des Radios ist zuverlässig.

Vertrauen ist das Um und Auf der Radionutzung: Hörerinnen und Hörer müssen sich darauf verlassen können, dass stimmt, was „der Radio“ sagt. Mitunter – man denke an Geisterfahrten oder daran, dass Radio, in Österreich Ö3 mit seiner 24 Stunden täglich besetzen Redaktion, im katastrophalen Notfall letztgültige Informationsquelle ist – ist das (über)lebenswichtig, immer aber entscheidend für die Zukunft von Demokratie und Gesellschaft. Ist die Nachricht richtig oder falsch? Werden alle relevanten Faktoren einbezogen oder übersieht man Aspekte, weil dahinter keine wirtschaftliche Lobby steht? Nur, wer beim Recherchieren und Verfassen von Nachrichten unabhängig ist, unabhängig von politischen und wirtschaftlichen Interessen, kann Informationen so neutral und objektiv wie möglich bringen. Nur, wenn gesichert ist, dass nicht Eigentümerinteressen bedient werden, können Informationen frei von Schlagseite sein. Die hundert Jahre Radio waren dazu wechselvoll: Am Anfang sendete man Verlautbarungen der Regierung, im Krieg von oben verordnete Hetze, danach begann das Ringen um Unabhängigkeit. Noch Bruno Kreisky meinte 1967, dass der Rundfunk manchen gegenüber objektiv sei, und machen gegenüber objektiver. Erst das Rundfunkvolksbegehren brachte einen entscheidenden Schritt

Richtung Äquidistanz zu allen. Und nur stabile Finanzierung kann garantieren, dass (Radio-)Redaktionen frei von Werbewirtschaftsdruck, Angst vor einschüchternden Klagen gegen öffentliche Beteiligung oder Politeinfluss arbeiten können.

Die Zukunft des Radios ist transparent.

Mit dem Vertrauen ist die Nachvollziehbarkeit verbunden. Der Nutzen der Radioprogramme, ihr Public Value, darf keine Behauptung bleiben, er muss nachvollziehbar belegt werden. Dargelegt in Berichtsform, weiterentwickelt durch Qualitätssicherung, geprüft von Gutachten – weil sich Hörerinnen und Hörer darauf verlassen können müssen, dass sie im Zweifel selbst so gut wie möglich überprüfen können, was sie gehört haben und wie das zustande gekommen ist. Deswegen nennt guter Journalismus die Quelle der Information. Deswegen wird immer genannt, wer Urheberin oder Urheber des Gesagten ist. Und deswegen gibt es Information über das Radio, zumindest im öffentlich-rechtlichen Bereich: Public-Valueund Jahresbericht legen Daten auch zu Radioprogrammen bzw. das Qualitätsverständnis der Macher:innen offen. Die Qualitätssicherung des ORF und die Transparenz der Programme sind kein abgeschlossenes Prozedere, im Gegenteil: Neue technische Möglichkeiten lassen neue Prüfungen zu. Haben die ersten Jahresberichte der RAVAG noch gemalt, dass z. B. von den 113 ersten Programmstunden 52 Salonmusik und zwei Märchen waren,

lässt sich heute anhand einer Probewoche wissenschaftlich genau feststellen, wie viele Sekunden Programm welcher Kategorie zuzuordnen sind. Und wurden bei der ersten Publikumsbefragung zum Radio durch Paul Lazarsfeld 1932 noch etwas erratische Zahlenkombinationen veröffentlicht, so sind bei der Publikumsbefragung heute die Daten nachvollziehbar öffentlich: Manche Widersprüche mögen geblieben sein – schon 1932 wollten manche mehr Musik später statt früher und andere umgekehrt, manche beklagten zu viel leichte Musik, andere zu viel ernste usw. – aber die Nachvollziehbarkeit ist in weit größerem Maß gegeben: Wurden die ersten Berichte der RAVAG mit Schreibmaschine getippt und einigen wenigen zugänglich gemacht, sind heute die Daten der öffentlich-rechtlichen Qualitätssicherung auf zukunft.ORF.at allen leicht zugänglich. Dabei gilt: Die Entwicklung dieses Systems ist so wenig abgeschlossen wie die Entwicklung der Programme, deren Qualität es sichern soll. Beides ist zukunftsoffen.

INGRID THURNHER ORF-RADIODIREKTORIN

Zur Zukunft des Radios

Zum hundertsten Geburtstag des Radios lässt sich sagen: Aus der jeweiligen Zeitperspektive ließ sich die Zukunft nicht feststellen. 1924 hielten manche das Radio für unnütze Spielerei. 1940 hätten viele nicht zu hoffen gewagt, dass Radio je wieder anders als hetzerisch sein würde. Noch in den Siebzigern war kommerzieller Rundfunk in Österreich fern. Und in den Nullerrjahren hatten die wenigsten Podcasts auf dem akustischen Radar. Man muss also vorsichtig sein mit den Prognosen. Nur eines scheint sicher: Qualität findet immer ihren Weg. Und wenn es sich dabei um einen Gehörgang handelt.

INGRID THURNHER ORF-RADIODIREKTORIN

INGRID THURNHER ORF-RADIODIREKTORIN

Zur Zukunft des Radios

Zur Zukunft des Radios

100 Jahre wird das Radio heuer also alt. 100 Jahre voller Geschichte, 100 Jahre voller Geschichten – wie dieses Buch eindrücklich zeigt.

Das Radio hat sich durch historische Momente, legendäre Sendungen und unvergessliche Sager in das kollektive Gedächtnis Österreichs eingebrannt. Es hat uns informiert, uns unterhalten, uns begleitet, uns die Welt ein Stückchen nähergebracht. Und das alles tut es auch heute noch: Denn auch wenn sich das Medienumfeld massiv geändert hat, auch wenn sich das Mediennutzungsverhalten der Menschen stark verändert hat, das Radio ist weiterhin unglaublich präsent: Drei Viertel aller Menschen hierzulande schalten es täglich ein, mehr als 4,5 Millionen Menschen eines der ORF-Radioangebote.

Warum? Weil sich das Radio immer wieder verändert und neu erfunden hat, weil es dadurch immer aktuell

und relevant geblieben ist. Kein Medium ist so vertrauenswürdig, keines so nah dran an den Menschen. Damit das so bleibt, wird sich das Radio in dieser zunehmend fragmentierten Medienlandschaft weiterhin permanent erneuern und weiterentwickeln müssen. Damit das so bleibt, müssen wir neuen Wegen der Programmgestaltung, der Zusammenarbeit und auch technischen Möglichkeiten gegenüber offen sein. Und damit es so bleibt, müssen wir unsere Stärken als öffentlich-rechtliche Radios noch weiter stärken. Wir müssen weiter für die zuverlässigste Information, für Service, Unterhaltung, für Musik, Kultur und Sport, für das Verbindende und das Gemeinsame stehen. Wir haben mit unseren Radiosendern Marken, die Menschen begeistern, die ein Teil ihres Lebens sind und mit denen sie sich identifizieren.

Nun gilt es, uns auf die neue Geschichte und die neuen Geschichten, die das Radio schreiben wird, zu freuen, sie aktiv mitzugestalten und so selbst Geschichte zu schreiben.

MEHR ZUR GESCHICHTE

Mehr Neuigkeiten aus der Vergangenheit des Radios entdecken: hdgoe.at/radio

MEHR AUF CD

Ö1 hat zum Jubiläum die ältesten Radiotöne Österreichs auf eine CD gepackt. Präsentiert von Doris Glaser. oe1.ORF.at

MEHR IN SOUND MEHR ÜBER DEN ORF

Auf ORF SOUND können Sie zahlreiche Radiomomente nachhören, von den ältesten archivierten Aufnahmen bis zu aktuellen Sendungen.

Der Public-Value-Bericht des ORF belegt, wie der ORF seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllt. Texte, Daten, Zahlen dazu auf zukunft.ORF.at

IMPRESSUM

Radiomomente

Erinnerungen und Analysen zu 100 Jahren Radio in Österreich.

MEDIENINHABER

Österreichischer Rundfunk, ORF

Hugo-Portisch-Gasse 1, 1136 Wien

IN KOOPERATION MIT

Haus der Geschichte Österreich Österreichische Nationalbibliothek Josefsplatz 1, 1015 Wien

HERAUSGEBER:INNEN

Konrad Mitschka (ORF Public Value), Karin Moser (Universität Wien), Stefan Benedik (Haus der Geschichte Österreich)

ART DIRECTION & DESIGN HammerAlbrecht, hammeralbrecht.design

MITARBEIT (ORF)

Marlene Kaufmann, Paulina Petri, Isabelle Richter, Stephan Schöck; Fotos: Martin Majnaric

MITARBEIT (HDGÖ UND ÖNB)

Anna Bausch, Antonia Heidl, Tanja Jenni, Marianna Nenning, Johannes Pötzlberger, Peter Prokop, Florian Wagner

OBJEKTFOTOGRAFIE

David Tiefenthaler, hdgö

LEKTORAT

Susanne Berndl, ORF

BILDER

Seite 39 (Plácido Domingo): © Stadtarchiv Bregenz / Oskar Spang. Wenn nicht anders angegeben, Quelle: ORF Pressebildarchiv. Falls Rechte (auch) bei anderen Rechteinhaber:innen liegen sollten, werden diese gebeten, sich beim ORF zu melden.

SCHRIFTEN

Mattone (Collletttivo), Vadelma (Melvastype), Compagnon (Velvetyne), Sharpie (Indian Type Foundry), Kompakt (Franz Tiefenthaler), Telma (Indian Type Foundry), N27 (Atipo), Ribes (Collletttivo), CHANEY (Atipo), Terminal Grotesque (Velvetyne), ORF Universal

DRUCK

Gerin Druck GmbH, Gerinstraße 1–3 2120 Wolkersdorf, Österreich

Dieses Buch wurde auf einem Peragraphica High White Rough gedruckt. Dieses Papier ist FSC® zertifiziert.

Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autor:innen bzw. der Herausgeber:innen und des Verlags ist ausgeschlossen.

1. Auflage, © ORF und hdgö / ÖNB 2024

ISBN 978-3-01-000056-7

MEHR IM RADIO

HALLO, HALLO,

24/7

Radio geht, wenn nichts mehr geht.

Wenn die Katastrophe passiert, bei atomarem Super-GAU, Störfall in einem Chemiebetrieb oder großflächigem Blackout: Ö3 ist nationales Katastrophenradio.

Hier arbeitet die einzige täglich 24 Stunden lang besetzte Radionachrichtenredaktion Österreichs.

Dieses Radiolesebuch zum

Jubiläum „100 Jahre Radio“ beinhaltet Radiomomente von

Doris Appel • Thomas Arbeiter • Doris Bachler • Reinhardt Badegruber • Stefan Benedik • Gerhard Berger • Elias Berner • Sascha Boctor • Lothar Bodingbauer • Maximilian Brockhaus • Jakob Brossmann • Rudolf Buchbinder • RAF Camora • Peter Cornelius • Claudia Czesch • Joe Daxbacher • Sabine Derman • Corinna Drumm • Wolfgang Duchkowitsch • Thomas Felfer • Bernhard Fellinger • Regina Fritsch • Peter Fritz • Daniel Froschauer • Gabriele Fröschl • Paul Gessl • Haimo Godler • Daniel Gottfried • Christoph Grissemann • Sabine Haag • Birgit Haberpeuntner • Michael Hajek • Eva Hallama • Gudrun Hamböck • Philipp Hansa • Maria Happel • Herbert Hayduck • Hannes Heher • Monika Helfer • André Heller • Michael Heltau • Petra Herczeg • Iris HofmeisterBulgarelli • Gernot Hörmann • Albert Hosp • Udo Huber • Christian Huber • Christoph Hubner • Wolfgang Hübsch • Peter Huemer • Herbert Hutar • Robert Jahn • Uli

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ISBN 978-3-01-000056-7

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