www.think-ing.de
Juni 2019
kompakt D e i n E i n bli c k i n d i e We l t d e r In ge ni e u r i nn e n u n d In ge ni e u r e
© iStock / Just _Super
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
CHANCEN DURCH KI P O R T R ÄT 10 HOCH 3 0 ab Seite 2
T R EN D S K I I M A L LTAG ab Seite 5
KI kann sogar Kunst. Im vergangenen Jahr wurde beim Auktionshaus Christie’s ein von einer KI gemaltes Bild für über 300.000 Euro versteigert. Algorithmen schreiben außerdem Texte, komponieren Musikstücke, machen Designvorschläge. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich um diese zwei Buchstaben große Hoffnungen und Dystopien ranken. Die reichen vom ewigen Leben auf der Festplatte bis zur künstlichen Superintelligenz, die die Erde beherrscht. Ob es dazu jemals kommen wird, ist mehr als fraglich. Unbestritten ist, dass die sogenannte schwache KI bereits heute immer weiter um sich greift und unser Leben in vielen Bereichen nachhaltig verändert. Daher wurde auch das Wissenschaftsjahr 2019 dem Thema KI gewidmet. Was meinen wir also, wenn wir von Künstlicher Intelligenz sprechen? weiter auf Seite 2
© © Microsoft
In der Informatik bezeichnet KI ein Programm, das lern- und anpassungsfähig ist. Wir finden solche Programme heute etwa in Robotern, modernen Autos, bei Online-Videospielen, in der Industrie, aber auch in der Justiz, im Bildungssystem und im Umweltschutz. Die KI-Software erkennt und löst Probleme eigenständig und verbessert ihre Strategien. Das nennt man maschinelles Lernen. Der lernende Algorithmus ist aber immer nur so gut wie die Daten, auf die er zurückgreifen kann. Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto zuverlässiger kann er Muster und Gesetzmäßigkeiten ableiten. Das wirft nicht nur Fragen zur Qualität der Daten, sondern auch zum Datenschutz auf. Jedenfalls eröffnet KI Chancen in sehr vielen Bereichen. Das Schlagwort Industrie 4.0 verheißt einen großen ökonomischen Entwicklungsschub. Intelligente Verkehrsleitsysteme könnten helfen, Staus zu vermeiden und Individual- und öffentlichen Nahverkehr besser zu kombinieren. Durch die intelligente Vernetzung von Lagerstandorten, bei der auch Drohnen zum Einsatz kommen, könnten Waren zielgerichteter transportiert und Lkw-Leerfahrten vermieden werden. In der Energieversorgung könnten Smart Grids helfen Schwankungen bei der Wind- und Sonnenenergie auszugleichen. KI könnte zudem den Umgang mit Ressourcen überwachen, den Energieverbrauch senken und sogar verlässliche Aussagen über den Klimawandel machen. Die Medizin hat KI bereits nachhaltig verändert. Indem sie eine Fülle von Krankendaten in kürzester Zeit analysieren und auswerten kann, unterstützt sie Ärzte bei der Entwicklung individueller Therapien. KI-basierte Programme werden zunehmend auch in der Aus- und Weiterbildung eingesetzt. Solche individuellen Lernangebote könnten langfristig sogar den Schulbetrieb verändern.
Neue Technologien zur Entwicklung von KI-Lösungen für Unternehmen wurden 2019 auf der Hannover Messe gezeigt
Eine Gesellschaft, die in so wichtigen Bereichen auf lernende Systeme setzt, braucht Fachkräfte, die diese Technologien entwickeln und ausbauen. Sie benötigt Mädchen und Jungen, die sich für die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) begeistern. Denn Kenntnisse in diesen Fächern sind die Voraussetzung für Fortschritte in der KI-Forschung. Hier ist derzeit noch deutlich Luft nach oben, insbesondere bei den Frauen. Die haben in den relevanten Informatik- und Ingenieurstudienfächern einen Anteil von gerade einmal 20 Prozent. Dabei ist KI dringend auch auf weibliche Intelligenz angewiesen. In jedem Fall gibt es diesem Bereich ein riesiges Potenzial, einen tollen Beruf mit Zukunft zu finden. 02
10 HOCH 30 Während die starke KI die menschliche Intelligenz mindestens erreichen, vielleicht aber auch übertreffen will, sorgt die schwache KI für Megaleistungen in Teilbereichen. Gerne auch anwendungsbezogen. Es ist ein IT-getriebenes Feld, in dem sich auch Jasper Pille tummelt. Hameln. Eine urlaubstaugliche Stadt in Niedersachsen. Stützpunkt der Sage um den unheimlichen Rattenfänger. Und Hauptsitz der Firma Lenze, Entwickler und Hersteller von Antriebs- und Automatisierungstechnik für den Maschinenbau. Hier vermischen sich also die Welten. Die künstliche Intelligenz spielt dabei eine wichtige Rolle. Allerdings keine, die von Cyborgs oder Mensch-Maschine-Robotern handelt. Im Hameln geht es um eine anwendungsgetriebene KI, in der sich der 26-jährige Jasper Pille mit einem Team aus Informatikern, Elektro- und Maschinenbauingenieuren die Synapsen teilt. „Als Softwareentwickler bin ich dafür verantwortlich, vorgegebene Lösungswege in Quellcodes runter zu schreiben. Und das ganze super teamorientiert.“ „If (MotionFunction == Null)“ steht in weißen Courier-Buchstaben auf dem schwarz hinterlegten Bildschirm. Eine Zeile von wahrscheinlich tausenden. Jasper Pille scrollt durch diese Zeilen, verändert und optimiert damit eine Software, die der KI zugesprochen werden kann. Lenze ist ein weltweit operierendes Unternehmen, das Maschinen für die Automobil-, Verpackungs- und Textilindustrie automatisiert, aber auch Förderanlagen in Warenverteilzentren, auf Flughäfen und noch viel mehr in Bewegung setzt. Überall in der Industrie gibt es automatisierte Systeme, zum Beispiel sogenannte Pick-and-Place-Roboter, die Teile greifen und an einem anderen Ort in anderer Lage wieder ablegen können. Wenn bei Amazon zig Millionen Produkte rasend schnell über Förderbänder
© Michael Bokelmann Jeder Punkt in den Diagrammen ist eine Antriebslösung für verschiedene Prozessanforderungen. Links im Bild erscheinen die ungültigen/ sinnlosen, rechts die gültigen/ sinnvollen Lösungen. Bei letzteren kommt die KI zum Einsatz.
gleiten, greifen auch Maschinenarme danach und bringen die Kartons dorthin wo sie hingehören. „Lenze hat bereits vor Jahrzehnten erkannt, dass immer mehr Intelligenz und immer mehr Software in Maschinen einfließt. Heute will jeder Mensch möglichst individualisierte Waren. Kaum ein Auto gleicht dem anderen, aber Manufakturpreise will auch niemand zahlen. Das geht nur mit sehr flexiblen Maschinen, die immer intelligenter werden müssen.“ Dadurch steigt aber auch die Komplexität. Damit diese noch beherrschbar bleibt, muss die künstliche Intelligenz eingreifen und die schier unüberschaubare Vielfalt clever regeln. © Michael Bokelmann
Rund 4.000 Personen arbeiten weltweit bei Lenze. Alleine am Standort in Hameln sind es 800. Und viele von ihnen kümmern sich um das Thema Software. Seit September 2018 ist auch Jasper dabei. Vorher hat er E-Technik studiert. Erst als duales Studium bei Lenze bis zum Bachelor, dann im Master an der Uni in Hannover. Ein straighter junger Mann, dem immer schon klar war, was er will, weil er schon früh seine natürliche Fächerkombi kannte. Mit anderen Worten: Wo andere suchen, wusste er um Mathe und Physik. Die Informatik kam später hinzu.
Ein Stift, eine Glasfläche und die komplexeste
Bei Lenze werden also komplette Antriebs- und Automatisierungslösungen zum Beispiel für solche Sortieranlagen hergestellt. Für die benötigten Komponenten, wie Servoumrichter, Motoren, Getriebe, Steuerungen oder Softwarebausteine für das Steuerung-Programm gibt es zahllose Varianten. Wenn man die komplette Vielfalt an
Kombinationsmöglichkeiten ausbreiten und zusammenstellen würde, käme allein bei den Getriebemotoren die Zahl 1030 heraus. Viele davon sind für einen bestimmten Einsatzfall (zum Beispiel Pick-and-Place) Unsinn, aber viele sind es eben nicht. Hier kommt der EASY System Designer ins Spiel. Eine aktuelle Lenze-Entwicklung für ein neues Planungswerkzeug. Pure Software, die kleinste Details jedes Bauteils clever miteinander in Beziehungen setzt. Heißt: Erst hat der Kunde eine Anforderung, dann kombiniert Für eine gelungene künstliche Intelligenz m das System auf Knopfdruck, welche Bauteile am besten zusammenpassen. Am Ende wirft das cloudbasierte Tool eine Systemlösung für die Kundenmaschine aus. Darin enthalten: Aussage zur technischen Machbarkeit, Produktlisten spezielle Sichten für alle Beteiligten im Planungsprozess, Schnittstellen zu weiteren Werkzeugen im digitalen Engineering. Und der Preis kann auch schnell ermittelt werden. „Die Intelligenz steckt im Grunde darin, dass wir Wissen über die Maschinen in diese Software gießen. Abhängig von den Eingabeparametern für die Maschine können so Lösungen generiert werden. Basierend auf der Intelligenz, die wir abgelegt haben.“ Voilà – ein ordentliches Stück KI.
Programmiersprache erhält einen ganz eigenen Durchblick
03
„Beim Thema KI müssen wir auch noch unseren digitalen Zwilling erwähnen“, ergänzt er. Digitaler Zwilling? Das klingt doch schon mal nach Science-Fiction und beschreibt doch vor allem den Ansatz, Maschinenmodelle in einer Software abzubilden. Darin steckt eine Kette von Planungen, Anpassungen und einem gigantischen Systemwissen, an dessen Ende ganz reale Produktionsmaschinen gebaut werden. Es ist also fast so etwas wie eine Simulation. Nur vielschichtiger. Es sind die puren Ingenieurwissenschaften, die bei diesem in weltweit mehr als 60 Ländern verankerten Unternehmen ihre Hauptrolle spielen. Die Anwendungen begegnen uns schließlich über Umwege – wir erleben es eben nicht unmittelbar, wenn in den großen Lägern dieser Welt Waren umverpackt werden und abermals auf Paletten gestapelt und in Folie eingewickelt den nächsten Teil der weltweiten Warenwirtschaft schadlos zurücklegen. Das Unternehmen Lenze ist also mit seiner Entwicklung auch
© © Uni Stuttgart
© Michael Bokelmann
WEIT GEFÄCHERTE KI Prof. Dr.-Ing. Michael Weyrich leitet an der Universität Stuttgart das Institut für Automatisierungstechnik und Softwaresysteme an der Fakultät für Informatik, Elektrotechnik und Informationstechnologie. Gleichzeitig trägt er das Amt des designierten Studiendekans für den neuen Masterstudiengang Autonome Systeme. In beiden Funktionen bildet er die KI-Experten der Zukunft aus.
muss die humane Intelligenz im Team arbeiten
© Michael Bokelmann
Teil eines zukunftsgerichteten Schmelztiegels aus Industrie 4.0, Globalisierung und immer schlaueren Technologien, die unseren Lebensstandard erst ermöglichen. Und Jasper Pille steckt als junger Absolvent noch in den professionellen Kinderschuhen seiner digitalen Karriere. Ein talentierter Mann, der die Entwicklung neuer künstlicher Intelligenzen antreibt und dabei in physische Instrumente verwandelt, die später Kisten stapeln, aussortieren oder vielleicht auch bauen.
Sieht kompliziert aus. Ist es auch. Programmcodes am laufenden Meter. Die Basis der KI.
Und dann fährt Jasper nach Hause, packt seine Sporttasche und geht zum Handball. Seit Jahren. Es ist ein Hobby, das ihn seit der Schulzeit durch alle Lebensphasen begleitet und ihm eine entspannende Bodenhaftung schenkt. Welche Rolle er im Team als 1,94-Mann auch immer spielen mag: Diese Rolle ist analog. Vielleicht braucht jemand, der in die binären Untiefen eintaucht, einfach derart analoge Entsprechungen, damit die ganz natürliche Intelligenz nicht schier verrückt wird. Dass die Spracherkennung seines Smartphones, Alexa im Wohnzimmer und das Navi im Auto auf dem Weg nach Hause von künstlicher Intelligenz nur so strotzt, steht dann wieder auf einem ganz anderen Blatt.
DA S S C H L AG W O R T KÜNSTLICHE INTELLIGENZ WA R I N D E N 8 0 E R JA H R E N S C H O N EINMAL IN MODE. WA S I S T H E U T E ANDERS?
Heute stehen wir an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter. Inzwischen gab es enorme Durchbrüche in vielen Bereichen, die Dinge möglich machen, die noch vor zehn Jahren undenkbar waren und die massiv in unser Alltagsleben eindringen. Allein das Thema der Sprachassistenz ist ein gutes Beispiel: heute ist es alltäglich mit Google, Alexa oder Siri sprechen zu können. Oder das Thema autonomes Fahren. Schon heute gibt es Überholassistenten und das voll autonome Fahren ist ebenfalls in Sichtweite. Insgesamt ist das Thema sehr komplex, daher laden wir gelegentlich auch Philosophen ein, um mit ihnen über das Wesen der Intelligenz und neue Themen der Moral und Ethik zu diskutieren.
WELCHE STUDIENBEREICHE BESCHÄFTIGEN SICH DENN GENERELL MIT DEM THEMA KI?
Das ist ganz unterschiedlich. Die Studierenden sind hoch interessiert an diesen Themen und es gibt unterschiedliche fachliche Ebenen und daher verschiedene Inhalte, die wir in unseren Vorlesungen in verschiedenen Bereichen präsentieren. Darunter sind natürlich Informatiker und Informationstechniker, aber auch solche, die aus Bereichen des Maschinenbaus, der Mechatronik oder der Kybernetik kommen. Viele stammen auch aus Anwendungsfächern wie der Luft- und Raumfahrt oder der Medizin-, Produktionsund Fahrzeugtechnik. KI ist eben nicht nur ein Softwarethema, sondern orientiert sich auch an den industriellen Anwendungen. Softwaregetrieben sind ja letztlich die Algorithmen, die Dinge verändern. Aber die müssen zu einem Einsatzszenario passen. Und die Kollegen, die aus dem Anwendungsfeld stammen, fragen eher: was brauche ich denn jetzt tatsächlich an autonomen Funktionen im Auto?
WIE SIND DIE CHANCE N AUF DEM ARBEITSMARKT FÜR PERSONEN, DIE SICH HEUTE IM RAHMEN DER INGENIEURWISSENSCHAFTEN MIT KI AUSEINANDERSETZEN?
Fantastisch. Es ist tatsächlich so, dass wir eine unglaubliche Nachfrage an Spezialisten haben. Neulich hat ein Doktorand von uns innerhalb von vier Wochen drei hervorragende Jobangebote bekommen. Alle, die ihn erst nach dieser Zeit einladen wollten, hat er gar nicht mehr beachtet, sonst hätte er bestimmt sehr schnell noch einige mehr bekommen. Grade im Feld der Ingenieurssoftware herrscht ein enormer Fachkräftemangel, den wir täglich mitbekommen. Darum öffnen wir auch unseren neuen Masterstudiengang Autonome Systeme nicht nur für den Bereich der Informatik, sondern eben auch für den klassischen Ingenieurbereich. s.think-ing.de/autonome-systeme-stuttgart
04
© SICK
KI IM ALLTAG
SICK in Freiburg fertigt Sensoren in einer vernetzten
Wenn die Maschinen im sogenannten Internet der Dinge, in Industrieproduktion und Logistik autark miteinander kommunizieren sollen, dann benötigen sie feine Sensoren. Um sich in cyber-physischen Systemen (CPS) zu verbinden und Prozessabläufe optimieren zu können, müssen Geräte sensibel aufeinander reagieren. Je genauer und schneller, desto präziser funktioniert die Produktion. Ohne Sensorik ist moderne Industrie unmöglich. Der deutsche Sensorhersteller SICK betreibt in Linköping im schwedischen Östergötland ein Entwicklungszentrum, wo Technologien für die selbstlernende und selbstorganisierende Fabrik erforscht werden. Besonderer Schwerpunkt sind dabei hypersensible Kameras, denen buchstäblich nichts entgeht und die ihre Bilder in Sekundenbruchteilen auswerten können. Ob es sich um die Präzision einer Schweißnaht oder eine lockere Schraube am Fahrwerk eines Zugs geht, der mit 120 Stundenkilometern vorbeifährt – die Sensoren registrieren es und melden das Ergebnis an die Zentrale. Dabei liefern die Sensoren nicht nur Messdaten. Sie verfügen über integrierte dezentrale Rechenkapazität und sind flexibel programmierbar. Wie das in der Praxis funktioniert, lässt sich in der Fabrik für Lichtschranken beobachten, die SICK im vergangenen Jahr in Freiburg-Hochdorf eröffnet hat. 80 Prozent der Abläufe sind hier bereits automatisiert. Es gibt nur noch wenige Handarbeitsplätze. Mitarbeiter kümmern sich vor allem um die Verbesserung der Abläufe und höhere Qualität, Effizienz und Variantenvielfalt. Denn eine Produktion ganz ohne Menschen können selbst die sensibelsten Sensoren noch nicht erkennen.
Fabrik mit autonomer digitaler Produktion und Steuerung
© Wikimedia / LeLaisserPasserA38
BLITZSCHNELL UND INTELLIGENT – FA B R I K E N O R G A N I S I E R E N S I C H S E L B S T
Eine anspruchsvolle Aufgabe für KI-Entwickler: „Autonome robotische Systeme für Feuerwehren müssen Hitze und Feuer widerstehen und sie müssen sich unter extrem schwierigen und unvorhersehbaren Bedingungen zurecht finden, zum Beispiel um nicht mehr begehbare Innenräume zu erkunden“, erläutert Jürgen Beyerer, Leiter des Fraunhofer Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung. Beyerer leitet auch die Arbeitsgruppe Lebensfeindliche Umgebungen, die unter anderem das Anwendungsszenario für die Feuerwehr entwickelt hat. Damit intelligente Roboter bei Unfällen Lageinformationen liefern, den physischen Zustand von Opfern und Rettungskräften überwachen und vor Gefahren wie etwa austretenden Gasen warnen, müssen sie sich frei bewegen können. Dazu „müssen bis zu 70 Motoren und Hunderte von Sensoren zusammenwirken. Und all diese Informationen müssen in Echtzeit verarbeitet werden“, sagt Dr. Sirko Straube vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Bremen, das an dem Projekt beteiligt ist. Wenn Verletzte geborgen sind und der Brand gelöscht ist, analysieren die autonomen Roboter ihre Aufzeichnungen. Aus Fehlentscheidungen lernen sie, Abläufe zu optimieren. Noch zu klären sind ethische Fragen wie die, was mit personenbezogenen Daten geschieht, welche Entscheidung Roboter treffen, wenn zu viele Menschen gleichzeitig Hilfe benötigen und wer für mögliche Fehler haftet.
Bei komplizierten und gefährlichen Feuerwehreinsätzen wie dem Brand der Notre Dame könnte künftig KI zum Einsatz kommen
L E R N E N D E R O B O T E R F Ü R B R A N D G E FÄ H R L I C H E E I N S ÄT Z E
HUMANIZING TECHNOLOGIES – EINE SEELE FÜR PEPPER
Die Feuerwehrleute, die in Paris an der brennenden Notre Dame die vollständige Zerstörung des Kulturerbes verhindern konnten, mussten dafür ihr Leben riskieren. Bei derart gefährlichen Missionen könnten in Zukunft selbstlernende Roboter den Einsatzkräften zur Seite stehen. Die feuerfesten Helfer aus Silizium, Silikon und Metall sollen zu Luft und zu Land autonom die Lage erkunden, Löscharbeiten unterstützen und außerdem den körperlichen Zustand der Feuerwehrleute überwachen.
Für den CEO und IT-Experten Tim Schuster ist es nur eine Frage der Zeit, wann Menschen und intelligente Roboter sich annähern werden. Der gebürtige Schwabe würde in einer Erzählung von Isaac Asimov eine gute Figur abgeben. Doch der Roman I Robot erschien 1950 und wir zählen das Jahr 2019. Heute ist die Vermenschlichung von Technologien in greifbare Nähe gerückt. Und Software für humanoide Roboter, die sich geschmeidig im gesellschaftlichen Raum bewegen, ist ein gutes Geschäft.
05
© Humanizing Technologies
Charmeoffensive – der humanoide Roboter Pepper zeigt menschliche Emotionen
In Dimitrios Prodromou fand Schuster den passenden Partner. Der Roboterexperte und Mechatroniker war in Österreich an der Programmierung der Software des Roboters Romeo beteiligt. Kontakte zur Firma SoftBank Robotics in Paris ermöglichten den Kauf des Nachfolgers Pepper. Seitdem bemüht sich das Start-up Humanizing Technologies, diesen und andere humanoide Roboter menschenähnlicher zu machen. An den drei Standorten Olpe im Sauerland, Köln und Wien wird die entsprechende Software entwickelt, Peppers Seele sozusagen. Man könne die Roboter auch direkt beim Hersteller kaufen, sagt Tim Schuster. Um sie aber bedienen zu können, müsse man dann Softwareentwickler sein. Humanizing Technologies sorgt für eine userorientierte Plattform, sodass jeder seinen Roboter ohne Programmierkenntnisse nutzen kann. Die Roboter könnten schon heute beispielsweise am Check-in von Flughäfen, Handel und Banken Kunden begrüßen und anleiten oder bei Gesundheit und Pflege Hilfsdienste verrichten. Das Pepper-Exemplar, das sich am Münchener Flughafen mit wartenden Fluggästen unterhält, ist aber vor allem eine Charmeoffensive, die Ängste und Vorbehalte abbauen soll. Denn in Europa und den USA sind Menschen den neuen Zeitgenossen gegenüber noch reservierter als etwa in Japan. Aber auch Pepper muss den Umgang mit Menschen noch perfektionieren, um Vertrauen zu erwecken. Niedlich mit den Plastiklidern klimpern kann er schon. Emotionale Reaktionen zeigen lernt er noch.
KI STUDIEREN KI ist eine der wichtigsten Zukunftstechnologien und Experten sind weltweit begehrt. Studiengänge rund um das Thema KI kombinieren Maschinenbau und Elektrotechnik mit Informatik. ROBOTIK UND AUTONOME SYSTEME Bachelor und Master an der Universität Lübeck s.think-ing.de/robotik-luebeck s.think-ing.de/robotik-luebeck-master HUMANOIDE ROBOTIK Bachelor an der Hochschule für Technik Berlin s.think-ing.de/humanoide-robotik-beuth Finde Studiengänge, die deinen Interessen, Stärken und Zielen entsprechen, mit dem think ING. Finder unter s.think-ing.de/finder
DA S K I -T E A M VO M B A U Man stelle sich vor, ein Haus soll gebaut werden, aber statt der üblichen Maurertruppe erscheinen Roboter und 3D-Drucker auf der Baustelle. Das ist zwar noch nicht State of the Art, aber bereits möglich und könnte in Zukunft häufiger passieren. Zumindest ist mit dem DFAB House im schweizerischen Dübendorf ein Anfang gemacht. Das Haus (Teil des NEST-Forschungsprojekts) wurde im Februar 2019 fertig fertiggestellt. Während Roboter Pfosten und komplexe Betonstrukturen erstellten, erzeugte ein 3D-Drucker aus Sand und speziellem © NCCR Digital Fabrication / Roman Keller
Bindungsmittel die Schalung für die Geschossdecke. An der Holzkonstruktion für die oberen Stockwerke arbeiteten zwei Roboter sozusagen Hand in Hand. Der eine hielt die Holzbalken, der andere sägte und bohrte, wobei er Werkzeuge selbst wechselte. Ganz ohne Menschen ging es aber auch bei diesem Verfahren noch nicht. Nachdem Roboter ein stabiles Gitter aus Draht nach einem Computermodell zusammengeschweißt und zurechtgeschnitten hatten, mussten zwei Arbeiter Beton hineinpumpen und ihn glattstreichen. Diese Bautechnik nennt sich Mesh Mould. Das Verfahren erlaubt vielfältige Formen und es spart Material, Energie und Kosten. Das zukunftsweisende Projekt wurde möglich durch intensive Zusammenarbeit zwischen Forschenden des Empa-Instituts und der Industrie. Einige der Forscher werden das Haus auch selbst bewohnen. Der Weg vom digitalen Reißbrett zum schlüsselfertigen Bau hat Wissenschaftler und Bauingenieure über Jahre beschäftigt.
IMPRESSUM Herausgeber GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e.V. Voßstraße 16 - 10117 Berlin Verantwortliche Leitung Wolfgang Gollub Redaktion und Gestaltung concedra GmbH, Bochum
Zwei kooperierende Roboter positionieren Holzbalken anhand eines digitalen Modells präzise im Raum ohne zu kollidieren
06
Druck color-offset-wälter GmbH & Co. KG, Dortmund Alle in dieser kompakt enthaltenen Inhalte und Informationen wurden sorgfältig auf Richtigkeit überprüft. Dennoch kann keine Garantie für die Angaben übernommen werden.